Bauen aus dem Planeten Stein

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Themenheft von Hochparterre, Dezember 2025

Bauen aus dem Planeten Stein

Naturstein ist dauerhaft, schön und arm an CO₂. Ein Zukunftsmaterial im und am Haus und drumherum.

Seit Jahrzehnten wird in Vals jener berühmte Quarzit abgebaut, aus dem Peter Zumthor die Therme Vals erstellte und der den Zürcher Sechseläutenplatz bedeckt.

Inhalt

4 La Pierre de l’avant-garde

Von Frankreich aus ist der tragende Naturstein in Genf angekommen

18 « Man arb eitet mit dem Stein des Orts »

Ingenieur Jürg Conzett zu seinen innovativen Natursteinbrücken

21 Verrucano im Holzgefieder

Von der alten Mühle in Ennenda zum Wohnhaus: Wo Wasser ins Spiel kommt, tritt das Konglomerat aus verkittetem Kies und Sand auf

24 ( Nicht ) ganz die Alte

Im erneuerten Berner Parkcafé ‹ Kleine Schanze › sorgen Bündner Gneis und Terrazzoplatten für einen speziellen Charakter

26 Ein Steinteppich für Mariastein

Auf dem neuen Klosterplatz führt präzise gelegtes Pflaster zur Kirche

29 Neuer Auftritt im Steingewand Für die Gesamtinstandsetzung eines früheren Bankgebäudes an der Zürcher Zollstrasse setzen Meier Hug auf Palissandro Nero

32 « Selbst ein Sandstein ist druckfester als viele Normb etone »

Steinbruchbetreiber Christian Bärlocher über die Situation auf dem Schweizer Steinmarkt und seine Zukunft

36 « Es fühlt sich an wie Pionierarbeit »

Elli Mosayebi befasst sich an ihrer Professur mit tragendem Sandstein – und plant den Bau eines Natursteinhauses

Themenfokus

Die Inhalte dieses Hefts erscheinen auch als Themenfokus auf der Website von Hochparterre: naturstein.hochparterre.ch

Editorial

Von der Antike in die postfossile Zukunft

Unser Planet besteht, abgesehen vom metallischen Kern, fast ausschliesslich aus festem und flüssigem Gestein. Kein Wunder also, bauten wir während Jahrtausenden aus Stein all das, was dauerhaft sein s ollte: von Stonehenge, den Pyramiden und der Akropolis über Angkor Wat und Machu Picchu bis zum Arc de Triomphe sowie Burgen und Schlössern, Palästen und Kirchen.

Nach den Weltkriegen wurde Naturstein schrittweise zur Tapete auf Böden, an Wänden und Fassaden. Im Palais de Tokyo rissen Lacaton Vassal diese herunter und legten das Betonskelett frei. Doch Stein ist im Überfluss vorhanden, stärker als Beton und mit sechs Schnitten zum Quader und etwas Transport auch weit CO₂-ärmer. Darum erlebt struktureller Stein derzeit eine Renaissance. In Frankreich knüpfen Gilles Perraudin, seine Apologeten und Barrault Pressacco an eine Steinbautradition an, die mit Fernand Pouillon und unbekannteren Pariser Architekten bis in die 70er-Jahre lebendig war. Wie eine lange Reportage zeigt, trägt Archiplein aus Genf den strukturellen Steinbau nun in die Schweiz. Schlank und hybrid zeigt das Atelier einen Entwicklungspfad fernab archaischer Mauern aus grossen Quadern auf. Niklas Nalbach steuert ein Kapitel aus Mallorca bei.

Doch der Naturstein ist mehr als ein Mauerstein. Darum besuchte Maarit Ströbele den Klosterplatz Mariastein, den Ehrenklau Hemmerling mit digitalen Mitteln neu gestalten. Mirjam Kupferschmid betrachtete eine Fassadensanierung von Meier Hug in Zürich. Marcel Bächtiger sprach mit Jürg Conzett, der historische Bahnviadukte ertüchtigt und mit Eleganz und Ingenieursverstand neue Steinbrücken baut. Martin Klopfenstein besuchte das Parkcafé von Kast Käppeli in Bern und ich Lando Rossmaiers Umbau der Mühle Ennenda bei Glarus. Matthieu Gafsou fotografierte das alles gekonnt.

Zudem sprach Axel Simon mit Elli Mosayebi über ihre Natursteinsemester an der ETH Zürich, ein Forschungsprojekt und das erste Projekt von EMI Architekt*innen, bei dem Naturstein tragen soll. In einem Interview äussert sich Christian Bärlocher über den Schweizer Steinmarkt –über Abbau und Abfall, billige Randsteine aus China und teure Platten aus Brasilien, Imitate aus Keramik und die Konkurrentin Beton. Frohe Lektüre! Palle Petersen

Dieses Themenheft / dieser Themenfokus ist eine journalistische Publikation, entstanden in Zusammenarbeit mit Partnern. Die Hochparterre-Redaktion prüft die Relevanz des Themas, ist zuständig für Recherche, Konzeption, Text und Bild, Gestaltung, Lektorat und Übersetzung. Die Partnerinnen finanzieren die Publikation, genehmigen das Konzept und geben ihr Einverständnis zur Veröffentlichung.

Impressum

Verlag Hochparterre AG Adressen Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon +41 44 444 28 88, www.hochparterre.ch, verlag@hochparterre.ch, redaktion@hochparterre.ch Geschäftsleitung Deborah Fehlmann, Roderick Hönig Redaktionsleitung Axel Simon Leitung Themenhefte Roderick Hönig Konzept und Redaktion Palle Petersen Fotografie Matthieu Gafsou, www.gafsou.ch Art Direction Antje Reineck Layout Lena Hegger Produktion Stefan Kummer Korrektorat Rieke Krüger Lithografie Team media, Gurtnellen Druck Stämpfli AG, Bern Herausgeber Hochparterre in Zusammenarbeit mit dem Naturstein-Verband Schweiz und Pro Naturstein hochparterre.ch / naturstein Themenheft in Deutsch bestellen ( Fr 15.—, € 12.— ) und als E -Paper lesen

Aus dem Berg gesägt, wird der Naturstein in der Werkhalle gespalten, zu Blöcken und Platten geschnitten, geschliffen und weiterverarbeitet.

La Pierre de l’avant-garde

In Pouillons Steinbruch, bei Perraudin in Lyon, mit Barrault Pressacco in Paris, bei Archiplein in Genf : Von Frankreich aus ist der tragende Natursteinbau in der Schweiz angekommen.

Text: Palle Petersen

Fontvieille

Pouillon, Perraudin und wie der Stein aus dem Berg kommt

In den Carrières de Provence bei Fontvieille kommen Geschichte und Gegenwart des französischen Natursteinbaus zusammen. Aus dem gelblichen Kalkstein sind zahllose Wohnhäuser gebaut, ausserdem das Amphitheater von Arles oder der Pont du Gard, ein fast 50 Meter hoher Aquädukt. Die weltbekannten Monumente bezeugen eine Steinbautradition, die von den Römern bis weit in die Nachkriegszeit reichte.

Bis in die frühen 60er-Jahre nutzte Fernand Pouillon den Stein aus der Camargue, um als Unternehmer-Architekt tragende Steinfassaden zu bauen. Nebst bekannten Wohn- und Geschäftshäusern, wie jenen am Alten Hafen von Marseille, baute er auch die Betriebsgebäude des Steinbruchs in Fontvieille – simple Schuppen aus grenzsteingrossen Quadern. Vor dem Eingang rostet eine Maschine mit Kreis- und Kettensägen vor sich hin, die damals über die Steinfläche fuhr und immer gleiche Blöcke hinter sich liegen liess. Eine einleuchtend simple Art, robuste Mauersteine zu produzieren. Aus industriepoliti -

schen und ideologischen Gründen geriet der Natursteinbau trotzdem in Vergessenheit. Der Stein war gegenüber der Betonfertigteil-Industrie zu teuer geworden und stand für die Vergangenheit.

Und dann kam Gilles Perraudin und baute 1998 westlich von Arles ein Weingut aus massiven Quadern. Auch sein Jardin d’Eve, der seit zwei Jahren als Showroom zwischen Pouillons Schuppen steht, ist aus immer gleich grossen Blöcken gebaut, allerdings sind diese auf der einen Seite diagonal geschnitten und spielerisch ge stapelt. Unter dem ruhigen Takt der Balkendecke springen die Fassadenzacken vor und zurück. Was im Modell aus Steinklötzchen gehalten hat, tut es auch in der Realität. Berechnungen waren keine vorhanden. So faszinierend das künstlerische Volumenspiel ist, das sich im Inneren topogra fisch rund um einen Spiralbrunnen fortsetzt, so irritierend sind die zwischen die Steine geklebten, teils farbigen Plexiglasscheiben mit pathetischen Sprüchen in Schnörkelschrift.

Der Showroom in den Carrières mag nicht Gilles Perraudins Glanzstück sein. Doch Perraudins Bedeutung für den Natursteinbau ist unbestritten, sein archaischer Stil prägend. Er ist für den Natursteinbau das, was Martin

Rauch im deutschsprachigen Raum für den Lehmbau ist: lange ein Einsamer in der Wüste, ein Überzeugter und Beses sener – und im Diskur s um bio- und geobasiertes Bauen heute ein gefeierter Pionier.

Vom Berg- zum Tagebau, von Kaminen zu Häusern « Unser Kalkstein ist halbweich – stark genug für eine tragende Wand, aber weich genug, um ihn schnell und günstig zu verarbeiten », erklärt Paul Mariotta den Erfolg seines Steins. In gelassenem Schritt führt der Enddreissiger, der den Steinbruch in dritter Generation leitet, durch die Geschichte der Carrières. Zur Zeit der Römer holten Arbeiter den Stein seitlich aus dem Massiv. Ab und zu liessen sie eine Stütze stehen, so mächtig wie ein schmales Haus, oder brachen Löcher nach oben zum Tageslicht. Heute überwuchern wilde Pflanzen die versunkene Kathedrale, und die Arbeiter feiern hier im Kühlen ihre Feste. Die Steine gewinnen sie längst nebenan im Tagebau. Auf Schienen sägen kleine Wagen mit Kettensägen zuerst ein Gitter in die Steinfläche. Anschliessend werden die Rohblöcke seitlich herausgeschnitten, später im Schuppen unter dem lauten Kreischen der Kreissägen zerteilt. Aus den 2,2 × 1,6 Meter gro ssen Rohblöcken lassen sich

mit minimalem Abfall zwei Quader mit 1 Meter oder drei Quader mit 70 Zentimetern Länge sägen. « Aber das interessiert nicht jeden Architekten », sagt Mariotta und zuckt dabei mit den S chultern.

Auf die überall sichtbaren, fussballgrossen Bohrlöcher in den Quadern blickt Mariotta ebenso gelassen. In diese wird Beton gegossen. « Gilles Perraudin schafft neun Geschosse komplett ohne Beton. Aber die meisten anderen Architekten und Ingenieure planen mit Stein ummantelte Betonskelettbauten. Mir soll es recht sein: zwei Löcher pro Stein, rund 50 Euro pr o Bohrloch – ein gutes Geschäft. »

Überhaupt blickt Steinbruchbesitzer Mariotta optimistisch in die Zukunft. Als er ein Kind war, lieferte sein Vater vor allem Steine für Skulpturen, Brunnen, Kamine und Gärten. Heute liefert er selbst zu 99 Prozent an Perraudin und ein Dutzend weitere Architekten, die alle bei Perraudin in Montpellier studierten und nun Verwaltungsgebäude und Schulen bauen. Noch vor wenigen Jahren besuchte nur ab und zu eine Architektin auf eigene Initiative den Steinbruch. Heute kommen jeden Monat Busse voller Studenten im Rahmen ihrer Ausbildung vorbei. Paul Mariotta ist überzeugt: « In zehn Jahren ist der Steinbau eine grosse Sache. »

Jardin d’Eve, 2024

Aus diagonal geschnittenen Sandsteinblöcken stapelte Gilles Perraudin den Showroom Jardin d’Eve der Steinbrüche bei Arles auf. Zwischen den ruhigen Betriebsgebäuden, die Fernand Pouillon nach dem Zweiten Weltkrieg baute, blickt er übermütig in die provenzalische Landschaft.

