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Vorgestellt: Sportsoldatin Ela Aydin
Ela Aydin im Interview
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von Helena Stanek
Der erste registrierte Kampf der Sportsoldatin Ela Aydin waren die Kroatien Open 2010 in Zagreb. Elf Jahre später war sie Deutschlands Hoffnung auf einen weiteren Startplatz bei den Olympischen Spielen in Tokio. Was die „NeuNürnbergerin“ in ihrer noch jungen Karriere bereits für Rückschläge verkraften musste, wie sie einen Wettkampftag gestaltet und warum sie nun nach Nürnberg gezogen ist, erzählt uns Ela in einem persönlichen Interview.
Die meisten Kartons sind ausgepackt, der Umzug nach Nürnberg ist für die Dachauerin Ela Aydin geglückt. Mit der Zentralisierung der Bundestrainer an den Bundesstützpunkt Nürnberg hat auch Ela Aydin entschieden, neue Wege in ihrem Training zu gehen. „Es ändert sich nun einiges für mich. Aber ich freue mich auf diese neue Aufgabe und bin gespannt, wie sich alles entwickeln wird.“ Sie sei glücklich darüber, dass sie nun die Möglichkeit habe, tagtäglich mit ihrem Bundestrainer unter solch professionellen Bedingungen trainieren zu können. Früher habe man sich mit dem Bundestrainer auf den Lehrgängen oder auf dem Wettkampf gesehen, nun sei man täglich zusammen. Sie sehe es an anderen Nationen, die eben genau diesen Vorteil schon länger hätten.
Für das erfolgreiche VaterTochter-Gespann war dies eine große Veränderung. Demirhan Aydin betreut seine Tochter Ela im Verein seit Kindesbeinen. Er hat mit ihr auch ihre großen Verletzungen durchgestanden. Doch nach der verpassten Qualifikation für die Olympischen Spielen in Tokio ist das gemeinsame Ziel „Olympia 2024“ so groß, dass der Papa seine Tochter ziehen lässt. „Er unterstützt mich in allen Belangen. Er hat das Vertrauen in den Bundestrainer und wir sagen beide, dass dies für mich eine gute Möglichkeit ist, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen. Er sagte zu mir, wenn es mich weiterentwickeln und mir helfen würde, dann unterstütze er mich zu 100 Prozent.“ Ela sagt von sich selbst, dass sie diszipliniert sei und das auch lange Zeit in ihrem Training in München unter Beweis stellen musste. Das Frühtraining in München lief oft in Eigenregie ab. In Nürnberg wird nun der ganze Tag vom Trainerteam begleitet. Ela sieht dies als weiteren Vorteil für ihre Karriere. „Ich bin diszipliniert, aber es tut auch gut, wenn einer einem auch beim Krafttraining sagt: Auf geht’s, einen Satz noch, du schaffst das!“ Sie glaubt, dass ihr das gut tun wird und alles nun noch ein bisschen professioneller werden würde.
Durch die Regelung, dass am Freitag nur noch das Frühtraining am Stützpunkt gemeinsam abgehalten wird, kann Ela vor allem am Freitagabend noch in ihrem Vereinstraining mit ihren Vereinskollegen und Vater Demirhan trainieren. Die Zusammenarbeit mit ihrem Papa sei ihr immer enorm wichtig gewesen und wird es auch weiterhin sein. „Ich weiß, dass mein Papa immer nur das Beste für mich will. Egal ob ich erfolgreich bin oder ob es mal nicht so läuft – ich weiß, er steht immer hinter mir.“
Momente, in denen es mal nicht so lief, waren ihre Verletzungspausen, die sie aufgrund von einem Kreuzbandriss und einem Meniskusriss einlegen musste. Im Halbfinale der Belgian Open hatte sich Ela das Knie verdreht. Sie hatte Schmerzen, kämpfte aber weiter. Als sie erneut wegknickte, warf Marco Scheiterbauer (damals als Coach im Einsatz) das Handtuch. Eine gold-

richtige Entscheidung, stellte sich nachher doch heraus, dass Elas Kreuzband gerissen war. „Das war nicht einfach damals. Ich war erst 17 Jahre alt und bin noch zur Schule gegangen. Da mussten wir alles richtig koordinieren. Ich war noch kein Vollprofi, so wie ich es jetzt bin, und hatte nicht den ganzen Tag Zeit, zu trainieren.“ 16 Jahre, Pubertät und eine schwere Verletzung. Das alles zusammen machte es vor allem direkt nach der Operation sehr schwer für sie, wieder reinzukommen. Ihr Vater fing sie jedoch auf und motivierte Ela, weiterzumachen. „Man muss nach so einer Operation alles neu lernen. Man muss lernen, wie man normal läuft, wie man sich hinsetzt, wie man sein Bein bewegt. Da habe ich kurzzeitig gezweifelt, ob ich jemals wieder Taekwondo machen kann“.
