Mit dem Kopf durch die Wand Von Gerhard Dabi Es war in den Sommerferien 1973. Noch ein Jahr an der Fakultät für Zivil- und Industriebauten des Polytechnischen Instituts Klausenburg lag vor mir, und dann sollte ich als junger Bauingenieur irgendwo im Land verblöden. Man wusste nicht, wohin einen das Schicksal verschlagen würde, man war der staatlichen Planwirtschaft ausgeliefert. Meine Absicht war, in meine Heimatstadt Hermannstadt zurückzukehren, aber das war Wunschdenken. Die Ferien hatte ich in den letzten Jahren meist zu Hause, aber auch einige Male am Schwarzen Meer oder auf Bergtouren verbracht. Oft traf ich dabei Bekannte oder Verwandte, die aus der BunGerhard Dabi desrepublik Deutschland oder Österreich zu Besuch gekommen waren, es waren stets lustige und unbeschwerte Tage. Doch jedes Mal, wenn der Abschied nahte, waren es immer die gleichen Gefühle, die einen als Zurückbleibender beschlichen. Einerseits die fröhlichen, unbekümmerten Besucher, die sich schon auf die Rückkehr in die freie Welt mit all ihren Annehmlichkeiten freuten, und wir, die zurückbleiben mussten und bloß neidvoll davon träumen konnten, vielleicht auch einmal ohne Beschränkung reisen zu dürfen, andere Länder kennenzulernen, sich eine Scheibe vom westlichen Wohlstand abschneiden zu dürfen, ohne Angst, Meinungen äußern zu dürfen, eben frei zu sein. In diesen letzten Ferien meiner Studienzeit hatte ich mir in den Kopf gesetzt, auch einmal über die Landesgrenzen zu sehen, um zumindest ein bisschen die Welt zu erkunden. Natürlich war das, wenn überhaupt, bloß in die sogenannten sozialistischen Bruderstaaten möglich. Also war es für mich nahe liegend, zu versuchen, eine Reise in die DDR zu unternehmen. Ich hatte die Anschriften einer Vielzahl von Zufallsbekannten, Brieffreunden, aber auch Leuten, die aus Hermannstadt stammten und durch die Kriegswirren oder nach der Deportation nach Russland dort ansässig geworden waren. Zu meiner großen Überraschung bekam ich schon drei Wochen nach Antragstellung den Reisepass. Es wurde meine erste große Auslandsreise, abgesehen von einem Kurzbesuch als Kind bei einer Tante in Ungarn. In den drei Wochen war ich im südlichen Teil der DDR viel mit Zug, Bus und per Anhalter unterwegs, konnte viel Neues sehen und wurde überall herzlich aufgenommen. Ich kehrte heim mit dem Gefühl, etwas
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