4 minute read

Prophylaktischer Medikamentencocktail?

COVID-Impfung: Die häufigsten Fragen von Patienten kompetent beantworten

Thrombosen und COVIDImpfung

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA sieht einen möglichen Zusammenhang zwischen sehr seltenen, speziellen thromboembolischen Ereignissen mit Thrombopenie und der COVIDImpfung von AstraZeneca. Bisher konnten keine spezifischen Risikofaktoren für das Auftreten identifiziert werden, daher stellt eine Neigung zu oder Vorgeschichte von Thromboembolien keinen Ausschlussgrund für diese COVID-Impfung dar. Die positive NutzenRisiko-Abwägung der Schutzimpfung wurde in allen Altersgruppen und bei Personen jeden Geschlechts bestätigt. Prämedikation empfohlen? Nach aktuellem Wissensstand wird der vorbeugende Einsatz gerinnungshemmender Medikamente nicht empfohlen.

Autor: Dr. Daniel Tiefengraber, DTM&H

Spezialambulanz für Impfungen, Reise- und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien

Risiken der Nebenwirkungen und der Krankheit abwägen

Sollten Ängste vor schwerwiegenden Nebenwirkungen der COVID-Impfungen im ärztlichen Gespräch wahrgenommen werden, kann der Mediziner diese evidenzbasiert unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation adressieren. Die potentiellen Risiken einer Schutzimpfung und die bekannten Gefahren einer SARS-CoV-2-Infektion müssen dabei immer abgewogen werden: Neben tödlichen Ausgängen sind auch Langzeitfolgen – sogar bei milderen COVIDVerläufen – zu nennen. Zusätzlich zu organspezifischen Präsentationen kommt es zu unspezifischen Auffälligkeiten wie ausgeprägter Müdigkeit, Gedächtnisproblemen oder Wortfindungsstörungen. Eine einheitliche Definition und Häufigkeitsbestimmung dieser im Englischen als „Long Covid“ bezeichneten Probleme liegt bislang nicht vor.

Titerbestimmungen

Eine routinemäßige Bestimmung des Antikörpertiters zur Überprüfung des Impferfolgs wird derzeit nicht empfohlen, weil noch kein Schutzkorrelat definiert ist. Es gibt also keinen immunologischen Test, der den Schutz sicher nachweist. In Einzelfällen, z. B. bei immunsuppressiver Behandlung, kann eine zweimalige Antikörperbestimmung (Wert vor der Impfung und Wert vier Wochen nach der zweiten Dosis mit einem validierten Antikörpertest) die Interpretation des Impferfolges erleichtern.

Impfreaktionen

Impfreaktionen wie grippeähnliche Beschwerden zeigen die gewünschte Arbeit des Immunsystems nach einer Impfung und können individuell auch stark verspürt werden. Sie führen mitunter zu einer Einschränkung der gewohnten Aktivitäten für ein bis zwei Tage. Prinzipiell sagt die Intensität der Beschwerden aber nichts über den Impferfolg aus, das heißt: Auch bei fehlenden Nebenwirkungen kann im Regelfall von einer ordnungsgemäßen Schutzwirkung ausgegangen werden. Aufgrund der Wirkungsweise kommt es bei den Vektorimpfstoffen häufiger bei der ersten Dosis zu stärkeren Reaktionen als bei der zweiten, während bei den mRNA-Impfstoffen die zweite Dosis vermehrt unangenehme Begleitreaktionen verursacht. Allgemein berichten jüngere Impflinge öfter über stärkere Reaktionen, wohingegen diese bei älteren Personen seltener auftreten.

Medikamente vor und nach der Impfung

Fiebersenkende Schmerzmittel wie Paracetamol können eingesetzt werden,

um grippeähnliche Impfreaktionen wie Fieber, Kopfschmerz, Abgeschlagenheit und Myalgie zu lindern. Hemmstoffe der Cyclo-Oxigenase-2 (COX-Hemmer beziehungsweise NSAR) schwächen über die Unterdrückung der Prostaglandinsynthese die pseudogrippalen Beschwerden durch die Impfung effektiv ab. Derzeit wird diskutiert, inwieweit der Einsatz von NSAR die Wirksamkeit der neuen COVID-Impfungen beeinträchtigt. Bislang gibt es zu dieser speziellen Fragestellung keine aussagekräftigen Publikationen. In einer randomisierten Studie eines inaktivierten Impfstoffes bei Kindern verminderte die gleichzeitige Einnahme von Paracetamol allerdings die Antikörpertiter im Vergleich zu den Kontrollen signifikant. Dabei ist unklar, ob und wie stark eine solche Reduktion die Immunantwort in der Praxis klinisch relevant beeinflusst. Eine andere Untersuchung zeigte für Erwachsene, dass Paracetamol nach sechs Stunden keinen Einfluss mehr auf die Immunantwort hatte, während eine sofortige Gabe nach der Impfung diese abschwächte. Viele Detailfragen zu den einzelnen Wirkstoffen und der möglichen Beeinflussung eines Impfschutzes bleiben aber offen. Fazit für die Praxis: Auf eine generelle prophylaktische Gabe von Paracetamol oder anderen NSAR bei COVIDImpfungen sollte verzichtet werden. Es kann aber praktische Gründe oder Situationen geben, in denen zur Vermeidung einer Impfreaktion darauf zurückgegriffen werden kann. Ansonsten sollte man erst beim Auftreten der ersten Impfreaktionen therapieren, wenn möglich nicht früher als sechs Stunden nach Gabe des Impfstoffes.

