Gebäudeversicherung Bern GVB

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Die Gebäudeversicherung Bern im Wandel der Zeit Von der Brandbekämpfung bis zur Klimaforschung

Mit Beiträgen von Adrian Altenburger, Christine Bär-Zehnder, Anne-Marie Dubler, Karin Frick, Matthias Holenstein, Oscar A. Kambly, Beat Kappeler, Dieter Schnell und Thomas Stocker

Haupt Verlag


Die Gebäudeversicherung Bern im Wandel der Zeit Von der Brandbekämpfung bis zur Klimaforschung

Grusswort Leben mit dem Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Johann N. Schneider-Ammann Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Ueli Winzenried Die Geschichte der Gebäudeversicherung Bern Von der Brandversicherungsanstalt zur modernen Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Anne-Marie Dubler Der Kanton Bern und seine Gebäudeversicherung Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Die grössten Schadensfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Versichertes Wohnen Solidarität im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Christine Bär-Zehnder Die Schweizer Risikowelt Was Experten und die Öffentlichkeit beschäftigt und wie wir damit umgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Matthias Holenstein Die Kraft der Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Oscar A. Kambly Als Monopol im Markt Die Gebäudeversicherung Bern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Beat Kappeler


Der Klimawandel Berner Forschung, globale Politik, lokale Herausforderungen . . . . . . . . . 121 Thomas Stocker Heizen, Kochen, Lüften Gebäudetechnik vom Kamin zum einergieautarken Haus . . . . . . . . . . . . 141 Adrian Altenburger Das Familienwohnhaus im Kanton Bern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Dieter Schnell Eine Branche im Umbruch Gesellschaft und Gebäudeversicherungen im digitalen Zeitalter . . . . . . 183 Karin Frick

Anhang Ein Zahlenmeer erzählt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Beat Kappeler Amtszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Kurzbiografien der Direktoren der Gebäudeversicherung Bern seit 1957 . . . 200 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Kurzbiografien der Autoren und Autorinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219



Grusswort Leben mit dem Risiko Johann N. Schneider-Ammann

Auf Nummer sicher gehen oder alles auf eine Karte setzen? Risikofreudigkeit ist nicht allen Menschen gegeben. Ich wage sogar zu behaupten, dass Risiko mehr und öfter mit Ängsten verbunden ist als mit Spass. Um diesen Ängsten zu begegnen, haben sich schon unsere Vorfahren entsprechend den jeweiligen Möglichkeiten abgesichert, in den letzten zwei Jahrhunderten vermehrt mit Versicherungen. Risiko­ management nennt man das heute. Man legt Kriterien fest, nach denen die Risiken erfasst, analysiert, eingestuft und bewertet werden. Und das sowohl seitens der Versicherten wie auch der Versicherer. Seit mehr als 200 Jahren versichert die Gebäudeversicherung Bern (GVB) Risiken. Gegründet wurde sie unter dem Namen Brandversicherungsanstalt des Kantons Bern. Zuerst konnten sich die Risikobewusstesten im Kanton freiwillig gegen Feuerschäden versichern, nach einigen Jahrzehnten wurde dann das Obligatorium eingeführt. Und immer mehr Risiken wurden in die Versicherung eingeschlossen. Manchmal nicht von Anfang an mit Versicherungspflicht. Heute umfasst die GVB – abgesehen von den Erdbeben – praktisch alle Elementarschäden. Und vieles, das nicht obligatorisch versichert ist, kann mit Zusatzversicherungen grossen Risiken entzogen werden. Muss man aus der wachsenden Zahl von Versicherungen schliessen, dass das Angstniveau in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist? Aus meiner Sicht kann ich das klar verneinen. Aber: Die grosse Mehrheit der Bevölkerung passt sich veränderten Situationen an und lernt rasch, mit akuteren Bedrohungen umzugehen, ohne ihr Leben dadurch bestimmen zu lassen. Konsequenterweise sichern sich Personen und Betriebe gegen Gefahren ab, wenn sich damit das individuelle oder allgemeine Gefühl von Sicherheit wieder merklich aufbauen lässt. Die Wiederherstellung des Unbedrohtseins ist ein menschliches Grundbedürfnis. Diesem Anspruch wird die GVB in vorbildlicher Weise gerecht. Längst schon beschränkt sich ihr Angebot nicht mehr auf das reine Absichern von Schadensfällen und Bedrohungen. Frühzeitig hat sie das Bedürfnis nach kompetenter Beratung – und insbesondere der Prävention von Schadensfällen – erkannt. Mit der

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Internet-Plattform hausinfo.ch, der Gründung der Jugendfeuerwehr Bern, der Lancierung des ersten Wetter-Alarms, der Durchführung des ersten nationalen Klimaforums vor zehn Jahren und weiteren Dienstleistungsangeboten, bewies sie Pioniergeist und Weitsicht. Gleichzeitig entwickelte sich die GVB in den letzten Jahren zu einem geschäftstüchtigen Unternehmen und dehnte ihre Aktivitäten mit ihren Tochtergesellschaften aus. Ich gratuliere der Gebäudeversicherung des Kantons Bern zu ihren erfolgreichen und innovativen Aktivitäten und bin überzeugt, dass sie auch in Zukunft die Zeichen der Zeit vorausschauend erfassen und so den Kundenbedürfnissen entsprechen wird. Risikomanagement ist – und Sie von der GVB haben das längst erkannt – eine Wissenschaft, die man nicht dem Zufall überlassen darf.

Johann N. Schneider-Ammann Bundesrat

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Editorial

Ueli Winzenried

Die Gebäudeversicherung Bern (GVB) hat eine über 200-jährige Geschichte. Sie gehört zu den bekanntesten Institutionen im Kanton Bern. Entstanden am Anfang des 19. Jahrhunderts, in den Jahren des politischen Umbruchs, hat sie ihre Geschäftstätigkeit als Brandversicherungsanstalt 1807 aufgenommen. Von Beginn an war diese Geschäftstätigkeit von einem genossenschaftlichen Grundgedanken und einer starken Solidarität zwischen den Hauseigentümern und der GVB geprägt. Diese erwiesen sich als Garanten, auch in Zeiten von Veränderungen und Krisen der Gemeinschaft der Hauseigentümer Sicherheit, Verlässlichkeit und Kontinuität gewähren zu können. Dabei wurde die Entwicklung der GVB von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen, politischen und klimatischen Faktoren beeinflusst. Die Umwälzungen im Kanton Bern, in der Schweiz und der Welt trugen dazu bei, dass sich die GVB einem stetigen Wandel ausgesetzt sah. Sie passte ihr Geschäftsmodell mehrmals den neuen Herausforderungen an, um das solidarische Grundmodell aufrechterhalten zu können. Die letzte Publikation über die GVB ist 1957 erschienen. Seither haben viele einschneidende Veränderungen stattgefunden, welche das Wesen der GVB ganz entscheidend geprägt haben, aber noch nicht umfassend dokumentiert wurden. Diese Lücke will das vorliegende Buch schliessen. Ein Unternehmen wie die GVB muss aus Vergangenem lernen und sich ständig mit aktuellen und zukünftigen Fragen beschäftigen, die Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit haben werden. Deshalb haben wir namhafte Autorinnen und Autoren beauftragt, aus ihrer Sicht verschiedene Themen zu beleuchten, die mit der GVB und ihren Aufgaben im Kontext stehen. Anne-Marie Dubler zeigt in ihrem Beitrag den langen Weg von der Brandversicherungsanstalt zur modernen GVB Gruppe auf. Er ist eng mit der Geschichte des Kantons Bern verbunden. Hier sind auch die Wurzeln des Feuerwehrwesens zu finden. Natürlich kommt das Thema des Versicherungsmonopols zur Sprache. Es besteht seit dem späten 19. Jahrhundert und verpflichtet die GVB, jedes Gebäude im Kanton Bern zu versichern. Im Gegenzug haben die Gebäudebesitzer ihrerseits

