Johann Steine
Handball-Ges·chichte(n} Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben ebnen Rumänien d~ Weg . .zum Gewinn von sieben Weltmeistertiteln
Johann Steiner Handbaii-Geschichte(n)
Copyright 2003 beim Autor Verlag der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien" ADZ International Press, Piata Presei Libere 1, 013701 Bukarest ISBN 973-8384-12-5 Druck: Concordia Bukarest Nachdruck, auch auszugsweise, und Übersetzung nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors
Johann Steiner
HandballGeschichte(n) Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben ebnen Rumänien den Weg zum Gewinn von sieben Weltmeistertiteln
ADZ Verlag Bukarest, 2003
Inhaltsverzeichnis Einleitung Vorwort.............. .......................... Beim Urspiel als "Spion" auf der Tribüne. Ausflug ins olympische Programm Der Krieg fordert sein erstes Opfer Schäßburg verliert seine besten Spieler Großtransfer über die Karpaten Matratzen für die Torhüter Die Frauen gewinnen die ersten Weltmeistertitel Vom Unbekannten zum Rekord-Hallen-Weltmeister Carl Schelenz: Briefe eines Hungernden Wilhelm Zacharias: In Garmisch-Partenkirchen und in Berlin gestartet Hansi Schmidt: Weltklasse auf der Königsposition Hans Georg Herzog: Autogramme für den Marathon-Olympiasieger Hans Moser: In der Jahrhundert-Sieben. Wilhelm Heidel: Aus dem Sprung die schönsten Tore geworfen Bruno Holzträger: Der Mann mit Olympia-Ausweis 16268 Josef Jakob: Weltbester Rechtsaußen der 60er Jahre Ernst Wolf: Der beste und berühmteste Torwart Rumäniens Tehnometal: Demontage des Vereins der Deutschen Anna Stark-Stäni~?el: Dreimal Welt- und siebenmal Landesmeisterin Irene Günthe-Kinn: Mit zwei WM-Titeln erfolgreichste Banater Spielerin Otto Tellmann: Meistertitel am laufenden Band eingefahren Roland Gunnesch: Als Abwehrstratege Garantzweier WM-Siege Hans Zultner: Der Mann, der Johnny Kunst im Weg stand Roland Wegemann: Drei Mannschaften ins Oberhaus geführt Kurt Wagner und Kurt Sauer: Zwei Freunde in CCA-Diensten Rudolf Jost: Zweimal Meister mit dem Armeesportklub Hans Hermannstädter: Nesthäkchen im Olympia-Aufgebot Anni Nemetz: Mit 18 Weltmeisterin Klaus Voik: Mit dem Personalaufzug in die Freiheit Reinhard Gottschling: Zweimal Titel und Pokal im Doppelpack gewonnen. Werner Stöckl: Zehn Jahre lang Weltklasse am Kreis Walther Meiterth: Mit 22 Meistermacher bei $tiinta Michael Redl: Durch Zufall den Weg ins Handballtor gefunden Peter Streitferdt: Zweimal mit Dinamo Kronstadt Meister geworden Gerlind Reip-Oprea: "Wo Gerlinde spielt, gibt es eine Meisterfeier" Hans Andrea Bretz: Pokalsieger mit Arsenal, Meister mit CCA Hans Zachari: Von der Leichtathletik über den Handball zum Fußball Martha Draser und Rudolf Haberpursch: Weltklassetorwart heiratet angehende Weltmeisterin Christine Metzenrath-Petrovici: Als letzte Deutsche von Bord gegangen Otto Schmitz: In Mediasch Meister, in Kronstadt Meistermacher Adam Fischer: Das "Wunder" von Mindelheim Walter Lingner: Mit 16 zum ersten Mal Meister Alexander Fölker: Die Diplome mit der Samaranch-Unterschrift sind weg Mora Windt und Fritz Martini: Weltmeisterin heiratet Landesmeister
7 8 10 13 17 21 25 28 31 34 38 42 49 56 63 68 71 76 81 84 90 93 97 101 104 108 112 117 120 123 129 135 141 144 148 151 154 158 161 164 167 170 177 180 184 186
Hjalmar und Edwin Sauer: Die Titel im Doppelpack gewonnen Thomas Wolf: Kurzer Heltauer Höhenflug Maria Scheip: Drei WM-Titel auf dem Konto Teodor Pascu und Franz Marschang: Der gute Geist von Perjamosch Edeltraut Franz-Sauer: Mit 20 auf dem WM-Siegertreppchen Karl Martini: Das olympische Feuer durch Großau getragen. Günther H. Schmidt: Zeiden stellt die erste Dorfmannschaft im Oberhaus der Frauen Gerd Stenze!: Der Weg ins Nationalteam war ihm verbaut Willi Schoger: Kirschners verlängerter Arm auf dem Platz Hermann Horst Niesz: Im Triumphzug ins Oberhaus Hans "Purschi" Schuster: Ligapokal und Vizemeisterschaft in Schweden gewonnen Angela Mo~u und Hans Huber: Der Handball führt sie zusammen Martha Sigmund und Richard Löw: Handhallerin trifft Handballer Dieter Christenau: Zum Methusalem der A-Liga aufgestiegen Rudolf Eder: Mit einem Perfektionisten auf Erfolgskurs Hans und Sepp Thierjung: Ein Aufstieg, der zu spät kam Erika Blahm- Klein: Die DDR im Alleingang besiegt Hans Burger: Fast bis zum bitteren Ende durchgehalten Sirnon Schobel: Vom Spielertrainer zum Nationalcoach Herbert Müller: Im Triumphzug ins Guinness-Buch der Rekorde Emil Haner: Start 1948 mit acht Spielern Heidrun Janesch: Titel und Pokale aneinandergereiht wie Perlen auf einer Schnur Dieter Fuchs: Jugendlandesmeister im Handball und Basketball Hans Maurer: Schütze vom Dienst beim ersten Nachkriegsmeister Irene Janesch-Oancea: Abschied mit einem Meistertitel und einem Pokalsieg Bernhard Roth: Mit dem Trainer und vier Kameraden über die Karpaten gewechselt Hans Franz: $antierul - Sammelbecken für deutsche Spieler Georg Gunesch: Aufbauhilfe in Temeswar Ralf Schnäp: Kreisläufer, Spielmacher und Kapitän Helmut Zikeli: Ein neuer Anlauf mit 64 Hermann Schmidt: Neuanfang auf dem Turnschulgrund Hans Göttfert: Von Heltau zum OSC Rheinhausen Richard Richter: Fogarasch-Ein großer Auftritt am Ende einer Ära Gustav Graef und Edmund Schiffbäumer: Bistritz stoppt den Hermannstädter Turn-Verein LianeRothund Walter-Schmidt: Das erste Länderspieltor für Rumänien geworfen Roswitha Neurohr-Fuchs: Mit unverwechselbaren Seitfallwürfen zum Erfolg Edmund Heim: Großsanktnikolaus- Letztes Aufbäumen vor dem Ende Samuel Karres: Mediasch trägt sich als Dritter in die Meisterliste ein
190 194 199 202 213 216
323 326 330
Anhang Die Weltmeister auf einen Blick Die Olympiasieger auf einen Blick Statistik
333 333 334
221 227 233 235 240 244 248 251 254 257 262 268 270 273 276 279 284 287 290 292 294 297 302 304 308 311 313 315 319
Einleitung "Man trägt ein göttliches Gefühl in seiner Brust, wenn man erst weiß, dass man etwas kann, wenn man nur will." Diese Worte Friedrich Ludwig Jahns, des Turnvaters, passen auf die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, die in wenigen Jahrzehnten Glanzleistungen auf dem Gebiet des Handballs erbracht haben. Generationen von Sportlern haben sich in die Pflicht genommen, haben sich ins Zeug gelegt, haben ihr Bestes gegeben zur Freude der Zuschauer, der Handballfreunde. Banater und Siebenbürger Spieler, Trainer und Schiedsrichter haben bewiesen, dass sie etwas können, weil sie es wollen . Den älteren Generationen der Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen sind diese Erfolge noch in guter Erinnerung. Viele treffen sich noch regelmäßig, veranstalten Turniere, frischen Erinnerungen auf. Doch die Erinnerungen verblassen, alles droht in Vergessenheit zu geraten . Deshalb ist es gut, dass einiges aufgeschrieben wurde, was wohl unwiederbringlich verloren ginge. Liebe Sportfreunde, mit "Handball-Geschichte(n)" ist euch nach umfangreichen Recherchen ein Buch in die Hände gegeben, das euch unsere Leistungen in Einzelheiten vor Augen führt. Die Leistungen unserer Landsleute können sich sehen lassen, ich bin stolz, einer von ihnen zu sein. Einige Sportler und Trainer, die uns hier näher gebracht werden, waren für mich Vorbilder, von ihnen hat mancher etwas gelernt. Sie haben meine Laufbahn entscheidend beeinflusst und geprägt. Meine besten Wünsche gelten dem Autor und seinem gelungenen Werk. Hansi Schmidt
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Vorwort Dieses Buch ist der Versuch, eine kleine Handball-Geschichte vorzulegen, eine Geschichte, gespickt mit Geschichten. Sie handelt von jenen, die den Handball nach Rumänien getragen haben und deren Leistungen von denen, die davon profitiert haben, kaum genannt werden: von den Siebenbürger Sachsen und den Banater Schwaben. Es sind Geschichten von denjenigen, die dem Rumänischen Handball-Verband den Weg zum Triumphzug geebnet haben. Ohne eine Reihe von deutschen Spielern und Spielerinnen wären die insgesamt sieben Weltmeistertitel und die Olympiamedaillen, die Rumänien für sich verbuchen kann, nie zu gewinnen gewesen. Mit den Geschichten soll das gerettet werden, was unterzugehen droht. Mit diesen Geschichten werden Erinnerungen von Trainern und Spielern festgehalten, die größtenteils nirgendwo sonst vorzufinden sind. Das Buch soll ein Anfang der Aufarbeitung dieser Handball-Geschichte sein. Vielleicht findet sich der eine oder andere, der in die Archive des HandballVerbandes oder der Sporthochschule in Bukarest geht oder in Zeitungsbänden blättert, um einiges zu vervollständigen oder auch zu korrigieren. Doch die Statistiken und Berichte enthalten nicht die ganze Wahrheit. Sie sparen einiges aus, denn in jenen Jahren durfte in Rumänien bei weitem nicht alles veröffentlicht werden. Erinnerungen sind deshalb wichtig. Ein Teil der Geschichten ist in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien", in der "Banater Post" und in der "Siebenbürgischen Zeitung" erschienen. Sie wurden vervollständigt im Buch aufgenommen. Dieses Buch erscheint wahrscheinlich ein Jahrzehnt zu spät. Denn in dieser Zeit sind viele gestorben, die etwas zu erzählen gehabt hätten. Dennoch: Die vielen Gespräche mit ehemaligen Spielern und Trainern haben einiges ins rechte Licht gerückt, was bisher falsch dargestellt worden ist. Doch am wichtigsten ist, dass sehr viel Neues, Unbekanntes ans Licht befördert wurde. Auch über den Vater des Handballspiels steht Unbekanntes in diesem Buch. Bei den Recherchen sind mir zwei Briefe in die Hand gefallen, die Carl Sehelenz nach dem Krieg der Agnethlerin Marianne Wonner geschrieben hat. Es sind Briefe eines Verzweifelten, der im Nachkriegs-BerEn hungert und sich mit Wehmut an die gute Zeit erinnert, als er in Siebenbürgen für den Handball geworben hat. Das Vorhaben, das Kapitel Handball in Siebenbürgen und im Banat anzugehen, ist mehr als ein Jahrzehnt alt. Doch immer wieder habe ich es vor mir her geschoben. In der Zwischenzeit wollten schon andere meine Idee, die ich nie geheim gehalten habe, aufgreifen. Doch vom Wollen bis zum Verwirklichen liegt ein Stück Arbeit. 8
Im Juni 2001 ist es endlich so weit: Im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf treffe ich Hansi Schmidt, den Gummersbacher aus Marienfeld. Er ist mit Frau und Freunden gekommen, weil ihn das Thema interessiert, das an diesem Tag behandelt wird: die Verschleppung eines Teils der Banater Schwaben 1951 in die Donautiefebene (Baragan). Kaum habe ich meine Verbannungs-Geschichte vorgelesen, spricht Schmidt mich an. Er will eine Kopi~ des Vortrages haben, der den Titel "Wie dem Hund im Brunnen" trägt. Dann sprechen wir kurz vom Handball. Ein paar Wochen später bin ich bei Schmidts in Gummersbach. Die erste von mehreren Dutzend Geschichten steht. Den Sommerurlaub 2001 verbringe ich zu Hause. Die nächste Fahrt führt nach Düsseldorf zu dem Schäßburger Walter Lingner. Er hilft mit Informationen und Adressen weiter. Vieles habe ich auch Walther Maiterth zu verdanken, der viel über den Mediascher und Banater Handball zu berichten weiß. Doch auch einer Reihe von weiteren Spielern und Trainern bin ich verpflichtet. Dazu gehören: Wilhelm Zacharias, Dr. Hans Georg Herzog, Franz Reitz, Otto Schmitz, Edith Blahm-Klein, Karl Martini, Dr. Franz Marschang, Thomas Wolf, Hans Zultner und Reinhard Gottschling. Sie haben zum Zustandekommen dieses Buches beigetragen. Auf sich allein gestellt, ist der Schreiber nichts. Ein Journalist ist nur so gut wie seine Informanten. Ich hoffe, gute Informanten gehabt zu haben. Bei der Veröffentlichung dieser Geschichten habe ich bewusst mit einem journalistischen Grundsatz gebrochen: Ich habe die Berichte den Sportlern und Trainern zum Lesen vorgelegt. Damit konnten Fehler vermieden werden. Doch das hat auch einige bewogen, nach der Lektüre zu sagen, dieses oder jenes sollte nicht veröffentlicht werden. Es ist nur sehr wenig, was gestrichen werden musste. Leider sind es Schmankerl, die zur Auflockerung beigetragen hätten, das Salz in der Suppe eben. Auf einen, der Großes für den Schäßburger Handball geleistet hat, der aber zu den ganz Bescheidenen zählt, habe ich nicht gehört, weil ich überzeugt bin, dass dieses Stück Wahrheit nicht unterdrückt werden sollte. Er möge es mir verzeihen. Und noch etwas: Nichts ist perfekt. Wahrscheinlich auch das Inhaltsverzeichnis dieses Buches nicht. Es ist jedenfalls nicht als Wertung gedacht. Mit der Reihenfolge ist lediglich beabsichtigt, eine Mischung aus Siebenbürger und Banater Themen herzustellen. Ich hoffe, die ehemaligen Handballer haben dafür Verständnis. Danken möchte ich ferner Hansi Schmidt für die einleitenden Worte und meiner Frau Waltraud für das Redigieren der Texte. Johann Steiner, im September 2002
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Beim Urspiel als "Spion" auf der Tribüne Kein Ballspiel hat Rumänien solche Erfolge beschert wi~ der Handball. Der Aufstieg des rumänischen Handballs ist eng verbunden mit den Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben. Die Rumäniendeutschen sind die Wegbereiter des Siegeszuges, den der Handball in diesem Land erfahren hat. Sie führen die Handballregeln ein und verbreiten sie, sie machen das Spiel in den Landstrichen, in denen sie zu Hause sind, zum Massensport. Ende der 30er Jahre gibt es wohl keinen Banater Ort und keine Siebenbürger Stadt, wo nicht Handball gespielt wird. Der in Siebenbürger und Banater Städten und Dörfern eingeleitete Siegeszug des rumänischen Handballs gipfelt in dem Gewinn von vier Hallen-Weltmeistertitelnbei den Männern- das ist Weltrekord, den die Schweden erst 1999 einstellen,- und drei WM-Siegen bei den Frauen. Sieben Weltmeistertitel in 18 Jahren- von 1956 bis 1974 errungen. Der Triumphzug des rumänischen Männer-Handballs vom Nobody zum Rekord-Weltmeister dauert gar nur 13 Jahre: von 1961 bis 1974. Erfolgreicher als die Rumänen sind nur die Deutschen. Deutsche Herren-Mannschaften haben folgende Erfolge aufzuweisen: sechs Titel auf dem Großfeld und zwei in der Halle. In der Halle haben deutsche FrauenTeams vier WM-Erfolge gefeiert: die DDR drei und die deutsche Mannschaft mich der Vereinigung (1993) einen. Das sind insgesamt zwölf gewonnene Weltmeisterschaften. Nach Deutschland folgen Rumänien und Russland (Sowjetunion) mit je sieben WM-Triumphen und Schweden mit fünf Weltmeistertiteln. Während Rumänien vier WM-Siege den Männern zu verdanken hat, fahren für Russland die Frauen vier Titel ein. Die schwedischen Herren gleichen den von den Rumänen aufgestellten Rekord von vier in der Halle errungenen Weltmeistertiteln erst 1999 aus. Neben den vier Weltmeisterschaften in der Halle haben die Skandinavier eine 1948 auf dem Gr:oßfeld gewonnen. Werden jedoch die Siege bei Olympischen Spielen in die Erfolgsbilanz einbezogen, ergibt sich wieder ein anderes Bild. Die deutsche Bilanz wird durch einen Sieg 1936 und einen der DDR-Frauen 1980 aufgewertet. Die Russen haben fünf olympische Goldmedaillen auf ihrem Konto, drei von den Männern und zwei von den Frauen errungen. Die Jugoslawen können zu ihren zwei WM-Titeln- je ein Sieg der Männer und der Frauen - drei Olympiasiege hinzuzählen: zwei errungen von den Männern, einer von den Frauen. Der rumänische Handball ist im Sommer 2001 genau 80 Jahre alt geworden. Doch die Erfolge und Medaillen des Rumänischen HandballVerbandes drohen zu verblassen. Der Abschwung hat längst eingesetzt. Ruhm ist vergänglich. 10
Das Handballspiel ist kaum in Deutschland erfunden, und schon tragen Siebenbürger Sachsen das erste Spiel aus. Der Handball in Siebenbürgen und im Banat entwickelt sich fast im Gleichschritt mit jenem im Mutterland. Das erste Handballspiel zwischen zwei Männerrnannschaften findetarn 1. Februar 1920 in Berlin statt. Zwei Teams des Berliner Sportvereins Guts Muths stehen sich gegenüber und spielen nach den Regeln, die der Sportlehrer Carl Sehelenz und sein Kollege Erich König erfunden haben. Schelenz, der Vater des Handballspiels, setzt durch, dass diese neue Sportart obligatorisches Lehrfach an der Berliner Sporthochschule wird. Noch 1920 wird das Regelwerk veröffentlicht. Auf der Suche nach einer geeigneten Mannschaftssportart für Frauen arbeitet Oberturnrat Max Heiser bereits 1917 ein erstes Handhall-Regelwerk aus. Es verbietet jedoch noch jeden Zweikampf und das Laufen mit dem Ball. Der 1886 geborene Wilhelrn Binder, der von 1910 bis 1948 an Schulen in Hermannstadt lehrt und in einer Reihe von Vereinen tätig ist, sitzt an jenem 1. Februar 1920 in Berlin als "Spion" auf der Tribüne und bringt das Sehelenz-Regelwerk von der Studienreise aus Deutschland mit nach Siebenbürgen. Über das wohl erste Handballspiel in Rumänien berichtet das Hermannstädter Tageblatt im Frühsommer 1921. In dem· Bericht vorn traditionellen Schauturnen an der Brukenthalschule heißt es: "... das Korbballspiel konnte das Gymnasium 2:1 für sich entscheiden, während im Handballspiel die Realschule 1:0 die Oberhand behielt." Bereits vorher, 1912, ist Binder in Leipzig und wird mit dem Raffballspiel vertraut, in dem zwei Mannschaften um den Ball kämpfen. 1913 lanciert er dieses Spiel in
Coetus-Mannschafrdesßrukenrhal-Gymnasiums 1929. (stehend v.l.)Müller, WilhelmZacharias , Wilhelm Kirschner, Stift, Sepp Huber, Misch Rorhmann, (mirrlere Reihe) Paul Schießer, Ossi Schwarz. Tihor Forisch. (sitzend) Kurr Schijjbäumer, Walter Liehn und Thur 11
Hermannstadt Die Schülermannschaften, die er spielen lässt, treten, stoßen und werfen den Ball. Spieler krachen gegeneinander, die geschickten und starken kommen mit heiler Haut davon. Es ist ein Spiel, in dem zugleich Fußball, Handball, Rugby und amerikanischer Fußball zusammengewürfelt sind. Der Vater des Handballspiels, Carl Schelenz, ist nach den Olympischen Spielen, im Frühjahr 1937, zu Gast in Siebenbürgen, erinnert sich Wilhelm Heidel, der zur rumänischen Olympiamannschaft 1936 gehört hat. Binder kennt den Berliner Turnlehrer seit 1912 und kann ihn zu diesem Siebenbürgen-Aufenthalt bewegen. Er ist Gast des Hermannstädter Turnvereins. Nach Angaben des Nationaltorwarts Ernst Wolf führt Sehelenz die "schöne und moderne Spielweise" in Siebenbürgen ein. In Deutschland kommt es erst 1931 zu einer echten nationalen Meisterschaft, vorher finden drei Meisterschaften parallel statt, ohne dass ein deutscher Meister ermittelt wird. Die drei Meisterschaften werden ausgetragen unter der Regie der Deutschen Turnerschaft, der Deutschen Sportbehörde für Leichtathletik und des Arbeiter-Turn- und Sportbundes Deutschlands. Ein Jahr später wird auch die rumänische Landesmeisterschaft aus der Taufe gehoben. Kurz nach Veröffentlichung der Handballregeln wird das neue Spiel auch in Österreich eingeführt. Auch Ungarn, die Tschechoslowakei, die Schweiz, Polen, Belgien und Holland interessieren sich für den Sport, bauen Mannschaften auf und streben erste internationale Kontakte an. Am 13. September 1925 ist in Halle an der Saale eine Weltpremiere angesagt: Deutschland und Österreich stehen sich im ersten Handball-Länderspiel gegenüber, das die Gäste 6:3 gewinnen. Das erste Hallenhandball-Länderspiel wird zehn Jahre später .- am 8. März 1935- in Kopenhagen von Dänemark und Schweden bestritten. Auch diesmal siegen die Gäste, und zwar 18:12.
Ausflug ins olympische Programm Sieben Jahre nach Austragung des ersten Handball-Länderspiels in Berlin ist die neue Sportart in weiten Teilen Europas, aber auch schon in Amerika verbreitet. Die Handballer fühlen das Bedürfnis, sich zu organisieren. Eine gute Gelegenheit dazu bieten die Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam. Am Rande der Spiele wird die Internationale Amateur-Handball-Föderation (IAHF) gegründet. Ihr gehören elf Verbände an: Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Kanada, Österreich, die Tschechoslowakei, Schweden und die USA. Das Regelwerk des deutschen Verbandes ist inzwischen international anerkannt. 1928 wird in Hermannstadt die erste Schiedsrichter-Schule eingerichtet. Am 7. April 1933 wird der Rumänische Handball-Verband als Angliederung des Basketball- und Volleyball-Verbandes gegründet. 1936 wird der Handball-Verband selbstständig. Das erste Länderspiel trägt die rumänische Nationalmannschaft am 7. April 1936 anlässlich der Gründung des Rumänischen Handball-Verbandes aus. Sie besiegt Polen 6:4. In einem zweiten Spiel gegen die polnische Elf unterliegt sie 3:7. Dänemark und Schweden führen als Ersatz für die langen Wintermonate das Spiel in der Halle ein. Bereits 1934 werden auf dem III. IAHF-Kongress in Stockholm die schwedischen Regeln für die Halle akzeptiert, die diesem Sport ein völlig neues Gesicht geben werden. Hallenhandball ist vorerst
Die rumänische Delegation beim Einmarsch ins Berliner Olympia-Stadion 1936: Vorne die Funktionäre mit dunklen Ja cken , zweitervon rechts (hinten) Oki Sonntag und vierter von rechts der rumänische Gesandte Dr. Otto Herzog und ganz hinten die Handballer 13
noch ein Ersatz, der Feldhandball bleibt weiter mit seinem Ausflug ins olympische Programm 1936 und den ersten Hallen-Weltmeisterschaften 1938 in Berlin der König dieser Disziplin. 1938 findet auch die erste Großfeldhandball-WM in Berlin statt. Doch die erste Hallenhandball-WM setzt auch erste Zeichen der neuen Entwicklung. Das erste Hallenhandballspiel in Rumänien wird vermutlich 1934 in Obor ausgetragen, das erste in Siebenbürgen 1936 in der Hermannstädter Messehalle: Das Lehrerseminar unterliegt dem HTVMeisterteam 8:17. Der tschechische Vorläufer des Kleinfeldhandballs, Hasena, ist bereits Mitte der 20er Jahre im Banat gespielt worden, hauptsächlich von Frauenmannschaften. Verzeichnet ist ein 1924 ausgetragenes Spiel zwischen Temeswar und Hatzfeld. Mannschaften aus dem Banat, es gibt sie auch in Arad, Lugasch und Reschitza, treten in jenen Jahren auch gegen Teams aus Jugoslawien und der Tschechoslowakei an. Der Krieg wirft den Handball wie manch andere Sportart zurück. Der internationale Verband ist zerschlagen. Doch Dänemark und Schweden ergreifen 1946 die Initiative und gründen in Kopenhagen zusammen mit Finnland, Frankreich, Holland, Norwegen, Polen und der Schweiz die neue Internationale Handball-Föderation (IHF). Ihre erste Amtshandlung: Die Hallenhandballtore werden genormt auf drei mal zwei Meter. Und jetzt setzt sich der "kleine Bruder" gegenüber dem Großfeld durch, weil er einige Vorteile hat: Er wird in seiner Entwicklung immer attraktiver, schneller, artistischer und von der Witterung unabhängig. Außerdem sind weniger Spieler notwendig. Im Handball ist es nicht anders wie sonst im Leben: Der eine kommt, der andere geht. In Rumänien verläuft die Entwicklung ähnlich. Nachdem Binder die Regeln nach Siebenbürgen gebracht hat, beginnt sich das Handballspiel allmählich zu verbreiten. In allen großen Städten mit deutschen Einwohnern entstehen Handballmannschaften. Der Siegeszug des Handballspiels nimmt von Hermannstadt aus seinen Lauf über Kronstadt, Mediasch, Schäßburg, Agnetheln, Reschitza, Temeswar, Lugasch und Hatzfeld. Bald gibt es kein deutsches Dorf mehr im Banat und keine Stadt in Siebenbürgen ohne Handballmannschaft Das ändert sich, abgesehen von den Kriegsjahren, bis Ende der 70er Jahre kaum. 1924 führt der Sportlehrer Franz Ulrich den Handball an der StephanLudwig-Roth-Schule ein. Ulrich ist von Direktor Dr. Hermann Jekeli, der die Schule von 1912 bis 1933 leitet, aus Deutschland nach Mediasch geholt worden. Der neue Turnlehrer ist selbst aktiver Sportler. Er verlegt das Schwergewicht auf Geräteturnen und Leichtathletik und führt das Handballspiel ein. An freien Nachmittagen baut er zusammen mit den Schülern einen neuen Sportplatz. Wie Dr. Hans Zikeli, von 1940 bis 1944 Mediascher Bürgermeister, berichtet, hat höchstwahrscheinlich Ulrich den aufgeschlossenen Schuldirektor Jekeli inspiriert, sportliche Schülerwettkämpfe zu veranstalten. Die ersten finden zu Ostern 1925 statt. Die Schülermannschaft des Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums ist in den ersten Jahren unschlagbar. 14
Wie Zikeli ferner in seinem Buch "Die siebenbürgisch-sächsische Freistadt Mediasch" berichtet, wird Mitte der 20er Jahre an den übrigen deutschen Schulen des Landes nur wenig LeiChtathletik, Geräteturnen und Handball gepflegt. Sportlehrer Ulrich geht nach Deutschland zurück, sein Nachfolger wird Georg Zielke. Auf ihn folgt bald Rudi Liehr. Und zum Schluss wird Hans Breckner, ein Mediascher, Sportlehrer an der Stephan-Ludwig-RothSchule. Er hat die Hochschule für Leibesübungen in Bukarest absolviert und wird so manchen jungen Mann für den Sport und den Handball begeistern. In Temeswar wird das erste Handballspiel am 25. Mai 1931 anlässlich des Ersten Deutschen Pfingstsportfestes ausgetragen. Die Mannschaft des Realgymnasiums besiegt die der Lehrerbildungsanstalt 4:2. Hans Kehrer (Stefan Heinz), der aus Totina stammende Lehrer und Schauspieler, erinnert sich, dass Turnlehrer Paul Kindl das Handballspiel um 1930 an der Temeswarer Lehrerbildungsanstalt eingeführt hat. Doch anfangs sind lediglich Schülermannschaften gegeneinander angetreten. Ein 1931 oder 1932 auf dem Rapid-Platz ausgetragenes Spiel gegen eine Jugendgruppe aus Deutschland hat die Mannschaft des Lehrerseminars 2:12 verloren, erinnert sich Kehrer. Nach Hatzfeld beispielsweise bringen Studenten die Regeln aus Siebenbürgen mit. 1930 wird mit Hertha die erste Handballmannschaft in Hatzfeld gegründet. Erste Freundschaftsspiele trägt die Hertha gegen Rapid Temeswar, Germania Lugasch oder Perjamosch aus. In Reschitza stellt der
Der Deutsche Handlungshilfen-Verhand (DHV), die Mannschaft der Hermannstädter Handelsschule. vor einem Spiel gegen den Hermannstädter Turnverein ( HTV) , das 4:6 endet. Von links, stehend: Kapeller, Edwin Steilner, Wilhelm Mon·es, Rudi Schlecht, Fritz Halmen, Wilhelm Heide!, Szegedy, unbekannt, (sitzend) Fritz Hajfer, Stefan Zo//er, Kar! Haff'er 15
Arbeiterjugendverband 1934 die erste Handballmannschaft auf, die sich dem Arbeitersportklub SSMR anschließt. Erster Gegner ist die Lokalmannschaft SSUDR, ferner der Arbeitersportklub Lugosch. Zu den besten Handballern Reschitzas zählen in jener Zeit Hans Hauptmann, Eugen Fekete, Franz Krassnek, Josef Gedeon und Ernst Wist. Nach dem Krieg wagen Hauptmann und Wist den Neuanfang mit Spielern wie dem Schäßburger Paul Petri, dem Mühlbacher Hans Krassner, den Dettaern Hans Schütz und Dieter Jochmann und den Reschitzaern Eduard Töpfer, Hans Jendl und Johann Kudlimay. Trainer ist in jener Anfangsphase Josef Szucsik. Zweimal, 1959 und 1962, greifen die Reschitzaer ASK-Handballer nach dem Meistertitel. Beide Male werden sie Vizemeister. Auf dem Kleinfeld läuft es weniger gut. Nach mehreren vergeblichen Anläufen steigen die ASK-Handballer unter Trainer Dieter Jochmann 1973 in die erste Liga auf. In Arad wird einem Bericht der Zeitung "Stirea" vom 8. Juni 1928 zufolge bereits in den 20er Jahren Handball gespielt. Nach dem Krieg wird das Handballspiel in Arad weiter gefördert. Die Zeitung "Patriotul" kündigt am 13. Oktober 1947 ein Handballspiel zwischen IT Arad und 23. August Lugosch an. Zwei Tage später veröffentlicht das Blatt das Ergebnis dieses Spiels: Die Arader Mannschaft ist den Lugaschern mit 5:11 (3:6) unterlegen.
Der Krieg fordert sein erstes Opfer Trotz der relativ raschen Verbreitung des Spiels bleibt Hermannstadt mehr als zwei Jahrzehnte HandballHochburg. Die Mannschaften der deutschen Schulen sind eine unerschöpfliche Spielerquelle, aus der der Hermannstädter Turn-Verein (HTV) voll schöpft. Vom Start der Meisterschaft 1932 bis 1938 gewinnt der HTV sämtliche Titel insgesamt sieben. Das Finale der ersten Meisterschaft 1933 gewinnt der HTV mit 15:1 gegen den Arbeitersportklub Lugosch. 1939 stoppt der Bistritzer TurnVerein die Hermannstädter. Mit dem Olympiateilnehmer Fritz Halmen als Trainer gewinnen die Nordsiebenbürger den LandesmeistertiteL Danach gibt es wegen des Krieges keinen regulären Hans Krafft Meisterschaftsbetrieb mehr. 1942 wird als Meisterschaftsersatz ein Endturnier ausgetragen, an dem die Städte Bukarest, Mediasch, Reschitza und Ploie§ti teilnehmen. Sieger wird die Mannschaft des Mediascher Stephan-LudwigRoth-Gymnasiums. Der Erfolg wird 1943 gegen Viforul Dacia wiederholt. Doch mit einer Mannschaft, die mit Spielern aus Kronstadt (Heinz Krestel und P. Miess), aus Agnetheln (Hans Sill) und aus Schäßburg (Hermann Kamilli) verstärkt wurde, weil die meisten bereits an der Front sind. Auch international tritt der HTV in Erscheinung und unternimmt unter Hans Schuschnigs Leitung 1934 seine erste Auslandstournee in die Tschechoslowakei und nach Deutschland. 18 Spiele in 18 Tagen stehen auf dem Programm. In der Tschechoslowakei werden sechs Siege gefeiert bei vier Niederlagen. Einen Sieg verzeichnet die Mannschaft in Deutschland. Den größten Auftritt hat der HTV bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Dort vertritt eine fast ausschließlich aus Siebenbürger Sachsen bestehende Mannschaft Rumänien. Die meisten dieser Spieler stellt der HTV, insgesamt zwölf: Karl und Fritz Haffer, Robert Speck, Alfred Höchsmann, Fritz Halmen, Günther Schorsten, Wilhelm Heidel, Oki Sonntag, Hans Georg Herzog, Wilhelm Kirschner, Wilhelm Zacharias und Stefan Zoller. Jüngstes Mannschaftsmitglied ist der Hermannstädter Seminarist Hans Hermannstädter. Aufgestockt wird die Mannschaft mit den 17
Mediasehern Bruno Holzträger und Fritz Kasemiresch, dem Kronstädter Stippi Orendi und den Bukarestern Dragan Comanescu und Peter Fecsi. Dabei auch Dr. Hans Zikeli, der letzte Bürgermeister Mediaschs bis zum Umsturz 1944. Die Reise nach Berlin muss die Mannschaft selbst finanzieren. Das Geld wird mit Freundschaftsspielen eingenommen. Die Spielerkleidung der Nationalmannschaft ist vorhanden, doch eine Festkleidung für die Eröffnungsfeier fehlt. Dieses Problem wird einfach gelöst: Jeder Spieler zieht eine weiße lange Hose und ein Tennishemd an. Nach einer 20-stündigen Zugfahrt in der dritten Klasse erreichen die Olympia-Teilnehmer Berlin. Am Ankunftstag müssen sie um 13 Uhr zur Eröffnungsfeier aufs Marsfeld. Doch noch fehlen die eingeplanten Pullover. Sie sollen im Kaufhaus des Westens erstanden werden. Die Pullover sind rasch gefunden. Doch keiner hat Geld. Auch der rumänische Parlamentsabgeordnete Dr. Otto Herzog nicht. Doch Herzog erreicht bei der Geschäftsleitung, dass die Mannschaft die Ware auf Kredit bekommt, er hinterlegt seinen Diplomatenausweis. Das Problem ist gelöst. Weil die Zeit fortgeschritten ist, fährt die Mannschaft mit dem Taxi zur Eröffnungsfeier. Die Spieler nähen die Wappen selbst auf die neuen Pullover. Der Einmarsch kann stattfinden. Der am 8. Mai 1920 in Gary im US-Bundesstaat Indiana geborene Hans Krafft, der als Zweijähriger mit seinen Eltern nach Siebenbürgen kommt, erinnert sich heute noch an die Mannschaft des Mediascher Turnvereins, zu der er als 14-Jähriger gestoßen ist. In dieser Mannschaft spielt er zusammen mit den Olympiateilnehmern Bruno Holzträger, Fritz Kasemiresch, ferner mit Bruno Schobel, Ladislaus "Zun15 . Mai 1938 in Hermannstadt: Die Man nschaft des Schäßburger Turn vereins nach einem Spiel gegen den Kronstädter Turnverein, da s 8 :7 endet: (stehend) Hans Henning, Rudo lfFredel, Ha ns Marrini, Otto Rekker , Ha ns Maurer, Hans Wulkesch, (kniend) Helmutlt Groß , Frir z Adlejj: Juliu s Orend. Grau lich und Kurr Andra e 18
zi" Szöcs, Gerhard Kasemiresch, Otto Hahn, Pursch Lederer, Pi Connerth, Gerhard Schmidt, Hans Zikeli, Wilhelm Lapka und Karl Hermel. Fritz Kasemiresch, der zweite Torwart nach Stefan Zoller, kehrt von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin nicht mehr heim und beginnt in Ilmenau zu studieren. Er wird zu den ersten gehören, die im Zweiten Weltkrieg fallen. Wie sich Hans Krafft erinnert, ist er 1940 in Frankreich geblieben. Die Mannschaft des Turnvereins ist im wesentlichen so bis 1940 zusammengeblieben, dann rückt mehr als die Hälfte zur Waffen-SS ein, und zwar im Rahmen der 1000-Mann-Aktion. Auch Hans Krafft gehört dazu. Er kehrt nach der Kriegsgefangenschaft in Österreich nicht mehr in seine Heimat zurück. Er lässt sich in Hannover nieder, wo er seinen Beruf als Schriftsetzer ausübt und nebenbei Handball und Fußball spielt. 1936 kommt es auch außerhalb des olympischen Turniers zu mehreren internationalen Großfeldhandball-Begegnungen. Am 14. Juni spielt die deutsche Auswahl gegen eine Vertretung Mediaschs. Die deutsche Mannschaft siegt 20:1. Zwei Tage vorher besiegt die deutsche Nationalmannschaft die rumänische in Hermannstadt 10:8. Ein weiteres Länderspiel zwischen den beiden Mannschaften endet am 8. Juli 1939 in Bukarest mit einer 3:19Niederlage des Gastgebers. Bei der ersten Weltmeisterschaft im Großfeldhandball 1938 belegt Rumänien den fünften Platz nach Titelträger Deutschland, der Schweiz, Ungarn und Schweden. Zu den WM-Spielern, mit denen Trainer Hans Schuschnig nach Deutschland fährt, gehören Ernst Wolf, Alfred Höchsmann, Wilhelm Heidel und Wilhelm Kirschner. Torwart Wolf erinnert sich noch
Tehnometal 1951: v.l. Hans Humm el, Peter Huhn , Hans Metz, Franz Reitz, Michael Kühn, Han s Müller, J osefJün ger. Ha ns Decreon, Roland Wist, Leonhard Walzer und Ha ns Ortinau 19
an das Spiel gegen Schweden. Kurz vor Spielende liegt die rumänische Mannschaft noch mit 6:5 in Führung. Doch die Schweden werfen noch zwei Tore und gewinnen 7:6. Bei der bereits fünf Monate vorher in Berlin ausgetragenen ersten Hallenhandball-WM platzieren sich die vier Teilnehmer wie folgt: Deutschland, Österreich, Schweden und Dänemark. 1931 nimmt Schuschnig an einem Lehrgang der Internationalen HandballFöderation teil und wird internationaler Schiedsrichter. 1939 gibt es in Rumänien 21 Handballabteilungen mit mehr als 400 offiziell zugelassenen Spielern.
Schäßburg verliert seine besten Spieler In Rumänien wird gleich nach dem Krieg wieder Handball gespielt. Die erste Mannschaft nach dem Krieg heißt in Hermannstadt CFR, sie wird bald von Dembau übernommen. Die erste Nachkriegsmannschaft in Schäßburg ist Victoria und in Mediasch Karres. Die vier ersten Meisterschaften machen Siebenbürger und Banater Mannschaften fast unter sich aus. Den ersten Nachkriegsmeister stellt die neugegründete Mannschaft Victoria Schäßburg. Warum dieser erste Meister nach dem Krieg in keiner Statistik auftaucht, müsste noch ergründet werden. Der Meister 1946 ist eine Mannschaft, der ausschließlich Deutsche angehören. Die Macher sind Trainer Hans Kraus und einige Rumänen und Juden, "die jedoch begeistert bei der Sache sind", berichtet Walter Lingner, der dieser Meistermannschaft als 16-Jähriger angehört. 1947 wird Wilhelm Lapka mit Karres Mediasch die Meisterschaft für sich entscheiden. 1948 ist die Reihe wieder an Schäßburg, und zwar an dem Arbeitersportklub CSM, dem Nachfolger der Victoria.
Victoria Schäßburg , zweifacher Landesmeisterl948: (obere Reihe) Hermann Kamilli, Otto Schuster, Hans Zultner, Walter Schmidt, Walter Lingner, Rudolf Eder, Richard Löw, Moszes Balazs, Kar/ Adleff, Hans Theil, (mittlere Reihe) Emi/Twjan ( Obmann) ,Hans Kraus (Trainer), lngmar Weiß, Gerda Enygedy, Grete Sancu,llse Wonnerth, Cornel Papa (Vereinspräsident), Martha Siegmund, Liane Roth, Frieda Herberth, Ladislaus Bock (Obmann), Sandar Mehler, Ioa n Weber, (kniend) Wiltrud Wagner, Anna Sa neu, Stoia n, Edith Deppner, Hans Lehni, Adele Theil und Hermi Ehrmann
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1948 stellt Schäßburg nicht nur den Männer-, sondern auch den FrauenLandesmeister. Meistermacher 1946 ist Trainer Hans Kraus, von dem 1947 Rudolf Eder die Mannschaft übernimmt. Eder wird sowohl die Männer- als auch die Frauenmannschaft 1948 zum Titelgewinn führen. Es sollte ihr letzter Erfolg sein. Ein Jahr darauf stellt wieder Hermannstadt den Landesmeister im Großfeldhandball, und zwar mit Derubau unter ihrem Trainer Franz Monis. 1950 wird Arsenal Hermannstadt durch einen 2:1-Sieg im in Bukarest ausgetragenen Finale gegen den Armeesportklub CCA Pokalsieger. Wie Ernst Wolf berichtet, haben Wilhelm Kirschner und Wilhelm Schoger die Hermannstädter Treffer erzielt. Das Tor für die Bukarester wirft Rolf Csaellner. Die Meisterschaft 1950 verliert Derubau, das Spiel ist manipuliert, der Schiedsrichter hat seine Anweisungen. Ganz offen sagen die CCASpieler den Hermannstädtern, dass sie nach dem Pokalgewinn den Meistertitel abschreiben müssen. Damit ist die glorreiche Hermannstädter Handball-Ära beendet. Am 2. Juni 1950 verhaftet die Securitate die Schäßburger Rudolf Eder und Hermann Kamilli nach der Rückkehr von einem Spiel in Temeswar unter dem Vorwand, sie hätten sich despektierlich über Stalin geäußert. Ein paar Tage vorher war bereits Karl Adleff an den Donaukanal ins Straflager geschickt worden. Der wahre Verhaftungsgrund, so Eder: Sie brauchten Arbeitskräfte am Kanal. Im Frauen-Handball ist Mediasch nach dem Krieg tonangebend. Dort leisten Olympiateilnehmer Bruno Holzträger und sein Schwager Wilhelm Lapka ganze Arbeit. Die beiden nehmen sich des Handballs noch im Sommer 1945 an. Sie finden bei der Heimkehr aus dem Krieg bereits zwei Mädchenmannschaften vor: Karres und Vitrometan. Lapka und Holzträger gründen bei Karres die Herren-Mannschaft. In Mediasch gibt es kurz danach etwa ein halbes Dutzend Handball-Mannschaften. Die HerrrenMannschaft der Lederfabrik Karres wird mit Lakpa 1947 Landesmeister. Die Meistertitel in den Jahren 1949, 1950 und 1951 gehen an Mediascher FrauenTeams: Record, Zefirul und Flamura Ro;;ie. Doch auch auf dem Dorf wird gleich nach dem Krieg wieder Handball gespielt. In Lowrin in der Banater Heide beispielsweise, wo Anton P. Petri 1938 das Handballspiel einführt und die ersten Spiele gegen Temeswarer Banatia-Schüler vereinbart, werden 1946 Spiele gegen Mannschaften aus den Nachbargemeinden Bogarosch, Gottlob und Alexanderhausen ausgetragen. Das hat der langjährige Lowriner Torwart Franz Kernweisz in einer Statistik festgehalten, die von 1946 bis 1960 reicht und in der alle Spieler und Ergebnisse festgehalten sind. Zu den Spielern, die vor dem Krieg für Lowrin eingesetzt wurden, gehören neben Petri, Hans Saal, Peter Pflanzner, Jobb Kaspar, Adam Schnell, Hans Szekeres, Josef Appel und Anton Hügel. Auch in der Mannschaft von 1946 ist kein rumänischer Name zu finden. Die Spieler der neugegründeten Nachkriegsmannschaft sind: Heinrich Kernweisz, Anton 22
P. Petri, Matthias Heinrich, Johann Maurer, Josef S. Adorf, Ludwig Wehr, Josef Braun, Josef Werner, Nikolaus Rosier, Matthias Recktenwald, Johann Remich und Nikolaus Bartzer. Bis zum Jahr 1960 wird es in der Lowriner Mannschaft zwei rumänische Spieler geben. 1954 stößt Gheorghe Stanica zur Mannschaft und 1960 Rusu. Eine Frauenmeisterschaft wird in Rumänien erst nach dem Krieg aus der Taufe gehoben. 1945 wird in Hermannstadt über Nacht eine Mädchenmannschaft zusammengestellt, um am ersten Jugendpokal-Wettbewerb teilnehmen zu können. Sie gewinnt diesen Pokal und stellt den Stamm der ASK-Mannschaft. Ihr gehören an: Marianne Adami, Magda Draser, Anni Schuller, Lisbeth Bock, Rita und Jutta Haffer, Liese Kenst, Berta Klemens, Gudrun Loew, Anni Akerl und Marianne Fleischer. Den Meistertitel 1948 sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern gewinnt Victoria Schäßburg. In der Schäßburger Meistermannschaft stehen: Gerda Enygedy, Grete Sancu, Ilse Wonnerth, Martha Siegmund, Liane Roth, Frieda Berberth, Wiltrud Wagner, Anna Sancu, Edith Deppner, Adele Theil und Hermi Ehrmann. Im September 1947 entsteht bei Politehnica Temeswar eine Handballabteilung. Als Spielertrainer wird Georg Gunesch von Mediasch nach Temeswar geholt. Dass der damals beste Stürmer Rumäniens für Deutschland am Krieg teilgenommen hat, interessiert anscheinend keinen. Der Zweck heiligt die Mittel. Manche Deutsche braucht man eben, wenn sie dazu beitragen können, ein gestecktes Ziel zu erreichen. 1956 feiert Poli mit dem Gewinn des Meistertitels seinen größten Erfolg auf dem Großfeld. In den 60er und 70er Jahren ist Poli einige Male nahe dran, doch die Übermacht der Bukarester Klubs Steaua und Dinamo und entsprechende Absprachen zwischen den beiden verhindern einen Temeswarer Titelgewinn. Erst 1991 wird Poli triumphieren. Zwei Siebenbürger Trainer führen Poli zur Meisterschaft: Roland Gunnesch aus Denndorf und Otto Heel aus Bistritz. Der 1944 geborene Heel hat in Reschitza in der ersten Liga Handball gespielt. Nach Beendigung der Bukarester Sporthochschule wechselt er 1973 nach Piatra Neamt, wo er die Mannschaften des Schülersportklubs trainiert. 1978 übernimmt er Relonul Savine~ti. 1948 gründet Georg Gunesch bei Poli eine Mädchenabteilung, die 1949 Erhard Bonfert übernimmt. Von Herbst 1949 bis 1951 trainiert Waldemar Zawadzki die Poli-Mädchen. Dann wechselt er zu Tehnometal. Sein Nachfolger wird Walther Maiterth. Er gewinnt mit der Mannschaft 1953 den Landesmeistertitel durch ein 4:2 im Finale gegen ICEF Bukarest. Dieses Endspiel war der Auftakt zu einem für die damalige Zeit Aufsehen erregenden Fußballspiel zwischen der großen CCA-Elf und Dynamo Tiflis. Dann wird Maiterth gezwungen, zum Bukarester Armeeklub zu wechseln. Es soll der einzige Temeswarer Erfolg auf dem Großfeld bleiben. Zu diesem Erfolg tragen mit der am 6. November 1928 in Grabatz geborenen und in Temeswar aufgewachsenen Brunhilde Neurohr (sie ist am 2. Dezember 2001 gestorben), Anni Metz, Irene Günther, Edith Orban und Hedi Rabong gleich 23
fünf rumäniendeutsche Handballspielerinnen bei. Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre setzt der Niedergang des Großfeldhandballs ein. Das Spiel mit sieben Spielern auf dem Kleinfeld und in der Halle, weitaus spetakulärer, athletischer und kraftfordernder, ist im Kommen. Temeswar ist damals den anderen Handballzentren in Rumänien eine Pferdelänge voraus. Das behauptet Tiberiu Sfercociu, der beim Schülersportklub Banatul in Temeswar ein Leben lang für den Handball tätig war, am 17. März 1979 in einem Gespräch mit der Bukarester Tageszeitung "Neuer Weg". Eine Zeitlang setzt $tiinta noch die "alte Mannschaft" ein, zu der unterdessen mit Gerlinde Reip eine der perfektesten Spielerinnen gestoßen ist. Kurz darauf kommt mit Anni Nemetz eine weitere Klassespielerin dazu, die bereits 1962 Weltmeisterin wird, mit 18 Jahren. Inzwischen bildet der Schülersportklub Banatul junge Spielerinnen auf dem Kleinfeld aus. Mit ihnen wird der Temeswarer Frauen-Handball auf dem Kleinfeld in den 60er und 70er Jahren groß herauskommen. In dieser Zeit spielen beispielsweise neben Gerlinde Reip und Anni Nemetz Bandballerinnen wie Roswitha Neurohr, Edeltraut Franz, Angela Mo~u, Hermine Pozmor, Hedi Ziegler, Erika Loch, Eva Kaspari, Christine Metzenrath oder Hilde Hrivniak für Stiinta, später Uni. Von 1961 bis 1978 wird Stiinta/Uni Temeswar zehn Meister- und sieben Vizemeistertitel gewinnen. Sfercociu gehört in jener Zeit zu den Verfechtern der Nur-KleinfeldIdee. Die Erfolge des Banater Frauenhandballs in der Zeit nach der Umstellung aufs Kleinfeld erklärt er folgendermaßen: Der Temeswarer Handball schafft sich den Vorsprung, der für Jahre reicht, durch schnelles Umschalten. Die Temeswarer beteiligen sich nicht an der Diskussion um Groß- oder Kleinfeld, sie handeln. Kronstadt und Bukarest, die zu den Temeswarer Konkurrenten gehören, werden Jahre brauchen, um den Rückstand aufzuholen, obwohl die Siebenbürger Kontrahenten mit Dumitru Popescu-Coliba~i einen hervorragenden Trainer haben. Zweiter Trumpf der Temeswarer: Sie bauen mit geringen Ausnahmen- Gerlinde Reip und Edeltraut Franz - auf bodenständige Spielerinnen, die beim Schülersportklub Banatul und Stiinta/ Uni groß werden. Später, als Uni Spielerinnen aus dem ganzen Land in ihren Reihen hat, ändert sich das. Dazu Christine Metzenrath: "Wir hatten die besten Spielerinnen auf dem Parkett, doch nicht die beste Mannschaft." In Heltau trifft der am 8. August 1920 in Ploie~ti geborene Thomas (Tomi) Wolf im Frühjahr 1947 den Bistfitzer Rolf Csallner. Die beiden befreunden sich, und mit manch gutem Rat Csallners gelingt es Wolf, eine Handball-Mannschaft aufzubauen. Das erste Spiel findet bereits im Herbst statt, und zwar gegen Neppendorf. Der ersten Handballer-Generation nach dem Krieg gehören auch an: Rolf Csallner, Günther Reichardt, Fritz Neugebauer, Michael Groß, Gerhard Pelger, Viktor Jack, Karl Theil, Ernst Weiß, Hans Berger, Karl Mantsch, Hans-Peter Römer und Thomas Wolf. Im Frühjahr 1948 wird ein weiteres Spiel ausgetragen, diesmal gegen die Hermannstädter Derubau. Das Spiel geht klar verloren. Doch Wolf wird die Heltauer durch die Kreisklasse in die erste Liga führen. 24
Großtransfer über die Karpaten Die Zahl der Tricks und Mittel, die der Bukarester Armee- und der Polizeiklub anwenden, um Spieler für sich zu gewinnen, ist schier endlos. Der erste Streich gelingt dem Zentralen Armeeklub 1949: Franz Monis wird CCA-Trainer. Mit ihm gehen nach Bukarest: Bernhard Roth, Günter Müller, Günter Höchsmann, Horst Kremer und Adelbert Weidenfelder. Weitere Siebenbürger Spieler, hauptsächlich Agnethler und Schäßburger, und Banater folgen. Mit ihnen leitet Monis die nationale und internationale Erfolgsserie des Armeesportklubs ein. 1950 gewinnt CCA mit Schiedsrichterhilfe den ersten Titel, um ihn in den beiden folgenden Jahren erfolg- Gümer Müller reich zu verteidigen. In dieser CCAMeistermannschaft sind nicht mehr als vier nichtdeutsehe Namen zu finden. Vorher hatte Johnny Kunst eine Truppe Siebenbürger Sachsen um sich geschart, darunter Michael Brenner aus Agnetheln und Emil Haner aus Schäßburg. Dabei sind noch Istvan aus Mediasch, Tiberiu Balas und Lucian Tiganu§. Der am 5. April1926 in Schäßburg geborene Emil Haner erinnert sich noch an jene Zeit: Im Herbst 1948 wird er zum Militärdienst eingezogen. Nach sechsmonatiger Grundausbildung kommt er erst zur CCA-Sportgruppe, die nur sieben Handballer hat, einschließlich Spielertrainer Johnny Kunst aus Lugosch. "Wir haben damals alle Spiele in Bukarest gewonnen. Um elf Mann ins Feld schicken zu können, sind wir jedes Mal zu den Basketballern und zur Rugbymannschaft gegangen", erinnert sich Haner. "Und wenn wir ein Spiel nur mit 15 Toren Unterschied gewonnen haben, dann hat der Verantwortliche des Armeeklubs gemeckert." In der zweiten Hälfte des Jahres 1949 holt der Armeesportklub weitere Spieler nach Bukarest: Horst Müller und Johann Untch aus Schäßburg, Günter Reinhard und Rolf Csallner aus Heltau, Karl Zimmer und Bubi Mrasz aus Agnetheln. "Damit hatten wir eine richtige Mannschaft", sagt Haner, "mit ihr haben wir den Aufstieg aus der Distriktklasse in die erste Liga geschafft." Und dann erst ist Franz Monis mit den fünf Spielern aus Hermannstadt nach Bukarest gegangen. Mit diesem Coup hat der Armeeklub gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: den Meisterschaftskonkurrenten Derubau in 25
Hermannstadt geschwächt, sich selbst verstärkt und eine schlagkräftige Mannschaft aufgebaut. "Monis hatte damals nichts zu sagen, er hat nur das getan, was Johnny Kunst ihm zugeflüstert hat", sagt Haner. Die damaligen CCA-Gegner in der Distriktmeisterschaft Bukarest, Viforul Dacia und Telefoane, hatten nur Basketballmannschaften. Die haben bei Bedarf auch Handball gespielt, erinnert sich der am 12. Januar 1926 in Hermannstadt geborene Günter Müller. Der linke Verteidiger, der unter Turnlehrer Rudolf Schneider 1942 in der Schülermannschaft der Handelsschule in Kronstadt Handball zu spielen beginnt, verhilft mit den anderen Hermannstädter Derubau-Spielern unter Franz Monis CCA zu den ersten Erfolgen. Die Erfolge des Bukarester Armeeklubs auf dem Großfeld - CCA gewinnt sieben Titel- werden von Dinamo Kronstadt (1953 und 1958), von $tiinta Temeswar (1956), Dinamo Bukarest (1959 und 1963) und Chimia Fogarasch (1960 und 1962) unterbunden. In den Reihen des Temeswarer Meisters steht der junge Hans Maser, dessen Stern noch aufgehen wird. 1956 wird die Frauenmannschaft von Progresul Kronstadt Meister. In Kronstadt wird 1948 die Mannschaft des Traktorenwerks gegründet. Ihr gehören beispielsweise an: die Honigherger Misch Schappel, Hans Kloos, Gusti Mild und Peter Streitferdt. Dieser Mannschaft ist nur die von Dinamo Kronstadt überlegen, die ihre Spieler aus dem ganzen Land holt. Um eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen, verpflichtet Dinamo Kronstadt im
Meister CCA 1951: (von links) Günter Höchsmann, Walter Lingner, Johnny Kunst, Trainer Franz Monis, Kurt Wagner, Horst Kremer, Hans Zultner, (kniend) Adelherr Weidenfelder, Heinz Kartmann, Lucian Tiganu~. Hans Andreas Bretz, Romicti Platon, Günter Müller, (sitzend) Rudo/f Haherpursch und Otto Tellmann 26
Frühjahr 1950 Otto Schmitz als Trainer. Er wird die Mannschaft sechs Jahre lang betreuen. Doch Schmitz muss einen Teil seiner Spieler an den großen Bruder in Bukarest abtreten und eine neue Mannschaft aufbauen. Er holt Peter Streitferdt von Tractorul, Fritz Martini aus Mediasch, Heinz Krestel, Hans Zank und Ernst Pahan. Später kehrt Mozsi Balas aus Bukarest zurück. 1951 ist Dinamo Kronstadt Vizemeister hinter CCA. Die weiteren Erfolge des Otto Schmitz in Kronstadt drei Vizemeistertitel (1952, 1954 und 1955) und ein Meistertitel 1953. Um einen Titel wird die Mannschaft allerdings 1951 betrogen. CCA muss, so der damalige Dinamo-Trainer Otto Schmitz, mit aller Gewalt den zweiten Titel in Folge einfahren, damit die Verantwortlichen, Trainer und Spieler Meister des Sports werden und die damit verbundenen Begünstigungen einfahren können. Aber auch die Funktionäre des Handballverbandes profitieren davon, dass er eine Mannschaft mit Meistern des Sports stellt. Die Erfolge auf dem Großfeld können die Kronstädter auf dem Kleinfeld und in der Halle nicht wiederholen. Allmählich werden deutsche Namen in der Mannschaft selten. In den 70er Jahren gehören zu den Leistungsträgern der Siebenbürger Günther Schmidt, der die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in Montreal vergebens mitgemacht hat, denn er darf nicht mit, und die beiden von Tehnometal Temeswar nach Kronstadt geholten Ewald Kolleth (Marienfeld) und Niki Messmer (Sackelhausen). Über ein weiteres entscheidendes Spiel, in dem es nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, berichtet Peter Streitferdt. Es ist eine während des Ungarn-Aufstandes 1956 in Temeswar gegen Poli ausgetragene Begegnung. Zueinem Meisterschaftsfinale, das wenigstens im Westen einen Skandal ausgelöst hätte~ kommt es 1979. Am letzten Spieltag besiegt Poli in einem hartumkämpften Spiel vor 2000 Zuschauern in der ausverkauften Temeswarer Halle Steaua Bukarest. In einer Abwehrschlacht, in deren Mittelpunkt Roland Gunnesch steht, schlagen die Temeswarer eine Mannschaft, die von 1967 bis 1976 zehn Titel in Folge gewonnen hat, aber 1977 Dinamo Bukarest den Vortritt lassen musste. Steaua-Trainer Cornel Otelea, erfolgsverwöhnt, schäumt vor Wut, steht dem einzigen anwesenden Journalisten, er kommt vom "N euen Weg", nicht zur Verfügung. Die Temeswarer freuen sich, doch zu früh, denn es ist noch ein Nachholspiel auszutragen: Dinamo Bukarest gegen Steaua. Den Ausgang dieser Begegnung regeln der Innen- und der Verteidigungsminister unter sich. Dinamo muss das Spiel gegen Steaua verlieren, andernfalls ist Poli Meister. Poli-Trainer Constantin Jude bleibt nichts anderes übrig, als die Fäuste zu ballen. Vergebens, Steaua wird Meister.