Route de Maussane, Fontvieille (Fr)

Bauherrschaft: Carrières de Provence, Fontvieille

Architektur: Atelier Architecture Perraudin, Lyon

Maurer: Tonino, Vers­Pont­ du­ Gard

Stein: Fontvieille (Carrières de Provence)

Geschossfläche: 70 m²

Fotos: Luc Boegly

Alma Petra, 2026

Die Wohnsiedlung Alma Petra in Lyon ist Perraudins grösstes Projekt mit tragendem Naturstein. Sechs verschiedene Steine bilden die Fassaden und Schottenmauern der 145 Wohnungen mit Gewerbe.

Rue des Girondins, Lyon

Bauherrschaft: Edelis, Lyon

Auftrag: Wettbewerb, 2021

Architektur:

Atelier Perraudin, Lyon

Bauingenieur:

TEM Partners, Lyon

Umweltingenieur:

Atelier Franck Boutté, Paris

Landschaftsarchitektur:

In Situ, Lausanne

Maurer: Tonino, Vers­Pont­ du­ Gard

Steine: Vers & Estailles (Fr); Abadia, Albamiel, Albamiel

Duro und Marina (Sp)

Geschossfläche: 10 500 m²

Lyon

Wieder Perraudin und die Rückkehr des Druckbogens

230 Kilometer nördlich von Fontvieille hat die Zukunft schon begonnen. Auf einem Transformationsareal im Süden von Lyon, zwischen Bahnlinie und Rhone, liegt Perraudins bisher grö sste Baustelle. Die 145 Logements c ollectifs umfassen Wohnungen in Eigentum, Erbbaurecht und Sozialmiete sowie G ewerbeeinheiten in einem U-förmigen, bis zu neungeschossigen Gebäude.

Der Sohn Jean-Manuel Perraudin leitet das Lyoner Büro und erklärt im Baucontainer die bunten Fassadenpläne: Im Erdgeschoss, an den Ecken und zuunterst in den hohen Gebäudeteilen kommen drei spanische Steine zur Anwendung. Sie sind 67 bis 99 Megapascal stark –also etwa drei Mal druckfester als übliche Betone – und kosten bis zu 150 0 Euro pro Kubikmeter. Ein vierter Spanier und zwei Steine der Carrières de Provence sind nur 9 bis 17 Megapascal stark, mit einem Kubikmeterpreis ab 350 Euro aber auch deutlich günstiger. Sie machen darum den Löwenanteil des Steins aus, der hier verbaut wird. Überhaupt ist die Siedlung ökonomisch konsequent.

Die Steinblöcke sind innen immer 70 Zentimeter hoch. Vier Lagen reichen für eine Wand, die Türen darin sind drei Lagen hoch. Dazu kommt reichlich Beton: Abfangträger in den Erdgeschossen und für die Brüstungen des Lauben gangs, gelegentliche Fensterstürze und - bä nke sowie Flachdecken. Den Stein mit Beton auszugiessen, mit Stahl nachzuspannen oder aus gestalterischen Gründen gar als Verblendung zu nutzen – all das liegt dem jungen Perraudin fern: « Stein muss man auf Druck belasten. Gibt es Zug, verwendet man Beton, Stahl oder Holz. Ende der Diskussion. » Und das gescheckte Fassadenbild mit seltsamen Übergängen und vereinsamten Steinen ? Der Architekt gibt sich provokativ: « Mit einem Quadratmeterpreis von unter 2000 Euro ist unser Projekt günstiger als ein Standardprojekt aus B eton. Mir geht es darum, den Stein in den Massenmarkt zu bringen. Ästhetik interessiert mich null. »

In Caluire-et-Cuire, einer mit dem Norden Lyons verwachsenen Gemeinde, besuchen wir ein 2021 fertiggestelltes Projekt. Das ‹ immeuble mixte › ist deutlich kleiner, aber für Perraudin eine Wiedererfindung: Grosse Druckbögen ermöglichen grosse Spannweiten und damit einen freien Grundriss, so, wie er für die Werkstatt im Erdge -

Immeuble mixte, 2021

Das Immeuble mixte in einem Vorort Lyons stapelt Werkstätten, Büros und Wohnungen. Grosse Druckbögen ermöglichen einen freien Grundriss.

Place Victor Basch, Caluire ­ et­ Cuire

Bauherrschaft: SCI Goute

Ebene, Caluire ­ et­ Cuire

Auftrag: eingeladener

Wettbewerb, 2014

Bauingenieur: Be Martin, Lyon

Steine: Albamiel und Marina (Sp)

Geschossfläche: 1600 m²

Fotos: Mathieu Noël

schoss und die Büros darüber wichtig ist. Auch hier kommen zwei spanische Steine zur Anwendung. « Der Druck an der Basis des Bogens war entscheidend », sagt Perraudin, und so kam der Marina hier und im Sockel der Fassade zur Anwendung. Für die Wohngeschosse darüber genügte der weichere Albamiel.

Steinmauern sind weich, Holz der natürliche Partner Auf die erneuten Betondecken angesprochen, gerät der sonst so radikal ökonomische Architekt in milde Rage. Wegen Altlastensanierungen war der Spardruck so gross geworden, dass man von den ursprünglichen Holzbalken auf Beton umschwenkte. Doch diese Decke sei schwerer, darum brauche man mehr vom stärkeren und teureren Stein. Ganz eindeutig sei die Rechnung darum nicht. « Ein Haus aus Stein ist grunds ätzlich weich, Beton dagegen steif », sagt Perraudin. Kalkmörtel sei mit 5 Megapascal deutlich nachgiebiger als der Stein selbst, sodass dieser sich bei Horizontallasten bewegen könne. « Da rum haben wir mit Holzingenieuren generell bessere Diskussionen als mit Betoningenieuren. Der Fall ist nicht nur aus Sicht der CO₂-Emissionen klar: Der natürliche Partner von Stein ist Holz. »

OBK Logements, 2018

Über dem Betonsockel

stapelten Barrault Pressacco

die Fassade der OBK

Logements in Paris aus gleichmässigen Steinlagen. Elegant zeichnet das Relief Fenstergewände und Stürze in die Fläche

62, rue Oberkampf, Paris

Bauherrschaft: RIVP, Paris

Auftrag: Wettbewerb, 2012

Architektur:

Barrault Pressacco, Paris

Bauingenieur: LM, Paris

Maurer: Bonnel, Angers

Steine: Brétignac

(Carrières de Sireuil)

Geschossfläche: 1280 m2

Baukosten: € 3, 2 Mio.

Foto: Gaime Meloni

Paris

Vom schicken Bürgerhaus zur disziplinierten Siedlung

Gare de Lyon in Paris. Seit dem Buch ‹ la pierre b a nale › von Marie Le Dréan und Jonas Kuratli weiss man hier, dass nebst Fernand Pouillon auch wei tere, unbe ka nnte Architekten in Paris während der ‹ Tr ente Glorieuses › –vom Kriegsende 1945 bis zur Ölkrise 1973 – m indestens 15 000 Wohnungen mit tragendem Natur stein bauten. Durch die Mechanisierung der Steinbrüche und Baustellen war der Natursteinbau selbst im sozialen Wohnungsbau preislich konkurrenzfähig geworden. Dann wurde er verdrängt – von einer Wohnbaupolitik, die auf vorgefertigte Betonelemente setzte ; von einer B etonindustrie, die von Befestigungsanlagen her erfahren mit Grossprojekten war ; von einer Ideologie der orthodoxen Moderne, die Leichtigkeit und Fortschritt verkörpern wollte.

« Zukünftig sollte Naturstein wieder normal für Wohnbauten sein. Den Beton sollten wir für öffentliche Bauten mit grossen Spannweiten verwenden. » Das sagt Thibaut Barrault in der Rue Oberkampf 62 nahe der Place de la République. 2017 hat sein Büro Barrault Pressac co hier ein

Wohnhaus mit tragender Natursteinfassade, Hanfkalkdämmung, Brettsperrholz-Decken und Stahl gebaut. G ekonnt vermittelt die Fassade zwischen den Häusern der Faubourg – jene einfachen Häuser der von Paris geschluckten Vorstädte – und der üppig-wulstigen Bürgerhäuser der Haussmann’schen Ära, zwischen deren Exponenten es steht. Über dem Sockel aus Beton erheben sich gleichmässige Lagen aus dem 380 Kilometer entfernten Brétignac. Elegant zeichnet das Relief Fenstergewände und Stürze in die Fläche.

7000 Wohnungen und die Liebe zur Imperfektion

Parallel zur Planung an der Rue Oberkampf kuratierten Barrault Pressacco 2018 die Ausstellung ‹ Stone › im Pavillon de l’Arsenal in Paris. Sie versammelten Informationen zu Steinbrüchen und Projekten, rechneten CO₂Bilanzen – für eine komplette Fassade 40 Prozent weniger als bei der Betonalternative – und s chlussfolgerten: Die zehn grossen Steinbrüche, die den weichen Kalkstein im Becken um Paris abb auen, könnten jährlich 60 00 0 bis 90 000 Kubikmeter Mauersteine liefern. Das wür de für 7000 Wohnungen reichen, als o für zehn Prozent der Bautätigkeit. Ein relevanter Beitrag. « Damit das gelingt,

Detailschnitt 1 : 40 A Fassade

– Naturstein, 30 cm – Hanfbeton ­ Dämmung – Kalk­ Sand ­ Put z B De cke Obergeschoss

– E ichenparkett, massiv

– Est rich und Dämmung mit Fussbodenheizung

– Est rich, schalldämmend

– Br ettsperrholzdecke, 18 cm

– Ak ustikdecke, abgehängt ( Holzfaserplatte ) a S tahlbetonträger, wärmedämmend

b H olzrahmen / Holzfenster aus Eiche c A bdeckung aus Hartstein d Rolladenkasten, schallgedämmt ( textiler Sonnenschutz ) e lackierte Stahlrahmenkonstruktion / Stahlfensterrahmen f Terrazzo g Z ementplatte

La pierre banale

Logements collectifs en pierre massive, région parisienne, 1948 – 1973

Verlag: EPFL Press, Lausanne 2022

Autoren: Marie Le Dréan, Jonas Kuratli

Preis: Fr. 54.— bei hochparterre ­buecher.ch

müssen wir den Stein verstehen », sagt B arrault. « Wie jedes Material ist auch Stein nicht perfekt. Wir müssen ihn akzeptieren wie einen Menschen, den wir in all seiner Imp erfektion lieben. »

« 50 statt nur 25 Prozent des Steins nutzen » Seit dem ersten Pr ojekt und der Ausstellung hat sich der französische Naturstein-Hype beschleunigt. Allein in Paris sind mehrere und grosse Projekte im Bau. Auch Barrault Pressacco planen eine grosse Siedlung mit bis zu zehn Geschossen. Während das Haus an der Rue Oberkampf eher teuer ist, gilt hier ein harter Kostenrahmen. Kann das gelingen ? Barrault spricht von einem Dialog mit dem Stein und den Steinbrüchen: « Bei uns erem ersten Projekt haben wir weit entfernten Stein transportiert, kompliziert geneigte Schnitte geplant und jede Lage gleich hoch gezeichnet. Wir wussten es damals nicht besser. Im neuen Projekt dagegen verwenden wir zwei verschiedene Steine, die weniger als 100 Kilometer entfernt abgebaut werden. Die Höhe der Lagen passen wir an die Schichtung der Steinbrüche an. Dadurch können wir den Abfall reduzieren und hoffentlich 50 statt nur 25 Prozent des Steins nutzen. » Dann schwärmt Barrault von der kürzlich eröffneten

Hightechfabrik seines Lieferanten. Mit Röntgenstrahlen und Infrarot plant dieser den Abbau. Viele Arbeitsschritte sind automatisiert, die Planung und Logistik digital. Die Zukunft des tragenden Steins, so scheint es, hat begonnen.