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ihre Versicherung bei der GVB abzuschliessen. Diesem Spannungsfeld rund um Obligatorium und Monopol geht Beat Kappeler in seinen Ausführungen nach. Was zeichnete Solidarität früher aus, was bedeutet sie heute für das Zusammenleben der Menschen und für den Einzelnen? Und wozu braucht es Institutionen wie die GVB? Zu diesen philosophischen Fragen nimmt Christine Bär-Zehnder Stellung. Matthias Holenstein erläutert in seinem Beitrag zur Risikowelt, was Experten und die Öffentlichkeit beschäftigt und wie wir damit umgehen. Dabei den Blick über den eigenen Tellerrand zu wagen, stellt ein wichtiges Erfolgskriterium einer zukunftsfähigen Gesellschaft dar. Nichts verändert derzeit Wirtschaft, Gesellschaft und Alltag so sehr wie die Digitalisierung. Was das für die Versicherungsbranche allgemein und für die GVB im Speziellen bedeutet, führt Karin Frick näher aus. Dass auch staatsnahe Institutionen gefordert sind, innovativ zu sein, postuliert Oscar A. Kambly in seinem Beitrag. Der Klimawandel ist auch in der Schweiz messbar und hat bereits zu sichtbaren Veränderungen geführt. Unser Land wird sich tiefgreifend verändern. Davon ist die GVB bereits betroffen und wird es auch in Zukunft sein. Lösungsansätze und Konsequenzen des UNO-Klima-Abkommens von Paris von 2015 präsentiert Thomas Stocker eindrücklich in seinem Beitrag zu diesem aktuellen Thema. Fragen rund um die Themen Wohnen und Gebäude sind aus naheliegenden Gründen zentral für die Tätigkeiten der GVB. Adrian Altenburger stellt uns die Entwicklung der Gebäudetechnik seit der Antike bis heute vor. Sie sind Abbild der generellen Technologieentwicklung und der gestiegenen Bedürfnisse nach Komfort und Sicherheit in den Gebäuden. Diese Veränderungen haben direkten Einfluss auf die künftige Entwicklung der GVB. Dem Wohnhaus als Ganzes widmet sich Dieter Schnell, und zwar speziell dem Familienwohnhaus. Er stellt ausgewählte architekturhistorisch interessante Einfamilienhäuser aus dem Kanton Bern vor. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre Textbeiträge und dafür, dass sie uns Einblick in ihre Sicht der Dinge gewähren. Ziel unseres Buches ist es, einen Diskurs über die GVB und ihr Umfeld zu ermöglichen. Dass dabei verschiedene Meinungen zutage treten, ist natürlich und beabsichtigt. Ganz besonders freut es uns, dass unser Berner Bundesrat, Herr Johann N. Schneider-Ammann, als Unternehmer, Politiker und Vorsteher des Eidg. Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung mit seinem Grusswort das Buch bereichert hat. Unser Dank geht ausserdem an das engagierte Projektteam unter der Leitung von Stephanie Kriesel, Leiterin Kommunikation GVB bis Ende 2017, und Stéphanie von Erlach, externe Projektleitung und Redaktion. Ohne ihren Einsatz wäre das Buch nicht zustande gekommen. Für die gute und professionelle Zusammenarbeit danken wir Matthias Haupt, Haupt Verlag, und Katarina Lang für die sorgfältige Aufbereitung des Materials. Für den prüfenden Blick von aussen danken wir Peter Martig, alt Staatsarchivar von Bern.

Ueli Winzenried Vorsitzender der Geschäftsleitung Gebäudeversicherung Bern

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Die Geschichte der Gebäudeversicherung Bern Von der Brandversicherungsanstalt zur modernen Unternehmensgruppe Anne-Marie Dubler

Die Gebäudeversicherung des Kantons Bern (GVB) 1807 bis 2017 Ein kurzer Überblick Die Geschichte der 1807 errichteten staatlichen Brand-Versicherungs-Anstalt Bern (BVA) war während über 200 Jahren aufs Engste mit der Geschichte des Kantons und der bernischen Bevölkerung verbunden. In dieser langen Zeitspanne lassen sich zwei markante Perioden unterscheiden: Während der ersten, zwischen 1807 und 1914, war der BVA durch ihre enge politische Anbindung eine gedeihliche Geschäftsführung erschwert, doch verhalf ihr ein treuer Kundenstamm gleichwohl zu Wachstum. In der zweiten markanten Periode, von 1914 bis 2010, übernahm die BVA/GVB – nun als eigenständige Rechtspersönlichkeit und ausgestattet mit dem Obligatorium und Monopol – zunehmend die bisher staatlichen Organisationen der Feuerpolizei in ihren Aufgabenbereich. Ab 2011 erweiterte sie ihr Geschäfts­ modell mit zwei am Markt tätigen Tochtergesellschaften für Zusatzversicherungen und Brandschutz-Consulting. Der Anfang war schwer, da weder die Existenz des 1803 geschaffenen Canton Bern noch das Überleben der freiwilligen und für 25 Jahre bloss provisorischen Versicherung gesichert waren. Das Nebeneinander von staatlicher, gemeindebasierter Feuerpolizei und der staatlichen Versicherung erschwerte die Verwaltung über Gebühr. Mit der 1881 durch Ratsentscheid eingeführten Risikoaufteilung auf eine Zentral- und 250 Nebenbrandkassen mit Mitspracherecht, wurde diese sogar zum organisatorischen Unikum der Schweiz. Trotz Kriegswirren und Konkurrenz durch fremde Brandkassen und lokale Bauern-Assekuranzen (1834–1881), trotz Grossbrandschäden und des geringen Rückhalts in der Regierung (1862), wuchs die Brandversicherungsanstalt hinsichtlich Anzahl der versicherten Gebäude und Gesamtversicherungskapital. Die Kunden der BVA vertrauten der gemeinnützig, auf Gegenseitigkeit beruhenden Versicherungstätigkeit und bekräftigten dies in der

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Volksabstimmung von 1914 mit einem Ja zur Einführung des Versicherungsobligatoriums für alle Gebäude im Kanton und des Monopols. Über ein Jahrhundert hatte sich die Berner Brandversicherung ohne dieses durchgeschlagen, für das sich – nach dem Muster des Kantons Aargau – elf Kantone bereits zwischen 1804 und 1812 entschieden hatten. In der zweiten markanten Periode, von 1914 bis 2010, behauptete sich die BVA/GVB im Umfeld zweier Weltkriege gegen Baubooms, explodierende Baukosten und Gebäudepreise, Krisen im Tourismus und Schäden durch Hotelbrände. Auf dem Fundament der soliden Finanzlage als Monopolistin holte sie vorerst nach, was sich die Versicherten schon vor Jahrzehnten gewünscht hatten – den Versicherungsschutz bei Elementar- (1927) und Hagelschäden (1942) und inte­ grierte diese in die obligatorische Brandversicherung. Steigenden Immobilienpreisen begegnete sie mit der Zeitwertversicherung (1943). Sie litt dabei ab den 1950/60er-Jahren bei steigenden Baupreisen zunehmend unter finanziellen Engpässen. Mit der Einführung der obligatorischen Neuwertversicherung (1971) konnte die BVA die erneut steigenden Baukosten ohne grössere Prämienerhöhungen in Grenzen halten. Das Versicherungsgesetz von 1971 bot der BVA die rechtliche Grundlage zur Sanierung: Mit der Auflösung der Nebenbrandkassen befreite sich die BVA von einem ihr durch die Politik aufgezwungenen komplizierten Abrechnungssystem. Zugleich setzte sie die zeitgemässe Umbenennung in Gebäudeversicherung des Kantons Bern (GVB) durch. In der Zeit nach 1990 zwangen die hohen Kosten der vom Obligatorium gedeckten Elementarschadensfälle die GVB zu Sensibilisierungsmassnahmen: 2007 stiess sie mit dem Nationalen Klimaforum in Thun die öffentliche Diskussion um den Klimawandel an und hält diese seit 2012 mit der Organisation des jährlichen Swiss Energy and Climate Summit (SwissECS) in Bern wach. Als zur Zeit der eidgenössischen Abstimmung über den Beitritt der Schweiz in den EWR Kritik am Versicherungsmonopol aufkam, begann die GVB, zur obligatorischen Grundversicherung fakultative Zusatzversicherungen (1993) anzubieten, und ab 2003 mittels Online-Diensten ihre Kunden in Versicherungsfragen rund um das Haus zu beraten. 2005 initiierte die GVB den Wetter-Alarm, der – mittlerweile ausgebaut – schweizweit zum Renner geworden ist. Gestützt auf das Versicherungsgesetz von 2011 vollzog die GVB die existenzsichernde Reorganisation, eine eigentliche Zäsur in ihrer Unternehmensgeschichte: Neben der obligatorischen GVB-Grundversicherung wurden mit «GVB Services AG» und «GVB Privatversicherungen AG» privatrechtlich organisierte, eigenständige Tochtergesellschaften geschaffen und diese in der GVB Gruppe vereint. Wettbewerbskonform bietet die GVB Privatversicherungen AG seit 2013 neue Versicherungsprodukte an, die auf die technische und digitale Entwicklung zugeschnitten sind. Feuer- und Elementarschäden sind auch bei modernen Installationen weiterhin über die obligatorische Versicherung gedeckt. Komplementäre Deckungen und bisher nicht versicherte Gefahren werden durch Zusatzversicherungen geschützt: So tragen diese fakultativen Produkte Naturereignissen wie Erdbeben Rechnung und sorgen für eine breitere Risikodiversifikation. Mit der Erdbebenversicherung verliess die GVB Privatversicherungen AG 2015 den Kantonsraum und vertreibt ihre Produkte schweizweit. Rund 20 Jahre nach den Diskussionen um das Versicherungsmonopol ist dieses in 19 Kantonen und Halbkantonen stets noch das tragende Element der meisten

