Gestalten mit Kindern

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Gut geplant und «kinderleicht» Wie ein Haupt-Buch entsteht

Eva Hauck und Claudia Huboi haben bereits mehrere Bücher zum Gestalten mit Kindern veröffentlicht. Ihre Titel zeichnen sich nicht nur durch stimmungsvolle Fotografien und präzise Anleitungen aus, sondern von Anfang an wirken Kinder bei Entwicklung und Erprobung der Modelle mit. Im folgenden Interview geben die beiden Berliner Autorinnen Einblicke in die Entstehung ihres neuen Buches «hämmern, sägen, schrauben».

Wie kam es zur Buchidee «hämmern, sägen, schrauben»? E. Hauck: Bei unserer Zusammenarbeit mit Kindern haben wir festgestellt, dass viele (nicht nur die Jungs) Lust hatten, auch mal mit schwereren Geräten und Werkzeugen zu hantieren. Bisher hatten Claudia Huboi und ich wenig Erfahrung mit Themen wie Steinbearbeitung oder Löten. Doch wir wurden von den Kindern «gepusht» und sind im Nachhinein sehr froh, dass wir das Buchprojekt umgesetzt haben. Wir Autorinnen haben die Erfahrung gemacht, dass auch sehr junge Kinder mit schwerem Gerät umgehen können, wenn sie langsam an die Arbeit herangeführt werden und die Gefahren kennen. Von dem Spruch «Messer, Gabel, Scher’ und Licht – sind für kleine Kinder nicht» ist unserer Meinung nach nicht viel zu halten. Wenn man Kindern genau zeigt, wie man ein Schnitzmesser

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Gut geplant und «kinderleicht» – wie ein Haupt-Buch entsteht

einsetzt, gehen auch die Sechsjährigen normalerweise verantwortungsvoll damit um. Das Gleiche gilt für Bohrmaschinen, Sägen, Lötkolben etc. Natürlich sind alle Kinder verschieden und haben unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Gibt es zu Hause eine Werkstatt, fällt der Zugang zum Handwerken vielleicht leichter. Doch meistens weiß ein Kind ganz genau, was es sich selber zutrauen kann. Unsere Idee war es, mithilfe des Buches die Kinder in ihrem Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu bestärken, ungewöhnliche, originelle, witzige Modelle vorzustellen und Erklärungen zu liefern, die für Kinder verständlich sind. Dass insbesondere Zeichnungen in diesem Buch eine große Rolle spielen würden, war uns von Anfang an klar. Wie plant man das Schreiben? E. Hauck: Wir machen zunächst ein Konzept, das natürlich im Laufe des Arbeitsprozesses noch mehrfach verändert oder sogar ganz über den Haufen geworfen wird. Meist sammeln wir erst mal, welche Techniken und Materialien im Buch behandelt werden sollen. Dann legen wir die ungefähre Seitenverteilung fest und überlegen, wer von uns welche Themen behandelt. Jede hat ihre Vorlieben, aber wir haben bei allen unseren Büchern und besonders bei «hämmern, sägen, schrauben» festgestellt, dass sich Leidenschaften für Techniken und Materialien auch während der Arbeit am Buch entwickeln können. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ein besonderes Faible für Holzarbeiten habe, aber das hat mir großen Spaß gemacht. Und Claudia Huboi hatte besondere Freude an ElektroModellen, was sie sicher vorher auch nicht erwartet hätte. Das Schreiben steht bei unseren Buchprojekten nicht an erster Stelle. Zuerst werden die Projektideen entwickelt, die wir dann zusammen mit den Kindern oder auch alleine umsetzen. Beim Experimentieren mit den Materialien entstehen immer neue Ideen, aber unser anfängliches Konzept ist, wie gesagt, so offen, dass wir neue Projekte aufnehmen und andere rauswerfen oder verändern können. Während der Projektarbeit machen wir uns Notizen und halten in Stichworten fest, was wir später im Text unbedingt erwähnen wollen. Das eigentliche Schreiben kommt meistens erst zum Schluss, wenn die Modelle schon fertig und auf Tauglichkeit geprüft sind. Dann fließt es nur so aus der Feder bzw. in die Tasten. Wir haben den Anspruch, alle Arbeitsschritte mit einfachen Worten zu erklären. Aber wir nehmen unsere Leser, die Kinder, ernst und möchten auf keinen Fall in eine Sprache verfallen, die gemeinhin als kindgerecht empfunden wird. Der Umfang eines Anleitungstextes hängt übrigens nicht nur davon ab, wie komplex die Arbeitsschritte sind, sondern richtet sich natürlich auch nach dem Layout. In unseren Büchern sind Grafik und natürlich die Fotos mindestens so wichtig wie der Text. Also müssen wir auch deshalb darauf achten, nicht zu ausführlich zu werden, damit genügend Platz für Fotos und Zeichnungen bleibt, die oft mehr erklären als viele Worte.

Claudia Huboi und Eva Hauck waren einige Jahre als Lektorinnen in einem Publikumsverlag tätig. Heute arbeiten sie als Autorinnen, freie Lektorinnen und Stylistinnen in Berlin.

