Pärke Die Schweizer

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Fast ein Jahrhundert nach der Gründung des schweizerischen Nationalparks hat die Schweiz 2007 die gesetzlichen Grundlagen für drei neue Parkkategorien geschaffen. Durchsetzen konnte sich seither vor allem das Konzept der Regionalen Naturpärke, die sich insbesondere in strukturschwachen Randregionen für eine nachhaltige Wirtschaft engagieren. Sie nutzen das Kapital intakter Natur- und Kulturlandschaften, um lokale Wertschöpfungsketten zu stärken und den sanften Tourismus auszubauen.
↗ Lebendiges Brauchtum: Mit Glocken und Peitschen ziehen die Schulkinder am 1. März jeweils singend durch die Dörfer der Val Müstair, vertreiben symbolisch den Winter und feiern am traditionellen «Chalandamarz» den Frühlingsanfang. Foto: Biosfera Val Müstair, Dominik Täuber
Wer durch die Schweiz reist, dem fällt die Vielfalt der Landschaften und Lebensräume auf kleinstem Raum auf. Von Bern aus erreicht man in anderthalb Zugstunden die bewaldeten Wytweiden auf der Hochebene der jurassischen Freiberge, wo Pferde und Kühe oft gemeinsam grasen. Etwa gleich lang dauert die Fahrt an den Genfersee ins waadtländische Montreux, wo sich der Bach Baye tief in die Gorges du Chauderon eingegraben hat. Am Rand der Altstadt führt der von Moosen gesäumte Schluchtweg in ein bewaldetes Feuchtgebiet des Regionalen Naturparks Gruyère Pays-d’Enhaut. Südwärts gelangt man vom Berner Bahnhof bei ähnlichem Zeitbedarf ins inneralpine Trockental an den Fuss der kargen Oberwalliser
Felsensteppe bei Leuk. Hier können nur spezialisierte Pflanzen und an die Trockenheit angepasste Tierarten überleben. Auf dem Weg nach Osten schliesslich landet man auf der Rossweid oberhalb von Sörenberg mitten in den weitläufigen Moorlandschaften der UNESCO Biosphäre Entlebuch, wo insektenfressende Pflanzen wie der Sonnentau gedeihen. Vom Mittelland aus lassen sich die meisten Regionalen Naturpärke in einem Tagesausflug erkunden. Doch es lohnt sich überall, länger zu bleiben, um in die spezifische Atmosphäre der vielfältigen Natur- und Kulturlandschaften einzutauchen und die den jeweiligen Lebensbedingungen optimal angepasste Pflanzenund Tierwelt zu entdecken. Über
Jahrhunderte haben die hier ansässigen Menschen – allen Widerständen durch Naturgefahren
Es lohnt sich überall, länger zu bleiben, um in die spezifische Atmos phäre der vielfältigen Natur- und Kulturlandschaften einzutauchen und die den jeweiligen Lebensbedingungen optimal angepasste Pflanzenund Tierwelt zu entdecken.
zum Trotz – ihre Talschaften gestaltet, faszinierende Kulturgüter geschaffen und regionale Bräuche entwickelt, die sie vielerorts noch heute als lebendige Traditionen pflegen. In allen 20 Pärken der Schweiz trifft man auf einzigartige Landschaften und authentische Produkte, deren Entdeckung sich lohnt.
Als die Schweiz 1914 den Nationalpark im Unterengadin gründete, gehörte sie weltweit zu den Pioniernationen. Das Konzept, ein Wildnisgebiet der höchsten Schutzkategorie zu schaffen, in dem sich der Mensch weitgehend zurückzieht, war damals international bahnbrechend. Doch im Inland liess man es fast ein Jahrhundert lang dabei bewenden. Gebiete, in denen die natürlichen Prozesse ohne zivilisatorische Eingriffe ablaufen können und wo der Mensch nur als Beobachter präsent ist, beschränken sich in der Schweiz bis heute auf weniger als 0,5 Prozent der Landesfläche. Damit steht die einstige Pionierin mit ihrem geringen Anteil an Schutzgebieten im europäischen Vergleich ganz hinten in der Rangliste. Um die Jahrtausendwende scheiterten Bemühungen für die Schaffung einer Umgebungszone um den bestehenden Kern des Nationalparks am Widerstand der Gemeinden. Das deshalb aufgegebene Projekt wollte die Parkfläche mehr als verdreifachen.