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Gebäudeversicherungen. Nur in den sieben GUSTAVO-Kantonen (GE, UR, SZ, TI, AI, VS, OW) kümmert sich die Privatassekuranz um die Gebäudeversicherung – unter Wettbewerbsbedingungen und damit um 20 bis 50% über den vergleichbaren Prämiensätzen in den Kantonen mit Monopol. Die im Lauf des 20. Jahrhunderts von der GVB durchgeführten Aufklärungsund Präventionskampagnen sowie die in den letzten Jahrzehnten rundum professionalisierte Feuerwehr schafften Hausbrände im Kanton Bern nicht ganz aus dem Weg, reduzierten aber Anzahl und Schäden merklich. Gewachsen sind dagegen die vom Klimawandel verursachten Elementarschadensfälle, die ebenfalls von der GVB-Grundversicherung gedeckt werden. Publikationen zur Geschichte der GVB Die BVA veröffentlichte drei Publikationen zu ihrer Geschichte und Entwicklung. Verfasser der beiden ersten Publikationen – der «Denkschrift»1 von 1896 und der «Festschrift»2 von 1907 – war Notar Fritz Schwab (1851–1925), Verwalter der BVA von 1890–1923.3 Der ungenannte Mitverfasser der dritten Publikation, der Festschrift «150 Jahre Brandversicherungsanstalt des Kantons Bern»4 von 1957, war Notar Ernst Rufer (1897–1977), Verwalter der BVA von 1926–1962. Alle drei Publikationen sind mit Statistiken und Grafiken, die Festschrift von 1957 auch mit Abbildungen ausgestattet. Ihr Blickwinkel ist, wie von Firmenschriften erwartet, auf die Geschäftstätigkeit gerichtet. Nur am Rand wird die Verflechtung der 1807 entstandenen BVA mit der turbulenten politischen Geschichte des Kantons Bern erwähnt. Unerwähnt bleiben ihre Wurzeln, die in die Zeit vor 1798 zurückreichen. Unter diesem Blickwinkel verfasste der Historiker Quirinus Reichen aus Anlass des 200-Jahr-Jubiläums der GVB im Jahr 2007 die Publikation «Entfesselte Elemente. Katastrophenbewältigung und Solidarität im Lauf der Zeit».5 Die folgende Darstellung im Auftrag der GVB-Geschäftsleitung und ihres Vorsitzenden Ueli Winzenried legt den Fokus auf die enge Verflechtung der 1807 ins Leben gerufenen staatlichen Brandversicherungsanstalt mit der Geschichte des Kantons Bern beziehungsweise des mächtigen Vorgängerstaats «Stadtrepublik Bern». Hier werden wir auch die Wurzeln der Feuerwehr und der Brandversicherung finden.

Der Kanton Bern: Landschaften, Siedlungen, Wirtschaft und Bevölkerung Dem 1803 unter Frankreichs Protektion entstandenen Kanton Bern waren der Aargau und die Waadt als nun eigene Kantone abhanden­ gekommen; er erhielt dafür 1815 den grössten Teil des einstigen Fürstbistums Basel.1 Obschon der Kanton Bern nach Volksabstim­ mungen 1978 den Nordjura an den Kanton Jura und 1994 den Amtsbezirk Laufen an den Kanton Basel-Landschaft verloren hatte, muss er nach der Volksabstimmung vom 18. Juni 2017 per 2021 auch das Städtchen Moutier an den Kanton Jura abgeben; trotzdem ist er hinter Graubünden der zweitgrösste Schweizer Kanton. Er zählt zu den kontrastreichsten Kantonen bezüglich seiner Landschaften und Naturräume, die von den Kreten des Juras (Chasseral 1607 m) über das See- und Mittelland, den Napf (1408 m) und die Voralpen­ region bis zu den Gipfeln der Alpen (Finsteraarhorn 4274 m) reichen.

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Seine Wirtschaft ist vielseitig. Einen einheitlichen bernischen Wirt­ schaftsraum gibt es nicht. Mit der Agglomeration Bern verfügt der Kanton über einen kräftigen Wachstums-Pol, der Randregionen mit­ trägt, die zu den ärmeren der Schweiz gehören. Die heutige Situation ist das Resultat der politisch-wirt­ schaftlichen Umbrüche vom 18. bis 20. Jahrhundert, die in der Wirtschaft der bernischen Landesteile markante Verschiebungen auslösten. Vor 1800 hielt das Emmental mit Käsehandel und Lei­ nengewerbe den ökonomischen Spitzenplatz. Diesen errang 1830 das Mittelland, das vom Getreidebau zur marktorientierten Pro­ duktion samt Milchwirtschaft überging. Im Vallon de Saint-Imier begann nach 1830 die Uhrenproduktion, die sich von da in die ­Bezirke Moutier und Biel ausdehnte und die Uhrenindustrie ab Ende des Jahrhunderts zum Leitsektor des Kantons aufsteigen liess. Um 1860 war das tiefere Berner Mittelland ins Eisenbahnnetz

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­integriert. Doch die Industrialisierung blieb auf wenige städtische Modernisierungsinseln (Bern, Biel, Burgdorf, Thun) beschränkt. Ab 1890 löste ein Modernisierungsschub eine bis 1914 dauernde Pe­ riode der Prosperität aus. Der Aufschwung ging vom Bausektor, von der Maschinen-, Uhren- und Metallbranche und vom frühen Einstieg in die Elektrizität aus. Nach dem Bau erster Laufkraftwer­ ke (Flusskraftwerke) erfolgten um die Jahrhundertwende die elek­ trische Beleuchtung der Siedlungen und die Elektrifizierung der Bahnen. Mit den Bergbahnen entwickelte sich der Tourismus von In­ terlaken aus ins höher gelegene Oberland: Ab 1890 boomte der Hotelbau, die Hotellerie verdreieinhalbfachte ihr Bettenangebot. Mit dem Ersten Weltkrieg 1914 blieben die Ausländer aus. Die Tou­ rismusindustrie stürzte in eine Krise, von der sie sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg erholte. Nach Kriegsende kam die Wirtschaft rasch auf Touren; sie mündete in einen Bauboom mit hohen Wachs­ tumsraten und einer kaum existierenden Arbeitslosigkeit bis zur Erdölkrise von 1973. Im Jura aber brach die Uhrenindustrie unter der japanischen Konkurrenz mit Quarzuhren ein. Allein in Courtela­ ry gingen zwischen 1970 und 1990 84%, in Moutier sogar 94% der Arbeitsplätze verloren.2 Zwischen 1985 und 2016 verlagerte sich die Beschäftigung auf Kosten der Landwirtschaft und Industrie in den Sektor Dienst­ leistung, in dem drei Viertel der bernischen Beschäftigten tätig sind. Der Anteil des öffentlichen Sektors (öffentliche Verwaltung, Unterrichts-, Gesundheits- und Sozialwesen) an der Gesamtbe­ schäftigung im Kanton Bern lag 1910 bei 3720 Personen (1,4% der Erwerbstätigen), 2014 waren es bei 170 485 Beschäftigten hohe 27,3% (Schweiz: 23,7%).3 2016 war Bern der viertgrösste Export­ kanton der Schweiz: Die Bereiche Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie (31%) sowie Maschinen, Apparate und Elektronik (24%) machen zusammen hohe 55% der Auslandexporte der Ber­ ner Wirtschaft aus (dieselben Bereiche Schweiz: 37%).4 Mit 5,0%