Coulouvrenière, 2023

Im Herzen von Genf gelegen, beherbergt die Coulouvrenière eine Werkstatt und Wohnungen. Archiplein entwickelte hier einen schlanken Treppenkern aus Naturstein. Mit Gewindestangen nachgespannt, übernimmt er die Aussteifung und dient als Auflager der Brett sperrholzdecken.

1, rue de la Coulouvrenière, Genf Bauherrschaft: Fondation Nicolas Bogueret, Genf Auftrag: Wettbewerb, 2018 Bauingenieur: B+S, Genf Akustikplanung: Batj, Genf Steine: Sireuil, Chauvigny (Fr) Geschossfläche: 10 500 m² Baukosten ( BKP 2 ): Fr. 5,5 Mio Foto: 11 h 45

Genf

Hybrider Hightechstein und was zum Schweizer Durchbruch fehlt

Verglichen mit der Menge an Bauten und Baustellen in Frankreich liegt die Schweiz noch zurück. Doch das Genfer Büro Archiplein hat zusammen mit Perraudin in der Vorortgemeinde Plan-les-Ouates eine Siedlung mit Natursteinfassaden und -wänden gebaut. Seither zählt Stein zur Kernkompetenz des Büros. Gründer Francis Jacquier sagt: « Wir gewinnen mit Stein Wettb ewerbe. Tolle Leute wollen wegen Steinprojekten bei uns arbeiten. Im Stein kommen Themen zusammen, die uns interessieren: eine Kontinuität mit der Geschichte und ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen, Klimaschutz und Baukultur. »

Wir treffen uns in den Ausläufern des französischen Jura, wo Archiplein ein Kapuzinerkloster zur Künstlerresidenz umgebaut und mit einer prächtigen Terrasse und Galerie zum Garten erweitert haben. Eine Preziose. Auf der Fahrt nach Genf diskutieren wir vor allem zwei Fragen. Erstens: Wie muss man mit Stein bauen ? Jacquier üb erlegt kurz und erklärt: Stein sollte man auf Druck belasten.

Aus ökonomischen Gründen sollten die Steine möglichst gross sein. Der Mörtel muss weicher als der Stein sein, um überschüssige Kräfte aufzunehmen. Wo Wasser stehen, gefrieren und platzen kann, etwa bei Fensterbänken, ist harter Stein wichtig. Das gilt auch für Gesimse, die das Wasser bremsen, damit die Fassade nicht erodiert.

Normen voller Dummheiten

Und zweitens: Was sind die Hindernisse für die Skalierung des Steinbaus in der Schweiz ? Nun überlegt Jacquier länger. Dann spricht er über Normen. Die Norme française und die Eurocodes seien voller Dummheiten. Bei einem aktuellen Projekt müssten sie – weil Stein nicht als Windschutz gilt – hinter dem Mauer werk eine Putzschicht aufbringen. « Dies e besteht aus demselben Kalk wie der Mörtel der Fugen, die zwischen den armdicken Steinquadern liegen. » Als er das sagt, schüttelt er den Kopf. Auch in der Schweizer Mauerwerksnorm gebe es zahllose Regeln, die eher für Backstein als für Naturstein sinnvoll seien. Aber davon liesse sich immerhin einfacher abweichen. « Die Hauptprobleme liegen andernorts », sagt er s chliesslich, « beim Mindset von Architektinnen und Bauherrschaften –und bei den Steinbrüchen. Die Verfügbarkeit der Ressour-

cen ist der Flaschenhals für die Skalierung. Wollte ich zeitgleich vier Siedlungen wie in Plan-les-Ouates bauen, wäre es unmöglich, den richtigen Stein in der richtigen Qualität und Menge zur richtigen Zeit zu bekommen. »

Die hybride Zukunft ist schlank und luftig

Zwei Stunden später stehen wir an der Rue Coulouvrenière in Genf. Direkt an der Rhone und gegenüber der Insel, wo die Headquarters von Banken-Anlageberatern stehen, baute die Fondation Nicolas Bogueret ein soziales Haus auf dem Boden des Kantons. Im Erdgeschoss liegt eine Werkstatt zur Reintegration von Erwachsenen in den Arbeitsmarkt, darüber Sozialwohnungen. Die Fassade reagiert feinfühlig auf die Umgebung, betont die Vertikalität der Stirnseite, gibt sich strassenseitig im Erdgeschoss geschlossener und zum Fluss offener. Insgesamt ist sie leichter, luftiger als die der meisten anderen Steinbauten. Das Treppenhaus ist eine konstruktive Erfindung. Die Brettsperrholz-Decken liegen nur hier und auf den Fassaden auf. Vor allem aber besorgt das Treppenhaus zusammen mit der Seitenwand die Aussteifung, die aufgrund der Erdbebensituation in Genf anspruchsvoller ist als in Lyon oder Paris. « In Plan-les- Ouates löst die reine Masse der

dicken Quader das Problem », sagt Francis Jacquier. « Hier haben wir nur 23 Zentimeter schlanke Chauvigny-Quader verwendet. Wie der Sireuil an der Fassade stammt dieser aus Westfrankreich, er ist mit 55 Megap ascal Druckfestigkeit aber fünf Mal stärker. Ausserdem haben wir das Mauerwerk mit elf Gewinde stangen aus Stahl vertikal nachgespannt. »

Der archaische Purismus des Pioniers Perraudin fasziniert durch die gewaltige Kraft grosser Steinquader. Doch in Paris klang an, was hier in Genf offensichtlich wird: Undogmatisch und hybrid gibts noch viel mehr zu entdecken. Der Schweizer Natursteinbau hat erst begonnen. ●

Can Lis, 1971

Nach seiner Rückkehr aus Australien baute Jørn Utzon auf Mallorca die Can Lis im Namen seiner Frau. Im Billiginternationalismus bildet das Haus aus balearischem Santanyí­Sandstein und industriellen Materialien einen Gegenpol.

Avinguda Jørn Utzon 80 B, Porto Petro, Spanien

Bauherrschaft: Familie

Utzon Fenger, Kopenhagen

Architektur: Jørn Utzon, Kopenhagen

Steine: Marès & Santanyí ( Mallorca )

Foto: Alex Dormon

Mallorca

Von der Tradition über Jørn Utzon zum klimagerechten Bauen

Text: Niklas Nalbach

Der Architekt arbeitet am Karlsruher Institut für Technologie ( KIT ) bei der Pro fe ssur Stadt und Wohnen von Christian Inder bitzin. Im Juni 2025 führte diese die Seminarreise ‹ Islas Baleares › mit dem Segelschiff durch.

Eine kühle Brise weht aus dem Steinbruch bei Porreres, im Landesinnern von Mallorca. Jahrhundertealte Abbauspuren bezeugen, wie der gelbbeige Kalkstein Marès die Architektur der Balearen prägte. Als in Palma die Kathedrale La Seu und der Almudaina-Palast gebaut wurden, genügte eine Hacke für den Abbau des weichen Steins. Heute macht das eine Säge.

Die einstige Seehandelsbörse La Lonja lädt dazu ein, sich zwischen den gotischen Spiralsäulen von der Hitze Palmas zu erholen. Die Porosität des Steins sorgt für eine angenehme Temperatur und Akustik. Trotz dieser bauphysikalischen Qualitäten, standardisierter Abbaumasse und der nahen Verfügbarkeit setzte sich in den Jahrzehnten des Tourismusbooms, der mit den Charterflügen der 60erJahre begann, eine industrielle Betonbauweise durch. Wie vielerorts verdrängten billige Transporte und die Vorstellung eines ‹ International Style › auch auf Mallorca die traditionellen Konstruktionstechniken.

Im Meer identitätsloser Hotelblöcke bildet Jørn Utzons Ferien haus Can Lis einen Gegenp ol. 1971 fertiggestellt, reiht sich das Ensemble aus Pavillons und Gartenmauern, Veranden und Terrassen an der südöstlichen Steilküste der Insel auf. Die rauen und porösen Marès-Sandsteinblöcke formen die dicken Wände und Säulen. Ebenfalls lokal, jedoch härter ist der Santanyí-Sandstein für die von innen nach aussen laufenden Böden. Zwischen den Betonfertigteilträgern der Decke liegen gebogene Tonplatten, die Bove dillas Mal lorquinas. Zu einer massiven Decke mit Beton vergossen, trägt der Dachaufbau aktiv zum sommerlichen Wärmeschutz bei. Die aufgesetzten Fensterrahmen aus lokaler Pinie vervollständigen die tektonische Collage aus traditionellen und industriellen Materialien.

Kalksteine als tragende Wandkonstruktion Seit einigen Jahren bekommt Can Lis gute Gesellschaft. Durch die Folgen des Übertourismus – Wohnungsnot, Umweltbelastung und Identitätslosigkeit – geniessen traditionelle Baumethoden zunehmende Aufmerksamkeit. Im Zentrum dieser Entwicklung steht das Instituto Balear de la Vivienda, kurz IBAVI, das Sozialwohnbauten entwickelt und verwaltet. Die Behörde betreibt ein aufwen -

19 Social Housing Units, 2023

Heute verbindet das Instituto Balear de la Vivienda ( IBAVI ) volkstümliche Bautechniken mit heutigen Komfortansprüchen. Die 19 Social Housing Units sind ein Paradebeispiel für klimafreundliches, passives und regionales Bauen.

Calle Salvador Espriu 37, Palma de Mallorca

Bauherrschaft: IBAVI ( Instituto Balear de la Vivienda )

Architektur: Carles Oliver, Antonio Martín, Xim Moyà, Alfonso Reina Ferragut

Steine: Marès ( Mallorca )

Foto: José Hevia

diges ‹ resource mapping › über regionale Materialien und die sie verarbeitenden Handwerksbetriebe auf der Insel. Auf dieser Grundlage entstanden Dutzende Projekte, die volkstümliche Bautechnik mit heutigen Komfortansprüchen vereinen, dabei CO₂ sparen, das lokale Baugewerbe fördern und Identität stiften. Derzeit untersucht das Institut unter anderem S eegras als Dämmstoff, Holz für die Decken sowie Lehmziegel und Kalksteine als tragende Wandkonstruktionen.

Hybride und spezifisch balearische Baukultur

Die meisten IBAVI-Neubauten entwerfen unabhängige Architekturbüros wie TEd’A oder Harquitectes. Das Wohnhaus in der Calle Salvador Espriu in Palma dagegen bauten die hauseigenen Architekten 2021. Kräftige MarèsKalksteine bilden die tragende Struktur des zweigeschossigen Längsbaus. Die Aussenwände bestehen aus einer äusseren Vormauerschale, einer Dämmung aus rezyklierter Baumwolle, einer wasserfesten Membran und einem inneren Hintermauerwerk. Dahinter liegen acht durchgesteckte Wohnungen. Dank Querlüftung und Holzklappläden ist die Raumtemperatur angenehm – ganz ohne Technik, dafür mit reichlich Speichermasse und kluger

Konstruktion. Wie bei der Can Lis ergänzen sich auch an der Calle Salvador Espriu industrielle Bauweisen und massive Steinwände: Unter den Tonziegeln in traditioneller Mönch- und Nonnendeckung dämmt Neptungras das hölzerne Satteldach. Innen tragen gemauerte Pfeiler die Lasten der Deckengewölbe aus Beton. Mit Lehm verfüllt und mit Marès bekleidet, entsteht so eine hybride und spezifisch balearische Baukultur. ●

Obwohl sich Maschinenpark und Automation entwickeln: Im Kern ist der Natursteinbruch ein archaischer Ort.

aus dem Planeten Stein « Man arbeitet mit dem Stein des Orts »
Zeigen, was Stein alles kann: Die Pùnt da Suransuns in der Viamala besteht aus Platten aus Andeer-Granit, die vier vorgespannten Bändern aus Flachstahl aufliegen.

« Man arbeitet mit dem Stein des Orts »

Das Ingenieurbüro Conzett Bronzini Partner ist berühmt für seine Brücken. Jürg Conzett erklärt, warum dabei immer wieder Naturstein zum Einsatz kommt.

