RC Premium 1/2017

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TITEL Mensch und Besserwerden

Immer höher, immer weiter – immer schneller, immer mehr …? von Dr. Matthias Zimmermann

B

esser werden? Na klar! Kaum jemand, der nicht danach strebt oder davon träumt, bei dem, was er tut, sich zu verbessern. Die heutige Berufswelt macht dies unabdingbar. Unsere moderne Gesellschaft hat eine Kultur des Besserwerdens geradezu internalisiert. Dieses Streben zeigt sich auch im Sport – dabei keineswegs nur im Leistungssport, den wir im Fernsehen geboten bekommen. Nein, selbst der Breiten- oder sogar Freizeitsportler strebt danach, voranzukommen. Die Wachstumsökonomie fordert eine „Besserwerdgesellschaft“, ganze Berufszweige leben davon. Erziehungsund Kulturwissenschaftler, Fitness- und Managementtrainer, Gehirnforscher und Psychologen – all diese Fachleute verbindet eines: Sie wollen andere Menschen besser machen. Wir sollen besser leben als früher, gerne auch besser als andere (der Wettbewerbsgedanke lässt grüßen) – und wir wollen das auch. Das darf dann von außen auch so wahrgenommen werden. Also bitte: Besser gekleidet und gestylt, besser motorisiert und urlaubsgebräunt. Doch Moment mal! Gibt es eigentlich eine Allgemeindefinition für besser leben oder besser werden? Was verstehen Sie darunter? Ist es vielleicht sogar so, dass nicht jeder den Anspruch hat, das, was er heute tut, besser zu machen als gestern – und morgen besser als heute? Kaum einer aber wird die Frage, ob er morgen besser leben möchte als heute, verneinen. Wohl jeder wird mit „ja“ antworten – allenfalls verbunden mit der Gegenfrage: Was genau ist denn damit gemeint?

Besser denken und besser planen

Klara hat ein Ziel. Sie will abnehmen. Soweit, so gut. Hans steht vor einem endoprothetischen Eingriff und möchte mit seiner künstlichen Hüfte bald wieder fit werden. Verständlich! Klara kennt die Situation. Schließlich hat sie ja schon mehrfach versucht, ihre Figur zu verbessern (so wie andere schon oft versucht haben, das Rauchen aufzugeben). Hans hingegen begibt sich ins Ungewisse, in die Umstände eines hoffentlich einmaligen Ereignisses. Was sie unterscheidet? Einschlägige Erfahrung! Was sie verbindet? Sorge wie Zuversicht gleichermaßen. Trotz aller Ängste und Zweifel denken beide, sie werden ihre Herausforderung mit überdurchschnittlichem Erfolg meistern – also besser, als die meisten anderen.

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Man spricht hier bei von „Overconfidence Effekt“. Danach behaupten z.B. über 80 Prozent der französischen Männer, überdurchschnittliche Liebhaber zu sein. Der statistischen Logik nach dürften das aber nur 50 Prozent sein. Die Chance sowohl für Klara als auch für Hans, auf dem Weg zu ihrem Ziel besser oder schlechter abzuschneiden als der Durchschnitt, ist schon per Definition: „Fifty fifty“. Also was tun? Was wissen wir denn genaues über den Heilungsverlauf nach einer Hüfttransplantation? Und mit welcher Verbesserung des Körpergewichts darf man rechnen, wenn man die Figur nachhaltig verbessern will? Was heißt das genau, ein durchschnittlicher Erfolg? Ohne eine realistische Zielsetzung wird sich die Frage niemals beantworten lassen, ob ich mit meinem Vorankommen zufrieden sein darf oder nicht. Besser werden heißt, einem Ziel näher zu kommen. Doch wer den Hafen nicht kennt, für den ist kein Wind ein günstiger. Das Gebot der Stunde lautet: Planung – die gedankliche Vorwegnahme künftiger Zustände, Ereignisse und der Wege dorthin. Dazu braucht es vertrauenswürdige Begleiter, Menschen mit Expertise und Empathie. Gewarnt sei vor Traumtänzern und Gauklern, die statt operieren, therapieren oder „diätieren“ vor allem eines können: „Marketieren“! Es stellt sich also die ganz konkrete Frage: Wer kennt den durchschnittlichen Rehabilitationsverlauf nach OPs oder weiß Bescheid über den Normalverlauf des Gewichtsverlusts bei Abnehm- und Figurprogrammen?


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