Wie hat man sich die Arbeit mit den Kindern in der Projektentwicklungsphase vorzustellen? E. Hauck: Ein wesentliches Merkmal unserer Kinderwerkreihe ist, dass in den Büchern sehr viele Modelle zu finden sind, die tatsächlich von Kindern hergestellt wurden, was man den Modellen auch ansieht. Die Kindermodelle sind die Highlights der Bücher. Dass Kinder an den Büchern beteiligt werden sollen, war übrigens auch ein zentrales Anliegen des Verlages. Denn nur wenn Kinder

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die Projektideen selber ohne große Hilfestellung ausführen können, ist gewährleistet, dass zu Hause, in Kita, Kindergarten oder Schule auch sinnvoll mit den Büchern gearbeitet werden kann. Übrigens läuft es nicht immer so, dass wir, die Autorinnen, uns Dinge ausdenken, den Kindern erklären und die dann nach unseren Vorstellungen basteln. Häufig haben die Kinder selbst Ideen, die sie im Buch unterbringen möchten. Und wenn sie gute Argumente liefern, ist die Chance auch sehr groß, dass wir diese Modelle aufnehmen. Bevor die Arbeit an «hämmern, sägen, schrauben» richtig losging, haben wir erst einmal die Kinder in unserem Umfeld befragt: Welche Dinge könnten in einem solchen Werkbuch zu finden sein? Was würdest du selber gerne mal «erfinden»? Gibt es Techniken, die dich interessieren, die dir aber niemand so richtig erklären kann? Auf diese Weise kamen sehr viele Ideen zusammen. Und einige Modelle wie die Erbsenpistole, den Elternmelder und die Murmelbahn haben die Kinder tatsächlich selbst entworfen und gebaut. C. Huboi: Im Vorfeld wurde auch klar, dass alles, was sich bewegt, besonders beliebt ist. Deswegen finden sich in unserem neuen Buch einige Modelle, die sich tatsächlich bewegen lassen und auf mechanischen Grundprinzipien beruhen wie beispielsweise einem Riemenantrieb.

Von Kindern gestaltet und entwickelt: Kasperlepuppen und Erbsenpistole.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Verlag? E. Hauck: Die Zusammenarbeit mit dem Haupt Verlag und insbesondere mit unseren Ansprechpartnerinnen aus dem Lektorat, Heidi Müller und Regine Balmer, ist wirklich großartig. Wir hatten die Möglichkeit, unsere Kinderwerkreihe in Ruhe zusammen mit der Grafikerin Susanne Nöllgen zu entwickeln. Heidi Müller und Regine Balmer haben uns immer viel Freiheit gelassen und Vertrauen in unsere Arbeit gesetzt. Auch der Fotograf Uli Staiger, der wie Susanne Nöllgen einen großen Anteil am Erfolg der Bücher hat, genoss das Vertrauen des Verlages und konnte seine Ideen frei von äußeren Zwängen verwirklichen. Mit Spannung haben wir auch bei diesem Buch wieder auf den Anruf der Lektorin gewartet, nachdem wir die Fotos abgeschickt hatten. Und sofort kam eine Rückmeldung, der wir echte Begeisterung entnehmen konnten. Was uns besonders freut, ist, dass die Kinder von Regine Balmer und Heidi Müller an unseren Büchern beteiligt waren und tolle Dinge beigetragen haben. Für «hämmern, sägen, schrauben» bastelten die Söhne von Heidi Müller, Nik und Severin (3 und 5 Jahre), zum Beispiel zusammen mit ihren Freunden viele verschiedene Kasperlepuppen, die toll gelungen sind. Welche Rolle spielen Sie bei der Fotoproduktion? C. Huboi: Die Fotoproduktion ist ein sehr wichtiger Schritt bei der Entstehung unserer Bücher; hier werden die zuvor gefertigten Modelle ins rechte Licht gerückt. Was viele nicht wissen: Neben Licht, Perspektive, Brennweite, Ausschnitt usw. spielt das sogenannte Styling in unserem Genre eine große Rolle. Das heißt, für jedes Modell wird eine kleine «Szene» gestaltet, mit Untergrund, Hintergrund und Dekoration. Oft entstehen schon beim Bauen des Modells Ideen fürs spätere Styling. Bei «sehen, finden, machen» wollten wir beispielsweise