der Erwerbstätigen behielt die bernische Landwirtschaft einen ver­ gleichsweise hohen Stellenwert (Schweiz: 3,1%). Jede der heutigen fünf Verwaltungsregionen des Kantons Bern hat ihr eigenes wirtschaftliches Profil: Die Verwaltungsregion Bern-Mittelland zeigt Stärken im Dienstleistungssektor mit der öf­ fentlichen Verwaltung, dem Bildungscluster und dem Gesundheits­ wesen. Im Oberland konzentrieren sich die Tourismusbranchen und die Landwirtschaft. In der Verwaltungsregion Emmental-Ober­ aargau sind Landwirtschaft und Industrie, darunter der Maschi­ nenbau, stark vertreten. Der Jura bernois und das Seeland verfügen erneut über eine starke Stellung in der Metall-, Präzisions- und Uhrenindustrie.5 Das Versicherungswesen besteht mittlerweile aus einem un­ übersehbaren Feld an nationalen und internationalen Institutionen und Angeboten. Hierzu hatte der Kanton Bern früh eigene Beiträge an Versicherungsanstalten geleistet, die sich auf die Hilfestellung bei Katastrophen ausrichteten – auf Gebäudebrände, die auch das Mobiliar vernichteten, und auf die Deckung von Unwetterschäden: Es waren die 1807 entstandene BVA, heute GVB, die 1825 gegrün­ dete «Berner Versicherungsgesellschaft gegen Hagelschäden» so­ wie die 1826 von Murten nach Bern verlegte «Mobiliar-AssekuranzKasse», heute «Die Mobiliar».6 1874 war die genossenschaftliche «Emmental Versicherung» mit Hauptsitz in Konolfingen entstanden, die in ländlichen Regionen bis in die Ostschweiz expandierte.7 Die 1909 in Bern gegründete «Berner Rückversicherungsgesellschaft» wandelte sich 1922 zur «Allgemeinen Versicherungs-Aktien­ ge­ sell­schaft» und entwickelte sich ab 1951 als «Berner Allgemeine Versicherungsgesellschaft» mit breitem Angebot (u. a. Unfall-, Haft­ ­pflicht-, Feuer-Sach-, Transport- und ab 1955 auch Lebensversi­ cherung) zu einem blühenden mittelständischen Unternehmen, das nach einer Übernahme 2002 in der «Allianz (Schweiz)» aufging. Anmerkungen s. Anhang.

Die Brandversicherungsanstalt Bern (BVA) im 19. Jahrhundert Die enge Verflechtung der kantonalen Gebäudeversicherung mit der turbulenten Geschichte des Kantons Bern prägte die Entwicklung der BVA ab ihrer Entstehung 1807. Ihre Wurzeln reichen indes in die Zeit der mächtigen Republik Bern, die – 1798 vom revolutionären Frankreich zerschlagen – als Kanton der Helvetischen Republik (1798–1803) ohne Waadt, Aargau und Oberland wie die übrige Eidgenossenschaft von französischen Truppen besetzt, geplündert und zur Stellung von Truppen gezwungen wurde. Der 1803 unter französischem Protektorat geschaffene Kanton Bern erbte mit den «Feuerordnungen» der Republik Bern eine eingeübte Organisation von staatlichen Massnahmen zur Brandverhütung und -bekämpfung sowie Bauordnungen zur Prävention von Feuersbrünsten. Die Idee zu einer staatlichen BVA lieferten die in der Berner «Ökonomischen Gesellschaft» vereinten patrizischen Ökonomen. Die BVA von 1807 erweist sich damit ebenso als Kind des Ancien Régime wie des 19. Jahrhunderts.

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Die Vorgeschichte Die Feuerordnungen des 18. Jahrhunderts hatten einen langen Entstehungsweg: Wohl keine Stadt und kein Dorf war im Lauf der Zeit von Feuersbrünsten verschont geblieben. Unter allen Katastrophen, welche Siedlungen heimsuchten, richteten besonders Hausbrände immense private und kommunale Schäden an und forderten Todesopfer. Feuersbrünste entstanden bis ins 20. Jahrhundert durch böswillige Brandstiftung bei politischen Wirren, öfters aber durch Fahrlässigkeit im Umgang mit Feuer oder durch Naturereignisse wie Blitzschlag und Sturmwind (Föhn, Bise). Im Mittelalter wüteten in den dicht überbauten Städten zerstörerische Feuersbrünste. So brannte es in der Stadt Bern zwischen 1286 und 1309 vier- und zwischen 1367 und 1391 sogar siebenmal. Grosse Stadtbrände vernichteten ganze Stadtteile und forderten Menschenleben: So äscherte 1405 Berns grösster Stadtbrand fast zwei Drittel des überbauten Stadtgebiets ein und verursachte einen geschätzten Verlust von 600 Gebäuden und über 100 Tote.6 Dieser Brand geschah, obschon in der Stadt Bern seit dem Grossbrand von 1309 eine Baubehörde, das Bauherrenamt, beim Wiederaufbau der Bürgerhäuser für strenge Einhaltung der vom Rat erlassenen Bauordnungen zu sorgen hatte: Bei Neubauten wurden sogenannte Brandmauern als Brandschutz zwischen Nachbarhäusern ebenso zur Pflicht wie Ziegel- statt der Schindeldächer und Steinbauten statt Holz- und Fachwerkhäuser. Nach dem Stadtbrand von 1405 verschärfte der Rat die feuer- und baupolizeilichen Massnahmen: Er verfügte einheitliche Baulinien und die Verlegung von Werkstätten mit Feuerstellen sowie von Ställen und

