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Schlaganfallvorsorge optimieren

Stellenwert der NOAK in Primär- und Sekundärprophylaxe

Wann von VKA zu NOAK wechseln?

Nach Jahren des Vorherrschens von Vitamin-K-Antagonisten (VKA) gelten mittlerweile neue (bzw. direkte) orale Antikoagulantien (NOAK bzw. DOAK) als Behandlungsstandard in der Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern. Die 2020 adaptierte Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC)1 empfiehlt, NOAK den VKA als vorbeugende Maßnahme vorzuziehen. Die einzigen Ausnahmen stellen Patienten mit künstlichen Herzklappen bzw. jene mit mäßiger bis schwerer Mitralklappenstenose dar, die weiterhin mit VKA behandelt werden sollen. Unter der Therapie mit VKA ist eine engmaschige Therapiekontrolle nötig. Der INR-Wert sollte sich zwischen 2,0 und 3,0 befinden. Ist er zu niedrig, steigt das Schlaganfallrisiko, während bei erhöhten Werten das Risiko einer Blutung zunimmt.2 Daneben ist die Zeit im therapeutischen Bereich (TTR), welche aus dem Verlauf der INR-Messungen berechnet werden kann, ein wichtiger Parameter für die Therapiekontrolle. Jener >

X Tabelle: Wann eine Dosisreduktion empfohlen wird1

Apixaban Dabigatran Edoxaban Rivaroxaban

Standarddosis 5 mg, 2 x tgl. 150 mg, 2 x tgl. 60 mg, 1 x tgl. 20 mg, 1 x tgl.

Vorteile der NOAK-Therapie

In randomisierten, kontrollierten Studien konnten die vier derzeit verfügbaren NOAK-Wirkstoffe – Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban – mehr als nur ihre Nichtunterlegenheit gegenüber dem VKA Warfarin zeigen. Die Risikoreduktion betrug bei der Gabe von NOAK im Vergleich zu Warfarin …1 • … 52 % hinsichtlich intrakranieller

Blutungen. • … 51 % in Hinblick auf hämorrhagische Schlaganfälle. • … 19 % in Bezug auf die Verhinderung von Schlaganfällen bzw. systemischen Embolien. • … 14 % hinsichtlich starker Blutungen. • … 10 % in Bezug auf die Gesamtmortalität. Lediglich bei gastrointestinalen Blutungen konnte eine Zunahme derselben um 25 % gegenüber Warfarin festgestellt werden. Die Leitlinie unterstreicht die gute Wirksamkeit und Sicherheit der NOAK, vor allem bei Risikopatienten wie älteren Menschen, jenen mit eingeschränkter Nierenfunktion oder solchen, die bereits einen Insult erlitten haben. Jedoch wird davor gewarnt, nach eigenem Ermessen Dosisreduktionen vorzunehmen, da dieses Vorgehen das Risiko in Bezug auf Schlaganfälle bzw. systemische Embolien, Hospitalisation und Tod erhöht, ohne das Blutungsrisiko zu verringern. Eine Dosisreduktion kann bei Vorliegen der in der Tabelle dargestellten Risikofaktoren eingeleitet werden.1

Reduzierte Dosis 2,5 mg, 2 x tgl. 110 mg, 2 x tgl. 30 mg, 1 x tgl. 15 mg, 1 x tgl.

Kriterien für eine Dosisreduktion

Mind. 2 der 3 Kriterien: „ Alter von ≥ 80

Jahren, „ Gewicht von ≤ 60 kg, „ Serumkreatinin von ≥ 1,5 mg/dl. Reduktion bei: „ Alter von ≥ 80

Jahren, „ begleitender

Gabe von

Verapamil, „ erhöhtem Blutungsrisiko. Bei einem dieser Kriterien: „ bei Kreatinin-

Clearance von 15-50 ml/

Min., „ bei Gewicht von ≤ 60 kg, „ bei begleitender Gabe von

Dronedaron,

Ciclosporin,

Erythromycin,

Ketoconazol. Bei einer Kreatinin-Clearance von 15-49 ml/Min.

sollte > 70 % betragen. Jedoch können bereits im Vorhinein Hinweise gesammelt werden, welche Patienten ein höheres Risiko haben, nicht ausreichend auf die VKA-Therapie anzusprechen (siehe Infobox). Beträgt die TTR < 70 %, empfiehlt die Leitlinie, die Bemühungen um eine adäquate TTR zu intensivieren oder stattdessen zu einem NOAK zu wechseln.1