Text:

Pùnt da Suransuns, 1999

Viamala, Hinterrheinschlucht ( GR )

Auftraggeber: Verein

KulturRaum Viamala

Ingenieure: Conzett

Bronzini Gartmann, Chur

Valserrheinbrücke, 2009

Vals GR

Auftraggeber:

Kanton Graubünden

Ingenieure: Conzett

Bronzini Gartmann, Chur

Konzeptionelle Mitarbeit:

Atelier Peter Zumthor & Partner, Haldenstein

Wasserfallbrücke, 2013

Trutg dil Flem, Flims GR

Auftraggeber:

Gemeinde Flims

Ingenieure: Conzett

Bronzini Gartmann, Chur

Punt Alvra, 2020

La Punt Chamues-ch GR

Auftraggeber: Tiefbauamt

Kanton Graubünden

Ingenieure: Conzett

Bronzini Partner, Chur

Jürg Conzett ist einer der bekanntesten Ingenieure der Schweiz. Das liegt nicht nur an den aufsehenerregenden Konstruktionen, die er mit seinem Partner Gian franc o Bronzini realisiert hat, sondern auch an seinem stupenden historischen Wissen und seinem lebenslangen Engagement für die Anerkennung der kulturellen Bedeutung der Ingenieursbaukunst. Wir treffen ihn in seinem Büro gleich neben dem Bahnhof Chur, mit Blick auf die stei nerne Masse der Bündner Berge.

Jürg Conzett, Ihr Büro hat zahlreiche Brücken aus Naturstein gebaut , darunter eindrückliche Konstruktionen wie die Valserrheinbrücke in Vals. Ihre jüngste Steinbrücke aber, die Punt Alvra oberhalb La Punt, sieht so aus, wie Steinbogenbrücken schon immer ausgesehen haben. Warum ?

Jürg Conzett: Weil die Brücke an der Albulastrasse liegt. Diese Strasse zeichnet sich seit Urzeiten durch ihre typischen Steinviadukte aus. Die alte Steinbrücke in La Punt hatte einen sehr engen Durchfluss, sodass sich das Wasser schnell stauen und das Dorf überschwemmen konnte. Um diese Gefahr zu bannen, brauchte es eine neue Brücke mit gr össerem Durchflussprofil und einer grösseren Spannweite. Den Charakter der alten Brücke wollten wir aber beibehalten. Darum ist auch die neue eine aus Stein. Ganz historistisch, in der Art der alten Brücken aus dem 19. Jahrhundert.

Innen gibt es aber auch ein bisschen Beton ?

Ja, aber auch das ist nichts Neues. Die Kombination von Stein und Beton, wenn auch nicht in armierter Form, gibt es im Prinzip seit den Römern.

Sie haben viele historische Steinbrücken instand gesetzt oder ersetzt. Sagt Ihnen der kulturelle und historische Kontext dabei auch, welchen Stein Sie wählen sollten ?

Sicher. Die alten Brücken wurden aus den Steinen gebaut, die vor Ort verfügbar waren. Die Steinsorte wiederum gab die Bearbeitungsmöglichkeiten vor und prägte damit massgeblich den Charakter der Bauwerke. Heute sind wir allerdings mit dem Problem konfrontiert, dass die vielen kleinen Steinbrüche von früher gar nicht mehr existieren. Aus diesem Grund haben das Tiefbauamt Graubünden und die Rhätische Bahn den ‹ Natursteinkatalog Graubünden › herausgegeben, an dem ich mitgearbeitet habe. In diesem umfang ­ und detailreichen Katalog ist verzeichnet, welche Brüche in der Schweiz, in Norditalien oder Bayern in der Lage sind, den richtigen Stein für die Bauwerke in Graubünden zu liefern. Berühmt geworden sind Ihre neuen Brücken, die Naturstein sehr innovativ und überraschend einsetzten: die Valserrheinbrücke in Vals, die Wasserfallbrücke

am Trutg dil Flem in Flims oder die Pùnt da Suransuns in der Viamala­S chlucht. War da der Zugang zum Stein ein anderer ?

Der Ansatz ist derselbe wie bei den historischen Brücken: Man arbeitet mit den Steinen des Orts. Bei der Valserrheinbrücke waren es Quarzitplatten, die bereits für die Therme von Peter Zumthor verwendet worden waren. Die Erscheinung ist sicher ungewöhnlich, aber konstruktiv sehr konsequent. Alles ist gefügt, es gibt keine einzige Schraube. Stein und Beton verzahnen sich wie bei einer schreinermässigen Verbindung.

Geht es auch darum, das Kunstvolle der Ingenieursbauweise zu demonstrieren ?

Bei touristischen Projekten gibt es sicher auch eine gewisse Lust, zu zeigen, was Stein alles kann. Bei der Wasserfallbrücke wird der flache Bogen aus Naturstein durch das vorgespannte Geländer gehalten. Und bei der Pùnt da Surasuns, unserer ersten Natursteinbrücke, bilden vier Flachstahlbänder ein leicht geschwungenes Gerüst für die Gehwegplatten aus Andeer­ Granit. Die Ide e, Naturstein und Vorspannung zu kombinieren, geht übrigens zurück auf den Ingenieur Horst Hossdorf, der die Technik 1954 für die Teufelsbrücke über die Schöllenenschlucht vorgeschlagen hatte. Er hatte grosse Freude, dass seine Idee fünfzig Jahre später noch Realität wurde.

Wenn Sie nun mit Ihrem breiten Wissen und Ihrer Erfahrung jemandem erklären müssten, was die Qualitäten einer Natursteinbrücke ausmacht, was würden Sie sagen ?

Ich würde auf die Albulabahn verweisen, die um 1900 entstand. Sie ist das Mass aller Dinge. Nicht zuletzt, weil hier erstmals wieder alle Brücken in Stein gebaut wurden. Warum « wieder » ?

Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter de s Eisens, alle grösseren Brücken wurden in Eisen ausgeführt. 1891 aber stürzte die Birsbrücke in Münchenstein ein, was eine der grössten Eisenbahnkatastrophen des 19. Jahrhunderts darstellte und zu grosser Verunsicherung sowohl bei den Ingenieuren als auch bei den Passagieren führte. Daraufhin setzte eine Kampagne zugunsten des Steins ein, die stark nationalromantisch geprägt war. Steinbrücken galten als beständig, solide und zur Schweizer Landschaft passend. Dabei spielte die Idee vom Stein als einzigem bedeutendem Rohstoff der Schweiz eine wichtige Rolle. Auch das Bundeshaus in der Berner Altstadt setzt sich aus Steinsorten aus der ganzen Schweiz zusammen – die Verkörperung der Einheit in der Vielfalt. Der Stein hatte damals eine unglaublich grosse symbolische Bedeutung. In den 1920er­Jahren wurde er vom Beton und der modernen Bewegung verdrängt.

Und heute und künftig ? Wird man weiterhin –auch ausserhalb denkmalpflegerischer Belange –mit Naturstein bauen ?

Ja, weil das Forts chreiben von Traditionen grundsätzlich etwas Gutes ist. ●

Marcel Bächtiger
Themenheft von Hochparterre,
aus dem Planeten Stein « Man arbeitet mit dem Stein des Orts »
Mit Naturstein bauen Conzett Bronzini Partner massive historistische Brücken, aber auch überraschend leichte Strukturen – wie die Pùnt da Suransuns in der Viamala.
Bauen aus dem Planeten Stein Verrucano im Holzgefieder
→ Mit neuem Dach und gedämmter Schindelhaut steht die Mühle Ennenda im Dorfverband. Die Gartenmauern sind ebenso wie das Sockelgeschoss aus Verrucano gemauert.

Verrucano im Holzgefieder

In Ennenda bei Glarus hat der Architekt Lando Rossmaier eine alte Mühle zum Wohnhaus umgebaut. Innen spielt Flumser Verrucano eine Hauptrolle.

Text:

Mühle Ennenda, 2025

Mühlacker 2, Ennenda GL

Auftragsart:

Direktauftrag, 2022

Architektur: Atelier Lando

Rossmaier, Ennenda

Bauingenieur: Runge AG, Glarus

Bauphysik:

BWA, Winterthur

Bauarchäologie:

Ulrike Gollnick , Schwyz

Schreiner: Abart A., Mitlödi

Holzschindeln: Niki, Kiesen

Metallarbeiten:

Sandro Steger, Ennenda

Stein: Verrucano ( Mels )

Die Mühle Ennenda hat eine bewegte Geschichte. Im späten 16. Jahrhundert erbaut, stand sie lange Zeit stolz und viergeschossig am Bach. Wegen des regionalen Mahlzwangs brachten die Kleinbauern ihr Korn, dann wurde dieser aufgehoben und die Mühle – vermutlich zugunsten der Aussicht des Herrenhauses am Hang darüber – auf zwei Geschosse geköpft. Anschliessend stand sie während Jahrzehnten leer. Ein unscheinbarer Bau mit fahlgelbem Rillenputz. Schliesslich kaufte ein Paar die einstige Mühle und beauftragte den Glarner Architekten Lando Rossmaier mit dem Umbau zum Wohnhaus mit Atelier.

« Zuerst haben wir viel Material entfernt, erst danach geplant », sagt Rossmaier. Stube, Schlafzimmer und Küche waren mit Ständerwändchen verkammert. Hinter dem Täfer und unter den Böden kamen immer weitere Schichten zum Vorschein. Man fand spätgotische Balken mit Ritzungen und Edelholzintarsien. Der Keller war tropfend nass. Im Rückteil des Hauses hingen Betonstellriemen aus den 1960er-Jahren zwischen Stahlträgern. « Ein kalter, russiger Raum, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging », erzählt Ro ssmaier, « vermutlich eine frühere Küche. »

Strickbau und Verrucano -Sockel

Heute steht das unscheinbar gewordene Entlein wieder stolz im Dorf. Monatelang nagelte ein Handwerker 55 000 Schindeln aus Schweizer Lärche an den Strickbau im Obergeschoss. Verschieden lang und breit bekleiden sie das aussen gedämmte Wohngeschoss im wilden Verbund aus acht Formaten. Am unteren Rand schwingt das Holzgefieder leicht nach aussen. Auf der Gartenseite setzt sich der Schwung zum Vordach fort.

Hier, im Mittelteil des Gebäudes, führt ein Gang durch das Haus. Vorne zum Bach liegt die einstige Mühle, die nun als Goldschmiedeatelier dient. Im hinteren Teil liegen dunkle Kellergewölbe. Auch sie sind – wie die Mühle, der Rückteil des Obergeschosses und die Fundamente – aus Verrucano gemauert. Dieses Konglomeratgestein ist über 250 Millionen Jahre alt, extrem hart und wird noch heute in Mels abgebaut. In Glarus und Ennenda begegnet man ihm immer wieder: als Weg- und Gartenmauer, als Brunnen gewordener Findling.

«Der rote Stein mit grüngrauen Einschlüssen ist als ‹ Wurststein › bei vielen unb eliebt», sagt Rossmaier schulterzuckend. « Aber ich hab e ihn liebgewonnen: Der Verrucano ist der Stein dieser Region. Ich setze ihn mittlerweile überall ein. Er ist es einfach. »

Situative Dämmung und scharrierte Steinkanten

An der Seite des Hauses führt eine offene Wangentreppe zum Wohngeschoss. Durch die Fensterkuppel des neuen Dachstuhls fällt Oberlicht in den Gang, in den rückwärtigen « unprogrammierten Restraum » und von dort aus – über grosse Glasschiebetüren – auch in die neue Küche und das Bad. Von den Schichten der Zeit befreit, schmiegen sich das Wohn- und Schlafzimmer der Fassade entlang. Der Boden ist mit Isofloc ausgeblasen, der gemauerte Teil mit geschäumtem Kalkstein gedämmt, der Strick bau hinter dem Schindelkleid mit Holzfaserplatten, das Atelier darunter mit Hanfkalksteinen. « Wir

haben situa tiv gedämmt », erklärt Lando Rossmaier, « so wie man beim Kochen zu jedem Gericht das passende Öl wählt. » Überall entdeckt man feinfühlig gestaltete Metallarbeiten – von Klappen über Geländer bis zu Lichtschaltern. Sobald Wasser ins Spiel kommt, spielt Verrucano die Hauptrolle: Im Ate lier hängt das erste steinerne Lavabo an der Wand, im Bad das zweite. Ein 240 Kilogramm schwerer Schüttstein steht als drittes Becken auf kleinen Betonstützen in der Fensterlaibung der Küche. Auch deren Arbeitsplatte ist aus Verrucano gefertigt. Und der mit Stucco ver put zte Schamottofen in der Stube steht auf Steinkufen. Als Objekt im Raum.

