Nieberle/Dürsteler, Bildungsrenditen

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HWZ Schriftenreihe für Betriebs- und Bildungsökonomie Herausgegeben von HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich

Band 18



Sarah Nieberle / Urs Dürsteler Mitarbeit: Toni Schmid

Bildungsrenditen von schweizerischen Fachhochschulabschlüssen Eine empirische Analyse der Studiengänge Wirtschaft und Dienstleistungen

Haupt Verlag


Sarah Nieberle absolvierte eine kaufmännische Ausbildung bei einem der weltweit grössten Automobilzulieferer. Dort war sie nach der Ausbildung als Key Account Assistentin im Verkauf tätig. Der Drang nach einem betriebswirtschaftlichen Studium führte sie zur HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. Dort schloss sie das berufsbegleitende Studium im Herbst 2016 als Bachelor of Science ZFH in Business Administration ab. Urs Dürsteler ist promovierter Ökonom der Universität St. Gallen (vormals HSG) sowie Master of Arts in Economics der staatlichen Universität von Kalifornien. Im Weiteren arbeitete er an der Universität St. Gallen während sieben Jahren für den Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Regionalprobleme». Seine wissenschaftlichen Publikationen beschäftigen sich mit regional- und bildungsökonomischen Themen. Während insgesamt über neun Jahren ist er in der schweizerischen Bildungszusammenarbeit in Nepal und Bhutan engagiert. Als Prorektor der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich (co-)leitete er unter anderem die Studiengänge Bachelor und Master of Science in Business Administration. Zurzeit ist er als «Visiting Senior Reseach Scholar» an der University of California San Diego (UCSD) tätig. Toni Schmid ist seit über 15 Jahren Geschäftsführer des nationalen Dachverbands aller Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen (FH SCHWEIZ) mit rund 45 000 Mitgliedern und aktuell 22 Mitarbeitenden auf den Geschäftsstellen Zürich und Nähe Delémont. Er ist gelernter Krankenpfleger AKP, Kaufmann und Betriebsökonom FH (vormals HWV). Er absolvierte zudem Weiterbildungen in Marketing, Medienarbeit und Sprachenkompetenz.

1. Auflage: 2017 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-258-08012-3 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2017 Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Redaktion und Satzherstellung durch die Autoren Umschlaggestaltung: Haupt Verlag nach einem Entwurf von Typisch GmbH, Atelier für Mediengestaltung, Bern Printed in Switzerland www.haupt.ch


Management Summary Diese Studie widmet sich der Frage, ob sich Bildung lohnt. Dabei wird die Bildungsrendite zwischen dem kaufmännischen Mitarbeiter und dem «Bachelor of Science FH in Betriebsökonomie» sowie zwischen dem «Bachelor of Science FH in Betriebsökonomie» und dem «Master of Science FH in Wirtschaft und Dienstleistungen» untersucht. Es werden folgende fünf Formen der Bildungsrenditen im Sinne der Vergleichbarkeit und Plausibilisierung berechnet: •

Bildungsrendite auf Basis des Bruttojahreseinkommens

Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit, brutto

Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Anwendung der Kapitalwertmethode, brutto

Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Berücksichtigung der Zinseszinsformel auf den durchschnittlichen Sparanteil, brutto

Bildungsrendite auf Basis des Jahreseinkommens im Nettovergleich (Zürich)

Die Vergleiche erfolgen gesamthaft sowie geschlechtsspezifisch. Die Einkommen der kaufmännischen Mitarbeiter sind dem Bundesamt für Statistik (BFS 2012) entnommen und die Einkommen der Studienabgänger der Lohnstudie der FH SCHWEIZ (2013). Die Studie basiert damit auf 7'478 Datensätzen der FH Schweiz sowie auf einer Stichprobe des Bundesamtes für Statistik von rund 35'000 privaten/öffentlichen Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen mit insgesamt rund 1.8 Millionen Arbeitnehmern. Die empirische Aufbereitung von Bildungsrenditen für Fachhochschulabschlüsse in Betriebsökonomie beziehungsweise Wirtschaft und Dienstleistungen wurde mit dieser Studie in der Schweiz erstmalig berechnet und analysiert. Sie verifiziert frühere quantitative Grobschätzungen mit einem forschungsmethodisch anerkannten Ansatz. In Tabelle 1 werden drei (von fünf) Bildungsrenditen von schweizerischen Fachhochschulabschlüssen im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen dargestellt. Tabelle 1: Überblick der Bildungsrenditen total (in CHF)

Bildungsrenditen total Über die Lebensarbeitszeit, brutto Über die Lebensarbeitszeit unter Anwendung der Kapitalwertmethode, brutto Über die Lebensarbeitszeit mit der Zinseszinsformel auf den durchschnittlichen Sparanteil, brutto

Bachelor of Science FH {im Vergleich zum KV}* 1'204'000 (+47%)

Master of Science FH {im Vergleich zum KV}* 1'419'000 (+55%)

Master of Science FH {im Vergleich zum Bachelor FH}* 215'000 (+6%)

571'000 (+49%)

992'000 (+85%)

421'000 (+24%)

300'000 (+47%)

353'000 (+55%)

53'000 (+6%)

*auf 1'000 gerundet Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis von Daten des BFS (2012); FH SCHWEIZ (2013)

V


Ein Fachhochschulabsolvent (Bachelor of Science FH) in Betriebsökonomie generiert gegenüber einem KV-Absolventen ein um rund 1.2 Millionen Franken höheres kumuliertes Bruttolebenszeiteinkommen, als wenn er keine Fachhochschule besucht hätte. Mit dem zusätzlichen Abschluss eines konsekutiven Masters (Master of Science FH) im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen verdient er über seine Lebensarbeitszeit noch 215'000 Franken mehr als der Bachelor FH in Betriebsökonomie. Abbildung 1: Kumulierte Bruttoeinkommen total über die Lebensarbeitszeit des kaufmännischen Mitarbeiters, des Bachelors FH in Betriebsökonomie und des Masters FH im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen (in CHF)

4'500'000 4'000'000 3'500'000 3'000'000

Kaufmännischer Mitarbeiter

Break-Even Master FH

2'500'000 Bachelor FH (Betriebsökonomie)

2'000'000 1'500'000

Break-Even Bachelor FH

Master FH (Wirtschaft und Dienstleistungen)

1'000'000 500'000 0 1

11

21

31

41

Quelle: in Anlehnung an BFS (2012); FH SCHWEIZ (2013)

Weiter zeigt die Studie auf, dass sich Bildung monetär lohnt, und sie zeigt zudem, in welchen Bereichen besonders. Bei der Auswertung der Daten für Frauen lässt sich jedoch feststellen, dass ihre Bildungsrenditen im Vergleich zu jenen der Männer deutlich niedriger sind. Augenfällig in diesem Zusammenhang ist, dass die Bildungsrenditen der Master-Absolventinnen im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen im Vergleich zu jenen der Bachelor-Absolventen in Betriebsökonomie, mit Ausnahme der Betrachtung über die Lebensarbeitszeit unter Anwendung der Kapitalwertmethode, brutto, sogar leicht negativ sind. Die zum Teil negativen Bildungsrenditen von weiblichen Bachelor- und Master-Absolventen im Vergleich überraschen grundsätzlich und in ihrem Ausmass. Eine polit- und bildungsökonomische Diskussion zu diesen Erkenntnissen müsste konsequenterweise geführt werden.

VI


Inhaltsverzeichnis Management Summary........................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................VII Geleitwort ................................................................................................................................ IX Vorwort .................................................................................................................................... X 1 Einleitung ............................................................................................................................ 1 1.1 Ausgangslage und Forschungsfrage ............................................................................................ 1 1.2 Zielsetzungen und inhaltliche Abgrenzung ................................................................................ 1 1.3 Aufbau ............................................................................................................................................ 2 1.3.1 Gliederung der Arbeit .................................................................................................................. 2 1.3.2 Forschungsmethodische Vorgehensweise und Datenbasis der Untersuchung............................. 4

2 Grundlagen ......................................................................................................................... 6 2.1 Einführung zum Thema Bildungsrendite ................................................................................... 6 2.2 Bildungslandschaft und Datenbasis der Untersuchung............................................................. 6 2.2.1 Datenbasis für Fachhochschulabsolventen .................................................................................. 8 2.2.2 Datenbasis für kaufmännische Mitarbeiter .................................................................................. 9 2.2.3 Allgemeine Durchschnittslöhne ................................................................................................. 10 2.2.4 Verschiedene Parameter für die Berechnungen der Bildungsrendite ........................................ 10 2.2.5

Studiengebühren des Bachelors FH in Betriebsökonomie und des Masters FH im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen ............................................................................................... 13

2.2.6

Bruttolöhne und Parameter für die Berechnung der Netto-Nettolöhne der untersuchten Einkommensgruppen ................................................................................................................. 15

2.2.7 Sozialabgaben ............................................................................................................................ 16 2.2.8 Gesetzliche Abzüge der Beruflichen Vorsorge .......................................................................... 16 2.2.9 Krankenkasse ............................................................................................................................. 17 2.2.10 Abzugsfähige Standardkosten zur Berechnung des Steuerbaren Einkommens ......................... 18 2.2.11 Steuern........................................................................................................................................ 18

3 Unterschiedliche Modelle zur Berechnung der Bildungsrenditen ............................... 20 3.1 Berechnung der Bildungsrenditen auf Basis des Bruttojahreseinkommens ......................... 20 3.2 Berechnung der Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit, brutto .................................... 20 3.3 Berechnung der Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Anwendung der Kapitalwertmethode, brutto ...................................................................................................... 21

VII


3.4

Berechnung der Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Berücksichtigung der Zinseszinsformel auf den durchschnittlichen Sparanteil, brutto ........................................... 22

3.5

Berechnung der Bildungsrendite auf Basis des Jahreseinkommens im Nettovergleich (Zürich) ....................................................................................................................................... 23

4 Berechnungen, Vergleiche und Zusammenfassung der verschiedenen Bildungsrenditen .............................................................................................................. 26 4.1 Übersicht zu den berechneten Bildungsrenditen ..................................................................... 26 4.2 Berechnete Einkommen für die fünf Berechnungsmodelle ..................................................... 26 4.3 Berechnete Bildungsrenditen für die fünf Berechnungsmodelle ............................................ 28 4.3.1 Vergleich der Bildungsrendite auf Basis des Bruttojahreseinkommens .................................... 29 4.3.2 Vergleich der Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit, brutto ............................................. 32 4.3.3 Vergleich der Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Anwendung der Kapitalwertmethode, brutto ....................................................................................................... 34 4.3.4 Vergleich der Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Berücksichtigung der Zinseszinsformel auf den durchschnittlichen Sparanteil, brutto ............................................... 36 4.3.5 Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit, brutto (drei Berechnungsmodelle) ....................... 38 4.3.6 Vergleich der Bildungsrendite auf Basis des Jahreseinkommens im Nettovergleich ................ 44 4.3.7 Bildungsrenditen in Prozent (alle fünf Berechnungsmodelle) ................................................... 47 4.4 Fazit zu den Berechnungen der verschiedenen Bildungsrenditen .......................................... 48

5 Schlussfolgerungen ........................................................................................................... 50 6 Anhang............................................................................................................................... 52 6.1 Quellenverzeichnis ...................................................................................................................... 52 6.1.1 Bibliografie ................................................................................................................................ 52 6.1.2 Weitere Quellen ......................................................................................................................... 54 6.2 Übrige Verzeichnisse ................................................................................................................... 55 6.2.1 Glossar........................................................................................................................................ 55 6.2.2 Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................................. 56 6.2.3 Tabellenverzeichnis.................................................................................................................... 57 6.2.4 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................... 58 6.2.5 Formelverzeichnis ...................................................................................................................... 59 6.3 Datenbasis zur Berechnung der Bildungsrenditen .................................................................. 59

VIII


Geleitwort Bildung ist ein wertvolles Gut und gilt als Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand einer Volkswirtschaft und so auch für jedes Individuum. Es gibt viele Beweggründe, sich weiterzubilden und ein Studium zu absolvieren. Seien es der Durst nach Wissen, die persönliche Erfüllung, das Streben nach Anerkennung und Status oder – einer der wohl häufigsten Gründe – weil man sich mit einem Studium ein höheres Erwerbseinkommen und einen gewissen Wohlstand erhofft. Nun, ist es denn so, dass ein Studium der Garant für ein hohes Einkommen ist? Lohnt sich für ein Individuum der lange Weg des Studiums und des Verzichts an Freizeit und Einkommen, um den gewünschten Titel Bachelor, Master oder Doktor zu erreichen? Rentiert Bildung in der Schweiz wirklich, und wie können wir die Rendite von Bildung messen? Und noch wichtiger; welche Bildungsstufe rentiert denn am meisten? Man kann das Ergründen dieser Fragen auf unterschiedliche Weisen angehen, eine Vielzahl von Daten analysieren, kombinieren, Befragungen durchführen, die gewonnenen Erkenntnisse strukturieren, weiter vertiefen, Modelle darüberlegen und Schlüsse daraus ziehen. Big Data ist auch in diesem Thema das Schlagwort, weil unterschiedlichste Informationen vergleichbar gemacht und in Relation zueinander gesetzt werden. Das Bundesamt für Statistik (BfS) ist ein hervorragender Lieferant für Daten zu Volkswirtschaften und uns Individuen – so auch unter anderem für Löhne und Bildung über die letzten Dekaden. Doch in keiner Tabelle, keiner Zeile oder Datenzelle lässt sich bislang die Bildungsrendite des Bachelors FH in Betriebsökonomie oder des Masters FH im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen ablesen. Daher ist der vorliegende Forschungsbeitrag von Sarah Nieberle, Urs Dürsteler und Toni Schmid genau die erwünschte Form eines Diskussionsbetrages. Sie beleuchten den Themenbereich Bildung und Lohn in einem spezifischen Kontext mit Daten der öffentlichen Statistik, welche sie mit anderen Daten anreichern, einem eigenen entsprechenden Berechnungsmodell unterlegen und aus einer mehrheitlich schichtentheoretischen Anlehnung analysieren. In der Frage des Lohnes wird es nie eine endliche, umfassende Antwort darüber geben, welchen Einfluss die Bildung auf den künftigen Lohn haben wird. Die Autoren haben aber nachgewiesen, dass sich die im Raume stehenden Hypothesen aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Daten nachvollziehbar überprüfen lassen. Das ist ein sehr guter Beitrag zu dieser Diskussion – ich danke ihnen dafür und wünsche allen Interessierten viel Spass beim Lesen. Neuchâtel, im September 2016

Prof. Dr. Georges-Simon Ulrich, Direktor Bundesamt für Statistik

IX


Vorwort Die Auseinandersetzung mit dem Thema «Bildungsrenditen von schweizerischen Fachhochschulabschlüssen, und insbesondere im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen» ist bildungsökonomisch und gesellschaftspolitisch ausserordentlich interessant. Ihre Erläuterung beantwortet letztlich die Frage, ob und allenfalls wie sich ein Studium lohnt. Jeder Studierende stellt sich spätestens zu Beginn seines Studiums die Frage, welches Einkommen aufgrund eines Hochschulabschlusses in Zukunft überhaupt erwartet werden kann. Die vorliegende Studie, die auf der Bachelor Thesis von Sarah Nieberle aufbaut und durch die Autoren weiterentwickelt wurde, versucht, auf eine solche Frage mit verschiedenen Berechnungsmethoden Antwort zu geben. Zu ihrer Motivation zum Thema Bildungsrendite meinte Sarah Nieberle zu Beginn der Ausarbeitung ihrer Bachelor Thesis: «Meine eigene Bildungsrendite interessiert mich sehr, und ich bin gespannt, wie sich diese in einigen Jahren, rückblickend betrachtet, entwickelt hat, und ob sie vergleichbar ist, mit der in dieser Studie errechneten Bildungsrendite vom kaufmännischen Mitarbeiter zum Bachelor FH in Betriebsökonomie. Ich gehe heute davon aus, dass mein Einkommen als Bachelor FH in Betriebsökonomie unter Berücksichtigung von Inflation und weiteren Faktoren bis zu meiner Pensionierung im Jahr 2054 auf jährlich circa 200'000 Franken ansteigen wird. Den Lohn als kaufmännische Mitarbeiterin erwarte ich im Jahr 2054 bei ungefähr 120'000 Franken pro Jahr. Demnach vermute ich, dass meine persönliche Bildungsrendite bei circa 80'000 Franken jährlich liegen wird.» (Juni 2015) An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich für die vielen fachlichen und interessanten Gespräche bedanken. Insbesondere bei der FH Schweiz, dem Bundesamt für Statistik, den Familienangehörigen und Lebenspartnern für die wunderbare Unterstützung und das Verständnis für die vielen investierten Abende, Ferientage und Wochenenden. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden in dieser Arbeit jeweils die männliche Form oder der Plural verwendet. Selbstverständlich sind damit immer beide Geschlechter beziehungsweise der Singular gemeint. Wir wünschen viel Spass beim Lesen!

Zürich, im Oktober 2016

Sarah Nieberle

Urs Dürsteler

Toni Schmid

X


Einleitung

1

Einleitung

1.1

Ausgangslage und Forschungsfrage

«The expected earnings and other returns expected from education over the life cycle when related to cost, as they are in expected rates of return, are of great interest primarily because of their strong influence on student and family decisions about types and amount of education students seek to acquire» (McMahon, 1987, S. 187). Dieses Zitat zeigt, wie wichtig die Bildungsrendite vom monetären Standpunkt aus betrachtet schon vor knapp drei Jahrzehnten war und dass sie auch heute noch ohne Zweifel sehr aktuell ist. Die Grundlage für die Berechnung von Bildungsrenditen liefert die Humankapitaltheorie. Diese beschreibt, dass Menschen ihre Fähigkeiten weiterentwickeln können, indem sie in sich selbst investieren. In der Theorie existieren unterschiedliche Ansätze zur Berechnung von Bildungsrenditen. Dabei hängt die Wahl der Schätzmethode von der Fragestellung und der Verfügbarkeit geeigneter Daten ab (Weber, 2003, S. 406). Jedoch beruhen letztlich alle Schätzmethoden auf Kosten-Nutzen-Überlegungen (Blundell, Dearden, & Sianesi, 2001; Card, 1999; Psacharopoulos, 1987; Wolter, 2002). In der Schweiz wurden unter anderem von Stefan Wolter, Ökonom und Bildungsforscher, verschiedene Studien zur Analyse von Bildungsrenditen durchgeführt. Jedoch gibt es noch keine Studie, welche die Bildungsrenditen des «Bachelors of Science FH» in Betriebsökonomie mit jenen des «Masters of Science FH» im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen und des kaufmännischen Mitarbeiters analytisch vergleicht. Aus dieser Ausgangslage ergeben sich zwei zentrale Forschungsfragen: 1) Wie lohnt sich ein «Bachelor of Science FH»-Studium in Betriebsökonomie vom monetären Standpunkt betrachtet im Vergleich zum Lohn eines kaufmännischen Mitarbeiters? 2) Wie lohnt sich ein «Master of Science FH»-Studium in Wirtschaft und Dienstleistungen vom monetären Standpunkt betrachtet im Vergleich zum Lohn eines Bachelors FH in Betriebsökonomie? Aufgrund dieser beiden Forschungsfragen werden die folgenden Einflussfaktoren geschlechtsspezifisch, brutto, auf Basis des Jahreseinkommens, über die Lebensarbeitszeit, über die Lebensarbeitszeit unter Anwendung der Kapitalwertmethode, über die Lebensarbeitszeit unter Berücksichtigung der Zinseszinsformel auf den durchschnittlichen Sparanteil und netto, auf Basis des Jahreseinkommens, für die Vergleiche berechnet.

1.2

Zielsetzungen und inhaltliche Abgrenzung

In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob und in welchem Ausmass der Lohn und die Kosten für das Studium eines «Bachelors of Science FH» in Betriebsökonomie höher sind als das Ein1


Einleitung kommen eines kaufmännischen Mitarbeiters. Weiter wird erörtert, ob es sich nach dem «Bachelor of Science FH»-Studium in Betriebsökonomie aus monetären Aspekten betrachtet lohnt, zusätzlich ein «Master of Science FH»-Studium im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen zu absolvieren. Die Berechnungen der Bildungsrenditen erfolgen unter der Abgrenzung total (Frauen und Männer), für Frauen und für Männer. Dadurch ermöglicht diese Studie einen Blick darauf, ob bei den Bildungsrenditen noch immer signifikante geschlechtsspezifische Lohnungleichheiten bestehen. Zu diesem Zweck werden für den «Bachelor of Science FH»-Absolventen in Betriebsökonomie und den «Master of Science FH»-Absolventen im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen in folgende Kategorien unterteilt: (a) Total, (b) Frauen und (c) Männer. Um mögliche Zufälligkeiten bei der Verwendung eines einzelnen Berechnungsmodelles auszuschliessen und die Vergleichbarkeit und somit Plausibilisierung von Berechnungsmethoden gewähren zu können, wurden fünf verschiedene, in der bildungsökonomischen Diskussion akzeptierte Modelle aufbereitet, empirisch getestet und die Erkenntnisse gegenseitig verglichen. Es sind dies folgende Berechnungsmodelle: 1) Bildungsrendite auf Basis des Bruttojahreseinkommens (ohne Berücksichtigung der Studiengebühren und des entgangenen Lohns durch Teilzeitarbeit während des Studiums) 2) Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit, brutto 3) Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Anwendung der Kapitalwertmethode, brutto 4) Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Berücksichtigung der Zinseszinsformel auf den durchschnittlichen Sparanteil, brutto 5) Bildungsrendite auf Basis des Jahreseinkommens im Nettovergleich (Zürich) (ohne Berücksichtigung der Studiengebühren und des entgangenen Lohns durch Teilzeitarbeit während des Studiums)

1.3

Aufbau

Der Aufbau und die forschungsmethodische Vorgehensweise basieren auf dem Datenmaterial des Bundesamtes für Statistik (BFS 2012) und einer umfangreichen Absolventenbefragung der FH Schweiz (2013).

1.3.1 Gliederung der Arbeit Die Studie ist in fünf Kapitel unterteilt (Abbildung 2). In der Einleitung werden die Ausgangslage, das Forschungsproblem, die Forschungsfragen und die Zielsetzungen behandelt; zudem wird eine inhaltliche Abgrenzung des Themas vorgenommen. Die forschungsmethodische Vorgehensweise nimmt – im Sinne der Plausibilisierung der Erkenntnisse – einen zentralen Stellenwert ein. Das 2


Einleitung zweite Kapitel widmet sich den inhaltlichen Grundlagen zum Thema Bildungsrendite. Der dritte Teil befasst sich mit den unterschiedlichen Modellen zur Berechnung der Bildungsrenditen. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der empirischen Berechnung, mit dem Vergleich und mit dem Fazit zu den Bildungsrenditen für den «Bachelor of Science FH» in Betriebsökonomie und den «Master of Science FH» im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen. Das fünfte Kapitel beinhaltet das Fazit und die Schlussfolgerungen. Darin wird das Fazit mit dem Theorieteil verknüpft, die These begründet sowie Ideen für neue mögliche Forschungsfelder aufgezeigt. Abbildung 2: Aufbau der Arbeit

3


Einleitung

1.3.2 Forschungsmethodische Vorgehensweise und Datenbasis der Untersuchung Die forschungsmethodische Vorgehensweise der Studie erfolgt in den nachfolgenden sieben Schritten, unterteilt in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Die entsprechenden Berechnungen finden sich im Anhang. 1) Ermittlung von Parametern für die Vergleiche und Berechnungen 2) Definition des Vorgehens zur Berechnung der Bildungsrenditen Theoretischer Teil

3) Sammlung und Aufbereitung signifikanter Daten des Bundesamtes für Statistik (kaufmännischer Mitarbeiter) und der FH SCHWEIZ («Bachelor of Science FH» in Betriebsökonomie und «Master of Science FH» im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen) 4) Durchführung von Berechnungen und Ermittlung von Resultaten 5) Vergleich der errechneten Werte

Empirischer Teil 6) Zusammenfassende Darstellung der Bildungsrenditen 7) Schlussfolgerungen

Die Berechnung der Bildungsrendite über die Lebensarbeitszeit unter Anwendung der Kapitalwertmethode (Net-Present-Value-Methode, NPV) erfolgt in Anlehnung zur Berechnung der Bildungsrendite bei der OECD (OECD, 2015). Dabei wird der Kapitalwert der «Investition» für den Zeitraum ab Beginn der weiterführenden Massnahme bis zum Pensionsalter ermittelt, in dem die Kosten und Erträge mit einem festgelegten Zinssatz entsprechend den Arbeitsjahren abgezinst werden (Buschle & Haider, 2013, S. 807). Stefan Wolter und Bernhard Weber griffen diese Methode aus Gründen der Transparenz im Jahr 1999 wieder auf (Wolter & Weber, 1999, S. 608). Die Untersuchungen zur Bildungsrendite basieren beim Bachelor FH in Betriebsökonomie und beim Master FH im Bereich Wirtschaft und Dienstleistungen auf den Daten der Lohnstudie des Jahres 2013 der FH Schweiz – Dachverband Absolventinnen und Absolventen Fachhochschulen. Die Zahlen des kaufmännischen Mitarbeiters basieren auf den Daten des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2012.

4


Einleitung Die Lohnstudie der FH Schweiz ist eine regelmässig durchgeführte Befragung aller Absolventen einer Fachhochschule in der Schweiz zu ihrem aktuellen jährlichen Bruttolohn. Dabei werden Fragen mit folgenden Kriterien gestellt: 1) Angaben zur Person (Alter und Geschlecht) 2) Aus- und Weiterbildung (Ausbildung, Fachbereich, Weiterbildung, Abschlussjahr) 3) Berufliche Tätigkeit (Arbeitssituation, Funktion, Unternehmen) Die Lohnstudie der FH Schweiz wurde bisher in den Jahren 2011, 2013 und 2015 durchgeführt. In der vorliegenden Studie wird ausschliesslich die Lohnstudie aus dem Jahr 2013 berücksichtigt, da die aktuellsten Daten zu kaufmännischen Mitarbeitern vom Bundesamt für Statistik aus dem Jahr 2012 stammen und demnach die Lohnstudie der Studienabgänger von 2013 für einen Vergleich zeitnahe und somit am besten geeignet ist. Bei der Befragung zur Lohnstudie im Jahr 2013 nahmen insgesamt 7'478 Personen mit einem Studium an einer schweizerischen Fachhochschule im Studiengang Betriebsökonomie teil. Die Resultate aus der Befragung werden aufgrund des grossen Personenkreises der Befragten als signifikant eingestuft. Die Lohnangaben der kaufmännischen Mitarbeiter des Bundesamtes für Statistik stammen aus einer Stichprobe von rund 35'000 privaten und öffentlichen Unternehmen beziehungsweise Verwaltungen mit insgesamt rund 1.8 Millionen Arbeitnehmern. Die vom Bundesamt für Statistik zur Verfügung gestellten Datensätze sind sehr breit abgestützt und wurden vollumfänglich in die Berechnungen integriert.

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