2007 gab der Bund mit der damals abgeschlossenen Revision des eidgenössischen Gesetzes über den Natur- und Heimatschutz (NHG) neue Impulse für die Entwicklung von drei neuen Parkkategorien. Die gesetzlichen Grundlagen lehnten
← In vielen der oft landwirtschaftlich geprägten Parkregionen – wie hier in der Val Müstair – gehört der Alpabzug zu den lebendigen Traditionen. Foto: Biosfera Val Müstair, Ellen Gromann
↘ Seit dem Jahr 2000 gehört die Seenplatte von Macun – hoch über Zernez (GR) –zum Schweizerischen Nationalpark. Weitere geplante Erweiterungen fanden bislang keine Zustimmung.
Foto: SNP, Hans Lozza
sich an ein international bewährtes System von definierten Kategorien verschiedener Schutzgebiete an, wobei die Schweiz dabei massgeblich von den langjährigen Er fahrungen mit entsprechenden Projekten im Ausland profitieren konnte. Zu den hierzulande neu geschaffenen Kategorien gehören auch die Nationalpärke der neuen Generation. Zwei weit fortgeschrittene – und vom Bund während der Projektierungsphase finanziell unterstützte – Vorhaben in den Regionen Adula (GR /TI) und Locarnese (TI) scheiterten allerdings ebenfalls an den 2016 und 2018 durchgeführten Abstimmungen in den Gemeinden. Insbesondere das Konzept einer Kernzone stiess auf Widerstand, weil hier menschliche Aktivitäten zugunsten einer freien natürlichen
Entwicklung stark eingeschränkt worden wären. Daher befürchteten viele Einheimische, aufgrund von Verboten und anderweitigen Einschränkungen zum Schutz der Natur ihre Selbstbestimmung zu verlieren. Opposition kam insbesondere von der Jägerschaft, die sich am Jagdverbot in der Kernzone und weiteren Auflagen störte und deshalb beide Projekte vehement bekämpfte.
Zwar besteht im schweizerischen Alpenraum das Potenzial für einen weiteren Nationalpark. Doch dieses wird bislang nicht ausgeschöpft, weil das Konzept der Verwilderung einem Verzicht auf bisherige Nutzungen gleichkommt und einen Ablösungsprozess erfordert, zu dem die betroffenen Gemeinden kaum Hand bieten wollen.
Im globalen Netz der rund 750 Biosphärenreservate steht das Entlebuch im Kanton Luzern für die voralpine Moor- und Karstlandschaft. Seit 2001 hat sich das Tal am Oberlauf der Kleinen Emme als UNESCO Biosphärenreservat zu einer Modell- und Vorzeigeregion entwickelt.
In ihrem Bestreben, gesellschaftliche und wirtschaftliche Interessen mit ökologischen Anliegen zu vereinen, ist die Biosphäre Entlebuch eine Wegbereiterin der Schweizer Naturpärke. Beat Jordi
Kategorie
Regionaler Naturpark seit 2008
Fläche
394 km2
Bevölkerung
17’200
Kanton
Luzern
Mächtige und von den Kräften des Wassers rund geschliffene Steineier liegen im breiten Flussbett der Kleinen Emme unterhalb des Dorfes Entlebuch. Es hat kaum geregnet in den letzten Tagen und so plätschert das Gewässer mit einem Abfluss von wenigen Kubikmetern pro Sekunde (m3/s) friedlich dahin. Beim Emmenmätteli, einer Auenlandschaft von nationaler Bedeutung, lässt die Breite des weitgehend naturbelassenen Gerinnes allerdings erahnen, dass sich der Fluss auch von einer wilderen Seite
zeigen kann. Davon zeugen etwa erodierte Uferpartien, abgelagerte Baumstämme und eindrückliche Geschiebeablagerungen. Die Saugfähigkeit der oft lehmigen Böden im Entlebuch westlich von Luzern ist begrenzt. Wenn es im hügeligen Einzugsgebiet mit seinen unzähligen Bachgräben stark regnet, wird die Kleine Emme deshalb bereits in ihrem Oberlauf zu einem Wildbach mit rasch anschwellender Wasserführung. Nach mehrtägigen Starkniederschlägen im August 2005
stieg ihr Abfluss vor der Mündung in die Reuss auf über 600 m3/s an. Durch die weiträumige Ufer- und
Zu den schönsten Abschnitten der Kleinen Emme zählt die Strecke zwischen Hasle und Wolhusen, wo ein attraktiver Uferweg stellenweise durch schattige Auenwälder führt.
