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Der vorausschauenden Blick des Zukunftsforschers Jempi Moens

Trendwatcher Jean-Pierre „Jempi“ Moens erkennt, was wir in Zukunft sehen werden. Bereits 2016 hatte er einen vorausschauenden Blick auf unsere Branche. Zeit zu prüfen, ob seine Vorhersagen eingetroffen sind. Und um zu entdecken, was uns in den nächsten Jahren erwartet. Anouk Hol spricht erneut mit Jempi.

„Jempi, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben hast du gesagt, dass die Konsumenten sich immer mehr vom Shopper zum Enjoyer verändern. Damit hattest du Recht. Wodurch wird diese Entwicklung getrieben?“

„Der Enjoyer legt zunehmend Wert auf Erlebnisse. Die Konsumenten suchen eine total experience und sind bereit, bei einem Unternehmer mit Leidenschaft für das Produkt mehr zu bezahlen. In den nächsten Jahren wird sich dies in Richtung eines hybriden Enjoyers verschieben. Damit meine ich, dass das Erlebnis zwischen Online und Offline verstärkt wird. Konsumenten im stationären Handel werden immer häufiger aktiv am Online-Sortiment beteiligt. Viele Geschäfte stellen sich jetzt bereits darauf ein. Zum Beispiel Bever. Dessen Mitarbeiter sind im Hinblick auf diesen neuen Konsumententyp geschult und verfügen über enormes Produktwissen. Als Konsument werde ich im Geschäft bei meiner Entscheidung unterstützt. Gibt es die von mir gewünschten Wanderschuhe nicht mehr in meiner Größe? Dann bestellt der Mitarbeiter sie in meinem Beisein online und lässt sie mir nach Hause liefern. Auf diese Weise kaufe ich eigentlich online ein, profitiere aber dennoch vom persönlichen Service.“

„Und gerade die Kombination aus attraktiven Produktpräsentationen im Geschäft, wobei Displays eine große Rolle spielen und die das Erlebnis verbessern, dem persönlichen Service, aber dennoch dem Onlineshopping, gefällt dem hybriden Enjoyer natürlich sehr gut. Aber wie sieht es mit der Umwelt und dem Klima aus? Wir merken, dass immer mehr Unternehmen die Nachhaltigkeit von Displays als Bedingung formulieren. Sowohl im Hinblick auf die Produktion als auch auf die Materialien.“

„Immer mehr Unternehmen übernehmen Verantwortung für ein besseres Klima und eine nachhaltige Welt. Von der Bekleidungsmarke Patagonia, die ihre Kunden mit dem Slogan ‘Don’t buy this jacket if you already have one’ darüber nachdenken lässt, ob sie tatsächlich eine zweite Jacke brauchen, bis hin zum Getränkegiganten Coca-Cola, der die Kunden auffordert, nur Produkte zu kaufen, die den Abbau des Müllbergs unterstützen. Diese Unternehmen stehen in punkto Streitlust an vorderster Front. Ich erwarte, dass viele Organisationen ihrem Beispiel folgen werden. Markenaktivismus wird in den kommenden Jahren zunehmen.“

„Das letzte Jahr stand für viele von uns im Zeichen von Corona. Die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten war schon groß, wir haben aber gemerkt, dass sie in dieser Zeit noch gestiegen ist. Welchen Einfluss hatte Corona auf die Branche?“

„Im Moment gibt es auf der Welt noch viel Angst und Unsicherheit. Die Konsumenten suchen beim Einkaufen daher nach Feelgood-Momenten. Sie legen immer mehr Wert auf Vertrauen, Transparenz und eine klare Herkunft der Produkte. Regionale Produkte und der lokale Einkauf werden in den nächsten Jahren ein explosives Wachstum erfahren.“

„Das ist eine schöne Entwicklung, aber was bedeutet das für den stationären Handel?“

Der stationäre Handel wird eine Wiedergeburt erleben. Gestalten Sie Ihren Laden spannend oder attraktiv und die Kunden werden hereinströmen. Das Geheimnis ist Aufmerksamkeit.“

„Das ist schön zu hören, denn hier kommen wir von Holbox ins Spiel. Denn attraktive, einzigartige Produktpräsentationen, die machen unseren Faltkünstlern Spaß!“

