Detailarbeit ist es unmöglich, aussagefähige Vergleiche zwischen gleichen Sequenzen aus unterschiedlichen DNAs zu ziehen. Nur durch dieses Prozedere lassen sich die Variationen zwischen unterschiedlichem menschlichem Erbgut herausfiltern, einer Erklärung zuführen und Interpretationen vornehmen, die zum Beispiel für die Entwicklung von Therapien grundlegend sind. Dazu baut die Forschung auf Kooperation und erhebt die Zusammenarbeit verschiedener Forscher auf der ganzen Welt zum Prinzip. Dieses Prinzip zeigt sich darin, dass alle Daten unmittelbar nach ihrem Entstehen in einer offenen Datenbank für alle Beteiligten zugänglich gemacht werden. Obwohl mittlerweile schon weitere große, spezifischere und kooperativ angelegte internationale Forschungsprojekte angelaufen sind, ist das „1.000 Genom Projekt“ für den Erkenntnisgewinn auf (zell-)biologischem und medizinischem Gebiet ein wissenschaftliches Jahrhundertphänomen: Es macht die Faszination menschlicher Vielfalt und individueller Einzigartigkeit in seiner genetischen Struktur beschreibbar.
Die menschliche Veränderung
Die Faszination, die Einzigartigkeit des Menschen in seinem Erbgut zu erkennen, motiviert zur Suche nach den Veränderungen des Genoms im Laufe eines menschlichen Lebens. Käme man dadurch dem Veränderungsprozess des Alterns auf die Spur, könnte man selbigem ein Schnäppchen schlagen – so die Hoffnung. Es gibt Wissenschaftler, deren Hoffnung bereits zu einer Überzeugung geworden ist: Sie rücken die Vision von Lucas Cranachs „Jungbrunnen“ in den Bereich des Möglichen. Dennoch: Wir altern – und das bereits ab der Mitte des dritten Lebensjahrzehnts, wenn die maximale Funktionsfähigkeit des Körpers erreicht ist. Und obwohl das Sterberisiko gesunken ist – die Gesellschaft ist insgesamt älter geworden (siehe Leitartikel im RC Premium III/2015) – blieb der individuelle Alterungsprozess unverändert. Ab Mitte zwanzig geht´s bergab! Dabei würden wir so gerne alt werden, ohne zu altern …! Also warum altern wir? Diese Veränderung, die jeder Mensch durchmacht, ist eines der größten ungelösten Phänomene der Wissenschaft. Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, hilft die Kenntnis des zellbiologischen Prinzips, das dem lebenden Organismus zugrunde liegt. Der Mensch, ständig enormen Belastungen ausgesetzt, erneuert sich permanent selbst – in unterschiedlichen Abfolgen. Während sich Herz-, Nieren- und Hirnzellen nur selten erneuern, wird zum Beispiel der menschliche Darm (Eingeweidezellen) während eines Menschenlebens quasi mehrfach ausgetauscht. Dass sich die Zellen der Haut, der Haare und der Nägel in sehr kurzer Zeit erneuern, merkt man an sich selbst am deutlichsten (Frisörläden und Nagelstudios leben davon!). Unser Bewegungsapparat – zum Beispiel die Knochen (alle 10 Jahre) und die Skelettmuskeln (alle 15 Jahre) – wird mehrmals im Verlauf des Lebens „totalrenoviert“.
10 RC Premium 1/2016