Sohlenerosion führte sie damals Unmengen von Schwemmholz mit, verlagerte enorme Mengen an Steinen und Schlamm und verursachte damit auch im Talboden des Entlebuchs schwere Schäden.
Aufbruch zu neuen Ufern
Die Katastrophe mit versicherten Schäden von 240 Millionen Franken bewog die Kantonsbehörden, das mit rund 60 Kilometern längste Fliessgewässer im Luzernbiet im Rahmen eines Generationenwerks grossräumig umzugestalten. Flussabwärts von Doppleschwand, wo das linke Nebengewässer Fontanne einmündet, bis nach Emmenbrücke soll ein ökologisch vernetztes, möglichst naturnahes und dynamisches Fliessgewässer entstehen. Es muss künftig in der Lage sein, auch seltene Hochwasser kontrolliert in vorgängig bestimmten Überflutungskorridoren abzuführen.
Im Gegensatz zum Unterlauf flussabwärts von Wolhusen sind die Gerinne am Oberlauf, und damit in der Biosphäre Entlebuch, vielerorts noch naturnah.
Auch wichtige Zuflüsse wie Waldemme, Entle und Fontanne sind weitgehend intakt und bedürfen keiner Renaturierungen. Zu den schönsten Abschnitten der Kleinen Emme zählt die Strecke zwischen Hasle und Wolhusen, wo ein attraktiver Uferweg stellenweise durch schattige Auenwälder führt. Hier finden auch Erholungssuchende vielfältige Zugänge zum Wasser. Beliebt sind etwa die Badeplätze beim Kalkloch, wo sich die Kleine Emme ihren Weg durch 10 Millionen Jahre alte Nagelfluhbänke gegraben hat. Dieses einst durch die Abtragung der Alpen von Flüssen herangeführte – und später verfestigte – Schwemmmaterial aus unterschiedlichen Gesteinen ist typisch für die Erdgeschichte des Alpenrandes.
Einzelhöfe prägen das Landschaftsbild
Die in den weitläufigen Moorgebieten rund um die Kalkerhebung Schimberig entspringende Entle hat dem Tal zwar einst den Namen gegeben, doch die eigentliche Lebensader des Entlebuchs ist der Oberlauf der Kleinen Emme. In ihrer unmittelbaren Umgebung liegen die grösseren Siedlungen Schüpfheim, Hasle, Entlebuch, Doppleschwand und Ebnet. Folgt man der Waldemme – als wichtigstem Zufluss – bis in ihr Quellgebiet beim Emmensprung am Nordhang des Brienzer Rothorns, so gesellen sich auch die wichtigen Dörfer Flühli und Sörenberg dazu. Hier trieb das Flusswasser seit Jahrhunderten Mühlen und Sägereien an, diente der land-
↗ Blick von der Schüpferegg in den Taleinschnitt der Waldemme, die bei Schüpfheim zur Kleinen Emme wird.
Foto: Biosphäre Entlebuch, Beat Brechbühl
wirtschaftlichen Bewässerung, wurde später für die Stromproduktion genutzt und war der Transportweg für Zehntausende von Baumstämmen, die zum Teil als Konstruktionsholz für den Schiffsbau bis nach Holland geflösst wurden. Als die Alemannen im 8. Jahrhundert als Erste das Entlebuch besiedelten, war die von eiszeitlichen Hügelkuppen und tiefen Bachgräben geprägte Landschaft weitgehend bewaldet. Sie rodeten die Gebiete auf den flacheren und sonnenexponierten Anhöhen, während sie die Bäume an den Abhängen und an eher schattigen Standorten stehen liessen. Wo die Rodungen auf eher nassen Standorten erfolgten, konnten sich durch Beweidung und Mäharbeiten artenreiche Flachmoore mit den fast
überall vorkommenden Wollgräsern und violetten Knabenkräutern entwickeln. Durch die Ansammlung von abgestorbenen Pflanzenresten, die in den ständig feuchten, nährstoffarmen und fast sauerstofffreien Böden vieler Flachmoore nur langsam abgebaut wurden, siedelten sich Torfmoose an. Auf diese Weise entstanden im Lauf der Zeit die über dem Grundwasserspiegel liegenden Hochmoore.