„Absolut. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie den Kunden gerade im stationären Laden die Marke oder das Konzept (und die Menschen dahinter) näher bringen können. Ein Geschäft wie CoolBlue versteht dies wie kein Zweiter. Hier stehen Menschen mit Fachwissen bereit, um Konsumenten bei der Suche nach der einen Waschmaschine, die zu ihnen passt, zu helfen. Und das funktioniert. Auch andere Geschäfte wie Supermärkte müssten hier mehr tun. Dort wissen die Verkaufsmitarbeiter oftmals nichts über die Produkte, die sie verkaufen. Das ist aus meiner Sicht eine verpasste Chance. Ich bin davon überzeugt, dass man einen Mehrwert schafft, wenn in der Backwarenabteilung ein Mitarbeiter mit exzellenten Produktkenntnissen steht. Ich sehe auch Möglichkeiten in einer intensiven Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen. Mit einer schönen Anordnung mit auffälligen Displays bekommen sie einen prominenten Platz im Laden! Mit einem lokalen Anstrich bekommt der Supermarkt oder das Einkaufszentrum nicht nur ein abwechslungsreicheres Angebot, sondern auch wieder eine soziale Inspirations- und Nachbarschaftsfunktion wie früher.“

„Welche Entwicklungen stehen uns in den nächsten Jahren noch bevor?“

„Da der Enjoyer den Fokus auf das Erlebnis legt, müssen Geschäfte einen menschlichen Faktor oder eine Persönlichkeit haben. Am liebsten mit einem Hauch Nostalgie. Nicht umsonst legen wir wieder LPs auf und schießen Second Hand-Shops wie Pilze aus dem Boden. Renner nehmen eine deutliche Marktposition ein. Schauen wir zum Beispiel auf Rituals: Hier weiß man sofort, dass man unglaublich verwöhnt wird. Vom Duft bis zu den Geschichten hinter den Produkten, dieser Laden ist eine Wellness-Oase. Austauschbare Geschäfte wie V&D, Miss Etam und Kijkshop sind dagegen in den letzten Jahren schnell aus dem Straßenbild verschwunden. Sie konnten ihren Konsumenten nicht gut vermitteln, was ihr KPI war.“

„Man hört immer häufiger von neuen Techniken. Welche Rolle werden diese in den nächsten Jahren spielen und noch wichtiger, wie können sie im Bereich der Displays eingesetzt werden?“

„Konsumenten haben immer weniger Bedarf an Massenkommunikation, sie möchten immer häufiger auf ihr Signal hin bedient werden. Dabei helfen Techniken wie Artificial Intelligence (AI). AI hilft dabei, sich perfekt auf den einen Kunden einzustimmen. Ein Beispiel dafür ist der virtuelle Anprobespiegel. Durch ihn wird das Einkaufen schöner, zugänglicher und funktionaler. Oder was hältst du von Kosmetikunternehmen, die ihre Kunden nach einem Hautscan im Hinblick auf das Make-up oder die Pflegeprodukte beraten, die am besten zu ihnen passen? Das ist bestimmt kein Science Fiction mehr. Dasselbe gilt für Location Based Services (LBS), die den GPS-Empfänger deines Smartphones oder Standortinformationen im mobilen Netzwerk nutzen. Konsumenten werden dann auf Basis ihrer Interessen und ihres Kaufverhaltens über ihr Smartphone über ihre Lieblingsprodukte und den Bestand im Laden informiert. Sie erhalten zum Beispiel eine Mitteilung, dass ihre bevorzugte Markenjeans in der richtigen Größe im Laden um die Ecke vorrätig ist. Anschließend gibt man einfach an, ob man sie selbst abholen oder sich lieber zuschicken lassen will. Bei Volvo laufen aktuell Versuche, wobei bestellte Artikel in den Kofferraum geliefert werden. Das finde ich brillant. Die Technologie weiß, wo dein Auto steht, legt die Artikel ins Auto, woraufhin sich der Kofferraum schließt. Diese Art von Technologien wird Teil unseres Lebens werden. Im Bereich der Displays erwarte ich, dass diese auch interaktiver/digitaler werden (mit integrierter Bildschirmtechnologie). Diverse Marken und Einzelhändler verwenden bereits jetzt innovative Formen von Displays. Nespresso beispielsweise hat 1.000 Roboter im Einsatz, die einen Kunden interaktiv über Produkte informieren.” 

Über Jempi Moens

Jempi Moens ist Psychologe und Eigentümer von Fresh Forward. Dieses kreative Beratungsunternehmen beschäftigt sich schon seit fast 20 Jahren mit der Visions- und Strategieentwicklung für Unternehmen, die neugierig sind zu erfahren, wie sie sich von anderen abheben können. Jempi hat außerdem das LUNAR-Institut gegründet. Dies ist ein Bildungsträger für neugierige Führungskräfte, die Veränderung und Fortschritt lieben. Demnächst wird Jempis Buch über die Vermenschlichung von Organisationen erscheinen. Weitere Informationen finden Sie auf www.freshforward.com

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