KOMMENTAR „The American Dream“ – Mär oder Motiv?
Yonas Gebre Woldetsadik lebt den „amerikanischen Traum“!
E
r gehört zum konstituierenden Selbstverständnis der US-amerikanischen Gesellschaft: „The American Dream“ der amerikanische Traum. Der Aufbruch der ersten Siedler in die neue Welt war sicherlich getrieben von Armut, bisweilen Hungersnot (zum Beispiel in Irland die Great Famine in mitten des 19. Jahrhunderts), aus einem Europa unter absolutistischen Herrschern – aber eben auch (oder gerade deshalb) von unbändigem Freiheitsdrang und Optimismus. Mit nichts neu anzufangen, aus eigener Kraft zu Wohlstand zu gelangen und sich „vom Tellerwäscher zum Millionär“ empor zu arbeiten – diese Überzeugungen waren es, die mit dem Schritt ins 19. Jahrhundert Abertausende nach Amerika trieb (oder eben zog). Als bestes Beispiel hierfür gilt Johann Jakob Astor (1763-1848), eine gerade für Walldorfer historische Figur, zumindest wenn es um wirtschaftlichen Aufstieg und Erfolg geht. Tatsächlich bildete sich die Redewendung vom American Dream erst im beginnenden 20. Jahrhundert mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der rapide fortschreitenden Industrialisierung heraus, als die Bevölkerungszahl über den Zeitraum der Jahrhundertwende binnen 50 Jahren von weniger als 40 auf über 100 Millionen Menschen anwuchs. Dennoch findet sich sein „Geist“ schon in der Unabhängigkeitserklärung mit dem „Recht, sich ungerechten Herrschern zu widersetzen und eine eigene politische Ordnung zu schaffen“ und in der amerikanischen Verfassung mit dem „Recht auf ein Streben nach Glück“.
50 RC Premium 1/2015
Wer die Geschichte des äthiopischen Tennisstipendiaten Yonas Gebre Woldetsadik (siehe RC Premium II/2014, S. 6-16) verfolgt hat, den verwundert nicht, dass Yonas in den USA besondere Aufmerksamkeit zu Teil wird. Tatsächlich sendete ein US-Fernsehsender eine zweiteilige Reportage über den 18-jährigen jungen Mann, der mit seiner Familie in
einer illegal erbauten Elendshütte in Addis Abeba aufwuchs und sich über das Tennisprojekt der TDKET in zehn harten Lebensjahren zu einem Stipendium kämpfte. Diese Reportage können Sie auf Yonas´ Facebookseite oder im Internet unter www.tdket.org anschauen.
Wahrlich, dieser Junge strebte nach Glück, jeden Tag seiner Kindheit, die nach unserem Maßstab eigentlich nie eine war. Seit er schon als Jugendlicher mit Turniersiegen ein paar wenige Euro Preisgeld gewinnen konnte, war er der Ernährer seiner Familie. In seinen Jugendjahren erlebt man Yonas oft angespannt, unsicher und mit traurigem Blick. Heute sieht man das Glück in seinen Augen. Seit Herbst 2013 lebt Yonas am Lewis-Clark State College (LCSC) in Lewiston, Idaho, USA. Er studiert Business Administration und spielt für das LCSC-Team Tennis. Jetzt nicht mehr gewinnen zu müssen, damit seine Familie ausreichend zu essen hat, hat Yonas´ Motivation beim Tennis sehr verändert. Zuhause hat er für sich gespielt, in den USA denkt er über das Team nach: er spielt für das Team – für „sein“ Team. Seinen Abschluss möchte er später nutzen, um in die Berufswelt einzusteigen, Geld zu verdienen und vor allem, um Geld zu sparen, damit er letzten Endes wieder zurückkehren kann nach Äthiopien. Yonas erklärt, er habe ein Versprechen abgegeben, in seiner Heimat das Projekt zu unterstützen, das ihn dahin gebracht hat, wo er heute ist. Aber das ist nicht der einzige Grund für seine Rückkehr. Seine Familie sei das Wichtigste in seinem Leben. „Meine Eltern müssen sehen, was ihr Sohn gemacht hat. Ich meine, sie haben mir so viel gegeben, nun bin ich an der Reihe, etwas zurückzugeben.“
Über das Stipendium ist er überglücklich. „In einer College-Mannschaft zu spielen ist eine große Sache! Auch eine gute Ausbildung zu bekommen, neue Leute zu treffen.“ Yonas‘ Leben spielt sich jetzt in den USA ab, an der LCSC fühlt er sich gut aufgehoben. „Ja“, bestätigt er in der Fernsehreportage dem Reporter beim Interview, „ich lebe den Traum.“