Zur Zeit der Alemannen ging die damals verbreitete Feldgraswirtschaft mit dem Bau von weit verstreuten Einzelhöfen und Häusergruppen einher, die bis heute das Landschaftsbild der voralpinen Streusiedlung prägen. Zwischen den Bauernhöfen und Weilern fällt der Blick auf saftige Wiesen, markante Einzelbäume, Hecken,
Im Einzugsgebiet der Kleinen Emme nimmt der Wald inzwischen wieder mehr als einen Drittel der Fläche ein, und sein Zustand erinnert nicht mehr an den jahrhundertelang betriebenen Raubbau. Denn die früher in der Region stark verbreiteten Glashütten, Kalkbrennöfen, Köhlereien und Milchzucker-Fabriken mit ihrem enormen Brennholzbedarf führten zum Kahlschlag ganzer Waldbestände. Ausfuhren von Bau- und Feuerholz verschlimmerten die Situation noch, wobei das Entlebuch – als Folge der Rodungen –vor allem im 19. Jahrhundert unter häufigen Überschwemmungen litt. Heute erinnern allenfalls noch die aus Tradition betriebenen Kohlenmeiler in den Wäldern um Romoos an diese Kulturgeschichte, wobei für die Gewinnung der Holzkohle natürlich keine Wälder mehr kahlgeschlagen werden. Besonderheit
← Typisch für das Landschaftsbild des Entlebuchs sind die beweideten Hügelkuppen. An ihren steileren Rändern wächst oft Wald.
Foto: Biosphäre Entlebuch, Jan Geerk
Waldinseln und ge schwungene Erschliessungswege, die als Ganzes das Bild einer harmonischen Kulturlandschaft zeichnen.
Die eigentlichen Landschaftsgestalter im Entlebuch sind inzwischen die bäuerlichen Betriebe, welche nahezu die Hälfte aller Flächen pflegen und bewirtschaften. Nimmt man die Forstwirtschaft dazu, so arbeitet fast ein Viertel aller Beschäftigten in diesen Branchen.
Die deutliche Annahme der Rothenthurm-Initiative zum Schutz der Moorlandschaften durch das Schweizer Stimmvolk im Jahr 1987 markierte für das Entlebuch eine Zäsur. Als sich abzeichnete, wie die neuen Be -
stimmungen umgesetzt werden sollten, reagierte die ländliche Bevölkerung geschockt. Denn in der Region machen die vier grösseren Moorlandschaften gut einen Viertel der Landfläche aus. Die damals strukturschwache Region, welche lange Zeit als «Armenhaus der Schweiz» galt, fürchtete um ihre Handlungsfreiheit und um künftige Entwicklungschancen. Allein in der flächenmässig grössten Luzerner Gemeinde Flühli sollten zwei Drittel des kommunalen Gebiets unter die Bestimmungen des Moorschutzes fallen.
Im Instrument der Biosphärenreservate, wie sie die UNESCO anerkennt, fand sich schliesslich eine Lösung. Denn sie vereint den Schutz von Natur und Umwelt mit einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft, die auch wirtschaftliche Anliegen berücksichtigt. So besann man sich der Naturschätze
im «Wilden Westen von Luzern.» Sie umfassen artenreiche Flusslandschaften wie etwa die Lammschlucht im Tal der Waldemme
Als weltweit einzigartig
gilt dabei das auf kleinstem Raum bestehende Nebeneinander der ausgesprochen trockenen Lebensräume in den Kalkmassiven und von sehr nassen Moorböden.
sowie weitläufige Moore, die landesweit in keiner anderen Region in dieser Vielfalt vorkommen. Überragt wird die Biosphäre von den schroffen und trockenen Kalkfelsen der Schrattenflue mit ihren Karrenfeldern, Dolinen und Höhlen sowie
der Gebirgskette des Brienzer Rothorns. Dieser höchste Berg im Kanton Luzern bietet eine Rundumsicht auf 693 weitere Gipfel. Dank viel Überzeugungsarbeit hat die Mehrheit der Bevölkerung im Entlebuch erkannt, welche Chancen eine Biosphäre bietet. An den Gemeindeversammlungen betrug die Zustimmung 94 Prozent. Im September 2001 gab die UNESCO grünes Licht für die Aufnahme des Entlebuchs in das internationale Netzwerk der Biosphärenreservate. Neben dem Nationalpark ist dies das zweite Biosphärenreservat der Schweiz. Im globalen Netzwerk der rund 750 Biosphärenreservate repräsentiert das 400 Quadratkilometer grosse Entlebuch die
↗ Über den vielerorts wasserundurchlässigen Böden im Entlebuch sind weitläufige Moorlandschaften entstanden – wie hier im Gebiet Salwide ob Sörenberg. Foto: Biosphäre Entlebuch, Martin Mägli
← Von Verwitterungsprozessen gezeichnete Karstlandschaft an der Ostseite des Kalkmassivs Schrattenflue ob Sörenberg mit Blick auf die Rothornkette und die Berner Hochalpen. Foto: Biosphäre Entlebuch, Martin Mägli
↳ Schroffe Kalkfelsen und sanft geschwungene Hügelzüge: Auf den Gipfeln der Schrattenflue taucht der Sonnenaufgang die Voralpenlandschaft in ein bezauberndes Licht. Foto: Biosphäre Entlebuch, Martin Mägli
voralpine Moor- und Karstlandschaft. Als weltweit einzigartig gilt dabei das auf kleinstem Raum bestehende Nebeneinander der ausgesprochen trockenen Lebensräume in den Kalkmassiven und von sehr nassen Moorböden. Der hier erstmals als Meeresablagerung aus der frühen Kreidezeit wissenschaftlich beschriebene Schrattenkalk hat diesem Gestein auch in anderen Weltregionen den Namen gegeben.
Wie die benachbarten nördlichen Kalkalpen Hohgant, Schafmatt, Schimberig und die Pilatuskette besteht auch die Schratteflue aus mächtigen Sedimenten des früheren Urmittelmeers Tethys. Die Alpenfaltung hat diese verfestigten Ablagerungen aus Muscheln, Schnecken und weiteren Meerestieren aus dem Raum
Mailand um etwa 200 Kilometer nach Nordwesten gestossen und mehrfach übereinandergeschoben. Im Lauf von Jahrmillionen haben die Niederschläge den leicht löslichen Kalkstein verwittert und ausgewaschen, was zu den bizarren Oberflächenstrukturen und verzweigten Höhlensystemen im Untergrund führt.
Am südlichen Fuss der Schrattenflue, die hier sanfter abfällt als auf der schroffen Nordseite mit ihren steilen Felswänden und Schotterfeldern, liegt das fast 14 Quadratkilometer umfassende Moorgebiet Laubersmad-Salwidili. Es gilt schweizweit als Landschaft mit der grössten Dichte an Moorbiotopen und ist auch auf der Ramsar-Liste der Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung aufgeführt. Mit den nassen, sauren und nährstoffarmen Bedingungen in den Hochmooren zwischen der Rossweid ob Sörenberg und Salwide kommen nur wenige spezialisierte Pflanzenarten zurecht. Dazu gehören etwa die Rosmarinheide oder der fleischfressende Sonnentau. In den Drüsenhaaren ihrer Blätter produziert diese Pflanze klebrige Tropfen, die Insekten zur Falle werden. So kommt sie zu den Nährstoffen, die ihr im Hochmoor fehlen.
Herausgefordert durch den auf nationaler Ebene verfügten Moorschutz hat sich die Region mit ihren heute sieben Gemeinden praktisch neu erfunden, ohne ihre Traditionen über Bord zu werfen. Die UNESCO hat die Biosphäre
Entlebuch wiederholt als eigentliche Modell- und Vorzeigeregion für eine nachhaltige Regionalentwicklung bezeichnet. 2008 folgte die Anerkennung als erster regionaler Naturpark von nationaler Bedeutung.
