Bertrand; Herbarium der Heil- und Giftpflanzen - Auszug

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GEWÖHNLICHE STECHPALME Ilex aquifolium L., Aquifoliaceae

WIRKSTOF WIRKSTOFFE FE

Alkaloide, bei einigen exotischen Arten auch Coffein. Man nahm lange an, auch unser heimischer Ilex enthalte Coffein oder eine ähnliche Substanz, doch das ist anscheinend falsch. Die Früchte enthalten Triterpensaponine, die den Verdauungstrakt reizen.

BOTANISCHES BOTANIQUE Die Blätter sind nicht bei allen 700 Ilex-Arten stachelig gezähnt, manche ähneln eher Buchsbaum- oder Esskastanienblättern. Die europaweit größte Sammlung an Ilex-Arten findet sich im Arboretum Bokrijk (Provinz Limburg, Belgien).

GIFTIG ODER UNGIFTIG?

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eim Thema Giftpflanzen darf man auf keinen Fall die Stechpalme, auch Ilex genannt, vergessen! Doch so einfach ist die Sache nicht, denn die Toxizität der Stechpalme ist umstritten und wird keinesfalls in allen Giftpflanzenlisten erwähnt. Dass die Blätter nicht zu genießen sind, ist keine Frage: zu ledrig und zu stachelig! Trotzdem wird das Laub im Winter von Wild und Vieh verbissen, auch unbestachelte Blätter (falls erreichbar, da sie in größerer Höhe wachsen) werden gefressen. Die leuchtend roten Beeren sind allerdings verlockend, zudem werden die beerentragenden Ilexzweige zur Weihnachtszeit oft in Kränzen und Gestecken verarbeitet. Nach Verzehr der Früchte kann es zu Erbrechen, Durchfall, Schläfrigkeit oder Krämpfen kommen. Fournier, der sich auf Gessner bezieht, spricht noch 1931 von «schweren Entzündungen des Verdauungstrakts mit tödlichem Ausgang» bei Kleinkindern. Doch seither finden sich keine Berichte über Todesfälle mehr. Tatsächlich sollen die Früchte Erbrechen- und Durchfall-auslösende Wirkung besitzen, ähnlich wie der Faulbaum. Man empfiehlt ihre Anwendung ferner bei Fieber und Epilepsie; ein Kaltwasserauszug aus 10 bis 12 Früchten ergibt ein gutes Abführmittel, doch sollte man es mit Vorsicht zu sich nehmen da, es oft zu Übelkeit und Erbrechen führt. Möglicherweise hängen die Befürchtungen, die Pflanze könne giftig sein, auch mit der Entstehungsgeschichte der Pflanze zusammen. Denn der manchmal als Wilder Lorbeer bezeichnete Baum soll eine Ausgeburt des Teufels sein: Der Teufel habe angeblich versucht, über die Stechpalme ein Werk Gottes, nämlich den Echten Lorbeer, zu kopieren. Doch trotz dieses Mythos wurde Ilex in der christlichen Tradition zu einem Symbol der Weihnachtszeit, in manchen Gegenden wird er an Palmsonntag als «Palm» geweiht, daher der Name Stechpalme. Der geweihte Palm wird (wie Buchs) zum Schutz vor Krankheit, Unglück und Unwetter in Haus und Stallungen an der Tür angebracht. Heutzutage pflanzt man gerne auch eine Stechpalmenhecke. Sie dient kleinen Vögeln als sicherer Unterschlupf, und nach dem ersten Frost werden auch die Früchte von Vögeln gerne genommen.

VERWENDUNG VERWENDUNG Q

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Q Früher stellte man einen Medizinalwein mit Stechpalmenblättern her: 50 g Blätter mit Alkohol bedecken, nur 24 h stehen lassen, dann mit 1 Liter Weißwein aufgießen und nochmals 24 h ziehen lassen. Filtrieren. Diese bittere Zubereitung soll gegen Fieber wirken.

Stechpalmenblätter

Weihnachten, ein Fe st des Ilex – Stechpalm e, so viel Sie wollen!

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oder Strauch Q Wuchs aufrecht, oft mit Stockaustrieb Q Borke hellgrau, glatt Q dunkelgrün glänzende ledrige Blätter, eiförmig, ungeteilt, gewellt, stachelig gezähnt Q unscheinbare weiße Blüten in kleinen Dolden, Pflanze zweihäusig Q fleischige, bei Reife rote Steinfrüchte Q Wälder, Hecken; in wintermilden Gebieten.

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QQ Immergrüner, bis 30 m hoher Baum

GOETHES SPAZIERSTOCK Ilex-Holz lässt sich leichter bearbeiten als Buchsbaumholz, ist aber ebenso hart und zäh und eignet sich für größere Werkstücke. Man stellte kleine Drechslerwaren daraus her, aber auch Werkzeugstiele und Spazierstöcke: Das bekannteste Objekt aus Stechpalmenholz ist möglicherweise Goethes Spazierstock, der im Weimarer Goethehaus ausgestellt ist.

MATE Kennen Sie Ilex paraguariensis? Es ist der wissenschaftliche Name des Mate-Strauchs, der das Nationalgetränk einiger südamerikanischer Länder (Paraguay, Brasilien, Argentinien) liefert: den Mate, Yerba Mate oder Jesuitentee. Die Art ist im Unterholz tropischer Wälder heimisch; die ovalen, nicht stachligen Blätter ähneln Lorbeerblättern. Aus den getrockneten Blättern bereitet man als Aufguss den erfrischenden, koffeinhaltigen Mate zu.


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