1 Der grosse Brand von Bern 1405: Brandbekämpfung von Feuerleitern aus mit Feuereimern und Aare­ wasser.

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Scheunen in Randzonen. Er subventionierte Ziegeldächer und zahlte an Steinbauten. Tatsächlich blieb die Hauptstadt in der Folge von ähnlich grossen Feuersbrünsten verschont, die von der damaligen Feuerwehr mit ihrer primitiven Ausrüstung ohnehin nicht zu löschen waren (Abb. 1).7 Auch Landstädte und grössere Kirchdörfer waren wegen ihrer dichten Überbauung mit Holzbauten und Schindel- oder Strohbedachung von Bränden bedroht. Gekocht wurde am offenen Feuer, oft bei offenem Rauchabzug ohne Kamin. Brennbare Vorräte (Heu, Getreide, Brennholz) lagerten direkt im Haus oder in angebauten Holzschuppen. Brandprävention und Brandwehr lagen bei der städtischen oder dörflichen «Gemeinde» – der öffentlich-rechtlichen Körperschaft der Bürger.8 Ab dem 15. Jahrhundert zog der Rat von Bern als «Oberste Herrschaft» über ein wachsendes Territorium das Brandwesen an sich. Nach schweren Brandfällen in Landstädten oder Dörfern hatte der zuständige bernische Amtmann (Landvogt) den Wiederaufbau zu überwachen. Unter Anleitung wurde in Stein statt Holz gebaut, enge Gassen und Plätze wurden verbreitert, wie das Beispiel des Städtchens Aarberg zeigt. Dieses war Umschlagplatz für Fracht und Anlegestelle für Aareschiffe und bestand aus zwei Häuserzeilen um eine breite Marktgasse. Als 1419 die eine Häuserzeile niederbrannte und 1477 auch die andere, setzte man die neuerbauten Häuserzeilen zurück; daraus entstand der noch heute eindrücklich weite Marktplatz.9 Ab dem 16. Jahrhundert versah die bernische Obrigkeit die Stadtrechte wie jene für Wangen (1501) und Wiedlisbach (1516) mit einer «Feuerordnung» und mit Brandschutzregeln, die jährlich an der Gemeindeversammlung vorzulesen waren. Beim Wiederaufbau brandzerstörter Dörfer griff Bern mit Überbauungsplänen ein wie in Madiswil (1547) und Roggwil (1560), die zu den früh regulierten Dorfanlagen zählen.10 Zur Brandverhütung inspizierten beeidigte «Feuerschauer» sämtliche Feuerstellen (Herd, Ofen, Kamin) eines Orts. Haushalte wurden mit Löschgeräten (ledernen Feuereimern, Feuerhaken und Leitern) ausgerüstet (Abb. 1). Nachtwächter hatten auf ihren Patrouillen das nächtliche Feuerverbot zu überwachen und im Brandfall den Feueralarm Fürio mittels Sturmglocke, Trommel oder Feuerhorn auszulösen.11 Darauf hatte jeder Bürger mit seiner persönlichen Ausrüstung, dem Ledereimer, zu erscheinen. Zum Korpsmaterial gehörten Feuerhaken, Leitern, Äxte, ab dem 16. Jahrhundert Handspritzen und ab dem 17. Jahrhundert tragbare, später fahrbare Feuerspritzen. Zum Schutz der geretteten Habe wurden obligatorische Fluchtorte (Kirche, Kirchhof, Stadtspital, Marktplätze) vor Plünderern ebenso bewacht wie die Brandstellen bis zur Räumung im Gemeinwerk.12 Im 18. Jahrhundert erliessen die Landesobrigkeiten Feuerordnungen für ganze Regionen – auch der Staat Bern, der als grösster Staat in der Eidgenossenschaft von Coppet am Genfersee bis unterhalb Brugg im Aargau und vom Jurasüdfuss bis in die Alpen reichte. und so ein landschaftlich und rechtlich vielfältiges, zweisprachiges Territorium umschloss mit einer Vielzahl an Verwaltungseinheiten – Landvogteien und Schaffnereien, Landgerichten und Privatherrschaften.13 Um die vielen lokalen Feuerordnungen kennenzulernen, beauftragte der Rat von Bern in den 1770er-Jahren seine Amtleute (Landvögte) mit der Ermittlung der lokal geltenden Brandschutzmassnahmen. Die von ihnen erarbeiteten Feuerordnungen wurden den betroffenen Gemeinden vorgelegt. Diese hatten innert der gesetzten Frist ihre Zustimmung zum Entwurf oder allfällige Änderungen zu melden. Nach der Endredaktion in Bern gab der Rat danach als erster eidgenössischer Staat

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2 Die Stadtrepublik Bern im Ancien RĂŠgime – der mit Abstand grĂśsste Staat der Eidgenossenschaft.

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seine Feuerordnungen regionenweise im Druck. Die gedruckten Feuerordnungen berĂźcksichtigten die Besonderheiten einer Region. So etwa kĂźmmerte sich die Ordnung von 1783 fĂźr die getreidereiche Waadt um die Prävention von Bränden zur Erntezeit.14 Die Ordnung fĂźr den Oberaargau mit den Ă„mtern Wangen, Aarwangen und Bipp von 1787 legte Gewicht auf die Hilfeleistung unter den vielen DĂśrfern und Weilern mit Feuerreitern und Feuerläufern und fahrbaren Feuerspritzen, zu denen Wirte und MĂźller die Zugpferde stellten.15 Nur die Gemeinden des Amts Trachselwald konnten sich weder fĂźr eine Annahme noch fĂźr Ă„nderungen an dem ihnen zugesandten Entwurf entscheiden, da bei Bränden der weit abgelegenen EinzelhĂśfe die vorgesehenen Massnahmen ohnehin nichts nĂźtzen wĂźrden.16 Die gedruckten Feuerordnungen galten während der Helvetischen Republik und ab 1803 auch im Kanton Bern weiter. Brandhilfe war nachbarschaftlich organisiert: Nachbarn beherbergten Obdachlose und ersetzten verbrannte Habe. Die Hilfe lief im eigenen Ort sofort an und kam anderntags aus den benachbarten Gemeinden. Ab dem 15. Jahrhundert

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half die Landesobrigkeit einer betroffenen Gemeinde mit Privilegien: So erhielt Langenthal nach dem Brand von 1476 einen auf zwei Jahre befristeten Wochenmarkt.17 Üblich war die Erteilung von amtlichen «Brandbriefen», einer schriftlichen Authorisation, mit welcher Geschädigte auf teils weitläufigen Betteltouren (Brandbettel) Hilfsgelder sammeln und bei näher gelegenen Gemeinden um Brandsteuern (Bauholz und Geld) bitten durften. Bei Hofbränden wurden Bauernfamilien in ihrer Existenz getroffen: Sie verloren alles – Wohn- und Ökonomiegebäude, Saatgut, Ernte und Tiere –, die Brandsteuern reichten nirgends hin. Hier hakten die 1759 in Bern und in Zürich entstandenen «Ökonomischen Gesellschaften» ein:18 Beide Gesellschaften verfolgten das Ziel, über die Modernisierung der Landwirtschaft die Bauern besserzustellen. Ihre philanthropischen Mitglieder befassten sich daher mit Feuerassekuranz-Anstalten nach dem Vorbild von Versicherungen in deutschen Staaten. Zürich realisierte 1782 eine freiwillige Feuerassekuranz. In Bern verfasste der Ökonom und Gutsbesitzer Niklaus Emanuel Tscharner das Projekt einer freiwilligen staatlichen «Brandassekuranz-Cassa» zur genossenschaftlich-solidarischen Hilfestellung bei Brandfällen, das der Kleine Rat zur Überarbeitung an die staatliche Landesökonomie-Kommission überwies.19 Doch die bernische Brand­ assekuranz kam in den revolutionären Unruhen und der allgemeinen Desintegration im Staatsinnern nicht zustande. Mit dem Franzoseneinfall im Frühjahr 1798 brach die Republik Bern auseinander; ihr Territorium wurde besetzt, geplündert und zerschlagen. Danach bestand der helvetische Canton Bern bloss noch als Rumpfgebilde ohne Waadt, Aargau und Oberland, die zu eigenständigen Kantonen aufstiegen. Das Projekt einer Brandversicherungsanstalt war aber nicht vergessen: Die neue helvetische Regierung griff es auf und schlug eine Brandkasse für ganz Helvetien vor. Auch dieses Projekt überlebte die Wirren nicht. Vor den anrückenden Alliierten verlegte die Regierung ihren Sitz 1799 von Luzern nach Bern. Als die französischen Truppen abzogen, leitete ein föderalistischer Aufstand (Stecklikrieg) im Herbst 1802 das Ende der Helvetischen Republik ein.

Die ersten Jahrzehnte der freiwilligen BVA 1806–1834 Die Gründerjahre 1805 brachten sechs Vertreter aus dem Kreis der philanthropischen Ökonomen und des Berner Patriziats das schlummernde Projekt einer genossenschaftlich-solidarischen Brandversicherung wiederum aufs Tapet.20 Bei der Eingabe an den Kleinen Rat war Albert Friedrich Mutach, Mitglied des Grossen und Kleinen Rats und Finanzrat, federführend.21 Zur Absicherung des Risikokapitals sah die Eingabe eine originelle Lösung vor: Dieses sollte nicht durch jährliche Prämien geäufnet werden, sondern durch eine einmalige Zahlung von zwei Prozent der Gebäudeversicherungssumme – nicht in bar, sondern als jährlich zu verzinsende Hypothek auf dem Gebäude. Die Landesökonomie-Kommission lehnte diese Lösung jedoch ab, worauf die Initianten in einem zweiten Entwurf für die Kapitalgarantie den Versicherungszwang vorsahen. Die Idee dazu kam aus dem jungen Kanton Aargau, der 1804 die schweizweit erste kantonale Gebäudebrandversicherung schuf. Diese basierte auf dem Obligatorium der Feuerassekuranz-Societät des vormals vorderösterreichischen, nun aargauischen Fricktals, einer staatlichen Versicherung, die auf

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Die Anfänge der BVA fielen in eine schwierige Zeit. Napoleon Bona­ parte beendete den Verfassungskonflikt zwischen Unitariern und Föderalisten der Helvetischen Republik und erliess als Vermittler (médiateur) am 19. Februar 1803 die Mediationsakte. Mit diesem Grundgesetz kehrte die Eidgenossenschaft in der Mediationszeit (1803–1815) zum föderalistischen Staatsaufbau zurück. Der Kan­ ton Bern – einer unter 19 Kantonen – entstand neu mit dem Ober­ land, aber ohne Aargau und Waadt. Die von Frankreich diktierte bernische Kantonsverfassung trug wieder den Stempel des Obrig­ keitsstaats wie vor 1798 mit dem Vorrang der Hauptstadt gegenüber der Landschaft.1 Mit Schultheiss, Kleiner und Grosser Rat kehrten die Behörden nominell und personell zu den vorrevolutionären Zu­ ständen zurück. Beim Einmarsch österreichischer Truppen Ende 1813 erklärte der Grosse Rat die Mediationsakte als aufgehoben und Berns Behörden von 1798 zu rechtmässigen Regenten. Dies

weckte in den ländlichen Gebieten des Kantons Widerstand und löste im Oberland eine Rebellion aus, die 1814 bei Interlaken ­niedergeworfen wurde.2 Während der darauf folgenden Periode der Restauration (1815–1830/31) übernahm wieder das Patriziat die Regierung, welche die Waadt und den Aargau prompt zur Rückkehr unter die bernische Herrschaft aufforderte.3 Der Grosse Rat zählte wieder 299 Mitglieder – 200 aus der Hauptstadt und 99 aus den Landstädten und Amtsbezirken. Doch 1815 musste Bern gemäss dem Verdikt des Wiener Kongresses endgültig auf die Waadt und den Aargau verzichten. Der Bern als Ersatz zugewiesene Anteil am katholischen Fürstbistum Basel war wenig begehrt. In der nichtpat­ rizischen Stadtburgerschaft und vor allem in den Landstädten und der dörflichen Mittelschicht wuchs im Kanton Bern die Opposition gegen die Verfassung und das Wahlsystem.4 Anmerkungen s. Anhang.

3 Die «Verordnung zur Errichtung einer allgemeinen Brand-Versiche­ rungs-Anstalt für den Canton Bern» vom 28. Mai 1806.

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Betreiben von Kaiserin Maria Theresia 1764 gegründet worden war.22 Der Berner Grosse Rat verwarf das Obligatorium mit 70 zu 36 Stimmen und setzte zur Kapitalgarantie auf den freiwilligen Beitritt für eine verbindliche Probezeit von 25 Jahren. Das Ergebnis der Subskription liess sich sehen: Subskribiert waren insgesamt 5707 Gebäude mit einem Gesamtversicherungswert von rund 20 Millionen damaliger Franken. Knapp ein Fünftel der interessierten Gebäudeeigentümer stammte aus dem Umkreis der Hauptstadt.23 Nach längeren Debatten in den Räten errichtete der Kleine Rat mit der Verordnung vom 28. Mai 1806 die «Brand-Versicherungs-Anstalt» (Abb. 3), die per 1. Januar 1807 ihre Tätigkeit aufnahm.24 Die vom Staat für ein Provisorium von 25 Jahren geschaffene Brandversicherungsanstalt entsprach den Absichten ihrer Gründer und Vordenker eines gemeinnützigen Unternehmens, das auf Gegenseitigkeit beruhte und freiwillig war.25 Verwaltungskosten und Brandschadensvergütungen waren über die Prämienzahlung der Versicherten zu finanzieren – eine Staatsgarantie war ausgeschlossen, und Reserven und Rückversicherung waren nicht vorgesehen. Die Prämien waren erst am Ende des Versicherungsjahres zu zahlen. Damit waren Schwierigkeiten bei der Entschädigung von zwischenzeitlich brandgeschädigten Kunden absehbar. Die Anstalt unterstand als Zweig der Kantonsverwaltung der neugeschaffenen staatlichen «Brandassekuranz-Kammer» unter dem Vorsitz eines Kleinrats. Versicherten war verboten, ihre Gebäude doppelt, d. h. zusätzlich bei einer anderen Anstalt, zu versichern. Brandgeschädigte, die es versäumt hatten, der kantonalen Anstalt beizutreten, waren im Brandfall von der öffentlichen Brandhilfe ausgeschlossen. Bei Brandschäden leistete die Anstalt vollen Ersatz bis zur Höhe der Versicherungssumme – auch in Kriegszeiten und bei militärischen Aktionen mit Brandstiftung. Ausgeschlossen waren Blitz- und Explosionsschäden. Fahrlässig entstandene Brände wurden bestraft, aber die Entschädigung nicht gekürzt. Lag dagegen Brandstiftung durch den Eigentümer vor, gab es keine Entschädigung, auch nicht an die Hypothekargläubiger. Nur am Rand der Verordnung von 1806 wird man gewahr, dass sich der Kanton Bern in Sachen Feuerwesen eine doppelte Struktur leistete: Neu war nur die staatliche Brandversicherung. Für die Brandbekämpfung und Brandprävention dagegen war wie vor 1798 die gemeindebasierte Organisation der Landstädte und Kirchgemeinden ausschliesslich zuständig. So erfolgte die Einschätzung der zu versichernden Gebäude und die Abschätzung von Brandschäden kirchgemeindeweise durch eine Kommission unter dem Oberamtmann; der Amtsschreiber, ein Notar, führte den «Brandkataster» mit den versicherten Gebäuden pro Kirchgemeinde. Eine Gebäudeklassifizierung nach Risiko gab es nicht: Alle Versicherten entrichteten ihren Beitrag (Prämie) nach demselben Ansatz mit höchstens drei Promille der Versicherungssumme jeweils am Ende des Versicherungsjahrs. Das Einziehen der Beiträge bei den Gebäudebewohnern war Sache der Gemeindebehörden; die Gelder wurden dem Oberamtmann und von diesem dem Finanzrat abgeliefert. Da jede Änderung am Versicherungsangebot die politischen Hürden im Gros­sen Rat zu nehmen hatte, gingen nützliche Neuerungen im Gerangel zwischen Stadt und Land und den Vertretern von Ober- und Unterland unter. Dazu gehörten die von der «Naturforschenden Gesellschaft Bern» 1819 vorgeschlagenen Blitzableiter. Den 1826 vom Finanzrat gewünschten Beitritt des Staats zur eben gegründeten Hagelversicherung hiess der Grosse Rat halbherzig für zwei Jahre gut. 1806 war

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4 Die Selbstdarstellung der Berner Brandversicherungsanstalt von 1836 im Adressenbuch der Republik Bern von Christian Vollrath von Sommerlatt.

das Anliegen der Bauern nach einer Einbeziehung der Vieh- und Mobiliarversicherung in die Brandversicherung ungehört und unerfüllt geblieben. Erst 1830 genehmigte der Finanzrat eine Beteiligung des Kantons mit 100 Aktien an der 1826 in Bern niedergelassenen «Schweizerischen Mobiliarversicherung».26 In den turbulenten Jahren zwischen 1804 und 1812 entstanden auch in anderen Kantonen Brandversicherungen, die mehrheitlich wie Bern und Zürich auf

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­ orläufer-Organisationen des Ancien Régime aufbauten. Die Brandversicherung V des Kantons Aargau, 1804 als erste errichtet, wurde im folgenden Jahrzehnt mit ihrem Obligatorium zum Vorbild für die Brandversicherungen von elf Kantonen.27 Die Kantone Basel-Stadt und St. Gallen waren anfänglich wie Bern ohne Obligatorium. Vom Provisorium zum Definitivum Angesichts der feueranfälligen Holzbauweise mit Strohbedachung, die beispielsweise 1808 im Ackerbauerndorf Roggwil satte 87% der versicherten Gebäude ausmachte,28 war die Idee der gegenseitigen Unterstützung im Schadensfall bei der städtischen wie bei der dörflichen Bevölkerung gut angekommen. Ein Grossteil der Landbevölkerung war jedoch regierungskritisch; bei ihr stiess das neue staatliche Versicherungsinstitut auf Ablehnung. Im Oberaargau kam es in den Kirchgemeinden zur Gründung von Selbsthilfe-Verbänden, die Brandhilfe durch freiwil­ lige Kollekten oder eine Auflage auf das Vermögen versprachen. Mit der Bauern-Assekuranz der Gemeinde Attiswil entstand der staatlichen Anstalt sogar eine ernst zu nehmende Konkurrenz, die im Oberaargau rasch Anhänger gewann. Wie die Bauernschaft bereits 1806 gewünscht hatte, waren Mobiliarschäden in dieser Gebäudeversicherung eingeschlossen, und ihre Mitglieder leisteten ihre Beiträge nach einem Brand in Geld oder in natura (Holz, Stroh, Baumaterialien). Die Regierung sah in diesen Bauern-Assekuranzen, die sich ihrer Kontrolle gänzlich entzogen, eine Gefahr für ihre staatliche Brandversicherung. Deshalb unterband sie 1808 mit dem Verbot aller Privat-Brandversicherungsanstalten die unliebsame Konkurrenz kurzerhand.29 Die BVA aber wuchs im Zeitraum 1807–1834 kräftig an versicherten Gebäuden und an Versicherungskapital. Ohne grössere Brandkatastrophen blieben die Prämien niedrig:30 1807 Versicherte Gebäude 6 896 Versicherungskapital in CHF 20 200 000 1834 47 060 122 000 000

5 Das Städtchen Huttwil nach der Brandkatastrophe vom 8. und 9. Juni 1834: Am Morgen des 9. Juni sind 15 Scheunen (im Vordergrund), darunter die Zehntscheune, zerstört, von der südseitigen Häuserzeile mit 16 Bauten steht einzig eine Brandmauer, von den Steinbauten der Gasthäuser «Zwei Mohren» und «Krone», von Kirche und Pfarrhaus bleiben grössere Ruinen.

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Im Dezember 1831 lief das Versicherungs-Provisorium aus, doch die Politiker waren mit der neuen Staatsverfassung beschäftigt und scherten sich nicht um die Versicherung. Wie in anderen Kantonen ging die neue Bewegung der Regeneration (1830/31–1845) von den Landstädten und vom Bildungsbürgertum aus und richtete sich gegen die patrizische Regierung. Letztere dankte freiwillig ab, nachdem die Volksversammlung vom Januar 1831 in Münsingen eine Revision der Kantonsverfassung verlangt hatte. Die nun eingeführte Gewaltentrennung änderte das bernische Regierungssystem: Der Grosse Rat umfasste neu 240 Mitglieder. An die Stelle des Kleinen Rats trat der Regierungsrat mit 17 Mitgliedern. Auf dem Land hiess der Oberamtmann neu Regierungsstatthalter.31 1834 ging der Grosse Rat endlich an die Beratung des neuen Brandversicherungsgesetzes. Doch wichtige Neuerungen wie die Klassifikation der Gebäude nach Risiko blieben stecken – unterschieden wurde nur zwischen Hart- (Ziegel) und Weichdach (Stroh, Schindeln). Die alte Forderung der Bauernschaft nach dem Einbezug der Vieh- und Mobiliarversicherung in die Brandversicherung fand im städtisch dominierten Rat keine Gnade, trotz der in Bern niedergelassenen «Schweizerischen Mobiliarversicherung». Angesichts der guten Zahlen beschloss der Grosse Rat, die kantonale Versicherung wie bisher, nur ohne zeitliche Begrenzung, beizubehalten. Die Brandassekuranzkammer wurde aufgelöst und die Leitung der Anstalt kam an das Departement des Innern. Das revidierte Brandversicherungsgesetz wurde am 21. März 1834 vom Grossen Rat verabschiedet. Nur wenige Monate danach kam es im Städtchen Huttwil zur grossen Brandkatastrophe. Während einer Dürreperiode setzte am 8. Juni 1834 ein mitter­ nächtlicher Blitzschlag eine Zehntscheune in Brand. Von Sturmwinden angefacht, breitete sich das Feuer rasend über die dreizeilige Stadtanlage: an 41 Gebäuden entstanden Voll- und Teilschäden.32 Das war bis dahin der grösste Schadensfall der noch jungen BVA (Tab. 1 s. Anhang). Was hier geschehen war, war das von der bäuerlichen Landbevölkerung längst schon gefürchtete Klumpenrisiko der eng überbauten Landstädte und Dorfkerne: Wenn es in den engen Häuserzeilen brannte, verschlang deren Wiederaufbau das einbezahlte Prämiengeld der Versicherten, Reserven waren keine vorhanden. Deshalb kehrten die Bauern der BVA den Rücken und schlossen sich lieber einer Bauern-Assekuranz an, die nur nach einem Brand Geld oder Baumaterial forderte. Das vom Grossen Rat verabschiedete Brandversicherungs­gesetz vom 21. März 1834 trat auf 1. Januar 1835 in Kraft. Es spiegelte die Haltung der bäuerlichen Grossräte, deren Wähler gegen die staatliche BVA und für die Privatassekuranzen waren. Unter den Neuerungen waren drei brisant: 1. Aufhebung des Verbots von Privat-Versicherungen, 2. Obligatorium für öffentliche Gebäude des Staats und der Gemeinden und 3. Kürzung der Entschädigung bei fahrlässiger Verursachung eines Brandes.33 Vor allem die nun wieder zugelassenen privaten Gebäudeversicherungen behinderten in der Folge die Entwicklung der BVA und trieben diese an den Rand des Ruins und der Aufhebung.

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Kurzbiografien der Autorinnen und Autoren Adrian Altenburger Prof., wohnhaft in Weinfelden, Co-Instituts- und Studiengangleiter. Er absolvierte nach der Berufslehre zum Gebäudetechnikplaner und dem Abschluss der Berufsmittel­schule in ­Zürich das Studium zum Gebäudetechnikingenieur am Zentral­ schweizerischen Technikum Luzern (1985–1989). In der Folge schloss er ein Nachdiplomstudium in Unternehmensführung an der HWV Luzern (1995) und ein Masterstudium in Architektur an der ETH Zürich (2000) ab. Er arbeitete für die Elektrowatt Ingenieurunternehmung AG als Bereichsleiter und Projektingenieur in Zürich und Bangkok (1989–1998) und war Mitinhaber, Geschäftsleitungsmitglied und Verwaltungsrat bei der Amstein +Walthert AG in Zürich (1999–2015). Seit 2015 ist er CoLeiter des Instituts und des Studiengangs Gebäudetechnik und Energie an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur in Horw. Er ist Vizepräsident des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins und der Schweizerischen Normenvereinigung sowie Einzelmitglied der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften.