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Matratzen für die Torhüter Der Abzug der vielen Spieler aus ·Hermannstadt, Agnetheln und Schäßburg nach Bukarest bedeutet einen gewaltigen Aderlass. Diesen Spielerverlust und die Umstellung vom Groß- aufs Kleinfeld und auf die Halle wird der Siebenbürger, und vor allem der Hermannstädter Handball so rasch nicht verkraften. Ganz erholen wird er sich von diesem Schock nie mehr. Der Aderlass macht den traditionsbewussten Sachsen anscheinend mehr zu schaffen als anderen Mannschaften. Für Hermannstadt bedeutet er den Abstieg aus der höchsten Spielklasse in die zweite Liga und den Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Die Umstellung auf Kleinfeldhandball ist für den Verband in Bukarest die Gelegenheit, dem Sportbetrieb in den Banater und Siebenbürger Hochburgen einen Dämpfer zu verpassen, sagt der Hatzfelder Roland Wegemann. In die neu geschaffene Liga werden aus dem Banat und Siebenbürgen nur noch ein paar Klubs zugelassen. Das Banat wird im Oberhaus mit Poli Temeswar und Tehnometal vertreten sein. An die Stelle der ausgebooteten Vereine treten allmählich Klubs aus Muntenien oder der Moldau: Galatz, Piatra Neamt oder Borze~ti. Der Nackenschlag, der demBanaterund Siebenbürger Handball versetzt wird, sitzt, macht sich jedoch erst später bemerkbar: Die Deutschen stellen im Laufe der Jahre der Nationalmannschaft immer weniger Spieler. Dass der gezielte Schlag jedoch durch den erhofften Auftrieb des Handballs in den anderen Landesteilen wettgemacht werden konnte, darfbezweifelt werden. Der Handball in Südund Ostrumänien ist nie das geworden, was er einmal im Banat und in Siebenbürgen war: eine Massenbewegung. Wichtig für die Entwicklung des Banater Kleinfeldhandballs ist der Umbau eines Teils der Siebenbürger Kaserne in Temeswar zur Sporthalle. Darin tragen zwei Schülermannschaften am 11. Februar 1951 das erste Hallenhandballspiel aus. Während Temeswarer Handballfachleute vermuten, das sei die Geburtsstunde des rumänischen Hallenhandballs, behauptet Hans Andreas Bretz, dass bereits 1950, während seiner CCA-Zeit, Kleinfeldhandball gespielt wird. Für die Torhüter werden noch Matratzen ausgelegt. Das erste Hallenhandballspiel in Rumänien wird vermutlich 1934 in Obor ausgetragen, das erste in Siebenbürgen 1936 in der Hermannstädter Messehalle: Das Lehrerseminar unterliegt dem HTV-Meisterteam 8:17. Zu diesem Spiel heißt es in der Handballchronik des Hermannstädter Seminars für die Jahre 1933 bis 1939: "In diesem Jahr ist von dem HTV hier in Hermannstadt das Hallenhandballspiel eingeführt worden. Als Spielhalle wird die Messehalle Nr. 1 benutzt. Das Hallenhandballspiel gleicht im großen ganzen dem RasenhandballspieL Doch ist durch die Einschränkung des Raumes bedingt, dass nur 7 Spieler mitspielen dürfen, die jederzeit 28
durch Ersatzspieler eingetauscht und ausgewechselt werden können. Die 7 Spieler sind folgende: 1 Tormann, 2 Verteidiger, 1 Läufer (Mittelläufer) und 3 Stürmer. Hauptpunkte der Spielregeln sind: es gibt kein Abseits, der Spieler darf nicht mehr als 2 mal 3 Schritte mit dem Ball laufen. Die Hauptsache ist flinkes Spiel, sichere Abgabe des Balles und Schlagfertigkeit der Spieler." Eine zwischen der rumänischen und der tschechoslowakischen Nationalmannschaft im Frühjahr 1951 auf dem Kleinfeld ausgetragene Begegnung hat Spieler wie Georg Gunesch, Erhard Bonfert und Constantin Lache begeistert, so dass im Herbst die erste Banater Hallenmeisterschaft mit 16 Teilnehmern ausgetragen wird. Es ist vermutlich die erste Hallenmeisterschaft in Rumänien überhaupt. Doch abgesehen davon, die Schwaben und Sachsen geben so leicht nicht auf. In Siebenbürgen erkennt ein Mann die Zeichen der Zeit und handelt. Hans "Purschi" Schuster will von einer Hermannstädter Handballkrise nichts wissen und kurbelt zusammen mit seinem LehrerKollegen Karl Martini die Siebenbürger Handball-Schmiede wieder an. Schuster gewinnt 1959 mit Vointa die erste und letzte rumänische JuniorenMeisterschaft auf dem Großfeld. Den Titelgewinn sichern folgende Spieler: Rudolf Klubitschko, Wolfgang Böhm (Tor), Günther Borger, Dieter Theil, Hans-Jörg Sigerius, Dieter Neumann, Dieter Stenze!, Klaus Stenze! (es sind
Die Mann schaft der Schäßburger Bergschule gewinnt 1963 den Schüler-Landesmeistertitel. Hier die e1jnlgreiche Man nschaft: (stehend von links) Reiner Reich , Mircea Hetrea , l on Neg ulescu , Manji-ed Marke!, Train er Han s Zultner. Fritz Blos. Roland Gunnesch , Kar! Halecksy , (h ockend) Dan Duca, Paul Woll. Constantin Panfr/ru und Otto Weber
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Gerd Stenzeis Vettern), Rolf Schnäp, Dieter Zikeli, Dieter Zinz, Helrnuth Schuller und Emil Pantasopol. In den kommenden Jahren wird Schuster weitere Titel mit Junioren- und Jugendmannschaften erringen. Spieler dieser Teams verstärken in den kommenden Jahren die Studentenmannschaften in Klausenburg, Jassy, Temeswar oder Bukarest. Ähnliche Leistungen vollbringt Sportlehrer Hans Zultner an der Bergschule in Schäßburg. Einer seiner Schüler ist Roland Gunnesch. In Temeswar formt der Triebswetterer Adam Fischer so manchen Handballer, der seinen Weg machen wird. Einer seiner Schüler ist Hansi Schmidt. Doch auch andere, die die Schulbank im ehemaligen Kloster in der Temeswarer Josefstadt gedrückt haben, werden einen Platz in guten Mannschaften finden. Josef Jakob bei Tehnometal Temeswar und anschließend bei Steaua Bukarest. Hans Huber aus Kleinsiedei wird bei Uni Temeswar, Poli Temeswar, Stiinta Lowrin und Gloria Arad spielen, der Königshafer Hans Maurer und der Marienfelder Ewald Fendler bei Poli Temeswar. Auch eine Reihe von Spielerinnen hat Fischer entdeckt: Er holt Gerlinde Reip aus Siebenbürgen ans Gymnasium in der Temeswarer Josefstadt. Dort ist auch die spätere Weltmeisterin Anni Nemetz seine Schülerin. Beide werden ihren Weg bei $tiinta/Uni Temeswar und in der Nationalmannschaft machen. Im selben Jahr, in dem Purschi Schuster Junioren-Meister auf dem Großfeld wird, holt der Temeswarer Schülersportklub Banatul mit einer Mannschaft, deren Spieler ebenfalls Erfolge feiern werden, den JuniorenHalien-Landesmeistertitel durch das 19:17 gegen den von Eugen Trofin trainierten Schülersportklub Bukarest. Der Meistermannschaft gehören an: Hansi Schmidt, Edwin und Hjalrnar Sauer, Dieter Fuchs, Robert Ortmann (Torsteher), Günther Kreiling, Dieter Kappler, Michael Koppi, Dieter Christenau und Walter Ersch. Anfang der 70er Jahre versammelt Schuster, der sich inzwischen auch als Trainer der rumänischen Jugendauswahl bewährt hat, ehemalige Schüler in Hermannstadt um sich und marschiert mit der Vointa im Triumphzug in die Erstklassigkeit. Schuster hat eine Mannschaft mit fast lauter deutschen Spielern zusammengeschweißt. Zu ihnen gehören: Rudolf Klubitschko (Tor), Dieter Roth, Gerd Stenzel, Günther Speck, Rolf Schnäp, Horst Petri, Rolf Schumann, Hubert Mrasz, Erich Tontsch und Dieter Zikeli. Der Siebenbürger Handball stellt mit Gerd Stenze} und Günther Speck hochtalentierte Spieler für die Nationalmannschaft, doch ihnen wird der Weg zum Erfolg verbaut. Zum Zug kommen großgewachsene und wurfgewaltige Typen wie Roland Gunnesch oder Sirnon Schobel. Die meisten Siebenbürger Städte, ausgenommen Klausenburg, haben den Nachteil, keine Universität und kein Polytechnikum zu haben, die Anziehungspunkte für Sportler sind. Auch eine Halle fehlt. Die Hermannstädter müssen zum Training nach Kronstadt fahren. Das Comeback der Hermannstädter ist leider nur ein kurzes Aufbäumen.
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Die Frauen gewinnen die ersten Weltmeistertitel In den 70er Jahren spielt die Musik weiter in Bukarest, wo auch die internationalen Erfolge des rumänischen Handballs vorbereitet werden. Johnny Kunst, der vom Spieler zum Trainer bei CCA, zum Handball-Lehrer an der Bukarester Sporthochschule und zum Präsidenten des Rumänischen Handball-Verbandes aufsteigt, trachtet stets danach, dass die besten Handballer beim Armeesportklub spielen. Er ordnet die Meisterschaft völlig dem Kalender der Nationalmannschaft unter, ohne Rücksicht auf den Handballbetrieb und seine Anhänger im Lande. Was im Westen nicht möglich ist, wird in Bukarest durchgesetzt. Kunst verlangt von seinen Spielern und Mitarbeitern eiserne Disziplin, eine Tugend, die er vom deutschen Teil seiner Vorfahren und von jenen übernommen hat, die diesen Sport in diesem Land eingeführt haben.
1956: Die rumänische Frauen-Nationalmannschaft gewinnt in Frankfurtam Main den ersten Weltmeistertitel für Rumänien : (stehend von links) Magda Draser-Habe1pursch, Nicolae Nedef, Elena Jianu, Mora Windt-Martini, Loli Bran-Popescu, llona Nagy, Gigi Stilagean, Irene Günther, Carolina Raceanu-Corligeanu, Elena Popescu, Luci Dohre, (hockend): Maria Scheip-Constantinescu, Josefine Ugron, Victoria Dumitrescu, Nu§a Padureanu, Anna Stark
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Wie gut Fleiß und Disziplin bei Trainern und Funktionären des Handball-Verbandes ankommen, belegt eine Aussage Hansi Schmidts: "Wenn Eugen Trofin uns in Bukarest antreten ließ und wieder einmal eine Standpauke hielt, stellte er uns Deutsche als Beispiel hin. Das machte uns bei unseren Kollegen keineswegs beliebter, doch es tat gut." Gleiches berichtet der Schäßburger Walter Lingner: "Wir Deutschen waren bei der CCA geschätzte Mitstreiter. Ungern gesehen waren wir allerdings bei unserem Gegner, bei Dinamo Bukarest." Die Funktionäre des Handball-Verbandes setzen noch etwas durch, um Erfolge zu erzielen: Auch die Klubs haben sich der Nationalmannschaft unterzuordnen. Die Meisterschaft wird, wenn der Nationalmannschaft dienlich, in Hallenturnieren ausgetragen, fern der eigenen Anhänger. Während der VfL Gummersbach die 14.000 Zuschauer fassende Dortmunder Westfalenhalle füllt und vor eigenem Publikum Europokale serienweise einheimst, nehmen rumänische Klubs nur an den Wettbewerben teil, wenn keine WM oder keine Olympischen Spiele anstehen. Die Handballliebhaber in Rumänien haben das Nachsehen. Die Klubs gehen oft leer aus, für die Nationalmannschaft soll sich das aber auszahlen. Der rumänische Handball-Verband fährt mit diesem Rezept sieben WMTitel und vier olympische Medaillen ein. An allen Erfolgen sind deutsche Spieler oder Trainer beteiligt. Vor allem die beiden WM-Siege der Frauen auf dem Großfeld 1956 in Frankfurt am Main (6:5 g~gen die gesamtdeutsche Mannschaft) und 1960 in Amsterdam (10:2 gegen Osterreich) wären ohne Spielerinnen wie Anna Stark, Irene Günther, Josefine Ugron, Maria Scheip, Magda Draser-I:Jaberpursch oder Mora Windt nicht möglich gewesen. Nur auf dem Großfeld konnten die Männer keinen Sieg einfahren: Es ist der einzige WM-Titel, der in der Sammlung des rumänischen Verbandes fehlt. Bei der WM 1959 in Österreich verliert die rumänische Elf das Endspiel gegen die gesamtdeutsche Mannschaft mit 11:14 nur, weil die besten Spieler nicht mitfahren dürfen - wegen "erhöhter Fluchtgefahr". Das sagt kein anderer als der rumänische Handball-Papst Johnny Kunst nach der gewonnenen WM 1974 in der DDR dem Sportredakteur der Tageszeitung "Neuer Weg", Hans Frank. Zu den Spielern, denen die Fahrt zur WM verweigert wird, gehören Walter Lingner, Dieter Jochmann, Kurt Sauer, Hans Moser und Rudi Jost. Zwei Deutsche sind jedoch beim Gewinn dieser ersten Medaille im Männer-Handball für den Bukarester Verband dabei: die Torsteher Michael Redl und Rudolf Haberpursch. Im selben Jahr gibt Kunst noch etwas hinter vorgehaltener Hand zu: "Wenn dieser Schmidt (gemeint ist Hansi) nicht durchgegangen wäre, hätten wir die Weltmeisterschaft in Schweden nie verloren." Aber nicht nur im Ausland werden die deutschen Spieler nicht eingesetzt. Der ehemalige Nationalspieler, Trainer der Pali-Frauenmannschaft und von Bogarosch, Walther Maiterth, erinnert sich noch an die Frage des tschechoslowakischen Nationalspielers König nach zwei Gastspielen in Bukarest Anfang der 50er Jahre: "Welches ist nun eure Nationalmannschaft? 32
Wieso verlieren wir gegen CCA, gewinnen aber gegen die rumänische Nationalelf?" Auf Maiterths Antwort, dass nicht alle deutschen CCASpieler in der Nationalmannschaft eingesetzt werden, meint König: "Das gibt es doch nicht." Maiterth weiter: "Bis 1960 sind etwa 50 Prozent der Handballer in der ersten Liga Deutsche." In der Nationalmannschaft sind die Deutschen trotz mancher Benachteiligung sogar zu 60 Prozent vertreten. In der ersten Hälfte der 50er Jahre stellen Mediasch, Hermannstadt, Schäßburg und Kronstadt die meisten Nationalspieler, so Maiterth weiter. Der CCAMannschaft, die 1954 den Landesmeistertitel mit zehn Punkten Vorsprung gewinnt, gehören an: Lucian Tiganu§, Walter Lingner, Cornel Antonescu, Ioan Bota, Romica Platon, Kurt Sauer, Otto Tellmann, Constantin Ceteni, Hans Andreas Bretz, Rudolf Haberpursch, Cornel Opri§an, Vasile Sidea, Kurt Wagner, Walther Maiterth und Nicolae Nedef. An das erste Länderspiel auf dem Kleinfeld gegen die CSSR erinnert sich Maiterth noch genau: Es geht haushoch mit fast 20 Toren Unterschied verloren. Die Tschechen zaubern, Rückhand-, Fall- und Sprungwürfe gehören zu ihren Künsten. In dem Spiel gelingt Maiterth ebenfalls ein Rückhandtor, was ihm das Lob des gegnerischen Torhüters Vicha einbringt: "Bravo, du kannst es doch." Viele Großfeldhandballer lieben das Spiel auf dem Kleinfeld nicht, erinnert sich Maiterth. Er hat jedenfalls viel dafür übrig. Viele wollen und werden sich nicht umstellen. Sidea und Haberpursch machen mehr schlecht als recht mit. Georg Gunesch, Kurt Wagner oder Walter Lingner spielen zwar mit, so Maiterth, doch nicht mit Freude. Für ihn steht eines fest "Die Siebenbürger und die Dorfmannschaften des Banats sind vom Kleinfeldhandball nicht begeistert, denn es fehlen ihnen die Hallen. Und im Sommer spielte man Großfeldhandball, und der war gesünder. Obwohl ich gerne Kleinfeldhandball spielte, bedauere ich die Entscheidung, den Großfeldhandball aufzugeben." Diesen !HF-Beschluss unterstützen hauptsächlich die Skandinavier und die Tschechen, doch der große Erfolg bleibt ihnen anfangs versagt, den haben die Rumänen. Die Entscheidung habe den Handball zurückgeworfen. Russen, Südeuropäer und Chinesen hätten nur zaghaft nachgezogen, sagt Maiterth.
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Vom Unbekannten zum Rekord-Hallen-Weltmeister Hallenhandball wird in Rumänien zuerst in Temeswar gespielt und gefördert. Deshalb können die großen Bukarester Klubs in den 60er und 70er Jahren viele Banater Handballer "an Land ziehen", sagt Walther Maiterth, einstiger Nationalspieler und Trainer. Mit dem politischen Tauwetter Anfang der 60er Jahre kommen auch mehr deutsche Handballer in den Reihen der rumänischen Nationalmannschaft im westlichen Ausland zum Einsatz. Beim ersten WM-Sieg im Hallenhandball1961 in Dortmund, der damals noch als Sensation eingestuft wird, spielen mit dem Lugascher Michael Redl (Tor), dem Temeswarer Hans Moser und dem Agnethler Otto Tellmann drei Deutsche in der Weltmeistermannschaft Bei der WM 1964 in der Tschechoslowakei, als Rumänien mit seiner wohl stärksten und elegantesten Mannschaft aller Zeiten den WM-Titel erfolgreich verteidigt, stehen mit dem Mercydorfer Josef Jakob, Redl und Moserebenfalls drei Deutsche in der rumänischen Mannschaft. Und wenn sich Hansi Schmidt ein paar Monate vorher nicht in Deutschland abgesetzt hätte, wäre sogar ein vierter Deutscher dabei gewesen. Und diese Deutschen waren nicht etwa Reservespieler, sondern das Rückgrat der Mannschaft, die Leistungsträger. Bei der Weltmeisterschaft 1967 in Schweden, wo Rumänien den dritten Platz belegt, hat neben Moser und Jakob bereits der für Politehnica Temeswar spielende Denndorfer Roland Gunnesch seine ersten WM-Einsätze. Er wird bei den Weltmeisterschaften 1970 in Frankreich und 1974 in der DDR zwei WM-Titel gewinnen und mit seinen bei den Olympischen Spielen in München 1972 und Montreal 1976 gewonnenen Bronze- und Silbermedaillen erfolgreichster rumäniendeutscher Handballer. Zusammen mit ihm steht auch der in Reschitza geborene Werner Stöckl1974 in der Weltmeistermannschaft Zu den Stützen der Olympiamannschaft, die 1976 in Montreal Silber gewinnt, gehört neben Gunnesch und Stöckl auch der Orschowaer Alexander Fölker von Poli Temeswar. Doch erfolgreicher als alle Männer ist Anna Stark. Die Honigbergerin ist mit drei gewonnenen WM-Medaillen - zwei auf dem Großfeld und eine auf dem Kleinfeld - sowie mehreren Landesmeistertiteln eine der erfolgreichsten Handballerinnen überhaupt. Bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles erzielt der rumänische Handball mit dem Gewinn der Bronzemedaille seinen letzten nennenswerten Erfolg. In dieser Mannschaft steht mit Alexander Fölker nur noch ein rumäniendeutscher Spieler. Der Niedergang des rumänischen Handballs hat längst eingesetzt. Die Deutschen verlassen das 34
Die Helrauer und Agnethler Mannschaften 1940. Die Agnethler Spielerinnen mit dem A auf der Brust(von links) : Edith Paulini, I/se König, Traute Mesch, Friedchen Wagner, EmmiBilles, Hermi Dietrich,/lse Handel, Friede/ Schmidt, Johanna Henning, Grete Herbert,lngeKlein, Marianne Wonner , Selma Herbert, Gertrud Essigmann, (sitzend) Hilde Fleischer, Anni Heckert, Dorothea Sill , lrmgard Hann, Erna Sunne, Gertrud Wachsmann, Herta Essigmann, Milo Handel und Frieda Roth
Land. Ob die Auswanderung zum Niedergang beigetragen hat? Diese Frage beantwortet der langjährige Generalsekretär des Rumänischen Handball-Verbandes, Lucian Grigorescu, kurz vor seinem Tod ausweichend: Er wolle die Leistungen der Rumäniendeutschen in den RHV-Auswahlen nicht in Frage stellen. Der wichtige Beitrag der Sachsen und Schwaben zur Entwicklung des rumänischen Handballs sei in der Vorbildfunktion ihrer Sportlehrer, Trainer und Schiedsrichter, also in der Arbeit an der Basis, zu sehen. Doch den anderen Teil der Wahrheit wollte und durfte Grigorescu wohl nicht sagen: Diese deutschen Lehrer und Trainer hätten bestimmt auch auf höherer Ebene etwas leisten können, man hätte ihnen nur die Chance geben müssen. Wer in der Hierarchie des rumänischen Handballs etwas geworden ist, hat nach dem Krieg Handball gespielt und musste möglichst einen nichtdeutschen Namen haben. Dazu gehören Kunst, der sich den Beinamen Ghermänescu zulegt, Grigorescu, die Nationaltrainer Nicolae Nedef, Oprea Vlase, Eugen Trofin, ferner Constantin Lache und Gabriel (Bebe) Zugrävescu. Die Tendenz, mit der "Nemterei", wie Rumänen jene Zeit der deutschen Dominanz im Handball heute nennen, aufzuräumen, taucht mit Aufnahme des Meisterschaftsbetriebs nach dem Krieg auf, berichtet Dr. Franz Marschang. Nicht erst seit heute wird versucht, zu vertuschen, dass die Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben die 35
Wegbereiter des Triumphzugs des rumänischen Handballs sind. Und vielleicht weiß man es nicht oder will es in Bukarest nicht wahr haben, dass der rumänische Handball (auch) durch deutsche Tugenden erfolgreich war: Johnny Kunst hat stets Wert auf Disziplin und Fleiß gelegt. Aber auch Lucian Grigorescu, der als "ornul negru", als schwarzer Mann, von allen gefürchtete Generalsekretär des Handball-Verbandes, hat nichts durchgehen lassen. Die Nationalspieler wurden stets gefordert und mussten sich unterordnen. Andere rumänische Verbände hätten sich daran ein Beispiel nehmen können und wären bestimmt mit diesem Rezept gut gefahren. Doch einen Kunst und einen Grigorescu gibt es nicht mehr. Auch die Deutschen fehlen. Mit der Herrlichkeit des seiner Wurzeln verlustig gewordenen rumänischen Handballs ist es vorerst einmal vorbei. Vielleicht trauert der eine oder andere, der über den Tellerrand hinaus blicken kann, dem nach, was Deutsche an der Basis geleistet haben. Denn wo sind die Zeiten, wo deutsche Dorfmannschaften in die erste Liga aufgestiegen sind? Lang ist es her, dass Perjarnosch die erste Dorfmannschaft in der ersten Großfeldhandball-Liga der Herren, Zeiden im Oberhaus der Frauen und Lowrin den ersten Hallenhandball-Dorfverein gestellt haben. Fast eben so lange ist es her, dass die Dorfelf von Bogarosch den Einzug ins Oberhaus geschafft hat. Mit Wehrnut denkt vielleicht mancher an die Zeit zurück, als noch an Schulen im Banat und Siebenbürgen Handball gespielt wurde. Heute gibt es in Rumänien kaum noch regionale Meisterschaften. Traditionelle Handballzentren wie Terneswar drohen von der Bildfläche zu verschwinden. In der ehemaligen Handball-Hochburg Herrnannstadt, wo die Wiege des rumänischen Handballs stand, wird nur noch drittklassiger Handball gespielt. Vielleicht ist es auch so, dass die Funktionäre des Handball-Verbandes, die mit ihrer Taktik den sofortigen und raschen Erfolg gesucht haben, keinen Wert auf die Arbeit an der Basis gelegt haben. Sie wären nicht die einzigen, die nach dem Motto, "das haben wir noch nie anders gemacht", keine Neuerung zugelassen haben - möglicherweise aus Angst um die Pöstchen, aus Machtgier. Der rumänische Handball steckt jedenfalls in der Krise, aus welchen Gründen auch immer. An dieser Misere lässt sich wohl so rasch nichts ändern. Das Handballspiel ist ohne den "leidigen" Schiedsrichter nicht möglich, der über Sieg und Niederlage, Auf- und Abstieg bestimmt hat. Schiedsrichter sind seit Einführung des Handballspiels ein Bestandteil der "großen Handball-Familie", sagt der Hermannstädter Ernerich Otto Leikep, ganz gleich, ob man ihnen Beifall zollt oder ihnen ein Buuuh zuruft. Mit der Einführung des Handballs werden auch Schiedsrichter erforderlich. Hans Schuschnig, der erste Handball-Schiedsrichter Rumäniens, nimmt beispielsweise in den 30er Jahren an einem Lehrgang der Internationalen Handball-Föderation teil und wird der erste internationale Schiedsrichter Rumäniens. Auch Bruno Holzträger aus Mediasch hat einen Trainerschein gemacht. Der Olyrnpia-Teilnehmer von 1936 hat sich nicht nur als Spieler 36
und Trainer, sondern auch als Schiedsrichter versucht. Er hat es bis zum Verbandstrainer gebracht. Sein Ausweis wurde am 22. Mai 1949 von der Zentralen Schiedsrichterkommission des Rumänischen Handball-Verbandes ausgestellt. Nach Angaben von Leikep hat es in den Jahren 1950 bis 1973 in Hermannstadt eine gute Schiedsrichtertruppe gegeben, die beim Verband in Bukarest sehr geschätzt war. Nach 1973 sind mit dem Exodus der Deutschen aus Rumänien auch die Schiedsrichter deutscher Zunge ausgesiedelt. Leikep besucht Anfang der 50er Jahre die unter der Leitung von Hans Schuschnig stehende Schiedsrichterschule. Diese Schule beenden, so Leikep, mit Bravour: Arthur Brenner, Fritz Bordon, Viktor Reissner, Thomas Wolf, Egon Zischka und Stefan Zoller. Im Banat sind in jenen Jahren ebenfalls renommierte Schiedsrichter tätig. Dazu gehören: Valentin Weichselbaum (Temeswar) und Josef Szucsik (Reschitza). Obwohl Schiedsrichter unparteiisch sein sollten, hat so mancher von ihnen, beeinflusst oder auch nicht, so manches Spiel, ja sogar die eine oder andere Meisterschaft entschieden. Und wenn es darum ging, Meisterschaften zu entscheiden, dann hatten sie stets auf Weisung von oben zu handeln. Zu beneiden waren sie in solchen Fällen nicht. Einige solcher Beispiele werden in den folgenden Geschichten aufgegriffen.
Die Damen - und Herren-Handhallmann schaften des Bistritzer Turn-Vereins 1938. Rechts aL!ßen im Bild der Leiter der BTV-Handhallahteilung Erwin Zerhes , links daneben in Schwarz Carl Schelenz. Im Hintergrund das Haus des Eissportvereins neben dem Sportplatz
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Briefe eines Hungernden "Der grausame Winter hat uns in Berlin schwer zu schaffen gemacht, so dass man fast unfähig war, irgend einen anderen Gedanken zu fassen, der außerhalb der täglichen Nöte stand." Das steht in einem Brief, den Carl Schelenz, Vater des Handballspiels, am 6. April 1947 an Marianne Wonner geschrieben hat. Die am 5. Dezember 1914 geborene Agnethlerin hat den Brief zusammen mit einem Schreiben vom 7. Juli 1946 und zwei Fotos über Jahre und Grenzen hinweg gerettet. Die Briefe sind Hilferufe eines Hungernden im Nachkriegsdeutschland. Die Fotos stammen aus besseren Tagen vor und während des Kriegs. Eine Aufnahme wurde im Oktober 1937 in Bukarest gemacht. Das Bild zeigt Sehelenz mit nacktem Oberkörper auf eiCarl Sehelenz 1941 nem Spielfeld, wie er Jugendlichen Anweisungen gibt. Auf der Vorderseite trägt es seine Handschrift: "Herzlicher Gruß, Carl Schelenz." Das zweite Foto ist ein Porträt, auf dessen Rückseite der 5. Dezember 1941 als Datum steht. Die beiden Briefe enthalten die Gedanken eines Verzweifelten. "Jetzt ist der Frühling wieder da, und man erwacht zu neuer Kraft, um den schweren Kampf ums Leben fortzusetzen. Brutal ist nur der Hunger, der einen so apathisch macht. Ein Zustand, den nur der versteht, der ihn jahrelang erduldet hat. Ich denke oft an den Maisbrei, den bei Euch die armen Leute essen (Kukurutz?!), der für mich heute ein Festessen wäre in jeder Menge und Gestalt." Und Schelenz, der sich noch hervorragend der guten alten Zeiten vor dem Krieg in Siebenbürgen erinnert, schreibt weiter: "Ich weiß nicht, wie es jetzt bei Euch aussieht, hier in Berlin sterben besonders ältere Menschen täglich zu Hunderten an Unterernährung." Wie wenig der am 6. Februar 1890 geborene Sehelenz von dem weiß, was im von den Russen besetzten Europa geschehen ist, zeigt, wenn er die Hoffnung und die Bitte äußert: "Wenn Du die Möglichkeit hättest, Maismehl oder andere Nahrungsmittel zu schicken, vielleicht unterstützt durch Mädel oder Jungen, die sich meiner freudebringenden Arbeit noch erinnern können, wäre ich Dir von ganzem Herzen dankbar. Von der Ernährung hängt nun mal die Schaffenskraft und der Lebensmut ab." 38
Weiter schreibt Schelenz, dass er auch gern wieder nach Siebenbürgen käme, "um das grausame Erleben der Nachkriegszeit zu vergessen ... " Aber den Handball hat er noch nicht abgeschrieben, obzwar der Aufdruck auf dem Briefumschlag von 1947 geändert ist. Darauf steht jetzt unter dem Namen Carl Sehelenz nicht mehr Dipl.-Sportlehrer, sondern Juwelier, Berlin-Charlottenburg 5, Königsweg 66: "Schreibe mir doch einmal, wie sich bei Euch der Handball entwickelt hat und ob Ihr noch Volk$tänze pflegt", wendet er sich an Marianne Wonner. "Was macht der Kreis der mir bekannten Männer u. Frauen aus Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Kronstadt, Bistritz. Lebt Theo Seewald noch, und was macht seine Mühle." Der erste Brief nach dem Krieg an Marianne Wonner (siehe unten) "soll ein Lebenszeichen sein", schreibt Schelenz. "Ein Ruf zurück an die Zeit, als wir noch unbedrängt von Krieg und Nachkriegsleiden die Jugend für Spiel und Tanz begeistern konnten. Wenn wir uns auch seit 1938 nicht mehr sehen und sprechen konnten, so waren doch meine Gedanken oft in Siebenbürgen, dem Land, das mir viel Kraft und Erbauung gegeben hat. Dem Land, in dem für mich Geben und Nehmen gleich stark in Erfüllung" gegangen sind. "Werde ich je diese Schönheiten noch einmal genießen können?" fragt Schelenz. Bereits in diesem ersten Brief spricht Sehelenz von der traurigen Lage, dem Elend und der Not: "Ich sehne mich nach Ruhe und Ordnung, um wieder den Glauben an die Anständigkeit der Menschen zurück zu gewinnen. Wer immer geneigt war, nur Gutes zu tun, ist erschüttert von der nackten Hässlichkeit und Selbstsucht der lieben Mitmenschen. Es gibt jetzt viel Elend und Sorge im deutschen Land. In der Großstadt Berlin besonders. Die geringe (dieses Wort ist unterstrichen) Ernährung nimmt einem die Kraft und den Schwung zum Lebenskampf. Eine Existenz muss auch neu aufgebaut werden. Trümmer und Lumpen ringsherum."
Cert Sehelenz 01.~ .
s •• 4'tt,.,, ..
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Doch schon im nächsten Satz klingt Optimismus durch: "Und dennoch. Die Jugend und wer mit ihr lebt, lässt sich nicht erschüttern. Es ist erstaunlich, mit welcher Vitalität sie sich über vieles hinwegsetzt. Wir Älteren stehen viel stärker unter dem Einfluss der Zeit. Wenn man wenigstens etwas zu rauchen (unterstrichen) oder Kaffee (unterstrichen) zum Ankurbeln der Lebensgeister bekäme, dann würde man wieder froher und mutvoller in die Zukunft schauen. Wie wäre es denn mit einem Posten als Olympia-Handball-Trainer für Rumänien?" Und Sehelenz fügt sofort in Klammern hinzu: "Lache nicht!" Wie Sehelenz den Handball an den Harbach gebracht hat, schildert die begeisterte Handhallerin und Trainerin Marianne Wonner folgendermaßen: "Eines Tages wird die Jugend Agnethelns zu einem Vortrag in den Traubesaal gerufen. Es muss 1932 oder 1933 gewesen sein. In der Mitte des Saales steht ein Mann an einem Tischehen und kündigt an, dass er uns etwas über das in Deutschland erfundene Handballspiel sagen wolle. Es ist Carl Schelenz. Er zeichnet mit Kreide ein Spielfeld auf den Tisch und legt elf weiße und elf schwarze Steine darauf. Handball sei ein sportliches Kampfspiel, sagt er. Handball müsse sportlich und fair ausgetragen werden. Anhand der Zeichnung und der Steine erklärt er in aller Kürze einige Regeln und die Taktik des Spieles. Schließlich lädt er für den nächsten Tag auf den Sportplatz ein." Das ist der Auftakt des Handballspiels in Agnetheln. Carl Schelenz, der 1917 an der Sporthochschule Berlin-Charlottenburg zusammen mit Otto-Günther Kaundinya das Handballspiel erfunden hat, reist unermüdlich durch Europa, um für den Sport zu werben. Wie Marianne Wonner berichtet, besucht er auch Bukarest und das Banat. Er bereist immer wieder Siebenbürgen, so in den Jahren 1936, 1937 und 1938, und "bringt unsere Frauenund Männermannschaften jedes Mal von neuem in Schwung. Wir spielen gegen die Mannschaften aus Hermannstadt, Heltau, Mediasch, Reps, Schäßburg und Bistritz und haben immer öfter Erfolg." Sehelenz will Marianne Wonnerein Studium an der Leipziger Sporthochschule vermitteln, doch sie sagt ab, weil sie sich um ihre kranke Mutter kümmern muss. Sehelenz wirbt vor dem Krieg nicht nur in Rumänien, sondern auch in Ungarn, Österreich, der Tschechoslowakei, Polen, Norwegen, Estland, aber auch im nichteuropäischen Ausland für seinen Sport. Nach seiner aktiven Zeit als Handballer ist Sehelenz von 1926 bis Marianne Wonner 1933 und von 1940 bis 1945 deutscher 40
Handballspiel Mediascher Turn-Verein (links) gegen Agnethler Turn-Verein : links im Bild Marianne Wonner
Nationaltrainer. In alten Meisterlisten ist sein Name auch als Karl Sehelenz zu finden. Er ist 1916 und 1917 deutscher Meister im Weitsprung mit 6,61 und 6,39 m, ein Jahr später mit 1,75 m im Hochsprung. Das Nachkriegsschicksal verschlägt Sehelenz nach Flensburg, wo er mehrere Jahre lang an der Sportschule Mürwik lehrt. 1954 kehrt er heim nach Berlin. Zu diesem Zeitpunkt sind seine Verdienste längst Geschichte. Er bedarf keiner Anerkennung mehr. Bei den Vorbereitungen zur Jubiläumsfeier des Berliner Turn-Vereins im Jahre 2000 -der Verein wurde am 17. März 1850 gegründet- entdeckt ein Vereinsmitglied das Original der wohl ersten Handballurkunde der Welt. Im Nachrichtenblatt für den Berliner Turnrath (Gau Berlin II) vom November 1917 wird den Mitgliedern mitgeteilt, dass der Ausschuss für das Frauen- und Mädchenturnen beschlossen habe, "das bis jetzt als 'Torball' bezeichnete Spiel in Zukunft 'Handball' zu benennen." Als erstes Handballspiel wurde für den 2. Dezember um 10 Uhr in der Exerzierhalle Karlstraße 12 die Begegnung zwischen dem Damen-TV 1902 I und dem Berliner Turner-Verein angesetzt. Unterschrieben ist die Mitteilung von Max Heiser, maßgeblicher Mitstreiter bei der Entwicklung des Handballs. Carl Sehelenz stirbt am 7. Februar 1956, einen Tag nach seinem 66. Geburtstag, an den Folgen eines Herzschlages. Sehelenz ist "in den Sielen" gestorben, heißt es in einem Zeitungsbericht Der Tod hat ihn mitten in seiner Lehrtätigkeit bei Sporttreibenden der britischen Garnison während einer kurzen Pause ereilt. 41
Wilhelm Zacharias
In Garmisch-Partenkirchen und in Berlin gestartet Das wird ihm keiner mehr nachmachen, jedenfalls kein Profi: Wilhelm Zacharias wird wohl der einzige Siebenbürger Sachse und Vertreter Rumäniens bleiben, der sowohl an Olympischen Winter- als auch an Sommerspielen teilgenommen hat, und das noch in einem Jahr. 1936 geht der am 7. März 1914 in Hermannstadt geborene Zacharias sowohl bei den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen als auch bei den Sommerspielen in Berlin an den Start, in der alpinen Kombination aus Abfahrt und Slalom, als Startläufer in der Langlauf-Staffel über 4x10-Kilometer und im Großfeldhandball-Turnier. Zum Sport kommt Zacharias durch den allbekannten Sportlehrer Wilhelm Wilhelm Zacharias Binder, der Anfang der 20er Jahre den Handballsport von Berlin nach Siebenbürgen bringt. "Ohne die vorzüglichen, vielseitig gestalteten Turnstunden Binders hätten wir Burschen des Gymnasiums und des Seminars niemals die Grundbegriffe in fast allen Sportarten kennengelernt Die Mädchen am Gymnasium hatten das Glück, A. Fels zum Sportlehrer zu haben. Die jährlichen Schauturnveranstaltungen aller Klassen des Brukenthal-Gymnasiums, des Lehrerseminars und des Mädchen-Gymnasiums waren das Ergebnis systematischer Körperertüchtigung in den Turnstunden - und als Darbietung fernsehreif." Zacharias beginnt seine sportliche Laufbahn 1924 mit Turnen, und zwar am Reck, Barren, Pferd, und mit Gymnastik. Seine guten Leistungen führen' dazu, dass er bei zwei Schauturnveranstaltungen als Vorturner zusammen mit einem Partner den Hunderten von Gymnasiasten und Seminaristen die sogenannten Freiübungen vorführt. Ballspiele gibt es in jener Zeit in den Turnstunden keine. Erst am Ende des Turnunterrichts wurde in der Halle Korbball gespielt, im Sommer aber Feldhandball, erinnert sich Zacharias. Doch von einem Feld sei wenig zu 42
sehen gewesen, Asche und Sand hätten vorgeherrscht. Stürze seien durch blutende Hautabschürfungen bestraft worden. Weil Zacharias als guter Spieler auffällt, kommt er schon als 14-Jähriger in die Coetus-Mannschaft der oberen Klassen dieser Gymnasiasten-Verbindung. Bei einer Schüler-Olympiade der deutschen Gymnasien in Bistritz belegt er als 16-Jähriger den zweiten Platz im Fünfkampf: Zu absolvieren waren die Disziplinen 100-m-Lauf, Hoch- und Weitsprung, Kugelstoßen und Diskuswerfen. Nach dem Abitur stößt Zacharias zum Hermannstädter Turn-Verein, wo er Leichtathletik und Handball treibt. Zwischendurch leistet er seinen Militärdienst bei den Gebirgsjägern in Kronstadt ab und studiert von 1932 bis 1937 in Österreich und Deutschland. Während des Studiums ist Zacharias Mitglied des Akademischen Turnvereins in Graz. Dort kann er in einer erfolgreicheren Handballmannschaft sein Spiel verbessern und vieles hinzulernen. Ein glücklicher Zufall bringt ihn mit dem ATV-Spitzenskifahrer Helmut Schmidt zusammen, der an den Olympischen Winterspielen in GarmischPartenkirchen teilnimmt, und mit Heini Harrer, später akademischer Weltmeister im Abfahrtslauf, E iger-Nord wand- Miters tbezwinger und Lehrer des Dalai Lama in Tibet. Mit diesen Ski-Assen trainiert Zacharias im Toten-Gebirge, wo der A TV eine Hütte besaß. Die von dort aus unternommenen Skitouren und kleineren Wettkämpfe tragen maßgeblich dazu bei, dass Zacharias, wieder daheim in Hermannstadt, den 18-Kilometer-Lauf gewinnt und mit Vorsprung Vereinsmeister wird. Außerdem hat er solch eine Kondition getankt, dass er bei den Landesmeisterschaften in der alpinen Kombination in die Spitze vorstoßen kann. Doch noch vorher hat sich Zacharias als Schüler zu bewähren. In den Schulferien werden die Grundkenntnisse auf der Hohen Rinne für ein Weiterkommen im alpinen Skisport erlernt. Diese Kenntnisse vermittelt ihm und sei- Wilhelm Zacharias 1936 als Skifahrer 43
nen Kameraden Turnlehrer und HSK-Vorstand A. Fels, der die guten Kronstädter Skifahrer Lexen sowie Bruno und Horst Scheser einlädt. Viel hilft ihm das monatelange Training bei den Gebirgsjägern in der Schulerau. Es sei eine hervorragende Gelegenheit gewesen, sich skifahrerisch zu vervollkommnen, sagt Zacharias. Horst Scheser gewinnt im Olympiajahr 1936 die rumänischen Landesmeisterschaften in der Abfahrt und im Slalom und damit den Wanderpokal des rumänischen Skiverbandes. Im darauffolgenden Jahr wird Zacharias diese Titel gewinnen. Er verursacht bei den siegesgewohnten Kronstädtern einen Schock, denn er wird den Wanderpokal nach dreimaligem Gewinn endgültig in seinen Besitz bringen. Die alpinen Erfolge Zacharias': 1937 gewinnt er die alpine Kombination in Vatra Dornei, 1938 am Bulea und 1939 auf dem Varful cu Dor. Doch am erfolgreichsten ist Zacharias 1938: Er gewinnt mit dem fast unglaublichen Vorsprung von mehr als einer halben Minute - heute geht es um Hundertstelsekundensowohl den Abfahrtslauf als auch den Slalom. Dafür und für besonders gute Leistungen als Spieler und Torschütze bei den Ausscheidungsspielen zur Handball-Weltmeisterschaft 1938 erhält Zacharias als vielseitig erfolgreichster Sportler des Jahres den vom rumänischen König gestifteten Kulturorden zweiter Klasse. Es ist die höchste Sportauszeichnung Rumäniens. Bei den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen darf Zacharias eines Tages mit dem Schlitten des rumänischen Vierer-Bobs den Eiskanal hinunterrasen. Kurz darauf tanzt Zacharias mit der Filmregisseurirr Leni Riefenstahl auf dem SportlerbalL Sie ist mit einem Mitglied des Grazer Sportvereins befreundet. Zacharias bittet diesen Sportkameraden, den er von seiner Zeit beim Akademischen Turnverein Graz kennt, ihm Leni Riefenstahl vorzustellen. Kurz zuvor hat Zacharias noch "mit einem Trampel" getanzt. Dann liegt ihm die graziöse Leni in den Armen, und die rumänischen Bobfahrer, die dem Skiläufer vorher einen Gefallen getan haben, bitten Zacharias nun, ihnen die Filmregisseurirr in die "Arme zu spielen". Doch Leni macht nicht mit. Sie bittet Zacharias, Richtung Tür zu tanzen. Die Bobfahrer haben Pech. Leni ist ihnen entwischt Doch trotz aller Erfolge: "International waren wir reinen Amateure nicht konkurrenzfähig, weil wir in Rumänien noch keine Drahtseilbahnen oder Skilifte besaßen und deshalb die meiste Trainingszeit nicht zum Abfahren, sondern zum Hochsteigen verbrachten, was allerdings bergsteigerisch schöner war." Die Jahre nach den Olympischen Spielen bringen Zacharias ein paar schöne Erfolge ein. Und mit dem Krieg sieht es fast so aus, als ob seine Sportkarriere zu Ende wäre. Trotz der Winterspiele bleibt Zacharias in erster Linie Handballer. Heute erinnert er sich noch an das Städtespiel gegen Lemberg, das die Hermannstädter klar gewinnen, das Länderspiel gegen Polen aber verlieren, weil wichtige Spieler in der ersten Begegnung verletzt worden sind. Das Revanche-Länderspiel in Bukarest gewinnt die rumänische Mannschaft mit deutlichem Vorsprung. Eine zweite prächtige Leistung 44
erbringt der Hermannstädter Turn-Verein nach den Olympischen Spielen gegen die deutsche Olympia-Reservemannschaft unter ihrem Trainer OttoGünther Kaundynia. Der HTV bringt das deutsche Team in arge Bedrängnis. Über Wilhelm Kirschner weiß Zacharias zu berichten, dass er nicht nur ein hervorragender Handballer war, sondern auch ein ausgezeichneter 100m-Läufer, der die Strecke in weniger als 11 Sekunden schaffte. Kirschner durfte deswegen zweimal an den Balkan-Meisterschaften teilnehmen. Die Sonderrolle, die der Hermannstädter Turnverein bis 1939 spielt, erklärt sich aus der Tatsache, so Zacharias, dass sich in Hermannstadt besonders begabte Spieler zusammengefunden haben, die in sportlicher Kameradschaft verbunden, ehrgeizig und einsatzwillig waren. "Sichtbares Ergebnis war, dass wir Landesmeister wurden und für Länderspiele immer sieben bis acht Spieler abstellen mussten." Jeder Wettkämpfer und jede Mannschaft muss die Erfahrung machen, dass an manchen Tagen alles gelingt und an anderen wieder alles schief läuft, sagt Zacharias. Der Skifahrer weiß außerdem, dass nur der eine Gewinnchance hat, der alles riskiert. Zacharias ist es nicht anders ergangen. Beim Abfahrtslauf in Garmisch-Partenkirchen kommt er für den Bruchteil einer Sekunde von der Piste ab, die damals noch ohne Maschine von Hunderten von Helfern in den meterhohen Neuschnee getreten wurde, "erstickt" fast im Tiefschnee und wird zusätzlich vom herabfallenden Schnee zugedeckt. So kommt es, dass Horst Scheser aus Kronstadt 24. und Zacharias 27. werden. Weil sie unter den ersten 30 sind, dürfen sie im Slalom-Wettbewerb starten. Im zweiten Durchgang riskiert Zacharias alles. Doch er fädelt ein und scheidet aus. Bei den Landesmeisterschaften 1938 dagegen gelingt ihm Unglaubliches: Trotz Nebels und Schneesturms im schweren oberen Teil findet er im steilen Hang bei sehr schlechter Sicht die beiden Pflichttore, obwohl er mit Wilhelm Zacharias treibt als Gymnasiast Leichtathletik : vollem Risiko fährt. Die anderen, die mit großer Hier versucht er sich im Kugelstoßen . 45
Vorsicht fahren, verlieren Zeit, so dass Zacharias mit einer halben Minute Vorsprung Sieger wird. Einen gleichen Vorsprung fährt er im Slalom heraus, weil er auch diesmal alles auf eine Karte setzt. Damit schafft er die Voraussetzungen für die Auszeichnung mit dem Kulturorden zweiter Klasse. "Dem Großfeldhandball trauere ich noch immer nach, weil er durch seine Anforderungen an Laufen, Sprinten, Werfen und Ausdauer ein ausgezeichnetes Konditionstraining für die Leichtathletik war. Als uns die Schweden vorführten, dass die Läufer nicht mehr bloß Verteidiger zu sein hatten, sondern sich in den Angriff einzuschalten hatten", so Zacharias weiter, "war der Handball nicht mehr so schön." Jetzt ist die Zeit des Sperrens und Blockens an der Wurflinie angebrochen. Das Mittelfeld ist überflüssig geworden. Und Schelenz' Idee, Fußball mit der Hand zu spielen, ist durchkreuzt. "Der eigentliche Charakter des Schelenz-Handballspiels ist damit geändert", sagt Zacharias. Das Sperren hat zur Folge, dass der schöne Handball zu einem Spiel der Frei- und Strafwürfe geworden ist. 1940, Zacharias ist 26 Jahre alt, verändert sich sein Leben grundlegend. Er übernimmt die Leitung der familieneigenen Lederfabrik, heiratet und wird leidenschaftlicher Karpaten-Jäger. "Durch Einberufungen zum Militärdienst, Kriegsbeginn und Ausfall der Olympischen Spiele in Japan wurden wir aller sportlichen Ziele beraubt und mit anderen Aufgaben konfrontiert", sagt Zacharias. Besiegt, von der enteigneten Familie getrennt und hungrig landet er nach dem verlorenen Krieg 1946 auf Umwegen in Klagenfurt Doch der Zufall hilft ihm weiter. Er trifft Handballer, gegen die er als rumänischer Nationalspieler seinerzeit angetreten ist und die erlebt haben, wieviel Spielstärke er und seine Kollegen durch die Schelenz-Schulung gewonnen hatten. Weil Zacharias auch einen von Sehelenz geleiteten Lehrgang für Handballtrainer an der Hochschule für Leibesübungen in Berlin absolviert hat, bitten die Handballer ihn, das Training des Klagenfurter Athletik-Clubs (KAC) zu übernehmen. Zacharias willigt ein. Und wieder hilft ihm der Zufall weiter: An einem Sonntag fällt der KAC-Mittelstürmer aus, und Zacharias lässt sich überreden, an dessen Stelle zu spielen. Es gelingt ihm auf Anhieb alles, er schießt die meisten Tore. Und nun muss er immer mitspielen und wird sogar in die Kärntner Auswahl berufen. Zu den vier Mannschaften, die sich für die Österreichische Staatsmeisterschaft durchsetzen, zählt auch die des Klagenfurter AthletikClubs. Zacharias und seine Mannschaft gewinnen das Spiel gegen das steirische Team, verlieren aber gegen die Linzer, für die auch ein Siebenbürger Sachse stürmt, der, soweit sich Zacharias erinnert, Wolf heißt. Zacharias wird schließlich von seinen Kameraden als bester Freiwurfschütze angesehen. 1949 wechselt er aus beruflichen Gründen den Wohnsitz und beendet seine Karriere als Handballer. Im Solbad Hall in Tirol angekommen, erinnert er sich, dass er als 16-Jähriger bei einem Tennisturnier der Gym46
Nationalmannschaft vor dem Krieg: (von links) Willi Zacharias, Stefan Zoller, Wilhelm H eidel, Fritz Halmen, Wilhelm Kirschner, Günther Schorsten, Alfred H öchsmann, Kar/ Haffer, Hans Zikeli, Robert "Kiwolu" Speck und Fritz Haffer
nasien in Hermannstadt gegen Kronstadt das Doppel zusammen mit Gustav Koch, aber auch das Einzel gewonnen hat und ein Jahr später Hansi Eder aus Kronstadt unterlegen ist. Danach vernachlässigt er das Tennisspiel, weil er nicht zu viele Sportarten nebeneinander betreiben kann. Jetzt spielt er wieder Tennis. Der Haller Tennisklub gehört nicht zu den Spitzenvereinen, "vereinigt aber in seinen Reihen prächtige, liebenswerte Menschen" und ermöglicht es Zacharias, Tirol kennenzulernen. Denn Sonntag für Sonntag ist die Mannschaft in einer anderen Stadt, um Spiele auszutragen. Bald ist Zacharias Ranglistenerster und muss gegen die besten Spieler der Umgebung antreten, was nicht nur Siege, sondern auch Niederlagen einbringt. Doch etwas überwiegt: "Jeder Spieltag endet mit einem fröhlichen Beisammensein". 1950 darf seine Frau mit den beiden Söhnen, damals sieben und neun Jahre alt, und mit 20 Kilogramm Gepäck Rumänien verlassen. Die vereinte Familie lässt sich 1953 in Backnang bei Stuttgart nieder. Hier müssen die Spieler den einzigen vorhandenen Tennisplatz vor dem ersten Ballwechsel selbst herrichten. In den beiden folgenden Jahren entstehen am Stadtrand zwei weitere neue Plätze. Wie vorher in Tirol gewinnt Zacharias mehrmals die Vereinsmeisterschaften im Einzel, im Doppel und im gemischten Doppel. Das Umziehen findet 1957 ein Ende, als Zacharias technischer Direktor einerneuen Oberlederfabrik auf der griechischen Insel Lesbos wird. Außer den Sportmöglichkeiten genießt er mit seinen Söhnen das Schwimmen und 47
Fischen im Mittelmeer. Mit Taucherbrille und Flossen gehen sie auf Fischfang und harpunieren bis zu 15 Kilogramm schwere Wrackbarsche, heben jedoch auch manche Amphore und anderes Strandgut. Heute lebt Zacharias in Graz: "Ein gütiges Schicksal erlaubt es mir auch jetzt noch, fast 90-jährig, einmal in der Woche lange Strecken zu schwimmen und an Sonntagen mehrstündige Bergwanderungen in der grünen Steiermark, in der näheren und weiteren Umgebung von Graz, zusammen mit einem anderthalb Jahre älteren Siebenbürger Sachsen zu unternehmen", so Zacharias.