Das Biosphärenzentrum in Schüpfheim wird vom Verband der Entlebuch-Gemeinden Escholzmatt-Marbach, Flühli, Schüpfheim, Hasle, Entlebuch, Romoos und Doppleschwand mit ihren 40 Delegierten getragen. Daneben kümmern sich eigenständige Foren
von rund drei Millionen Franken macht sich die Geschäftsstelle für einen sanften Tourismus mit natur- und klimaverträglichen Angeboten stark, setzt sich vermehrt für Naturschutzanliegen ein und fördert die Entwicklung und Vermarktung von charakteristischen Regionalprodukten unter dem Label «Echt Entlebuch».
um Themen wie Tourismus, Landwirt schaft, Holz, Energie oder Bildung. Mit einem Jahresbudget
Das vielseitige Sortiment umfasst inzwischen über 500 Erzeugnisse – vom traditionellen Alpkäse über den Mozzarella aus der Milch von Wasserbüffeln und die Bergkräuterbutter bis hin zu Schinken, Urdinkel-Teigwaren, Honig oder Glace. Dank Coop und Migros, die eine Auswahl dieser Lebensmittel weit über die Region hinaus vertreiben, werden die zertifizierten Produkte zu einer Art Visitenkarte des Entlebuchs, machen die Biosphäre bekannter und erhöhen so die regionale Wertschöpfung.
Wichtige Ziele der Biosphäre sind unter anderem die Schaffung und Erhaltung von qualifizierten Arbeitsplätzen, die nachhaltige Nutzung regionaler Ressourcen, das Schliessen von Stoffkreisläufen und die Förderung einer marktorientierten Landund Forstwirtschaft sowie von erneuerbaren Energiequellen. Noch in den 1980er-Jahren hoffte man in Finsterwald auf ein grösseres Erdölvorkommen, musste die Bohrung dann aber in einer Tiefe von fast 5300 Metern aufgeben. Heute setzt man eher auf Solarenergie und Windkraftwerke, wie sie etwa im Gebiet Feldmoos ob Entlebuch stehen.
«Es ist uns ein Anliegen, die Natur einerseits aktiv zu nutzen und zu bewirtschaften,
↘ Das Entlebuch pflegt seine kulturellen Traditionen: An einem Kurs der Biosphäre üben sich 20 Teilnehmende im Alphornblasen. Foto: Biosphäre Entlebuch, Elmar Bossard
sie aber andererseits in Ruhe gedeihen zu lassen», heisst es im Leitbild der Biosphäre. Dabei helfen insbesondere die Bauernbetriebe mit, von denen sich mehr als 90 Prozent in Vernetzungsprojekten zur Erhaltung der Artenvielfalt engagieren. Der Anteil der Biodiversitätsförderflächen macht im Entlebuch einen Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus–deutlich mehr als im Rest des Kantons. Zu den wertvollen naturnahen Vernetzungskorridoren gehören vor allem extensiv genutzte Wiesen und Weiden sowie die Streueflächen der nur einmal jährlich gemähten Flachmoore. In ihrer Nähe erinnern die Torfund Streuehütten aus Holz noch immer an die frühere, intensivere Nutzung der Moore.
Als eine der bedeutendsten Anbieterinnen von naturkundlichen Exkursionen im Inland vermittelt die Biosphäre das auch aus Forschungsarbeiten gewonnene Wissen. Ein ähnliches Ziel verfolgen die themenspezifischen Lern- und Erlebnispfade zu Moorlandschaften, der Köhlerei oder ein Seelensteg durch den Wald bei Heiligkreuz. Wer sich für die Kulturgeschichte der Region interessiert, der wird im Museum Entlebucherhaus in Schüpfheim fündig. Als Highlights gelten auch die Wallfahrtskirche im Kurort Heiligkreuz, die Kneippanlage in Flühli und die Bergkäserei Marbach. Eindrückliche Aussichten auf die Biosphäre eröffnen die mit Bergbahnen erreichbaren Standorte Brienzer Rothorn, Rossweid ob Sörenberg sowie die Marbachegg. ○
1.AUFLAGE: 2025
ISBN 978-3-258-08404-6
Umschlag, Gestaltung und Satz: Mona Osterkamp und Jeannine Moser, Berlin/Bern
Umschlagabbildungen: vorne: Graubünden Ferien, Marco Hartmann; hinten: Biosfera Val Müstair, Ellen Gromann
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Wilde Flusstäler, weitläufige Alpen, Kirschbaum-Haine und historische Dörfer: Die Schweiz beheimatet heute 20 Pärke von nationaler Bedeutung, die sich durch vielfältige Naturräume, aussergewöhnliche Landschaften und ein reiches kulturelles Erbe auszeichnen.
In diesem Buch führen die Autoren von OECOCOM durch die Pärkelandschaft der Schweiz. Sie stellen die Pärke mit ihren charakteristischen Landschaften, Natur- und Kulturschätzen vor und zeigen, was die Pärke in den Regionen bewirken.