Sämtliche Kanten der Verrucano-Objekte sind scharriert. Ein rein ästhetischer Entscheid, der die Fens terbänke aus Betonfertigteilen und die Steinarbeiten gestalterisch verbindet. Stundenlang flexte der Projektleiter Birk Thomas eigenhändig Streifen an Streifen. « Ich wollte das unbedingt so », sagt er mit einem Grinsen und streicht liebevoll über die haptischen Kanten. ●

Erdgeschoss 1:400

Obergeschoss 1:400

Schnitt 1:400

Palle Petersen
Lavabos und Küche sind aus Verrucano gefertigt, einem regionalen Konglomerat. Der ‹ Wurststein › mit grüngrauen Einschlüssen gefällt Architekt Lando Rossmaier.

( Nicht ) ganz die Alte

Fast unmerklich umgebaut und erweitert: Der Cafépavillon auf der Kleinen Schanze in Bern präsentiert sich rundum erneuert – und ist sich trotzdem treu geblieben.

Text:

Parkcafé

Kleine Schanze, 2024

Bundesgasse 7, Bern

Bauherrschaft:

Immobilien Stadt Bern

Auftragsart:

Planerwahlverfahren, 2021

Architektur:

Kast Kaeppeli, Bern

Bauingenieur: WAM, Bern

Landschaftsarchitekten:

Uniola, Zürich

Gastrofachplanung:

H plus S, Ittigen

Gesamtkosten ( BKP 1 – 9 ): Fr. 3 Mio

Das Parkcafé ‹ Kleine Schanze › ist eine Stadtberner In stitution. Laue Sommerabende verbringt man gern hier, bei gutem Wetter mit Blick auf die Drei- und Viertausender des Berner Oberlands und den Stadtpark, der hier im 19. Jahrhundert anstelle der Stadtbefestigung angelegt worden ist. Der im Volksmund « Milchbar » genannte Bau entstand 1945 als offene Trinkhalle und trägt ein sachliches Kleid: ein Stützenraster aus Naturstein, hell verputzte Wände und ein einfaches Pultdach mit sichtbaren Holzsparren. Doch mit den Jahren verunklärten immer mehr An- und Umbauten die klaren Formen, und auch betrieblich zeigten sich immer mehr Knackpunkte.

Bestand erhalten, störende Elemente entfernen Als Eigentümerin entschied sich Immobilien Stadt Bern 2021 für ein Planerwahlverfahren mit dem Ziel, diese Defizite zu beheben. Im Pflichtenheft standen besser ange ordnete Aussensitzplätze, unabhängig zugängliche Toiletten, eine rundumerneuerte Haustechnik, Barrierefreiheit und eine zeitgemässe Gastroeinrichtung. Kast Kaep peli Architekten gewannen das Verfahren mit dem Konzept, den Bestand zu erhalten, die störenden Elemente zu entfernen und die Zeitschichten zum neu-alten Ganzen zu verschleifen.

Im Winter 2023 / 24 wurde der Gastronomiebetrieb mit 180 Sitzplätzen vollumfänglich saniert, umgebaut und erweitert. Die Neugestaltung des Parks schlossen Uniola Landschaftsarchitekten im Sommer 2025 ab. Die ‹ Bundesmeile › mit Kleiner Schanze, Bernerhof und Bundeshaus erstrahlt nun durchgängig in neuem Glanz.

Wie immer bei beliebten Treffpunkten plagt einen die Sorge, dass mit der Neuauflage vieles anders und womöglich schlechter wird. Hier allerdings ist diese Angst gänzlich unbegründet. Mit zugekniffenem Auge ist auf den ersten Blick nicht einmal klar, ob und wo erweitert wurde. Die neue Milchbar ist ganz die alte geblieben – einerseits. Andererseits haben die Architekten den Bau umsichtig und mit viel Fingerspitzengefühl in die Gegenwart befördert. Als Hauptmassnahme zeigt sich das einstige Pultdach parkseitig zum Schmetterlingsdach verdoppelt, sodass der elegante Pavillon dem Grün nun nicht mehr den Rücken zukehrt. Dort befindet sich auch die neue Aussenbar, deren per Knopfdruck öffenbare Fassade neue Bewirtungsmöglichkeiten erlaubt.

Diagonal verlegte rote Terrazzo-Bodenplatten

Die charakteristischen, die Fassade rhythmisierenden Stützen aus Bündner Gneis, auf denen die hölzerne Dachkonstruktion ruht, und die weiss gestrichenen Sparr en spielen auch beim ergänzten Gebäudeteil die Hauptrolle. Im Innenraum schaffen diagonal verlegte rote TerrazzoBodenplatten und die sichtbaren Holzbalken eine Atmosphäre, die zwar den Geist der 1940er- Jahre anklin gen

lässt, dabei aber dennoch frisch und zeitgemäss wirkt. Die Wandtafeln aus grünem Sandstein, die bei den geschlossenen Wandteilen zum Einsatz kommen, versprühen zudem viel B erner Lokalkolorit.

Durchbohrte Gneisstützen mit Metallkernstab Dass ein bewährtes System unter dem Einfluss neuer Anforderungen manchmal konstruktive Kniffe bedingt, zeigt sich bei den neuen freistehenden Gneisstützen. Diese mussten der Länge nach durchbohrt werden. Der fünf Zentimeter dicke Metallkernstab darin steht auf Edelstahlauflagern und ist mit Mörtelkleber fest mit dem Steinmantel vergossen. Rechnerisch verhindert dieses Verbundsystem das Ausknicken der Stütze. Tatsächlich fehlt aber vor allem eine Norm zur Bemessung tragender Natursteinelemente. Denn wie der Bestand beweist, tragen schlanke Gneisstützen ihre Lasten seit Jahrzehnten zuverlässig auch ohne stählerne Unterstützung. ●

Detailschnitt Stütze 1 : 30

Martin Klopfenstein
Wie der Bestand ist auch die Ergänzung des Parkcafés Kleine Schanze in Bern geprägt von einem Dach, das auf Gneisstützen und weissen Holzsparren ruht.
Themenheft von Hochparterre, Dezember 2025 Bauen aus dem Planeten Stein Ein Steinteppich für Mariastein
Präzise gelegtes Pflaster führt zur Wallfahrtskirche von Mariastein.

Ein Steinteppich für Mariastein

Die Allee zum Kloster wird zum Klosterplatz. Bei der Gestaltung des Pflasters verbindet sich digitale Modellierungste chnik mit traditionellem Handwerk.

Text:

Klosterplatz

Mariastein, 2022 – 2026

Mariastein-Metzerlen SO Bauherrschaft: Benediktinerkloster Mariastein

Auftragsart: Wettbewerb mit Präqualifikation, 2020 Architektur und Konzept: Atelier Ehrenklau

Hemmerling, Zürich

Landschaftsarchitekten: Jacques Mennel, Zürich ( Baumanagement ); SMS, Zürich; Grünklang, Winterthur ( Beratung, Projektierung und Ausführung ); Ludivine Gragy, Berlin ( Studienauftrag )

Ingenieurbüros Pflaster: Märki, Therwil ( Tiefbau ); Virtual Architecture ( Parametrisches Design )

Bau Pflaster:

Arge Klosterplatz

Baukosten: Fr. 6,2 Mio.

Der zweitwichtigste Marienwallfahrtsort der Schweiz liegt unweit von Basel idyllisch auf einem Juraplateau am Abhang einer Schlucht. D er Weg dorthin führt über den Klosterplatz, gesäumt von einem Ensemble aus Gaststätten, den Gebäuden des Klosterhofs und Gartenanlagen. Zentrum dieser Anlage ist ein lang gezogener Platz, der von der Zufahrt im Westen nach Osten zur Basilika führt. Bis vor Kurzem fuhren Autos und Busse über diesen Platz, der daher kein angenehmer Ort zum Verweilen war. Wegen der vielen Pilger – pro Jahr sind es durchschnittlich 250 000 – hat Mariastein einen erheblichen Verkehr zu bewältigen. Der Befreiungsschlag gelang 2024, als Pilgerparkplatz und Bushaltestelle weiter nach draussen verlegt wurden. Der Klosterplatz ist damit weitgehend verkehrsfrei. Heute nähert man sich der Anlage auf einem Spaziergang entlang der Klostermauern.

2020 fand ein Wettbewerb um die Neugestaltung der Platzanlage statt. Beauftragt wurde das junge Architekturbüro Atelier Ehrenklau Hemmerling. Die Aufgabe: aus der Strasse mit vielen parkierten Autos einen Platz machen. Die Rahmenbedingungen: Die Baumallee musste erhalten bleiben, der Weg zum Kloster barrierefrei sein. Das Architekturbüro schlug einen Natursteinbelag vor. Zum Platz gehören auch ein Aufenthaltspavillon als Wetterschutz für die Pilgerschaft, ein Aufenthaltsgarten und ein verbesserter Zugang zur Gnadenkapelle. An Ostern 2026 wird der neu gestaltete Platz eingeweiht.

Platzboden lenkt Besuchende mit Farbverlauf

Die neue Gestaltung macht den gesamten Klosterplatz zum einheitlichen und offenen, für alle zugänglichen Raum. Statt einer asphaltierten Strasse zieht sich ein farbiger Steinteppich von Fassade zu Fassade. Die Begrenzungslinien der farbigen Pflasterfelder am Boden sind Beziehungsachsen zwischen den seitlichen Platznischen und Leitfiguren – etwa einem Übersichtsmodell – auf dem Platz. Dazwischen sind die Steine in einem gemischten Farbverlauf verlegt. Unauffällig lenkt so der Platzboden die Besuchenden zum Kloster, vom Profanen zum Sakralen, vom grauen zum roten Stein. Der Zugang zur Gnadenkapelle links der Kirche ist intuitiv. Neu lädt dort eine Mauer mit Sitzbank zur Ruhepause und bietet Platz für weitere Votivtafeln.

Die Linden auf dem Klosterplatz konnten leider nicht erhalten werden. Zu sehr hatten ihnen Streusalz, Verkehr und Versiegelung zugesetzt. In Zukunft haben die acht neu gepflanzten Bäume mehr Platz. Damit der Boden durchlässig ist, sind die Steine in Trasskalk verlegt. Nur die stark mit Autos frequentierte Kreuzung wird mit Zement gefestigt. Weil der Platz leicht nach Norden abfällt, sammelt eine Rinne Wasser, das bei Starkregen vom durchlässigen Belag nicht absorbiert wird.

Drei Steinsorten und sechs Steinfarben wurden gewählt, in einem Farbverlauf von Grau über Gelb zu Rot. Die Auswahl der Steine war ein anspruchsvoller Prozess. An oberster Stelle stand das Prinzip, mit möglichst lokalen und wiederverwendeten Materialien zu bauen. Hier mussten dann einige Kompromisse eingegangen werden. Der Grossteil der verbauten Steine stammt aus Norditalien, was aber immer noch innerhalb des angepeilten Radius

der Materialherkunft von 500 Kilometern liegt. Die Auswahl der Steine ist auch eine ästhetische und praktische Frage. Zur Bemusterung und Beurteilung der Steinfarben und ­strukturen wurde ein Mock­up gebaut, das auch klärte, welche Steine sich für ein rollstuhltaugliches Pflaster eignen. Durch geschickte Steinwahl ist es nur bei wenigen Steinen nötig, abzuschleifen, damit sie angenehm zu befahren sind, weil die Spaltflächen glatt genug sind.

Ein parametrisches Modell

Die Anlieferung der Steine sollte ressourcenschonend geschehen, das Verlegemuster feine Farbverläufe zeigen. Ehrenklau Hemmerling lösten die Aufgabe in einer Kombination von modernster Modellierungstechnik und altem Handwerk. Zur Planung des Pflasters wurde in Zusammenarbeit mit Wissam Wahbeh, Inhaber Virtual Architecture und Dozent an der FHNW, ein parametrisches Modell erstellt. Es enthielt die Preise, Farbe und Grösse der Steine. So liessen sich die Mischung und Anlieferung der Steine präzise steuern. Das Ziel: möglichst wenige Lastwagenfahrten und eine ästhetisch und preislich optimale Verteilung der Steinsorten. Vor Ort haben die Handwerker übernommen.

Sie verlegen die Steine im Passeverband, einem unregelmässigen, aber doch systematischen Muster ohne durchgängige Fugen. Erfahrung und Meisterschaft der Pflästerer sind der Massstab. Das geht bis ins kleinste Detail. Wo man mehr Verkehr erwartet, ist das Pflaster glatt, bei den Bäumen hingegen rauer. Die Handwerker prüfen jeden Stein ganz genau mit ihren Händen. So wird die Menge an Reststeinen und Rückfuhren minimiert und unauffällig dafür gesorgt, dass Menschen mit Beeinträch­

Anteil 65 % 20 % 15 %

Steinart Porphyr QuarzsandsteinGneis

Spezifikation Trentiner PorphyrGuber / Polardur Luserna-Gneis

Herkunft Italien Schweiz und Spanien Italien

Oberfläche gespaltengespalten, geschliffen und geflammt gespalten, geschliffen und gestrahlt

Steinfarbe rot, gelb, gelbgrau im Steinbruch sortiert grau hellgrau

AEH KPM Pflasterplan 1:2000 22.10.2025

Maarit Ströbele
Subtile Farbwechsel prägen den neuen Klosterplatz.
Für das Bürohaus an der Zürcher Zollstrasse griffen Meier Hug zum Palissandro Nero – poliert an den Brüstungen, gefräst am Sturz, gegliedert von hellen Aluminiumprofilen. →

Neuer Auftritt im Steingewand

An der Zürcher Zollstrasse bekleiden Meier Hug Architekten einen früheren Bankbau mit Palissandro Nero. Die Fassade reagiert auf die veränderte Situation des Hauses in der Stadt.

Wer Ende der 80er-Jahre mit dem Zug in Zürich ankam, sah die Häuserzeile nördlich der Gleise von Weitem. Vier schmale Waschbetonelemente pro Stützenachse, abgerundete Fensterlaibungen, ausladende Pflanztöpfe über dem Erdgeschoss – alles zu einer flächigen Fassade gefügt. Über dem Attikageschoss prangte in grossen Lettern der Bankenname Leu.

Doch hinter der uniformen Fassade stecken drei Häuser. Weil diese heute nicht mehr der gleichen Eigentümerin gehören, lassen sich Alt und Neu direkt vergleichen. Die Hausnummer 42 blieb nach der Fusion der Bank Leu in privater Hand. Vom Zeitgeist unbeeindruckt streckt sie ihre Originalfassade dem kleinen Platz an der Ecke Zollund Hafnerstrasse entgegen. Der Kanton Zürich kaufte 2012 den Rest der Zeile und plante eine Gesamtinstandsetzung. Das Ziel: ein ‹ Edelgrundausbau ›, der sich we chselnden Nutzungen anpassen kann, und eine Fassade, die auf die neue Situation an der Zollstrasse reagiert – seit 2020 stehen die Gleisarena, die Wohn- und Geschäftshäuser Zollstrasse Ost und das Zollhaus prominent am Gleisfeld. Die Zollstrasse ist in die zweite Reihe gerückt.

Einfach und dauerhaft

Beim Planerwahlverfahren für die Gesamtinstandsetzung überzeugten Meier Hug Architekten mit einer Natursteinfassade als langlebigem Anker für das wechselnde Innenleben. Sie wollten möglichst wenig in den Rohbau eingreifen und suchten gleichzeitig eine neue Gestalt. Die Brüstung und das Stützenraster behielten sie deshalb bei. Um sich vom Neben- und Vorgängerbau abzusetzen, passten sie drei statt vier Fensterelemente in eine Stützenachs e ein. Das neue Raster ermöglicht es, aus den offenen Flächen wieder effiziente Einzelbüros zu schaffen, sollte der Trend zu Grossraumbüros und Desksharing dereinst vorüber sein.

besonders », erklärt Marius Hug. Die dunkle Farbe gefiel ihnen im Zusammenspiel mit der Gleisarena. Im Projektverlauf wollte der Kanton auf eine Photovoltaikfassade umschwenken. Das war wegen der weit fortgeschrittenen Planung aber nicht mehr umsetzbar. « Wir glaub en nicht an übertechnisierte Lösungen um jeden Preis. Eine PVFassade kann zweifellos einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten », glaubt Hug. « Ab er auch eine Lösung, die durch Dauerhaftigkeit überzeugt, ist nachhaltig – sei es dank der Qualität des Materials oder durch die besondere Wertigkeit der Architektur. »

Dunkle Scheiben, helle Streifen

Statt Photovoltaik verkleidet also der hinterlüftete Palissandro Nero die bestehende Brüstung. Fünf polierte Scheiben pro Fensterachse. Darunter hängen über jedem Fenster kurze Platten mit fein gefrästem Profil, leicht zurückversetzt wie ein Vorhang. Doch die Leichtig keit täuscht: Die Steine sind zwar nur vier Zentimeter dick, aber bis zu 160 Kilogramm schwer. Damit die Platten montierbar blieben, stand der Steinlieferant bei der Fassadeneinteilung beratend zur Seite.

Zwischen die dunklen Steinplatten schieben sich helle Aluminiumprofile. Wo innen eine Stütze liegt, fasst eine Doppellisene einen Steinstreifen. Das Metall endet in einem grösseren Knopf, der den Horizont der Brüstung unterbricht, den Stein aber keineswegs trägt. « Zuerst wollten wir die Befestigung der Steinplatten zeigen », erinnert sich Hug. « Die se Zeichnung an der Fassade ist davon übrig geblieben. » Auch die Maserung des Steins mit den hellen Einschlüssen prägt die Fassade – an einigen Stellen etwas zu stark, fand das Projektteam bei der Montage. Kurzerhand liess es einzelne Platten austauschen, was das Befestigungssystem einfach erlaubte: Die mit Anker und Einhängekonsole versehenen Platten hängen in einer horizontalen Schiene. So sind dereinst auch Reparaturen möglich.

Gesamtinstandsetzung

Geschäftshaus, 2025

Zollstrasse 20 / 36, Zürich

Bauherrschaft: Kanton Zürich

Auftragsart:

Planerwahlverfahren, 2017

Architektur: Michael Meier und Marius Hug, Zürich

Fassadenplanung:

Lüchinger + Meyer Partner, Zürich

Fassadenbau: Surber

Metallbau, Dietikon

Stein: Palissandro Nero

( Domodossola )

Baukosten ( BKP 2 ): keine Angabe

Geschossfläche: 16 440 m2

Der unaufgeregte Grundriss bringt Einfachheit in die komplexe Gebäudeform. Hinter dem Haupteingang führen drei Lifte und die bestehende Treppe die Menschen in die Büros. Toiletten und Nebenräume ergänzen das neue Infrastrukturrückgrat. Der Grundausbau ist durchgehend grau, ein schüchternes Spiel mit hellen und dunklen Tönen. Das Attikageschoss nimmt alles auf, was in den flexiblen Regelgeschossen keinen Platz fand: Cafeteria, Gemeinschaftsräume, grosse Sitzungszimmer. Trotz aller Einfachheit soll das Haus die Verwaltung angemessen repräsentieren. Deshalb – und weil sie schon oft mit Stein gearbeitet hatten – entschieden sich die Architekten für eine hinterlüftete Natursteinfassade.

In der Nähe von Domodossola fanden die Architekten einen Steinbruch, der Palissandro Nero abbaut. « D er schwarze Stein ist seltener als die helleren Varianten des Palissandro-Marmors, seine Mineralzusammensetzung

Fussgängerperspektive statt Fernwirkung Gegen den Innenhof zeigt das Haus sein zweites, weniger teures Gesicht. Die Fassade dort war schon immer aufwendig abgewickelt. Drei Zacken ragen in den Hof, den das Haus mit den Wohnbauten an der Konradstrasse teilt. Helle Eternitplatten legen sich um die unerwartet verspielten Formen. Die feinen Aluminiumlisenen zeichnen auch hier die Fenster aus, flächig eingepasst liegen drei grosse Platten dazwischen. Die Flächen und Farben gehen ineinander über, die Bewegung der Oberfläche ist minimal. Seinen grossen Auftritt hat das Haus bis heute an der Zollstrasse, nur ist die neue Fassade für Fussgängerinnen statt auf Fernwirkung angelegt. Wer in Zürich ankommt, sieht die Häuserzeile erst auf dem Weg in die Stadt. Mit ihren ähnlichen Farben und unterschiedlichen Haltungen treten der Palissandro Nero und das dunkle Metall der Gleisarena eher in eine Diskussion als in einen Dialog. Ein passender Auftakt zur vielfältigen Zollstrasse. ●

Text: Mirjam Kupferschmid

Zollstrasse 20/36, Fassadenschnitt Strassenfassade, M 1:33, 19.9.25, 060_Zollstrasse_Hochparterre

Erdgeschoss 1 : 1000

Fassadenschnitt 1 : 50

1 D achaufbau

2 B lechverkleidung

3 K nickarmmarkise

4 Staketengeländer mit eingebautem Flaggenstock

5 B alkonaufbau

6 Kunststeinbelag

7 Ausstellmarkise

8 Teppichbelag, Doppelboden 8 cm

9 F assadenlisene

10 F assadenplatten

11 Vordachaufbau

12 Teppichbelag, Doppelboden 30 cm

13 K rawallschutzstoren

14 Pfosten-Riegel-Fassade

15 Kunststeinbodenbelag ( Mieterausbau )

Regelgeschoss 1 : 1000

In Steinverarbeitungsbetrieben wie diesem in Matzingen werden Steinplatten zu Küchenabdeckungen, Bodenbelägen oder Fassadenbekleidungen.

« Selbst ein Sandstein ist druckfester als viele

Normbetone

»

Wie kommt der Stein aus dem Berg ? Was entsteht daraus ? Wies o Gneis aus China ? Der Familienunternehmer Christian Bärlocher spricht über den Steinmarkt und seine Zukunft.

Christian Bärlocher hat eine Steinmetzlehre in Freienbach gemacht, Architektur in Chur sowie Raumentwicklung und Landschaftsarchitektur in Rapperswil studiert. Heute ist der 35­Jährige im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Pro Naturstein und leitet in fünfter Generation einen Sandsteinbruch in Rorschach am Bodensee. Während eines Spaziergangs vom Abbau bis zur CNC ­Fräse sprechen wir über den Weg des Steins und seine Zukunft.

Unser Planet heisst Erde, besteht aber zu 99 Prozent aus flüssigem und festem Gestein. Das meiste Volumen der Erdkruste liesse sich bautechnisch nutzen. Könnte man also überall Stein abbauen? Grundsätzlich ja. Ob ein Abbau sinnvoll ist, entscheidet sich aber dadurch, wie viel Erde über dem nutzbaren Werkstein liegt und wie viele Risse die Steinschichten haben. Um 1900 gab es in der Schweiz rund 700 Steinbrüche, heute sind es noch knapp 70. Überlebt haben jene mit dem besten Stein, wenig Abtrag und vor allem guten Transportmöglichkeiten an Gewässern oder Eisenbahnlinien. De facto sind aber alle Steinbrüche historisch. Seit dem Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes 1980 ist es immer schwieriger geworden, Abbaubewilligungen zu erhalten. Wie viel Stein wird in der Schweiz abgebaut?