Hansi Schmidt
Weltklasse auf der Königsposition Hinter einer Natursteinmauer führen ein paar Stufen zti einem dreigeschossigen Haus. Sechs Klingeln. An der obersten links der Name Schmidt. Nicht mehr, nicht weniger. Durchs Treppenhaus gelangen wir in die oberste Etage. Die Tür tut sich auf zu einer geschmackvoll eingerichteten W ohnung. Hier sind Karin und Hansi Schmidt zu Hause, in der Klosterstraße 19 im zu Gurnmersbach gehörenden Derschlag. Der 1,96 Meter große Hüne bittet auf den terrassenähnlichen Balkon. Der oberbergische Wind weht uns um die Ohren und droht die auf dem Tisch ausgebreiteten Blätter wegzublasen. Es ist der erste Ferientag, jetzt hat der verbeamtete Lehrer viel Zeit. Seine Hansi Schmidt Schläfen sind ein wenig angegraut, doch an seinem Körper ist auch heute noch kein Gramm Fett zu viel. Das erste Glied seines rechten Zeigefingers ist .ein wenig gekrümmt: Das Handballspiel hat seine Spuren hinterlassen. Wir wollen wissen, was Hansi Schmidt heute tut. Doch bevor der sympathische Banater Schwabe, der im Lande der Grafen von Berg Handballgeschichte geschrieben hat und berühmt geworden ist, zu erzählen beginnt, läutet das Telefon. Die Schwiegertochter ist dran. Angelika ist aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Deutschland zu Besuch gekommen. Ein kurzes Gespräch mit der Schwiegertochter, dann übernimmt seine FrauKarinden Hörer. "Das ist die Frau unseres Ältesten." Er heißt Hans-Günther, ist aber noch in den USA, wo er nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Sport mit Schwerpunkt Sportmanagement an der Universität in Georgia in der Logistik arbeitet. Er ist der Statur nach dem Vater nachgeraten, hat ebenfalls Sport getrieben und ist 1990 deutscher Juniorenmeister im Speerwurf geworden. Ganz stolz ist Hansi auf den Enkel Karl Ludwig. Christoph-Eric, der zweite Sohn, der in Köln Biologie und Sport studiert, "sitzt jetzt mit 49
Freundin Jennifer, die wie ihr Vater den Arztberuf ergriffen hat, im Flugzeug in Richtung Bali", sagt Hansi. Auch er ist bereits ausgezogen. Mit seinem Beruf ist Hansi zufrieden, er unterrichtet "mit Hingabe" seine Lieblingsfächer Geschichte und Politik an der Hauptschule in Bergneustadt Mit dem Handball hat er heute nicht mehr viel zu tun. Er beobachtet noch aufmerksam das Geschehen um den VfL Gummersbach. Hin und wieder spielt er Hand- oder Fußball, ab und zu auch Tennis in Prominentenmannschaften - für einen guten Zweck. Als Ausgleich zum Schulalltag spielt er Tischtennis. Im November 1963 in Deutschland angekommen, ohne Zeugnis, muss er ein zweites Mal das Abitur machen, erzählt er. Im Sommer 1964 beginnt er an der Uni in Köln Geschichte und Sport zu studieren, wechselt aber nach Bonn an die Pädagogische Hochschule, wo er sein Studium in Mathematik, Geschichte und Sport beendet. In Rumänien hat er bereits an der Universität in Temeswar und am Sportinstitut in Bukarest studiert. Doch das zählt in Deutschland plötzlich nichts mehr, weil die rumänischen Behörden ihm sein Abiturzeugnis nicht herausrücken. Doch er beißt sich durch und schafft es. "Wenn du bei uns geblieben wärst, stündest du heute als Weltmeister da." Das sagt der Spielmacher der rumänischen Handball-Nationalmannschaft, Cristian Ga tu, dem deutschen Nationalspieler Hansi Schmidt 1970 in Bukarest. Doch der Marienieider Schmidt hat die Flucht in die Freiheit vorgezogen und ist nie Weltmeister geworden. Auch wenn Gatu dem Deutschen zu verstehen gibt, "wir sind auch ohne dich ausgekommen", so bedauert doch keiner die Flucht Schmidts mehr als sein ehemaliger Trainer von Steaua Hansi Schmidt mit dem Europapakai der Bukarest, Johnny Kunst, der Landesmeister, den er viermal mit dem VfL sich später den Beinamen Gummersbach erringt: gegen Dukla Prag, Dynamo Gherma.nescu gibt und Präsi- . Berlin, Steaua Bukarest und MAI Moskau. Mit diesen dent des Rumänischen Hand- Siegen und 338 Toren in 53 EC-Spielen ist Schmidt ball-Verbandes wird. Am zum "Mister Europapokal" avanciert. 50
Rande eines für die Tageszeitung "Neuer Weg" in Bukarest geführten Interviews sagt Kunst hinter vorgehaltener Hand: "Wenn dieser Schmidt nicht durchgebrannt wäre, hätten wir die Weltmeisterschaft 1967 in Schweden niemals verloren". Damals hat Rumänien Platz drei hinter der Tschechoslowakei und Dänemark belegt. Doch Freude hin, Bedauern her: Für Schrnidt ist alles gut verlaufen. Er hat immerhin in einer Weltmeistermannschaft gespielt, umgeben von sechs Weltklasseleuten. "Ich hatte das Glück, bei Steaua auf der Königsposition spielen zu dürfen. Gheorghe Gruia spielte halbrechts, ich halblinks. Und mit Josef Jakob hatten wir den damals besten Rechtsaußen der Welt. Hans Moser spielte noch, und Gatu war im Kommen." ' Auch ohne WM-Titel hat der Mann, der auch Beckenbauer des deutschen Handballs genannt wird, eine Bilanz aufzuweisen, die ihresgleichen sucht: Er hat vier Siege im Buropapokal der Landesmeister aufzuweisen, errungen mit dem VfL Gumrnersbach gegen Dukla Prag, Dynamo Berlin, Steaua Bukarest und MAI Moskau. Mit diesen Siegen und 338 Toren in 53 EC-Spielen ist Schrnidt zum "Mister Europapokal" avanciert. Er wird siebenmal deutscher Meister, bestreitet 18 Länderspiele für Rumänien und 98 für Deutschland. Mit 484 Toren für die deutsche Mannschaft nimmt er einen Spitzenplatz in der ewigen Torschützenliste ein. Dazu kommen die in Rumänien erzielten Erfolge: ein Juniorenmeistertitel, ein Vizemeistertitel mit $tiinta Terneswar, ein Meister- und ein Vizemeistertitel mit Steaua Bukarest. Hoch wertet er heute noch den Gewinn des Buropapokals der sozialistischen Armeen mit Steaua Bukarest gegen Dukla Prag. Mit dem Namen Schrnidt ist der steile Aufstieg des VfL Gumrnersbach verbunden, ohne ihn wären die großen Erfolge des Klubs bis zu seinem Abgang 1976 nicht möglich gewesen. Hansi selbst sagt: "Zusammen mit meinem Trainer habe ich einen Teil der rumänischen Handballschule in Gumrnersbach eingebracht". Mit seinen unnachahmlichen verzögerten Sprungwürfen wird das 1,96 Meter große Kraftpaket zum Schrecken aller Torsteher. Mit dem VfL Gurnrnersbach erreicht er zehnmal das Finale um die deutsche Meisterschaft und gewinnt sie siebenmaL In 173 Bundesligaspielen erzielt Hansi 1066 Tore für Gummersbach. Achtmal wird er Bundesliga-Torschützenkönig. Dreimal wird er in die Weltauswahl berufen, zweimal spielt er mit. Eine Einladung nach. Belgrad schlägt er aus Sicherheitsgründen aus. Kunst, der zum Trainer einer Weltauswahl berufen wird, versucht vergebens, Hansi auszuladen. Ausgerechnet im Heimspiel in der Westfalenhalle in Dortmund soll der Gummersbacher nicht auflaufen. Kunsts Rache: Er setzt Hansi kaum ein. Der zur Handball-Legende gewordene Hansi Schmidt hält nicht viel vorn Hellsehen. Doch an eine Prophezeiung erinnert er sich immer wieder, denn sie ist wahr geworden. Der aus Lenauheim stammende Lehrer Nikolaus Schreyer erkennt das Talent des arn 24. September 1942 in Marienfeld geborenen Hansi. Mit elf darf er in der zweiten Marienfelder Mannschaft spielen. In einem Spiel im Nachbarort Tschanad unterliegen 51
Hansi und seine Mannschaftskameraden 1:17 gegen die erste Mannschaft des Gegners. Dieses Spiel hat Hansi nie vergessen, nicht nur wegen der Niederlage und nicht nur, weil er kein Tor erzielt. Nach dem Spiel hört er die Prophezeiung des Tschanader Wirts: "Kind, aus dir wird einmal ein großer Spieler." "Diese Aussage des Unbekannten hat mich in meinem Vorhaben immer wieder bestärkt", sagt Schmidt heute. Schon mit zwölf steigt Hansi in die erste Marienfelder Mannschaft auf und spielt neben Sepp Berger, der damals 32 ist. Auf dem Gymnasium im ehemaligen Kloster in der Temeswarer Josefstadt bekommt Schmidt neue Impulse von Sportlehrer und Handballtrainer Adam Fischer. Eigentlich will er Leichtathlet werden. Er wird Schülerlandesmeister im Kugelstoßen. Professor Iovanescu prophezeit, Hansi werde der erste Mann sein, der den Speer über 80 Meter wirft. Doch daraus wird nichts. Hansi kugelt sich die Schulter beim Handballspiel aus. Das Kapitel Leichtathletik ist beendet. Die Verletzung zwingt ihn, den linken Arm zu trainieren und anschließend mit Rechts eine neue Wurftechnik zu entwickeln: Es entsteht der verzögerte Sprungwurf, den ihm wenige Spieler in der Perfektion nachmachen können. Hansi erinnert sich noch gern an ein Spiel, in dem er 16 Tore erzielt hat, vier mit Links. Mit 17 wechselt Hansi zum Erstligisten $tiinta in Temeswar. Seine Erfolge, sagt Hansi, habe er in erster Linie seinen Trainern zu verdanken. Er nennt neben Fischer den Temeswarer Constantin Lache, die Bukarester Eugen Trofin, Oprea Vlase und Kunst, dessen Lieblingsschüler er war. Von Kunst, dem rumänischen Handballpapst, sagt Hansi: "Er war sehr intelligent, ein guter Trainer, aber ein großer Selbstdarsteller, der allerdings auch etwas zu verkaufen hatte." Kunst, der auch Chef des Handballkathedersam Bukarester Sportinstitut ist, holt Hansi zu Steaua. Und dafür lässt er sich etwas einfallen. Unter vier Augen rät er dem Banater Schwaben, ein Gesuch an den Kriegsminister zu richten mit der Bitte, für Steaua spielen, aber weiter Student bleiben zu dürfen. Kunst beschwört Hansi, um Gottes Willen niemandem zu sagen, dass er ihm den Rat gegeben hat, denn sonst verliere er all seine Posten. "Diesen Rat habe ich befolgt", sagt Hansi, "heute darf ich das Geheimnis lüften, denn der geniale Trainer lebt nicht mehr." Zwischen $tiinta und Steaua kommt es zum Tauziehen um Hansi. Er flieht aus der Kaserne, versteckt sich, der Geheimdienst holt ihn ab und bringt ihn zurück in die Kaserne. Steaua ist der Sieger. Hansi ist der erste Zeitsoldat in Rumänien, der auch studieren darf. Hansi will den Wechsel von $tiinta Bukarest zum Lokalrivalen Steaua, denn er bietet ihm die Möglichkeit, international zu spielen. Sein Ziel: Raus aus diesem Land, hinaus in die Freiheit. Der Gedanke beschäftigt ihn bereits seit der Kindheit. 1951 wird seine Großmutter in die Donautiefebene verschleppt. Ein erschütterndes Ereignis, das sich der damals knapp Neunjährige einprägt und niemals vergessen wird. In der Zeit bei Steaua 52
bestärken zwei weitere Erlebnisse ihn in der Absicht, durchzubrennen. Die Schwester heiratet, er darf nicht zur Hochzeit fahren. Die Großmutter stirbt, er darf nicht zum Begräbnis. "In Bukarest, ich war schon bei Steaua, habe ich nachts laut von meinen Absichten geträumt. Mein Zimmerkollege hat es mir gesagt. Doch er hat es für sich behalten. Nur Josef Jakob habe ich mich anvertraut, doch von dem hatte ich nichts zu befürchten. Und dann hätte ich beinahe einen irreparablen Fehler begangen. Ich wollte mich mit einem anderen Mannschaftskollegen aussprechen. Ein Zufall hat es verhindert. Später habe ich erfahren, der war Spitzel", sagt Hansi. Im April 1963 ist Hansi zum ersten Mal in Deutschland. Die zweite Reise soll am 23. November beginnen. Doch einen Tag zuvor kommt die Nachricht vom Attentat auf Kennedy. In Bukarest wird von Kriegsgefahr gesprochen. Hansi bangt. Denn er hat alles für die Flucht vorbereitet. Doch die rumänische Studentenauswahl geht trotzdem auf Deutschland-Tournee. Hansi ist dabei und macht die ganze Reise von Harnburg über Essen und Rheinhausen bis nach Köln mit. Hansi kann all die Nächte kaum schlafen, doch er bleibt bis zum Schluss bei der Mannschaft, um keinen Abbruch der Tournee zu provozieren. Die Mannschaft soll noch in Deutschland bleiben, nur der Trainer und drei Spieler, die zur Nationalmannschaft ins Trainingslager müssen, sollen in der Nacht nach Hause fliegen: Hansi Schmidt, Valentin Samungi und Gheorghe Gruia. Um Mitternacht verlässt Hansi das Bankett in Köln, steigt in ein Auto und ist weg. Fünf Minuten später ist sein Verschwinden entdeckt, weitere fünf Minuten später suchen Privatdetektive ihn. Hansi versteckt sich in Hamburg. Sein Onkel vermutet ihn in Gummersbach und ruft Eugen Haas, den VfL-Obmann, an. Und dieser Anruf bringt den Gummersbacher Macher auf die Idee, Hansi ins Bergische Land zu holen. Ein Glücksgriff: Einer der besten Spieler auf der Königsposition, ein Weltklassemann wird sich und dem VfL zu Ruhm verhelfen. Hansi ist gerade erst 21 Jahre alt geworden. Jahrelang darf er nicht nach Rumänien, als Deserteur ist er zum Tode und als Mitglied des Jungkommunistenvereins zu 15 Jahren Haft verurteilt. Doch alles wendet sich zum besten. Der damalige Innenminister Hans Dietrich Genscher und sein Assistent Klaus Kinkel setzen sich für ihn und seine im Banat gebliebenen Eltern ein. An einige Spiele erinnert sich Hansi besonders gern. Beispielsweise an ein Turnier, veranstaltet anlässlich der Fertigstellung der Sporthalle in Galatz. "Wenn ich nicht gespielt habe, war ich im Publikum meist unter Studenten. Ich bin mit ihnen ausgegangen, in die Konditorei, hatte sehr angenehme Kontakte. Ich wurde mehr gefeiert als Gruia." Für Hansi ist das Turnier ein reines Heimspiel. Er wird Torschützenkönig, und die Sportpresse wählt ihn zum weltbesten Rückraumspieler. In einem Meisterschaftsspiel gegen den TuS Wellinghofen, das damals die beste Deckung in der Bundesliga hat, steuert Hansi 16 Tore bei, vier mit Links und den Rest mit Rechts. Sein überragendes Können beweist Hansi in einem weiteren Spiel 53
Typisch Hansi Schmidt: Mit seinen gefürchteten Sprungwürfen aus dem Rückraum hat der Torjäger des VfL Gummersbach den gegnerischen Abwehrspielern und Tormännern kaum eine Chance gelassen.
in der Ostseehalle in Kiel gegen den THW. 14 Treffer gehen aufs Konto des Weltklassemannes auf der Königsposition. Er wirft allein so viele Tore, wie die Gegner zusammen erzielen: Der VfL gewinnt nämlich 17:14. 1970 ist Hansi mit dem VfL in Bukarest. Seine Frau Karin reist mit zum Familientreffen. Karin hat seine Familie 1966 zum ersten Mal gesehen. Hansi ist bei diesem Besuch nicht dabei. Karin wird auf dieser Abenteuerreise von Gisela, der Tochter des VfL-Obmanns Eugen Haas, begleitet. Hansis Eltern, Schwester Helga, Schwager Willi Pries mit den Kindern Gunthara und Ute dürfen Rumänien erst 1974 verlassen. Hansi rechnet mit Pfiffen der Bukarester. Und dann das Unerwartete: Beim Aufwärmen kommt ein ihm bekannter Unteroffizier auf ihn zu und umarmt ihn. Bei der Vorstellung der Mannschaften erntet er einen Riesenapplaus. Gerne erinnert sich Hansi auch an das EC-Endspiel1967 gegen Dukla Prag in der Dortmunder Westfalenhalle. "Wir haben diese rassige sportliche Auseinandersetzung durch Kampfgeist gegen die damals beste Vereinsmannschaft der Welt 17:13 gewonnen", sagt Hansi, ohne nachdenken zu müssen. Für seine Verdienste um den deutschen Handball ist Hansi Schmidt mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet worden. Ferner hat ihm der nordrhein-westfälische Ministerpräsident die NRW-Sportplakette verliehen und überreicht. 54
Seit bald 40 Jahren lebt Hansi nun schon in Deutschland. Doch an einige Dinge hat er sich noch immer nicht gewöhnt. "Wenn du einem hierzulande in der Tür begegnest, der geht nicht aus dem Weg, der würde dich glatt umrennen, wir haben da etwas ganz anderes gelernt, bisschen Rücksicht und Höflichkeit", sagt er. Hansi wünscht sich, dass der Deutsche ein wenig mehr nationales Selbstbewusstsein zeigt und weniger den Kosmopoliten herauskehrt. Er bedauert, in einer Zeit zu leben, in der jeder gegen jeden ist und einer den anderen über den Tisch zu ziehen versucht. Seine schönste Zeit hat er in Hans-Günther Schmidt Junior beim Speerwurf Marienfeld erlebt, sagt er. Gerne ist er immer wieder ins Geburtshaus Nikolaus Lenaus gegangen, wo sein Vater seine Arztpraxis hatte. Auch heute fühlt er sich noch immer dem Banat verbunden. Doch er hat im Oberbergischen eine neue Heimat gefunden. Er ist hier sehr nett aufgenommen worden: "Ich habe besonders meinen Mäzenen Ruth und Hali Liedhegener sowie meinen späteren Schwiegereltern Claire und Peter Kohlmeier zu danken." In die neue Bundeshauptstadt Berlin fährt er immer wieder gern, denn dort ist sein Vetter Herbert Schmidt, den er seinen Halbbruder nennt, zu Hause.
Hans Georg "Gerch" Herzog
Autogramme für den Marathon-Olympiasieger August 1936. Vor dem Haus im Olympischen Dorf zu Berlin, das sich die rumänische Handball-Nationalmannschaft und die deutsche Wasserball-Mannschaft teilen, erscheint ein kleiner, unscheinbarer Asiate. Die beiden Mannschaften spielen gegeneinander Fußball. Der Blick des Asiaten drückt Bewunderung aus, er beobachtet alles und fotografiert. Schließlich verbeugt er sich tief, und in einer Gebärdensprache bittet er Handballer und Fußballer um Autogramme. Hans Georg "Gerch" Herzog erinnert sich noch ganz genau an jene Szene im Olympischen Dorf. Die rumänischen Handballer, die fast alle Siebenbürger Sachsen sind, geben dem jungen Mann Hans Georg Herzog die gewünschten Autogramme, und der verabschiedet sich genauso höflich, wie er gekommen ist. Am 9. August sehen die Handballer ihren Gast unter 100.000 Zuschauern im Olympiastadion wieder. Sie sehen, wie Sohn als erster Marathonläufer das Stadion erreicht und in einer fantastischen Zeit gewinnt. Sohn erringt den Sieg unter dem Namen Kitei Son für Japan. Dass dieser Mann ein Koreaner ist, erfährt Herzog erst viel später. Denn Sohn Ke Chung wird 1988 einen neuen Auftritt bei den Olympischen Spielen haben. Diesmal für sein Land, für Korea. Er trägt als letzter Läufer das olympische Feuer ins Olympiastadion von Seoul. Bei diesem Lauf vollführt Sohn wahre Freudensprünge. Denn erst an diesem Eröffnungstag der 24. Sommerspiele in Seoul ist der Olympiasieger von 1936 an der Endstation Sehnsucht angekommen - mit 52 Jahren Verspätung. Sohns Geschichte ist nur eine, die der am 7. Juli 1915 im siebenbürgischen Mühlbach geborene Herzog, er ist der Sohn des Parlamentariers Dr. Otto Herzog, der die rumänischen Handballer vor den Spielen in Berlin "ein56
kleidet", zu erzählen weiß. Draper, der zusammen mit Jesse Owens, Metcalfe und Wykoff die 4x100-Meter-Staffel gewinnt, erzählt Hans Georg Herzog eines Tages, dass die U5-Athleten vor den Wettkämpfen nur große Steaks essen. Das würden sie im neuen Jahrhundert nicht mehr tun, denn heute stehen Kohlehydrate auf dem Speisezettel der Athleten. Doch damals haben sie auch mit Steaks gesiegt. Auf der Busfahrt nach Berlin-Zoo debattiert Herzog mit dem Chef der japanischen Fußballmannschaft über Selbstverteidigung. Die hatte Herzog in Form von Boxen und Jiu Jitsu geübt. Doch der Mannschaftschef der Japaner hält von beidem nichts. Dem Sport müsse eine Philosophie und nicht bloß eine Technik, wie das rudimentäre Jiu-Jitsu, zu Grunde liegen. Seine Fußballer seien Philosophen, und der Fußballlehrer empfiehlt Herzog, er sollte sich dem Judo mit anderem philosophischen Hintergrund zuwenden. Der Fußballchef und Georg Herzog beschließen, es praktisch im Hotelzimmer des Japaners zu versuchen. Ergebnis: Herzogs Boxhiebe kommen nicht an, der Japaner schultert den Handballer, der im Kleiderschrank landet. Als Herzog den Fußballtrainer zu Fall bringen will, hält sich dieser - wohl der Judo-Philosophie entsprechend - am Hosenboden des Handballers fest. Die Lektion ist damit beendet. Doch auch an manch andere lustige Begebenheit erinnert sich der ehemalige Rechtsanwalt und Dolmetscher Herzog, der heute in Wien als Rentner lebt. Noch vor den Olympischen Spielen, im Frühjahr 1934, unternimmt der Hermannstädter Turnverein (HTV) eine hervorragend von Hans Schuschnig organisierte Tournee durchs Sudetenland und gewinnt alle sechs Spiele. Die Mannschaft genießt in jedem Spiel die lebhafte Unterstützung der tschechischen Zuschauer. Denn die meinen, sie hätten es mit echten Rumänen zu tun, die ihre ungeliebten deutschen Landsleute in die Schranken weisen. Die Spiele werden in Saatz, Brüx, Dux, TeplitzSchönau, Aussig und Bodenbach ausgetragen. Im vorletzten Spiel in Aussig erleidet Herzog einen Muskelfaserriss und ist auf dem zweiten Teil der Tournee, die Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin: (von links) Hans Georg Herzog, Trainer Hans Schuschnig, Günther Schorsten , durch Deutschland führt, außer Gefecht. Wilhelm Heide! und Alfred Höchsmann mit zwei pakistanischen Die sechs Spiele in Hockeyspielern. 57
Deutschland, das erste findet in Pirna statt, gehen alle verloren. Nur in dem Spiel in Dresden wächst Günther Schorsten über sich hinaus. Er ist bester Mann auf dem Platz, berichtet Herzog, und trägt mit seinen Toren fast zu einem Sieg der Siebenbürger Handballer bei. Die Spielergebnisse der Tournee durch das Sudetenland und durch Deutschland sind auch beeinflusst von der großen Belastung durch die dicht aufeinander folgenden Wettkämpfe, die Begrüßungs- und Abschiedsfeste, die herzliche Gastfreundschaft, sagt Herzog. Auch das kulturelle Begleitprogramm, beginnend mit Prag und fortgesetzt in allen Gastorten und in der Sächsischen Schweiz, beeinflusst die Auftritte der Siebenbürger Spieler. Doch die Mannschaft kommt wegen des großen Kaders gut über die Runden. Saatz, wo das erste Spiel stattfindet, wird für Herzog zu einem der nachhaltigsten sportlichen Erfolgserlebnisse: Als Rechtsverbinder von Willi Kirschner hervorragend eingesetzt, erzielt er binnen weniger Minuten die ersten drei Tore und später ein viertes zum Endergebnis von 10:4. "Dieser Knalleffekt bedeutete für die ganze Mannschaft, die bis dahin keine internationale Vergleichsmöglichkeit hatte, eine gute Grundlage für unser Selbstvertrauen." Im Jahr 1935 kommt es zu weiteren internationalen Begegnungen in Siebenbürgen, erinnert sich Herzog. Die Mannschaft der Technischen Hochschule (TH) München spielt gegen den HTV, gegen den Mediascher und den Kronstädter Turnverein und gewinnt stets. 1937 spielt der sudetendeutsche Meister Dux in Hermannstadt und Bistritz, aber auch in anderen Siebenbürger Städten. Die Sudetendeutschen gewinnen alle Spiele. 1937 und 1938 wird der Spielbetrieb in Siebenbürgen durch Handball-Kurse in Deutschland, auch Willi Zacharias nimmt daran teil, positiv beeinflusst. Die Siebenbürger Trainer geben die Erkenntnisse über die Entwicklungen an den HTV und die anderen Vereine weiter, so dass deren Spiel auf bessere technische und taktische Grundlagen gestellt wird. 1940 ist das Jahr des ersten großen Aderlasses für den Siebenbürger Handball. Durch den Anschluss Nordsiebenbürgens an Ungarn werden rund 61.000 Siebenbürger Sachsen und ihre Sportvereine dem Spielbetrieb in Rumänien entzogen. Der Bistritzer Turnverein ist zu dieser Zeit, was die Spielstärke anbelangt, an den HTV herangerückt. Der BTV verdankt das in erster Linie der Lehrtätigkeit von HTV- und Nationalspieler Fritz Halmen. Mit Kriegsbeginn leidet der Spielbetrieb zusätzlich. Jetzt werden nur noch Städtemeisterschaften ausgetragen. Die alten Vereine werden von Schülermannschaften vertreten, und die kommen noch immer zu knappen Erfolgen über die rumänischen Mannschaften. So gewinnt der Mediascher Turnverein 1943 mit einem einzigen Tor Vorsprung das Entscheidungsspiel um den Titel gegen Viforul Dada Bukarest. Parallel zur Landesmeisterschaft trägt die deutsche Volksgruppe Gau-Meisterschaften aus. Herzog steht in einem solchen Spiel in der Mannschaft des Gaues Altreich, praktisch der Turnverein Bukarest, die gegen die Teams der Gaue in Siebenbürgen und Banat antritt. So spielt die Bukarester Mannschaft beispielsweise gegen eine 58
Kronstädter Schülermannschaft unter der Leitung von Wilhelm Zacharias und gegen ein Team des Gaus Reschitza. Meister wird Siebenbürgen vor Reschitza und dem Altreich, erinnert sich Herzog. Mit dem Krieg beginnt der Niedergang des rumäniendeutschen Handballs. Mit Kriegsende hört er auf, als selbstständige Organisationsform zu existieren. Die deutschen Sportler werden bald in verstaatlichten Firmenklubs in rumänischen Mannschaften spielen. Sie werden begehrte und erfolgreiche Klub- und Nationalspieler. Aus der Zeit nach 1944 sind viele enge Verbindungen zwischen diesen entstanden, die auch heute noch lebendig sind. Herzog bedauert, dass ein solcher Zusammenhalt bei seiner Generation nicht mehr zustande gekommen ist. Er führt dies vor allem auf das Verschwinden des Großfeldhandballs zurück, dem seiner Meinung nach die schwedische Spieltaktik und vor allem die "Betonwand-Verteidigung" den Todesstoß versetzt haben, aber auch wegen der Sorgen nach dem Krieg, dem Kampf um die Existenzgründung nach Kriegsdienst und Heimatverlust Doch zurück zu den Olympischen Spielen. Nach der Tournee durchs Sudetenland und Deutschland studiert Herzog in Paris und vom Sommer 1935 bis Herbst 1936 in Berlin. Somit muss er die Reise zu den Spielen erst gar nicht antreten. Er stößt im August ganz einfach zur Handballmannschaft, um am olympischen Turnier teilzunehmen.
Die rumänische Handball-Mannschaft vor dem Spiel gegen die USA bei den Olympischen Spielen 1936, das 10:3 endet, oberste Reihe von links: Johann (Oki) Sonntag, (HIV- und Handball- Verbands-Funktionär),HansGeorg Herzog, Fritz Halmen, WilhelmHeidel, Günther Schorsten, Wilhelm "Kiri" Kirschner (alle Stürmer vom Hermannstädter Turnverein!HIV), Mannschaftsarzt Piirvulescu, mittlere Reihe kniend: die drei Läufer (Mittelfeldspieler) Robert Speck,Alfred Höchsmann (beide HIV) und Bruno Holzträger(Mediasch) , sitzend: Kar! Haffer (Verteidiger), Stefan Zoller (Torwart) und Fritz Haffer (Verteidiger/alle drei HIV)
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Rumänien spielt zusammen mit Österreich und der Schweiz in der zweiten Gruppe. Im ersten Spiel besiegen die Österreicher die rumänische Elf 18:3. Wie in einem vorn Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld unter dem Titel "Die Olympischen Spiele 1936" herausgegebenen Bildband berichtet wird, "sah es in den ersten Minuten des Kampfes gar nicht nach einer so deutlichen Überlegenheit der späteren Gewinner aus. Dann aber macht sich die reifere Technik und das ausgeprägte Können der Endspielteilnehmer bemerkbar, und nach einem Halbzeitstand von 5:1 fielen die Tore in regelmäßigen Abständen." Herzog, der das Spiel von der Bank aus verfolgt hat, sagt, der Einbruch der rumänischen Mannschaft sei psychisch bedingt gewesen, denn technisch und athletisch war eine derartige Überlegenheit nicht gegeben. Das habe sich bereits im darauffolgenden Jahr bei einem Ländervergleich gezeigt. Im letzten Treffen dieser Vorrunde verliert die rumänische Mannschaft erneut, diesmal gegen die Schweiz. Rumänien "zeigte sich jedoch von der besten Seite und setzte den SChweizern einen äußerst harten Widerstand entgegen. Vor allen Dingen ihre Hintermannschaft befand sich in großer Form und verhinderte immer wieder zählbare Erfolge. Gegen Ende der Spielzeit liefen die Rumänen sogar noch einmal zu großer Form auf und versuchten das Unmögliche möglich zu machen, mit 8:6 blieben die Männer aus der Schweiz dennoch siegreich", heißt es weiter in dem Band. Im letzten Spiel, um den fünften Platz, "das die beiden Letzten jeder Gruppe, also USA und Rumänien, zusammenführte, zeigten die Europäer, dass sie doch schon mehr Spielerfahrung und größere Routine besitzen als die Männer von jenseits des großen Teiches, die zumeist vom Basketball her zum Handball gekommen sind. Mit 10:3 blieben die Rumänen erfolgreich", schließt die Berichterstattung über den Auftritt der siebenbürgischen Handballer in Berlin. Ein Jahr später kommt es in Siebenbürgen zur Revanche. In Hermannstadt unterliegt eine aus neun Grazer und zwei Kärntner Spielern zusammengesetzte Elf im Spiel gegen den rumänischen Meister HTV mit 7:12 (5:6). Wie eine Grazer Zeitung am 29. Juni 1937 berichtet, ist der Hermannstädter Mannschaft ein äußerst schnelles und sehr spannendes Spiel gelungen. Der Torunterschied sei hauptsächlich "der zu langsamen Grazer Verteidigung zuzuschreiben, die die außergewöhnlich schnellen Stürmer der Hermannstädter, deren Leichtgewicht ihnen auf dem weichen Sandboden des Onef-Stadions noch einen weiteren Vorteil brachte, nicht sicher genug halten konnte. Die Gegner zogen aber den meist zu weit aufgerückten Deckern und den auf dem weichen Boden zu langsamen Verteidigern der Grazer davon. Wohl bot die Hermannstädter Mannschaft eine Art Sonderleistung, sie ist wunderbar in Schwung und hat besonders in der Stürmerreihe einige überaus schnelle und wurftüchtige Leute, deren schönes Kombinationsspiel sich auch gegen stärkste Abwehrreihen gut durchzusetzen vermag." Weiter heißt es im Bericht: "In der zweiten Halbzeit setzte sich der Hermannstädter Sturm erfolgreich durch, obwohl beide 60
Mannschaften die gleiche Zahl von Tormöglichkeiten hatten und die Grazer eine Reihe von Schüssen neben die Stangen gehen ließen." Bereits zwei Tage vorher wurde im selben Stadion das Länderspiel Rumänien gegen Österreich ausgetragenen, das 8:7 (4:4) endet. Wie dieselbe Grazer Zeitung berichtet, war es ein verdienter Sieg der rumänischen Mannschaft, die sich in der Hauptsache auf die Spieler des rumänischen Meisters HTV stützte. Der HTV war mit acht Spielern vertreten. Die rumänische Mannschaft hat, so der Bericht weiter, gegenüber den Olympischen Spielen einen "augenfälligen Fortschritt in der Spielweise" aufzuweisen. Die Österreichische Mannschaft habe sich auf dem nach einem Wolkenbruch aufgeweichten Spielfeld nicht zurecht gefunden. Für Rumänien sind aufgelaufen: Peter Fecsi, Haffer, Krech, Alfred Höchsmann, Dragan Comanescu, Bruno Holzträger, Kraus, Fritz Halmen, Wilhelm Kirschner, Wilhelm Heidel und Connerth. Weiter heißt es im Bericht: "Das Spiel wurde von dem Bukarester Schiedsrichter Sonntag geleitet, der das rasche und schöne Spiel wohl jederzeit in der Hand hatte, die Österreichische Mannschaft aber durch seine von der Österreichischen stark abweichende Auslegung einiger Regeln in Verwirrung und einige Mal in entscheidenden Nachteil brachte." Die Hermannstädter Spieler, die vor einiger Zeit durch Carl Schelenz, den Begründer des Handballsports, trainiert worden waren, haben ausgezeichnet gelernt. "Sie zeigten die gleiche Spielweise, wie sie von der deutschen Nationalmannschaft vorgeführt wurde, waren sehr schnell und ausgezeichnet im Schuss. Unter den über 2000 Zusehern befanden sich zahlreiche Persönlichkeiten, auch der Österreichische Gesandte in Bukarest." Bei der ersten Großfeldhandball-Weltmeisterschaft 1938 in Deutschland trifft Rumänien im ersten Spiel in Magdeburg auf Schweden. Herzog erinnert sich noch genau an das Spiel: "Es war ein harter Kampf zweier gleich starker Mannschaften, den die Schweden knapp, mit etwas mehr Glück gewinnen. Wilhelm Kirschner vergibt in diesem Spiel- wohl das erste Mal in seinem Leben- einen 13-Meter-Strafwurf", so Herzog. Der Schiedsrichter aberkennt zwei Tore von Wilhelm Zacharias, "die meines Entsinnens vom Publikum bejubelt und von der Reservebank als einwandfrei gesehen wurden." Erst ein Jahr später kommt es zur gelungenen Revanche in Bukarest: Rumänien gewinnt in der bekannten Aufstellung 10:8. Im Vorspiel besiegt der Bukarester TV den Czernowitzer TV eindeutig. In diesem Spiel steht Herzog erstmals als Spielmacher und Torschütze in den Reihen des Bukarester TV. Für Czernowitz und das Buchenland ist dies eines der letzten Spiele vor dem Abschluss des Molotow-Ribbentropp-Paktes, der der Sowjetunion den Anschluss des Buchenlandes ermöglicht und die Umsiedlung der Deutschen zur Folge hat. Nach dem Magdeburg-Spiel gegen Schweden bestreiten die Rumänen zwei Spiele gegen Luxemburg, die glatt gewonnen werden. Wie es zu diesen Paarungen gekommen ist, weiß Herzog nicht mehr. "In beiden Spielen war ich als offensiver linker Läufer eingesetzt und hatte das Vergnügen, erstmals 61
zu bemerken, wie gut die Luxemburger und wir Sachsen uns mit unseren Dialekten verstehen." Herzog hat in diesen Spielen einen jungen Mann zum Gegner, der die 100 Meter in elf Sekunden läuft. Als er ihn mit der Anrede "tea Schweng" (du Schwein) provoziert, reagiert dieser sofort. Dem rumänischen WM-Aufgebot gehören an: Ernst Wolf, Wilhelm Zacharias, Henning, Günther Schorsten, Karl Haffer, Friedrich Barth, Edwin Steilner, Hans Hermannstädter, Alfred Höchsmann, Wilhelm "Kiwi" Kirschner, Connerth, Fritz Halmen (alle HTV), Hans Georg Herzog (Bukarester Turnverein), Hanek (Bistritzer TV), Drägan Comänescu (Viforul Dacia Bukarest), Peter Fecsi und ein unter dem Spitznamen Chinezul bekannter Spieler. Als Oki Sonntag 1937 die Handball-Sektion des alten Bukarester Turnvereins gründet, bittet er Herzog, ihm Starthilfe zu leisten. 1938 beendet er sein Jurastudium in Bukarest, beginnt seine Referendarzeit und arbeitet 1940 als eingetragener Anwalt in einer Bukarester Rechtsanwaltskanzlei. 1942 eröffnet er dort seine eigene Kanzlei, nachdem er 1941 als rumänischer Feldartillerie-Leutnant schwer verletzt und kriegsinvalide geworden war. Er setzt sein Studium fort und erwirbt den akademischen Titel eines "doctor laureat". Ende 1943 erkrankt Herzog an Kinderlähmung. Um die Folgen der Krankheit zu behandeln, geht er 1944 nach Wien. Von 1945 bis 1952 arbeitet er für die Franzosen als Sekretär und Englischdolmetscher. 1951 eröffnet er seine Rechtsanwaltspraxis in Wien, die er bis 1983 betreibt. Nach dem Krieg gründet Herzog die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich und kümmert sich um die Eingliederung der Landsleute. 1957 erhält er für außergewöhnliche Verdienste zum Wohle der Siebenbürger Sachsen das Ehrenwappen der Landsmannschaft in Deutschland. In der Nachkriegszeit ist er noch in ständigem Kontakt mit Dr. Hans Zikeli, der am 6. Februar 1999 gestorben ist, Wilhelm Zacharias, der in Graz lebt, und Fritz Barth, gestorben am 4. Mai 1991 in Wien. Günther Schorsten wurde Arzt in München und ist, so Herzog, vor rund 20 Jahren gestorben. Wilhelm Kirschner ist seit März 1994 tot. Er ist in Drabenderhöhe begraben. Fritz Halmen lebt in München, wo er Tennislehrer war. Sonntag, der bei den Bukarester Behörden die Interessen der Handballer hervorragend vertreten hat, ist am 24. Oktober 1998 in Augsburg gestorben. Heute tut es Herzog leid, "dass niemand von uns es unternommen hat, die alten Beziehungen wieder aufzunehmen. Jetzt ist es sicher zu spät."