Vorgehen bei Allergien

Im ärztlichen Aufklärungsgespräch vor der Impfung sollten etwaige Allergien angesprochen werden, der AllergieAusweis ist mitzubringen. Die Fachinformation des entsprechenden Impfstoffes enthält genaue Informationen zu dessen Zusammensetzung. Personen mit bekannten Allergien – beispielsweise gegen Pollen oder Hausstaub – können und sollen ungeachtet dieser Vorgeschichte geimpft werden. Personen mit schwerer ASS-, NSAR-Intoleranz oder chronischer Urtikaria können unter erhöhter Observanz geimpft werden. Bei allen Allergien wird laut dem österreichischen Impfplan eine Nachbeobachtungszeit von 30 Minuten empfohlen. Die Bereithaltung von Notfallmedikamenten darf als selbstverständlich angesehen werden. Bei Anaphylaxie (einem allergischen Schock) in der Anamnese kann eine Prämedikation mit einem Antihistaminikum (z. B. Desloratadin-5-mg-Tablette) mindestens 60 Minuten vor der Impfung erwogen werden. Trat nach der ersten Impfung eine allergische Sofortreaktion auf, die sich mit Antihistaminika und Kortison gut beherrschen ließ, jedoch keine anaphylaktische Reaktion, so wird Folgendes empfohlen: Hier ist nicht auszuschließen, dass eine erneute Exposition stärkere allergische Reaktionen hervorruft. Darum sollte in derartigen Fällen nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung eine Impfung nur unter intensivierter Beobachtung in klinischen Einrichtungen erfolgen.

X Verlässliche Informationen zum Thema COVID-19 und Impfungen

Die Corona-Pandemie brachte neben Krankheit und Leid auch ein Überangebot an Informationen vor allem in Sozialen Medien und auf privaten Nachrichtenportalen mit sich. Diese sogenannte „Infodemie“ erschwert Laien und mitunter dem Gesundheitspersonal die Einordnung der teils pseudowissenschaftlichen Meldungen und kann Verunsicherung und eine Verzögerung von Impfungen nach sich ziehen. Die laufend aktualisierten offiziellen Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums Österreich finden Sie auf der Seite des BMSGPK unter sozialministerium.at/Corona-Schutzimpfung/CoronaSchutzimpfung---Fachinformationen.html. Auch die Initiative „Österreich impft!“ und die Medizinische Universität Wien haben Informationsseiten mit vielen Antworten auf häufige Fragen zur Corona-Impfung eingerichtet: oesterreich-impft.at/faq/ corona-schutzimpfung.at/

Referenzen: COVID-19-Impfungen: Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums, Version 3.0, Stand: 24.03.2021 COVID-19-Impfungen: Stellungnahme des Nationalen

Impfgremiums und der Arbeitsgruppe Safety Board zum Einsatz von AstraZeneca, Version 2, Stand: 08.04.2021 Lenzen-Schulte, Martina. Nebenwirkungen bei COVID19-Impfung: Nicht zu früh therapieren. Dtsch Arztebl 2021; 118(12): A-620 / B-523 https://www.aerzteblatt. de/archiv/218451/Nebenwirkungen-bei-COVID19-Impfung-Nicht-zu-frueh-therapieren Etminan M, Sodhi M, Ganjizadeh-Zavareh S: Should

Antipyretics be used to Relieve Acute Adverse Events

Related to COVID-19 Vaccines? Chest 4 Feb 2021 https://doi.org/10.1016/j.chest.2021.01.080 Betsch, Cornelia; von Hirschhausen, Eckart; Zylka-Menhorn, Vera. Impfberatung in der Praxis: Professionelle

Gesprächsführung – wenn Reden Gold wert ist. Dtsch

Arztebl 2019; 116(11): A-520 / B-427 / C-422 https:// www.aerzteblatt.de/archiv/206062/Impfberatungin-der-Praxis-Professionelle-Gespraechsfuehrungwenn-Reden-Gold-wert-ist

X HAUSARZT-Buchtipps:

Pro & Contra Coronaimpfung: Tipps für die persönliche Impfentscheidung,

von Kollaritsch, Herwig und Jelincic Silvia, edition a, ISBN: 9783990015117

Elternratgeber Impfen für Dummies,

von Tiefengraber, Daniel, Wiley-VCH, ISBN: 9783527717095

This article is from: