

HEUSCHRECKEN
Martin Husemann, Oliver Hawlitschek (Hrsg.)
DIE WELT DER HEUSCHRECKEN
Faszinierende Lebensweise, unterschätzte Vielfalt
Haupt Verlag
5.1.2
5.1.3
5.1.5
5.2
5.2.1
5.2.2
5.2.3
5.4.2
5.4.5
5.4.6
5.5.5 DIE PFERDEKOPFSCHRECKEN: SPRINGENDE STÖCKCHEN AUS MITTEL- UND SÜDAMERIKA
5.5.6
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
Die Forschung zu Orthopteren hat in den letzten Jahrzehnten und gerade in den letzten Jahren einen rasanten Aufschwung genommen. Sehr viele Studien zur Taxonomie, Verbreitung, Ökologie und Biologie wurden angestoßen und veröffentlicht. Vor diesem Hintergrund ist es für Neueinsteiger als auch für die langjährig tätigen Forscherinnen und Forscher äußerst hilfreich, ein umfassendes Überblickswerk vieler renommierter Autorinnen und Autoren zu erhalten.
Schon immer haben Heuschrecken die Menschen aufgrund ihrer Lautäußerungen fasziniert. Das war so und wird auch so bleiben. Heute erforscht eine große, länderübergreifende Gemeinschaft Heuschrecken. Das Wirken der Orthopterists‘ Society hat diese Forschergemeinde eng zusammengeführt, und der Orthoptera Species File hat als umfassendes gemeinsames Werkzeug einen enormen Schub in die Forschung gebracht.
Mit der Veröffentlichung zum Insektenrückgang im Jahr 2017 durch den Entomologischen Verein Krefeld sind Insekten aus einer Nische herausgetreten und zum festen Bestandteil der Diskussion um die Ursachen und die Bewältigung der Biodiversitätskrise geworden. Heuschrecken sind in diesem Zusammenhang wichtige Indikatoren und haben daher enorm an Bedeutung gewonnen.
Menschen anregt, sich mit dieser interessanten Gruppe zu beschäftigen.
Dr. Josef Tumbrinck, seit 2024 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Orthopterologie
VORWORT DER AUTOREN
Oliver Hawlitschek, Martin Husemann
Wer immer sich für Heuschrecken interessiert oder sich gar wissenschaftlich mit ihnen beschäftigt, wird im Laufe ihrer oder seiner Karriere – vielleicht mit Überraschung – erkennen, dass sehr vieles über diese Gruppe noch unbekannt ist. Heuschrecken sind weitcamps oder Großstadtzentren, kommen auch Heuschrecken vor. Und oft sind diese Tiere auffälligen Sprung, anstatt sich zu verstecken. Aus entomologischer Sicht sind sie eine «weniger artenreiche» Gruppe innerhalb der Insekten: Die etwa 30 000 bekannten Arten stellen nur einen Bruchteil der Hunderttausenden von Käfern, Wespen, Schmetterlingen und Fliegen dar. Andererseits machen Heuschrecken in vielen Lebensräumen einen beachtlichen Teil der Biomasse aus. Sie eignen sich daher hervorragend als Studienobjekte, sowohl für Amateure als auch professionell Forschende. Und jeder Bibliotheksbesuch, jede Internet-Suche und jedes Gespräch mit anderen Naturforschenden zeigt: Heuschrecken werden zu wenig erforscht und wahrscheinlich auch zu wenig beachtet.
Andere Gruppen von Insekten, allen voran Käfer und Schmetterlinge, waren schon beliebte Studienobjekte für Generationen von Enthusiasten und Spezialistinnen. Kein Wunder: Diese Gruppen wurden vielerorts auch aus ästhetischen Gründen gesammelt und gehandelt. Dabei wurden auch viele Erkenntnisse über die Biologie dieser Tiere gewonnen. Heuschrecken wiederum waren in der breiten Bevölkerung nicht so sehr als Schmuckstücke, sondern eher als Landwirtschaftsschädlinge und biblische Plagen bekannt – Grillen seit einiger Zeit vielleicht auch als Futter für Terrarienbewohner. Dieser Gegensatz hat dazu geführt, dass heute umfangreiche Literatur zu den besser bekannten Insektengruppen verfügbar ist, aber nur sehr wenig über Heuschrecken.
Das vorliegende Buch soll diese Lücke zumindest im Ansatz füllen. So wie andere Insekten hat die Evolution auch bei Heuschrecken über Hunderte Jahrmillionen eine scheinbar grenzenlose Vielfalt mit Tausenden von Arten hervorgebracht, die sich an zahllose unterschiedliche Lebensräume angepasst haben. Heuschrecken sind bunt, erzeugen wohlklingende Gesänge und zeigen erstaunlich komplexe Verhaltensweisen. Sie sind -
Umweltbildung sind Heuschrecken hervorragend geeignet. Und für die biologischen Forschungsbereiche der Physiologie, Ökologie und Evolutionsbiologie bieten sie sich durch
ihre vielfältigen Sinnesleistungen, ihre zentrale Rolle in Nahrungsnetzen, ihre großen Genome und ihre komplexe Evolution geradezu an. Heuschrecken sind auf allen Kontinenten der Erde mit Ausnahme der Antarktis zu eingeladen, an unserem Buchprojekt mitzuwirken. Sie erklären, wie sich Heuschrecken im Verlauf der Erdgeschichte entwickelt haben, wie sie leben, wie sie sterben und wie vielfältig sie sind. Dieses Buch enthält Geschichten über Schiefkopfschrecken, Höhlengrillen, Sägeschrecken, Cooloola-Monster, Sandtapper, Wetas und ihre vielgestaltige Verwandtschaft. Unsere Hoffnung ist, dass das Buch bei anderen Naturforschenden, und solchen die es noch werden wollen, dieselbe Faszination für Heuschrecken entfacht, dienen, wie sehr es sich lohnt, ein Forschungsprojekt über Heuschrecken zu beginnen. Möglicherweise wird auch in Menschen, die sich nie besonders für die Natur um sie herum interessiert haben, durch zufälliges Blättern in diesem Buch ein kleiner Funke des Interesses an der außerordentlichen Vielfalt unserer Mitlebewesen geweckt. Eine besondere Ehre wäre es für uns, wenn auch solche Kolleginnen und Kollegen, die schon eine lange Karriere in der Heuschreckenforschung hinter sich haben, noch etwas Neues aus unserem Buch lernen. Uns erging es auf jeden Fall so.


Deutsche Gesellschaft für Orthopterologie Orthopterists’ Society
HEUSCHRECKEN, GRASHÜPFER, GRILLEN – WER IST WER IN DER
HEUSCHRECKENWELT?
Martin Husemann, Oliver Hawlitschek
Wissenschaftlich werden Heuschrecken der Insektenordnung Orthoptera zugeordnet, von der weltweit an die 30 000 Arten bekannt sind. Wenngleich manch andere Insektengruppe noch deutlich artenreicher ist, ist dies doch eine gewaltige Vielfalt. Gleichzeitig haben nahezu alle Heuschrecken einige Merkmale gemeinsam – allen voran die charakteristischen starken Sprungbeine. In der Evolutionsbiologie wird das eine Apomorphie genannt: eine Eigenschaft, die speziell in einer Gruppe von Organismen entstanden ist. Darüber hinaus haben sich Heuschrecken an eine große Vielfalt von Lebensräumen und Lebensweisen angepasst. Dies hat zu einem sehr variablen Aussehen verschiedener Mitglieder der Orthoptera geführt, was wiederum ein Grund für die Vielzahl an Trivialnahmen der verschiedenen Arten und Gruppen ist.
den, gibt es für das deutsche Wort «Heuschrecke» keine direkte Entsprechung außer dem wissenschaftlichen «Orthoptera». Der Begriff «Hopper», zu Deutsch Hüpfer, kann sich auch auf andere Insektengruppen wie Zikaden und Buckelzirpen beziehen. Das ist im Deutschen klarer. Hier meinen wir meist alle Mitglieder der Orthoptera, wenn wir von Heuschrecken sprechen. Umgangssprachlich kann «Heuschrecke» allerdings auch auf die Kurzfühlerschrecken beschränkt sein, wohingegen ein Teil der Langfühlerschrecken oft als Heupferde bezeichnet werden. Diese nehmen wiederum die Grillen aus, die ebenfalls zu den Ensifera gehören. Der Begriff «Grashüpfer» wiederum meint generell nur einen Unterfamilie der Gomphocerinae. Man sieht also: Die Nutzung von Trivialnamen kann verwirrend sein. Zumindest die Trennung in die beiden Unterordnungen Caelifera und Ensifera, also die Kurz- und Langfühlerschrecken, ist recht eindeutig. Die beiden Gruppen sind so unterschiedlich, dass manche Wissenschaftler ihre nahe Verwandtschaft trotz vieler Belege immer noch anzweifeln. Neben den namensgebenden Antennen, die bei den Caelifera maximal über das Halsschild reichen, können diese bei den Ensifera ein Vielfaches der Körperlänge annehmen. Zudem ist das Gehör bei beiden Gruppen völlig anders gebaut: während die Kurzfühlerschrecken ihr «Ohr» oder Tympanum an der Seite des Körpers über der Hinterhüfte haben, liegt es bei den Langfühlerschrecken am oberen Ende des vorderen Schienbeins. Auch die Erzeugung von Gesängen und die damit verbundenen Strukturen unter-
Auch die Strukturen zur Eiablage unterscheiden sich deutlich. Weibchen der Ensifera besitzen ein stachel- oder schwertartiges Organ, den Ovipositor, wohingegen diese Struktur bei den Caelifera aus kurzen, zangenartigen Strukturen besteht und eher unauffällig ist.
Innerhalb der beiden Unterordnungen haben auch andere Gruppen Trivialnamen bekommen,schrecken oder Acrididae haben ihren Namen von dem bevorzugten Lebensraum vieler Mitglieder, offenen Landschaften. Die Dornschrecken oder Tetrigidae besitzen ein verlängertes, in vielen
vialnamen, wie die Heidegrashüpfer (Gattung Stenobothrus), die Schönschrecken (Gattung Calliptamus), die Sandschrecken (Gattung Sphingonotus) oder die Ödlandschrecken (Gattung Oedipoda).nische Schönschrecke (Calliptamus italicus) (Oedipoda coerulescens). Das funktioniert allerdings nur bei einer relativ geringen Diversität innerhalb der Gattungen, da es sonst schnell zu Verwechslungen kommen kann. Das merkt man auch schon daran, dass die Heidegrashüpfer (Stenobothrus) zum Beispiel nichts mit den Heideschrecken (Gampsocleis) zu tun haben, die zu den Ensifera gehören.
Auch innerhalb der Ensifera macht eine Vielzahl von Trivialnahmen die Runde. So unterscheidet man zum Beispiel die Laubheuschrecken (Tettigoniidae) von den Grillen (Grylloidae). Grillen gibt es wiederum viele verschiedene, wie die Feldgrillen (Gattung Gryllus), die Ameisengrillen (Myrmecophihier nicht über die gleichen systematischen Ebenen sprechen und dass die Ableitung des taxonomischen Niveaus von Trivialnamen nicht möglich ist. Bei den wissenschaftlichen Namen ist das anhand der Endungen sehr wohl möglich (z. B. -idae für Familie, -inae für Unterfamilie usw.). Dazu kommen weitere verwirrende Namen, wie die Heupferde (Gattung Tettigonia), Zwitscherschrecke (Tettigonia cantans), Warzenbeißer (Decticus verrucivorus) oder Weinhähnchen (Gattung Oecanthus). Verlässt man die mitteleuropäische Fauna, kommen Namen wie Sandtapper und Wetas (Kapitel 5.1.3 und 5.1.5) hinzu. Allerdings gibt es für den Großteil der außereuropäischen und auch für viele Arten aus dem nicht-deutschsprachigen, europäischen Raum gar keine deutschen Trivialnamen. In diesem Buch schlagen wir für einige Heuschreckengruppen und -arten neue deutsche Trivialnamen vor, um die Tiere besser zu umschreiben.
Diese kurze Zusammenfassung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber die Problematik, die generell mit Trivialnamen einhergeht. Sie sind oft nicht eindeutig und unterscheiden sich lokal oder regional – im Unterschied zu den international verwendeten wissenschaftlichen Namen. In diesem Buch verwenden wir daher nach Möglichkeit beide Arten von Namen.
Abbildung > Heuschrecken sind die vorherrschenden Insekten in einigen Ökosystemen. Dieses Bild zeigt Männchen von Euchorthippus declivus (oben) und beide Acrididae), die sich einen Ansitz in einer Wiese in östlichen Mitteleuropa teilen. Foto: Oliver Hawlitschek.
2 BIOLOGIE UND ÖKOLOGIE

DIE STERNFORMATION: EINE BESONDERE FORM
Paolo Fontana, Roberto Scherini
DER BALZ BEI HEUSCHRECKEN
Chortoicetes terminifera (nicht C. australis
ben dabei in ständigem Antennenkontakt mit dem
(Acrotylus patruelis solitären Art, die bisher nie als schädlich eingeschätzt
A. patruelis
bei Oedipoda caerulescens
achtet.
Acrotylus longipes, einer eigentlich solitär lebenden Art, die zu-
Austroicetes pusilla be-

Locusta migratoria oder Arten der Gattung Schistocerca, wie von Boris Uvarov berichtet. In anderen Acrididen, z. B. Dociostaurus maroccanus
halten uns keine verlässlichen Rückschlüsse erlauben,
ders während der Eiablage.
Abb. 1 Männchen von Acrotylus patruelis, die ein Weibchen umringen, wodurch eine Sternform entsteht. Foto: Paolo Fontana.
5.5.2 DIE HEUSCHRECKEN MEXIKOS: GROSS, BUNT UND DOCH
WENIG BEKANNT
Mexiko stellt sozusagen das Herzstück des amerikanischen Doppelkontinents dar: Der nördliche Teil desgion, der südliche zur neotropischen. Diese Grenzlage hat eine faszinierende Vielfalt von Flora und Fauna hervorgebracht.
der Orthopteren-Taxa Mexikos wurde von Paolo Fontana und Kollegen zusammengestellt, basierend auf Daten des Orthoptera Species File (Kapitel 6.2). Diese Webseite listet heute 1054 Arten aus 22 Familien für Mexiko auf. Die artenreichsten Familien sind die Acrididae mit 399 Arten, gefolgt von den Tettigoniidae (257), Oecanthidae (72), Phalangopsidae (71), Romaleidae (37), Pyrgomorphidae (33), Anostostomatidae (26), Stenopelmatidae (26) und Trigonidiidae (21). Zwei Familien, die in Mexiko endemisch sind, sind die Xyronotidae mit vier Arten und die Tanaoceridae mit nur einer Art.
Es liegen viele Studien über die Diversität der Orthopteren an bestimmten Standorten in Mexiko vor, aber nur wenige Untersuchungen zur Vielfalt und Bio-
bieten eine sehr detaillierte und immer noch aktuelle Sicht auf die Gomphocerinae und Oedipodinae-Unterfamilien der Acrididae von Nordamerika, einschließlich Mexiko. Für andere Orthopterenfamilien fehlen umfaseiner gründlichen Überprüfung der Literatur und wissenschaftlicher Sammlungen (Kapitel 6.1) möglich. Mexikanische Orthoptera umfassen typische tropische Gattungen mit weiter Verbreitung in Zentral- und Südamerika.
Unter den Ensifera sind beispielsweise die weit verbreiteten Laubheuschrecken (Tettigoniidae) der Gattungen Stilpnochlora, Lichenomorphus, Markia, Cocconotus und Copiphora -
lige Arten der Unterfamilie Phaneropterinae werden im Spanischen als «esperanzas» (zu Deutsch «Hoffnung»)
der Phaneropterinae, welche aufgrund ihrer begrenzten Mobilität eine hohe Artbildungsrate aufweisen. Früher unter der Gattung Dichopetala zusammengefasst, wurden sie in acht Gattungen und 32 Arten unterteilt. Eine weitere endemische Gattung der Phaneropterinae in Mexiko ist Arachnitus, die nur eine squamiptere (schup-
Arten mit reduzierten Flügeln und scheinbar begrenzter Verbreitung sind die beiden Arten der Gattung Insara, I. oaxacae und I. acutitegmina, die kürzlich aus dem Bundesstaat Oaxaca beschrieben wurden. Ein weiteres Beispiel in der Unterfamilie Conocephalinae ist die Art Brachycaulopsis jovelensis, die bisher die einzige Art der Gattung ist und nur im Bundesstaat Chiapas vorkommt. Die Unterfamilie Listroscelidinae besteht aus neun Arten der Gattung Neobarrettia (Abb. 1), die alle in Mexiko gefunden werden können, einige auch im Süden der USA. Diese Arten sind durch ihre auffallende
Abb. 1 Neobarrettia spinosa besitzt eine Schrecktracht. Die Arten der Gattung Neobarrettia sind normalerweise grün gefärbt, zeigen aber
ihre mit großen, dunkel gefärbten Stacheln besetzten Vorderbeine. Foto: Paolo Fontana.
Abb. 2 Die mehr als 20 mexikanischen Arten der Gattung Stenopelmatus sind wegen ihres auffallenden, gerundeten und sehr glatten Kopfes unter dem Namen «cara de niño» bekannt, was so viel wie «Kindergesicht» bedeutet. Foto: Paolo Fontana.
Abb. 3 Die gut getarnte Art Xyronotus aztecus ist eine Vertreterin einer der beiden Familien, die endemisch in Mexiko sind. Foto: Paolo Fontana.






Schrecktracht charakterisiert, die sie zu einigen der markantesten Insekten der ariden bis wüstengeprägten Habitate von Nordmexiko machen.
In Mexiko leben viele Grillenarten, besonders aus den Familien Gryllidae, Phalangopsidae, Trigonidiidae, Oecanthidae und Mogoplistidae, doch sind nur wenige Arten der Gryllotalpidae und Myrmecophilidae bekannt. Diese Orthopterengruppen sind weniger gut erforscht als die Tettigoniidae und Acrididae und könnten nach wie vor viele neue Entdeckungen liefern. Die Rhaphidophoridae, Anostostomatidae und Stenopelmatidae (Abb. 2) sind ebenfalls gut vertreten, während nur wenige Arten der Gryllacrididae bekannt sind.
Die Caelifera sind die am stärksten vertretenen und wahrscheinlich die am besten erforschten Orthopteren in Mexiko. Reich vertreten sind die Lümmelschrecken (Romaleidae) mit den Gattungen Tropida-
cris, Titanacris und Chromacris. Dank Daniel Ottes
Wissen über die Gomphocerinae und die Oedipodinae. Die Gruppe der Melanoplini in Mexiko ist sehr arten-
Gattung Melanoplus (Kapitel 5.5.1) und den endemischen Gattungen Pedies, Oaxaca, Netrosoma, Perixerus und Phaedrotettix. Bemerkenswerterweise sind auch die sonst unauffälligen Grabschrecken (Ripipterygidae) mit bunten Arten vertreten (Abb. 5).
kleinen Artengruppen der Familien Tanaoceridae und Xyronotidae. Tanaocerus rugosus ist eine typische Art des Bundesstaates Baja California. Die einzige andere Art dieser Gattung kommt in Kalifornien (USA) vor. Die Gattung Xyronotus umfasst nur drei Arten, die alle endemisch für Mexiko sind: Xyronotus aztecus (Abb. 3), X. cohni und X. hubbelli. Die zweite endemische Gattung umfasst nur eine Art: Axyronotus cantralli
Abb. 4 Die kürzlich neu beschriebene Gattung der Melanoplini des Bundesstaats Oaxaca, Liladownsia, hat ein breites Medienecho hervorgerufen. Aufgrund der auffallend farbenfrohen Erscheinung und beträchtlichen Größe der Tiere ist es nahezu unerklärlich, warum sie nicht früher gefunden und beschrieben wurde. Ein anderer Grund für die Berühmtheit war die Widmung des Namens an die bekannte mexikanische Sängerin, Songwriterin und Grammy-Gewinnerin Ana Lila Downs Sánchez, deren Künstlername Lila Downs ist. Die Autoren widmeten ihr den Gattungsnamen aufgrund ihrer Geburt in der Nähe der Typuslokalität, weil sie indigene Sprachen wie die dort gesprochene Zapotekische in ihre Musik einbindet und weil sie sehr oft in farbenfrohen, traditionellen, mexikanischen Trachten auftritt. Der Artname der bisher einzig bekannten Art L. fraile stellt einen der von der lokalen Bevölkerung für diese Art verwendeten Namen dar, «fraile», zu Deutsch «Mönch»: weil diese Art den Forschenden unbekannt war, aber offensichtlich nicht denen, die die wundervollen Lebensräume
Tag durchqueren. Foto: Paolo Fontana.
Abb. 5 Ripipteryx tricolor ist ein auffallendes Mitglied der Ripipterygidae, der Grabschrecken. Foto: Paolo Fontana.
Abb. 6 Aztecacris laevis ist einer der vielen bunten Vertreterinnen der Melanoplinae. Foto: Paolo Fontana.
Die mexikanischen Pyrgomorphidae (Kapitelthropologischer und folkloristischer Sicht interessant (Kapitel 8.4). Diese Familie wird in Mexiko von etwa 30 Arten der Unterfamilien Orthacridinae, mit den Gattungen Calamacris, Ichthiacris und Sphenacris, und der Unterfamilie Pyrgomorphinae, mit den Gattungen Ichthyotettix, Piscacris, Prosphena, Pyrgotettix, Sphenotettix und Sphenarium vertreten. Die letztgenannte Gattung war kürzlich Thema einer taxonomischen Revision, die zur Beschreibung von acht neuen Arten geführt und die Anzahl der Arten in der Gattung somit auf 17 erhöht hat.
Die Vielzahl der neu beschriebenen Arten und Gattungen in verschiedenen Lebensräumen und bio-schung der Heuschrecken in Mexiko weiterhin zu vielen neuen Entdeckungen führen kann und wir noch weit von einem vollständigen Bild dieser komplexen und vielfältigen Fauna entfernt sind.
7.2 AUSWIRKUNGEN DES KLIMAWANDELS
AUF HEUSCHRECKEN IN MITTELEUROPA
Der Klimawandel hat insbesondere seit den späten 1980er-Jahren zu einem Temperaturanstieg und einer Zunahme von Extremwetterereignissen geführt. Die Jahresniederschläge haben sich im gemäßigten Europa hingegen nur leicht verändert. Dennoch treten
Niederschläge vom Sommer auf den Winter verlagert haben und die Verdunstung aufgrund höherer Sommertemperaturen zugenommen hat. Entsprechend wirkt sich der Klimawandel schon jetzt stark auf Insekten aus. Mit weiter voranschreitender Erwärmung
noch stärker sichtbar werden. Sowohl graduelle klimatische Änderungen als auch die zunehmende Häu-
bei. Allerdings sind die Auswirkungen von Letzterem deutlich schwerwiegender, insbesondere in stark voneinander isolierten Grünlandlebensräumen. Extremereignisse sind sowohl räumlich als auch zeitlich für die Arten kaum vorhersehbar, wodurch sie kaum Anpassungsmöglichkeiten haben. Insgesamt sind die Reaktionen auf den Klimawandel oft komplex und unterscheiden sich teilweise selbst zwischen nah ver-
Abb. 1 schrecke (Metrioptera brachyptera) (Foto: Dominik Poniatowski).

wandten Arten und in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Landschaft.
Metrioptera brachyptera) (Abb. 1) und Roesels Beißschrecke (Roeseliana roeselii
schrecken unterscheiden sich dagegen deutlich voneinander. Metrioptera brachyptera ist ein Habitatspezialist, der vor allem Kalkmagerrasen und Moorränder in geringer Dichte besiedelt. Im Gegensatz dazu ist R. roeselii ein Habitatgeneralist, der in sehr unterschiedlichen Offenlandlebensräumen mit grasig-krau-
Abb. 2
Beißschrecke (Roeseliana roeselii) (Foto: Dominik Poniatowski).
tiger Vegetation vorkommt. Im Vergleich zur Schwesterart sind die Dichten zudem meistens deutlich höher.
Bei beiden Beißschrecken führt Dichtestress während der ersten Larvenstadien zur Ausschüttung eines
wird. Im wahrsten Sinne des Wortes verleiht Stress hier Flügel. In den zurückliegenden 20 Jahren waren die Frühjahre überdurchschnittlich warm und trocken, dies führte zu geringer Larvensterblichkeit und folglich hohen Populationsdichten (Abb. 3). Da die Populationsdichten von M. brachyptera natürlicherweise


Santanderia lita, eine Flugzeugschrecke (Eumastacidae), ist eine von vielen farbenfrohen, tropischen Heuschrecken. Foto: Juan Manuel Cardona-Granda und Oscar J. CadenaCastañeda
DIE AUTORINNEN UND AUTOREN
Roberto Battiston
Museo di Archeologia e Scienze Naturali “G. Zannato”, Montecchio Maggiore, Italien
Alba Bentos-Pereira
Museo Nacional de Historia Natural, Montevideo, Uruguay
Dhaneesh Bhaskar
Care Earth Trust, Chennai, Tamil Nadu 600061, Indien
Holger Braun
División Entomolog¡a, Museo de La Plata, La Plata, Argentinien
Oscar J. Cadena-Castañeda
Universidad Distrital Francisco José de Caldas, Grupo de Investigación en Artrópodos “Kumangui”, Bogotá, Kolumbien
Universidad INCCA de Colombia, Grupo en Biotecnología y Medio Ambiente BIOMA, Bogotá, Kolumbien
Juan Manuel Cardona-Granda
Associate Director, Nature-Based Solutions, ClearBlue Markets
Arianne Cease
Global Locust Initiative, School of Sustainability, School of Life Sciences, Arizona State University, Tempe, Arizona, USA
Dragan Chobanov
Institute of Biodiversity and Ecosystem Research,
María Marta Cigliano
División Entomolog¡a, Museo de La Plata, La Plata, Argentinien
Centro de Estudios Parasitológicos y de Vectores (CEPAVE), CONICET–UNLP, La Plata, Argentinien
Matthew Connors
James Cook University, Cairns, Queensland, Australien
Laure Desutter-Grandcolas
Institut de systématique, biodiversité et évolution, Muséum National d’Histoire Naturelle, CNRS, SU, EPHE, UA, Paris, Frankreich
Lara-Sophie Dey
Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut (SDEI), Müncheberg, Deutschland
Swati Diwakar
Department of Environmental Studies, University of Delhi, Delhi, Indien
Cheten Dorji
Department of Forest Science, College of Natural Resources, Royal University of Bhutan, Punakha, Bhutan
Wildlife and Ecology, Massey University, Palmerston North, Neuseeland
Rachael Y. Dudaniec
School of Natural Sciences, Macquarie University, Sydney, New South Wales, Australien
P. S. Easa
Care Earth Trust, Chennai, Tamil Nadu 600061, Indien
Thomas Fartmann
Department of Biodiversity and Landscape Ecology, Osnabrück University, Osnabrück, Deutschland
Brian L. Fisher
Department of Entomology, California Academy of Sciences, San Francisco, California, USA
Paolo Fontana
Fondazione Edmund Mach, Università degli Studi di Padova, Padova, Italien
Frank Glaw
Zoologische Staatssammlung München (ZSMSNSB), München Deutschland
Oliver Hawlitschek
Deptarment of Evolutionary Biology and Environmental Studies, Universität Zürich, Schweiz
Danilo Hegg
Neuseeland
Felix Helbing
Department of Biodiversity and Landscape Ecology, Osnabrück University, Osnabrück, Deutschland
Claudia Hemp
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, University of Bayreuth, Bayreuth, Deutschland
JoVonn G. Hill
Mississippi Entomological Museum, Department of Entomology and Plant Pathology, Mississippi State University, Mississippi State, Mississippi, USA
Axel Hochkirch
Musée National d’histoire Naturelle de Luxembourg, Luxembourg, Luxemburg
Department of Biogeography, Trier University, Trier, Deutschland
Terry Francis Houston
Western Australian Museum, Welshpool D.C., Western Australia, Australien
Sylvain Hugel
Institut des Neurosciences Cellulaires et Intégra-
Université de Strasbourg, Strasbourg, Frankreich
Madagascar Biodiversity Center, Antananarivo, Madagaskar
David Hunter
Locust and Grasshopper Control, Canberra, Australien
Martin Husemann
Staatliches Museum für Naturkunde, Karlsruhe, Deutschland
Staatliches Museum für Naturkunde, Karlsruhe, Deutschland
Niko Kasalo Kroatien
L. Lacey Knowles
Department of Ecology and Evolutionary Biology, Museum of Zoology, University of Michigan, Ann Arbor, Michigan, USA
Sebastian König
Ecosystem Dynamics and Forest Management Group, School of Life Sciences, Technical University of Munich, Freising, Deutschland
Berchtesgaden National Park, Berchtesgaden, Deutschland
Ulrich Kotthoff
Leibniz Institute for the Analysis of Biodiversity Change, Centre for Biodiversity Monitoring and Conservation Science, Hamburg, Deutschland
Santosh Kumar
Cholistan University of Veterinary and Animal Sciences Bahawalpur, Punjab, Pakistan
Michel Lecoq
French Agricultural Research Centre for International Development (CIRAD), Montpellier, Frankreich CBGP, University of Montpellier, CIRAD, INRAE, Institut Agro, IRD, Montpellier, Frankreich
Chien C. Lee
Institute of Biodiversity and Environmental Conservation, Universiti Malaysia, Sarawak, Kota Samarahan, Sarawak, Malaysia
Arne W. Lehmann
Stahnsdorf, Deutschland
Gerlind U. C. Lehmann
Evolutionary Ecology, Humboldt University, Berlin, Deutschland, NABU (Nature and Biodiversity Conservation Union), Berlin, Deutschland
Jeffrey A. Lockwood
Department of Philosophy and Religious Studies, University of Wyoming, Laramie, Wyoming, USA
Department of Biodiversity and Landscape Ecology, Osnabrück University, Osnabrück, Deutschland
Ricardo Mariño-Pérez
Department of Ecology and Evolutionary Biology, University of Michigan, Ann Arbor, Michigan, USA
Facultad de Ciencias, Universidad Nacional Autónoma de México, Mexico City, Mexiko
Bruno Massa
Dipartimento Scienze Agrarie Alimentari e Forestali, Università degli Studi di Palermo, Palermo, Italien
Daniela Matenaar
Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Darmstadt, Deutschland
Fabio Leonardo Meza-Joya
Wildlife and Ecology, Massey University, Palmerston North, Neuseeland
Fernando Montealegre-Zapata
School of Life Sciences, University of Lincoln, Lincoln, Großbritannien
Mary Morgan-Richards
Wildlife and Ecology, Massey University, Palmerston North, Neuseeland
Joaquín Ortego
Department of Ecology and Evolution, Estación Biológica de Doñana (EBD-CSIC), Seville, Spanien
Martina E. Pocco
Centro de Estudios Parasitológicos y de Vectores (CEPAVE), CONICET – UNLP, La Plata, Argentinien División Entomología, Museo de La Plata, FCNyM-UNLP, La Plata, Argentinien
Dominik Poniatowski
Department of Biodiversity and Landscape Ecology, Osnabrück University, Osnabrück, Deutschland
Mattia Ragazzini
Department of Evolutionary Biology and Environmental Sciences, Universität Zürich, Schweiz
Mira W. Ries
Global Locust Initiative (GLI), School of Sustainability, School of Life Sciences, Arizona State University, Tempe, Arizona, USA
Christian Roesti
Bern, Schweiz
Ole-Kristian O. Schall
Leibniz Institute for the Analysis of Biodiversity Change, Centre for Taxonomy and Morphology, Hamburg, Deutschland
Roberto Scherini
Pavia, Italien
Jens Schirmel
iES Landau, Institute for Environmental Sciences, University of Kaiserslautern-Landau (RPTU), Landau, Deutschland
Eusserthal Ecosystem Research Station, University of Kaiserslautern-Landau (RPTU), Eusserthal, Deutschland
Nikita Sevastianov
Institute for Information Transmission Problems of the Russian Academy of Sciences (Kharkevich Institute), Moskau, Russland
Kerry L. Shaw
Department of Neurobiology and Behavior, Cornell University, Ithaca, New York, USA
Josip Skejo
Department of Biology, Evolution Lab, University of Zagreb, Zagreb, Kroatien
Hojun Song
Department of Entomology, Texas A&M University, College Station, Texas, USA
Thomas Stalling
Inzlingen, Deutschland
Riffat Sultana
Department of Zoology, University of Sindh, Jamshoro, Sindh, Pakistan
Department of Ecology, Comenius University, Bratislava, Slowakei
Ming Kai Tan
Lee Kong Chian Natural History Museum, National University of Singapore, Singapur
Clara Therville
SENS, IRD, CIRAD, University Paul Valery Montpellier 3, University of Montpellier, Montpellier, Frankreich
Steven A. Trewick
Wildlife and Ecology, Massey University, Palmerston North, Neuseeland
Karim Vahed
Buglife – The Invertebrate Conservation Trust, Peterborough, Großbritannien
Varvara Vedenina
Institute for Information Transmission Problems of the Russian Academy of Sciences (Kharkevich Institute), Moskau, Russland
Luc Willemse
Naturalis Biodiversity Center, Leiden, Niederlande
Sheng-Quan Xu
College of Life Sciences, Shaanxi Normal University, Xi’an, China
Sonu Yadav
Biosecurity and Animal Welfare, Northern Territory Government, Darwin, Australien Research Institute for the Environment and Livelihoods, Faculty of Science and Technology, Charles Darwin University, Darwin, Northern Territory, Australien
Jeanne Agrippine Yetchom Fondjo
Staatliches Museum für Naturkunde, Karlsruhe, Deutschland
Zoology Unit, Laboratory of Biology and Physiology of Animal Organisms, Graduate School in Fundamental and Applied Sciences, University of Douala, Douala, Kamerun
Wenhui Zhu
College of Life Sciences, Shaanxi Normal University, Xi’an, China
ISBN 978-3-258-08434-3
Gestaltungskonzept, Umschlag und Layout: pooldesign.ch
Titelbild: Die Stachelige Teufelsschrecke Panacanthus cuspidatus (Tettigoniidae) ist ein wirklich bizarr aussehender Vertreter der Orthopteren. Foto: Dante Fenoglio. Rückseite Hauptbild: Phytomastax cf. artemisiana (Eumastacidae) aus Bartogay, Pseudophyllus hercules (Tettigoniidae) ist eine große Blatt-imitierende Laubheuschrecke aus Borneo. Foto: Chien. C. Tropidacris collaris (Romaleidae) im Wanderstadium, Holoarcus truncatus (Tetrigidae) ist eine Dornschrecke aus Neu Guinea, die totes Laub nachahmt.
Foto: Chien. C. Lee.
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Grashüpfer, Heupferde und Grillen – zusammen bilden sie die Insektenordnung Orthoptera, zu Deutsch Heuschrecken. Trotz ihrer globakaum beachtet, und selbst in der Wissenschaft ist verhältnismäßig wenig über sie bekannt. Dabei ist die Welt der Heuschrecken faszinierend und vielfältig. Forschende aus aller Welt geben Einblicke in die Evolution der Heuschrecken, deren Lebenszyklus und Paarungsverhalten. Sie berichten auch von Schutzprojekten und davon, welche

ISBN 978-3-258-08434-3