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Hans Moser
In der Jahrhundert-Sieben Er ist wieder da, sagt sich so mancher. Und das, was er für den rumänischen Handball getan hat, ist unvergessen. Wo immer der zweifache Handballweltmeister Hans Moser heute in Rumänien auch hinkommt, schaut man zu ihm empor, obwohl inzwischen 40 Jahre seit dem Gewinn des ersten WM-Titels vergangen sind. "Ich werde hier geschätzt wie Franz· Beckenbauer oder Boris Becker in Deutschland", sagt der Spätheimkehrer. In einer Zeit, wo alle ihr Heil im Westen suchen, geht das in Temeswar geborene Handballidol den umgekehrten Weg. In Ocna $ugatag bei Baia Mare in der Maramuresch (in Nordwest-Rumänien) hat sich Moser vor fünf Jahren niedergelassen, zum Hans Moser dritten Mal geheiratet und ist heute Vater einer sechsjährigen Tochter. Aus erster Ehe hat er Sohn Richard und aus zweiter Ehe Tochter Julia. Warum Hans Moser in Rumänien so geschätzt ist, umreißt der Handball-Trainer und -Lehrer Reinhard Gottschling, der mit der Frauenmannschaft von Bayer Leverkusen deutscher Meister geworden ist, in einem Satz: "Ohne Hans Moser hätte die rumänische Handballnationalmannschaft die Weltmeistertitel 1961 und 1964 nie gewonnen." Hans Moser, der am 24. Januar 1937 in Temeswar geboren wurde, hat in den 60er Jahren zu den Erfolgsgaranten der rumänischen Nationalmannschaft gehört. Genauso wichtig wie Moser sind bei der Weltmeisterschaft 1964 zwei weitere deutsche Spieler aus dem Banat: Mit Michael Redl steht ein Weltklassemann im Tor und mit Josef Jakob der damals weltbeste Rechtsaußen, wie der ehemalige deutsche Nationalspieler vom VfL Gummersbach, Hans-Günther Schmidt, sagt. Seine Leistungen honoriert das World-Handball-Magazin, das offizielle Organ der Internationalen Handball-Föderation, im Jahr 2000 mit der Berufung Mosers in die Jahrhundert-Sieben. Die Weltauswahl des 20. Jahrhunderts wurde gewählt von zehn namhaften Nationaltrainern. 63
Dem Jahrhundert-Team gehören ferner an: Torsteher Cornel Penu, Gheorghe Gruia (beide Rumänien), Jozsef Eies, (Ungarn), Irfan Smailagic (Jugoslawien/Kroatien), Jerolim Karadza und Mile lsakovic (beide Jugoslawien). Bei der Weltmeisterschaft in Prag wird Moser Torschützenkönig. Das reicht, um im selben Jahr zum Welthandballer des Jahres gewählt zu werden. Sein erstes WM-Turnier bestreitet Moser 1958 in der DDR. Doch bei dieser dritten Hallen-WM hat Rumänien noch nichts zu bestellen. Die Mannschaft erreicht nicht einmal die Endrunde. Drei Jahre später, 1961, wird die rumänische Mannschaft zur Überraschung der Fachleute Weltmeister. 1964 kann Hans Moser den Erfolg mit einer rumänischen Mannschaft wiederholen, die wohl den elegantesten Handball aller Zeiten spielt. Der dritte Titel in Folge wird Moser jedoch versagt bleiben. Bei der Weltmeisterschaft 1967 in Schweden gewinnt die Mannschaft- Hans Moser spielt sein viertes WM-Turnier - Bronze. Johnny Kunst, der Bukarester Handball-Papst, war sich sicher, dass dieser Weltmeistertitel nur deshalb verloren gegangen ist, weil der Marienfelder Hans-Günther Schmidt ein paar Monate vor der WM in Deutschland geblieben ist. Hans Moser ist wie manch anderer durch Zufall Handballer geworden. Der Temeswarer Wasserballtrainer Sterbenzentdeckt Moser für den Handball. Moser geht zu Constructorul und bestreitet mit der Mannschaft zwei Trainingsspiele gegen $tiinta Temeswar. Und in diesen Spielen erkennt der damalige $tiinta-Spielertrainer Constantin Lache das Talent des 1,92 m großen jungen Mannes und holt ihn zur Studentenmannschaft. Der Wechsel findet statt wenige Tage, bevor Moser ins Trainingslager mit der VolleyballNationalmannschaft fahren soll. Es ist das Jahr 1951. Drei Jahre später wird Hans Moser zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen. Moser ist wahrscheinlich das größte Handballtalent, das Rumänien hervorgebracht hat. In seiner langen Karriere ist er Spielmacher und Vollstrecker zugleich. Er ist derjenige, der den Fallwurf perfektioniert, indem er durch Täuschung die Mauer umgeht. Mit der Temeswarer Studentenmannschaft wird Moser auch seinen ersten großen Erfolg feiern.1956 gewinnt er mit $tiinta den ersten und letzten Landesmeistertitel auf dem Großfeld für die Temeswarer. Moser 64
erinnert sich noch gerne an die Zeit in den 50er Jahren, als er mit Klassespielern wie Walther Maiterth, Waldemar Zawadzki, Alfred Bonfert, Constantin Lache und Gabriel Zugravescu zusammengespielt hat. Später stoßen Vlad, Constantin Jude, Margineanu und Barbu hinzu. Hans Moser besucht drei Jahre lang die Lehrerbildungsanstalt (19491952) und vier Jahre das Baugymnasium (1952-1956) in Temeswar. Nach dem Abitur studiert er Agronomie in Temeswar bis zum Wechsel1959 von $tiinta nach Bukarest zu Dinamo. In Bukarest ist er von 1960 bis 1965 Student der Sporthochschule, die er als Diplomsportlehrer verlässt. Mit Dinamo Bukarest erringt Hans Moser bis zu seinem Abschied 1968 elf Meistertitel, davon drei auf dem Großfeld. Ferner wird er mit der Bukarester Mannschaft 1965 den Buropapokal der Landesmeister gewinnen. Insgesamt bestreitet Hans Moser 224 Länderspiele für Rumänien, davon sieben auf dem Großfeld. 1968 unterschreibt Moser einen auf sechs Monate befristeten Vertrag und wird Spielertrainer beim TV Milbertshofen. Nach Ablauf der sechs Monate "vergisst" Moser einfach, nach Rumänien zurück zu fahren. Frau und Sohn Richard, die zu Besuch kommen, tun ein gleiches. Moser führt die Milbertshofener 1970 in die Handball-Bundesliga. 1972 wechselt er zum VfL Günzburg in die Landesliga. Bereits 1974 ist er mit diesem Klub in der obersten Spielklasse. Im selben Jahr wechselt er nach Augsburg. Von dort geht er 1978 wieder nach Milbertshofen, wo er bis 1980 als Trainer in der ersten Liga tätig ist. "Ich habe immer gute Trainerarbeit geleistet, war jedoch nie der Genießende. Ich habe die Mannschaften hoch gebracht, doch waren
Imm er fiir einen Spaß zu haben: Fußballweltmeister Sepp Maierund Handballweltmeister Man s Maser
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sie einmal in der Bundesliga, dann haben die Probleme begonnen, dann war nicht mehr der Handballfachmann, sondern der Psychologe gefragt", sagt Moser heute. Von der Trainertätigkeit allein kann Moser nicht leben, deshalb arbeitet er die meiste Zeit hauptberuflich als Lehrer. 1980 erteilt Hans Moser der ehemaligen persischen Kaiserin Soraya (1932-2001) Tennisunterricht im exklusiven Klub in Planegg. Moser wird wegen seiner Verdienste vor der Weltmeisterschaft 1970 in Frankreich auf einer Briefmarke "verewigt". Auch eine Maser-Statue wird auf den Markt gebracht. Von 1984 bis 1986 trainiert Moser Frisch Auf Göppingen und erlebt den Zwangsabstieg der Mannschaft, weil nachgewiesen wird, dass der Spieler Klempel nicht Amateur, sondern Profi ist. Doch nach einem Jahr ist Göppingen wieder in der Bundesliga. 1986 wird Hans Moser Profitrainer in der Schweiz. Er wird Emmenbrücke bis 1988 betreuen. Mit der Jugendmannschaft des Klubs geWinnt er den Schweizer Meistertitel. Mit der ersten Mannschaft belegt er den vierten Platz in der Schweizer Meisterschaft. Nach Beendigung des Engagements in der Schweiz ist er wieder Trainer in Göppingen, wo er auch als Lehrer arbeitet. 1996 geht Moser nach Rumänien, wo er mit seiner Frau eine neue Existenz aufbaut. Heute ist Hans Moser einen guten Teil des Jahres in Rumänien zu Hause. In der Maramuresch leistet er Aufbauhilfe in Sachen Handball. Denn der rumänische Handball ist inzwischen am Boden, sagt der zweifache Handball-Weltmeister. Zur Zeit betreut er Schülermannschaften in der Sportschule in Baia Mare. Mit einer Jugendmannschaft hat er bereits einen Landesmeistertitel errungen. Doch dabei soll es nicht bleiben. Moser hat neue Pläne. Zusammen mit dem Handball-Verband will Moser wieder eine schlagkräftige Nationalmannschaft aufbauen. Dazu sollen zwei Handballzentren gegründet werden, eines in Ocna $ugatag, das zweite in Hermannstadt In den beiden Zentren sollen die besten Spieler zusammengezogen werden, beruflich und finanziell versorgt werden, um problemlos Handball spielen zu können. In Zukunft sollten Spieler, so der Vorschlag Masers, erst dann ins Ausland wechseln dürfen, wenn sie etwas geleistet haben. Ob das allerdings durchges~tzt werden kann, steht noch in den Sternen. Das Handballzentrum in Ocna $ugatag soll nach den Vorstellungen Masers zu einer bereits geplanten Rehabilitationsanlage gehören, die das vorhandene Heilwasser nutzen soll. Von der Anlage und der schönen Gegend sollen die rumänischen Handballer genauso profitieren wie Spitzenmannschaften oder auch weniger zahlungskräftige Klubs aus dem Ausland. Zum Zentrum werden auch zwei Sporthallen gehören, ferner ein Golfplatz und Tennisanlagen. Das Ganze soll mit EU-Geldern finanziert werden:. "Die Pläne beginnen allmählich konkret zu werden", sagt Moser. "Und wenn alles gut geht, steigt vielleicht auch mein Sohn ins Geschäft ein." Doch der Sport ist nicht das einzige Betätigungsfeld Masers in der 66
Maramuresch. Er nutzt seinen guten Ruf, um die zusammen mit seiner Frau aufgebaute Firma, die Fenster und Türen produziert, vorwärts zu bringen. Eine kurz nach der Wende in Temeswar getätigte Investition war allerdings ein Fehlschlag. Moser hatte sich an einer Bäckerei am St.-Georg-Platz in Temeswar beteiligt, die letztendlich von sechs Produktionslinien in Liebling versorgt werden sollte. Doch ein Vertragsfehler ist ihm, wie er sagt, zum Verhängnis geworden. Weil Brot subventioniert wird, sei mit einer Bäckerei kein Geschäft zu machen. In Nordwesten Rumäniens mit seiner schönen Gegend fühlt sich Moser inzwischen wohl. Dort habe er noch immer seine Lobby. Dort lebt er zusammen mit seiner Frau und seiner sechsjährigen Tochter. Allerdings, wenn Denies einmal zur Schule kommt, will die Familie länger in Deutschland weilen als in Rumänien. Hans Mosers Sohn Richard, am 27. Juli 1960 in Temeswar geboren, ist in die Fußstapfen des Vaters getreten. Bereits von Kind auf ist Richard dabei, wenn Vater Handball spielt. Schon als Einjähriger ist er in Kronstadt dabei, wenn sich Dinamo im Trainingslager in der Schulerau für die Meisterschaft vorbereitet. Doch Handball zu spielen beginnt Richard erst in Deutschland beim TV München-Ost. Richard ist gerade mal zwölf Jahre alt. Seine nächste Station ist der VfL Günsburg. Dort spielt er in der Jugendmannschaft, dann in der zweiten Liga. Mit Günzburg schafft der 1,88 Meter große Rückraumspieler 1978 den Aufstieg in die Bundesliga. Dann folgt Richard dem Vater nach Göppingen, wo er von 1982 bis 1985 in der ersten Bundesliga spielt. 1986 wechselt Richard, der genau wie der Vater Rechtshänder ist, zu den Reinickendorfer Füchsen nach Berlin, wo er ein Jahr lang in der Bundesliga spielt. Dann muss er seine aktive Laufbahn beenden, denn er wird zum achten Mal operiert. Er hat bereits Eingriffe am Knie, am Fuß und am Handgelenk hinter sich. "Nur das Talent habe ich vom Vater, die Knochen habe ich von der Mutter~', sagt er. Nach der Operation wird Richard Spielertrainer beim TV Burgau, wo er bis 1991 arbeiten wird. 1991 ist er wieder in Berlin, aber er legt ein Jahr Pause ein wegen einer Schulterverletzung. 1992 wird er Spielertrainer beim Regionalligisten TSV Charlottenburg, wo er bis 1995 bleibt. Anschließend trainiert er die Reinickendorfer Füchse bis zum Jahr 2000. Mit ihnen verpasst er 1999 knapp den Aufstieg in die zweite Bundesliga. Dann nimmt Richard eine Babypause: Töchterchen Annabell ist geboren. Inzwischen ist die Tochter zwei Jahre alt, so dass sich Richard neu orientieren muss. Wenn er nicht beim Vater ins Geschäft einsteigt, will er sich im Handball eine neue Stelle suchen. Richards Schwester Julia, 1980 geboren, ist, wie der Bruder sagt "leider oder auch Gott sei Dank nicht sportlich geraten".
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Wilhelm Heidel
Aus dem Sprung die schönsten Tore geworfen Er war einer der besten Handballer. Willi Heidel konnte aus dem Sprung mit der Rechten wie mit der Linken die schönsten Tore erzielen. Als rechter Verbinder war er ein geschickter Dribbler, beim Gegner stets gefürchtet. Diese Erinnerungen Ernst (Erni) Wolfs an Wilhelm Heidel wurden vor 15 Jahren festgehalten. Beide gehörten jener großen Handballmannschaft des Hermannstädter Turvereins (HTV) an, die 1936 zwölf Spieler für die Olympischen Spiele in Berlin gestellt hat. Nur etwas kitzlig sei er gewesen. Eines Tages ist die Studentenmannschaft Temeswar zu Gast in Hermannstadt Ein Meisterschaftsspiel ist angesagt, und Georg Gunesch, der 1947 Spielertrainer bei Politehnica Temeswar geworden ist, kennt die schwache Seite Heidels. Doch Wilhelm Heidel an jenem Tag spielt Wilhelm nicht. Die Hermannstädter setzen einen Reservemann ein. Und der fragt um eine gewisse Zeit, was zum Teufel die eigentlich von ihm wollten, weil sie ihn ständig mehr oder weniger diskret kitzelten. Diesmal erreicht der listige Gunesch sein Ziel nicht. Wilhelm Heidel, am 28. Februar 1916 in Hermannstadt geboren, beginnt mit 13 Jahren Handball zu spielen, und zwar in der Handelsschule. Sein Trainer ist Wilhelm Kirschner. Heute sagt Heidel von Kirschner, er sei ein Vorbild und ein guter Trainer gewesen. Er habe lange Jahre Handball und Tennis gespielt. Zu den ernst zu nehmenden Gegnern der Handelsschüler gehören damals die Brukenthalschule und das Lehrerseminar. Von den Schülern, die damals mit Heidel Handball zu spielen begonnen haben, werden später viele in der rumänischen Nationalmannschaft stehen, die 1936 in Berlin am olympischen Handballturnier teilnimmt. Doch bis zur Teilnahme an den Olympischen Spielen haben die Siebenbürger Handballer noch einige Sorgen. Es fehlt das Geld für die Reise 68
nach Deutschland. Doch Hans Schuschnig ist ein großer Macher. Der Trainer organisiert Spiele, deren Einnahmen in die Kasse fließen, die erst für die Reise nach Berlin geöffnet werden soll. Zu den Gegnern der späteren Olympia-Mannschaft gehört das deutsche Nationalteam. Ferner hat die rumänische Auswahl auf einer Auslandstournee gegen sechs sudetendeutsche Mannschaften gespielt, erinnert sich Heidel. Der Plan des Trainers wird verwirklicht, das nötige Geld zusammengespielt Zwölf Spieler des Hermannstädter Turnvereins, verstärkt mit zwei Mediaschern, einem Kronstädter und zwei Bukarestern treten die Reise nach Berlin an. Der Mannschaft gehören an: Karl und Fritz Haffer, Robert Speck, Alfred Höchsmann, Fritz Halmen, Günter Schorsten, Oki Sonntag, Hans Georg Herzog, Wilhelm Kirschner, Wilhelm Zacharias, Stefan Zollerund Wilhelm Heidel. Zu ihnen stoßen die drei Mediascher Hans Zikeli, Bruno Holzträger und Kasemiresch und der Kronstädter Stippi Orendi. Die beiden Bukarester Dragan Comanescu und Peter Fecsi werden nur deshalb genommen, weil eine rumänische Mannschaft nicht nur aus Deutschen bestehen darf, sagt Heidel. Schlecht sei es der rumänischen Mannschaft bei den Spielen ergangen. "Gegen Österreich haben wir eine haushohe Niederlage erlitten. Österreich hatte eine so große Auswahl, es war damals übermächtig." Und so ko~mt es, dass die rumänische Nationalmannschaft nur den fünften Platz belegt. Durch ein 10:3 über die USA. Wilhelm Heidel erinnert sich noch gerne an die schöne Zeit zurück. In den 30er Jahren, noch vor Berlin, haben die Hermannstädter Handballer große Spiele gegen Mannschaften aus Kronstadt oder Mediasch ausgetragen. "Meistens habe ich Linksverbinder gespielt", sagt Heidel, "ich habe die Nummer 10 getragen." Auch an seine Kollegen kann sich Heidel noch gut erinnern. Kirschner sei der beste gewesen, Orendi ein kampfbewusster Stürmer. Die Haffer-Brüderwaren die Stützen der Verteidigung. Und Höchsmann ein durchtrainierter Stürmer. Speck sei nicht wegzudenken gewesen: Er war ein Stammverteidiger. "Einer der weniger Begabten war Schorsten, leider ist er früh gefallen." Sonntag war sehr wichtig für die Mannschaft, eine Triebfeder, stets dabei, wenn es darum ging, etwas zu unterstützen oder zu machen. Zoller war ein hervorragender Torwart. Er konnte gleich gut im Handball- wie im Fußballtor halten. "Mit Bruno Rumänien- Deutschland 8: 10. Wilhelm Heide! Holzträger sind wir seltener zuim Angriff sammengekommen", sagt Heidel, 69
Der Hermannstädter Turnverein vor dem Krieg (von links): Wilhelm Heide/, Fritz Halmen, unbekannt, Rudolf Schlecht, Otto Mieß , Wilhelm Zacharias (in Uniform), Stefan Zoller, Wilhelm Kirschner, Kar/ Haffer, Oki Sonntag, Robert "Kiwolu" Speck und Fritz Haffer
"doch wir haben immer gerne auf ihn zurück gegriffen." Als Verteidiger hat er aber gut in die Mannschaft gepasst. Orendi war als Stürmer sehr beliebt, er hatte ein gutes Einfühlungsvermögen. Ernst Wolf war der geborene Torwart, ein Klassemann. Die längste Zeit spielt Heide! für den HTV. Mit der Hermannstädter Mannschaft fährt er eine Reihe von Landesmeistertiteln ein. Nur ein Jahr lang spielt er in Bukarest für den dortigen Turnverein. Das Handballspiel gibt Heidel im Alter von 43 Jahren auf. Alte Fotos oder andere Erinnerungsstücke an die alte Zeit besitzt Heide! nicht mehr. Bei der Ankunft nach acht Jahren Kriegsgefangenschaft findet er nur noch wenig vor. Fast alles ist weg. Er hat die schwere Zeit in den russischen Lagern, von Zentralrussland durch den Kaukasus und auf der Krim ohne sichtbare Schäden überstanden. Das Schlimme vergisst man, sagt Heide!, der heute in München lebt. 1970 kann er nach Deutschland ausreisen. Hier arbeitet er als Textilkaufmann in einer Tuchgroßhandlung. Er beliefert Firmen in Deutschland mit Schneiderzubehör. Inzwischen ist er längst Rentner.
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Bruno Holzträger
Der Mann mit Olympia-Ausweis 16268 Gudrun Müller ist im Besitz eines handgroßen Ausweises. Es ist ein Kleinod, das fast ein Dreiviertel Jahrhundert, weil gehegt, überdauert hat. Die beiden Innenseiten sind passähnlich. Über dem Foto eines jungen Mannes - er trägt Krawatte und ein schickes kariertes Hemd - der Aufdruck in Großbuchstaben: Olympia-Ausweis. Noch vor dem Bindestrich der deutsche Adler mit den fünf olympischen Ringen. Unter den Ringen die Nummer 16268. Es ist der Ausweis, den das "Organisationskomitee für die XL Olympiade Berlin 1936 e.V."auf den Namen Bruno Holzträger, geboren am 29. Juli 1916 in Mediasch, ausgestellt hat. Gezeichnet ist er vom Präsidenten Bruno Holzträger des Organisationskomitees, Dr. Theodor Lewald, und vom Generalsekretär Dr. Carl Diem. Der Stempel wurde in Bukarestin den Ausweis gedrückt. Senkrecht neben dem Foto die Aufschrift: Gültig bis 1. Oktober 1936 und XI. Olympiade Berlin 1936. Auf Seite zwei bestätigt das Nationale Olympische Komitee Rumäniens die Richtigkeit der umseitigen Angaben "und bescheinigt, dass Holzträger Bruno sich nach Berlin begibt, um den Spielen der XI. Olympiade Berlin 1936 als aktiver Teilnehmer" beizuwohnen. Das Rumänische Olympische Komitee hat den Ausweis am 21. Juli 1936 ausgestellt. Gudrun Müller ist die jüngste Tochter Bruno Holzträgers, der gerade einmal 20 Jahre alt, als rechter Läufer mit der rumänischen Handballmannschaft an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teilgenommen hat. Zusammen mit Willi Lapka wird er gleich nach dem Krieg als Spieler und Trainer dem Mediascher Handball wieder auf die Beine helfen. Er ist dazu bestimmt, als rumänischer Nationaltrainer 1949 die Frauennationalmannschaft ins erste Länderspiel zu führen: 1949 gegen Ungarn in Temeswar. Er wird die Nationalmannschaft in der ersten Hälfte der 50er Jahre trainieren. Als Spieler und Trainer wird er rund 50 internationale Begegnungen bestreiten. Mit der Nationalmannschaft wird er beispielsweise vom 24. 71
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Der Olympiaausweis Bruno Holzträgers
September bis 6. Oktober 1953 auf einer Polen-Tournee drei Siege einfahren. Nach dem Schulabgang macht Bruno Holzträger in Mediasch eine kaufmännische Lehre und besucht gleichzeitig die Handelsschule. In dieser Zeit hat Holzträger die ersten Kontakte zum Handball. 1931 beginnt er in der Mannschaft der Handelsschule Handball zu spielen. Nach Abschluss der Lehre wechselt er zum Mediascher Turnverein, für den er als rechter Läufer zum Einsatz kommt. Nach den Olympischen Spielen in Berlin wechselt Holzträger aus beruflichen Gründen zum Schäßburger Turnverein. 1938 wird er Soldat. Aus dem Traum, früh aus der Armee entlassen zu werden, wird nichts. Der Krieg holt auch Bruno Holzträger ein: 1941 nimmt er mit der rumänischen Armee am Feldzug gegen Russland teil. Durch die Ukraine geht es 1942 nach Nikolajew, in den Kaukasus und an den Kubanbrückenkopf. 1943 ist er auf der Krim und anschließend in Sewastopol. 1944 kommt er heil nach Mediasch zurück, muss aber nach dem Frontenwechsel der Rumänen wieder in den Krieg. Er erlebt das Kriegsende in Brünn und wird im September 1945 in Deutschbrod aus der Armee entlassen. Im Sommer 1945 kehrt mit Willi Lapka ein zweiter Mediascher Handball-Veteran heim. Lapka und Holzträger finden in Mediasch bereits Mädchenmannschaften vor. Eine steht in Diensten der Lederfabrik Karres. 72
Trainer J. Nagy hat unter anderen verpflichtet: Zita Bell, Edith Lehrer, Hilde Karres, Anneliese Szabo, Rodi Connert, Erika Lukas und Trude Graeser. Die Mannschaft der Glasfabrik Vitrometan hat unter. anderen in ihren Reihen: Maria Pelger, Erika Blahm, Hilda Blahm, Gerda Hommen, Lydia Kletterund Hilda Schnabel. Vitrometan-Trainer ist Gerdi Schunn. In beiden Mannschaften machen auch Ungarinnen und Rumäninnen mit, doch Leistungsträgerinnen sind Sächsinnen, berichtet Willi Lapka in der Mediascher Heimatmonographie. Holzträger und Lapka gründen eine Männermannschaft, die Karres angeschlossen wird. In dieser Mannschaft spielen unter anderen: Otto Auner, Roland Auner, Alfred Gutt, Günter Gutt, Franz Keul, Geri Schwab, Lui Connert, KlausTheil und Helmut Orendi. Trainer der neugegründeten Männermannschaft wird Willi Lapka. Bruno Holzträger wird Trainer der Karres-Frauenmannschaft Die beiden Veteranen, sie sind verschwägert, Willi ist mit Brunos Schwester verheiratet, machen mit ihrer Erfahrung und Routine Mediasch wieder zu einer Handball-Hochburg. Doch dies sind nicht die einzigen Handball-Mannschaften in Mediasch nach dem Krieg. Madosz, die kommunistische Partei der in Rumänien lebenden Ungarn, gründet eine Mädchen- und eine Männermannschaft, die unter dem Namen Vointa auftreten. So wird in Mediaschein großer Wetteifer entfacht, was der Spielqualität dient. Die beiden Vointa-Teams werden von Fritz Schmidt trainiert. Die Mediascher Herrenmannschaft von Karres gewinnt 1947 mit Willi Lapka als Trainer den Meistertitel. Die Frauenmannschaft erlebt einen
Der Mediascher Turnverein 1934: Zweiter von links Wilhelm Lapka, Vierter von links Rehner, Fünfter von links Alesi, Dritter von rechts Bruno Holzträger
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regelrechten Höhenflug. Sie holt 1949 unter dem Namen Record zum ersten Mal den Titel nach Mediasch. 1950 gewinnt Zefirul Mediasch unter Trainer Willi Lapka den LandesmeistertiteL Sie besiegt in Ploie~;>ti im Finale die Mannschaft der Bukarester Sporthochschule. Die Mannschaft wechselt zu Flamura Ro~;>ie und holt 1951 unter Bruno Holzträger den letzten Meistertitel nach Mediasch. Die Erfolge der Mediascher Mannschaften wecken das Interesse der neugegründeten Armee-, Polizei- und Studentenmannschaften. Roland Auner, Georg Gunesch, Waldemar Zawadzki, Walther Maiterth und Martin Binder gehen zu Stiinta nach Temeswar. Klaus Theil, Geri Schwab, Günter Gutt, Rudolf Haberpursch und Fritz Martini wechseln zu Armee- und Polizeisportklubs. Die Mädchenmannschaften verlieren besonders viele Spielerinnen. Die Gründe: Heirat, Umzug und Mutterfreuden. Doch diese Abgänge werden vorerst noch verkraftet. Es gibt noch genügend junge Talente wie Erna Schobel-Holzträger, Trude Graeser, Nora Römer, Helga Keul und Anneliese Kelb. Bei den Männern werden junge Talente in die Mannschaft eingebaut wie Otto Deppner, Hans Zank oder Walter Wolf. 1947 muss Trainer Schunn krankheitsbedingt bei Vitrometan aufhören. Die Mannschaft wird aufgelöst. Ein Teil der Spielerinnen schließt sich Zefirul, der Mannschaft der Textilfabrik, an. Die Abgänge bei Vointa und Karres reißen große Lücken. Die beiden Mannschaften werden deshalb unter dem Namen Zefirul zusammengeführt. Anfangs gelingt es Bruno Holzträger und Willi Lapka, immer wieder neue Mannschaften aufzubauen.
Die rumänische Olympiadelegation vor der Abfahrt zu den Olympischen Spielen nach Berlin 1936; auf dem Bild sind nicht nur die Handballer zu sehen .
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Doch der ständige Aderlass lässt die Handball-Hochburg Mediasch allmählich in die Zweitklassigkeit absinken. Das können auch Routiniers wie Holzträger und Lapka auf die Dauer nicht verhindern. Holzträger ist am 15. November 1978 an Herzversagen in Mediasch gestorben, Willi Lapka am 24. August 1998 in Freiburg. Eng verbunden mit dem Sportgeschehen gleich nach dem Krieg ist auch Bruno Holzträgers Frau. Erna Schobel wurde am 17. Juli 1930 in Mediasch geboren. Sie entdeckt ihre Eignung für den Sport in der kleinen Sporthalle an der Bahnhofsgasse. 1946 beginnt sie bei Karres Handball zu spielen, steigt zur Nationalspielerin auf und bestreitet auch das erste Länderspiel gegen Ungarn in Temeswar. Doch sie ist auch Schwimmerin und vor allem Leichtathletin. 1949 wird sie Landesmeisterin im 100-m-Lauf mit dem Ergebnis von 12,9 Sekunden. 1950 nimmt sie als Mitglied der rumänischen Leichtathletik-Auswahl an einem Länderkampf teil. Gegen die Konkurrenz aus Frankreich, Finnland, der Tschechoslowakei, der DDR, Ungarn und Bulgarien belegt sie den dritten Platz auf der Kurzstrecke. Bei Wettkämpfen 1951 in Sofia und Moskau läuft sie die 100 Meter in 12,4 Sekunden und bricht mit der rumänischen 100-m-Staffelden Landesrekord. Erna Schobel-Holzträger ist am 29. Oktober 1991 unerwartet gestorben. Der Aufstieg Mediaschs zur Handballhochburg beginnt in den 20er Jahren mit dem aus Deutschland ans Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium gekommenen Sportlehrer Franz Ulrich. Unter seiner Leitung legen seine Schüler einen Sportplatz mit Handballfeld an, der an Ostern 1925 eingeweiht wird. Auf diesem Fest finden auch Handhall-Demonstrationsspiele statt, an denen sich Mannschaften des Brukenthal-Gymnasiums, der Lehrerbildungsanstalt und des Honterus-Gymnasiums beteiligen. In den 30er Jahren belegt die Großfeldhandball-Mannschaft des Mediascher Turnvereins stets den zweiten Platz in der rumänischen Verbandsmeisterschaft hinter dem Hermannstädter Turnverein. Erst 1942 wendet sich das Blatt. Die Mediascher gewinnen erstmals den Landesmeistertitel, und zwar in einem in Ploie§ti ausgetragenen Städtevergleich gegen Reschitza, Bukarest und Ploie§ti. Mediasch wird von der Mannschaft des StephanLudwig-Roth-Gymnasiums vertreten. 1943 verteidigen die Gymnasiasten den errungenen Titel in Bukarest durch einen 13:10 - Endspielsieg über Viforul Dacia. Allerdings ist die Mannschaft wegen der zahlreichen Abgänge an die Front durch Spieler aus Kronstadt, wie Heinz Krestel und P. Miess,aus Schäßburg und dem Agnethler Hans Sill verstärkt worden. 1937 nimmt Mediasch mit zwei Mannschaften zum ersten Mal in Hermannstadt an einem Hallenturnier teil. Hermannstadt stellt gleich sieben Teams. Auf dem Kleinfeld spielt der Mediascher Handball keine große Rolle mehr. Die Frauenmannschaft Record spielt in der ersten Liga, wird aber zur Fahrstuhlmannschaft Die Frauenmannschaft Sparta wird sich nur in der Saison 1974/75 in der A-Liga halten.
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]osef Jakob
Weltbester Rechtsaußen der 60er Jahre Er ist Weltmeister geworden, hat WM-Bronze und den Buropapokal der Meister gewonnen. Dazu kommen sechs Landesmeistertitel mit Steaua Bukarest. Der in Mercydorf am 11. September 1939 geborene Josef Jakob hat sich 45 Jahre lang dem Handball gewidmet, als Spieler und als Trainer. Heute sieht er sich ab und an ein Handballspiel an, hat Spaß daran, denn er hat inzwischen die nötige Distanz zum Sport gewonnen. Heute ist der weltbeste Rechtsaußen der sechziger Jahre im vorzeitigen Ruhestand. Er genießt seine Freizeit und immer wieder die Sonne in der Türkei. Der Weg zum weltbesten Rechtsaußen der Welt hat Fleiß und viel Schweiß gekostet. Als Schüler der sechs- J osefJakob am Bodensee, wo er mit seiner ten Klasse darf Jakob einmal in der Lebensgefährtin Katharina Hoffmann Mercydorfer Großfeldhand ball-Mann- eine neue Heimat gefunden hat. schaft gegen die Orzydorfer als Rechtsaußen spielen. In der ganzen Begegnung wird er einmal angespielt und ist bemüht, den Ball sofort los zu werden. Doch das wird sich noch ändern. Nach der Volksschule im Heimatort besucht er zwei Jahre lang die Pädagogische Schule in der Temeswarer Josefstadt. Er bricht die Lehrerausbildung ab. Alexander HofCodreanu holt ihn 1955 zu Electromotor Temeswar in die Regionalliga. Doch nach einem Jahr kommt das Aus für die Handballmannschaft Der Fußball hat Vorrang bei Electromotor. Der Trainer wechselt mit der gesamten Mannschaft zu Progresul Temeswar. Mit dem Regionalligisten belegt er den zweiten Platz hinter CFR Temeswar. Josef Jakob kann sich noch gut an die Progresul-Elf erinnern mit: Hans Steibl, Helmut Weißgerber, Kiefer, Robert Flieg!, Semian, Schreiber, Hans Kuschill. 1957 wechselt Jakob zu Tehnometal Temeswar in die erste Liga. Dort ist Adam Fischer aus Triebswetter sein Trainer. Nach dem Wechsel wird Josef Jakob zum ersten Mal in die Jugendnationalmannschaft berufen. Nach 76
einem längeren Trainingslager in Schäßburg und Bukarest bestreitet die Jugendauswahl zwei Spiele in Polen auf dem Großfeld. Zusammen mit Jakob stehen weitere Deutsche in der Jugendnationalmannschaft Dieter Jochmann aus Reschitza, Horst Niernesch und Helmut Zikeli aus Herrnannstadt, Dieter Martini aus Kronstadt und Peter Tasch aus Jahrmarkt. Beide Spiele werden gewonnen, erinnert sich Jakob, das eine 15:14, das zweite 17:15. Vor der Abreise nach Polen sagt Jakob, ehrlich wie er ist, Trainer Eugen Trofin, dass sein Vater nach dem Krieg in Österreich geblieben ist. Der Trainer gibt ihm zu verstehen, dass er davon im Fragebogen nichts erwähnen sollte, sonst könnte er seine Auslandsfahrten in den Schornstein schreiben. Jakob folgt dem Rat, und fast alles geht gut. Von der Polenreise zurück, steigt er zusammen mit Tasch in Bukarest in den Schlafwagen. Adam Fischer holt die beiden morgens mit dem Fahrrad arn BahnhofinTerneswar ab, denn arn Nachmittag steht das Derby gegen Stiinta auf dem Programm. Die erste Überraschungarn Nachmittag: Die Stadionwärter lassen Jakob nicht ein, keiner kennt ihn. Für die zweite Überraschung sorgt Fischer. Er stellt mit Jakob, Tasch und Dian drei junge Spieler auf und gewinnt die Begegnung 15:14. Jakob erzielt fünf und Tasch drei Tore. "Fischer war ein sehr g\!lter Trainer", sagt Jakob heute, "er hatte vielleicht einen einzigen Fehler, er war ein bisschen zu gutmütig." In der Zeit bei Tehnornetal ist noch viel Wert auf Kondition gelegt worden, erinnert sich Jakob. Doch das erfährt der quirlige, wieselflinke Rechtsaußen erst später in Bukarest. In der Hauptstadt wird mehr Wert auf Taktik gelegt. Bei Tehnornetal spielt Jakob noch drei Jahre lang auf dem Großfeld Handball. 1960 wird auch der Betrieb auf dem Kleinfeld gestartet. 1958 hört Fischer auf, und Waldernar Zawadski wird Tehnornetal-Trainer. In der Tehnornetal-Großfeldrnannschaft stehen: Michael Gimpel, Peter Huhn, Jan Ortinau, Michael Kühn, Peter Jünger, Franz Reitz, Michael Ehrenreich, Oskar Sipos, Viorel Pu~ca~u und ein Jahr lang auch Georg Gunesch. Mit der Umstellung vorn Groß- aufs Kleinfeld wird die ältere Generation aufhören. Allein Gimpel schafft die Umstellung. Vorn Großfeld-Torwart wird er zum Feldspieler. Die Umstellung ist notwendig, sagt Jakob. Das Handballspiel auf dem Großfeld verliert allmählich seinen Reiz. Dazu trägt auch die Dreiteilung des Feldes bei. Sie sieht vor, dass sich sechs Stürmer und sechs Verteidiger 30 Meter vor dem Tor gegenüberstehen. Die anderen Spieler sehen zu. Diese neue Regel führt dazu, dass das Spiel unattraktiv wird und die Zuschauer ausbleiben. In guten Zeiten sind zu guten Spielen mehrere tausend Zuschauer gekommen, erinnert sich Jakob. In der Saison 1961 I 62 wird die Kleinfeldmeisterschaft in zwei Staffeln zu je acht Mannschaften ausgetragen. Der West-Staffel gehören an: Stiinta und Tehnornetal Terneswar, Tg. Mure~, Petro~ani, Dinarno Kronstadt, Vointa Herrnannstadt, Großwardein und Schäßburg. Die Meisterschaft endet mit einer Endrunde, für die sich die jeweils beiden Besten jeder Staffel qualifizieren. Die vier Teams treffen sich in zwei Städten zu ebenso vielen Endrunden. 77
Tehnometal belegt zweimal den dritten Platz. Meister wird jedes Mal Dinamo Bukarest. 1962 findet der erste Annäherungsversuch der Bukarester Steaua an Jakob statt. Der Armeeklub bittet den Rechtsaußen, in der Mannschaft bei der Spartakiade der Armeeklubs mitzumachen. Im selben Jahr wird Jakob zum ersten Mal zur Nationalmannschaft eingeladen. Zwei Spiele gegen Dänemark stehen auf dem Programm. Danach geht es nach Jugoslawien. Jakob darf mit dem Zug nur bis ins Banat mitfahren, in Temeswar muss er aussteigen. Bisher hat Jakob den Lockrufen des Armeeklubs widerstanden. Doch eines Tages nimmt seine Mutter in Mercydorf die Einberufung zur Armee aus dem Briefkasten. Sie verständigt den Sohn in Temeswar. Und der sagt: "Ins Kommissariat gehe ich nicht, denn dort lässt man mich nicht mehr heraus." Jakob lässt sich trotzdem überreden hinzugehen, denn es werde schon alles gut gehen, heißt es. Was er vermutet hatte, tritt aber ein. Ein Offizier drückt ihm einen Fahrschein in die Hand. Sein Ziel: der Zentrale Armeesportklub in Bukarest. Bereits am Abend trifft er in Bukarest ein, wird vom Bahnhof abgeholt. Mit einer Sporttasche in der Hand kommt er in der Kaserne an, wird als Soldat eingekleidet und als solcher vorgestellt. "Ich habe mich immer gewehrt, zu Stea"a zu gehen, doch im Nachhinein muss ich sagen, ich habe es nicht bereut." Drei Monate später ist Jakob Unteroffizier. Als Jakob zu Steaua stößt, ist Hansi Schmidt bereits beim Armeeklub. Fast gleichzeitig mit Jakob wird der Volleyhaller Gheorghe Gruia zur Handballmannschaft geholt. Die drei neuen Spieler verhelfen der Mannschaft sofort zum ersten Meistertitel auf dem Kleinfeld. Wir schreiben das Jahr 1963. Und Trainer des Armeesportklubs ist Johnny Kunst. Er schickt sich an, die jahrelange Dominanz des Lokalrivalen Dinamo auf dem Kleinfeld zu brechen. Doch trotz der neuen und jungen Spieler fällt es Steaua schwer, diesen Titel zu gewinnen. Auf der Zielgeraden sind die beiden Lokalrivalen punktegleich. Jeder muss gewinnen und aufs Torverhältnis achten. Dinamo Bukarest gewinnt gegen die Schwestermannschaft Dinamo Kronstadt 37:5. Steaua besiegt Reschitza 44:6. Doch der Generalsekretär des Handball-Verbandes, Lucian Grigorescu, annulliert beide Spiele, bestraft die Kleinen und lässt die Großen laufen. In der nächsten Runde zieht er den Reschitzaern sechs Punkte ab. Der Punkteabzug bedeutet für Reschitza den Abstieg in die zweite Liga. Die Entscheidung in dieser Meisterschaft fällt schließlich am letzten Spieltag in Mediasch. Der Armeeklub besiegt auf einem aufgeweichten Platz Dinamo Bukarest 4:1. Das Hinspiel hatte der Armeeklub 8:6 gewonnen. 1963 hat Jakob einen Kurzeinsatz in der Nationalmannschaft. Ihr Trainer ist Dinarno-Coach Oprea Vlase. Doch der gibt Armee-Sportlern keine Chance. Aber das Blatt wendet sich bald. Auf einer Tournee durch Schweden, Dänemark, Island und Deutschland verzeichnet die rumänische Mannschaft nur ein Unentschieden und einen Sieg. Das ist den Verantwortlichen beim Verband zu wenig. Noch im selben Jahr wird Johnny Kunst 78
Nationaltrainer. Er springt ein für den gelbsuchtkranken Vlase. Im November 1963 werden die Nationalspieler in ein fünfrnonatiges Trainingslager berufen. Es wird nicht mehr aufgelöst bis zur Eröffnung der Weltmeisterschaft Anfang März 1964. Diese Vorbereitungszeit wird nur unterbrochen durch Kurzreisen und Spiele in Deutschland und in der Schweiz. Abwechslung bietet nur der Tapetenwechsel: Trainingseinheiten in Hermannstadt folgen andere in Kronstadt, Klausenburg und Bukarest. Täglich wird zweimal trainiert, mittwochs und samstags nur einmal. Der Sonntag ist frei, falls kein Spiel angesagt ist. Das kann sich kein westlicher Klub leisten. Im November kommt die Hiobsbotschaft nach einer Tournee der Studentenauswahl durch Deutschland: Hansi Schmidt hat sich abgesetzt. Doch auch ohne ihn wird Rumänien seinen Weltmeistertitel in der Tschechoslowakei verteidigen. Jakob erinnert sich noch an die wichtigsten Spiele des Turniers: an das 16:15 über die Tschechoslowakei und an das 25:22 im Finale gegen Schweden. Jakob gehört mit seinen gefürchteten Tempogegenstößen, seinem Können und seinem vorbildlichen Einsatz zu den Garanten dieses Erfolgs. Er ist in dieser Zeit der weltbeste Rechtsaußen, sagt Hansi Schmidt. Doch Josef Jakob will davon nichts hören. Er selbst könne nicht beurteilen, ob er das tatsächlich war. Er gibt lieber ein Kompliment weiter: "Unser Torwart war eine Bank, man konnte blind zum Gegenangriff starten und wusste, dass der von Mischi Redl geworfene Ball einen bestimmt erreicht." Redl wurde übrigens zum weltbesten Torwart des Turniers gewählt. Doch nach der Weltmeisterschaft die nächste Hiobsbotschaft für Steaua. Gheorghe Gruia ist an Gelbsucht erkrankt. Steaua steht ohne Rückraum da. Von 1964 bis 1966 wird der Armeeklub nur Vizemeister. Gruia wird wieder gesund, und Steaua verstärkt sich mit vier neuen Spielern. Von $tiinta Temeswar kommt Dieter Christenau, ferner werden verpflichtet Ion Marinescu, Gheorghe Goran und Ion Popescu. Das bringt Steaua den nächsten Titel ein. Der Armeesportklub gewinnt in dieser Meisterschaft beide Spiele gegen Dinamo. Es folgt die Weltmeisterschaft in Schweden. Rumänien wird Dritter durch ein 21:19 gegen die Russen im Spiel um Platz drei. Verdienter Weltmeister, so Jakob, wird die Tschechoslowakei. 1968 gewinnt Jakob mit Steaua den Buropapokal der Landesmeister durch ein 13:11 im Finale von Frankfurt am Main gegen Dukla Prag. Im selben Jahr wird Jakob zusammen mit dem Bukarester Rückraumspieler Gruia in die Weltauswahl berufen. Die nächsten Jahre sind wieder von Erfolg gekrönt. Der Armeesportklub wird von 1968 bis 1971 viermal hintereinander mit Jakob Meister. 1971 hört Jakob auf, eine neue Generation von Handballern ist herangewachsen. Die alten Hasen dürfen ins westliche Ausland reisen, als Belohnung und als Ansporn für den Nachwuchs. In 45 Länderspielen hat Jakob 121 Tore geworfen. Seine Spezialität waren neben den unnachahmlichen Gegenstößen die Pässe quer durch den Wurfkreis von einem Flügel auf den anderen oder auf den heranstürmenden Spieler am Kreis. 79
Jakob geht 1971 nach Wuppertal und wird Spielertrainer des Langenfelder Turnvereins. Er trainiert den Regionalligisten vier Jahre lang und wechselt danach zum Landesligisten HTV Remscheid. Nach zwei Jahren wechselt er zum Lokalrivalen RTV Remscheid, der ebenfalls in der Landesliga spielt. 1979 zieht es Jakob in den Süden. Es folgen 20 Jahre in Esslingen. Er übernimmt den Oberligisten Turnerschaft Esslingen und wird nach einem Josef Jakob im Angriff Das Bild stammt vom 27. Jahr entlassen. Anschließend Oktober 1957 und zeigt eine Szene aus dem Spiel ist er beim Oberligisten SchamTehnometal Temeswar gegen CCA Bukarest. hausen im Alter von 41 Jahren .... Spielertrainer. Mit ihm steigt er in die Regionalliga auf. Doch mitten in der kommenden Saison wird er entlassen, weil die Mannschaft nur 9:9 Punkte hat. Von 1982 bis 1985 trainiert Jakob die Wernauer Sportfreunde in der Bezirksliga. 1985 ist Jakob in der Bezirksliga bei Neuhausen-Fildern. Er führt die Mannschaft bis in die Verbandsliga und hört nach sechs Jahren bei dem Klub auf. Dann übernimmt er die Mannschaft von Bernhausen. Dort hört er nach einem halben Jahr auf. In der Saison 1992/93 betreut Jakob den RSK Esslingen. Danach geht er zurück zu Neuhausen, wo er die zweite Mannschaft übernimmt, die ebenfalls in der Bezirksliga spielt. Mit ihr wird er zweimal aufsteigen. In der Saison 1996/ 97legt Jakob eine freiwillige Pause ein. 1997 übernimmt er den Kreisligisten Denkendorf. Mit ihm steigt er auf bis in die Landesliga. 1999 ist mit 60 endgültig Schluss. Jakob ist nun als Zuschauer in Sporthallen zu finden. Denn das Trainergeschäft war nicht einfach. Morgens hat er seine Arbeit als Metallschleifer gemacht, und nachmittags war er Trainer. Heute lebt er im zu Ludwigshafen gehörenden Bodmann mit seiner Lebensgefährtin Katharina Hoffmann, die er seit 25 Jahren kennt. Den Entschluss, nicht mehr nach Rumänien zurückzukehren, fasst Jakob 1972. In jenem Jahr fährt er noch einmal in die alte Heimat, um seinen Pass zu verlängern. Doch dann entschließt er sich, Bundesbürger zu werden. Und seit damals hat er nie mehr rumänischen Boden betreten. Anfangs war das auch nicht möglich, denn als Deserteur war er in Abwesenheit zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Zu seinem Sohn in Bukarest ist der Kontakt abgebrochen. Seine Frau hat sich scheiden lassen, nachdem Josef in Deutschland geblieben war. 80
Ernst Wolf
Der beste und berühmteste Torwart Rumäniens Ernst Wolf hat bis zu seinem Tod ein dickes Album sein eigen genannt. Es war sein ein und alles. Er hat es gehütet fast wie seinen Augapfel. Aber Ernst Wolf ist nicht mehr, er ist arn 13. August 2002 plötzlich gestorben. Doch sein Album gibt es noch. Es enthält einen guten Teil der Geschichte der Handballmannschaft des Hermannstädter Lehrerseminars von 1932 bis 1940. Rot auf Weiß ist darin zu lesen, wie sich die Seminar-Mannschaft in all den Jahren im Siebenbürger Handballbetrieb geschlagen hat. Auf den inzwischen vergilbten Seiten, die in den fast 70 Jahren einen spezifischen Altpapier-Geruch entwickelt haben, sind alle Spiele bei den Schüler-Olympiaden mit Ergebnissen und Kommentaren aufgezeichnet. Es Ernst Wolf sind Spiele gegen die anderen CoetusMannschaften. Die Chronik, seinerzeit von Wilhelm Hitsch angelegt und von Hans Hermannstädter und Hans Groß fortgesetzt, enthält auch Fotos, die Ernst Wolf als Leichtathleten und Handballer zeigen. Und dazwischen sind weitere Fotos, die den ehemaligen Klassetorwart neben seinen Mannschaftskarneraden zeigen. Am Ende ist die Chronik durch Berichte und Fotos aus der Zeit nach dem Lehrerseminar vervollständigt. Aus der Zeit nach dem Krieg, als Wolf mit Arsenal (danach Derubau) Hermannstadt 1949 Landesmeister und 1950 Pokalsieger geworden ist. Der am 23. N overnber 1917 in Simeria geborene Ernst Wolf kommt auf dem Gymnasium in Hermannstadt mit dem Handball in Berührung. Weil es in Petroschen, wohin die Familie gezogen ist, keine deutsche Schule gibt, muss Ernst Wolf nach Hermannstadt aufs Gymnasium wechseln. Die ersten Schritte auf dem Handballplatz tut Wolf auf dem Gymnasium unter den Augen seines Sportlehrers Wilhelm Binder, dem Vater des siebenbürgischen Handballs. Nach Binder wird Rudolf Schneider die sport81
liehe Entwicklung Wolfs begleiten. Nach vier Jahren Gymnasium wechselt Wolf aufs Seminar, das er nach fünf Jahren als Lehrer verlässt. Das Internat des Seminars ist für den Sportbetrieb der jungen Leute wie geschaffen. Dort treibt Wolf Leichtathletik und Handball. Wolf ist so gut, dass er beispielsweise 1938 bei der Bistritzer Schüler-Olympiade im Siebenkampf den ersten Preis gewinnt. Doch auch Geräteturnen gehört zu Wolfs Lieblingsdisziplinen. 1938 wird die Seminar-Mannschaft durch einen 14:0-Sieg über Honteri die vom Mediascher Unternehmer Samuel Karres für die Handballturniere der Schüler-Olympiaden gestiftete Stefan-Ludwig-Roth-Plakette gewinnen. Ernst Wolf über die Zeit im Lehrerseminar: "Der Spielleiter hat uns im Internat täglich um 6 Uhr geweckt. Mit einem Dauerlauf, Freiübungen und einer kalten Dusche sind wir in den Tag gestartet. Alles war spartanisch. Für uns Sportler war von Vorteil, dass wir im Internat wohnten. Durch Laufen, Turnen und Leichtathletik waren wir durchtrainiert." Und so ist es kein Wunder, dass Wolf 1938 zur rumänischen Nationalmannschaft gehört, die im Juli bei der ersten Handball-Weltmeisterschaft in Berlin teilnimmt. In der Mannschaft stehen ferner die ehemaligen Seminaristen Hans Hermannstädter und Hans Georg Herzog. Trainer Hans Schuschnig wird mit der Mannschaft Platz fünf belegen. Ernst Wolf, der "die gute Atmosphäre bei der Weltmeisterschaft" noch in bester Erinnerung hat, bedauert aber, dass die Mannschaft nur Platz fünf belegt hat. Denn im letzten Spiel führt die rumänische Mannschaft kurz vor Spielende 6:5, doch die Schweden erzielen in zwei Blitzaktionen zwei Tore und gewinnen 7:6. Noch im Weltmeisterschaftsjahr wird Ernst Wolf mobilisiert. Bereits im Oktober ist er Soldat. Erst 1948 ist er wieder zu Hause nach Krieg und Gefangenschaft in Sibirien. Eine Odyssee durch russische Lager liegt hinter ihm: auf der Krim in Krasnodar, Tula, Swerdlowsk (Jekaterinenburg) und in Losinka, wo es die größten Asbestvorkommen der Welt gibt. In Hermannstadt zurück, stößt Wolf zur neu gegründeten ArsenalMannschaft (sie heißt inzwischen Derubau), mit der er 1949 Landesmeister wird. Die Hermannstädter gewinnen das Meisterschafts-Endspiel gegen Schäßburg. Der Meistermannschaft gehören ferner an: Bernhard Roth, Wilhelm Heide!, Wilhelm Kirschner, Otto Günther, Peter Lang, Günther Lani, Heinrich Breckner, Kurt Unger, Walter Rosetzky, Willi Schoger, Günter Müller, Günter Höchsmann, HorstKremerund Adelbert Weidenfelder. 1950 gewinnt die Mannschaft den Pokalwettbewerb. Zum 2:1-Sieg über den Armeesportklub Bukarest steuern Kirschner und Schoger die Tore bei. Nebenbei trainiert Wolf die zweite Mannschaft von Arsenal. Das Tor der Hermannstädter wird Wolf bis 1954 hüten. Danach bleibt er der Mannschaft als Trainer bis 1962 erhalten. Er wird eine Zeit lang die zweite Kleinfeld-Mannschaft des Klubs betreuen. Von 1949 bis 1954 wird Wolf mehrere Länderspiele für Rumänien bestreiten. Danach wird Rudolf Haberpursch ihn als Nationaltorwart ablösen. Wie geschätzt Ernst Wolf als Torwart war, besagt eine Eintragung Hans Hermannstädters in der Chronik der Seminaristen: "Du lieber Ernö, 82
Voinfa Hermann stadt 1952: (von links) Wilhelm Schoger, Ernst Wolf, Ion Tecu~an, Otto Günther, Otto Geimer , Wilhelm Heide!, Günter Müller, Peter Lang, Bernhard Roth, Wilhelm Kirschner, Horst Kremer, Lazilr Luca, Reinhard Breckner und Trainer Han s Schuschnig
hast fünf Jahre lang deinen Mann im Seminartor gestellt. Du wirst als Torwart einzigartig da stehen ... Ihr, unsere Nachfolger, nehmt euch ein Beispiel an diesem Torwart!" Später wird derselbe Hermannstädter über Wolf schreiben: Er war der "beste und berühmteste Handballtorwart, den Rumänien je besaß". Wolf übt den Lehrerberuf nur ein Jahr lang aus. Der Handball bringt es mit sich, dass er 33 Jahre lang als Buchhalter in dem Betrieb arbeitet, der die Hermannstädter Handballmannschaft unterstützt und fördert. Als 64Jähriger geht er in Rente. Betrieb und Arbeitsplatz hat er nie gewechselt. Ernst Wolf hat sich immer wieder gerne an die schönen Zeiten erinnert, die ihm der Handballsport beschert hat. Das Spiel auf dem Großfeld hat es dem großen Torhüter angetan. Das war noch ein anderes Spiel als der heutige Kleinfeldhandball, so Wolf. Seinerzeit hat es noch einen richtigen Mannschaftsgeist und eiserne Disziplin gegeben. Ist einmal ein Spiel verloren gegangen, hat es nie in der Kabine ein böses Wort oder gar Streit gegeben. Was zu sagen war, ist in der Mannschaftsbesprechung während · der Woche auf den Tisch gekommen. Ernst Wolf hat sich 1990 mit seiner Familie in Deutschland niedergelassen. Er ist am 13. August 2002 in Nördlingen gestorben.
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Tehnometal: Demontage des Vereins der Deutschen Wenn die Handball-Mannschaften der beiden Temeswarer Klubs Tehnometal und Politehnica gegeneinander spielten, war stets etwas los. In diesen Begegnungen kam die Rivalität zwischen der "deutschen" Tehnometal und der "rumänischen" Politehnica zum Vorschein, sagt Franz Reitz, der zu den neun Spielern gehört, die 1950 von Sackelhausen zu Tehnometal gewechselt sind. Tehnometal war das Auffangbecken für Talente aus den Banater Dörfern. Der größte Spieler, den der Klub hervorgebracht hat, ist Josef Jakob, in den 60er Jahren der beste Rechtsaußen der Welt. "Die Wiege von Metalul, später Tehnometal, stand in Sackelhausen", sagt Reitz. Im Herbst 1947 gründen Nikolaus Maus Fran z Reitz und Andreas Groß mit einigen älteren Spielern den ersten Nachkriegs-Handballverein in Sackelhausen: Peter Lutz, Hans Lutz, Georg Wilhelm, Friedrich Michels, Nikolaus Huschitt, Hans Hummel, Hans Ortinau und Jakob Schmitz. Ein schwieriger Anfang, denn jede Sportausrüstung fehlt. Die Spieler gehen mit der Büchse Geld sammeln. Kurz darauf gründet die Jugend eine zweite Mannschaft. Ihr gehören an: Nikolaus Wilhelm, Mathias Potye, Nikolaus Reiter, Mathias Ortinau, Peter Schimmer, Nikolaus Andres, Michael Kühn, Hans Müller und Franz Reitz. Der Tehnometal-Betrieb hat in seinem Chefingenieur IonW~ Baciu einen Bandballverrückten im besten Sinne des Wortes . Er gibt den jungen Männern Arbeit und Zeit zu trainieren, sie haben die Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen. Der Handballbetrieb beginnt mit seinem Weggang zu leiden, erinnert sich Reitz. Doch das ist nicht der Michael Gi111pel einzige Grund für den Niedergang des 84
Handball-Betriebs bei Tehnometal. Die Deutschen beginnen auszuwandern. Es fehlt der Nachwuchs. Zu den Handballern der ersten Stunde, die von Sackelhausen zur Tehnometal wechseln, gehören: neben Reitz Peter Lutz, Hans Hummel, Jakob Schmitz, Hans Ortinau, Michael Kühn, Hans Müller, Reinhold Jung und Hans Tettambel. Hinzu stoßen Peter Huhn aus Schag, Hans Metz und Peter Jünger aus Gertjanosch, Hans Decrean und Roland Wirt aus Temeswar, Leonhard Walzer aus Triebswetter und Michael Ehrenreich aus Neubeschenowa. 1952 wird die Mannschaft Kreismeister gegen Gegner wie Jahrmarkt mit Hans und Franz Frombach, Adam Jauch und Mathias Krämer, gegen CFR Temeswar mit dem Sackelhausener Karl Wetzler und gegen IRP mit Nikolaus und Adam Reiter aus Sackelhausen. 1954 steigt Tehnometal in die erste Liga auf. Wie Herbert Marsehang berichtet, schafft die Mannschaft den Aufstieg nach Qualifikationsspielen in Klausenburg, Fogaraschund Odorhellen. Neue Spieler kommen hinzu: Peter Stahl und Nikolaus Denuel aus Bogarosch und Virgil Pu§ca§u von $tiinta Temeswar. Es geht steil bergauf mit dem Klub. Im zweiten Jahr im Oberhaus kommen hinzu: Torsteher Hans Angel und Oskar Sipos aus Temeswar, Viktor Kitza und Mircea Oprea aus Bukarest, ferner Nikolaus Michel aus Orzidorf. Die Mannschaft hält sich bis zur Auflösung des GroßfeldhandballBetriebs in der ersten Liga. Bereits im ersten Jahr belegt die Mannschaft, die noch unter dem Namen Metalul antritt, den 4. Platz in der Meisterschaft.
