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Eine Epidemie der anderen Art
+++ Aufklärung über Präventionsmaßnahmen innerhalb der Primärversorgung wichtig +++ Ausschlusskriterien helfen dabei, benigne Hautläsionen zu erkennen +++ Neue Therapien erhöhen die Überlebensrate bei metastasierten Melanomen +++
„Hautkrebs“ ist bekanntlich eine Sammelbezeichnung für verschiedene Krebserkrankungen der Haut. Die drei am weitesten verbreiteten Formen stellen das Basalzellkarzinom, das Plattenepithelkarzinom und das maligne Melanom (schwarzer Hautkrebs) dar. Die beiden erstgenannten Typen, die als weißer/heller Hautkrebs, nicht melanozytärer Hautkrebs (NMSC) oder keratinozytärer Hautkrebs klassifiziert werden, sind dabei weitaus häufiger anzutreffen als schwarzer Hautkrebs. Jedoch haben die frühzeitige Erkennung maligner Melanome und ihre adäquate Behandlung eine große Bedeutung, da diese Hauttumoren eine sehr hohe Metastasierungsrate aufweisen und für mehr als 90 % der Mortalität durch die verschiedenen Hautkrebsarten verantwortlich zeichnen.1 Insgesamt wird bei Hautkrebs eine zunehmende Inzidenz beobachtet. So stieg in Deutschland die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms binnen 30 Jahren um das Vierfache,2 jene des Melanoms in 40 Jahren um das Siebenfache.1 Die Leitlinienautoren sprechen sogar von einer „Hautkrebsepidemie“ , 2 die aber auch auf die verbesserte Hautkrebsfrüherkennung zurückzuführen ist. Letztere zog einen Anstieg der Erkrankungsraten um 15-20 % nach sich.1
Prävention und Früherkennung forcieren
Noch sind nicht alle Details der Induktion, Promotion und Progression von Hautkrebs geklärt, aber die UVStrahlung gilt aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstandes als der ätiologisch bedeutsamste Risikofaktor.3 Da mehr als 80 % der Hautkrebsfälle durch UVStrahlung entstehen und somit vermeidbar sind, kommt der Aufklärung der Patienten über Präventionsmaßnahmen – vor allem im Bereich der Primärversorgung – ein großer Stellenwert zu. Dazu zählen etwa die Vermeidung von Sonnenexposition zwischen 11 und 15 Uhr und der Sonnenschutz durch Kleidung und Kopfbedeckungen sowie Sonnencreme.4 Haus-, Kinder- und Hautärzte stehen somit besonders in der Verantwortung, Patienten bzw. Eltern über die Wichtigkeit dieser Maßnahmen aufzuklären. Das ist vor allem dann wichtig, wenn es sich um Risikogruppen handelt, z. B. um Personen, die einen hellen Hauttyp oder Hautkrebs in der Familienanamnese aufweisen.4 Daten aus dem Vereinigten Königreich zeigen, dass Patienten mit melanomverdächtigen Hautläsionen von Hausärzten sehr rasch an Fachärzte überwiesen werden. Allerdings kristallisierte sich auch eine dürftige Treffsicherheit heraus: Nur 3 % jener überwiesenen Patienten hatten tatsächlich ein malignes Melanom.4 Schwarzer Hautkrebs weist eine derartige Vielfalt auf, dass die Leitlinie zur Hautkrebs-Prävention3 Folgendes zu bedenken gibt: Die klinische Diagnosestellung erfordere eine langjährige Erfahrung, „da eine außerordentlich
hohe Anzahl an möglichen Differentialdiagnosen vorliegt“ . Jones und Kollegen schlagen für die Triage der Patienten mit melanomverdächtigen Hautläsionen die in der Infobox aufgelisteten Ausschlusskriterien vor, um die Dermatologen zu entlasten.4
Hinweise zur Diagnostik
X Infobox: Klinische Anzeichen einer benignen Hautläsion4
Reguläre Größe, Oberfläche und Begrenzung Wachstum über Tage statt Wochen (Hinweis für ein pyogenes Granulom) „Aufgeklebtes“, warzenartiges Aussehen (Hinweis für eine seborrhoische Keratose) Dellenbildung, wenn von beiden Seiten Druck auf die Hautläsion ausgeübt wird (Hinweis für ein