Bei Kies für Beton, Kalk für Zement und Schotter werden auch neue Steinbrüche erschlossen. Hier wird in zwei Tagen jenes Volumen abgebaut, das die 70 Werksteinbrüche in einem Jahr produzieren. Das sind rund 500 00 0 Tonnen pro Jahr, vor allem Gneis und Sandstein. Wir kommen uns dabei nicht mit den Zementwerken und Kiesproduzenten in die Quere. Im Gegenteil: Diese brauchen Steine mit vielen Rissen, die einfach brechen. Wir benötigen möglichst homogene und gr osse Schichten. Insofern gibt es eher Synergien. Manche Steinbrüche gewinnen oben Kies und darunter Werkstein.

Wie kommt der Stein aus dem Berg oder Boden?

Früher bohrte man von Hand Loch an Loch. Zur Zeit meines Grossvaters passierte das ebenso, allerdings mit Pressluft. Damals holten 12 Mitarbeiter jährlich 10 00 Kubikmeter aus dem Berg. Ein grosser Wechsel fand in den 80er­ und 90er­Jahren statt, als die Diamantwerkzeuge

kamen. Heute sägen zwei Per sonen mit Diamantseilen 10 000 Kubikmeter im Jahr aus. Bei uns sind es 3 × 8 Meter grosse Blöcke, je nach Steinschicht 40 bis 150 Zentimeter hoch, also 10 bis 30 Tonnen schwer. Diese werden mit Baggern auf die Seite gezogen und dann zu Rohblöcken von 3 × 1,5 × 1 Meter gespalten, damit sie transportierbar sind und auf die Maschinen passen. Was passiert als Nächstes mit den Rohblöcken ? Zunächst machen wir eine Triage. Zirka 20 Prozent der Rohblöcke haben erstklassige Qualität. Diese kommen in die Steinhauerei und werden mit Seilsägen zu dünnen Platten für Fassaden, Küchen und Böden gesägt sowie mit Kreissägen und CNC ­Fräsen zu Massivarbeiten wie Brunnen oder Fenstergewände und Gesimse für Denkmäler. 60 Prozent der Rohblöcke haben zweitklassige Qualität. Daraus machen wir in der Spalterei einfache Produkte für den Gartenbau, vor allem gespaltene Mauer­ und Verbauungssteine sowie dicke Bodenplatten für den Aussenraum. Hier nutzen wir die natürlichen Schwachstellen des Steins. Schweizweit ist die Verteilung relativ ähnlich: 20 bis 40 Prozent werden zu Fertigprodukten für Fassaden und Innenausbau. 30 bis 50 Prozent finden Verwendung im Garten­ und Landschaftsbau, der Rest als Schotter oder S chüttungen für Rekultivierungsflächen. Das heisst, im Steinbruch gibt es wenig Ausschussware ? Viele Betriebe im Ausland nutzen nur die Filets, die Kutteln schmeissen sie weg. In der Schweiz hätten viele Betriebe damit ein Platzproblem, darum arbeiten die meisten eher ‹ nos e to tail ›. Falls ein Steinbruch nicht zu viele Risse quer zu den Schichten hat, kommen tatsächlich fast 100 Prozent als Blöcke aus dem Berg. Im Spaltwerk gehen 7 bis 8 Prozent des Volumens verloren. Manche Betriebe wie wir verkaufen dieses günstig als Schüttungen, für den Deichbau oder für Hinterfüllungen von Trockenmauern. In der Steinhauerei sind die Verluste grösser. Hier muss man die Rohblöcke auf allen Seiten sauber mit der Kreissäge zu geometrischen Blöcken schneiden. Danach sind die Verluste bei Bodenplatten oder Fensterbänken minimal, bei dreidimensionalen Arbeiten wie Brunnen oder Lavabos dagegen gross. Insgesamt entstehen in etwa 20 Prozent Produktionsreste. Diese baut man zur Rekultivierung im Steinbruch wieder ein.

Um die 500 000 Tonnen Werkstein werden jährlich abgebaut und ebenso viele importiert. Warum ist der Markt so regional? Und was importieren wir?

Text: Palle Petersen

Produktion Schweiz

500 000 Tonnen * ( vor allem Gneis, Quarzit, Kalk- und Sandstein )

Jährlich verbauter Naturwerkstein 1 000 000 Tonnen *

Export < 5 % ca. 10 % ca. 20 %

oder Wuhrsteine

Gartenund Landschaftsbau

Fertigprodukte für Fassaden und Innenausbau

Produktionsreste

Ähnlich wie im Betonmarkt sind Gewicht und Transport extrem relevant. Die grösste Importmenge sind Rand­ und Bordsteine aus Portugal und China. Einzelne Kantone beschafen regional, im Tessin liegt auch Tessiner Gneis am Strassenrand. Ansonsten ist der Transport so günstig, dass der ausländische Stein trotz weiter Strecken per Schif o der Lastwagen günstiger ist. Der kleinere Teil des Imports sind Halbfabrikate, vor allem Platten, die über die Region Verona in die Schweiz kommen. Diese importieren wir oft aus ästhetischen Gründen. Nero Assoluto aus Simbabwe, ganz weisse Marmore aus Italien oder blaue Steine aus Brasilien sind durchaus teurer als Schweizer Stein. Die Konkurrenz des Schweizer Natursteins ist also nicht der ausländische Stein. Sondern?

Im Innenbereich sind Imitationen ein riesiges Thema. Abgesehen von hölzernen Produkten waren Boden­ und Küchenplatten früher fast zu 100 Prozent aus Naturstein, heute handelt es sich mehrheitlich um Keramik mit aufgedruckten Steinmustern, Kunststeine oder Quarzkomposite. Eine Bodenplatte aus Keramik kostet einen Bruchteil eines Werksteins. Im Aussenbereich heisst der grosse Konkurrent Beton. Zementsteine für Garten und Terrassen sind deutlich günstiger.

Apropos Beton: Bis ins 19. Jahrhundert nutzten wir den Naturstein auch in der Schweiz für Fundamente, tragende Wände und Dachplatten. Dann kam die Industrialisierung, und Naturstein wurde zum Dekorationsmaterial?

Das klingt hart, ist aber wahr. In der Rezession zwischen den Kriegen und in den Nachkriegsjahrzehnten boomte alles ausser Stein. Zunächst verkleidete dieser noch Betonskelettbauten, zum Beispiel St. Galler Jugendstilbauten oder Repräsentationsbauten wie die ETH Zürich von Semper und Gull. Anstatt zu tragen, diente der Stein bloss noch als Verblendung. Heute hängt er oft nicht einmal selbsttragend an den Fassaden, bekleidet Lobbys und Bäder oder öfentliche Plätze. Das ist nicht falsch, denn auch hier sind dauerhafte Materialien wichtig. Trotzdem bleibt der Stein als blosse Oberfläche weit hinter seinen Möglichkeiten zurück?

Was die Druckfestigkeit angeht, stimmt das absolut. Ein Granit hat bis zu 250 Megapascal. Das ist ein Mehrfaches von Spezialbetonen, und selbst ein weicher Sandstein ist druckfester als viele Normbetone. Von den Pyramiden über die gotischen Kathedralen bis zu den Natursteinbauten um

Kieskomponenten, Schotter und Schüttgut für Landschaftsgestaltung und Rekultivierung

Import Ausland

500 000 Tonnen * ( vor allem Granit, Gneis, Kalkstein und Marmor)

Blockware, Pflasterund Bordsteine

Lyon sieht man doch: Naturstein ist ein leistungsfähiges und robustes Baumaterial. In Zeiten der Klimakrise liegt hier ein enormes Potenzial brach. Das britische Stone Collective hat vorgerechnet, dass eine vier Meter hohe Stütze mit 1000 Kilonewton Traglast als armierter Naturstein drei Mal weniger Emissionen hat als eine Betonstütze und fünf Mal weniger als eine Stahlstütze. Warum sehen wir in der Schweiz keine Pionierprojekte mit tragendem Stein?

Die Produktionskapazitäten wären da. Uns fehlt vor allem das Wissen. Wir wissen nicht wirklich, was im Stein bei Feuer passiert. Uns fehlen kluge Lösungen, um grosse Punktlasten einzuleiten und gegen das Knicken. Auch beim Beton behebt die Stahlarmierung den Mangel an Biege ­ und Zugfestigkeit. Bei der Kombination von Stein mit Stahl sehe ich darum enormes Potenzial für tragende Anwendungen – gerade auch, um nicht nur mit dicken Mauern und mit zweitklassigem Material zu bauen. An der ETH starten wir gerade ein Innosuisse ­ Pr ojekt mit den Lehrstühlen von Elli Mosayebi und Jacqueline Pauli. Ich sehe es so: Auch Holz hat viele Nachteile, aber hier wurde viel geforscht und entwickelt. Heute bauen wir sogar Hochhäuser aus Holz. Beim Stein stehen wir zwar noch ganz am Anfang, dennoch lautet die Frage nicht, ob, sondern wann wir Naturstein wieder als tragendes Baumaterial verwenden.

Man sagt, die Klimakrise sei ohne Kreislaufwirtschaft nicht zu meistern. Wie sehen Sie das in Bezug auf Naturstein?

Hier ist es anders als bei anderen Baumaterialien, weil die Emissionen vor allem beim Transport und der Verarbeitung anfallen. Trotzdem macht es absolut Sinn, tragende Steine mit Kalkmörtel zu verbauen und mit Stahlverbindungen und Spannkabeln so auszurüsten, dass die Konstruktion sortenrein demontierbar ist. Im Fassadenbau und im Innenausbau geht es zwar nicht um die grössten Volumen, aber auch hier gäbe es viel zu erfinden: Können wir Bodenplatten ohne Zementmörtel wie in alten Bauernhäusern verbauen und wieder in den Kreislauf bringen? Lassen sich Elemente in Standardformaten vor eine Fassade hängen und schadlos rückbauen? Im Grossen und Ganzen wäre auch eine Kaskadennutzung denkbar: erst Massivbausteine und Platten, dann Wiederverwendung, dann Zuschlag für Recyclingbeton, dann Magerbeton. Am Ende die Deponie. So muss es gehen. ●

ca. 30 %

Halbund Fertigprodukte für Gartenbau, Innenausbau und Fassaden

* Schätzwerte

« Es fühlt sich an wie Pionierarbeit »

Renia Bode und Michel Crelier:

Zirkuläres Auffädeln Die beim Zuschneiden der Rohblöcke anfallenden Reststücke des Tessiner Maggia-Gneises werden sortiert , gebohrt, auf Stahlkabel aufgefädelt und vorgespannt. So verbindet sich die Druckfestigkeit des Steins mit der Zugfestigkeit des Stahls. Die Elemente dienen als Stützen oder Träger eines Exoskeletts, werden vorgefertigt geliefert und über Stahlknoten verschraubt.

An ihrer ETHZ-Professur erforscht und entwirft Elli Mosayebi tragenden Naturstein. Gleichzeitig plant sie mit ihrem Büro EMI Architekt*innen ein Haus aus Naturstein.

Forschung und Lehre

Die Forschungsarbeit an Ihrer Professur heisst ‹ Von der zirkulären Stütze zu wiederverwendbaren Bausystemen in Naturstein ›. Dort behandeln

Sie die zwei Gesteinsarten Gneis und Sandstein. Warum gerade diese beiden?

Elli Mosayebi : In unserem Studio haben wir alle grossen Gesteinsgruppen – Kalk, Granite, Gneise und Sandsteine –angeschaut und dabei 34 Schweizer Steinbrüche porträtiert. Wir haben unsere Forschung mit Gneis und Sandstein begonnen, weil wir mit zwei Steinbrüchen schon länger im Austausch stehen: mit einem am Bodensee und einem aus dem Tessin. Hinzu kommt, dass es für Gneis und Sandstein in der Architektur aktuell weniger zeitgenössische Beispiele gibt als für Kalk. Dieses Semester widmen wir uns aber gezielt dem Kalkstein. Was sind die Erkenntnisse?