Tehnometa/1 951 : (v. l. stehend ): Hans Müller, Michael Ehrenreich, Hans M etz, Fra nz Reiz. Leonhard Walzer , Erhard Bonfert, Georg Gunesch; (hockend v. l.) Hans Ortinau , Virgil Pu§Ca§U, Waldemar Zawadzki, Oskar Sipos : (liegend ) Michael Gimpel
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Die Blütezeit erlebt der Klub 1956. In dieser Zeit finden erste internationale Begegnungen statt gegen Vasas in Budapest und Temeswar. 1958 wird die Mannschaft verjüngt mit Josef Jakob, Peter Tasch, Ernst Pflanzer, Hans Neusatz und Michael Gimpel, die sich auf dem Kleinfeld und in der Halle beweisen werden. Erster Tehnometal-Trainer ist Georg "Schnuck" Gunesch, der bereits die Politehnica in Temeswar in ihren Anfängen trainiert, zwischenzeitlich aber in Bukarest beim Armeesportklub CCA gespielt hat. Nach Gunesch haben die Mannschaft in Großfeld-Zeiten betreut Erhard Bonfert, Waldemar Zawadzki und Adam Fischer. Anschließend betreut Lennhart Walzer die Mannschaft bis zu seiner Flucht 1978. Doch die ersehnte Freiheit kann Walzer nur kurz genießen. Er stirbt wenig später in Wien. Die Rivalität zwischen Tehnometal und Politehnica war groß, sagt Reitz, die Mannschaften lieferten sich stets harte Spiele. Es war stets viel Zündstoff drin. Und wenn sie in der Halle gegeneinander angetreten sind, war die Siebenbürger Kaserne stets zu klein, um die Zuschauer zu fassen. Am Anfang geht $tiinta (Poli) meist als Sieger aus den Duellen hervor. Doch mit der Verpflichtung von Jakob ändert sich das. Einen der größten Siege erringt Tehnometal auf dem $tiinta-Platz in der Meisterschaft mit einem 18:8, erinnert sich Reitz. Josef Jakob steuert vor 15.000 Zuschauern acht Tore zum Sieg bei. Auf dem Großfeld belegt die Mannschaft 1955 Platz fünf, in den beiden darauffolgenden Jahren unter dem Namen Energia jeweils Platz vier, 1958 Platz neun und 1959 Platz sechs. Doch auch mit Hatzfeld liefert sich Tehnometal in den 50er Jahren große Spiele auf dem Großfeld. Reitz: "Es ging um die schwäbische Überlegenheit". Aber auch mit dem ASK Reschitza kommt manch spannende Begegnung zustande. Georg Gunesch war der erste Tehnometal-Trainer. Wie der am 27. Oktober 1932 in Sackelhausen geborene Reitz sagt, war Erhard Bonfert der vielleicht erfolgreichste Tehnometal-Trainer. "Unser bester Trainer war Adam Fischer. Er war ein guter Kerl, vielleicht zu gut, hatte viel Handballverstand. Er hat sich sogar nachts taktische Züge ausgedacht. Er war ein Pädagoge, der sich auf die Mannschaft einstellen konnte, Hut ab vor diesem Mann." Mit dem Aufstieg in die erste Liga wird Reitz in die Nationalmannschaft berufen. Er darf 1955 zwei Spiele gegen Jugoslawien bestreiten, eins in Bukarest und eins in Temeswar. An einer Reise nach China und Japan darf der Linksaußen nicht teilnehmen. 1960 zieht Tehnometal seine Mannschaft aus dem Großfeld-Liga-Betrieb zurück. Auf dem Kleinfeld und in der Halle verliert Tehnometal 1959 das Spiel um Platz drei gegen Politehnica 21:29. 1961 wird Poli Vizemeister vor Tehnometal. Im Jahr darauf belegt Tehnometal den dritten Platz vor Politehnica. 1961 und 1962 wird die Meisterschaft in Endrunden abgeschlossen, erinnert sich der am 5. August 1936 in Temeswar geborene Robert Fliegl, der 1950 als Junior bei Tehnometal beginnt und das Tor verschiedener Tehnometal-Mannschaften bis 1953 und nach einem Abstecher zu Progresul Temeswar und Dinamo Neumarkt wieder von 1959 bis 1963 hüten wird. 86
Tehnometal 1961 : (stehend von links) Matthias Federspiel, Hans Neusatz, Ernst Pflan zer, Fredi Hartwig, Han s BettendOJf, Micha el Gimpel, Rohert Flieg!, (hockend)JosefHollerbach, Radu Peia, Michael Kalafu sz und Josef Jakob
1962 bestreitet Tehometal mit der besten Kleinfeld-Mannschaft, die der Klub je hatte, das Finale um den Winterpokal in der Bukarester FloreascaHalle, das nur knapp verloren geht. Die Tehnometal-Mannschaft mit Josef Jakob, Robert Flieg!, Michael Gimpel, Ernst Pflanzer, Matthias Federspiel, Hans Neusatz, Hartwig, Bettendorf, Josef Hollerbach, Radu Peia und Mischi Kalafusz liefert ein Spiel auf absolutem Spitzenniveau gegen einen Gegner mit den Nationalspielern Hans Moser, Mischi Redl, Virgil Hnat und Gheorghe Covaci. In der Meisterschaftsendrunde 1962, in der die beiden Temeswarer Erstligisten Steaua und Dinamo Bukarest zu Gegnern haben, besiegt Tehnometal Dinamo in Bukarest 15:14. Trainer Waldemar Zawadzki erprobt eine neue Abwehrvariante, bei der ein Spieler am Kreis bleibt, die anderen fünf aber vorrücken und den Gegner früh stören. Die Bukarester kommen nicht zurecht und können ihr Angriffsspiel nicht entfalten. Doch die Tehnometal-Mannschaft verliert die Meisterschaft durch Schiedsrichtermanipulation gegen Steaua, so Fliegl. Trotzdem: Die Leistung der Tehnometal-Sieben wird von allen gewürdigt. Ihre Leistung ist in aller Munde. Auch die Presse nimmt sich der Mannschaft an. Der "Neue Weg" in Bukarest berichtet groß über die erfolgreiche Mannschaft, veröffentlicht Porträts aller Spieler. Der Bericht wird von der Presse in Deutschland aufgegriffen. Hier ist zu lesen von der erfolgreichen deutschen Mannschaft aus Temeswar. Und dieser Bericht bedeutet das Ende einer erfolgreichen Ära . Er stört die Mächtigen in Bukarest, und die gehen diskret vor, stoßen keinen vor den Kopf. Sie 87
veranlassen, dass die besten Tehnornetal-Spieler gute Angebote von anderen Klubs bekommen und aus Terneswar verschwinden. Josef Jakob, der immer für zehn oder 15 Tore in einem Spiel gut war, muss zu Steaua Bukarest. "Er ist bereits 23, vorher durfte er nicht zur Armee einberufen werden, weil sein Vater nach dem Krieg in Österreich geblieben ist", sagt Flieg!, "und siehe, plötzlich muss er zur Armee". Hans Neusatz wird geködert und spielt für Ploie~ti. Federspiel und Hollerbach gehen nach Gheorghe-Gheorghiu-Dej, heute wieder One§ti. Die Mannschaft ist zerschlagen. Waldernar Zawadzki, der weiß, was gespielt wird, hört 1962 als Trainer auf. 1963 steigt die Mannschaft ab. Die glorreiche Tehnornetal-Zeit, die von deutschen Spielern geprägt wird, ist zu Ende. Doch es werden noch viele Banater Schwaben bei Tehnornetal verpflichtet. Nach dem Abstieg wird der Nachwuchs nicht mehr gefördert. Zu den Spielern, die Anfang der 70er Jahre ihren Weg von Tehnornetal aus gernacht haben, gehören der Sackelhausener Nikolaus Messrner und der Marienfelder Ewald Kolleth. Zusammen sind sie von der damals bereits zweitklassigen Tehnornetal zu Dinarno Kronstadt in die erste Liga gewechselt, wo sie in dem Siebenbürger Sachsen Günther Schrnidt einen weiteren deutschen Mannschaftskollegen hatten. Kolleth wird in der zweiten Hälfte der 70er Jahre für Gloria Arad spielen. Nach dem Abstieg in die zweite Liga wurde in den 60er Jahren bei Tehnornetal die Devise ausgegeben: Nur nicht in die erste Liga aufsteigen,
Tehnometa/1968: stehend von links: Gerhard Csaftary, Horst Vollmann , Petricii Mindoiu , Niki Messmer , NiJii Orhulescu, Gerhard Marsehang, Trainer Michael Gimpel, lstvan Kardas (Sparten/eiter), kniend v. l. : Nikolaus Dian, Peter Wagner, Helmut Pauli , Unbekannter, vorne: Fritz Tettamhel 88
denn wir haben nicht die Mittel, um uns zu verstärken. Daran erinnert sich noch Horst Vollmann aus Perjamosch, der in den 60er Jahren für Tehnometal gespielt hat. Reitz erinnert sich an eine nette Begebenheit. Nach einem Trainingslager auf dem Munteie Mic wandert die Mannschaft nach Karansebesch, doch der Schnellzug kommt nicht. Ein Eisenbahner nimmt die Spieler im Bremserhaus des Güterzuges mit. In Lugosch wartet bereits die Polizei und holt die Mannschaft aus dem Zug. Der Beredsamkeit von Dr. Hans Ersch ist es zu verdanken, dass die Polizei einlenkt und von einer Strafe absieht. Ein Teil der Tehnometal-Geschichte ist mit dem Namen Michael Gimpel verbunden. Der am 3. September 1933 in Lowrin geborene Gimpel stößt 1957 zur Tehnometal. Doch bis dahin hat er einige Stationen hinter sich gebracht. Als Müllerlehrling in Perjamosch findet er den Weg aus dem Fußball- ins Handballtor. Das ist 1951. Schon damals werden die ersten Spiele auf dem Kleinfeld in der Siebenbürger Kaserne in Temeswar ausgetragen, erinnert sich Gimpel. Und er ist dabei. 1952 verlässt Hans Angel Perjamosch, und Gimpel nimmt seinen Platz als Nummer 1 im Tor des Perjamoscher Erstligisten ein. Anfang 1954 wechselt er nach Heltau, wo noch Rolf Csallner Trainer ist. 1955 erhält er die Einberufung zur Armee und muss zum Bukarester Armeeklub CCA, wo er aber Vasile Sidea und Hans Reimer den Vortritt lassen muss. Nach dem Wechsel 1957 zur Tehnometal hütet er deren Tor, um 1958 Abwehrspieler zu werden. Es ist bereits die Zeit, in der das Handballfeld in drei Teile gegliedert ist- der Anfang vom Ende des Großfeldhandballs, sagt Gimpel. An ein Spiel gegen den Lokalrivalen Politehnica vor 15.000 Zuschauern erinnert er sich noch sehr gut. Zum 15:14-Sieg steuern Josef Jakob fünf und der Jahrmarkter Tasch drei Tore bei. Trainer Adam Fischer ist die Überraschung mit den beiden jungen Spielern gelungen. Keiner hatte sie auf der Rechnung. "Die beiden haben Poli-Torwart Viktor Kitza nur so die Bälle um die Ohren geworfen", sagt Gimpel. 1966 übernimmt Gimpel die Mannschaft als Trainer. Er betreut sie bis 1973, ist zwischendurch auch mal Vereinspräsident Dann muss er gehen, weil er einen Ausreiseantrag gestellt hat. 1977 lässt er sich in Trendelburg nieder und führt den VfB Kassel in die Handball-Oberliga. Von 1979 bis 1982 betreut er den Regionalligisten Germania Kassel, für den damals die ehemaligen ungarischen Nationalspieler Istvan Varga und Janos Stiller spielen. Danach beendet er seine Trainertätigkeit
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Anna Stark-Stani§el
Dreimal Welt- und siebenmal Landesmeisterin Stark: Dieser Name war Programm. Es ist der Mädchenname einer Frau, die ganz einfach als Phänomen zu bezeichnen ist: Anna Stark, am 28. Januar 1935 in Bukarest geboren und in Honigberg im Burzenland groß geworden. Mit 60 hat sie 1997 aufgehört, Handball zu spielen. Damit war eine 45-jährige aktive Sportlerlaufbahn zu Ende, die Laufbahn einer Weltklassespielerin. In ihrem Abschiedsspiel liefert sie einen letzten Beweis ihres Könnens: Sie wirft wieder einmal die meisten Tore. Die Leistungen der Anna StarkStani§el sind so leicht nicht zu egalisieren. Die Reihe ihrer Erfolge ist lang. Anna Stark-Stani§el wird in ihrer beispiellosen Laufbahn dreimal Weltmeisterin, und jedes Mal durch einen ganz anderen Ein- Anna Stark-Stani§el satz. Beim ersten WM-Titelgewinn auf dem Großfeld in Deutschland hütet sie noch das Tor der rumänischen Nationalmannschaft, wird aber auch im Angriff eingesetzt. Im Tor wechselt sie sich mit Irina Nagy ab, "die bereits besser ist als ich", sagt Anna Stark-Stani§el heute. Den Titel gewinnt die rumänische Mannschaft, die ferner Maria "Mitzi" Scheip aus Helcisdorf als Rechtsaußen, Irene Günther, Ilu Jianu, Carolina Carligeanu und Elena Padureanu in ihren Reihen hat, 6:5 gegen Deutschland. Der Titelgewinn 1956 in Deutschland ist der erste Handball-WM-Sieg für Rumänien. Die Erfolge der Männer kommen erst später. Den zweiten WM-Titel auf dem Großfeld erringt Anna Stark-Stani§el 1960 beim Turnier in Holland als Torjägerin auf der halbrechten Position. Das Finale gewinnt die rumänische Mannschaft 10:7 gegen Österreich. 1962 kommt ein Titel auf dem Kleinfeld hinzu. Das Turnier, das in Bukarestim Freien auf dem Republicii-Platz ausgetragen wird, endet mit einem 8:5Finalsieg der rumänischen Mannschaft über Dänemank. Bis 1976 wird Anna Stark insgesamt 297 Länderspiele für Rumänien 90
bestreiten, ein Rekord, den so rasch keiner brechen wird. Und wäre es nach ihrem Willen gegangen, wären noch ein paar Spiele im Nationaldress hinzugekommen. Sie hat bereits die Vorbereitungen mit der rumänischen Mannschaft auf das Olympiaturnier in Montreal mitgemacht, darf aber nicht mitfahren. Die Karriere in der Nationalmannschaft ist damit für sie beendet. Aus der Nichtberücksichtigung wird sie noch die Konsequenzen ziehen. Die beispiellose Karriere der Anna Stark-Stanü;;el beginnt in Honigberg, wo bereits in der Volksschule Lehrer Michael Zerbes ihr sportliches Talent entdeckt und ihre Mutter dazu bewegt, die Tochter nach Kronstadt auf die Sportschule zu schicken. Die Mutter befolgt den Rat des Lehrers. Der Aufstieg zur Spitzensportlerin beginnt. Noch während der Schulzeit schafft Anna Stark im Handball, Basketball und in der Gymnastik den Sprung in die Nationalmannschaften. In dieser Zeit wird die Handballmannschaft von Progresul Kronstadt gegründet. Anna Stark wird Torsteherin der Mannschaft, die mit Trainer Dumitru Popescu-Coliba§i 1956 Landesmeister wird. In der Mannschaft stehen ferner die Heldsdorferinnen Gerlinde Reip und Annemarie Bosch und die Honigbergerin Hildegard Thies. Weil sie in Kronstadt als zu langsam für den Handball abgeschrieben wird, wechselt Anna Stark 1959 zu Constructorul Bukarest, wo sie Basketball spielt und ein halbes Dutzend Mal in die Nationalmannschaft berufen wird. Gleichzeitig spielt sie auch Handball für Rapid Bukarest. Die 1,67 Meter große Modellathletin, die von ihrer Sprungkraft lebt, wird bald nur noch auf dem Handballplatz auf Torejagd gehen. Unter den Trainern Gabriel "Bebe" Zugravescu und Franz "Feri" Spier erringt sie mit Rapid die ersten Erfolge. Dabei sind ferner Torsteherin Maria Buszas, Constanta Dumitrescu und Mitzi Scheip. Insgesamt wird Anna Stark-Stani§el in 19 Jahren, die sie für Rapid spielt, sechs Landesmeistertitel und viermal den Buropapokal der Landesmeister gewinnen. 1970 wird sie als 35-Jährige bei einem internationalen Turnier in Moskau zur weltbesten Handhallerin gewählt.
Die mmänische Frauen-Nariona/mannschaft in Hollrllld 1960 vor dem Gewinn des zweiten Weltmeistertitels mit A11na Srark, Maria Scheip und lrene Giinther
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Den Vertrauensbruch durch die Ausreiseverweigerung 1976 verschmerzt Anna Stark-Stani§el nicht mehr. 1978 bekommt sie durch Beziehungen einen Besucherpass, täuscht einen Kurzausflug ans Schwarze Meer vor, fliegt nach Deutschland und "vergisst" nach Hause zu fahren. Im Alter von 43 Jahren setzt sie ihre Handballkarriere in Frankfurt am Main fort. Sie spielt für den Bundesligisten Grün-Weiß, die Frankfurter Polizeimannschaft, mit der sie 1979 deutscher Vizemeister wird. Sie ist noch immer eine der Besten dieser Mannschaft, mit 44. Gleichzeitig unterrichtet die DiplomSportlehrerin an der Goldsteiner earl-vonWeinberg-Schule. 1982 wechselt Anna StarkStani§el als Spielertrainerin zum Bezirksligisten VfL Goldstein, wo ihr Sohn Michael als Spielmacher in der Herrenmannschaft unter Vertrag steht. 1985 folgt sie dem Ruf ihres Bruders Hermann Stark nach Hofheim, wo sie bis 1989 in der Regionalliga spielt. 1994 kehrt sie zurück zum VfL Goldstein, wo sie ihre Karriere Anna Stark mit einer drei Jahre später beendet. Auszeichnung Sohn Michael, der in die Fußstapfen der Mutter getreten ist, wird mit Wallau-Massenheim 1992 deutscher Meister und in der darauffolgenden Saison Europapokalsieger. Michael Stani§el, am 24. Oktober 1969 in Bukarest geboren, hat sich als Leichtathlet versucht. Diese Sportart sollte die Grundlage für seine Handballkarriere werden. Beim VfL Goldstein durchläuft er alle Mannschaften bis zur A-Jugend und darf vorzeitig in die erste Männermannschaft in die Bezirksliga wechseln. 1989 geht er zu WallauMassenheim, wo er ein Jahr lang in der zweiten Mannschaft des Klubs in der Oberliga spielt. Im darauffolgenden Jahr bekommt er einen Vertrag in der ersten Mannschaft. 1993 spielt Michael in Gelnhausen in der zweiten Liga. 1994 wechselt Michael nach Münster im Taunus in die Regionalliga, wo der als Rückraumspieler und Linksaußen Michael Stiini§el einsetzbare Spieler noch immer ist. Der 1,82 Meter große Michael lebt in erster Linie von seiner Schnelligkeit. Tätig ist er in einem Ingenieurbüro und steht vor dem Abschluss seines Maschinenbaustudiums. 92
Irene Günther-Kinn
Mit zwei WM-Titeln erfolgreichste Banater Spielerin "In den letzten acht Minuten gelang es unserem Sturm jedoch nicht mehr, aus den sich noch bietenden Torchancen das Unentschieden herauszuholen. Teilweise zu ungenaue schwache Torwürfe wurden eine Beute der guten rumänischen Torhüterin Günther." Das ist in einem Bericht einer DDR-Zeitung nach einem Länderspiel zwischen der DDR und Rumänien in Magdeburg zu lesen, das die rumänische Frauen-Nationalmannschaft mit 4:3 Toren gewinnt. Die rumänische Torhüterin ist keine andere als die am 16. April 1935 in der Gemeinde Tschanad im Dreiländereck Rumänien/Ungarn/Serbien geborene Irene Günther. Das Spiel in Magdeburg findet nach der Weltmeisterschaft 1956 in Frankfurt am Main statt, wo lreneGünther-Kinn inden80er Jahren Irene Günther mit der rumänischen Mannschaft den ersten Weltmeistertitel für den Bukarester Handball-Verband überhaupt gewinnt. Ein zweiter in Folge wird 1960 bei der Weltmeisterschaft in Holland errungen. Mit diesen beiden WM-Titeln avanciert Irene Günther zur erfolgreichsten Banater Handballerin. Im Zeitungsbericht heißt es weiter: "Magdeburg erlebte die Kraftprobe zwei er Nationalmannschaften, die im internationalen Frauen-Handballsport zur Weltklasse zählen. Nicht nur Rumäniens Weltmeisterelf von 1956 oder der Siegeszug unserer Nationalmannschaft beweisen es, sondern auch die moderne begeisternde Spielanlage beider Vertretungen ... Rumäniens Sturmspiel zeigte sich in vielen Spielmomenten überlegter, ausgereifter", seine "Kombinationen atmeten größere Durchschlagskraft, alle fünf Angriffsspielerinnen zeigten gegen unsere Deckung eine größere Beweglichkeit. Sie hatten in den entscheidenden Spielmomenten die besseren körperlichen Eigenschaften, die größere Übersicht, die sich bietenden Lücken zu nutzen. Ihre Körpertäuschungen gaben ihnen einige Male Einwurfchancen, die ihnen nach der Pause eine klare 4:1-Führung ermög93
lichten ... Unser Angriffsspiel konnte sich bei der sehr konsequenten rumänischen Deckung, die weitaus beweglicher, katzengewandt am Gegner klebte, nicht entfalten. Nur wenige Male löste sich unser Sturm von der harten und festen Deckung." Irene Günther hat diesen Zeitungsbericht seinerzeit mit ins Banat gebracht. Über Einzelheiten aus ihrer erfolgreichen Karriere kann sie nicht mehr berichten, denn sie ist 1986 gestorben. An ihrer Stelle berichtet ihr Mann, der aus dem siebenbürgischen Baaßen stammende Arzt Michael Kinn, einiges über die Großfeld-Handballerin aus Tschanad. 1950 verlässt Irene Günther ihr Heimatdorf und besucht das Lenau-Gymnasium in Temeswar. Das Handballspiel begeistert sie. Als Zehntklässlerin spricht sie den damaligen $tiinta-Trainer Walther Maiterth beim Training an, ob er sie in die Mannschaft aufnimmt. Maiterth lässt Irene Günther am Training teilnehmen. Bereits nach den ersten Trainingseinheiten zeigt sich, dass mit der 17-Jährigen aus der Banater Heide ein Talent zur Mannschaft gestoßen ist. Danach geht es Schlag auf Schlag. 1953 führt Maiterth die Damenmannschaft von $tiinta Temeswar zur Meisterschaft. Irene Günther ist mit 18 rumänische Landesmeisterin im Großfeld-HandbalL Die junge Tschanaderin hat als Torhüterin entscheidenden Anteil am Titelgewinn. Doch ein Erfolg kommt selten allein. Irene Günther besteht 1954 die Aufnahmeprüfung am Medizin-Institut in Temeswar. 1953 wird Irene Günther erstmals in die Nationalmannschaft berufen, wo ihre Temeswarer Mannschaftskollegin Ilona Nagy ihre Konkurrentin als Torhüterin ist. Irene Günther ist die Nummer eins bei der Großfeldhandball-Weltmeisterschaft vom 1. bis 8. Juli 1956 in Frankfurt am Main. Die rumänische Mannschaft wird zur Überraschung der Fachwelt Weltmeister. Neben Irene Günther gehört eine Reihe von weiteren deutschen Spielerinnen zu den Erfolgsgaranten: Anna Stark, Maria Scheip, Magda Haberpursch und Mora Windt. 1957 nimmt Irene Günther mit der rumänischen Nationalmannschaft an den Jugend-Weltfestspielen in Moskau teil und belegt nach lrene Günther nach dem Gewinn der Lande sm e istersc haft mit $ tiin Ja der DDR den zweiten Platz. Wie Michael Tem e.nwr 1953 im Meistertrikot Kinn ferner berichtet, hat Irene Günther 94
"zum Glück" in diesem Turnier ihrer Mannschaftskollegin Ilona Nagy den Vortritt lassen müssen. 1960 stellt sich der letzte große Erfolg in der Handballkarriere der Irene Günther ein. Sie wird im Juni in Holland erneut Weltmeister auf dem Großfeld. Die rumänische Mannschaft wird zum zweiten Mal in Folge Weltmeister. Von den deutschen Spielerinnen stehen neben ihr noch in der Mannschaft: Anna Stark und.Maria Scheip. Diesen Titelgewinn belohnt der rumänische Handball-Verband mit einer Prämie von 5000 Lei. Das Geld reicht dem jungen Ehepaar - Irene Günther und ihr Kommilitone Michael Kinn haben inzwischen geheiratet-, um sich ein Wohnzimmer zu kaufen. Im selben Jahr beenden beide ihr Medizinstudium. Mit der Weltmeisterschaft in Holland geht die Ära des GroßfeldHandballs allmählich zu Ende. 1961 versucht Irene Günther erneut, intensiver zu trainieren, doch sie gibt auf, denn der Nachwuchs interessiert sich nur noch für den KleinfeldhandbalL Ein 1962 auf dem Großfeld ausgetragenes Freundschaftsspiel zwischen den "alten" Spielerinnen und dem Nachwuchs wird zur Gaudi. Die Großfeld-Handhallerinnen gewinnen das Spiel, weil die jungen Kleinfeldspezialistinnen die Laufstrecken auf dem Großfeld schlecht bewältigen können. Michael Kinn berichtet weiter: Eine letzte Ehrung und Erinnerung an die erfolgreiche Vergangenheit erfährt Irene Günther 1968 in Bukarest. Ein Vertreter des rumänischen Handball-Verbandes überreicht ihr eine Kristallvase mit einer Plakette, auf der "für sportliche Verdienste" zu lesen
Die unvollständig abgebildete rumänische Elf, die 1956 in Frankfurt am Main den ersten Weltmeistertitel überhaupt für Rumlinien getvonnen hat: (von links) Josefine Ugron, Luci Dohre, Nu~a Padureanu, Mora Windt, Anni Balint,A nna Stark, lrene Günther, llona Nagy und llu Jianu 95
ist. "Ich kann mich noch erinnern, dass diese Veranstaltung vom Fernsehen übertragen werden sollte, und dann doch abgeblasen wurde. Die Enttäuschung unserer Kinder, die voller Erwartung vor dem Bildschirm saßen, war groß." Irene Günther-Kinn hat nicht nur auf dem Handballplatz und im Studium Hervorragendes geleistet, sondern auch im Beruf. Ihre erste Stelle tritt sie 1961 in Herkulesbad an, wo sie Assistenzärztin für Balneologie wird. 1961 wechselt sie nach Alexanderhausen in die Banater Heide, wo sie eine Stelle als Kreisärztin antritt und für die Betreuung der Kinder zuständig ist. In dieser Zeit werden ihre Kinder geboren: Siegrid-Gunthara 1962 und Dietmar- WM-Medaille 1956 Gunther 1964. Nach dreijähriger Weiterbildung wird Irene Günther-Kinn . Kinder- und Schulärztin in Groß-Sanktnikolaus. Die Stelle wird sie bis 1983 inne haben.1978 wird Irene Günther-Kinn zur Poliklinik-Direktorin ernannt. 1981 erkrankt sie an Brustkrebs, wird nach einem halben Jahr rückfällig, muss erneut behandelt werden. Im Juni 1983 kann sie in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen, wo sie trotz der Krebserkrankung noch ein Jahr lang als Badeärztin in Bad Griesbach tätig ist. 1984 kann die Familie nachziehen. Dochtrotz weiterer Behandlung stirbt Irene Günther-Kinn am 29. März 1986. Michael Kinn erinnert sich weiter: "Heute sehe ich ihre sportliche Tätigkeit, auch die Ausübung ihres Arztberufes, aus einem anderen Blickwinkel. Ich würde sagen, sie hatte das Pech, in eine nichtsportliche Familie geboren zu sein, in eine nichtsportliche Familie eingeheiratet und auch eine nichtsportliche Familie gegründet zu haben. Ihr Vater war vielleicht der einzige, der sie unterstützt, sich so richtig über ihre Erfolge gefreut hat. Für uns andere hatte ihre sportliche Tätigkeit nur eine kleinere Bedeutung." Dementsprechend ist auch keiner aus der Familie in ihre Fußstapfen getreten. "Nur eine Enkelin fährt gerne Ski, aber das ist für eine Bayerin ganz normal", sagt Michael Kinn.
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Otto Tellmann
Meistertitel am laufenden Band eingefahren
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Es ist fast eine Bilderbuchkarriere: Otto Tellmann hat in seiner 40-jährigen Laufbahn als Handballer und Trainer Titel über Titel gewonnen. Mit dem Bukarester Armeesportklub fährt er in mehr als 30 Jahren 18 Meistertitel ein. Dazu kommt ein Weltmeistertitel, den er 1961 in Dortmund mit der rumänischen Nationalmannschaft gewinnt. In jener Mannschaft stehen mit Hans Moser und Michael Redl zwei weitere Deutsche. Ferner gewinnt Tellmann mit Steaua Bukarest zweimal den Buropapokal der Meister. Seine ersten Schritte auf dem Sportplatz tut Otto Tellmann bereits in der Volksschule in Agnetheln. "Unser Sportlehrer Hermann Fabritius, der in Wien Otto Tellmann studiert hat, arbeitete mit uns wie mit Zirkuskindern", erzählt Tellmann. "Wir hatten eine Sporthalle, die so modern eingerichtet war wie jede Halle in unseren Tagen." Fabritius übt mit den Schülern fast jede Sportart: Bodenund Geräteturnen, Handball, Fußball und Leichtathletik. Im Sommer organisiert der Turnlehrer auf dem Fußballplatz Sportfeste. Vor begeistertem Publikum führen die Schüler Spiele und Schauturnen vor. Fabritius gelingt es so, die Jugend für den Sport zu begeistern. Folge: Agnetheln bringt wenigstens 30 gute Handballer hervor. Tellmann nennt Namen: Kurt Wagner, Kurt Sauer, Michael Brenn, Hans Zimmermann, Hans Sill, der auch deutscher Landesmeister im Tischtennis wird, Hans Reimer, der als Torwart in die Nationalmannschaft berufen wird. Otto Tellmann steht anfangs im Tor, sowohl bei Fußball- als auch bei Handballspielen. Von 1945 bis 1949 spielt er in Agnetheln Handball. Dann wird er zum Militärdienst einberufen und kommt zum Bukarester Armeesportklub. Schon bevor er nach Bukarest wechselt, ist der Armeesportklub auf Spielerfang gegangen. 1947 wird der Klub gegründet, und in die Handballabteilung werden Basketballer, Volleyhaller und Rad97
fahrer aufgenommen. Auf Initiative von Johnny Kunst, der noch Student an der Bukarester Sporthochschule ist, wird ein Bus auf Reisen durch Siebenbürgen geschickt. Die dringend benötigten Spieler werden eingesammelt in Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Agnetheln, Kronstadt und Fogarasch, so Tellmann. 1949 ist Tellmann bei CCA und wird 1950 gleich Meister. Doch als Torwart ist er die Nummer drei hinter Rudolf Haberpursch und Janos lstvan. Das missfällt dem ehrgeizigen Tellmann. Weil er im Granatwerfen Bester wird, entschließt er sich auf Anraten Walther Maiterths Feldspieler zu werden. Neben Tellmann erweisen sich zwei weitere Agnethler Handballer als gute Leichtathleten. Sauer wird beim Armeesportklub Bester im Hochsprung, und Wagner gewinnt gegen den Landesmeister den 400- und den 800-m-Lauf. Tellmann schafft die Umstellung vom Torwart zum Feldspieler und hat 1957 seinen ersten Einsatz in der Nationalmannschaft. Und zwar gegen die Tschechoslowakei in Bukarest. Insgesamt wird er 48-Mal für Rumänien spielen. Bei der Weltmeisterschaft 1959 in Österreich ist er jedenfalls noch nicht dabei. Bei dieser Weltmeisterschaft ist Rudolf Haberpurschals einziger deutscher Spieler aus Rumänien vertreten, was die Mannschaft den Weltmeistertitel kostet. Sie belegt, wie der spätere Präsident des rumänischen Handballverbandes, Johnny Kunst, einmal sagen wird, nur deshalb den zweiten Platz, weil Spieler wie Walter Lingner, Sauer, Wagner oder Rudolf Jost nicht mitfahren durften. Bei der Weltmeisterschaft 1961 in Deutschland sind hingegen drei deutsche Spieler dabei. Auch Tellmann gehört dazu. Er darf nur deshalb mitfahren, sagt er, weil Trainer Oprea Vlase den Verantwortlichen sagt, dass er ohne Tellmann die Reise nach Deutschland nicht antritt. Neben Tellmann sind Hans Moser und Michael Redl bei der Weltmeisterschaft dabei. Die Zeitungen in Deutschland berichten über die deutschen Spieler aus Rumänien, bei zwei WM-Spielen ist Tellmann Mannschaftskapitän. Doch dann darf er die Armbinde nicht mehr tragen, denn der Politruk hat die Devise ausgegeben, dass ein Deutscher dieses Amt nicht bekleiden dürfe, so Tellmann. Die Kapitänsbinde wird nun von Spiel zu Spiel weitergereicht "Das hat schon weh getan", sagt Tellmann. Bei der WM knüpft er Verbindungen, die zu Freundschaften werden und heute noch halten. Zum Beispiel mit Herbert Hünninger, dem Präsidenten des Südbadischen Handballverbandes, der vor zwei Jahren gestorben ist. Mit seiner Frau steht Tellmann auch heute noch in Verbindung. Seit 1964 hat Tellmann auf Hünningers Einladung jährlich in Freiburg an der Internationalen Handballschule teilgenommen. An dieser Schule unterrichtet er zusammen mit Oprea Vlase und Cornel Otelea Handball. Tellmann ist bis 1985 dabei. Seine aktive Laufbahn beendet er 1965 bei Steaua. "Johnny Kunst hat mich aus der Mannschaft genommen, weil kein junger Spieler in der Lage war, mich zu ersetzen", sagt Tellmann. Weil er das nicht hinnehmen will, wechselt er als Trainer zum Bukarester Klub Vointa. Das nur für Bukarester 98
Diese Mannschaft gewinnt 1961 den dritten Weltmeistertitelfür Rumänien (die beiden ersten gehen aufs Konto der Frauen, die 1956 und 1960 etfolgreich waren), stehend von links: Hans Moser , Mircea Costache /, Petre lvanescu . Trainer Nicolae Nedef, der Generalsekretär des Handball-Verbandes Lucian Grigorescu , Trainer Oprea Vlase, Vasile Tudor, Gheorghe Covaci, (kniend) Cornel Ofelea, Mircea Costache /1, Otto Tellmann, Gheorghe Coman, Gheorghe Bädulescu, Virgil Hnat, (liegend) Ion Bogolea und Michael Red!
Mannschaften veranstaltete Winterpokal-Turnier ändert jedoch wieder alles. Tellmann besiegt mit seiner Vointa die Star-Ensembles von Dinamo Bukarest und Steaua. Die Sportzeitung lobt diese Leistungen über alles, so dass der für den Armeesportklub verantwortliche General aufmerksam wird. Er befiehlt, Tellmann zurückzuholen. Er wird nun die Mannschaft von Steaua zusammen mit Olimpiu Nodea betreuen. Als dieser kündigt, aber schon feststeht, dass Cornel Otelea nach Beendigung der aktiven Laufbahn Trainer werden soll, wird Tellmann als alleiniger Trainer eingesetzt. Das Amt darf er zwei Jahre lang bekleiden, dann ist ütelea Cheftrainer. "Auch das eine politische Entscheidung, die ich hinnehmen musste", sagtTellmann. 1985 gibt Tellmann das Traineramt auf und kehrt von einem Besuch in Deutschland nicht mehr heim. Sohn und Tochter sind bereits seit längerem ausgesiedelt. Der Sohn rät ihm zu diesem Schritt bei einem Besuch in Bukarest. Es ist die Zeit, als in der unbeleuchteten Sporthalle kein warmes Wasser mehr fließt und keine Heizung funktioniert. Ein Jahr lang wird er die Damen-Mannschaft des 1. FC Nürnberg betreuen. Doch das ist nichts für den Mann, der von einem Armeesportklub kommt und gewohnt ist, dass alles auf sein Kommando hört. Sein Freund 99
Hünninger holt ihn nun nach Teningen in Südbaden. Ein Jahr lang wird er die örtliche Zweitliga-Mannschaft trainieren. Dann wechselt er nach Bötzingen am Kaiserstuhl und führt die Mannschaft von der C- bis in die A-Klasse der Kreismeisterschaft Und diese Mannschaft betreut er auch heute noch. Die Arbeit bereitet Tellmann viel Spaß. "Ich rege mich nicht mehr auf, denn ich muss nicht mehr gewinnen. Die Mannschaft spielt nur, um Spaß zu haben. Sie pflegt ein schönes Spiel, sie steht nie unter Druck. Mit Frauen und Kindern fahren die Spieler gemeinsam in Urlaub, feiern die Sportfeste gemeinsam oder veranstalten auch gemeinsame Weihnachtsfeiern."
Roland Gunnesch
Als Abwehrstratege Garant zweier WM-Siege Das Spiel ist aus. Eben hat der Schiedsrichter abgepfiffen beim Endstand von 14:12. Rumänien ist zum vierten Mal Handball-Weltmeister geworden, hat in der Höhle des Löwen den Hausherrn besiegt und den Erfolg von vor vier Jahren in Paris gegen die DDR wiederholt. Roland Gunnesch greift sich die Trikolore und dreht in der Werner-Seelenbinder-Halle in Ostberlin eine Ehrenrunde. Er feiert mit der rumänischen Nationalmannschaft seinen zweiten WM-Titel. Mancher Handballfreund kann sich noch erinnern an diese Fernsehbilder vom 10. März 1974, übertragen aus der inzwischen abgerissenen Sporthalle. Ein dramatisches Spiel, in dem die DDR-Mannschaft zweimal in Führung gegangen war, ist zu Ende, die Entscheidung in der Abwehr gefallen. Das Bollwerk dieser Abwehr trägt den Namen Roland Gunnesch. Als mit 1,97 Metern größter Spieler der rumänischen
Roland Gunnesch im Angriff mit Pali Temeswar im Spiel gegen Steaua Bukarest. 101
Nationalmannschaft, ausgestattet mit einer außergewöhnlichen Kraft, ist der gebürtige Denndorfer der Halt der Deckung schlechthin. Roland Gunnesch wurde mit diesen beiden Titeln, dem Gewinn der Bronzemedaille und der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in München 1972 und in Montreal1976 sowie der Bronzemedaille bei der WM in Schweden 1967 der erfolgreichste rumäniendeutsche Handballer und einer der erfolgreichsten Handballer überhaupt. Kein rumäniendeutscher Handballer hat mehr Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen gewonnen als Gunnesch. In die Nationalmannschaft wurde er 217mal berufen. Die Karriere des am 25. März 1944 geborenen Modellathleten beginnt an der Bergschule in Schäßburg. Hans Zultner, 1948 Landesmeister im Großfeldhandball mit Schäßburg und später mit CCA Bukarest, entdeckt Roland für den Handballsport Dieser wechselt 1962 zum Regionalligisten Vointa Schäßburg, mit dem er 1963 in die erste Liga aufsteigt. 1964 ist er bei Politehnica Temeswar. Pali-Spielertrainer Constantin Jude hat für den Wechsel gesorgt. Der Wechsel hat seine Geschichte, sie ist typisch kommunistisch: Am Tag der letzten Abiturprüfung stehen Häscher von Dinamo Bukarest vor Rolands Haustür. Er weiß davon, geht nicht mehr nach Hause, steigt nach dem Examen in den Zug und fährt nach Temeswar, wo er sich zur Aufnahmeprüfung am Polytechnikum stellen will. Jude, der Landwirtschafts-
Die rumänische Nationalmannschaft ist zum vierten Mal Weltmeister geworden. Das Foto zeigt die Mannschaft in der Werner-Seelenbinder-Halle in Berlin nach der Siegerehrung, von links: Cristian Gafu, Cornel Penu,Alexandru Dincä, RolandGunnesch, Gabrief Kicsid, Stefan Birtalan , Radu Voina, Werner Stöckl und Ghifä Licu. 102
ingenieur im zehn Kilometer von Temeswar entfernten Schag ist und dort viele Bekannte hat, lässt Roland verstecken. Erst nach bestandener Aufnahmeprüfung darf er sich wieder zeigen. Jetzt steht seinem Ziel, Elektrotechnik-Ingenieur zu werden, nichts mehr im Wege. 19 Jahre lang wird er in Pali-Diensten ste- Der aus Perjamosch stammende SportredakteurHans Frank hen und eine internatio- überreicht Roland Gunnesch zum Abschluss der Karriere nale Bilderbuchkarriere einen Pokal. machen. Doch die ganz großen Erfolge in der Meisterschaft bleiben für den schussgewaltigen Rückraumspieler aus. Die sind in all den Jahren den beiden Bukarester Spitzenklubs Steaua und Dinamo vorbehalten, die fast jeden Spieler, den sie sich wünschen, verpflichten können. Doch für Roland, von dessen Toren Poli jahrelang lebt, ist das Studium wichtiger als jeder Meistertitel. Und deshalb muss er sich mit einer Vizemeisterschaft zufrieden geben. Für Poli ist er in den fast zwei Jahrzehnten, die er für den Klub spielt, der wahrscheinlich wichtigste Spieler. Anfang der 70er Jahre ist Roland Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft. Damals titelt Hans Frank, Sportredakteur der Bukarester Tageszeitung "Neuer Weg": "Ohne Rolli keine Poli" und liegt richtig. Die internationale Karriere beginnt für Roland 1965 bei der WM mit der JugendauswahL Seinen ersten Einsatz in der rumänischen Nationalmannschaft hat er 1966. Bis 1976 wird er 217 Länderspiele bestreiten. Nach dem Ende der aktiven Laufbahn 1983 bleibt Roland der Poli als Vize-Trainer erhalten, bis 1991. Der Abschied ist mit dem Gewinn des Meistertitels verbunden. Die Macht der Bukarester Klubs ist gebrochen. Dann kehrt Roland seiner Wahlheimat Temeswar, wo er seinen bisher längsten Lebensabschnitt verbracht hat, den Rücken. Es sind 27 Jahre, davon 19 als Spieler und acht als Trainer. Seither lebt er mit Frau und Tochter in Nürnberg. Nach der Umsiedlung bildet er sich in Pneumatik und Computerwissenschaft weiter. 1993 steigt er ein bei der von den Banater Unternehmern Dr. Hartwig Michels und Dr. Knud Klingler gegründeten Firma Deutsche Luftgleitsysteme (DELU), für die er heute noch tätig ist.
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Hans Zultner
Der Mann, der Johnny Kunst im Weg stand Einen Titel hat Hans Zultner mit dem Armeesportklub CCA Bukarest gewonnen, dann muss er die rumänische Hauptstadt in Richtung Kronstadt verlassen. Johnny Kunst, der beim Armeesportklub das Sagen hat, will es so. Denn Zultner steht Kunst als Mittelstürmer im Weg. Der ehrgeizige Kunst, Spielertrainer beim Armeesportklub und Dozent an der Bukarester Sporthochschule, hat entschieden, und Hans Zultner muss den Rest seines dreijährigen Militärdienstes in Kronstadt leisten, er wird Spielertrainer der Mannschaft $antierul. Bevor er mit CCA Meister wird, ist er bereits in seiner Heimatstadt Schäßburg erfolgreich gewesen. 1948 wird er mit Victoria Schäßburg Landesmeister, ein Jahr später gewinnt er mit derselben Mannschaft den VizemeistertiteL Als Zultner, der am 27. Dezember 1930 geboren ist, zum ersten Mal Handballmeister wird, ist er gerade 18 Jahre alt. Handball beginnt er bereits als Gymnasiast an der Bergschule zu spielen. Als er in die erste Liga wechselt, besucht er bereits das Lehrerseminar in Schäßburg. 1950 hat er sein Lehrerdiplom in der Tasche und wird nach Bukarest zum Armeesportklub eingezogen. Morgens ist er Student an der neu gegründeten Sporthochschule in Bukarest, am Nachmittag Armeesportler. 1953, nachdem er nach Kronstadt abgeschoben worden ist, wird Zultner Spielertrainer von $antierul, einer A-Liga-Mannschaft, in der ausschließlich Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen spielen. Es sind Handballer, die wegen ihrer Herkunft gezeichnet sind und keinen Militärdienst in regulären Einheiten leisten dürfen. Mit dieser Mannschaft belegt Zultner in der ersten rumänischen Liga den vierten Tabellenplatz. 1953 hat "Zulli" seinen Militärdienst abgeleistet und kehrt an die Sporthochschule in Bukarest zurück. Dort spielt er für die inzwischen in die erste Liga aufgestiegene Mannschaft des Sportinstituts. 1955 schließt "Zulli" sein Studium ab und kehrt nach kurzen Zwischenstationen in Fogarasch und Hermannstadt nach Schäßburg zurück und wird Sportlehrer an der Bergschule. In Schäßburg spielt er bis 1958 weiter Handball. Er nimmt noch an den Qualifikationsspielen für die neu geschaffene Kleinfeldliga teil, doch Schäßburg ist durch den Abzug zahlreicher Spieler inzwischen so geschwächt, dass dieses Vorhaben misslingt. Als Sportlehrer entdeckt Zultner neben Spitzenspielern wie Udo Reich, Constantin Pantaru und Peter Keul den späteren Weltmeister Roland Gunnesch. Zultner zu Rolands Anfang als Handballer: "Anfangs hat sich Roland immer wieder den Daumen verstaucht, bis er schließlich gelernt hat, 104
den Ball richtig zu fangen." Doch Zultners Mühe hat sich gelohnt. Er hat einen der erfolgreichsten Handballer überhaupt entdeckt und geformt. Zultner unterrichtet bis 1972 an der Bergschule, dann setzt er sich auf einer Deutschlandreise ab. Er wird als Diplom-Sportlehrer am Wirtschaftsgymnasium in Heilbronn angestellt, wo er bis 1994 Sport unterrichtet. Hans Zultner erinnert sich gerne an seine Jugend und die ersten Handballerfolge nach dem Krieg: "Schäßburg, die Perle Siebenbürgens, ist nicht nur bekannt wegen seiner Schönheit und der Lage, sondern auch durch sportliche Leistungen und Erfolge. Der Handball hat seit der Einführung auf der Beliebtheitsskala der Mannschaftssportarten noch vor dem Fußball rangiert". Er war die Nummer eins, erinnert sich Hans Zultner, der als Spieler, Trainer und Sportlehrer viel für den siebenbürgischen Handball geleistet hat. "Einige tausend Zuschauer waren in Schäßburg bei wichtigen Meisterschaftsspielen keine Seltenheit. Die Blütezeit des Schäßburger Handballs sind unumstritten die Jahre 1946 bis 1950, in denen die Herren-Mannschaft 1946 und 1948 rumänischer Landesmeister und 1949 Vizemeister wurde". Das Bild der Schäßburger Handballhochburg vervollständigt die Damenmannschaft 1948, als sie zusammen mit den Herren den Meistertitel nach Schäßburg holt, "Das war eine Leistung, die in die Sportgeschichte der Stadt Schäßburg eingegangen ist und wahrscheinlich noch lange Bestand haben wird", so Zultner weiter. Inzwischen ist mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen, und es ist noch keiner Generation gelungen, einen neuen Landesmeistertitel nach Schäßburg zu holen- außer der Schülermannschaft der Bergschule, die 1963 rumänischer Schülermeister unter Trainer und Turnlehrer Zultner wurde. "Voraussichtlich werden wir es nicht mehr erleben, und die Wahrscheinlichkeit, dass es in den nächsten Jahren eintreffen wird, ist minimal." Diese Schülermeisterschaft ist für die Bergschule ein Duchmarsch, in dem sie keine Niederlage einsteckt. Bereits zwei Jahre vorher erringt Hans Zultner den Vize-Landemeistertitel mit seinen Schülern von der Bergschule. Die Meistertitel sind den Schäßburgern nicht in den Schoß gefallen. Sie sind das Ergebnis knochenharter Trainingsarbeit, so Zultner, die die Spielerinnen und Spieler unter ihren damaligen Trainern Hans Kraus, Rudi Eder und Walter Schmidt bereit waren zu leisten. Zultner weiter: "Unvorstellbar für heutige Sportlergenerationen: Das Training musste von 6 bis 7.30 Uhr angesetzt werden, damit alle Spieler anwesend sein konnten. Danach ging es zur Arbeit oder zur Schule. Konditionsläufe im Gelände bergauf und bergab oder im Wald mussten absolviert werden. Waschen in der Koke! nach dem Training, weil es noch keine Duschen gab, und Fahrten mit dem Lastwagen zu Handballspielen- all das war an der Tagesordnung. All diese Strapazen haben die Spieler damals auf sich genommen - und trotzdem sehr guten Handball gespielt." Doch die kommunistischen Behörden wissen die außergewöhnlichen Leistungen dieser Handballergeneration nicht zu schätzen oder zu würdi105
gen. Nach den Titelgewinnen gibt es kein Lob und keinen Empfang. "Möglicherweise konnten sie unsere Namen nicht leiden, denn keiner hatte einen rumänisch klingenden Namen. Das alles hat uns aber nicht entm~tigt. Wir haben weitergemacht. Im Gegenteil: Die Behandlung schweißt die Spieler noch mehr zusammen, die Kameradschaft wird so eng, "dass sie auch heute noch hält und uns zu unseren Handballertreffen zusammenführt." Große Verdienste hat sich der damalige Vereinspräsident Cornel Popa erworben, sagt Zultner. Er hat viel Mut bewiesen: In seiner Eigenschaft als Polizeikommissar hat er - deutschfreundlich wie er war - seine schützende Hand über die Mannschaft gehalten. Das hat ihm manche Anfeindung der Behörden eingebracht. Trotz seiner mächtigen Position, die er damals inne hat, kann er nicht verhindern, dass drei wichtige Leistungsträger, Rudi Eder, Hermann Kamilli und Kar! Adleff, von der Staatssicherheit 1950 verhaftet und unschuldig zu Zwangsarbeit an den Donaukanal deportiert wurden. Ihn selbst hat später dasselbe Schicksal ereilt. Mit der Verhaftung der drei Leistungsträger und der Einberufung zum Militärdienst von Moszes Balazs (Dinamo), Walter Lingner, Heinz Kartmann und Hans Zultner (CCA) beginnt der Niedergang der Schäßburger Mannschaft. Ein großer Verlust für die Mannschaft ist auch der Weggang der Spieler Hans Maurer, Heinz Kartmann und Butzo Zay nach Odorhellen nach dem
Victoria Schäßburg 1946, erster rumänischer Handballmeister nach dem Krieg: obere Reihe von links nach rechts Walter Lingner,Horst Müller, Hans Theil, WalterSchmidt, Hans Maurer, Hans Wulkesch, Rudi Eder, Richard Löw, untere Reihe: Hermann Kamilli, Hans Lehni, Heinz Kartmann. Auf dem Bild fehlen: Butzo Zay, Otto Andraschy, Alfred Fasakas und Fritz Zimmermann 106
Gewinn der Meisterschaft 1946. Hans Maurer war nämlich eine der markantesten Spielerpersönlichkeiten des Schäßburger Handballs, sagt Zultner. "Logischerweise konnte so ein großer Aderlass von keiner Mannschaft so schnell verkraftet werden. Allen Schwierigkeiten zum Trotz hat Schäßburg im Laufe der Jahrzehnte hochkarätige Spieler hervorgebracht, die weit über die Grenzen der Stadt bekannt werden und in Spitzenmannschaften spielen und sogar Weltmeister werden. Deshalb kann Schäßburg mit Recht als eine Hochburg des siebenbürgischen und rumänischen Handballs bezeichnet werden. Zultner nennt Namen. In den Nachkriegsjahren sind es Hans Lehni, Walter Lingner, Moszes Balazs, die in die Nationalmannschaft berufen wurden, dann folgten Aurel Bulgaru, Nelu Bogolea, Roland Gunnesch und Radu Voina. Die vier letzten sind Weltmeister geworden. Aber auch die Schäßburger Handballerinnen haben einiges geleistet. Nationalspielerinnen Martha Siegmund, LianeRothund Luci Dobre haben in der Nationalmannschaft gespielt. Unzählige Schäßburger Handball er haben in Spitzenvereinen gestanden: Nelu Bogolea, Hans Martini, Michael Schneider, Horst Pakscha, Kurt Kamilli (Dinamo Bukarest), Moszes Balazs, Willi Theis, Fritz Breihofer, Walter Hitsch, Lucian Florea, Dieter Martini (Dinamo Kronstadt), Walter Lingner, Heinz Kartmann, Hans Zultner, Aurel Bulgaru, Radu Voina, Gheorghe Pereteatcu (CCA), Hans Flechtenmacher, Constantin Pantaru (Uni Klausenburg), die Brüder Puiu und Milu Hurubeanu, Sebastian Ivanescu, Hans Schaas, Martin Bürger, V. Navrotescu (Uni Jassy), Hermann Kamilli, Otto Schuster, Hans Zultner ($antierul Kronstadt), Rainer Reich (Uni Bukarest), Walter Lingner, Butz Gronnert, Aka Flechtenmacher (Textila Hel tau), Hans Maurer, Heinz Kartmann, Butzo Zay (Autosport Odorhellen). Viele junge Talente rücken in die erste Liga-Mannschaft der Schäßburger nach wie Aurel Bulgaru, All Lingner, Kurt Bartmus, Heinz Roth, Kurt Kamilli, Werner Pakscha, Rudi Kristoff, Virgil Hetrea, Willi Roth, Adolf Czika, Hans Geiswinkler oder Erwin Streitfeld. Die Titelanwärter sind allmählich in anderen Städten zu finden. Ehemalige Handballhochburgen wie Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Kronstadt, Heltau und Agnetheln sind abgemeldet und haben bald im rumänischen Handball kaum noch etwas zu melden. Durch den Exodus der deutschen Bevölkerung aus Siebenbürgen und dem Banat ist auch das Spielerreservoir und die Talentförderung stark geschrumpft, so Zultner. "Es ist unumstritten, dass gerade Spieler und Trainer deutscher Herkunft viel zum Ruhme des rumänischen Handballs beigetragen haben, Als Beweis: das gegenwärtige internationale Niveau des rumänischen Handballs. In letzter Zeit sind keine Medaillen mehr nach Rumänien vergeben worden."
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Roland Wegemann
Drei Mannschaften ins Oberhaus geführt 1951 im Temeswarer Eisenbahner-Stadion CFR: Dinamo Kronstadt führt mit einem Tor. Die Temeswarer Handballelf fühlt sich benachteiligt. Roland Wegemann schlägt dem Schiedsrichter die Pfeife aus der Hand und tritt darauf. Vasile Sidea tritt dem Schiedsrichter gegen das Steißbein. Spielertrainer Georg Gunesch spuckt in Richtung schwarzer Mann. Das Spiel hat Folgen. Der rumänische HandballVerband sperrt die drei Spieler und zusätzlich noch Waldemar Zawadzki und Constantin Lache. Doch darauf hat ein Klub nur gewartet, der Bukarester Armeesportklub CCA. Der ist seit geraumer Zeit gierig nach Spielern. Um an sie heranzukommen, ist jedes Mittel recht. Roland Wegemann, RolandWegemannmit seinerNichteDiana Georg Gunesch und Vasile Sidea dürfen sich bei CCA "rehabilitieren". Poli (später $tiinta und dann wieder Poli) Temeswar verliert mit den drei Spielern seine Achse. Der am 19. August 1927 in Hatzfeld geborene Roland Wegemann spielt von 1952 bis 1953 in Bukarest Handball. So haben es die Mächtigen des Armeesportklubs gewollt. Der 1,78 Meter große Wegemann wird Nationalspieler, kommt aber niemals zum Einsatz, denn die Nationalmannschaft bestreitet kaum Spiele. Wegemann erinnert sich noch an das erste Länderspiel, das 1949 in Temeswar ausgetragen wird. Franz Monis, CCAund Nationaltrainer zugleich, hat fast nur Sachsen und ein paar Rumänen in die Nationalmannschaft berufen. Angesprochen, warum keine Banater vertreten sind, meint er, er habe noch nichts von diesen Spielern gehört. Die rumänische Mannschaft unterliegt Ungarn. Doch Poli Temeswar gewinnt gegen dieselbe Mannschaft, sagt Roland Wegemann. Der Hatzfelder gehört 1947 zu den Gründern von Politehnica Temeswar. Poli beruft mit dem 1922 geborenen und 1998 in Aachen gestorbenen Georg 108
Gunesch einen Spielertrainer. In der damals gegründeten Mannschaft stehen ferner: Vasile Sidea (Torsteher), Sterbenz, Hans Wiesenmeyer, Josef Kraushaar, Jakob Klein, Peter Schwarz, Nikolaus Schreier, Gigi Bagiu, Markoni, Dr. Karl Koch, Franz Frank und Papa. 1953 kehrt Roland Wegemann in seine Heimatstadt Hatzfeld zurück und wird Trainer des örtlichen Handballklubs, der im Laufe der Jahre seinen Namen häufig wechselt: von Flamura Ro~ie über Recolta und Vointa zu Ceramica. Mit Hatzfeld steigt Wegemann 1953 in die erste Liga auf. 1954 belegt die Mannschaft den dritten Tabellenplatz. Die Zeitung "Neuer Weg" titelt: "Der lachende Dritte". Das Team kann alle Spiele gewinnen, nur die gegen die übermächtigen Bukarester Mannschaften CCA und Dinamo gehen verloren. Die Hatzfelder feiern Siege gegen Klausenburg, Tehnometal Temeswar, Hermannstadt und Pali Temeswar, Reschitza, Uni Bukarest, Jassy, Schäßburg, Heltau und Fogarasch. 1949 gründet Roland Wegemann zusammen mit Edmund Havranek eine Handballabteilung beim Eisenbahnerklub CFR Temeswar, die er bis 1950 leitet. Bevor er nach Bukarest wechselt, betreut er 1951 ein halbes Jahr lang die Großfeldmannschaft von Perjamosch und schafft mit ihr den Aufstieg ins Oberhaus. Zum ersten Mal hat eine Dorfmannschaft dieses Bravourstück geschafft. Damals stehen in der Mannschaft ausschließlich
Die Hatzfelder Handballmannschaft 1956 inBukarestvordemSpiel gegen den Armeesportklub CCA, stehend von links : Josef Kaiser, Peter Kolbus , Josef Vranyar, Josef Simon, Johann Valeri, kniend: Nikolaus Linster, Adalbert Hehn, Anton Kruch, Roland Wegemann, Paul Katona, Josef Engel, sitzend: Anton Klein und Josef Sipos 109
deutsche Spieler. Das Traineramt in Hatzfeld hat Wegemann bis 1969 inne. Nebenbei feiert er einen weiteren Erfolg mit der Großfeldmannschaft von Bogarosch. Er trainiert sie nebenbei ein halbes Jahr lang und steigt mit ihr in die erste Liga auf. Doch die Freude der Handballer aus dem Banater Heidedorf soll nicht lange währen. Denn im nächsten Jahr, 1962, wird die Großfeldhandball-Liga aufgelöst. Die Einführung des Kleinfeldhandballs ist eine gute Gelegenheit für die Mächtigen in Bukarest, den Banater und Siebenbürger Handball zurückzustutzen. Jetzt ist aus jeder Region des Landes eine Mannschaft in der ersten Liga zugelassen. Die Zeit ist reif, den Deutschen erneut die Grenzen aufzuweisen. Und das soll gut gelingen. Jetzt kommen Mannschaften in die erste Liga wie Piatra Neamt, Borze~ti oder Galatz, sagt Wegemann. Nach dem Abschied von Ceramica trainiert Wegemann die Mannschaft der Sportschule Hatzfeld. Mit der Jungenmannschaft wird er 1969 Vizelandesmeister. Von den 13 Spielern, die ihm zur Verfügung stehen, sind zwölf Deutsche. Aus der Mannschaft wird ein Spieler in die Landesauswahl berufen, es ist der Rumäne. Wegemann fragt darauf hin Verbandstrainer Nicolae Nedef, wie er diese Entscheidung seinen Spielern erklären soll, und bekommt zur Antwort: "Deutsche dürfen wir nicht nehmen". Die Mädchenmannschaft der Schule führt er in die Landesmeisterschaft. 1973 wartet eine neue Aufgabe auf ihn. Er rettet Gloria Arad vor dem Abstieg. Und bereits 1975 ist die Mannschaft im Oberhaus. Bei Gloria Arad schart Wegemann eine Reihe von deutschen Spielern um sich. Dazu gehören Hans Huber, Ewald Kolleth, Helmuth Schragner, Hans Burger, Edmund Brach und Rudolf Fölker. 1977 kommt es zu Meinungsverschiedenheiten mit der Klubleitung, Wegemann entschließt sich, den Ausreiseantrag zu stellen. 1979 ist er mit der Familie in Deutschland. Er findet in Worms eine neue Heimat. Dort unterrichtet er bis zu seiner Pensionierung 1990 als Diplomsportlehrer am Gauss-Gymnasium. Ein halbes Jahr lang trainiert er eine Mannschaft in Osthofen. Doch von dem Eifer der Spieler der ersten Liga verwöhnt, befriedigt ihn seine neue Arbeit nicht. Roland Wegemann denkt noch oft an seine Spieler, er erinnert sich gerne an verschiedene lustige oder auch traurige Geschehnisse. Er hat keinen vergessen, sagt er, so viele es auch waren, so verschieden sie auch waren. Eines hat sie alle ausgezeichnet: Sie waren mit Leib und Seele bei der Sache, und sie waren immer eine Mannschaft. Die ersten Kontakte mit dem Handball hat Wegemann in den 30er Jahren bei Hertha Hatzfeld. Der am 19. August 1927 in Hatzfeld geborene Wegemann spielt anfangs in der Mannschaft der Kronstädter HonterusSchule. 1946 wird Unirea Hatzfeld gegründet. Wegemann ist dabei. Die ersten Spiele nach dem Krieg finden statt. Es sind Spiele gegen die neuen Mannschaften Lenauheims und Sackelhausens. 1947 ist Wegemann bereits bei Poli. Wie er berichtet, ist Hatzfeld in den 20er Jahren das erste Handballzentrum des Banats. Im Klub Hertha wird bereits Hasena, der tschechische 110
Vorläufer des Kleinfeld-Handballspiels, getrieben. Die Hertha bestreitet sogar Spiele in Belgrad. Erst später wird in Temeswar Handball gespielt, sagt Wegemann. Zu den weiteren Handballzentren des Banats vor dem Krieg zählt Wegemann Bogarosch und Perjamosch. Viele Hatzfelder hätten in jenen Jahren das Gymnasium in Schäßburg besucht, wo sie mit dem Handball in Kontakt kommen und ihn in die Heidegemeinde einführen. Die Städte hätten keine großen Spieler hervorgebracht. Das Potenzial sei aus den Dörfern des Banats hervorgegangen, wo es noch keine Verweichlichung gegeben habe.
Kurt Wagner und Kurt Sauer
Zwei Freunde in CCA-Diensten Dieser Mann hat Johnny Kunst noch gefehlt, und er hat ihn bekommen. Im August 1949 hält Kurt Wagner die Einberufung zur Armee in Händen. Kurz darauf stößt er zu den Handballern des Bukarester Armeesportklubs CCA, in Predeal, wo sich die Mannschaft im Trainingslager befindet. Kurt Wagner, am 4. Februar 1927 geboren, ist einer der ersten Agnethler Handballer, die zum Armeesportklub stoßen. Vor ihm sind bereits Michael Brenner und Karl Zimmer einberufen worden. Mit Kurt Sauer und Otto Tellmann werden kurz darauf zwei weitere Agnethler HandKurt Wagner baller Kurt Wagner zum Armeesportklub folgen. Für den Armeeklub werden ferner folgende Agnethler spielen: Helmut Sturm, Heinz Lang, Wilhelm Orend, Horst Sauer und Sieghart Kirschner. Kurt Wagner berichtet über die Anfänge bei CCA: "Als 1948 die Handball-Abteilung mit Johnny Kunst gegründet wird, ist Michael Brenner aus Agnetheln ein Mann der ersten Stunde. Ohne ihn und seine Empfehlungen wären nicht so viele Agnethler zur CCA gekommen." Über die Anfänge beim Armeesportklub schreibt deren damaliger Spielertrainer Johnny Kunst in der Festschrift der Heimatortsgemeinschaft Agnetheln "Ausweg- der Weg ins Aus": "Meine alten Sportfreunde haben seinerzeit beachtlichen, wahrscheinlich einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung unseres Handballs ... erbracht." Agnetheln habe dem rumänischen Handball Spieler von internationaler Klasse geschenkt, die mit Kurt Sauer ll2
Herz bei der Sache waren. Vom Trainingslager 1949 in Predeal berichtet Johnny Kunst, dass sich der Armeesportklub mit außerordentlichem Fleiß auf den Rumänien-Pokal vorbereitet hat. Mit dem Gewinn der Trophäe erzielt CCA seinen ersten Erfolg. Kurt Wagner war an allen Spielen maßgeblich beteiligt, so Kunst weiter. "Er war ein hervorragender Spieler", schnell, ausdauernd und geschickt, ein tadelloser Techniker, mit einer ausgezeichneten Ballführung, ein präziser und kraftvoller Werfer. Mit all diesen Vorzügen setzt er sich durch und wird Nationalspieler. Wagner bestreitet 23 Länderspiele für Rumänien. Sein Debüt in der Auswahl gibt er 1951 in Bukarest gegen die Tschechoslowakei. Die rumänische Auswahl entscheidet das Spiel mit 14:13 für sich. Mit der Verpflichtung Wagners ebnet der spätere Präsident des Rumänischen Handballverbandes dem Armeesportklub und der rumänischen Nationalmannschaft den Weg zu ungeahnten Erfolgen. Die Einberufung Wagners ist einer der besten Schachzüge des schlauen Fuchses Johnny Kunst. Mit Wagner hat er den Kopf der Mannschaft gefunden. Der Armeesportklub und die Nationalmannschaft werden jahrelang von Wagners Ideen, seiner Zielstrebigkeit und Ausdauer profitieren. Er ist der Mann, der andere Klasseleute wie Walter Lingner, Aurel Bulgaru, Kurt Sauer, Rudi Jost oder Walther Maiterth in Szene setzt, aber auch selbst Tore wirft. Was ihm bei 1,74 Metern an Körpergröße fehlt, macht er durch Verstand und Technik mehr als wett.
Die Nationalmannschaft bei den Weltjugendspielen in Warschau 1955 : (von links)Trainer l ohnny Kunst, Rudolf Haberpursch, Vasile Sidea , Rudolf l ost, Kurt Sauer, Walter Lingner, Gustav Schul/er, Watther Maiterth, Otto Tel/mann , Mitica Lupescu, Cornel Antonescu , Alexander Bota, Ernst Pahan, Kurt Wa gner, lulian Ca/iman , l oan Donca und Peter Streitferdt 113
Johnny Kunst weiter über Wagner: Er sei nicht nur ein Elite-Sportler gewesen, sondern auch Vorbild als Mensch und Sportler. Deshalb sei er zum Mannschaftskapitän gewählt worden. Wie Kunst berichtet, hat Wagner diese Aufgabe stets mit viel Takt, aber doch mit großer Autorität den Mannschaftskollegen gegenüber wahrgenommen. "Wagner ist in die Annalen des Großfeldhandballs als ein Spieler eingegangen, der durch seinen Einsatz zur Entwicklung unseres Handballs beigetragen hat." Von Anfang an sei er für seine Mitspieler ein Beispiel und ein Ansporn gewesen, aber auch für die spä- Zwei Agnethler im Kampf um den Ball: Reinhard teren Trainer und Spieler der Breckner (Hermannstadt) und Kurt Wagner (CCA) . goldenen Jahre des rumänischen Handballs. Beispielhaft habe sich auch sein leiser Abschied aus dem Leistungssport vollzogen. Hochachtung verdiene er wegen seines Auftritts in den Jahren, als sich Rumänien zum Aufstieg in die internationale Spitze aufgemacht hat. In einem 1951 nach dem Erringen des zweiten Landesmeistertitels in der Bukarester Zeitung "Sportul Popular" von CCA-Trainer Pranz Monis gezeichneten Artikel heißt es sinngemäß: Mannschaftsdienlichster Spieler ist der linke Verbinder Kurt Wagner. Von den 225 Toren, die CCA in dieser Spielzeit erzielt hat, gehen 71 auf sein Konto. Wagner kommt mit dem Handballspiel in seinem Geburtsort Agnetheln in Kontakt. Sein Vorbild ist Hans Sill, der geborene Sportler schlechthin. "Sill ist ein sportliches Naturtalent, das nur alle 100 Jahre geboren wird. Ihm wurde die Begabung für alle Sportarten in die Wiege gelegt. Doch er konzentriert sich auf die Ballspiele. Jeden Ball konnte er wie ein Jongleur mit Hand und Fuß behandeln. Ich bewunderte ihn unsagbar", sagt Kurt Wagner. "Trotz Verwundung an Ellbogen und rechter Hand im Krieg spielt er weiter Tischtennis, mit Links, auch heute noch mit 80 Jahren. Er ist der älteste eingeschriebene aktive Spieler Deutschlands." Wagner kann sich noch an das Training erinnern, das der Vater des Handballs, Carl Schelenz, in Agnetheln geleitet hat. Es sei ein richtiger Impuls für den Sport gewesen. Bis Januar 1945 spielt Wagner Handball an der Bergschule in Schäßburg. Die Verschleppung ins Lager nach Russland 114
bleibt ihm erspart, denn er kann sich verstecken. Über den Agnethler Handball weiß Wagner zu berichten, dass er zwar hervorragende Spieler hervorgebracht hat, aber nur eine Mannschaft stellen konnte, die als guter Trainingspartner für die Großen aus Hermannstadt, Schäßburg, Kronstadt oder Mediasch einzustufen sei. Nach dem Wechsel zum Armeesportklub nach Bukarest entwickelt sich Kurt Wagner vom linken Verbinder zum Mittelstürmer und Sturmführer. Mit der rumänischen Nationalmannschaft nimmt Kurt Wagner an drei Weltjugendspielen teil: 1953 in Bukarest, 1955 in Warschau und 1957 in Moskau. Er bestreitet Länderspiele mit der rumänischen Mannschaft gegen die Jugoslawen in Bukarest, in Pantschewo und in Belgrad. Ferner gegen Polen und Ungarn in Kronstadt Nur in die DDR darf er nicht mit fliegen, wegen eines Missverständnisses. Die Geheimpolizei fängt ein für die Bundesrepublik Deutschland bestimmtes Telegramm ab, und weil die Absenderin Wagner heißt, bringt man sie mit dem Handballer Kurt Wagner in Verbindung. Sein Gepäck wird aus dem Flugzeug genommen. Kurt Wagner bleibt in Bukarest. Beim Länderspiel in Belgrad ist ein Westdeutscher Schiedsrichter. Kurt Wagner erinnert sich noch genau an ihn, denn er ist einarmig. Dem Richter fällt auf, dass sich die rumänischen Stürmer auf Deutsch verständigen, und fragt den Kapitän, warum das so ist. Noch heute muss Kurt Wagner darüber lachen. Auch eine andere Begebenheit gibt Kurt Wagner zum Besten. Der sympathische DDR-Handballer Klaus Matz macht nach einem Länderspiel die deutsch sprechenden rumänischen Nationalspieler darauf aufmerksam, mit wem sie aus der DDR-Delegation wohl besser nicht über Politik sprechen sollten. Seine Tore hat Kurt Wagner mit der rechten Hand geworfen. Mit Links ist ihm ein einziges gelungen, und zwar gegen die DDR. Als Kapitän der rumänischen Nationalmannschaft sei er, obzwar Sachse, hoch geachtet gewesen. "In Bukarest waren wir richtig frei, von unseren Chefs hoch gehalten", sagt Wagner. Von Johnny Kunst sagt der Agnethler Handballer, er sei kein großer Spieler gewesen, doch dafür ein großer Fuchs. "Wir haben für ihn gespielt", sagt Wagner. Johnny Kunst habe stets zugegeben, dass er ohne die deutschen Handballer nicht das geworden wäre, was er erreicht hat: Handballtrainer, Hochschullehrer, Präsident des Rumänischen Handball-Verbandes, Mitglied des Olympischen Komitees in Bukarest, geschätzter Handballtheoretiker und Mitglied des Präsidiums der Internationalen Handball-Föderation. "Johnny Kunst war es von Anfang an klar, dass er von den erfahrenen deutschen Handballspielern viel lernen konnte. Diese Gelegenheit hat er voll und gekonnt genutzt. Er führte gerne Gespräche mit Handballveteranen wie Wilhelm Kirschner oder Bruno Holzträger." Kurt Wagner wird bis 1958 für den Armeesportklub in Bukarest spielen und sechs Meister- und drei Vizemeistertitel gewinnen. Er erlebt die Umstellung vom Großfeld aufs Kleinfeld aus der Distanz. Auf dem Großfeld sei es so gewesen, dass derjenige, der leicht zu Fuß war, das Resultat noch 115
ändern konnte. Doch auf dem Kleinfeld habe sich alles gewandelt. Jetzt sind die großen, kräftigen Kerle gefragt. Kurt Wagner trauert heute noch dem Großfeldhandball nach. 1958 kehrt Kurt Wagner heim nach Agnetheln, wo er die lokale Mannschaft als Trainer übernimmt. Er verlässt 1987 Rumänien und findet in Heilbronn ein neues Zuhause. Mit Kurt Sauer stösst 1951 ein weiterer Klassespieler aus Agnetheln zu CCA. Johnny Kunst holt ihn auf Empfehlung seines Freundes Kurt Wagner nach Bukarest. Der am 21. August 1931 geborene Sauer macht seine ersten Schritte auf dem Handballfeld unter Lehrer Hermann Fabritius. Der 1,84 Meter große Sauer wird bis 1957 für den Bukarester Armeeklub spielen und vier Landesmeistertitel gewinnen. Dazu kommt eine gewonnene Vizemeisterschaft. Sauer gehört in der ersten Hälfte der 50er Jahre zu den Stammspielern, die CCA zur ersten großen Erfolgsserie verhelfen. In der rumänischen Nationalmannschaft wird Sauer rund 20 Spiele bestreiten. Er nimmt an den Jugendweltspielen in Bukarest 1953, in Warschau 1955 und Moskau 1957 teil. Ferner bestreitet Sauer, der als Linksaußen, Verbinder und Verteidiger auf vielen Positionen einsetzbar ist, Länderspiele gegen Jugoslawien und Ungarn. "Leider hatten wir Deutschen Probleme, wenn wir im Ausland spielen sollten. Das hat auch mein Freund Kurt Wagner erfahren müssen, als wir in die DDR gefahren sind." Trotzdem sei es eine schöne Zeit gewesen: "Ich erinnere mich gerne daran und bin froh, dieser großen Handball-Familie angehört zu haben. Bei CCA waren viele gute Handballer, aber nur wenige haben es geschafft, in der ersten Mannschaft zu spielen." 1957 wechselt Sauer zu Vointa Hermannstadt, wo er bis 1962 spielen wird. Bei CCA lernt Sauer den Hatzfelder Rudolf Jost kennen, mit dem er heute noch in Freundschaft verbunden ist. Sauer, Jost und Walther Maiterth teilen si~h bei CCA ein Zimmer. 1987 verlässt Sauer Siebenbürgen. Bis 1997 lebt er in Regensburg, danach übersiedelt er nach Breisach.
Rudolf Jost
Zweimal Meister mit dem Armeesportklub Wäre er in seinem Geburtsland geblieben, hätte er bestimmt Fußball gespielt. Möglicherweise mit Garincha, Didi und Vava in der brasilianischen Nationalmannschaft. Doch daraus ist nichts geworden. Rudolf Jost, am 20. September 1930 in Sao Paulo geboren, ist Handballspieler geworden. Und zwar ein guter. Das ist bestimmt kein Zufall, denn er ist in der Banater Heide groß geworden. Weil seine Mutter das heiße Klima in Brasilien nicht verträgt, kehrt die Familie nach Hatzfeld zurück. Rudi ist zwei Jahre alt. 1927 waren seine Eltern ausgewandert. Mit dem Handball kommt Rudi in den vierziger Jahren in Kontakt. Ein Landwirt Rudolf Jost namens Rothen spornt die Jugendlichen im Heidestädtchen an, Handball zu spielen. Mit Erfolg. Rothen begeistert viele junge Leute, beim Training stehen bis zu 40 Mann auf dem Platz, erinnert sich Jost. Sein zweiter Trainer ist Josef Kraushaar, der in Klausenburg und Temeswar Fußball und Handball gespielt hat. Er wird von Roland Wegemann abgelöst. Anfangs spielt Rudi in der zweiten Mannschaft, doch bald rückt er in die erste auf. Rudolf Jost erinnert sich noch an die ersten Spiele, zum Beispiel an jenes gegen die Temeswarer Politehnica. Damals war er als Verteidiger eingesetzt. Und dann musste er fast jeden Sonntag etwas anderes spielen. Er war vielseitig einsetzbar. Mit Josef Kraushaar steigen Jost und die Hatzfelder Mannschaft von der Bezirksklasse bis in das Oberhaus auf. Im ersten Jahr klappt es noch nicht, erinnert sich Rudi, die Hatzfelder müssen den Perjamoschern den Vortritt lassen. Doch ein Jahr später ist es soweit: 1952 ist Hatzfeld in der ersten Liga. Und 1954 belegt die Mannschaft mit dem neuen Trainer Roland Wegemann den dritten Platz in der Meisterschaft. Rudi zählt zu den Leistungs trägem. Im Herbst 1955 wird er zum Militär einberufen. Ein Offizier kommt und holt ihn ab. Er muss zum Armeesportklub CCA nach Bukarest. Trainer Johnny Kunst hat ein Auge auf ihn geworfen. In seinerneuen Mannschaft in der Hauptstadt wird Rudi als rechter Verbinder eingesetzt. Doch er ist 117
FlamuraRo~ie Hatzfeld 1954, von links: RudolfJost,AntonKlein,JosefKaiser,JosefVranyar, Roland Wegemann, Adalbert Hehn, Johann Valeri , Josef Simon, Pranz Weger, Nikolaus Schütz , Johann Vaida , Johann König, Hans Zachari. Auf dem Bild fehlt der in den Baragan verschleppte Peter Kolbus
mit beiden Händen fast gleich gut In jenem Jahr wird der Bukarester Armeesportklub die Meisterschaft mit einem Zehn-Punkte-Vorsprung vor Dinamo Kronstadt für sich entscheiden, ein nie da gewesener Abstand nach dem Krieg. Diese Meisterschaft ist in erster Linie von außergewöhnlichen Spielern entschieden worden, von unerbittlichen Bombern, wie der damalige Trainer von Dinamo Kronstadt, Otto Schmitz, es formuliert. Die Meisterschaft wird in jener Saison von den Spielern Walter Lingner, Kurt Sauer, Rudi Jost und dem Zwei-Meter-Mann Aurel Bulgaru bestimmt. Diese außergewöhnlichen Athleten werden nun von einem ebenso guten Spielmacher, Kurt Wagner, in Szene gesetzt. Rückhalt im Tor ist der unvergleichbar gute Rudolf Haberpursch. Wie schwer es ist, gegen solche Athleten zu bestehen, bestätigt der damalige Kronstädter Dinamo-Verteidiger Peter Streitferdt. "Es ist unmöglich, diesen Bulgaru zu halten", wird er seinem Trainer noch während des Spiels sagen. Rudi Jost war seinerzeit mit 182 Zentimetern einer der größten Spieler. "Heute wäre ich Mittelmaß", sagt er. Sein Lieblingswurf war der Sprungwurf aus 20 Metern Tordistanz. 1957 wird Rudi Jostein zweites Mal mit dem Armeesportklub Bukarest rumänischer Meister. CCA gewinnt das Endspiel dieser Meisterschaft, sie wurde ausnahmsweise in zwei Gruppen ausgetragen, gegen Dinamo Kronstadt eindeutig 18:11. 1957 wirft Rudi im Bukarester Dinarno-Stadion in der rumänischen Nationalelf gegen Deutschland ebenfalls seine Tore. Insgesamt wird Jost 16 Länderspiele für Rumänien bestreiten. Er ist bei den 118
Jugendweltspielen in Warschau und Moskau dabei. Doch jedes Mal muss die rumänische Elf der Mannschaft der DDR den Vortritt lassen. Rudi Jost hat die Zeit in Bukarest noch in guter Erinnerung. Er war einziger Banater Schwabe unter einer Vielzahl von Siebenbürger Sachsen, bis 1956 sein Landsmann Hans Zachari zu CCA kommt. Er war Soldat, die meisten anderen Spieler hingegen Angestellte der Armee. Noch heute steht er in Verbindung mit seinen ehemaligen Spielerkollegen Sauer und Wagner. Nach den Spielen in Moskau kehrt Jost in seine Heimatstadt zurück, wo er noch ein Jahr lang für den örtliChen Verein auf dem Großfeld Handball spielt. Vor seinem Abschied aus Bukarest absolviert er die ersten Spiele auf dem Kleinfeld. "Die Tschechen haben uns das Spiel auf dem Kleinfeld vorgeführt und es uns auch gelehrt", sagt Jost. 1958 entscheidet er sich, aufzuhören, "weil kein Zug mehr drin war. Anfang der fünfzigerJahresind noch viele Zuschauer aus den umliegenden Dörfern nach Hatzfeld gekommen", erinnert sich Jost. "Doch am Ende des Jahrzehnts hat das Spiel seinen Reiz verloren." Die Zeit, aufzuhören, ist für Rudi Jost gekommen. 1991 kommtJostnach Deutschland und lässt sich in Plochingen bei Stuttgart nieder. Er hat Sohn, Tochter und ein Enkelkind.
Landesmeister CCA 1955 : (von links) Kurt Wagner, Vasile Sidea, Rudolf lost, Viktor Kitza, Aurel Bulgaru, Walter Lingner, Kurt Sauer, Watther Maiterth , Otto Tel/mann, Gustav Schul/er, Cornel Antonescu,lstvan Bota, Nicolae Nifescu 119
Hans Hermannstädter
Nesthäkchen im Olympia-Aufgebot Er war das Nesthäkchen im 16 Mann starken Olympia-Aufgebot, das Rumänien 1936 bei den Olympischen Spielen in Deutschland vertreten hat. Hans Hermannstädter ist gerade einmal 18 Jahre alt und darf die Reise nach Berlin antreten. Im selben Jahr übernimmt Hermannstädter das Handball-Protokollbuch der Seminaristen von Wilhelm Hitsch, das er bis 1938 weiterführt. Dann gibt er es Hans Groß weiter, der alles bis 1940 aufzeichnet. In dem Buch, das in Gundelsheim aufbewahrt wird und von dem es Kopien gibt, eine war im Besitz von Ernst Wolf, sind alle Spiele der Hermannstädter Seminarmannschaft von 1932 bis 1940 verzeichnet. Wie Hans Hermannstädter berichtet, gibt es auch Fortsetzungsbände der Hans Hermannstädter Chronik. Wegen seiner guten Leistungen darf Hans Hermannstädter von 1936 bis 1938 immer wieder auch beim Hermannstädter Turnverein aushelfen. Diese Einsätze machen ihn auch über die Hermannstädter Stadtgrenze bekannt, selbst in Bukarest weiß man von seinem Können. Das ebnet ihm den Weg zu den Olympischen Spielen. Dass er nachher weiter zur Nationalmannschaft gehört, ist fast selbstverständlich. Und so ist er ebenso selbstverständlich zwei Jahre später bei der ersten Handball-Weltmeisterschaft auf dem Großfeld in Deutschland als Stürmer dabei. Dort ist er neben dem legendären Torwart Ernst Wolf der einzige Seminarist im rumänischen- Aufgebot. Die 30er Jahre hat Hermannstädter in guter Erinnerung. "In der damaligen Zeit trieb man Sport für die Gesundheit, aus Lust und Liebe, nicht um Geld zu verdienen und reich zu werden." Von den Olympischen Spielen in der deutschen Hauptstadt berichtet Hans Hermannstädter: "Die Handballer waren in Zweibettzimmern untergebracht, täglich wurde die Wäsche gewechselt. Verpflegung erhielten wir vom Norddeutschen Lloyd. Es war alles tadellos. Wenn man etwas besichtigen wollte, wurde man begleitet und wieder zurück ins Olympische Dorf gebracht. Ich habe in Potsdam die Garnisonskirche besichtigt. Jeden Abend konnte man im großen Saal des Olympischen Dorfes den von Leni Riefenstahl 120
gedrehten Film vom Tagesgeschehen im Stadion und auf den Wettkampfstätten sehen." Bei der Weltmeisterschaft in Deutschland sei allesgenauso gut organisiert gewesen. In Magdeburg war die rumänische Mannschaft im Hotel Fürst Bismarck untergebracht. Alles vorzüglich, sagt Hans Hermannstädter. Nach dem Krieg baut Hermannstädter in Brenndorf eine Jungenmannschaft auf, hält ständig Kontakt zu seinem Lehrerkollegen Hans Franz in Heldsdorf, so dass manches Spiel zwischen den Mannschaften beider Orte ausgetragen wird. Hans Hermannstädter, geboren am 6. Februar 1918 in Neustadt bei Kronstadt, besucht das Lehrerseminar in Hermannstadt von 1934 bis 1938. Nach dem Krieg ist er bis 1952 Lehrer in Brenndorf. Von 1952 bis 1978 ist er Schulrat und danach bis 1990 Landeskirchenkurator der Die von dem Mediascher Fabrikanten Karres im Jahre 1930 gestiftete Wanderplakette Evangelischen Kirche in Rumänien. "Stefan Ludwig Roth" wird in der Hans Hermannstädter ist im Theologischen Hochschule in Hermannstadt Besitz einer Statistik des olympiaufbewahrt. Eine Inschrift unterder Aufschrift schen Handball-Turniers von 1936. "St. L. Roth-Spiele. Wanderpreis" ist Darin fällt auf, dass, vernachlässigt herausgemeißelt. Auf der Rückseite der man die Namen der ungarischen Plakette, die dem Gewinner der CoetusMannschaft, in allen Aufgeboten Meisterschaft überreicht wurde, ist eingraviert: nur deutsche Namen zu finden fast 1930 Coetus-Arminia-Cibiniensis, 1932 sind. Also ist die deutsche Sportart Chlamydaten-Coetus-Sc häßburg, 1934 in den 30er Jahren noch eine recht Seminar-Coetus-Hermannstadt. deutsche Angelegenheit. Nicht nur im deutschen, sondern auch im Schweizer Aufgebot stehen nur deutsche Namen. Im Österreichischen sind natürlich ein paar durch die Geschichte bedingte und deshalb normale slawische Einfärbungen zu finden. Im US-Aufgebot finden sich mit geringen Ausnahmen auch nur deutsche Namen. Weil im Ungarn jener Zeit viele Namen magyarisiert wurden, kann angenommen werden, dass mancher Spieler auch in dieser Mannschaft ein Deutscher war. Das US-Aufgebot liest sich folgendermaßen: Henry Oehler, Charles Dauner, Alfred Rosesco, Her121
bert Karl Oehmichen, Edmund Schallenberg, William Ahlemeyer, Gerard Yantz, Joe Kaylor, Willy Renz, Walter Bowden, Fred Leinweber, Edward John Hagen und Otto Oehler.
Die rumänische Handball-Delegation bei der ersten Großfeldhandball-Weltmeisterschaft in Berlin 1938, oberste Reihe von links: Ernst Wolf (Hermannstädter Turnverein!HTV), zwei Unbekannte, Wilhelm Zacharias, Henning (beide HTV), zweite Reihe: Günther Schorsten, Karl Haffer, Friedrich Barth, Edwin Stei lner, Hans Hermannstädter (alle HTV) ,Mannschaftsarzt Piirvulescu, stehend darunter: wahrscheinlich Torwart Peter Fecsi (Bukarest), Hans Georg Herzog (seit 1938 Bukarester Turnverein), Alfred H öchsmann, Wilhelm "Kiri" Kirschner (beide HTV), Dn1gan Comänescu (Viforul Dacia Bukm·est) Hanek (Bistritzer TV), Connerth und Fritz Halmen (beide HTV) , vorne kniend: Fröhlich (Betreuer) und ein unter dem Spitznamen Chinezul bekannter Spieler 122
AnniNemetz
Mit 18 Weltmeisterin In ihrer Karriere hat sich alles in Riesenschritten vollzogen. 1958 wirft Anni Nernetz zum ersten Mal auf ein Handballtor, 1959 beginnt sie Handball zu spielen, 1960 steigt sie mit dem Terneswarer Sportgymnasium in die A-Liga auf, und 1962 wird sie Welt- und Landesrneisterin. Sie ist erst 18 Jahre alt. Die arn 4. Januar 1944 in Tschakowa geborene Anni Nernetz hat als Handhallerin eine Bilderbuchkarriere durchlaufen. Dabei wollte sie nichts mit dem Handball zu tun haben, sie wollte Leichtathletin werden. Als ihr Adam Fischer 1958 an der Lehrerbildungsanstalt in der Terneswarer Josefstadt das erste Mal einen Handball in die Hand drückt, ist die Großfeld-Ära fast schon zu Ende. Anni Nernetz sträubt sich, Anni Nemetz 1960 als Schüleram Wettstreit teilzunehmen, weil sie die Landesmeisterin Regeln nicht kennt. Doch ihr Sportlehrer erwidert darauf: "Du hast Kraft, du .schaust einfach, was die anderen machen, und wenn du den Ball bekommst, wirfst du aufs Tor." Anni lässtsich überreden. Die Josefstädter Schülermannschaft muss das erste Tor einstecken. Das Spiel wird von der Mittellinie wieder aufgenommen, Anni bekommt den·Ball und tut, was ihr Fischer gesagt hat: Sie wirft aufs Tor der Mannschaft des Loga-Gyrnnasiurns - und trifft. Es steht 1:1. Diesen Sonntagsschuss sehen auch Viktor Kitza vorn Terneswarer Sportgymnasium und sein Assistent Tiberiu Sfercociu. Im nächsten Spiel tritt Anni Nernetz mit ihren Mitspielerinnen gegen Kitzas Mannschaft an. Kitza lässt sie in Manndeckung nehmen und stellt sie kalt. Anni NernetzSchauberger erinnert sich: "Wir haben 1:2 verloren." Seit diesem Wettbewerb verfolgen Kitza und Sfercociu die Schülerin der Lehrerbildungsanstalt regelrecht. Sie wollen sie zum Sportklub Banatul holen. Doch Anni will nicht. Sie hat mehr Spaß an der Leichtathletik, Handball gefällt ihr nicht. Für den Handball bringt Anni Nernetz lediglich eine gute Wurf- und Fangtechnik mit. An der Grundschule in Tschakowa hat sie viel Völker- und Volleyball gespielt, weil sie nie einen Sportlehrer 123
hatte und die Ersatzlehrer es sich einfach gernacht hatten. Im Januar 1959 ist es soweit: Ihre handballbegeisterten Kolleginnen Erika Loch und Gertrude Schrnidt überreden und gewinnen sie endgiiltig für den Handball. Im Januar 1959 ist sie beim Sportklub Banatul. Es ist der Anfang einer steilen Karriere. Bereits im Sommer 1959 wird Anni in die Juniorenlandesauswahl berufen. Das Trainingslager findet in Bistritz statt. Dort bereitet sich neben der Kleinfeld-Juniorenmannschaft auch die Jugendauswahl im Großfeldhandball für ein Turnier in Polen vor. Das Konditionstraining bestreiten die beiden Mädchen-Mannschaften gemeinsam, sie spielen jedoch nicht auf demselben Platz. Denn inzwischen wird sauber getrennt zwischen Großund KleinfeldhandbalL Weil nicht alle Lehrer, besonders der Russisch-Lehrer, begeistert sind, dass Anni Sport treibt, wechselt sie aufs Sportgyrnnasiurn. Mit der Mannschaft des Sportklubs Banatul steigt sie 1960 unter Trainer Kitza in die erste Liga auf. Es ist die erste Schülerrnannschaft, der dieses Kunststück gelingt. Ihr Durchschnittsalter: 16 Jahre. Die Mannschaft besteht praktisch aus Schülerinnen des Sportgyrnnasiurns. Anni Nernetz zählt ihre Mitspielerinnen auf: Lucrepa Anca (Tor), Felicia Gheorghita, Rodica Bain, Erika Loch, Hermine Pozrnor, Hedwig Ziegler, Angela Zarnfirache, Florica Ciosescu, Margareta Talpoi und Jolanda Egri-Kiss. Das erste Spiel in der A-Liga trägt die Banatul-Mannschaft auf dem Terneswarer Eisenbahnersportplatz bei Flutlicht gegen Tractorul Kronstadt aus und gewinnt 2:1. Das ist kein schlechtes Omen. Am Ende der Meister-
Spiel in Hlohovec 1961 : Anni Nemetz setzt zum Sprungwurf am Kreis an. Die Gegnerinnen haben das Nachsehen. 124
schaftbelegt das Temeswarer Sportgymnasium den vierten Tabellenplatz. · 1960 wird Anni zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen- sie ist 16. Sie nimmt an einer Tournee durch die Tschechoslowakei und die DDR teil. In den folgenden Jahren spielt sie in ganz Europa: in Russland, der Ukraine, Lettland, Polen, Jugoslawien, Ungarn, Österreich, Schweden, Dänemark, Deutschland, Frankreich und Italien. Auch nach Asien führt die Reise, nach Aserbaidschan. In der Klubmannschaft spielt Anni Nemetz rechte Verbinderin, in der Nationalmannschaft Spielmacherin. Sie ist eine vielseitige Spielerin, die alle Würfe beherrscht und aus allen Lagen aufs Tor schießen kann. "Mein Fehler: Ich war nicht egoistisch genug, ich habe immer für die anderen gespielt. Am Anfang war ich scharf darauf, viele Tore zu werfen, aber später war ich froh, wenn mir ein subtiles Anspiel gelungen ist. Von unserer Mannschaft sagte man, dass wir den schönsten Handball gespielt haben." Die Mannschaft hatte im ganzen Land viele Anhänger. Sie hat sich großartige Spiele gegen die Bukarester Spitzenteams von Rapid und Progresul geliefert. In der ersten Meisterschaft erlebt die Mannschaft, was Routine bedeutet. Im Spiel gegen Rapid Bukarest steht es kurz vor Spielschluss 6:6, und der Gegner ist in Ballbesitz. Maria Scheip führt den Freistoß aus, wirft direkt aufs Tor, die Mauer fälscht den Ball ab, und er landet im Tor. Doch die Niederlage ist bald vergessen. In anderen Spielen werden sich die Temeswarer Schülerinnen revanchieren. Mit 18 feiert Anni Nemetz, sie ist noch Schülerin, den größten Erfolg ihrer Karriere: Sie wird Weltmeisterin auf dem Kleinfeld. Im Finale besiegt die rumänische Mannschaft Dänemark mit 8:5. Das in Bukarest ausgetragene WM-Turnier gewinnt folgende Mannschaft: Ilona N agy, Liliana Borcea, Josefina $tefanescu, Anna Stark, Aurora Leonte, Maria Scheip, Antoaneta ütelea, Juliana Nako, Victorita Dumitrescu, Edeltraut Franz, Constanta Dumitrescu, Elena Hede~iu, Felicia Gheorghita, Anni Nemetz, Aurelia Szökö, Cornelia Constantinescu. Trainer der Mannschaft sind Constantin Popescu und Nicolae Nedef. Der WM-Titel bringt ihr als erster Schülerin den Titel "Meister des Sports" ein. Heute noch schwärmt Anni Nemetz-Schauberger von dem technisch niveauvollen Handball mit vielen schönen Spielzügen, der in den 60er Jahren gespielt wurde. Besonders der dänische Handball hat es ihr angetan. Ferner hat ihr das Spiel der damals von Bukarester Dinarno-Spielern dominierten rumänischen Nationalmannschaft imponiert. "Für mich war Hansi Moser der beste Spieler", sagt sie, "ihn habe ich bewundert." 1962 wechselt die Mannschaft des Temeswarer Sportgymnasiums geschlossen mit Trainer Viktor Kitza und Betreuer Tibi Sfercociu zu $tiinta Temeswar. Kitza löst Constantin Jude als Trainer ab, der daraufhin die Herrenmannschaft übernimmt, die er bis 1990 betreuen wird. "Kitza war ein Handball-Besessener", sagt Anni Nemetz-Schauberger, "und Sfercociu hat sein letztes Hemd für uns hergegeben." Den ersten Meistertitel erringt die Mannschaft 1964. Dem Meisterteam gehören an: Felicia Gheorghita, Edeltraut 125
Landesmeister Stiinfa Temeswar 1964: (stehend von links) Trainer Viktor Kitza , Felicia Gheorghifil, Hermine Pozmor-Kitza, Roswitha Neurohr, Rodica Bain, Maria Stef-Ofoiu, (hockend) Gerlinde Reip, Angela Nifu, Anni Nemetz, Lucrefia Anca und Maria Georgevici.
Franz, Hermine Pozmor, Roswitha Neurohr, Rodica Bain, Maria Stef, Gerlinde Reip, Angela Nitu, Lucretia Anca und natürlich Anni Nemetz. Die Weltmeisterschaft 1965 in Deutschland verläuft für die rumänische Mannschaft enttäuschend. Sie spielt 4:4 gegen Polen und unterliegt dem späteren Weltmeister Ungarn mit 6:9. Der Trainer hat versäumt, rechtzeitig den Generationenwechsel zu vollziehen. Er hat an Spielerinnen festgehalten, die auf dem Großfeld ihren Leistungshöhepunkt erreicht hatten, sagt Anni N emetz. 1966 wird die Frauenmannschaft von $tiinta der Temeswarer Universität angegliedert. Sie erringt erneut den LandesmeistertiteL Die Rivalen aus Bukarest und Neumarkt (Tg. Mure~) können nicht mithalten. Sie können gegen Uni Temeswar kein einziges Spiel gewinnen. Die Mannschaft unterliegt in der Meisterschaft lediglich zweimal: dem Temeswarer Sportgymnasium und Rulmetul Kronstadt Von 18 ausgetragenen Spielen gewinnen die Studentinnen aus Temeswar 14, wobei sie 158 Tore werfen, von denen allein 44 auf das Konto von Anni Nemetz gehen, die damit die Torschützenkönigin ihrer Mannschaft wird. In der ganzen Meisterschaft kassiert das Team nur 79 Gegentore. Im Herbst 1966 wird Uni als erste Banater Mannschaft an einem Buropapokal-Wettbewerb teilnehmen, trifft im Halbfinale auf Kaunas und scheidet wegen des schlechteren Torverhältnisses aus. Das Aus hat die Mannschaft einem DDR-Schiedsrichter zu verdanken. Der Trainer des nächsten Gegners aus Leipzig sieht sich das 126
Spiel an, das in Klausenburg ausgetragen wird, weil Temeswar keine den Vorschriften entsprechende Halle hat. Trainer Peter Kretschmar führt in der Pause ein längeres Gespräch mit dem Schiedsrichter. In der zweiten Halbzeit lässt der Schiedsrichter alles ruhig angehen und hilft Kaunas Zeit zu schinden. Nach dem Spiel wünscht Anni Nemetz dem Leipziger Trainer viel Glück. Doch der Wunschgegner bringt Kretschmar kein Glück. Die Leipziger Mannschaft verliert das Endspiel gegen Kaunas. "Was sich die beiden in Klausenburg geleistet haben, hat mit Sport nichts zu tun", meint Anni Nemetz. 1968 übernimmt Constantin Lache Uni Temeswar. Unter seiner Regie wird Anni Nemetz zweimal hintereinander Meisterin: 1968 und 1969. Zu den vier Meistertiteln kommen drei Vizemeistertitel mit $tiinta/Uni Temeswar hinzu. 1968 heiratet Anni Nemetz, im nächsten Jahr beendet sie ihre Laufbahn. Insgesamt hat Anni Nemetz 45 Länderspiele für Rumänien bestritten, 16 weitere in der Jugend- und vier in der JuniorenauswahL Dazu kommen 33 internationale Begegnungen mit den Vereinsmannschaften Banatul, Rapid, $tiinta Bukarest und $tiinta/Uni Temeswar. Ferner stehen zu Buche: 80 Pokal- und 130 Meisterschaftsspiele für Uni und weitere 20 Meisterschaftsspiele für Constructorul Temeswar. Von 1974 bis 1976 spielt sie noch einmal für die Mannschaft 13. Dezember Temeswar. Doch das war mehr Jux, sagt sie heute. Anni Nemetz-Schauberger erinnert sich weiter: "Wir hatten eine sehr gute Grundausbildung, wir waren technisch, taktisch und konditionell sehr gut bestückt. Kitza war ein Typ, der nicht verlieren konnte. Wir spielten sehr gerne Fußball, und unser Trainer mit uns. Dann hatten wir Gelegenheit, unsere Unzufriedenheit an ihm auszulassen. Wir umkreisten ihn und stießen ihm gegen die Beine." Bei $tiinta schauten die Fußballer oft dem Training der Handballerinnen zu. "Remus Lazar hat einmal gesagt, wenn die Fußballer nur die Hälfte von unserem Training absolvierten, stünden sie weit oben. Als Gaudi spielten wir auch einmal gegen die Fußballer. Torwart Petre Popa kam des öfteren zu unserem Training und stand im Tor. Und wir übten uns im Werfen. Er behauptete, es sei ein gutes Training für seine Reflexe", so Anni Nemetz-Schauberger. Anfangs ist die Kleinfeldmeisterschaft auf Schlackeplätzen ausgetragen worden, dann auf Asphalt. Das hat den Spielerinnen die Gelenke kaputt gemacht, sagt Anni Nemetz-Schauberger. "Wenn ich an die alte Sporthalle denke: Im Winter hingen meterlange Eiszapfen an den Fenstern. Aber wir waren sehr begeistert, und es machte uns Spaß, Handball zu spielen. Heute steht das Materielle an erster Stelle." Als $tiinta/Uni in einem Jahr wieder einmal Landesmeister geworden war, hat die Mannschaft als Lohn 60 Zentimeter Stoff für einen Rock bekommen. Wenn Anni Nemetz von der Nationalmannschaft zurück beim Klub war, musste sie sich stets umstellen: Weil sie dort als Spielmacherin eingesetzt wurde, in Temeswar aber für den Rückraum vorgesehen war, hat sie manches Mal vergessen, aufs Tor zu werfen. Dann hat Kitza manches 127
Mal gerufen: "Schieß auf meine Verantwortung, wenn du den Ball hast." Anni Nemetz weiter: "Oft passierte es, wenn er geschrieen hat, schieß, dass ich geworfen und auch ins Tor getroffen habe." Dieselbe Erfahrung hat Anni Nemetz-Schauberger später als Sportlehrerin mit ihren Schülern gemacht. Nach dem Staatsexamen 1966 unterrichtet sie Handball am Temeswarer Sportgymnasium, 1970 wechselt sie ans Gymnasium in Tschakowa, wo sie bis 1986 als Sportlehrerin tätig ist. Dann wird sie arbeitslos, weil sie nach Deutschland aussiedeln will. Das Vorhaben gelingt erst 1990. Mit Ehemann Ernst, Tochter Karina, Sohn Kurt und deren Familien ist Anni NemetzSchauberger heute in Augsburg zu Hause. "Wir sind glückliche Großeltern", sagt Anni Nemetz-Schauberger, "die fünf Enkel Melanie, Jennifer, Lukas, Julia und Jasmin halten uns fit."
Nationalteam August 1965: Reporter Henf, Constantin Popescu, Aurelia Szöke, ConstanJa Dumitrescu, Anna Stark, Ilona Nagy, Maria Buszas, vorne: Aurora Leonte, LucreJia Anca , Juliana Nako, Rodica Floroianu , Agneta Schramko, Anni Nemetz, Edeltraut Franz 128
Klaus Voik
Mit dem Personalaufzug in die Freiheit Im weiten Rund der Dortmunder Westfalenhalle ist es ruhig geworden. Das Spiel nähert sich dem Ende. Die 12.000 Besucher honorieren fast hochachtungsvoll die Leistungen des späteren neuen Weltmeisters UdSSR im Spiel gegen Titelträger Deutschland. "In diese Andacht hinein aber immer wieder Bewunderung für einen deutschen Akteur, den 24 Jahre alten Hofweierer Linkshänder Klaus Voik", heißt es in einem Bericht vom 2. März 1982. Klaus sind in dieser Begegnung gegen die Weltklasseabwehr der Russen fünf Treffer geglückt. Außerdem hat sich der gebürtige Hermannstädter in der Abwehr und als hervorragender Anspieler ausgezeichnet. 48 StunKlaus Voik den später spielt Klaus ein weiteres Mal groß auf, als ob er sagen wollte: "Seht her, es war keine Eintagsfliege." In der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover knüpft er nahtlos an die Leistung gegen die Russen an und erzielt sechs Treffer in sieben Versuchen. Beim 18:17 der deutschen Nationalmannschaft gegen Polen setzen Klaus Voik und Erhard "Sepp" Wunderlich die Glanzpunkte. Elf Tore gegen zwei Weltklasseteams, alle aus dem Rückraum erzielt: Das ist die Bilanz des 1,90 Meter großen Modellathleten, der in diesem Turnier zu großen Sprüngen ansetzt. "Weißt du, der Sepp Wunderlich ist mein bester Freund hier geworden", sagt Klaus während dieser WM. Klaus und Erhard, der von den Mitspielern Sepp genannt wird, teilen sich das Zimmer und sprechen nach dem Spiel gegen die Russen lange darüber, wie die Mannschaft am besten mit dem Leistungsdruck fertig werden kann. In der ersten Saison beim TuS Hofweier hat Klaus erfahren, wie unangenehm es werden kann, wenn ein Spieler die Erwartungen von Presse und Publikum nicht erfüllt. Doch sein unumstößlicher Glaube an seine Leistungsfähigkeit und sein Landsmann und Trainer Sirnon Schobel richten ihn auf. Nach dem letzten Bundesligaspiel mit dem TuS Hofweier hat der junge Nationalspieler nur noch die WM im 129
Weltmeisterschaft 1982 in Deutschland; Bundestrainer Vlado Stenze! ist begeistert: Klaus Voik ist zu Hochform aufgelaufen , er spielt ein hervorragendes Turnier.