Dermatofibrom)
Pigmentierte Hautläsion bei einem Kind
Die Diagnosestellung und -sicherung erfolgt durch die klinische Untersuchung spricht. Vor allem die Immun-Checkund Inspektion der Haut. Als nichtinva- point-Inhibitoren – z. B. Ipilimumab, sive Untersuchungsmethoden können Pembrolizumab und Nivolumab – konnDermatoskopie, konfokale Lasermi- ten eine Trendwende bei metastasierten kroskopie und optische Kohärenzto- Melanomen herbeiführen. Ebenso wichmographie eingesetzt werden, insbeson- tig war die Entwicklung von BRAF- und dere wenn es sich um klinisch unklare MEK-Inhibitoren, die bei entsprechenBefunde handelt.2,5 In der Leitlinie zum den Mutationen wirksam sind. Während malignen Melanom wird zudem die Me- die 3-Jahres-Überlebensrate von Patithode der sequenziellen digitalen Der- enten mit metastasierten Melanomen matoskopie genannt, welche eine Spei- zwischen 1974 und 2011 noch rund 13 % cherung und eine digitale Analyse des betrug, lag die Rate im Jahr 2018 dank Bildmaterials erlaubt. Dank dieser Me- der modernen Behandlungsmöglichkeithode können kurzfristige Veränderun- ten schon bei > 50 %.7 gen bei auffälligen Läsionen festgestellt … und modernen Behandlungs- Dort endet die Forschung bezüglich werden, was ein mittel- bis langfristiges optionen neuer Therapien aber noch lange nicht: Screening ermöglicht.1 So wird auch im Bereich der NanotechDie endgültige Klassifikation der Haut- In den letzten Jahren gelang es For- nologie viel geforscht. Für einige onläsion und das TNM-Staging können schern, zu zeigen, dass Hautkrebs in kologische Erkrankungen sind bereits nach einer histopathologischen Biopsie hohem Maß auf Immuntherapien an- Medikamente dieser Klasse zugelassen. vorgenommen werden; auf Basis der Durch zielgerichtetes Andocken an den Ergebnisse erfolgt die Wahl der Thera- Tumor (z. B. mittels Antikörper) können pie.1,2,5 Lediglich beim Basalzellkarzi- die Wirkstoffe kontrolliert abgegeben nom wird darauf hingewiesen, dass werden, was die Toxizität der Bedie TNM-Klassifikation „im kli- handlung für den gesamten Organischen Alltag nicht hilfreich nismus verringert.6 [ist], da die T-Klassifikation zu grob ist und ein positiver N- und M-Status sehr selten vorkommt“ . 5 Mit Melatonin,
Einsatz von Standardtherapien … Passionsblume und Melisse
Die (radikale) Exzision steht sowohl bei weißem als auch bei schwarzem Hautkrebs an erster Stelle – unter Einhaltung der Sicherheitsabstände zum Tumorrand, um lokale Rezidive zu verhindern.1,6 So werden in der Leitlinie zum malignen Melanom folgende Sicherheitsabstände genannt:1 • 1 cm bei Stadium pT1 und pT2 mit einer Tumordicke nach Breslow von ≤ 1-2 mm, • 2 cm bei Stadium pT3 und pT4 mit einer Tumordicke von 2,01-4,0 mm. Daneben existiert noch eine Vielzahl anderer Therapiemöglichkeiten, etwa für den Fall, dass eine Exzision aus kosmetischen Gründen nicht geeignet ist. Dazu zählen z. B. die Kryotherapie sowie eine topische Behandlung mit Wirkstoffen wie 5-Fluorouracil oder Imiquimod.6
Bereit. Fürs Leben.
Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc
Quellen: 1 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms; Stand: 07/2020. 2 Leitlinienprogramm Onkologie: S3-Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut; Stand: 03/2020. 3 Leitlinienprogramm Onkologie: S3-Leitlinie Prävention von Hautkrebs; Stand: 03/2021. 4 Jones OT et al., Advances in Therapy 2020; 37: 603-616. 5 Lang BM et al., S2k-Leitlinie Basalzellkarzinom der Haut; Stand: Aktualisierung 2017/2018. 6 Orthaber K et al., Journal of Nanomaterials 2017; Article ID: 2606271. 7 Paulson KG et al., Int Immunol 2019; 31(7): 465-475.