Kalligrafie Denise Lach

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«Kalligraphie bringt Emotionen zum Ausdruck» Interview mit der Schriftkünstlerin Denise Lach

Wie sind Sie selber zur Kalligraphie gekommen? Die Kalligraphie war für mich ein «coup de foudre»: Es war in Basel vor 25 Jahren. In einem Schaufenster hing ein Plakat, worauf das Wort «Kalligraphie» in wunderbarer englischer Schreibschrift geschrieben war. Ich blieb mit offenem Mund davor stehen… Daraufhin belegte ich eifrig Einführungs- und später Kalligraphiekurse in ganz Europa. Die Kompetenz und Begeisterungsfähigkeiten der jeweiligen Dozenten waren von prägnanter Wichtigkeit in meiner Entwicklung. André Gürtler, der Schriftgestaltung in der Schule für Gestaltung Basel unterrichtete, war einer von denen. Wenn ich mir heute überlege, wieso diese Faszination fruchtbaren Boden gefunden hat, kommen mir zwei mögliche Antworten in den Sinn: Ich habe schon als Kind gerne gezeichnet und in meiner beruflichen Tätigkeit als Maschinenzeichnerin konnte ich dieser Neigung weiter nachgehen. Zum anderen war mein Vater Konditor. Er schrieb mit Schokoladen-Cornet wunderbare gotische Glückwünsche auf Torten. War es nun die Schrift an sich oder die Schokolade, die mich mehr faszinierte?

Aus diesem reichen Fundus entwickelte sich bei mir eine große Experimentierfreude und eine Liebe zum Buchstaben. So wuchs das Bedürfnis, die Schrift zu individualisieren und den persönlichen Stil zu finden. Die Schrift ist Ausdruck von Sprache – was vermittelt ein Schriftbild, dem keine Sprache zugrunde liegt? Das Schriftbild ist auch ein Emotionsträger. Wenn die Schrift keine Information vermitteln muss, darf sie unlesbar sein. Durch neue Formen kommt die individuelle Kreativität zum Ausdruck. Das Spiel von Rhythmus und Kontrast erweitert die Experimentier- und Gestaltungsmöglichkeiten.

Und wie kommt man dann von der traditionellen zur experimentellen Kalligraphie? Was fasziniert Sie am Experimentieren mit der Kalligraphie? Die traditionelle Kalligraphie basiert auf den historischen Handschriften, ihren formalen Aspekten und den stilistischen Eigenschaften. Sie zu beherrschen bedingt langjährige und intensive Arbeit. Schreiben wird immer mehr zum Gestalten und man entwickelt einen Sinn für Rhythmus und Ausgewogenheit.

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Denise Lach befasst sich seit 1985 mit Schrift und Kalligraphie. An der Schule für Gestaltung in Basel unterrichtet sie Schriftgestaltung und Siebdruck. Sie leitet Schriftkurse und Workshops im In- und Ausland. In den Editions Alternatives, Paris, erschienen ihre beiden Bücher «Libres & égaux» und «Préfaces & Préambules».


Die Tradition des Schreibens ist lang. Heute findet Schrift aber hauptsächlich über die Tastatur statt. Hat die Handschrift und das Spiel mit ihr eine Zukunft? Ja, sicher. Die heutige Technologie ist schnell, effizient und unumgänglich. Im Gegensatz dazu verlangt das Schreiben Zeit und Konzentration. Das taktile Erlebnis des Werkzeuges, der Geruch der Tusche, die Eigenschaft des Papiers verleihen aber eine sinnliche Erfahrung. Die Handschrift und deren Entwicklung zur expressiven Kalligraphie bringen Individualität und Emotionen zum Ausdruck. Trotz der unzähligen Satzschriften, die heute zur Verfügung stehen, gewinnen sie an Bedeutung. An wen richtet sich Ihr Buch? Das Zielpublikum besteht nicht nur aus Kalligraphen. Die Beispiele bieten reichhaltige Gestaltungsmöglichkeiten, die in verschiedenste Anwendungsbereiche integriert werden können. Das Buch richtet sich also an alle, die sich mit Schrift befassen.

Experimentelle Kalligraphie – das Buch zum Thema Denise Lach  Schriftspiele  Experimentelle Kalligraphie

192 S., geb. EUR 29.90 / CHF 49.– ISBN 978-3-258-07416-0

NEU

Auf faszinierende Weise setzt die renommierte Schriftkünstlerin Denise Lach fotografische Sujets aus der Natur in Schriftbilder um. Die Natur ist eine überaus reiche, nie versiegende Quelle der Inspiration. Sie lädt uns ein, genau hinzusehen, um unser Auge zu schulen und unsere Beobachtungsgabe zu vertiefen. Beim Gestalten mit Schrift vereinen sich wie bei der Naturbetrachtung das Meditative und das sinnliche Erleben. Wichtiger als die Lesbarkeit der Schrift ist der Autorin dabei die freie schöpferische Umsetzung der Motive in ein eigenes Schriftbild.

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