Kopf. Der TuS hat trainingsfrei, doch Klaus macht weiter. An Weihnachten, Silvester und Neujahr absolviert er einsame Trainingsstunden: Waldlauf oder Runden in der Halle in Steinbach mit Sirnon Schobel stehen auf dem Programm. Dazu hat ihn Nationaltrainer Vlado Stenze! mit den Worten ermutigt: "Klaus, du musst trainieren, damit du bester Spieler bei der Weltmeisterschaft wirst." Vor dem WM-Turnier vergleicht der Kroate Klaus mit Milan Lazarevic aus dem Olympiasiegerteam der Jugoslawen von München 1972 und verschreibt dem Siebenbürger dasselbe Wurftraining wie dem Olympiasieger. 90 Prozent der Schüsse vonhalblinksund zehn Prozent der Würfe von halbrechts. Das macht das Spiel des Klaus Voik variabler. Der polnische Nationaltrainer Kuchta nach der Niederlage gegen Deutschland in Hannover: "Dieser Linkshänder mit seinen Tennisschuhen hat uns den Sieg geraubt." Bei der WM 1982 gelingt Klaus Voik der Durchbruch. Mit der Teilnahme an der WM 1982 erfüllt sich für den am 3. Juli 1957 in Hermannstadt geborenen Handballer ein Traum: Einmal in einer deutschen Mannschaft an einer Weltmeisterschaft teilnehmen zu können. Das erste Spiel im Dress der deutschen Nationalmannschaft gegen Rumänien in Offenburg wird Klaus nie vergessen: Als er die rumänische Hymne und danach das Deutschlandlied hört, ruft das ein zwiespältiges Gefühl in ihm hervor. Kurz darauf muss er gegen seine ehemaligen Mannschaftskollegen antreten, zu denen auch der Pali-Spieler Alexander Fölker gehört. 130
Die Weichen für die Handballkarriere des Klaus Voik stellt seine Lehrerin Katharina Martini an der Hermannstädter Sportschule, als er zehn Jahre alt ist. Eines Tages erzählt sie ihrem Mann, Karl Martini, ehemaliger rumänischer Meister auf dem Großfeld mit Chimia Fogarasch und damals Sportlehrer an derselben Schule: "Ich hab da einen für dich, einen Grobian. Wenn der die Mädchen mit dem Völkerball trifft, beginnen die zu weinen." Karl Martini sieht sich den Klaus an und holt ihn vom Turnen zum Handball. Mit 13 spielt er erstmals in der Jugendauswahl Rumäniens, wechselt mit 14 an die Sportschule Klausenburg, wo er sich in der Jugendlandesmeisterschaft das Rüstzeug für die Berufungen in die Juniorenauswahl aneignet. Mit dieser Mannschaft wird er zweimal Landesmeister und belegt zweimal den dritten Platz. Er bekommt die Ausnahmegenehmigung, mit der A-Liga-Mannschaft von Uni Klausenburg zu spielen und zu trainieren. Doch der Trainer rät ihm, weiter in der Schülermannschaft zu spielen und lediglich mit den Senioren von Uni zu trainieren. In jener Zeit lernt er bereits die späteren Nationalspieler Sirnon Schobel und Constantin Tudosie kennen. Die ersten Spiele für Uni Klausenburg bestreitet Klaus 1975. Der Wechsel fällt ihm leicht, weil er Mannschaft und Trainer kennt. Mit 20 absolviert er das erste von 18 Länderspielen für Rumänien. Für Uni Klausenburg wird er in fünf Meisterschaften an die 225 Spiele in der ersten Liga bestreiten. Mit 15 hat er ein einschneidendes Erlebnis: In der Mannschaftssitzung der Juniorenauswahl wird ihm mitgeteilt, dass er die Reise nach Jugoslawien nicht mitmachen darf. "Damals habe ich mir geschworen, dass ich das
Die deutsche Nationalmannschaft 1982 , untere Reihe (von links): Rauer (MannschaftsBetreuer),Kania, Niemeyer, W öller, Fey, Nejjle, Damm. Ehret, Voik, Söhngen (Physiotherapeut), Stenze! (Bundestrainer). mittlere Reihe (von links): Wunderlich, Freister. Springe! , Vartke, Spengler, Harting , obere Reihe (von links): Gnau, Waltke, Hormel, Ohly, Dammann 131
bei der ersten Gelegenheit ändern werde", sagt Klaus Voik heute. Im Juni 1979 setzt er sich von der rumänischen Studentenauswahl in Lissabon ab. Diese Flucht ist eine Geschichte für sich. Die rumänische Mannschaft reist in letzter Minute zum Turnier nach Portugal, weil ein anderes Team kurzfristig ausgefallen ist. Deshalb, das vermutet Kaus Voik, wird nicht so lange und gründlich geprüft, wer die Reise antritt, so dass er "durchrutscht". Wir schreiben den 29. Juni 1979. Die Spieler der rumänischen Handballmannschaft haben Ausgangssperre, weil sie noch Turniersieger werden können. Sie sitzen deshalb vorwiegend in der Hotelhalle. Sie ist für die Flucht ungeeignet. Bis zu diesem Tag hat Klaus Voik alle Spiele bestritten, aber auch die Flucht geplant. Er fährt mit dem Personalaufzug zum Hinterausgang des Hotels, steigt in Klaus Voik im Dress des TuS Hofweier ein Taxi und lässt sich in die deutsche im Bundesligaspiel in Essen. Der Gegner Botschaft fahren. Dort erwartet ihn der hat keine Chance gegen den gewaltigen von seiner Schwester informierte deutWurfdes hochspringenden Linkshänders. sche Botschafter bereits mit Zeitungsausschnitten über das Handballturnier. Er ist gut über Klaus informiert. Der Botschafter hat zwei Pässe für Klaus bereit, einen mit seinem Namen, einen zweiten mit falschem. Mit den Pässen verlassen der Botschafter und Klaus in einem Wagen die Botschaft. Klaus ist zugedeckt, die portugiesische:!! Polizisten am Eingang sollen nicht sehen, dass der Besucher die Botschaft verlässt. Am Flughafen angekommen, schickt der Botschafter Klaus duschen. Er möchte nicht, dass er in der Halle auffällt. "Ich habe mich bestimmt 20mal eingeseift", sagt Klaus Voik heute, "nach einer dreiviertel Stunde hat mich der Botschafter abgeholt." Klaus steigt in eine LufthansaMaschine. Er hat den Pass mit dem falschen Namen in der Tasche. Das Personal ist informiert und bittet Klaus in die erste Klasse. Das Flugzeug landet wie geplant in Frankfurt am Main, Klaus geht nach München, wo seine Schwester zu Hause ist. Der Flug auf den richtigen Namen war für den Abend gebucht. Die Geschichte seiner Flucht hat Klaus nie erzählt, weil noch sein Bruder und die Eltern in Rumänien waren. In Bayern schließt sich der Kreis. Klaus trifft seinen ehemaligen Lehrer und Trainer wieder. Karl Martini unterrichtet inzwischen im Sportzentrum der Technischen Universität in München und bringt Klaus nach Milberts-
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hofen, wo er das Training aufnimmt. Doch Klaus ist kaum eine Woche in Milbertshofen, meldet sich Sirnon Schobel. Der Trainer des TuS Hofweier hat in Rumänien von der Flucht erfahren und ist nach Deutschland zurückgeeilt. Er will verhindern, dass ihm ein anderer zuvorkommt. Er holt den 22-Jährigen zu Vizemeister Hofweier. In Hofweier findet Klaus Anschluss. "Doch die Unsicherheit um die Zukunft meiner Eltern und der Lebensstil" hemmen seine sportliche und private Anpassung. In Spielertrainer Schobel, der mit ihm das gleiche Schicksal teilt, findet er einen Freund, der ihm den Weg ebnet. "Außer Sirnon Schobel hat mich keiner richtig verstanden", sagt Klaus Voik. Am 22. September 1979 gibt der Linkshänder im Spiel gegen Frisch Auf Göppingen sein Bundesliga-Debüt. Er verliert mit Hofweier 13:17. In der Deutschen Handball-Woche heißt es: "Klaus Voik ezielte zwar das Führungstor zum 1:0 für Hofweier, sonst gelang ihm aber nicht viel." Nach dem Einstand wird Klaus in den weiteren 23 Spielen der Saison nach Weltmeister Arno Ehret, Arnulf Meffle und Gerd Leibiger viertbester Werfer in Hofweier. Doch in der darauffolgenden Saison stößt Klaus schon in die Spitzengruppe der besten Torschützen in der Bundesliga. In manch einem Spiel ist er bester Tu5-Schütze. Voiks sportlicher Weg in Deutschland verläuft nach dem Ablauf der einjährigen internationalen Sperre steil nach oben. Kurz wieder spielberechtigt, folgt die erste Berufung des Bundestrainers. Vlado Stenzeis Wunsch: "Du musst höher springen, um eine reelle Chance zu haben. "Klaus beherzigt den Rat des Kroaten: Mit einem speziellen Trainingsprogramm, das er unter Schobel durchzieht, gelingt es Voik, höher zu springen und A-Nationalspieler zu werden. Die Berufung wird beschleunigt, weil Kurt Klühspieß zurücktritt und Klaus Frey sich verletzt. Mit viel Schweiß erarbeitet sich Klaus die psychischen und physischen Voraussetzungen, die seinem Grundsatz "Leistungssport ist ein harter Beruf"gerecht werden. Wegen der WM nimmt er ein Urlaubs- Uinderspiel Deutschland gegen Polen: Klaus Voik semester vom Pharmazie-Stu- ist im Angriff kaum zu halten. 133
dium in Freiburg. Doch die WM verläuft schlechter, als sie begonnen hat. Deutschland steigt ab. Bei der 1983 ausgetragenen B-Weltmeisterschaft ist Klaus Voik ebenfalls dabei. Doch auch die endet für Deutschland kläglich. Die ersten Folgen der falschen Spielerpolitik, der zufolge immer mehr ausländische Spieler in die Bundesliga geholt werden, machen sich bemerkbar. In Hofweiher wird Klaus bis 1983 spielen. Bereits in der ersten Saison in Hofweier steigt Voik zu einer der wichtigsten Stützen der Mannschaft auf. Er wirft wichtige Tore, die der Mannschaft aus dem Südbadischen den Klassenerhalt sichern. Ein Beispiel: Beim TuS-Sieg gegen Milbertshofen ist Klaus bester Torschütze auf dem Platz. In der Lokalpresse ist zu lesen: "Klaus Voik vom TuS Hofweier hat sich beim 23:19-Sieg seines Teams mit seinen zehn Treffern nicht nur zum Vater des Erfolges gemacht, er hat auch seine Form klar bewiesen." Der ... 22 Jahre alte Student der Pharmazie stellte mit seiner überragenden Leistung nicht nur sein seit langem wieder gut motiviertes Team in den Schatten, sondern verschliss auch seine Gegenspieler, die kein Mittel gegen sein konsequentes und athletisches Spiel wussten." Als er sich entscheidet, Rumänien den Rücken zu kehren, hat er noch drei Prüfungen abzulegen, um das Sportstudium abzuschließen. Das Pharmaziestudium in Freiburg gibt er auf. Inzwischen zeigen sich beim TuS Hofweiher Zerfallserscheinungen. Das ist ein Grund für Klaus, zu wechseln. Ab September 1983 spielt Klaus für den TSV Milbertshofen. Er nimmt den "Abstieg" aus der Handball-Bundesliga in Kauf, weil er sich in München eine berufliche Zukunft aufbauen will. Er eröffnet in Germering und München ein Sportgeschäft Milbertshofen, inzwischen in der Regionalliga, wird mit Klaus Voik in die Bundesliga aufsteigen. TSV-Chef Ulrich Backeshoff beruft den Russen Juri Klimow zum Trainer und Klaus Voik zu dessen Stellvertreter. Doch es soll nicht lange dauern, und die Mannschaft wird auf das Kommando des Stellvertreters hören. Nächster Schritt: Klaus wird Cheftrainer in Milbertshofen. 1986 zieht Backeshoff die Mannschaft aus dem Wettbewerb zurück. Klaus legt ein Jahr Pause ein, geht nach Niederwürzbach und steigt mit der Mannschaft in die zweite Bundesliga auf. Eine weitere Station des Hermannstädters: OSC Dortmund, mit dem er erfolgreich gegen den Abstieg aus der zweiten Liga kämpft. 1990 geht Klaus zur HSG Nordhorn in die Oberliga, übernimmt zeitweilig Traineraufgaben und holt den ehemaligen rumänischen Nationalspieler Constantin Tudosie nach Nordhorn, ist beratend tätig und steigt in die zweite Bundesliga auf. Seit zehn Jahren ist Klaus Voik im Marketing für die HSG Nordhorn tätig und hat auch den amtierenden Trainer Kent-Harry Anderssan nach Nordhorn geholt. Im Mai 2002 wäre Klaus Voik als Marketingberater beinahe Meister mit der HSG Nordhorn geworden. Die Mannschaft musste dem THW Kiel mit einem Punkt den Vortritt lassen und sich mit dem Vizemeistertitel begnügen. Klaus Voik vermarktet die Nordhorner Mannschaft von seinem Marketingbüro in München aus. 134
Reinhard Gottschling
Zweimal Titel und Pokal im Doppelpack gewonnen Wenn Reinhard Gottschling etwas anpackt, dann gleich richtig. Das war immer so: sowohl in seiner Handballer- als auch in seiner Trainerlaufbahn. Die wichtigsten Erfolge hat er im Doppelpack eingefahren: 1982 und 1984 wird er mit der Frauenmannschaft von Bayer Leverkusen deutscher Meister und gleichzeitig auch Pokalsieger. Der arn 19. Juli 1934 in Bogeschdorf bei Mediasch geborene Gottschling führt Bayer Leverkusen als erste bundesdeutsche Frauenmannschaft in ein Europapokal-Finale. Bayer spielt und verliert leider das EC-Finale der Meister gegen Radnicki Belgrad. Mit seinen Erfolgen in Leverkusen avanciert Reinhold Gottschling zum besten Reinhard Gottschling rumäniendeutschen Trainer in Deutschland. Zu den erfolgreichsten Landsleuten gehören ferner: der im siebenbürgischen Petersdorf geborene Sirnon Schobel, der als Spielertrainer den TuS Hofweier aus der Regionalliga ins Handballoberhaus führt und zum Nationaltrainer berufen wird, und der Terneswarer Hans Moser, der von 1969 bis 1988 folgende Mannschaften trainiert: Milbertshofen, München-Ost, den VfL Günzburg, den FC Augsburg, Frisch Auf Göppingen, Leipheirn, Vöhringen, Burgau und Ernrnenstrand in der Schweiz. Doch die großen Leistungen Gottschlings sind nicht in erster Linie im Leistungssport zu suchen, sondern eher an der Basis. Dort hat der Diplomsportlehrer ganze Arbeit geleistet. Den ersten Kontakt zum Handball hat er arn Stephan-Ludwig-Roth-Gyrnnasiurn in Mediasch durch seinen Sportlehrer Karl Dietrich. Richtig Handball zu spielen beginnt er 1949 an der von Hermannstadt nach Schäßburg verlegten Lehrerbildungsanstalt. Aus dieser Schule gehen Spieler hervor, die sich einmal einen Namen im Siebenbürger Handball machen werden: Hans Zultner, Hans Schaas, Heinz Roth und Karl Martini. 1953 geht Gottschling als junger Lehrer nach Perjarnosch ins Banat, wo 135
er eine Saison lang in der ersten Liga spielen wird. 1954 muss er zur Armee nach Reschitza. Dort trifft er auf eine Vielzahl von Banater Schwaben, die als Bausoldaten dienen müssen. Mit ihnen baut er in zwei Monaten im nahe gelegenen Moritzfeld eine Handballmannschaft auf, die er ein Jahr lang trainieren wird. 1956 wird Gottschling Lehrer am Deutschen Gymnasium in Reschitza. Gleichzeitig wird er in der ersten Liga Handball spielen für den Arbeitersportklub Reschitza. Ein Jahr lang wird der Hermannstädter Paul Petri sein Trainer sein, dann übernimmt Michael Szucsik die Mannschaft, die er bis 1960 betreut. In diesem Jahr beendet Gottschling seine aktive Laufbahn. Jetzt übernimmt er als Trainer die Handballer der örtlichen Sportschule, arbeitet aber weiter als Lehrer am Deutschen Gymnasium und nimmt das Fernstudium an der Bukarester Sporthochschule auf. An der Reschitzaer Sportschule wird er auch den späteren Nationalspieler Werner Stöckl entdecken und fördern. Gottschling ist auch derjenige, der Stöckl zum Armeesportklub nach Bukarest vermittelt. Reinhard Gottschling handelt stets nach der Devise: "Handball ist Leichtathletik mit dem Ball". Von seinen Jungs sagt er, sie seien alle tolle Leichtathleten gewesen. Aber nicht nur die. Von Tehnometal-Torwart Hans Angel weiß er zu berichten: "Während eines Handballspiels findet gleichzeitig ein Leichtathletik-Wettkampf statt. Angel verlässt das Tor, läuft an, überspringt die Latte und schafft 1,90." Die Sportschule in Reschitza wird zusammen mit jenen in Bukarest, Temeswar, Hermannstadt und Neumarkt (Tg. Mure~) zu den neuen Talentschmieden des rumänischen Handballs gehören, die dem Sport zu großen Erfolgen verhelfen werden. In Temeswar ist Adam Fischer an der Sportschule der richtige Mann am richtigen Fleck, später Klein. An der Sportschule in Hermannstadt leistet Kar! Martini die beste Aufbauarbeit. Doch ebenso wichtig wie diese Sportschulen ist eine Reihe von Vereinen, sagt Gottschling. Beim Arbeitersportklub Reschitza arbeitet Anton Fernschütz als Jugendtrainer vorbildlich, in Hatzfeld Roland Wegemann. "Solange die Deutschen da sind", sagt Gottschling, "läuft alles gut. Doch wie sie weg sind, ist auch der Handball weg." 1959 wird Gottschling mit dem Arbeitersportklub Reschitza einmal Vizemeister. "Der Meistertitel 1959 hätte eigentlich nie verloren gehen dürfen", sagt Gottschling . Vor dem letzten Spieltag führt der Arbeitersportklub mit einem Punkt Vorsprung vor Dinamo Bukarest. Am Vorabend der entscheidenden Begegnung in Bukarest inszeniert der Gegner ein Stück Psychoterror. Der Arbeitersportklub soll demnächst eine PolenTournee antreten. In Bukarest teilt man Trainer Szucsik mit, dass sieben Spieler nicht mitfahren dürfen. Die Mitteilung zeigt Wirkung: Der Arbeitersportklub verliert das Spiel gegen Dinamo und damit den Meistertitel. Gottschling ist bereits als Spieler ein Perfektionist. Als Verteidiger wird er ständig auf die besten Stürmer angesetzt, die er in Manndeckung nehmen muss. Um mit Leuten wie Georg Gunesch, Rudi Jost, Aurel Bulgaru oder Petre Ivanescu zurecht zu kommen, studiert er die Gegner und überlegt sich 136
Die ReschitzaerMannschaft in den50er Jahren: (von links) Ladistaus Szabo, RolfFallschessel, Hans Schütz, Han s Jendl , Arnold Barth , Nicolae Vagalau, Hans Lindenbach, Reinhard Gottschling, Peter Kalef , Dieter Jochmann , Hans Krasser, Kapitän Anton Fernschütz. Auf dem Foto f ehlt Otto Deppner.
Abwehrstrategien. Zusammen mit Torwart Hans Krasser stellt er sich aufs Spiel ein. ·In die Nationalmannschaft wird er nie berufen, denn als Johnny Kunst erfährt, dass sein Bruder in Deutschland lebt, ist das Kapitel Nationalmannschaft für ihn beendet. Vor der Weltmeisterschaft 1959 in Österreich trägt der Arbeitersportklub zwei Testspiele gegen die rumänische Nationalmannschaft in Bukarestaus und geht aus beiden als Sieger hervor. Das sei ein weiterer Beweis, dass zu dieser Weltmeisterschaft, bei der Rumänien das Finale gegen Deutschland verliert, nicht die besten Spieler fahren durften, so Gottschling. Die Entwicklung des rumänischen Handballs nach dem Krieg teilt Gottschling in drei Perioden ein. Die erste reicht bis 1953, in der die Sportart noch von den großen Vereinen im Mutterland des rumänischen Handballs bestimmt wird: von Mediasch, Hermannstadt und Schäßburg. Aber auch die Mannschaften im Banat reden ein gewichtiges Wörtchen mit: Tehnometal Temeswar, Perjamosch, Lugosch und Hatzfeld. In dieser Zeit bringen in Siebenbürgen in erster Linie die Schulen gute Handballer hervor. Im Banat ist die Situation anders, sagt Gottschling. Dort bestimmen die Dorfmannschaften das Handballgeschehen und fördern Talente. Tehnometal beispielsweise rekrutiert seine Spieler vom Lande. Die zweite Periode reicht von 1953 bis 1960. Es ist die Zeit, in der sich der Kleinfeldhandball neben dem Großfeldhandball entwickelt. Es ist 137
gleichzeitig die Zeit, in der das Mutterland des rumänischen Handballs weiter blutet. Weil ganz Siebenbürgen, Klausenburg ausgenommen, keine Universität und kein Polytechnikum hat, wandern seit Ende der 40er Jahre die Handballtalente ab. Gottschling nennt Namen: Alfred Bonfert, Paul Petri, Waldemar Zawadzki oder Hans Zank. Später folgen ihnen Johann Lindenbach, Hans Schaas und Heinz Roth, die als Trainer und Spieler nach Jassy gehen. Die anderen müssen mehr oder weniger freiwillig für den Armeesportklub in Bukarest oder die beiden Dinarno-Mannschaften in Kronstadt oder Bukarest spielen. Dazu gehören Kurt Wagner, den Gottschling als besten Spielermacher seiner Zeit bezeichnet, Kurt Sauer oder Otto Tellmann. In dieser Periode haben auf dem Großfeld neben den Großen in Bukarest und Kronstadt Vereine wie Tehnometal Temeswar, ;;tiinta Temeswar, ICEF Bukarest, ;;tiinta Jassy, Reschitza, Lugosch, Perjamosch, Hatzfeld, Fogarasch, Hermannstadt, Odorhellen und Heltau ein Wörtchen mitzureden. Wichtig für die Entwicklung des Kleinfeld-undHallenhandballs sind Temeswar und Bukarest, sagt Gottschling. Denn sie verfügen über Hallen. Er erinnert sich noch gerne an die Zeit, als er mit seinen Spielern im Winter nach Temeswar in die kleine Halle zu Turnieren gefahren ist. Die Stimmung unter den Zuschauern war einmalig, so Gottschling. In Siebenbürgen fehlt jedoch eine Halle. Die zweite Phase ist auch die Zeit, in der Johnny Kunst auf seine eigene, meist rücksichtslose Art die Grundlagen für die WM-Erfolge legt. In der dritten Periode, die 1960 einsetzt, werden einige Vereine bedeutungslos. Dazu gehören Perjamosch, Hatzfeld, Mediasch oder Heltau. Auch Reschitza fällt ab. Doch einige wie Lowrin unter Hermann Niesz werden noch das eine oder andere Comeback versuchen. Jetzt entstehen die Spitzenteams, die von den Sportschulen mit Spielern versorgt werden. Jetzt ist die Zeit reif, in der der Handball-Verband meint, auf alles, was Deutsch ist, verzichten zu können, nur nicht auf die Spitzenspieler, die er als Leistungsträger für die Erfolge benötigt. Die Arbeit an der Basis, in den Sportschulen, die große finanzielle Unterstützung erfahren, beginnt sich zu lohnen. In der Hauptstadt des Banater Berglandes werden an allen Schulen Handball-Meisterschaften ausgetragen. Dort werden die Talente gesichtet und in die richtigen Bahnen gelenkt. All das machen handballverrückte Lehrer möglich, wie Gottschling es formuliert. Im Banat aber bleibt das Dorf weiterhin wichtig für den Handball. Der Sport ist wichtig für den Zusammenhalt der Deutschen. Wenn sie ihre Spiele austragen, steigt stets ein Dorffest Viele junge Leute haben im Hinterkopf, dass ihnen der Handball, wenn sie zur Armee einberufen werden, das Leben erleichtern wird. Gottschling bewundert heute noch den deutschen Zusammenhalt in den Mannschaften. In Reschitza, wo neben den vielen Deutschen auch Ungarn, Serben und Rumänen spielen, wird Reschitzaer Deutsch gesprochen, auch von den Nichtdeutschen. Doch plötzlich sollte das geändert 138
werden, nicht durch ein Verbot der deutschen Sprache, sondern durch Spieleraustausch. Eines Tages teilt der Direktor der Sportschule Gottschling mit, er habe den Auftrag, alles zu versuchen, dass in den Mannschaften 90 Prozent Rumänen spielen. Der Direktor hält nichts davon, er muss aber seine Trainer davon in Kenntnis setzen. Die dritte Periode des Nachkriegshandballs in Rumänien geht für Gottschling Mitte der 70er Jahre zu Ende. Dann setzt der Abschwung ein, denn die deutschen Trainer, die handballverrückt sind und vorbildlich an der Basis arbeiten, verlassen das Land. Zu den besten Großfeldhandballern zählt Gottschling Wilhelm Kirschner, Georg Gunesch, Rudolf Haberpursch, Rudi Eder, Walter Lingner, Hans Zultner, Heinz Roth, Hans Schaas, Kurt Wagner, Kurt Sauer, Otto Tellmann, Hans Andreas Bretz, Rudi Jost, Walther Maiterth, Hans Krasser, Hans Angel, Anton Fernschütz, Hans Lindenbach, Franz Engelmann, Roland Wegemann, Michael Gimpel, Karl Martini, Hans Moser, Adam Fischer und Dieter Jochmann. Zu den Spitzenspielern auf dem Kleinfeld und in der Halle rechnet Gottschling Hans Moser, ohne den Rumänien den ersten WM-Titel1961 nie gewonnen hätte, Hansi Schmidt, Roland Gunnesch, Michael Redl, Josef Jakob, Sirnon Schobel und Werner Stöckl. Zu den besten deutschen Großfeldhand ball-Trainern in Rumänien zählt er Paul Petri, Lindenbach, Johann Kudlimay, Erhard Bonfert, Roland Wegemann und Otto Schmitz. Gottschling gehört zu den ersten deutschen Trainern, die das Land verlassen. 1969 ist er mit seiner Frau in Deutschland. Er wird Lehrer am Max-Planck-Gymnasium in Düsseldorf, wo er seine Arbeit an der Basis fortsetzt. Um Beamter werden zu können, studiert er an der Universität Düsseldorf von 1973 bis 1975 Geographie. 24 Jahre lang wird er bis zur Pensionierung als Fachleiter Sport arbeiten und zum Oberstudienrat aufsteigen. Nebenberuflich ist er von 1970 bis 1978 westdeutscher HandhallLehrwart Als solcher ist er zuständig für die Sichtung der weiblichen und männlichen Junioren und Jugend. Die fünf Landesverbände treffen sich jährlich mit ihren Auswahlen zu Sichtungsspielen. In der Amtszeit Gottschlings werden Spieler entdeckt wie Kurt Klühspieß, Joachim Deckarm, Arno Ehret und Heiner Brandt. Von diesen Sichtungsspielen profitiert Nationaltrainer Vlado Stenze!, der mit diesen Spielern 1978 den Weltmeistertitel gewinnt. Als Handballverrückter findet Gottschling aber auch noch Zeit, der Tätigkeit als Bundesligatrainer nachzugehen. In der Saison 1970/71 trainiert er die Feldhandball-Mannschaft Düsseldorf-Angermund, von 1972 bis 1974 Eintracht Hagen, die in der Regionalliga spielt. 1973 schlägt er das Angebot des Deutschen Handball-Bundes aus, Nationaltrainer der Frauenmannschaft zu werden: "Ich konnte meine Schüler nicht im Stich lassen", sagt Gottschling. In der Saison 1977/78 rettet er den Bundesligisten OSC Rheinhausen vor dem Abstieg. Danach folgt die Erfolgszeit bei Bayer. In seiner Leverkusener Zeit ist er auch Leiter des Stützpunkttrainings der 139
Frauen-Nationalmannschaft. Denn Bayer stellt neun Nationalspielerinnen. Dazu gehört auch die ehemalige rumänische Nationalspielerin Heidrun Janesch aus Marienburg in Siebenbürgen. Gottschling ist ferner zuständig für die Ausbildung der Bundesliga-Schiedsrichter in Nordrhein-Westfalen. Er schult und prüft sie. Gottschling sagt von sich, er sei ein leidenschaftlicher Lehrer gewesen. Von den Möglichkeiten, die ihm am Gymnasium in Düsseldorf geboten wurden, könne man nur träumen. Zwei Hallen, ein eigener Sportplatz, ein Tartanplatz, ein Lehrschwimmbecken, all das habe ihm zur Verfügung gestanden. Mit seinen Schülern hat er die Nordrhein-Meisterschaft im Handball gewonnen. Er hat Spieler entdeckt wie Thomas Lowintzky, Olaf Neumann und Nationalspielerin Lioba Schmitz. Seit 1994 ist Gottschling Pensionär und widmet sich intensiver denn je seinem Gemüsegarten. Täglich wandert er wenigstens anderthalb Stunden durch den Wald - stets dabei Nachbars Schäferhündin Inka. Die Bewegung in Garten und Wald hat ihm geholfen, eine schwere Krankheit zu überwinden. Heute fühlt er sich wieder fit. Sein zweites Hobby ist Reisen. Mit seiner Frau Gabriela hat er bereits einiges gesehen: Nordafrika, Nordamerika, . Indien, die Mittelmeerländer, Island und Norwegen. Gottschling liebt Studienfahrten. Besonders angetan haben es ihm die Wüsten, deshalb liebt er auch Namibia. Das schönste Land der Erde ist für ihn jedoch Südafrika.
Werner Stöckl
Zehn Jahre lang Weltklasse am Kreis Werner Stöckl hat ein neues Zuhause gefunden- in der Nikolaus-LenauStraße in Karlsruhe. "Es ist reiner Zufall", dass er dort wohnt, sagt der ehemalige Weltklassehandballer und lacht. Den besten Kreisläufer, den keiner ein Jahrzehnt lang von dieser Position in der rumänischen Nationalmannschaft verdrängen kann, und den Dichter verbindet nur, dass sie im Banat geboren wurden. Groß geworden sind beide anderwärts: Lenau in Österreich und Stöckl im rumänischen Altreich. Der am 28. Juni 1952 geborene Stöckl ist das Beste, was der Reschitzaer Handball bisher hervorgebracht hat. Werner Stöckl Werner ist kaum 13, als Reinhard Gottschling ihn am Sportgymnasium in der Hauptstadt des Barrater Berglandes als Handballtalent entdeckt. "Er war ein fanatischer Sportler, der sogar im Unterricht die Sportzeitungen gelesen hat. Er war ein guter Kumpel, die Mädchen sind ihm nachgelaufen", erinnert sich Gottschling. "Ich habe ihn mit den zwei Jahre älteren spielen lassen. Er war mein bester Halblinker." Von der Sportschule wechselt der 1,90 Meter große Modellathlet im Jahr 1969 zum Arbeitersportklub Reschitza in die zweite Liga. Ein halbes Jahr später vermittelt Gottschling den gebürtigen Reschitzaer nach Bukarest. 1970 ist er bereits Meister. Nach der Weltmeisterschaft 1970 in Frankreich wird Cornel Otelea sein Trainer. Von nun an schwimmt Werner Stöckl mit Steaua a:uf einer Erfolgswelle. Weitere zehn Meistertitel sollen hinzukommen. Die Erfolgsserie wird nur im Jahr 1978 durch einen Titelgewinn des Bukarester Lokalrivalen Dinamo unterbrochen. Werner, der in späteren Jahren auch als Spielmacher eingesetzt wird, bestreitet sein erstes Länderspiel 1971. Den ersten internationalen Erfolg feiert er ein Jahr später bei den Olympischen Spielen in München mit dem Gewinn der Bronzemedaille. Neben ihm steht der gebürtige Denndorfer Roland Gunnesch als zweiter und der spätere Bundestrainer 141
Kaum hat Cezar Driigi'inifi'i (links) Werner Stöckl angespielt, wirfder Kreisläufer auch schon aufs Tor.
Sirnon Schobel als dritter Deutscher in der Münchner Mannschaft. 1974 werden Stöckl und Gunnesch gerneinsam in der Werner-Seelenbinder-Halle in Ostberlin den Weltmeistertitel verteidigen. Werner Stöckl ist der jüngste in der Weltmeistermannschaft Im Finale besiegen sie zusammen mit ihren Kollegen die DDR mit 14:12. Beim Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Montreal1976 stößt als dritter Rumäniendeutscher der gebürtige Orschowaer Alexander Fölker zu dem Duo. Das Endspiel verliert die rumänische Mannschaft 14:18 gegen die Sowjetunion. Bei der WM in der DDR erleben die Zuschauer den Handballer Werner Stöckl, wie er leibt und lebt: stets voll konzentriert, in Lauerstellung, immer anspielbar. Und wenn er den Ball hat, gibt es kein Halten mehr, in einer fast unnachvollziehbaren Drehung wirft er sich dem Torsteher entgegen, setzt seine 90 Kilogramm ein und erzielt manch wertvolles Tor. 1978 nimmt Werner Stöckl an einer zweiten WM teil, doch diesmal bleibt ihm eine Medaille versagt. Ein Jahr vorher ist er international mit Steaua erfolgreich: Im Europapokal-Finale der Meister in Sindelfingen besiegen die Bukarester ZSKA Moskau. In einem vorhergehenden Versuch waren Stöckl und Kollegen 1970 im EC-Finale von Dortmund gegen Gurnrnersbach gescheitert. Bis zu seinem Abschied aus der Nationalmanschaft im Jahr 1980 kurz vor den Olympischen Spielen in Moskau spielt Werner Stöckl 177rnal für Rumänien. Der Abschied ist eng verbunden mit einem gegen ihn verhängten Ausreiseverbot, für das Werner keine Erklärung hat. An die Zahl der erzielten Tore kann er sich nicht mehr erinnern. 142
1981 wechselt er mit seinen Mannschaftskollegen Gabriel Kicsid und Stefan Birtalan zu Carpati Man;;a, wo er bis 1984 spielt. Mit dem neuen Klub steigt Werner 1982 aus der zweiten in die erste Liga auf und schafft 1984 zum Abschied einen vierten Platz in der Landesmeisterschaft Drei Jahre später siedelt er mit seiner Frau nach Deutschland um. Sein 1976 in Bukarest beendetes Sportstudium sichert ihm Arbeit. Heute ist Werner Stöckl Sporttherapeut im Psychiatrischen Krankenhaus Wiesloch bei Heidelberg. Ob der Abschied aus Rumänien zu früh oder zu spät gekommen ist? "Wenn es nicht so abwärts gegangen wäre, hätte man sich die Aussiedlung ersparen können", sagt Werner. In Deutschland aber lässt ihn der Handball noch immer nicht ganz los. Der ehemalige deutsche Nationaltrainer Sirnon Schobel vermittelt ihn zum TuS Hofweier, wo er in der Saison 1988/89 noch ein Jahr Bundesliga-Luft schnuppert. Danach spielt Stöckl ein halbes Jahr lang für den TV Rintheim, mit dem er in die Regionalliga absteigt, um ihn anschließend als Trainer wieder zurück in die zweite Bundesliga zu führen. 1993 steigt er als Trainer beim Regionalligisten TuS Helmlingen ein. 1996 trainiert er den TuS Pforzheim-Eutingen. Heute spielt er nur noch im Altherren-Handball-Team des TuS Malsch in Karlsruhe.
Walther Maiterth
Mit 22 Meistermacher bei ~tiinta An einem Januartag 1954 verlassen zwei junge Männer das Kulturministerium in Bukarest. Es sind Walther Maiterth und Gabriel (Bebe) Zugravescu. Sie haben eben vergebens versucht, die Leute im Ministerium umzustimmen. Sie treffen einen Bekannten, und der sagt, das Schicksal Maiterths sei entschieden. Walther hatte im Sommer nur fünf von sechs Prüfungen ablegen können, weil er mit der Nationalmannschaft im Trainingslager war. Vorher hatte der Dekan ihm versichert, er könnte die Prüfung im Winter nachholen. Das sei kein Problem. Von dem Versprechen wissen auch die Handballgroßen in Bukarest. Deshalb erteilen sie den Befehl, W alther zu Watther Maiterth exmatrikulieren und zur Armee einzuberufen. Der Versuch, das abzuwenden, misslingt im Bukarester Ministerium. Walther muss zur Armee, so sieht es das Gesetz vor für Exmatrikulierte. Für Walther bedeutet das, dass er nach Bukarest muss. Er ist gezwungen, den Wechsel von Politehnica zum Armeesportklub zu akzeptieren. Walther und Bebe verlassen das Ministerium. Davor werden sie von zwei Polizisten in Empfang genommen. Die nehmen Walther fest und übergeben ihn einer Militärpatrouille, die ihn in die Kaserne bringt. Für den Handball entdeckt worden ist der am 16. September 1931 in Niemesch bei Mediasch geborene Walther als Schüler, und zwar auf dem Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium in Mediasch. "Ich verdanke meine sportliche Laufbahn den Turnlehrern Fritz Dietrich und Hans Breckner", sagt Maiterth, "ihnen gelang es, uns für den Sport zu begeistern. Und wenn man vom Erfolg des Handballs spricht, darf man sie nicht vergessen." Wir schreiben das Jahr 1946. Die Schülermannschaft wird zusammengehalten von Waldemar Zawadzki. In der Mannschaft machen mit der spätere Torwart von Dinamo Kronstadt Heinz Krestel, Hans Zank, Rolf Kartmann, Hermann Tontsch und Martin Binder. Diese Schülermannschaft 144
soll bis 1950 ungeschlagen bleiben. · Seine eigentliche Handballer-Karriere beginnt Walther Maiterth 1947 bei Karres Mediasch, mit der er auf Anhieb Landesmeister wird. Mit dieser Mannschaft wird er als 17-Jähriger 1949 Rumänien-Pokalsieger. Walther Maithert wird mit vier erzielten Treffern Torschützenkönig. Zu diesem Endspiel hat Trainer Bruno Holzträger, Teilnehmer an den Olympischen Spielen 1936, Walther mitgenommen. Diese Mannschaft, die bald den Namen Irti tragen soll, entlässt eine Reihe von Spielern ins ganze Land: Lajos Szücs (Torwart) geht nach Bukarest und Rudolf Haberpursch (ebenfalls Torsteher) über Hermannstadt nach Bukarest zur CCA. 1950 wechselt Walther nach Temeswar zu Politehnica und trifft dort Georg Gunesch als Spielertrainer. Gunesch leistet dort, wie Walther Maiterth sagt, Aufbauhilfe in Sachen Handball. Doch 1952 muss Gunesch nach Bukarest wechseln. Weil der Verband ihn und seine Mannschaftskollegen Roland Wegemann und Vasile Sidea gesperrt hat, gibt der Armeeklub ihnen jetzt die Chance, "sich in Bukarest zu rehabilitieren". Doch 1953 ist Gunesch wieder in Temeswar zurück. Er wird Trainer von Tehnometal. Während des Studiums an der Landwirtschaftsfakultät in Temeswar übernimmt Maiterth 1952 die Mädchenmannschaft von Poli. Im darauffolgenden Jahr wird er mit diesem Team Landesmeister. Er ist erst 22 Jahre alt. Zu den Temeswarer Nationalspielerinnen gehören damals Brunhilde
Ne un Mitglieder der Nationalmannschaft bei den lugendweltspielen 1953 inBukarest, stehend von links: Watth er Maiterth, Georg Gunesch, Bernhard Roth , P eter Streitferdt , Gerhard Schv.:ab , Ioan Donca , sitzend: Kurt Wa gner , Rudo /f Haherpursch und Han s Zank 145
Der fris chgebackene Landesmeister §tiinJa Temeswar 1953, von links: Hortensia Juhasz, Cecilia 1ordache, Brunhilde Neurohr, H edi Rabong, llona Nagy, sitzend : Anni M etz, Felicia Tocmacov, 1rene Günther, Edith Orba n , Alexandra Galgotzi und M arieta Sandu .
Neurohr und Hortensia Juhasz. In Bukarest wird Walther drei Jahre lang Handball spielen und auch manches kleine Wunder erleben. 1953 wird er bei den Jugendweltspielen in Bukarest Torschützenkönig des Handballturniers. Bei CCA trainiert Maiterth gleichzeitig die Juniorenmannschaft und entdeckt den späteren Nationalspieler Petre lvänescu, den Johnny Kunst jedoch nicht haben will. lvänescu wechselt zum Rivalen Dinamo Bukarest. 1955 sollen die deutschen Spieler nicht mit der Nationalmannschaft zu den Jugendweltspielen nach Warschau fahren. Während die Nationalmannschaft im Trainingslager in Klausenburg ist und sich auf die Reise nach Polen vorbereitet, ist mit Walter Lingner, Rudi Jost und Walter Maiterth praktisch der Sturm der Nationalmannschaft am Schwarzen Meer in Urlaub. Einer der ganz hohen Verantwortlichen fragt Johnny Kunst, welchen Platz er in Warschau zu belegen gedenkt. Mit der ihm zur Verfügung stehenden Mannschaft den fünften oder sechsten Platz, so Kunst. Wieso, wird er gefragt. Wenn er die Spieler, die zur Zeit Urlaub machen, nicht dabei habe, könne nicht mehr gelingen, sagt Johnny. Und plötzlich wendet sich das Blatt: Die Spieler am Schwarzen Meer erhalten den Befehl, unverzüglich nach Klausenburg zur Mannschaft ins Trainingslager zu fahren. Die drei eben mit CCA Meister gewordenen Stürmer treten die Reise nach Warschau an und belegen den zweiten Platz hinter der DDR. Von 1953 bis 1954 absolviert der 1,80 Meter große Mittelstürmer 16 Länderspiele. 146
1956 ist Walther nicht mehr Zeitsoldat, er ist Angestellter der Armee. Er möchte aber sein gezwungenermaßen unterbrochenes Studium beenden. Weil er nicht in die DDR reisen darf, aber auch keinen Pass für die Sowjetunion erhält, stellt er die Verantwortlichen des Bukarester Armeeklubs vor die Entscheidung: Entweder er darf in Bukarest weiter studieren, oder aber er geht weg. Der Armeeklub gibt nicht nach, und Walther kündigt. 1956 ist er wieder in Terneswar und setzt sein Studium fort. Im selben Jahr verliert der Bukarester Armeeklub die Meistertitel an Politehnica Terneswar, in dessen Reihen Walther wieder steht. Er spielt weiter für $tiinta, übernimmt aber als Trainer 1957 gleichzeitig Constructorul Terneswar. Für $tiinta (Poli) spielt Maiterth bis 1959. Dann wird er Trainer bei Constructorul Terneswar. Mit dem Regionalligisten steigt Maithert in die erste Großfeldhandball-Liga auf, in der er von 1957 bis 1959 spielt.1960 beendet Walther Maiterth die Hochschule und macht ein Jahr lang Pause vorn Handball. Er geht nach Ohaba Forgaci bei Lugosch. Im Herbst 1961 ist er in Bogarosch. Dort übernimmt er die eben in die erste Liga aufgestiegene GroßfeldhandballMannschaft Doch die Herrlichkeit in der ersten Liga dauert nicht lange, denn der Großfeldhandball wird 1963 abgeschafft. Jetzt stellen sich Maiterth und die Mannschaft auf den Kleinfeldhandball um. Die Mannschaft, die 1961 mit Roland Wegemann in die erste Liga aufgestiegen ist, besteht ausschließlich aus deutschen Spielern. Walther Maiterth erinnert sich noch, dass die Zeitschrift "Rumänien heute", die in den rumänischen Botschaften ausgelegt wurde, einen Bericht über den Aufstieg dieser Dorfmannschaft veröffentlicht. Ein Teil der Spielernamen erscheint romanisiert. Aus Hans Berger wird Ioan Munteanu, aus Peter Stahl wird Petru Otelaru oder aus Matthias Weber wird Matei Tesatorul. 1972 veranstaltet Walther Maiterth, der 1961 Chefingenieur der LPG in Bogarosch geworden ist, ein Alt- Herren-Turnier, zu dem Poli Terneswar, Vointa Schäßburg und Mediasch eingeladen sind. Es wird ein Volksfest mit 3000 Zuschauern, ein Fest mit allem Drum und Dran, sagt Walther Maiterth. 1973 kehrt Walther Maiterth von einem Besuch in Österreich nicht mehr heim. Er hat Glück, seine Frau kann nach 14 Monaten die Reise nach Deutschland antreten. Nach einem Jahr in Deutschland, das er zum Studium nutzt, wird er Ausbilder beim Kolping-Bildungswerk. Zum Schluss arbeitet er als Leiter des Kolping-Bildungszentrurns in Mernrningen.1994 geht er in Rente. In Deutschland versucht er sich noch einmal als Trainer. Zunächst betreut er den SVA Ammendingen und von 1977 bis 1987 den TV Mernrningen, der in der Bezirks- und Oberliga spielt. Heute lebt Walther Maiterth mit Frau, seinen beiden Kindern und seinen beiden Enkeln in Mernrningen.
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Michael Redl
Durch Zufall den Weg ins Handballtor gefunden Das macht ihm so rasch keiner nach. Michael Redl nimmt in seiner Laufbahn an vier Handball-Weltmeisterschaften teil, wird zweimal Weltmeister und einmal Vizeweltmeister. Dazu kommt eine WMBronzemedaille. Dass er all das erreicht hat, verdankt er einem Zufall. 1950 beginnt er Fußball zu spielen. Zuerst als Feldspieler, dann als Torwart beim Arbeitersportklub Lugosch. 1953 spricht ihn jemand aus der Handballmannschaft von Constructorul an, der Torwart sei erkrankt. Mischi, wie ihn alle nennen, springt ein und macht ein hervorragendes Spiel. Und dieses Spiel soll ihn zum Micha el Red! senior Handballer machen, zu einem der besten. Mischi ist nicht nur der beste Handballer, den Lugasch hervorgebracht hat, sondern auch der erfolgreichste Rumäniens überhaupt und einer der weltbesten. Der am 23. April 1936 in Lugasch geborene Michael lernt zuerst den Beruf eines Elektrikers, um 1956 in die Offiziersschule einzutreten und 1958 sein Offizierspatent in der Hand zu halten. Das Abitur wird er 1964 in Bukarest ablegen. Doch Lugasch kann ihn nicht mehr lange halten: 1956 ist er bereits in Bukarest bei Dinamo. Dort wird er eine fast sagenhafte Karriere absolvieren. Er wird zweimal den Landeswettbewerb (Vorläufer der Meisterschaft) auf dem Kleinfeld gewinnen. Ferner wird er neunmal Landesmeister auf dem Kleinfeld. Dem steht ein einziger Landesmeistertitel auf den Großfeld entgegen. Der Wechsel zu Dinamo ist das Sprungbrett in die Handball-Nationalmannschaft. 1959 nimmt der 1,86 Meter große Mischi mit der rumänischen Mannschaft an der Großfeldhandball-Weltmeisterschaft in Österreich teil und wird mit ihr Vizeweltmeister. Das Spiel geht, wie Handball-VerbandsPräsident Johnny Kunst später einmal sagen wird, nur deshalb verloren, weil eine Reihe von deutschen Spielern wie Dieter Jochmann, Rudi Jostoder Walter Lingner nicht mitfahren dürfen. Doch die große Zeit des Michael 148
Redl soll noch kommen. 1961 wird er in Dortmund mit der rumänischen Mannschaft Weltmeister, im Finale gegen die Tschechoslowakei ist Mischi ihr Kapitän. Zusammen mit der rumänischen Mannschaft verteidigt Mischi, der bei den WM-Turnieren in Österreich und in Deutschland zum weltbesten Torhüter gekürt wird, erfolgreich den Weltmeistertitel 1964 in der Tschechoslowakei. Ein Jahr darauf gewinnt er mit Dinamo den Europapakai der Landesmeister in Paris. 1967 ist Mischi bei der vierten Weltmeisterschaft dabei und gewinnt in Schweden Bronze. Mischi wird 129mal in die rumänische Nationalmannschaft berufen. In der Landesmeisterschaft wird er 440 Spiele absolvieren: 154 auf dem Großfeld und 286 auf dem Kleinfeld. Insgesamt wird er elf Jahre lang für Rumänien spielen. Die Erfolge mit dem Klub und mit der Nationalmannschaft bringen dem Ausnahmehandballer eine Reihe von Auszeichnungen und Orden ein. 1970, nach Beendigung der aktiven Laufbahn, wird Mischi Trainer bei Dinamo. Acht Jahre lang wird er die Jugend des Polizeiklubs betreuen, um dann als Assistent von Cheftrainer Oprea Vlase bei Dinamo drei Jahre lang zu arbeiten. Seine Militärkarriere beendet Mischi im Rang eines Oberstleutnants. 1982 kehrt sein Sohn Michael von einer Reise aus Deutschland nicht heim. Für Mischi und seine Frau beginnt ein langer Kampf um den Pass.
' 5 . Juli 1959 , der fr ischgebackene Landesmeister auf dem Großfeld Dinamo Bukarest: (von links) Trainer Oprea V/a se, Kapitän Petre fw1nescu, Michael Red!, llie Alexandru , Gheorghe Biidulescu, Lucian Popescu, Horst Niemesch , Ion lonescu, Helmut Zikeli , Kurt Kamilli, Gheorghe Covaci, Tudor Ristoiu , Constantin Taniisescu und Gheorghe lliescu 149
1987 bekommen sie die Genehmigung auszureisen. Mischi lässt sich in München nieder, wo er in einem Mercedes-Zentrum Arbeit findet und bis zur Rente 1996 tätig ist. Nach der Ankunft in Deutschland wird Mischi Trainer bei Schwahing in München, wo sein Sohn das Tor hütet. Doch nach einem Jahr ist alles vorbei, denn die Mannschaft hat keinen Geldgeber mehr, die Spieler zerstreuen sich in alle Winde. Michael Junior tritt früh in die Fußstapfen des Vaters. Als 13-Jähriger steht er bereits bei den Dinarno-Junioren im Tor. Nach dem Abitur wechselt er vom Bukarester Klub zu Uni Galatz, weil er an der dortigen Universität stu-, diert. Zwei Jahre lang spielt der am 12. Dezember 1957 in Lugosch geborene Michael für Uni. 1980 ist er wieder bei Dinamo in Bukarest, spielt in der ersten Liga und wird in die Nationalmannschaft berufen, in der er ein paar Mal eingesetzt wird. In der rumänischen Junioren- und Jugend-Auswahl bringt er es auf 140 Einsätze. Im Dezember 1982 setzt sich Michael nach einem ECSpiel im holländischen Arnheim von Dinamo Bukarest ab und kommt nach Deutschland. Er geht nach München, Michael Red/junior im Dress des MTSV wo er Verwandte hat. Schwahing Bereits im Januar 1983 steht er in den Reihen des MTSV Schwabing. Für den Münchener Klub spielt er fünf Jahre lang. 1988 wechselt der 1,85 Meter große Athlet zu Niederwürzbach ins Saarland. Mit dem Zweitligisten steigt Michael auf. Nach dem Ausflug ins Saarland kehrt er im nächsten Jahr nach München zurück und verpflichtet sich beim TV Milbertshofen. Ein Jahr lang wird er bei dem Klub als Springer fungieren. Er hilft in der Drittliga- und in der Erstligamannschaft des Vereins aus, wennNot am Mann ist. 1991 hört Michael auf. Heute ist er selbstständiger Kaufmann in Burgen, etwa 100 Kilometer südlich von München. Er betreibt ein Lebensmittelgeschäft Mit dem Handball hat er heute nichts mehr zu tun. Er treibt lediglich für die eigene Gesundheit Sport, und zwar Waldlauf. Michael Redl juniorhat drei Kinder, zwei Mädchen 14 und 12 Jahre alt, und einen sechsjährigen Jungen. Ob der Junior in Opas und Papas Fußstapfen treten wird, könne heute noch nicht gesagt werden, meint Vater Michael.