Zunächst einmal erkannten wir, wie schön und verschieden Naturstein ist. In den Adern und Schichtungen zeigen sich unzählige zarte und kräftige Farbtöne. Von Rosa über Gelb, Grün und Grau bis zu Schwarz – im Stein schimmert die Urgeschichte des Planeten. Zudem hat uns erstaunt, wie klein die Ausbeute dieses kostbar wirkenden Materials ausfällt. Je nach Abbauart wird kaum die Hälfte weiterverarbeitet und verkauft. Schliesslich haben wir gelernt, dass Stein in erster Linie drei Hauptverwendungen kennt: als schützende Oberfläche in Küchen, für Böden oder Fassaden, als Zuschlagstoff wie Schotter und Kies für die Bauindustrie sowie im Garten- und Wasserbau für Uferverbauungen, Schüttungen oder Dämme. Diese drei Bereiche folgen eigenen Vorgaben, schöpfen das architektonische Potenzial des Steins jedoch nur unzureichend aus.

Lehre: ‹ Dauerhafte Architektur: Konstruktionen in Schweizer Naturstein › ETH Zürich, Herbst- und Frühjahrsseme ster 2023/24, Professur für Architektur und Entwurf ( Elli Mos ayebi ) in Zusammenarbeit mit den Professuren für Nachhaltiges Bauen ( Guillaume Habert ) und Tragwerksentwurf ( Jacqueline Pauli ) und der Dozentur für Bautechnologie und Konstruktion

Forschung: ‹ Von der zirkulären Stütze zu wiederverwendbaren Bausystemen in Naturstein › Das Forschungsprojekt untersucht Naturs tein als tragendes und zirkuläres Baumaterial für die zeitgenössische Architektur. Es geht um Abbau, B earbeitung und Konstruktion vom Steinbruch bis zur Baustelle. Das Projekt ist eine gemeinsame Arbeit der Professuren für Architektur und Entwurf ( Elli Mosayebi ), für Tragwerksentwurf ( Jacqueline Pauli ) und für Nachhaltiges Bauen ( Guillaume Habert )

Was war das Ziel der Forschung?

Wir wollen die Ausbeute erhöhen und neue Einsatzfelder in der Architektur gewinnen. Anstatt die Abhängigkeit von aufwendig und teuer veredelten Produkten weiter zu verstärken, suchen wir nach Möglichkeiten, auch minderwertigeres oder bislang ungenutztes Material konstruktiv einzusetzen, und zwar tragend. Es ist eine angewandte Forschung und wurde von Innosuisse im Rahmen einer Machbarkeitsstudie gefördert. Ziel ist die Entwicklung konkreter Produkte im Rahmen eines grösseren Forschungsprojekts. Was hat die Auseinandersetzung der Studierenden im Entwurfsstudio gebracht?

Dort haben wir zwei Strategien für den Einsatz von Naturstein als tragendes Bauteil untersucht. Die erste Strategie setzte auf grosse, möglichst unbearbeitete Blöcke, die mit wenigen Schnitten aus dem Steinbruch gewonnen werden. Sie kamen als Stützen zum Einsatz und wurden so gefügt, dass sie sich später wieder trennen lassen. Dabei spielten Gewicht, natürliche Bruchkanten und die Abbauhöhen im Steinbruch eine zentrale Rolle. Die zweite Strategie nahm sich der kleineren Bruchstücke an, die beim Abbau anfallen und im Steinbruch oft ungenutzt bleiben. Diese wurden auf Stahlrohre aufgefädelt und vorgespannt, zu Trockenmauern verarbeitet oder in grössere Verbundelemente integriert. So entstand ein konstruktiver Einsatz für Material, das sonst liegenbliebe. Was haben die Steinbrüche zu den Entwürfen gesagt? Grundsätzlich haben sie sich gefreut, dass das grosse Potenzial der Steine erkannt wird. Je nach Entwurf waren sie natürlich mehr oder weniger enthusiastisch. Aber es war ihnen auch bewusst, dass wir als Studio die Grenze zwischen Realistischem und Visionärem ausloten.

Text: Axel Simon

Praxis

Was haben Sie in Ihrem eigenen Architekturbüro mit Naturstein gebaut?

Nur Böden, Küchen oder einen Brunnen. Bisher hatten wir nicht die Gelegenheit, Grösseres mit Stein zu erstellen oder Stein sogar tragend einzusetzen.

Nun aber! Sie haben ein Haus mit tragenden Sandsteinstützen entworfen und fangen demnächst an zu bauen. Wie weit sind die Erkenntnisse Ihrer Forschung eingeflossen?

Beim Haus an der Winterthurerstrasse stehen wir vor der Baubewilligung. Wie in der Forschung möchten wir tragende Betonstützen durch Sandstein ersetzen. Die Steinstütze ist dabei schlank, hat aber eine grosse Tragfähigkeit, sie kann also hervorragend auf Druck beansprucht werden. Die Vorspannung soll zudem das Knicken verhindern. Obwohl Stein ein uraltes Baumaterial ist, fühlte sich das Entwerfen wie Pionierarbeit an.

Die Stützen aus Sandstein sind in den unteren Geschossen kräftiger als in den oberen. Sie bestehen aus sechs Steinblöcken pro Geschoss, der zweitoberste steht seitlich über und wird so zur Konsole für die Holzbalkendecke. Diese Konsolen sind architektonisch nicht weiter hervorgehoben. Hat es euch nicht gereizt, sie stärker als Kapitell auszubilden?

Die Konsolen bilden mit den Köpfen der Holzträger Kapitelle. In der Fassade tritt die Tragstruktur hervor und wird tektonisch lesbar. Das ist sehr direkt und hat mit der Schönheit des Materials zu tun: Wir exponieren das ein zelne Element, die Stütze, und inszenieren den Stein. Ansonsten ist es eine sehr einfache Grundstruktur: drei Stützen pro Achse, zwei am Rand und eine in der Mitte. Die Holzbalken liegen auf den Konsolen auf und bilden Unterzüge, die die Geschossplatten aus Brettstapelholz tragen. Ein schlichtes und effizientes System, auch um den Einsatz von Stein zu minimieren. Zugleich ging es um Flexibilität: ein Wohnhaus, das später auch umgebaut und anders genutzt werden kann.

Lara Biesser und Theodor Domanski: Haus als Steinlager Rohe Natursteinblöcke bilden die tragende und räumliche Struktur eines Gebäudes. Die bis zu 3 × 1,5 × 2 Meter grossen Blöcke werden im Steinbruch halbiert oder gedrittelt und auf der Baustelle gestapelt. Fixiert durch Eigengewicht und Stahlverbindungen, tragen die Blöcke die Holzdecken. Die massive Struktur bildet ein Steinreservoir für zukünftige Projekte.

In Ihrem Forschungspapier schreiben Sie von einer « neuen Ästhetik des Steins ». Wie zeigt sich die bei diesem Haus? In der Visualisierung zu sehen ist ein tektonisches Bild aus tragenden und bekleidenden Elementen. Wir möchten aber noch weiter gehen und das Material mit seinen Einschlüssen, Farbverschiebungen und Brüchen zeigen. Lange Zeit waren ästhetische Unregelmässigkeiten unerwünscht – heute begreifen wir diese als Qualität, die den Stein von einem industriell hergestellten Produkt unter scheidet. Aus diesem Grund wollen wir auch die Qualitäts stu fe 3 nutzen. Gemäss einer Branchenstatistik ist mehr als die Hälfte des abgebauten Steins entweder Rest oder aufgrund visueller Eigenschaften nicht für Fassaden und Innenausbau geeignet.

Bei manchen aktuellen Bauten, die Stein zum Beispiel als Stützen einsetzen, muss man schon genau hinschauen, um zu erkennen, dass es sich nicht um Beton handelt. Lohnt sich der Aufwand dafür?

Man könnte den Stein durchaus mehr als solchen inszenieren: Der Reiz liegt darin, dass er nicht makellos oder uniform ist. Seit wir uns mit Naturstein beschäftigen, gehe ich mit anderen Augen durch die Stadt. In der Zürcher Altstadt ist zum Beispiel der Bollinger Sandstein sehr präsent. Er hat eine graublaugrüne Oberfläche und weiche Kanten. Das sind alles Qualitäten, die wir jetzt erst wiederentdecken. Vielleicht denken wir in Zukunft sogar wieder über kleinere Steinmetzarbeiten in der Fassade nach. So wie das Travertin-Bein in der Laibung der Casa il Girasole in Rom von Luigi Moretti. Was kostet das Bauen mit tragendem Naturstein?

Es ist teurer als bei der herkömmlichen Bauweise. Eine normale Betonstütze kostet 1000 Franken, eine aus Sandstein drei bis vier Mal mehr. Aber weil wir im Projekt den Stein auf die Stützen beschränkt haben, steigen die Gesamtkosten nicht enorm.

Nachhaltigkeit

Wie sieht die Ökobilanz von tragendem Naturstein gegenüber anderen Materialien aus?

Interessant ist allein schon, dass es sich um ein regionales Produkt handelt. Die Emissionen eines weiten Transportwegs fallen weg, und der lokale Markt wird gestärkt. Hinzu kommt: Je unbehandelter der Stein bleibt, desto nachhaltiger ist er. Geschliffene oder polierte Oberflächen benötigen viel Energie, während weitgehend belassene Steine ökologisch vorteilhaft sind. Mein Kollege Guillaume Habert hat den Unterschied von Stein und Beton schön aufgezeigt. Bei Beton gilt: je mehr Material, desto mehr CO₂-Emissionen. Bei Stein ist es umgekehrt: je grösser die Stücke, desto kleiner der Fussabdruck. Schliesslich eröffnen wir auch eine zirkuläre Perspektive: Bei wiederverwendeten Bauteilen geht kein Material verloren.

Haus aus Naturstein

Bei diesem Wohnhaus möchten die Architektinnen Sandstein zirkulär einsetzen. Die Tragstruktur gleicht derjenigen eines Bürohauses mit drei Stützen pro Achse. Die Stützen sind nicht aus Beton gefertigt , sondern aus Stein. Der zweitoberste Steinblock dieser Stützen bildet seitlich Konsolen aus. Darauf liegen die primären Holzträger, die wiederum die Brettstapeldecke tragen. Diese Konstruktion zeichnet sich an der Fassade ab.

Winterthurerstrasse, Zürich Bauherrschaft: ohne Angabe

Auftragsart: direkt , 2023 Architektur: EMI, Zürich

Stein ist eine gute Antwort auf die Ressourcenfrage?

Stein wäre im Alpenland Schweiz reichlich vorhanden. Noch um das Jahr 1900 zählte man mehr als 700 Steinbrüche. Doch mit der Industrialisierung wurde der Stein von Beton und Backstein verdrängt. Heute existieren lediglich noch um die 70 Steinbrüche, die effektiv Werksteine herstellen. Nachhaltig ist der Einsatz von Naturstein aber vor allem, wenn er tatsächlich den Beton ersetzt – wenn er also trägt und nicht nur vorgehängt wird. Natürlich dürfen wir die Eingriffe in die Landschaft durch die Steinbrüche nicht ausblenden. Auch wenn die Ressource fast unbegrenzt ers cheint, verlangt sie einen sorgsamen Abbau. Letztlich ist Stein ein weiteres und wichtiges Material, das uns helfen kann, die CO₂-Emissionen im Bauwesen deutlich zu senken. ●

Bauen aus dem Planeten Stein

Naturstein ist robust und vielseitig. Unerschütterlich leistet er seine Dienste am Boden öffentlicher Gebäude, auf Plätzen und in Parks o der Gärten, an Fassaden und Brücken. Während Jahrtausenden wurde er tragend verbaut, dann kamen Industrialisierung, Baufunktionalismus und moderne Ideologien. In Zeiten der Klima krise erlebt struktureller Stein eine Renaissance. Von Frankreich ausgehend, ist diese nun in Genf angekommen.

Diese s Themenheft zeigt Bauten v on Lyon bis Bern, Plätze und Brücken und spricht mit Ingenieuren, Architektinnen und Steinverarbeitern. nvs.ch, pronaturstein.ch

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