Matthias Holenstein, wohnhaft in Horgen (ZH), ­Geschäftsführer. Er studierte an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften in den Bereichen ­Risiko, Chemie und Klima (1992 –1998). Zusätzlich absol­ vierte er an der Fachhochschule Nordwestschweiz ein Nachdiplomstudium in Psychosozialem Management (2006 – 2008). Er arbeitete im Versicherungsbereich, bei EBP Schweiz AG und ist seit 2012 Geschäftsführer der Stiftung Risiko-Dialog. Er ist spezialisiert auf ­ Risikowahrnehmung, -kommunikation, Partizipation sowie Krisen­ management in Theorie und Praxis. Thematisch konzentriert er sich insbesondere auf ­Risikoaspekte neuer Technologien, der Digitalisierung sowie von Energiesystemen und auf den Umgang mit Natur­ gefahren. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer doziert er an der Hochschule Luzern und engagiert sich seit vielen Jahren als Milizoffizier im schweizerischen Krisenmanagement. Weiter ist er Stiftungsrat der Präventionsstiftung zum Schutz vor Naturgefahren sowie als Referent im In- und Ausland tätig.

Christine Bär-Zehnder, Theologin, wohnhaft in Riggisberg. Sie war während 16 Jahren Gemeinderätin in Riggisberg, davon während acht Jahren auch Gemeindepräsidentin (parteilos). Sie arbeitet in der Kirchgemeinde Wichtrach als reformierte Pfarrerin. 2016 erhielt sie einen «Swiss Award» in der Kategorie Politik für ihr Engagement in der Flüchtlingspolitik.

Oscar A. Kambly, wohnhaft in Trubschachen, Unternehmer. Er absolvierte ein Studium an der betriebs- und rechtswissenschaftlichen Fakultät in Bern und wurde Rechtsanwalt. In der Folge war er als Rechtsund Wirtschaftsberater tätig. Studien und Praktika führten ihn in die USA. Marketing- und Führungsaufgaben in der internationalen Konsumgüterindustrie im In- und Ausland waren dabei Schwerpunkte seiner Tätigkeit. Seit 1983 führt er die Familienunternehmung Kambly in der dritten Generation, seit 1985 als Eigner. Er ist Präsident des Verwaltungsrates der Kambly Holding AG. Zudem war er über eine lange Zeit Präsident der Vereinigung der Privaten Aktiengesellschaften der Schweiz, Präsident der Fédération des Industries Alimentaires ­Suisses (fial) sowie Mitglied des Vorstandsausschusses von Economiesuisse, Dachverband der Schweizer Wirtschaftsverbände. Er ist Präsident der landesweit bekannten Kunstausstellungen Trubschachen für Schweizer Kunst sowie der Stiftung «Kambly Fonds für notleidende Kinder».

Anne-Marie Dubler, Dr., wohnhaft in Bern, Historikerin und Archivarin. Geschichtsstudium an der Universiät Basel, Promotion 1968. In der Folge war sie Stellvertreterin des Staatsarchivars am Staatsarchiv Basel-Stadt (1968 –1972), Leiterin der «Luzerner Forschungsstelle für Wirtschafts- und Sozialgeschichte» am Staatsarchiv Luzern (1973 –1983), Editorin bernischer und aargauischer Rechtsquellen im Auftrag der Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins (1983 – 2009), Wissenschaftliche Beraterin für den Kanton Bern und Autorin beim Historischen Lexikon der Schweiz, HLS (1990 – 2013). Sie verfasste zahlreiche Publikationen (Mono­grafien, Aufsätze) zur Agrar-, Handwerks-, Verkehrs- und Industrie­geschichte, Rechts- und Verfassungsgeschichte sowie Herrschafts- und Ortsgeschichte. Karin Frick, wohnhaft in Thalwil (ZH), Leiterin ­Research und Mitglied der Geschäftsleitung des Gottlieb-Duttweiler-Instituts. Sie befasste sich seit ihrem Studium an der Universität St. Gallen in verschiedenen Funktionen mit Zukunftsthemen, gesellschaftlichem Wandel, Innovation und Veränderungen von Menschen und Märkten. Sie war als Chef-Redaktorin der renommierten Vierteljahresschrift «GDI Impuls» und als Geschäftsführerin der Schweizerischen Vereinigung für Zukunftsforschung (swissfuture) tätig. Im Auftrag namhafter Firmen analysiert sie Trends im Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich.

Kurz-Biografien der Autorinnen und Autoren

Beat Kappeler, Dr. h. c., wohnhaft in Hinterkappelen in der Gemeinde Wohlen BE. Er studierte Weltwirtschaft und Völkerrecht an der Universität Genf und schloss mit dem Lizentiat ab. Danach folgten Tätigkeiten als freier Wirtschaftsjournalist. Als Sekretär des Gewerkschaftsbundes betreute er Liberalisierungsdossiers (1977–1992). Seit 1992 ist er Wirtschaftskommentator, zuerst bei der «alten Weltwoche» und ab 2002 bei der NZZ am Sonntag. Von 1996 bis 2000 war er a. o. Professor für Sozialpolitik am IDHEAP der Universität Lausanne und Mitglied der Eidg. Kommunikationskommission. 1999 folgte die ­Ernennung zum Dr. h. c. der Universität Basel. 2013 erhielt er den Bonny-Preis der Freiheit.

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Dieter Schnell, Prof., wohnhaft in Bern, ist im Emmental aufgewachsen. Am Lehrerseminar in Hofwil liess er sich zum Volksschullehrer ausbilden. Danach studierte er an der Universität Bern Architekturgeschichte, Philosophie und Psychologie. In den 1990er-Jahren assistierte er bei Prof. Dr. Kurt W. Forster am Institut für Geschichte und Theorie der ETH Zürich. Seit 2001 ist er an der Berner Fachhochschule als Dozent für Kulturgeschichte und Theorie sowie als Leiter des MAS Denkmalpflege und Umnutzung tätig. Daneben ist er Privatdozent am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern, amtet als Mitglied der Denkmalpflegekommission der Stadt ­Zürich sowie als Vorstandsmitglied von ICOMOS Schweiz. Er publiziert regelmässig über Themen der Berner und Schweizer Architekturgeschichte sowie über theoretische Fragen der Denkmalpflege.

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Thomas Stocker, Prof. Dr., wohnhaft in Bern, hat an der ETH Zürich 1978 doktoriert und danach in London, Montreal und New York geforscht. Seit 1993 leitet er die Abteilung für Klima- und Umweltphysik am Physikalischen Institut der Universität Bern. Diese ist weltweit führend in der Bestimmung der Treibhausgaskonzentrationen anhand von Eisbohrkernen aus der Antarktis und der Modellierung von vergangenen und zukünftigen Klimaänderungen. Thomas Stocker ist seit 2017 Präsident des Oeschger Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern. Von 2008 bis 2015 war er ­Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe I des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Der Bericht, der unter seinem Vorsitz im September 2013 von 194 Ländern verabschiedet wurde, bildete 2015 die wissenschaftliche Grundlage für das Klimaabkommen von Paris. Thomas Stocker ist Autor und Mitautor von über 220 wissenschaft­lichen Artikeln und hat für seine Arbeiten den Dr. h. c. der Universität Versailles und der ETH Zürich sowie die Hans Oeschger-Medaille der European Geosciences Union erhalten. 2017 wurde er für seine Forschung zum besseren ­Verständnis der Komplexität des weltweiten Klimasystems und der sich abzeichnenden Klimaveränderungen mit dem Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist ausgezeichnet.


1. Auflage 2018 Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie verzeichnet. Mehr Informationen dazu finden Sie unter: http://dnb.dnb.de. Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016 – 2020 unterstützt. ISBN 978-3-258-08007-9 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2018 Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlags ist unzulässig. Herausgeberin  Gebäudeversicherung Bern (GVB) Interne Projektleitung  Stephanie Kriesel, Leiterin Kommunikation GVB (bis Ende 2017) Externe Projektleitung und Redaktion  Stéphanie von Erlach Inputs! Bern Korrektorat  Monika Pfaff, D-Gräfelfing Grafisches Konzept und Gestaltung  Katarina Lang | Buchgestaltung, Zürich Lithos  FdB Fred Braune, Bern Gesamtherstellung  Haupt Verlag Bern Umschlagbilder  GVB und SolarAgenturSchweiz. Printed in Germany www.haupt.ch

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