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Wildtiere in der Stadt

Wie Mensch und Tier durch Animal-Aided-Design in Zukunft besser zusammenleben

Tiere gehören ebenso zur Stadtnatur wie Pflanzen. Im Sinne unserer städtischen Lebensqualität sollten wir sie deshalb auch in Zukunft bei baulichen Maßnahmen berücksichtigen.

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Immer mehr Wildtiere in der Stadt müssen Neubauprojekten weichen. Dabei spielen sie für die Lebensqualität in urbanen Räumen eine wichtige Rolle, denn eine ausreichend biologische Vielfalt geht mit zahlreichen positiven Effekten für ihre Bewohner/-innen einher. Während die Integration botanischer Vielfalt in die Freiraumgestaltung gut gelingt und akzeptiert wird, stößt sie in Bezug auf bestimmte heimische Tierarten auf Ablehnung. Eine Lösung könnte künftig Animal-Aided-Design bieten.

Urbane Biodiversität Singvögel, Schmetterlinge, Igel, Eichhörnchen, aber auch Eidechsen, Fledermäuse, Spinnen und Waschbären suchen in der Stadt nach Lebensraum und Nahrung. Allein in Berlin zählt das Bundesamt für Naturschutz mehr als 17 000 Insekten-, 180 Brutvogel- und 59 Säugetierarten. Die Gründe für die Zuwanderung sind vielseitig: Einerseits bieten urbane Räume den Wildtieren durch die klein strukturierten und vielfältig begrünten Flächen geeignete Lebensstätten, ein wärmeres Klima und ein großes Nahrungsangebot. Andererseits sind der Klimawandel und anhaltender Verlust von Biotopen im ländlichen Raum Gründe für die Zuwanderung der Wildtiere. Die Stadt wird mehr und mehr zum Ersatzlebensraum für eine Vielzahl wild lebender Tiere.

Den tierischen Einwanderern steht allerdings ein zunehmender Bevölkerungszuwachs in den Städten und Umland-Kommunen entgegen, der verbleibende Grünflächen und Tiere verdrängt – für Tier und Mensch gleichermaßen ein Verlust, bei dem die Tiere ihre letzten Habitate und die Menschen den verbleibenden Zugang zur (Stadt-)Natur verlieren. Im Sinne des Konzepts der Umweltgerechtigkeit des Bundesministeriums für Umwelt und Naturschutz haben aber alle Menschen den Anspruch auf freien Zugang zur Natur. Wie können also Menschen und Tiere in der Stadt künftig zusammenleben?

Animal-Aided-Design Die Professoren für Ökologie Dr. Wolfgang W. Weißer und Dr. Thomas E. Hauck sowie ihre Studenten von

Großstädte sind nicht nur für uns Menschen ein begehrter Ort!

Buchtipp

Marie Parakenings Berliner Tiere Ein kleiner Guide für Naturbanausen & Stadtkinder Kulturverlag Kadmos Berlin, 160 Seiten, geb. 19,90 € (D), 20,50 € (A) ISBN 978-3-86599-472-1

der TU Freising haben gemeinsam mit Landschaftsarchitekten eine innovative Idee entwickelt, die schon bald weltweit unsere Städte zu Wildnisoasen werden lassen könnte: Animal-Aided-Design (AAD). Darunter versteht man die Einbeziehung der Bedürfnisse verschiedener Tierarten in die Planung und Gestaltung städtischer Freiräume. Gelingt die Integration botanischer Vielfalt in die Freiraumgestaltung mittlerweile recht gut, gibt es leider kaum Praxisbeispiele für eine Planung zum Vorkommen von Tieren im urbanen Raum. Diese Lücke soll die Planungsmethode Animal-Aided-Design nun schließen.

Das erste AAD-Projekt liegt mitten in München-Laim und wird sich vermutlich zu einem aufreibenden Experiment entwickeln. Neben einer Schrebergartensiedlung sollen als sozialer Wohnungsbau drei große Neubaublöcke inklusive Kita entstehen. Auf dem Grundstück haben eigentlich Igel, Fledermäuse, Grünspechte, Spatzen und andere Wildtiere ihre Heimat. Was soll aus ihnen werden, sobald die ersten Bagger anrücken? Vielleicht lassen sich die Ansprüche der Tiere ja in den Neubau integrieren. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, die Ansprüche einzelner Arten in den Vordergrund zu stellen und zielt auf die Integration dieser Bedürfnisse in die landschaftsarchitektonische und städtebauliche Entwurfsplanung ab, um damit neue urbane Naturbilder und -erfahrungen zu ermöglichen. Wie bei jeder Gartengestaltung und in der Landschaftsarchitektur wird auch bei AAD ein Naturbild neu entworfen oder ein bereits bestehendes rekonstruiert und für die Betrachter/innen zum ästhetischen Erleben. Das macht es für die Stadtbewohner auch kulturell attraktiv.

Tiere zum Entdecken, schon für die Kleinsten ab 3 Jahren.

Buchtipp

Katrin Wiehle Meine wilden Nachbarn – Tiere in der Stadt Beltz & Gelberg, 16 Seiten, Pappbilderbuch 15,- € (D), 15,50 € (A) ISBN 978-3-407-75493-6

Mit Tieren in einem Haus? Die Projektverantwortlichen sind mehr als kreativ, um allen gleichermaßen gerecht zu werden – von der Igelschublade über die Insektenwiese auf dem Dach bis hin zur Spechtlaterne. Dabei stoßen sie jedoch auf viele Hürden: Hygienevorschriften in Kitas, knappes Budget im sozialen Wohnungsbau oder Konflikte zwischen Mensch und Tier. So ergab z.B. eine deutschlandweite Umfrage unter Wohnungsbaugesellschaften zur Einstellung gegenüber Wildtieren, dass deren Akzeptanz in der Stadt höchst unterschiedlich bewertet wurde. Während Singvögel und Eichhörnchen ganz oben in der Beliebtheitsskala rangieren, sind Füchse, Tauben oder gar Waschbären eher unerwünscht. Im Hinblick auf die Bereitschaft, zukünftig die Integration wildtierfördernder Maßnahmen im Rahmen von AAD umzusetzen, würden die Bauunternehmen vor allem von der Gewissheit motiviert, dass dadurch die Wohnqualität für die Bewohner/-innen deutlich erhöht wird. Aber auch eine positive Imagebildung für die Unternehmen, welche durch einen Beitrag zum Arten- oder Klimaschutz gefördert wird, begünstigt die Durchführung von AAD. Ob ihr großer Plan aufgeht und zum Hoffnungsträger für Natur in der Stadt werden kann, wird sich zeigen müssen. Erfahren Sie dazu mehr im Beitrag „WG mit Wildtier – Neues Bauen in der Stadt“ im Rahmen der ARD-Themenwoche „Stadt. Land.Wandel – Wo ist die Zukunft zu Hause?“, der am Sonntag, den 7. November 2021, um 13.15 Uhr im Ersten läuft. Die ARD-Themenwoche vom 7. bis 13. November 2021 beschäftigt sich intensiv mit der Veränderung unserer Lebensverhältnisse und gibt in Spielfilmen, Dokus und Reportagen Denkanstöße und beantwortet wichtige Fragen. Weitere Themenfelder sind z.B. die Zukunft der Erwerbsarbeit, Zugang zu Bildungseinrichtungen und zum Gesundheitssystem, bezahlbares Wohnen, Barrierefreiheit sowie die Akzeptanz von Vielfalt.

Programmtipp

© Kulturverlag Kadmos/Marie Parakenings

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