Monitoring könnte Adhärenz verbessern

Eine routinemäßige Therapiekontrolle ist für NOAK hingegen noch nicht verfügbar. Häufig durchgeführte Gerinnungstests wie aPTT oder Quick werden zwar durch NOAK beeinflusst, jedoch eignen sie sich nicht zum Monitoring. Soll eine Kontrolle der Wirksamkeit der Medikamente vorgenommen werden, sind Laboruntersuchungen nötig, was ein Selbstmanagement der Patienten (wie beim INR-Wert) verhindert. Für die Therapiekontrolle von Dabigatran können Ecarin- und Thrombinzeit bestimmt werden – bzw. die Anti-XaAktivität für Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban. Wille3 spricht sich für ein zukünftiges Monitoring unter NOAK aus, da dies auch die Adhärenz der Patienten – 50 % nähmen ihre NOAK nicht regelmäßig ein – verbessern könne.

NOAK nach Schlaganfall

NOAK haben in der Sekundärprophylaxe nach einem stattgehabten Schlaganfall einen hohen Stellenwert. Eine Schweizer Publikation hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann der optimale Zeitpunkt ist, (wieder) mit der oralen Antikoagulation zu beginnen. Zu beachten ist, dass bei Patienten mit Vorhofflimmern das Risiko eines erneuten Insults besonders hoch ist.4 Allgemein wird der Zeitrahmen für den Beginn der oralen Antikoagulationstherapie nach der Ausprägung des Schlaganfalls berechnet:5 • ein Tag nach transitorischer ischämischer Attacke (TIA), • drei Tage nach einem kleinen Hirnschlag, • sechs Tage nach einem Hirnschlag mittlerer Größe, • zwölf Tage nach einem großen Hirnschlag. Diese Empfehlungen wurden auch für NOAK ausgesprochen, jedoch erst in der Schweizer Studie praktisch überprüft. Dort wurde im Mittel fünf Tage nach einem Schlaganfall (wieder) mit der Gabe eines NOAK begonnen. Daraus resultierte kein erhöhtes Blutungsrisiko und das Risiko eines Rezidivs war bei einem Beginn der NOAK-Therapie nach sieben Tagen oder weniger gegenüber einem späteren Therapiebeginn leicht reduziert (wenn auch aufgrund der Stichprobengröße nicht signifikant). Die Autoren plädieren dafür, den Therapiebeginn nicht zu lange hinauszuschieben.4

Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc

Quellen: 1 Hindricks G et al., ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of

Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2020. 2 Siebenhofer A et al., Thromb Haemost 2004; 91: 225-232. 3 Wille H, Neue orale Antikoagulanzien (NOAK) in der

Therapie des Vorhofflimmerns, Fortbildungsveranstaltung der Arzneimittelkommission der deutschen

Ärzteschaft (AKdÄ), 04.11.2015. 4 Seiffge D et al., Cardiovascular Medicine 2018; 21(1): 12-15. 5 Heidbuchel H et al, European Heart Journal 2017; 38: 2137-49.

X Infobox: SAMe-TT2R2 zur Abschätzung, ob der Einsatz von VKA sinnvoll ist1

„ Sex (Geschlecht): weiblich, „ Age (Alter): < 60 Jahre, „ Medical history (Anamnese): zwei oder mehr Komorbiditäten wie Hypertonie, Diabetes, KHK/

Herzinfarkt, pAVK, Herzinsuffizienz, vorangegangener Insult, Lungenerkrankung, Leber- oder

Nierenerkrankung, „ Treatment (Therapie): Medikamente, die mit VKA interagieren, z. B. Amiodaron, „ Tobacco use (Tabakrauchen), „ Race (ethnische Zugehörigkeit): nicht kaukasisch.

Ansprechen auf VKA: bei Score von > 2 reduziert.

Management chronischer Schmerzen

Experten informierten über therapeutische Maßnahmen*

Chronische Schmerzen kann man mittlerweile als Volkskrankheit bezeichnen. Allein in Österreich leiden etwa 1,7 Millionen Menschen darunter. Die Schmerztherapie ist demnach ein wichtiges Thema. Therapeutische Maßnahmen führen meist relativ schnell zu einer Besserung. Dauern die Schmerzen jedoch länger als zwölf Wochen an oder kehren sie ständig wieder, werden sie als chronisch bezeichnet. In diesem Fall ist die Behandlung schwieriger, und nur 20 Prozent der Betroffenen fühlen sich richtig und mit Erfolg therapiert. Dazu kommt, dass chronische Schmerzen extrem hohe direkte und indirekte Kosten für unser Gesundheitssystem mit sich bringen. Innovative Therapien sind notwendig, um die Lebensqualität betroffener Patienten zu verbessern. Mit Medikamenten alleine ist es aber meist nicht getan. Der Patient muss auch körperlich aktiv werden, denn bei moderater Bewegung werden weniger Entzündungsfaktoren freigesetzt und die Schmerzhemmung des Körpers wird positiv beeinflusst. Insgesamt ist ein gesunder Lebensstil essentiell.