Nach der überstandenen Verletzung ist Ela mit viel mehr Wertschätzung in die Trainings gegangen. Sie sei glücklich gewesen, ihre Freunde und ihre zweite Familie wieder täglich im Verein sehen zu können. „Ich war einfach nur froh, wieder trainieren zu können. Durch die Verletzung habe ich diesen Sport noch viel mehr wertgeschätzt“. Angst vor weiteren Verletzungen habe sie nicht. Das wäre die falsche Art, diesen Sport zu betreiben. Respekt habe sie aber schon davor. Wenn Ela fit ist und auf der Fläche steht, ist sie meist sehr erfolgreich. Zehnfache Deutsche Meisterin, U-21 Vizeeuropameisterin, Bronzemedaillen-Gewinnerin bei der Europameisterschaft 2021, Vize-Europameisterin bei den European Extra Games, sowie 50 gewonnene Medaillen bei Weltranglistenturnieren (stand 14. März 2022). In dieser noch jungen Saison konnte die Sportsoldatin der Bundeswehr bereits zwei Goldmedaillen bei G2-Weltranglistenturnieren gewinnen und somit ihre maximalen 40 Weltranglistenpunkte schon im Februar erkämpfen. Nun kann sie sich auf die großen Events wie die Europameisterschaft und die Grand Prix Serie konzentrieren, bei denen sie zusätzliche Weltranglistenpunkte sammeln kann.
Als schönsten Moment ihrer Karriere beschreibt Ela den Gewinn der Silbermedaille bei den European Extra Games 2019 in Bari. Bei ihrem ersten G4-Weltranglistenturnier schaffte sie es hier, auf Anhieb ins Finale zu kommen. „Ich habe zwar das Finale verloren, aber trotzdem war dies der schönste Moment meiner Karriere.“ Die ganze Stimmung und Atmosphäre in Bari sei besonders und ein ganz anderes Level gewesen. Alle Halbfinalkämpfe wurden nur auf einer Fläche ausgetragen, sodass der Fokus stets auf nur einer Fläche lag. Genau hier im Halbfinale siegte Ela gegen Elizaveta

Ryadninskaya aus Russland in der letzten Sekunde des Kampfes. Dies sei für sie ein besonderer Sieg gewesen.
„Es gibt nichts Schöneres, als zu gewinnen. Beim Leistungssport ist das vielleicht auch eine Art Sucht. Es ist einfach ein so schönes Gefühl, dass man sich selbst für die ganzen Anstrengungen und Aufwendungen, die man jeden Tag im Training bringt, auf der Fläche belohnen kann. Auf dem Siegerpodest zu stehen, ist dann einfach pures Glück.“ Das Schönste nach einem Wettkampftag sei die Dusche nach dem Wettkampf. Und das Schlimmste, ins Bett zu gehen, denn dann fängt alles an, wehzutun.
Elas Wettkampftroutine:
1. Die WAAGE:
Wenn ich in meiner olympischen Gewichtsklasse kämpfe, also - 49 Kilogramm, muss ich zuvor abnehmen. Dies mache ich mit meinem Ernährungsplan, den meine Ernährungsberaterin erstellt hat. Das klappt gut und ich kann in meiner Gewichtsklasse gesund und fit kämpfen. Wenn ich – 53 Kilogramm kämpfe, habe ich zwar auch meinen Ernährungsplan, muss aber nicht so konzentriert auf die Kilos achten. Nach der Waage freue ich mich dann wieder sehr auf das Essen. Dann fängt die mentale Vorbereitung an.