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den Werkstattcharakter des Buches hervorheben und haben dementsprechend die Materialien, aus denen die Werkstücke bestehen, ins Styling einbezogen. Für «hämmern, sägen, schrauben» hingegen haben wir uns zusammen mit dem Fotografen etwas anderes ausgedacht: Für jedes Modell wurde eine Art «Bühnenbild» gebaut, mit passenden Silhouetten im Hintergrund. Diese Silhouetten habe ich zum Teil vorher am Rechner gezeichnet und auf Pappen geklebt. Oder es wurden Kulissen aus Graupappe zugeschnitten und in den Hintergrund der Fotos geschoben. Wir mussten ein wenig experimentieren, bis wir zufrieden waren. Denn das Styling darf auch nicht zu dominant werden, da das Foto sonst überladen wirkt und das eigentliche Motiv «erstickt». Besonders gefiel mir, aus zweckentfremdeten Materialien kleine Landschaften zu bauen. So wurden aus Putztüchern Flüsse, aus Staubwedeln oder Strohhalmen Pflanzen und aus Wäscheleinen Meereswellen... Aber mein persönliches Styling-Highlight sind bunte Bretter mit darauf arrangierten Materialpröbchen; am liebsten würde ich eines Tages ein ganzes Buch allein auf diese Weise gestalten. Welche Rolle spielen die Zeichnungen? C. Huboi: In «schlingen, fransen, knoten» sind wir dazu übergegangen, die Techniken anhand von Zeichnungen darzustellen. Denn gerade im Textilbereich sind Zeichnungen oftmals anschaulicher, leichter verständlich als Fotos. Und die mit uns zusammenarbeitende Grafikerin hat Masche für Masche ihre Engelsgeduld mit unseren Vorlagen unter Beweis gestellt. In «hämmern, sägen, schrauben» sind wir bei diesem Prinzip geblieben. Allerdings haben wir den Charakter der Zeichnungen verändert, da sie nun keine handgezeichneten Konturen mehr haben. Darüber hinaus wurden kleine Piktogramme hinzugefügt. Sie sind auf die jeweiligen Kapitel abgestimmt und dienen nicht nur als zusätzliches Gestaltungsmittel, sondern auch als Orientierung für den Leser beim Durchblättern des recht umfangreichen Buches. Durch die Piktogramme unterscheidet sich «hämmern, sägen, schrauben» von den Vorgängertiteln, ohne jedoch «aus der Reihe zu tanzen». Dies ist übrigens ein Aspekt, der mir an unserer Arbeit besonders gefällt: Immer wieder die Möglichkeit zu bekommen, etwas Neues auszuprobieren und zu lernen. Die Farbgebung der Zeichnungen ist ebenfalls sehr wichtig; sie sollte abgestimmt sein auf die Farbwelt der Modelle und des Fotostylings. Wenn alles steht, werden in der Regel die Zeichnungen noch einmal auf ihre Farbigkeit geprüft, um eine durchgehende Linie zu wahren. Und das Layout? C. Huboi: Das Layout hält alles zusammen. Sowohl das einzelne Buch als auch die Buchreihe. Im Layout fügen sich Text, Zeichnungen und Foto zu einem stimmigen Ganzen. Und für mich ist es immer der schönste Moment einer

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Produktion, Texte, Modelle, Fotos, Zeichnungen das erste Mal im Umbruch zu sehen. Natürlich wird dann noch korrigiert, gekürzt, hin- und her geschoben etc. Aber die ganze Arbeit sieht plötzlich aus wie ein Buch – zumindest fast. Bevor der erste Umbruch an den Verlag geschickt wird, korrigieren wir Autorinnen ihn zusammen mit der Grafikerin. Unsere Arbeit geht hier also Hand in Hand. Parallel dazu werden die Fotos in der Litho bearbeitet. Das heißt, dass die im RGB-Modus (Rot-Gelb-Blau) fotografierten Bilder umgewandelt werden in Druckfarben im CMYK-Modus (Cyan, Magenta, Yellow, Key). An diesem Punkt muss man immer noch einmal genau schauen, da ungewollte (leichte) Farbabweichungen auftauchen können. Deswegen wird eine Bildauswahl geprooft, um eine ungefähre Vorstellung davon zu erhalten, wie die Bilder gedruckt aussehen werden. Sind sämtliche Korrekturdurchläufe abgeschlossen, werden die Druckdaten schließlich zum Drucker geschickt.

sehen, lesen, gestalten – die Bücher von Eva Hauck und Claudia Huboi

Und dann? C. Huboi: Ja, dann kehrt erst einmal Ruhe ein. Denn ein solches Buchprojekt von A bis Z zu begleiten ist für uns recht arbeitsintensiv. Aber das Schöne beim Büchermachen ist, dass man ganz zum Schluss immer etwas Konkretes in den Händen hält. Und das ist nach wie vor ein besonderes Gefühl.

240 Seiten, € 24.90 / ca. sFr. 37.90

240 Seiten, € 24.90 / ca. sFr. 37.90

ISBN 978-3-258-60037-6

NEU

Das neueste Buch aus der Erfolgsreihe: 80 Projekte für jüngere und ältere Kinder. Wer sich fürs Sägen oder Schleifen interessiert, kommt genauso auf seine Kosten wie alle, die gerne modellieren oder schnitzen.

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240 Seiten, € 24.90 / ca. sFr. 37.90

ISBN 978-3-258-60012-3

ISBN 978-3-258-07394-1

«Was wirklich begeistert ist nicht nur die gründliche und praxisnahe Einführung in jede der genannten Techniken, sondern auch die wunderbaren Modelle, die in allen Einzelheiten vorgestellt werden.» LENA Spezial

«Die Autorinnen nehmen ihre Adressaten wirklich ernst – sie haben kleine Handwerker und Künstler mitwirken lassen. Frustrierte Kinder lässt dieses famose Werkstattbuch nicht zurück.» Stuttgarter Zeitung


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