Hochschwarzwald Magazin – Sommer 2014

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hochtraditionell

abends fern, muss sie Strohschuhe machen. „Sonst schlafe ich ein.“ So wird es schnell Mitternacht oder später. Für ihr erstes Paar Strohschuhe hat Hannelore Winker zwölf Stunden gebraucht. Heute ist sie in sechs bis sieben Stunden fertig. Der Stundenlohn, auf den sie kommt, ist ein Witz. Die handgefertigten Hausschuhe, allesamt Unikate, kosten 20 und 25 Euro für Kinder, 35 Euro für Erwachsene, ab Größe 44 sind es 40 Euro. Wer Finken kauft, auch da bewahrheiten sich die überlieferten Zeilen, bereut es nicht: „Sell reut euch sicher nit.“ Wer Strohschuhe bei Hannelore Winker bestellen will, ruft sie einfach an. Es ist auch möglich den Stoff für den Rand selbst mitzubringen. Gegen ein Porto von 4,90 Euro schickt sie die Finken nach Hause. Tel.: 07653/6924 Stuhllehne baumelt bereits zu langen Zöpfen geflochtenes Stroh. Auf einem Bügelbrett stehen dunkelgrüne Leisten aus Hartplastik, die mit schwarzem Wollstoff überzogen sind. Daneben liegt eine Rolle Wachsfaden, mit dem die Schuhe zusammengenäht werden, und eine dicke Rundnadel. Die gelernte Apothekenhelferin war viele Jahre zu Hause und hat sich um die Kinder gekümmert, zwei Jungs und ein Mädchen, die jetzt 22, 21 und 19 Jahre alt sind. „Ich war schon immer häuslich und wollte früh heiraten“, erzählt sie freimütig. Dafür, dass sie mit den Strohschuhen anfing, hat sie nur eine Vermutung: „Das musste wahrscheinlich so sein.“ Immer,

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wenn sie Zeit hat, greift Hannelore Winker, die einige Stunden in der Woche als Servicekraft in einem Hotel arbeitet, zum Stroh. „Manchmal gleich nach dem Aufstehen“, gesteht sie lachend. Am meisten zu tun hat sie vor Weihnachten und vor der Fasnet. Für Narrenzünfte fertigt sie Strohschuhe für draußen an, deren Sohlen aus ausrangierten Gummireifen bestehen. Und mit sinkenden Temperaturen erhält sie zunehmend Privatbestellungen. „Die Leute rufen an und sagen, Frau Winker, es wird kalt!“ Sie muss nur die Schuhgröße wissen, ob die rutschfeste Ledersohle schwarz, braun oder dunkelblau sein und welche Farbe, welches Muster der Stoffrand haben soll. Werden die Schuhe für Garten und Hof gebraucht, verpasst sie ihnen eine Gummisohle. Früher wurden die Strohschuhe aus Roggenstroh gefertigt, das eingeweicht werden musste und leicht brach. Hannelore Winker verwendet Maisstroh, andere nehmen Hanf oder Bast. Ein Strohbündel reicht für 2,5 Paar Schuhe, pro Paar benötigt Hannelore Winker acht bis zehn Meter. Ihre Schwiegermutter hilft ihr, das Stroh zu Zöpfen zu flechten. Dann legt sie über die Leisten schwarzen Wollstoff, auf den sie die Strohzöpfe näht. Dieser Arbeitsgang ist ihr der liebste. „Da sieht man, wie der Schuh entsteht.“ Schaut sie

S isch nit bloß Leder, Zwirn un Strauh, s isch Summersunne drin un Tau un Morgeliecht un Mähderschritt un mänke Stupf un mänke Schnitt vo Schaffhänd, wiseliflinke Kaufet warmi Finke – Sell reut euch sicher nit.

bitte was?

Was sind Finken? Das Wort tauchte erstmals in einer alemannischen Glosse des 13. Jahrhunderts auf, wo es mit „einer Art Fußbekleidung der Mönche“ erklärt wurde. Das Wort stammt vermutlich vom spätlateinischen „fico“, Plural „ficones“, und dürfte aus der Klostersprache des Hochmittelalters in die alemannische Mundart gelangt sein. Woher allerdings dieses „fico“ kommt, ist unklar. Möglicherweise leitet sich das Wort doch von dem Vogel Fink ab. Hausschuhe wurden früher aus Stoffresten hergestellt und waren deshalb buntscheckig wie der gleichnamige Vogel.

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