2.Der Abend vor dem Wettkampf:
Nach dem Essen fange ich an, mich auf meinen Wettkampf vorzubereiten. Abends setzen wir uns meistens noch mal hin und reden über die Poolliste und mögliche Gegnerinnen. Dann gehe ich schlafen. Ich versuche stets drauf zu achten, dass ich meine acht Stunden Schlaf bekomme.
3.Das FRÜHSTÜCK:
Je nach dem, wann meine Kampfnummer ist, wähle ich auch meine Frühstückszeit. Zum Frühstück esse ich gerne Porridge. Ich habe gemerkt, dass mein Körper dies gut verträgt und ich damit gut in den Tag starte. Wenn es aber mal kein Müsli oder Porridge gibt, geht die Welt auch nicht unter.
4. Die VORBEREITUNG:
Ich gucke nicht auf die Uhr, sondern eher auf die Kampfnummern. Etwa acht bis zehn Kämpfe vor meinem Kampf fange ich an, mich umzuziehen und mein
Taping zu machen. Fünf bis sechs Kämpfe vor meinem Kampf gehe ich mich locker aufwärmen und steigere die Intensität, bis ich dann richtig warm bin. Ich pusche mich dann richtig hoch, so, als hätte ich schon einen Kampf gemacht. Nach dem Aufwärmen gehe ich nur noch zum Platz, ziehe meine Wettkampf-Sachen an und bewege mich in Richtung Kampffläche. Vor jedem Kampf bete ich noch einmal und dann geht es los!
5. Nach dem KAMPF:
Nach dem Kampf gehe ich zum Platz zurück und starte mit der Regeneration, damit ich wieder fit für die nächsten Kämpfe bin. In Absprache mit meiner Ernährungsberaterin esse ich zwischen den Kämpfen gerne die Obst-Quetschies, die Kinder auch oft essen. Ich habe gemerkt, dass sie gut für mich sind. Oft lege ich mich zwischen den Kämpfen auch kurz hin und schaue dabei meinen Kampf, den ich gerade hatte, auf dem Handy an. Und dann warte ich auf den nächsten Kampf, für den ich mich dann wieder kurz aufwärme und vorbereite.
Bist du eher der Angriffstyp oder eher die Konterkämpferin?
Zu meiner Jugendzeit war ich eher die Angreiferin. Und jetzt bin ich eher eine Konterkämpferin.
Bist du eher der Stepping-Champion oder eher ruhig auf der Fläche?
Das kommt auf den Kampf an. Aber ich bin eher chillig auf der Fläche.
Was denkst du, wenn du einen Kopftreffer kassiert hast?
„Oh, das musste nicht sein.“ Das denke ich mir dann sofort.
Bist du eine Drehkünstlerin oder kämpfst du eher mit Standardtechniken?
Eher Standardtechniken.
Analysierst du deine Gegner oder schaust du eher auf dich?
Ich schaue eher auf mich.

Jubelst du euphorisch oder eher im Stillen?
Natürlich eher euphorisch.


ERFOLGE ELA AYDIN:
National:
10-fache Deutsche Meisterin
International:
2013 U15 Europameisterschaft – Bronze 2014 U18 Weltmeisterschaft Teilnahme 2015 U18 Europameisterschaft – Platz 5. 2016 U18 Weltmeisterschaft Teilnahme 2017 Junioren Europameisterschaft – Silber 2017 Europameisterschaft (OWC) – Silber 2018 Europameisterschaft Teilnahme 2018 Grand Prix Team 2019 Grand Prix Team 2019 Weltmeisterschaft – Platz 9. 2019 CISM World Games – Bronze 2019 European Extra Games – Silber 2019 Olympic Test Event – Platz 5. 2020 Olympia Qualifikation – Platz 5. 2021 Europameisterschaft – Bronze