Neuropathische Schmerzen

Ein besonderes Augenmerk wird in der Schmerztherapie auf neuropathische Schmerzen gerichtet. Sie entstehen durch Schädigungen oder Entzündungen der Nervenstrukturen. Eine medikamentöse Schmerzminderung kann erreicht werden mit: Antikonvulsiva, Antidepressiva, Opioiden oder auch mit topischen Anwendungen, zu denen etwa Capsaicin- und Lidocain-Pflaster zählen. Letztere haben sich in Kombination mit einem systemischen Medikament besonders bewährt. Dazu Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, Vorstand der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin an der Klinik Ottakring der Stadt Wien: „Die passende Schmerztherapie wird nach unterschiedlichen Gesichtspunkten bestimmt. Dazu zählen etwa die Wirksamkeit, die Verträglichkeit, die Empfehlungen bzw. Leitlinien, die Zulassung und die Kosten, die Geschwindigkeit des Wirkungseintritts und die Hypothese des Schmerzmechanismus.“ So haben Opioide bei neuropathischen Schmerzen eine hohe Wirksamkeit bei gut einschätzbaren Nebenwirkungen. Sie werden jedoch von mehreren Fachgruppen kontroversiell diskutiert – und deshalb nur als dritte Wahl bei der Schmerztherapie angesehen. Beliebter sind Antikonvulsiva oder Antidepressiva. Bei den lokalen Anwendungen wird Capsaicin-Pflastern der Vorzug gegeben. Ärzte sollten ihre Patienten bei der Therapie von chronischen neuropathischen Schmerzen mitentscheiden lassen: etwa ob ein langsamer oder ein schneller Wirkungseintritt gewünscht ist. Dabei gilt es mit zu bedenken, dass die Nebenwirkungen je nach Medikament und Wirkungseintritt unterschiedlich ausfallen können.

Apropos Nebenwirkungen

Wegen der möglichen Nebenwirkungen ist es wichtig, langsam in die jeweilige Therapie einzusteigen, also nicht sofort in einen Hochdosisbereich zu gehen. Besonders die traditionell starken Opioide haben häufige und teilweise schwerwiegende Nebenwirkungen wie Atemstörungen, Obstipation bis hin zum Darmverschluss, Impotenz, Osteoporose und natürlich Abhängigkeit. Eine rezente Analyse zeigt, dass ein Großteil der Nebenwirkungen von Medikamenten vermeidbar gewesen wäre. Die speziellen Empfehlungen der EMA lauten: Wenn möglich soll keine Dauerbehandlung erfolgen. Eine Einzeldosis muss so niedrig wie möglich, aber so hoch wie notwendig sein. Es darf keine Kombination von NSAR und Coxiben erfolgen, außerdem keine intramuskuläre Gabe von NSAR. Die Dosierung sollte an den tageszeitlichen Schmerzrhythmus angepasst werden. Bei Patienten im höheren Lebensalter ist eine regelmäßige Überwachung von GI-Trakt, Nierenfunktion und Herz-Kreislauf notwendig. Bei opioidinduzierter Obstipation ist wichtig: ausreichende Mobilisierung und Flüssigkeitszufuhr; eine Kombination von mehreren Laxanzien ist möglich. Beispielsweise ist Naloxegol mit jedem Opiat frei kombinierbar. Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar von der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Klinikum Klagenfurt am Wörthersee hebt abschließend hervor: „Die Patienten sollen wieder Freude am Leben haben und lernen, mit dem Schmerz zu leben.“ Denn oft wird nur eine Schmerzminderung möglich sein. Eine sehr wichtige Rolle kommt der Schmerztherapie und dem Nebenwirkungsmanagement natürlich auch in der Palliativmedizin zu.

Foto: © Anna Rauchenberger

Experte zum Thema: Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff

Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin, Klinik Ottakring der Stadt Wien

BEZAHLTE ANZEIGE „Die passende Schmerztherapie wird nach unterschiedlichen Gesichtspunkten bestimmt.“ „Die Patienten sollen wieder Freude am Leben haben und lernen, mit dem Schmerz zu leben.“

* Change.Pain: Compact. Virtuelle Fortbildungsveranstaltung, DFP-approbiert, 18. und 19. März 2021, www.changepaincompact.at

Experte zum Thema: Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar

Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee

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