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Peter Streitferdt
Zweimal mit Dinamo Kronstadt Meister geworden "Wir Kronstädter hatten nicht die großartigen Spieler wie der Armeesportklub CCA in Bukarest und die Hermannstädter. Aber wir bei Dinamo Kronstadt waren sehr gute Freunde. Durch unseren Kampfgeist und die für jede Mannschaft so wichtige gute Kameradschaft konnten wir nicht nur mithalten, sondern gar um Meistertitel kämpfen", erzählt Peter Streitferdt, der mit Dinamo Kronstadt zwei Meistertitel und fünf Vizemeisterschaften errungen hat. "Zweimal wurden wir allerdings um den Titel betrogen", sagt Streitferdt. Zum ersten Mal 1951. Im letzten Meisterschaftsspiel muss Dinamo in Ploie§ti gegen Flacara antreten. Die Kronstädter kämpfen um den Titel, die Gastgeber um den Klassenerhalt. Doch der Peter Streitferdt Schiedsrichter pfeift so, dass die Gastgeber 4:3 gewinnen, sagt Streitferdt. Damit bleiben sie in der ersten Liga, und der Bukarester Armeesportklub CCA ist Landesmeister. Dinamo Kronstadt hat das Nachsehen. 1956 beeinflussen die Ereignisse um den Ungarn-Aufstand den Ausgang der Großfeldhandball-Meisterschaft In Temeswar werden Studenten verhaftet. Die Polizei reagiert nervös. Am 28. Oktober soll die Begegnung $tiinta Temeswar gegen Dinamo Kronstadt stattfinden. 5000 Studenten sind im Stadion. Gekommen ist auch viel Polizei, auch der Geheimdienst ist gut vertreten. Sie befürchten, das Spiel könnte in einen antikommunistischen Protest ausarten. Ein Geheimpolizist sagt Spielertrainer Constantin Lache, seine Mannschaft müsse unbedingt gewinnen, sonst ·drohe eine Katastrophe. Lache verspricht, alles für den Sieg zu tun. Er beruhigt den Mann, und sagt, selbst wenn sie verlieren sollten, wird auch nichts passieren, berichtet der langjährige Poli-Trainer Constantin Jude in seinem Buch über den Temeswarer Klub. Die Kronstädter gehen mit 2:0 in Führung. Doch die Temeswarer 151
Studenten holen auf. Peter Streitferdt berichtet, der Schiedsrichter habe den Spielern auf dem Platz klipp und klar gesagt, sie dürfen und können dieses Spiel nicht gewinnen, er habe seine Anweisung. Die Temeswarer gewinnen das Spiel und werden zwei Spieltage später Meister, 9-ie Kronstädter aber haben erneut das Nachsehen. Der am 7. Dezember 1929 in Honigberg geborene Peter Streitferdt kommt in der Handelsschule in Kronstadt mit dem Handball in Berührung. Von 1945 bis 1947 spielt er in der Mannschaft der Mercuri-Handelsschule. 1948 wechselt er zu Tractorul Kronstadt In diesem Jahr sind die meisten Honigherger bereits im Traktoren-Werk in Kronstadt beschäftigt. Mit Misch Schoppe!, Hans Kloos, Gusti Mild und Peter Streitferdt wird die neu gegründete Handballmannschaft des Werks verstärkt. Streitferdt erinnert sich: "Nach spannenden Kämpfen spielen wir uns zu einer Spitzenmannschaft des ganzen Burzenlandes hoch. Nur Dinamo Kronstadt, die Spieler aus dem ganzen Land zusammenzieht, können wir nicht bezwingen." 1951 ist Streitferdt bereits bei Dinamo, für die er bis 1958 spielen wird. Sein erster Trainer bei Dinamo ist Otto Schmitz. "Er war ein sehr guter Trainer", sagt Streitferdt. Mit Schmitz gewinnt die Mannschaft 1953 die Meisterschaft. In diesem Meisterteam stehen ferner Ernst Pahan und Hans Zank. Auf Schmitz folgt 1956 als Trainer Mitica Lupescu. Schmitz geht nach Hel tau.
Die rumänische Nationalmannschaft 1957 in Duisburg vordem Länderspiel gegen Deutschland: (von links) loan Donca , Rudolf Haberpursch, Michael Red/, Aurel Bulgaru , Virgil Hnat, Selaru, Gheorghe Vlad , Olimpiu Nodea, Liviu Sttinescu, Lulu Ca/iman, /oan Bora , Peter Streitferdt, Octavian NiJescu 152
"Bei Dinamo lerne ich vieles, was ein Handballspieler wissen und können muss." Das Lernen lohnt sich. 1952 wird Streitferdt in die Nationalmannschaft berufen, doch seinen ersten Einsatz hat er erst 1953 bei den Jugendweltspielen in Bukarest. Im ersten Spiel geht es gleich gegen die DDR. "In unserer Nationalmannschaft spielten damals zwei Rumänen, ein Ungar und acht Deutsche. Das Spiel gegen die DDR gewinnt die rumänische Mannschaft 14:9, weil die deutschen Spieler die rumänische Mannschaft völlig unterschätzen. Auf dem anschließenden Bankett wundern sich die DDR-Spieler, dass fast die ganze rumänische Mannschaft deutsch sprechen kann. In der damaligen ersten Garnitur der Nationalmannschaft stehen ferner Hans Zank, Ernst Pahan und Gerhard Schwab. Auch an die zweite Garnitur kann sich Streitferdt noch erinnern. Ihr gehören an Heinz Krestel, Fritz Martini, Heinrich Schuller und Harald Schmidts. Ein weiterer Höhepunkt in der Laufbahn des Peter Streitferdt ist ein Länderspiel 1957 in Duisburg. Das Spiel endet 14:21. Die Reise nach Deutschland dürfen damals neben Streitferdt zwei weitere Deutsche antreten: Rudolf Haberpursch und Michael Redl. 1958 geht Streitferdt zurück zu Tractorul. Die Zeit des Kleinfeldhandballs ist angebrochen, das ist nichts mehr für ihn. Ein Jahr vorher, 1957, erlebt er noch bei Dinamo einen Trainerwechsel: Ioan Donca ersetzt Lupescu.
Gerlinde Reip-Oprea
"Wo Gerlinde spielt, gibt es eine Meisterfeier" "Eine gekonnte Finte, kraftvoller Wurf von 10m, dann blicken Verteidigerin und Torhüterin betrübt zu Boden ... 'Einzigartig, das macht ein Junge nicht besser ... Das war ein Prachttor. 'Wie sie den Ball handhabt!' kommentiert man auf den Tribünen... Sie springt in eine Kombination des Gegners, schnappt sich das Leder: ein kurzer Zw~schenspurt, und schon klingelt es wieder im Tor." So beginnt ein am 15. September 1961 von der Bukarester Zeitung "Neuer Weg" veröffentlichtes Porträt der damals 19-jährigen Gerlinde Reip von $tiinta Temeswar. Gerlinde Reip, die aus dem Burzenland nach Temeswar gekommen ist, um Chemie zu studieren, ist Gerlinde Reip-Oprea Anfang der 60er Jahre eine der besten und talentiertesten Handballspielerinnen Rumäniens. Für Franz Reitz, ehemaliger Spitzenspieler von Tehnometal Temeswar, sogar die beste Spielerin Rumäniens übe~haupt. Gerlinde ist in erster Linie wegen ihrer Vielseitigkeit so wertvoll für ihren Klub und die Nationalmannschaft: Sie beherrscht die Kunst des "Einfädelns", kann das Spiel machen und hat eine hervorragende Balltechnik Gleichzeitig sind ihre Würfe sehr gefährlich, sie landen fast immer im Tor. Heldsdorferinnen müssen aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt sein. Denn kein anderes Dorf in Rumänien hat so viele HandballNationalspielerinnen hervorgebracht wie das Dorf im Burzenland. Vor Gerlinde Reip ist bereits Maria "Mitzi" Scheip von Helcisdorf ausgezogen, um Erfolge im Handball zu feiern, und nach ihr Edeltraut Franz und später Sabine Wagner. Mit ihrem Können und durch Trainingsfleiß eilt die junge Frau von Erfolg zu Erfolg. Doch der wäre nicht möglich gewesen ohne Gerlindes beispielhafte Umsicht, Besonnenheit und Disziplin, die auf ihre Mitspielerinnen ausstrahlen und ihr allgemeine Anerkennung einbringen. All 154
das veranlasst die Macher beim Rumänischen Handball-Verband, dem blonden, bescheidenen Mädchen von $tiinta Temeswar bereits im Frühjahr 1961 den Titel einer Meisterin des Sports zu verleihen. In Heldsdorf, einer Gemeinde mit reicher Handballtradition, .macht Gerlinde mit dem Sport Bekanntschaft. "Heldsdorfer Schulhof 1952. Eine Menge Jungen jagen dem Ball nach, und mittendrin flattert eine Schürze." Das Mädchen, das diese Schürze trägt, ist Gerlinde Reip. So beschreibt die Temeswarerin Christel Pitzinger-Kuchar die sportlichen Anfänge der späteren Weltklassehandhallerin Gerlinde Reip im Heldsdorfer Heimatblatt "Ob Handball oder Völkerball, Gerlinde war immer am Ball." Ihr Sportlehrer und erster Trainer ist Hans Franz, "ein Fachmann mit Herz", so seine Schülerin. Die Devise des Trainers lautet: vom Völkerball zum Handball. Sie ist anscheinend richtig, denn sie führt zum Erfolg. Im Park neben dem Strandbad in Helcisdorf kämpft sich die Mädchenmannschaft Recolta unter seiner Leitung auf dem Großfeld in die Regionalliga. 1956 wechselt die am 18. Dezember 1941 geborene Gerlinde zu Progresul Kronstadt Unter der umsichtigen Leitung von Dumitru Popescu-Coliba§i entwickelt sie ihre sportlichen Fähigkeiten weiter. Torwart der Mannschaft ist ihre Schwester Gertrud. Es entbrennt ein heißer Familienkampf. Maria Scheip und Anna Stark sind in jener Zeit ihre Vorbilder. Zur selben Zeit spielt Gerlinde auch in d er Mannschaft des Honterus-Gymnasiums. Mit
Im Europapakai der Meister spielt Gerlinde Reip für Un i Bukarest: Hier setzt sie sich gegen die Sp ielerinnen aus Kopenhagen durch. Das Spiel wurde am 6. Februar 1959 in Bukarest ausgetragen . 155
derselben Begeisterung, mit der sie Handball spielt, nimmt sie auch an Leichtathletik-Wettkämpfen teil. Weil ihr Trainer sagt, sie werde im "Handball noch Schönes leisten", entscheidet sich Gerlinde für diesen Sport. Die Worte des Trainers ermutigen sie. Gerlinde trainiert hart. Als 14Jährige wird sie Nationalspielerin. Sie darf an der Hallenhandball-Weltmeisterschaft 1957 in Belgrad teilnehmen, aber nur unter dem Namen Gerlinda Petre. Es ist ihr erster internationaler Wettkampf. Gleich danach geht es nach Polen mit der Juniorinnen-Auswahl. "Einen der schönsten Siege" erringt sie als Zehntklässlerin mit der HonterusMannschaft Kronstadt Sie wird Schüler-Landesmeisterin. Die 11. Klasse besucht sie in Temeswar im ehemaligen Kloster in der Josefstadt. Sportlehrer Adam Fischer hat sie nach Temeswar geholt. Und mit Fischer und seiner Mannschaft wird sie auf Anhieb Schüler-Landesmeisterin. Damals herrscht in Handballfachkreisen die Meinung vor, dass die Mannschaft, in der Gerlinde spielt, eine Meisterfeier abhalten wird. Gerlinde will aber mehr als nur sportliche Erfolge. Sie beginnt Chemie zu studieren. Sie muss oft vieles nachholen, aber niemals eine Prüfung. 1961 wird sie kurzerhand nach Bukarest zur Mannschaft des Sportinstituts transferiert, damit sie die Mannschaft zum Gewinn des Buropapokals der Meister führt. Das Vorhaben gelingt, und Gerlinde kehrt nach Temeswar zurück. Gefälschte Namen und Ausweise, willkürliche Transfers, im rumänischen Handball ist alles möglich. Das hat der Verband schon lange vor Gerlindes Zeit bewiesen. In der Temeswarer Studentinnenmannschaft spielt sie sechs Jahre lang. Wie oft sie in dieser Zeit in die Nationalmannschaft berufen wird, weiß sie nicht mehr. 1964 erringt Gerlinde mit $tiinta Temeswar den Landesmeistertitel - Trainer ist damals Viktor Kitza. Bei der Weltmeisterschaft 1962 in Bukarest sitzt sie nach einer Meniskusoperation auf der Tribüne. Auch 1965 ist sie nicht bei der WM in Deutschland dabei. Sie hat sich wegen der Kniebeschwerden, aber auch auf Wunsch ihres Mannes von der Nationalmannschaft verabschiedet. 1965 - Gerlinde ist bereits Chemieingenieurin - spielt sie für Constructorul Temeswar. Die Mannschaft, seit fast 15 Jahren lediglich ein braves B-Liga-Team, schafft den Wiederaufstieg in die A-Liga- vor Odorhellen und dem ASK Hermannstadt Gerlindes Beitrag ist entscheidend. Mit ihrer Ausdauer, Disziplin und ihrem Selbstbewusstsein und Siegeswillen ist sie ein gutes Beispiel für ihre Kolleginnen, eine vortreffliche Sportlerin, so Trainer Tibi Sfercociu in einem 1965 gegebenen Interview. Während Gerlinde Reip mit ihren absoluten Spielmacherqualitäten die nötigen Tore vorbereitet und wirft, ist Maria $tef-0toiu der Halt in der Deckung. Die beiden sind die Garanten des Aufstiegserfolgs. Temeswar hat nun mit Constructorul, $tiinta und dem Sportlyzeum Nummer 4 drei Frauenmannschaften im Handball-Oberhaus. 1970 kehrt Gerlinde zu $tiinta/Uni Temeswar zurück. 1972 verabschiedet sie sich vom aktiven Sport und widmet sich ihrer Tochter Andrea 156
und dem Beruf. Als Trainerin feiert sie ebenfalls einen kleinen Erfolg. Sie schafft mit den Juniorinnen von Constructorul Temeswar den ersten Platz in der Kreisliga. Heute lebt Gerlinde Reip-Oprea in Stuttgart. Sie ist der Chemie treu geblieben und arbeitet im Institut für Umweltanalytik
Lokalderby $tiinJa- Sportlyzeum 4 in der alten Temeswarer Halle Mitte der60-er; $tiinJa (von rechts): Anni Nemetz-Schauberger, Rodica Ba in, Florica Ciosescu, Roswitha Neurohr-Fuchs, Edeltraut Franz-Sauer, LucreJia Anca, Gerlinde Reip-Oprea; Sportlyzeum 4: Eva Kaspari (erste von links), Teresa Szekely-Popa (vierte von links)- beide später bei $tiinJa!Uni 157
Hans Andreas Bretz
Pokalsieger mit Arsenal, Meister mit CCA Hans Andreas Bretz hat sich eine kleine Ranch zugelegt. Sie liegt in Heidbach bei Aschaffenburg. Weil Bretz keine Kinder hat, bearbeitet er diesen kleinen Hof zusammen mit seinem Neffen Helmut Zimmer. Auf dem kleinen Grundstück halten die beiden etwa 40 Schafe. Bretz, der am 11. Februar 1930 in Großprobstdorf geboren und aufgewachsen ist, lebt heute in München, doch er braucht den Ausgleich. Er kehrt immer wieder gerne der Großstadt den Rücken und aufs Land zurück. Die Schafzucht bietet ihm die Möglichkeit, auch seinem zweiten Hobby nachzugehen: Schafe müssen nicht nur gezüchtet und gepflegt, sondern auch Hans Andreas Bretz geschlachtet werden. Das tut der gelernte Metzger selbst. Sein erster Beruf ist in dem Augenblick zum Hobby geworden, als er zum Installateur umgeschult hat. Die Teilnehmer am Hermannstädter Handballertreffen 2001 in Dinkelsbühl, das er zusammen mit Robert Scherer organisiert, haben eine Kostprobe von seinem Können bekommen. Nach dem Handballturnier hat es Gulasch gegeben. Ein paar Tage vor dem Treffen hatte Bretz zwei Böcke geschlachtet. Der Neffe durfte sich als Koch versuchen und das Gulasch in der Kanone nach Dinkelsbühl bringen. Es hat geschmeckt, genauso gut wie einst in Siebenbürgen. Doch bevor es Gulasch gibt, erhält Bretz einen Ehrenpokal mit der Aufschrift 1921-2001, 80 Jahre Handball in Siebenbürgen. Bretz lässt kein Hermannstädter Handballertreffen aus. Seit zehn Jahren findet es statt, und jedes Mal war er dabei. Dort trifft er alte Bekannte, ehemalige Mitstreiter, dort fühlt er sich wohl. Denn Handball war einmal sein Leben. 18 Jahre lang hat Bretz als linker Verteidiger oder als Verbinder gespielt. Bretz beginnt seine Sportlerlaufbahn als 18-Jähriger in Hermannstadt bei Flamura Ro§ie. Mit 19 wechselt er 1950 zu Arsenal. Trainer Hans Schuschnig hat ihn geholt. Bretz ist damals jüngster Spieler bei Arsenal und gewinnt zusammer; mit der Hermannstädter Mannschaft den RumänienPokal auf dem Großfeld. Bretz kann sich an das Spiel gegen den Bukarester Armeeklub noch gut erinnern. 2:1 gewinnt Arsenal das Spiel. Zwei Wochen später findet in Hermannstadt das letzte und entscheidende Spiel in der /58
Meisterschaft zwischen Arsenal und CCA Bukarest statt. Das Spiel wird vom Schiedsrichter manipuliert. Zwei regelgerechte Tore von Otto Günter werden aberkannt. Das Spiel endet 1:1. CCA ist Meister. Den Pokal gewinnt Arsenal zwar, doch Meister darf die Mannschaft nicht werden. Das haben die Mächtigen in Bukarest beschlossen. Und dafür setzen sie auch einiges in Bewegung. Vor dem Spiel gegen den Armeesportklub CCA versuchen Armeeangehörige, Bretz, Günter Lahni und Reinhard Breckner auszuheben. Die drei so wichtigen Spieler können sich in Ra§inari verstecken. Doch es hilft ihnen nicht, denn direkt nach dem Spiel müssen Bretz und Lahni sofort nach Bukarest zum Armeesportklub. Lahni wird nach drei Monaten entlassen, doch Bretz wird Stammspieler. Nach dem Wehrdienst wird er Angestellter der Armee und gewinnt mit CCA drei Meistertitel: 1951, 1952, und 1954. Als Bretz zu Arsenal wechselt, ist Franz Monis bereits mit fünf wichtigen Spielern zum Armeesportklub Bukarest gewechselt: Bernhard Roth, Günter Müller, Günter Höchsmann, Horst Kremer und Adelbert Weidenfelder. Mit ihnen hatte Monis Meistertitel und Pokal gewonnen. Zuerst unter dem Namen Derubau und anschließend unter Arsenal. Die Mannschaft sollte im Laufe der Jahre noch einige Male von einem Betrieb zum anderen weitergereicht und umbenannt werden, bis sie eines Tages Independenta heißen wird. Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre hat auch Constructorul Hermannstadt eine starke Mannschaft, obzwar sie nur in der zweiten Liga spielt. Augustin Wagner, seinerzeit Volleyballspieler beim Armeeklub .Klausenburg, erinnert sich noch gut an jene Zeit. Wenn Arsenal gegen Constructorul angetreten ist, hat es auch manche Schlacht am Spielfeldrand gegeben, sagt er. Eines Tages sind die Anhänger mit Dachlatten aufeinander losgegangen. 1951 ist Bretz jüngster Nationalspieler. In der Auswahl steht er zusammen mit einem zweiten Großprobstdorfer: mit Georg Gunesch, genannt Schnuck. Bretz kann sich noch sehr gut erinnern an das Spiel im RepubliciiStadion in Bukarest gegen die Tschechoslowakei, das die rumänische Mannschaft 14:13 gewinnt. In diesem Spiel bricht sich Vasile Sidea ein paar Rippen, und Ernst Wolf wird ihn ersetzten. 1955 kündigt er zusammen mit Rudolf Haberpursch beim Armeeklub und kehrt zurück nach Hermannstadt, wo er zum inzwischen zu Vointa umbenannten Erstligisten stößt und Mannschaftskapitän wird. Das erste Spiel mit Vointa bestreitet Bretz in Jassy. Es endet 0:0. 1957 verhilft Vointa Hermannstadt Dinamo Kronstadt zum Meistertitel. Die Hermannstädter besiegen den Bukarester Armeeklub 6:1. Bretz bleibt bis 1963 in VointaDiensten. Die Kleinfeld-Handball-Ära ist eingeläutet. 1964 ist Bretz in Michelsberg und baut eine Handballmannschaft auf, mit der er bis in die Regionalliga, damals praktisch die zweite Liga, aufsteigt. 1967 wechselt er nach Heltau zu Matasa Ro§ie. Im nächsten Jahr wird er seine Karriere beenden. Es waren 18 Jahre Einsatz als Spieler und Trainer. 159
Bretz, einer der besten Verteidiger in der Nationalmannschaft der 50er Jahre, erinnert sich noch gerne an die Handballspiele bei den Jugendweltfestspielen 1953 in Bukarest zurück. Damals belegt die rumänische Mannschaft den zweiten Platz hinter der DDR. Sein allerletztes Länderspiel wird Bretz 1958 austragen, und zwar gegen Jugoslawien. Das Spiel endet 8:8. Dabei ist damals auch der Temeswarer Hans Moser, dessen Stern aufzugehen beginnt.
CCA-Veteranen-Treffen 1995 im Heilbronner lägerhaus: (stehend von links) Rudo/f l ost, Gerhart Schuster, Han s Zachari , Watther Maiterth , Hans Zultner, Günter Pauer, Michael Gimpel, Bernhard Roth, Günther Reichhart, Kurt Sauer, (sitzend) Victor Dumitrescu, Horsr Kremer,Kurt Wagner, GünterMüller,Heinz Kartmann,Michae/ Brenner, Günter Höchsmann, Günter Lahni, Georg Gunesch, (liegend) Hans Andreas Bretz und Willi Reimer 160
Hans Zachari
Von der Leichtathletik über den Handball zum Fußball Hans war ein guter Läufer. 1954 ist er bei einem Sportfest im Stiinta-Stadion in Temeswar die 100 Meter gelaufen und hat den zweiten Platz belegt. Roland Wegemann, sein späterer Trainer, hatte ihm geraten, es in Nägelschuhen zu versuchen. Eine gefährliche Sache, sagt Zachari heute. Doch es hat geklappt. Seine Schnelligkeit hat Zachari später viel genutzt, als er Handball und Fußball gespielt hat. Mit dem Handballsport kommt er Anfang der 50er Jahre in Temeswar in Berührung, wo er die Fachschule besucht. Entdeckt wird er für den Sport von Keppich und dem Wasserballnationalspieler Sterbenz. Bis 1950 spielt Zachari inTernesRans Zachari war in der Kreismeisterschaft Danach holt Roland Wegemann ihn nach Hatzfeld in die erste Liga. Nach dem Aufstieg ins Oberhaus braucht die Hatzfelder Mannschaft Verstärkung. Und da liegt es nahe, auf Landsleute zurückzugreifen. Der am 17. April 1936 geborene Zachari gehört dazu. Mit seinen Mannschaftskollegen wird Zachari ein kleines Kapitel Hatzfelder Handballgeschichte schreiben. Die Mannschaft belegt in der Meisterschaft 1954 den dritten Tabellenplatz hinter dem Armeesportklub CCA Bukarest und Dinamo Kronstadt Dieser Mannschaft gehören an: Rudolf Jost, .Anton Klein, Josef Kaiser, Josef Vranjar,- Roland Wegemann, Adalbert Hehn, Johann Valeri, Josef Simon, Franz Weger, Nikolaus Schütz, Johann Vaida, Johann König und Hans Zachari. Wie der ehemalige Hatzfelder Spieler Josef Koch berichtet, hätte dieser Mannschaft auch Peter Kolbus angehört, doch der ist leider in den Baragan verschleppt worden. Zachari wird bis 1956 in Hatzfeld Handball spielen, dann wird er zur Armee einberufen und muss nach Bukarest Beim Armeesportklub CCA wird er unter Trainer Johnny Kunst zusammen mit seinem Landsmann Rudi Jost, mit Walter Maiterth, Kurt Wagner, Otto Tellmann, Walter 161
Lingner, Kurt Sauer und dem Lowriner Michael Gimpel spielen. Mit dem Armeesportklub wird Zahari 1957 Landesmeister. Als rechter Außenverteidiger wird er achtmal in die rumänische Nationalmannschaft berufen. Doch sein Debüt gibt Zachari in der Jugendauswahl in Temeswar in einem Spiel gegen die Vertretung Jugoslawiens. Das Spiel geht verloren. Mit der Nationalmannschaft wird er beispielsweise gegen Ungarn und Jugoslawien antreten. Ferner spielt er bei den Jugendweltspielen in Moskau für Rumänien. Zachari gehört auch zum Nationalmannschaftskader, der 1957 zum Spiel nach Duisburg fahren soll. Doch 24 Stunden vor dem Spiel wird er aus der Mannschaft gestrichen. Nach dem Militärdienst verlässt Zachari den Bukarester Armeesportklub und kehrt in seine Heimatstadt zurück. Dort wird er allerdings nicht mehr Handball spielen, sondern zum Fußball wechseln. Die Lokalmannschaft sucht Verstärkung und bietet ihm einen Arbeitsplatz in der Keramikfabrik an. Seine Fußballerlaufbahn beschränkt sich allerdings auf zwei Jahre: 1959 und 1960. Eine Meniskusverletzung zwingt ihn aufzuhören. In der Saison 1970/1971 betreut Zachari die Hatzfelder Handballer als Trainer in der Kreismeisterschaft Er tritt mit einer Mannschaft an, die aus lauter deutschen Spielern besteht. Nach einem Spiel in Temeswar trifft er Nationaltrainer Nicolae Nedef, den er aus gemeinsamen Zeiten bei CCA kennt. Nedef erkundigt sich nach seinem Befinden, nach seiner Mannschaft
Die Meistermannschaft von CCA 1957. stehend von links : Gustav Schul/er, Rudolf lost, Michael Gimpel, Vasile Sidea, Trainer Johnny Kunst, Walter Lingner, Aurel Bulgaru, Kurt Sauer; kniend: KurtWagner,HansZachari, Cornel Sorescu, Lucian Tigiinu~. Nicolae Nifescu, Otto Tellmann und Lulu Ciiliman. 162
und nach Talenten. Zachari sagt, er habe mit Adalbert Grössing einen Mann, der in die Jugendauswahl passen könnte. Doch die Antwort Nedefs ist für Zachari bezeichnend: "Mit solchen Namen können wir nichts anfangen". Zachari hat vorn Handballbetrieb genug, er will nichts mehr damit zu tun haben und hört auf. 1989 siedelt er um nach Deutschland und lässt sich in München nieder. Mit dem Handball hat er auch heute nichts mehr zu tun.
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Martha Draser und Rudolf Haberpursch
Weltklassetorwart heiratet angehende Weltmeisterin Stefan Zoller, Ernst Wolf , Rudolf "Purschi" Haberpursch, Michael Redl. Vier Torhüter, vier Generationen, vier große Namen. Jeder für sich Spitzenklasse. Drei kommen aus Siebenbürgen, der vierte aus Lugosch. Für Helmut Zikeli, den Handballer und Trainer aus Hermannstadt, ist eines klar: "Haberpursch war der beste Handball-Torwart auf dem Großfeld. Mischi Redl der talentierteste, der die Umstellung vom Groß- aufs Kleinfeld problemlos geschafft hat." Der am 28. März 1929 in Mediasch geborene Haberpursch spielt nach dem Krieg in Mediasch für Vitrometan. Er gehört zu einem zweiten Schub von Spielern, die vom Armeesportklub CCA nach Bukarest geholt werden. Im November 1950, CCA ist nach einem manipulierten Spiel in Hermannstadt Meister geworden, zwei Wochen vorher hat Arsenal den Pokal gegen den Martha Draser und Rudolf Bukarester Armeesportklub gewonnen, Haberpursch mit den gewonnenen müssen Haberpursch aus Mediasch, An- Medaillen nach den Weltjugendspielen dreas Bretz aus Hermannstadt, Hans in Bukarest 1953 Zultner und Walter Lingner aus Schäßburg zu CCA. Der 1,88 Meter große Torwart aus Mediasch wird sich bei CCA und in der rumänischen Nationalmannschaft zum Weltklassentormann entwickeln. Auf dieser Position wird er Jahre lang die unumstrittene Nummer eins sein. Er gehört zu der Männerauswahl, die 1959 in Österreich die erste WM-Medaille für Rumänien gewinnt: Silber nach der Niederlage im Finale gegen die gesamtdeutsche Mannschaft. Mit dem Bukarester Klub gewinnt Haberpursch von 1951 bis 1954 drei Me_ister- und einen VizemeistertiteL 1954 wechselt er zu Vointa nach Hermannstadt Erbeendet seine aktive Laufbahn 1963 auf dem Kleinfeld. 164
Im Dezember 1955 heiratet er in Hermannstadt die spätere Handballweltmeisterin Magda "Baba" Draser. Sie wird zu der rumänischen Mannschaft gehören, die im Sommer 1956 in Frankfurt am Main den Weltmeistertitel erringt. Sie spielt das WM-Turnier durch, doch im Endspiel gegen Deutschland ist sie leider nicht dabei. Magda Draser-Haberpursch weiß zu berichten, wie sehr sie und ihre Mannschaftskameradinnen gestaunt haben, was sie elf Jahre nach dem Krieg wieder in Frankfurt und Umgebung zu sehen bekommen haben. Die am 10. Januar 1930 in Hermannstadt geborene Magda Draser kommt nach dem Krieg als Gymnasiastirr mit dem Handball in Berührung. 1946 ist Hans Schuschnig kurze Zeit ihr Trainer. Dann übernimmt Franz Monis und später Stefan Zoller die Mädchenmannschaft 194~ verpflichtet Derubau sie. In den ersten Nachkriegsjahren gibt es in Hermannstadt auch eine jüdische Handballmannschaft mit dem Namen Carmel, erinnert sich Magda Draser-Haberpursch, gegen die Derubau oft antritt, aber stets Oberwasser behalten hat. Magda Draser gehört der rumänischen Nationalmannschaft an, die unter Bruno Holzträger 1949 in Temeswar ihr erstes Länderspiel bestreitet und Ungarn unterliegt. Magda Draser nimmt als rechter Verbinder mit der rumänischen Nationalmannschaft an den Jugendweltspielen in Bukarest 1953 und Warschau 1955 teil. Sie beendet ihre aktive Laufbahn beim Klub und in der Nationalmannschaft 1957. Rudolf Haberpursch, der sich mit seiner Frau 1989, noch vor dem Sturz Ceau~escus, in Hessen niederlässt, ist am 30. Januar 1994 in Ewersbach gestorben. Der Sohn der Handballer Magda und Rudolf Haberpursch ist in die Fußstapfen der Eltern getreten. Der am 9. Oktober 1960 in Hermannstadt geborene Klaus Haberpursch beginnt bei Sportlehrer Wilhelm Klein an der Sportschule in Hermannstadt Handball zu spielen. 1979 nimmt Minaur Baia Mare den Rückraumspieler unter Vertrag. Er wird in die rumänische Junioren- und Jugendauswahl berufen. 1981 wird Klaus Haberpursch ist in die Fußstapfen der Eltern getreten, doch er ist als Angreifer eher der Mutter als dem Vater nachgeartet.
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er mit der rumänischen Mannschaft Studentenweltmeister in Frankreich. 1983 setzt er sich auf einer Tournee von Minaur ab und bleibt in Deutschland. In Ewersbach-Eibelhausen wird er noch lange Jahre Handball spielen. Inzwischen tun Klaus Haberpurschs Kinder die ersten Schritte auf dem Handballparkett: Vielleicht schaffen der zwölfjährige Lukas und seine 15 Jahre alte Schwester Lena den Sprung in die Handballspitze und tun es Oma, Opa und Vater gleich.
Christine Metzenrath-Petrovici
Als letzte Deutsche von Bord gegangen Anfang der 70er Jahre fehlen der rumänischen Frauen-Nationalmannschaft Spielerpersönlichkeiten. Nationaltrainer Gabriel "Bebe" Zugravescu vermisst sie sehr. 1971 hat er eine entdeckt: Christine Metzenrath von Uni Temeswar. Drei Jahre sind vergangen, seit die flinke Rechtshänderinder Spitzenmannschaft aus dem Banat zum ersten Mal in die rumänische Auswahl berufen wurde. Die drei Jahre haben Christine ausgereicht, um sich durchzusetzen, Zugravescu zu überzeugen. In einem Pressegespräch 1971 sagt Zugravescu: "Wenn ich vorstellen darf: Christine Metzenrath von Uni Temeswar ist heute eine Spielerpersönlichkeit". Die Aussage des TraiChristine Metzenrath-Petrovici ners kommt nicht von ungefähr. Wer in Zeitungen aus jener Zeit blättert, findet den Beweis dafür: Es sind Tore, die die flinke und durchsetzungsfähige Handhallerin in ihren Einsätzen als linker Flügel oder Kreisläuferin erzielt. Am 10. Mai 1971 steuert Christine zum 16:9-Erfolg über die Sowjetunion in Wien sechs Tore bei. In einem Kommentar vom November 1973 heißt es: "Als man schon alles verloren wähnte, schlugen Theresia Popa-Szekely und Christine Metzenrath, die beiden überragenden Spielerinnen des Meisters, noch einmal zu. Das Tor fiel buchstäblich mit dem Schlusspfiff." Diesmal steuert Christine "nur" zwei Tore zum 7:7 gegen den SC Leipzig bei, doch die sind um so wichtiger. Denn das Unentschieden bringt Uni Temeswar ins Endspiel um den Buropapokal der Meister in Preßburg gegen Spartak Kiew, das allerdings 8:17 verloren geht. Im Finale der fünften Hallen-Weltmeisterschaft in Belgrad am 15. Dezember 1973, das Rumänien 11 :16 gegen Jugoslawien verliert, steuert Christine mit vier Treffern mehr als ein Drittel der Tore des Silbermedaillengewinners bei. Vor den Olympischen Spielen in Montreal schreibt die "Neue Banater Zeitung": "Christi gehört zu den verlässlichsten Spielerinnen von Uni Temeswar, die heuer in souveräner Weise den achten Meistertitel gemacht hat." Weiter heißt es: Sie "hat einen ungebrochenen Kampfwillen." Das hat 167
sie immer wieder bewiesen, besonders nach einer schweren Gelbsuchterkrankung, als ihr wenige noch Chancen einräumten, an ihre Topform anknüpfen zu können. Doch sie hat die Zähne zusammengebissen "und ist heute noch besser als vorher". Entdeckt wird Christine Metzenrath von Monika Fischer (der Frau von Adam Fischer), die ihre Sportlehrerin an der Schule am Lahovary-Platz ist. Sie empfiehlt ihr und anderen Mädchen wie Hilde Hrivniak und Elisabeta Simo, in der Sportschule Handball ·zu spielen. Dort bringt ihr Trainerin Angela Willems nicht nur das Handballspielen bei, sondern auch die Freude und den Spaß an dieser Sportart. Die A-Liga-Mannschaft des Sportklubs Banatul mit Angela Mo~u, Theresia Szekely, Eva Kaspari wird in die Sportschule integriert. Ungefähr ein Jahr später trennt sich die Sportschule von der A-Liga-Mannschaft, die als Lyzeum Nr. 4 als einzige Schülermannschaft in der A-Liga spielt. "Obwohl wir sehr jung waren und wenig Erfahrung hatten, waren unsere Ergebnisse gut, zwei Mal ist es uns gelungen, gegen Uni Temeswar mit Edeltraut Sauer, Anni Nemetz und Angela Mo~u zu gewinnen. Trainer waren Tica. Popa und Anni Nemetz, Betreuer Tibi Sfercociu", erinnert sich Christine. Als bekannt wird, dass die Meisterschaft 1968 I 69 die letzte ist, in der eine Schülermannschaft in der A-Liga zugelassen ist, wechselt Christine zu Uni Temeswar. "Die Entscheidung, die Mannschaft des Lyzeums Nr. 4 aus der A-Liga herauszunehmen, war auch ein wichtiger Faktor, der dazu beigetragen hat, dass der Nachwuchs guter Handballerinnen nachgelassen hat", so Christine. Von 1968 bis 1977 spielt sie bei Uni unter Trainer Constantin Lache. "In dieser Zeit haben wir sechsmal den Meistertitel gewonnen, und einmal ist es uns gelungen, im Buropapokal bis ins Finale vorzustoßen", sagt Christine. "In der Nationalauswahl war ich erstmals 1966 bei den Junioren. In der Junioren-Auswahl, die 1967 Weltmeister wurde, durfte ich nicht mitmachen, weil ich zu jung war. Zugelassen waren Spielerinnen zwischen 18 und 21 Jahren. In der Nationalmannschaft spielte ich von 1968 bis 1976. Für die Weltmeisterschaft 1971 in Holland musste Rumänien sich gegen die UdSSR qualifizieren. Eine Chance hat uns kaum einer gegeben, wir haben es aber im dritten Spiel geschafft. Bei der WM in Holland wurde Rumänien Vierter. Ich konnte aus Gesundheitsgründen nicht mitmachen." Dabei ist Christine bei der WM 1973 in Jugoslawien, wo sie Silber gewinnt, ferner bei der WM 1975 in Kiew, wo Rumänien den vierten Platz belegt und sich damit für die Olympischen Spiele in Montreal qualifiziert. Christine hat mehr als 100 Länderspiele bestritten unter den Nationaltrainern Franz Spier, Gabriel Zugra.vescu und Constantin Popescu. Gekrönt wurde ihre sportliche Laufbahn durch die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1976 in Montreal, wo Frauenhandball erstmals olympische Disziplin war. "Leider haben wir keine Medaille gewinnen können und mussten uns mit dem vierten Platz zufrieden geben, aber dabei gewesen zu sein, war einfach erhebend." 168
"Weil mir Handballspielen viel Freude machte, habe ich nach einer kurzen Pause weiter bei IAEM Temeswar gespielt. Mit dieser Mannschaft haben wir den Aufstieg in die B-Liga geschafft und den in die A-Liga knapp verpasst." 1983, nach 20 Jahren, macht sie Schluss. Für die sportlichen Leistungen wird Christine mit den höchsten Auszeichnungen bedacht. "Der Temeswarer Frauenhandball war durch seine Erfolge und Spielerinnen hoch anerkannt. Dazu haben die deutschen Spielerinnen viel beigetragen: Namen wie Anni Nemetz-Schauberger, Edeltraut Franz-Sauer, Gerlinde Reip-Oprea, Roswitha Neurohr-Fuchs, Angela Mo§u-Huber, Hilda Hrivniak sind allen Handballfreunden bekannt. Leider ist die Zahl der deutschen Spielerinnen immer kleiner geworden, und zuletzt war ich noch als einzige dabei", so das Fazit von Christine Metzenrath-Petrovici. Christine, am 18. November 1950 in Bukarest geboren und seit 1960 mit ihrer aus Nitzkydorf stammenden Familie in Temeswar zu Hause, lebt seit 1989 in Augsburg. Nach dem Abitur studiert sie in Temeswar Betriebswirtschaft. "Mein Mann ist Sportlehrer, also aus der Branche, und hat deshalb großes Verständnis für meine Leidenschaft aufgebracht", sagt Christine heute. Sohn Alexander studiert an der Uni München und will Lehrer werden.
Christine Metzenrath im Angriff 169
Otto Schmitz
In Mediasch Meister, in Kronstadt Meistermacher In Stein, einem Dorf neben Reps, steht ein Mann am Dorfbrunnen, um Wasser zu holen. Ein mit zwei Mann besetztes Motorrad fährt vor. Der Fahrer ist der in Siebenbürgen allbekannte Paule Bub, sein Beifahrer Lui Konnerth aus Mediasch. Sie erkundigen sich nach einem gewissen Otto Schmitz, neulich aus Russland heimgekehrt. Der Gesuchte steht vor den beiden. Sie seien an Handballspielern für den Mediascher Erstligisten Karres interessiert. Nach einem Gespräch sagt Schmitz zu. Es ist Ende März 1947. Als Lehrer kann der Heimkehrer erst im Herbst zu arbeiten beginnen. Der am 2. Oktober 1920 in Seiburg bei Reps geborene Schmitz kommt 1936 als Schüler der Quarta des Georg-Daniel-Teutsch- Otto Schmitz Gymnasiums in Schäßburg mit dem Handballspiel in Berührung . Die QuartaKlassenmannschaft umfasst gute Handballer, die für die Schäßburger Coetus-Mannschaft willkommene ebenbürtige Trainingspartner sind. Ab Herbst 1937 in der Lehrerbildungsanstalt in Hermannstadt, ist Schmitz vier Jahre lang bewährter Stammspieler der Seminar-Coetusmannschaft, zu jener Zeit die wohl erfolgreichste Schüler-Handballtruppe. In ihren endgültigen Besitz geht nach mehrmaligem Gewinn die vom Mediascher Industriellen Karres gestiftete Stefan-Ludwig-RothWanderplakette. Weiterer Beweis für das Können der Mannschaft: Resultate wie das 14:0 im Endspiel der Schüler-Handball-Meisterschaft gegen Honterus Kronstadt bei der Schülerolympiade in Bistritz zu Ostern 1938 oder ein Freundschaftsspiel gegen die Banatia Temeswar in Hermannstadt, das die Seminaristen mit mehr als zehn Toren Unterschied gewinnen. In Begegnungen mit lokalen Schülermannschaften wie der Brukenthalschule, der Handelsschule oder Gewerbeschule sind die Seminaristen nicht zu schlagen. Einzig der Hermannstädter Turnverein (HTV) kann dieser Mannschaft Paroli bieten. Erinnert sei an ein Hallenhandballspiel im Winter 1937/38 in 170
der Messehalle, das nach 10:10 in der Verlängerung nach zwei Bombenwürfen an die HTV-Torpfosten 10:11 verloren geht. Im letzten Studienjahr spielt Otto Schmitz wiederholt auch in der ersten HTV-Mannschaft als Er,s atz für die zum Militär eingezogenen Stammspieler. All dies bewirkt, dass er bekannt wird. Die Begegnung beim Wasserholen führt nach Unterbrechung der Handballkarriere durch Krieg und Gefangenschaft für den bald 27-Jährigen zum Neuanfang. In Bannesdorfbei Mediasch wird Schmitz Lehrer und spielt in Mediasch Handball. Als Karres-Handballmannschaft (die Karres-Schuhfabrik patroniert die Mannschaft) werden die Mediascher 1947 Landesmeister, so Schmitz. Das Endspiel gegen Viforul Dada Bukarest (die Meisterschaft wird in zwei Gruppen ausgetragen) endet 7:3. Für Karres treten an: Otto Auner (Torwart), Willi Lapka, Bruno Holzträger, Franz Keul, Bubi Tischler, Emil Linzmeier (alle Verteidiger), das Innentrio im Sturm stellen Pus Theil, Georg Gunesch und Otto Schmitz, als Außen spielen Hans Kessler und Walther Maiterth als Ersatz für die Stammspieler Alfred Gutt und Waldemar "Bubi" Zawadzki, die als Schüler des Stefan-Ludwig-Roth-Gymnasiums verhindert waren, zum Spiel zu erscheinen. Zur Mannschaft gehörten ferner: Günter Gutt, Helmut Orendi, Emil Borza, Lui Konnerth, Lothar Konnerth, Erwin Terplan und Otto Binder. Otto Schmitz weiter: Der Leiter der Karres-Mannschaft vermasselt die
Dinamo Kronstadt 1953 in Meistertrikots (von links): Gerhard Heichel, Fritz Martini , Otto Schmitz, Ernst Pahan , Harald Schmidts, mittlere Reihe: Werner Schneider, Wilh elm Theis, Hans Zank, Peter Streitferdt, Heinrich Schuller, unten: Artur Jurak, loan Donca und Heinz Krestel; auf dem Foto f ehlen: Mazses Ba las und JosefZahari 171
Meisterschaft 1948. Weil Schmitz wegen einer Muskelzerrung nicht einsatzfähig ist, handelt er mit dem Gegner aus, statt des Meisterschafts- ein Freundschaftsspiel auszutragen. Doch das akzeptiert der Handball-Verband nicht. Karres verliert das Meisterschaftsspiel am grünen Tisch 0:3 und damit die Tabellenspitze. Aus Protest zieht Willi Lapka die Mannschaft aus dem Wettbewerb zurück. Und so wird Victoria Schäßburg trotz nachher überraschend verlorenen Spiels gegen Lugosch Landesmeister. Die Rivalität der beiden Städte belegen die Ergebnisse in den drei ersten Meisterschaften nach dem Krieg. Schäßburg wird 1946 und 1948 Meister und Mediasch 1947. "Bedauerlicherweise nahm die Rivalität zuweilen auch in Grobheiten auf dem Spielplatz Gestalt an", so Schmitz. Als Spitzenstürmer seiner Mannschaft bekommt er das am meisten zu spüren. Nach einem Spiel in Schäßburg - Schmitz hat drei der vier Tore zum Mediascher 4:3-Sieg geworfen - beziehen die Karres-Spieler beinahe Prügel. Am Spielende sackt Schmitz auf dem Platz zusammen und ist plötzlich von einer Schar wütender Schäßburger umringt, darunter ein höherer Polizeibeamter. Seine Rettung ist Marianne Wächter: Sie schreit den Polizisten an und fragt, ob er wisse, was er tut. Das bringt ihn zur Besinnung. Er stellt sich schützend vor den am Boden kauernden Schmitz und drängt die wütende Menge zurück. 1949 schaffen die Mediascher noch ein ansehnliches Resultat. Durch einen 7:5-Sieg über Poli Temeswar nach Verlängerung erreichen die Mediascher unter dem Namen Zefirul das Finale des Polkalwettbewerbs. Nach der regulären Spielzeit steht es 5:5. Die beiden entscheidenden Tore erzielt Schmitz durch 17-m-Freiwürfe. Das Finale verlieren sie allerdings 3:9 gegen CCA Bukarest. Ein Jahr vorher hat Mediasch gegen den Bukarester Armeeklub noch 14:4 gespielt. Vor Beginn der Herbstsaison 1949 wirbt Klaus Pus Theil, LeistungsSkiabfahrer bei Dinamo Kronstadt, um Handballspieler für den neu gegründeten Sportklub. Zur Mannschaft gehen Szücs, Bako, Linzmeier, Tischler, Folberth und Günter Gutt aus Mediasch. Aus Kronstadt stoßen zur Mannschaft: Artur Jurak, Harald Schmidts, Gerhard Heichel, Heinrich Schuller und Kurt Vogel, aus Schäßburg Mozses Balas und Theiß. In Hermannstadt, Agnetheln und Schäßburg hat CCA schneller abgesahnt. Die Doppelbelastung als Ski- und Handball-Trainer ist für Pus Theil untragbar. Er kennt Schmitz aus der Zeit bei Karres, wo sie gemeinsam Landesmeister geworden sind. Für ihn ist klar: Schmitz ist der richtige Mann für die Vorbereitung der zusammengestellten Mannschaft. Im April 1950 tritt Schmitz die Handball-Trainerstelle bei Dinamo Kronstadt an. Es folgen fünf erfolgreiche Jahre. Es sind die fruchtbarsten seiner Trainerlaufbahn. Es ist auch für die Handball-Abteilung des DinarnoSportklubs die erfolgreichste Zeit: 1953 Landesmeister, 1951, 1952, 1954 und 1955 Vizemeister. Diese Ergebnisse sind auch deshalb beachtenswert, weil die Kronstädter stets im Schatten des großen Bruders in Bukarest stehen, der bei Auffrischung des Spielerkaders immer den Vorrang hat. Das wird 172
Schmitz auch veranlassen, Kronstadt den Rücken zu kehren. Eine Spielerabgabe wird trotz momentaner Schwächung zum Segen werden. Die Bukarester wählen Ende 1951 selbst folgende Spieler aus: Szücs, Bako, Tischler und Balazs. Jetzt ist die Zeit für Neuverpflichtungen reif: Peter Streitferdt, Fritz Martini, Heinz Krestel und Ioan Donca stoßen zur Mannschaft, zu denen sich bald Hans Funk und Ernst Pahan und die aus der Jugendmannschaft hervorgegangenen Josef Zahari und Werner Schneider gesellen. Nach einem Jahr kehrt Mozses Balas aus Bukarest zurück. Mit ihnen und den verbliebenen Harald Schmidts, Gerhard Heichel, Heinrich Schuller, Artur Jurak, Wilhelm Theiß, Günter Gutt, Emil Linzmeier, Klaus Theil und auch Otto Schmitz, der in seiner ganzen Dinarno-Zeit mitspielt, wächst ein Team zusammen, dessen Mannschaftsgeist kaum zu überbieten ist. Dieser Mannschaftsgeist bildet den Grundstein der erzielten Resultate. Wenn im Laufe der Zeit auch der eine oder andere Spieler geht, erbringt die Mannschaft auch nach der Ära Schmitz gute Leistungen: 1956 den dritten Platz, 1957 den zweiten Platz. 1958 wird die Mannschaft noch einmal Landesmeister. Die Freundschaft zwischen diesen Sportlern besteht auch heute noch. Sie wird mit Treffen im Zwei-Jahres-Rhythmus in Deutschland gepflegt. Mitte der 80er Jahre macht Josef Zahari den Anfang. Er lädt gleich zweimal zum Dinamo-Treffen nach Augsburg ein, darauf sind Ernst Pahan in Hardheim und Breihafer in Heilbronn Gastgeber. Seit zehn Jahren ist Harald Schmidts Organisator der Treffen in Filderstadt-Bonlanden. Bereits 1951 zeigt sich, dass Schmitz mit der Mannschaft auf dem richtigen Weg ist. Nach dem dritten Sieg in Folge befindet sich Dinamo Kronstadt an der Tabellenspitze, die bis zur vorletzten Etappe behauptet wird. Ein 10:4-Sieg über Poli Temeswar, eine anerkannte Größe im damaligen Handhall, daheim und ein 7:4 gegen CCA in Bukarest versetzen die Experten in Staunen: "Wer sind diese Kronstädter? Alles Unbekannte außer Pus Theil und Schmitz von Karres." Diese Mannschaft wird dennoch durch ein manipuliertes Spiel am letzten Spieltag um den verdienten Landesmeistertitel gebracht, so Schmitz. Das Spiel gegen den Abstiegskandidaten Ploie§ti endet 3:4. In dem Buch "Ein halbes Jahrhundert Dinamo Kronstadt" wird diese "SchiedsrichterLeistung" zutreffend als "Titeldiebstahl" bewertet, so Schmitz weiter. Dieselbe Ploie§tier Mannschaft verliert in der kommenden Meisterschaft im Heimspiel 1:11 und in Kronstadt 0:10 gegen Dinamo. "Das lässt erahnen, was ein Schiedsrichter an Schändlichkeiten anwenden muss, um ein solches Ergebnis zustande zu bringen. Von Beginn an stoppt er jede Annäherung der Dinarno-Spieler an die 17-m-Linie, indem er angebliche Vergehen ahndet, in erster Linie Schritte", schildert Otto Schmitz den Spielverlauf. "Dennoch gelingt es Fritz Martini, durch einen überraschenden. Weitschuss ein Tor zu werfen. Der Richter entscheidet aber auf Freiwurf für Ploie§ti. In der 20. Minute steht es noch 0:0, worauf bei einem Freiwurf vor dem Dinarno-Tor ein Ploie§tier Spieler von 17 Meter den Ball einem Mannschafts173
kollegen an der ller Linie direkt zuspielt, so dass dieser ungehindert einwerfen kann. Torwart Heinz Krestel reagiert gar nicht, weil er damit rechnet, dass der Schiedsrichter wegen der Regelwidrigkeit abpfeift. Doch der entscheidet auf Tor." Nach der 1:0-Führung greifen die Ploie~tier Spieler nicht mehr an, sie spielen sich den Ball kreisend zu. Fast jedes Ballabjagen pfeift der Richter als regelwidrig ab und spricht dem Gegner den Ball wieder zu. Nach "Durchläufen", ohne den Ball zu tippen, erzielen die Ploie~tier zwei weitere Tore. In den letzten fünf Minuten pfeift der Schiedsrichter korrekt, und Dinamo verkürzt auf 3:4. Jede Kritik am Verhalten des Schiedsrichters wird in Bukarest nicht zur Kenntnis genommen, bald wird der Kläger zum Angeklagten, sagt Schmitz. Vor Vertretern des Sportministeriums, des Nationalen Sportkomitees, des Handball-Verbandes und der Schiedsrichterkommission wird den Kronstädtern unsportliches Verhalten vorgeworfen, sie werden sogar zu Feinden der Erdölarbeiter im Prahova-Tal gestempelt. Auch einige CCA-Spieler, darunter Johnny Kunst, sind unter den Zaungästen der "Anhörung". Als nachher auch die Dinarno-Klubleitung ihre ursprüngliche Haltung, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen, aufgibt, ist für Schmitz klar, was gespielt wird. Mit diesem zweiten in Folge gewonnenen Titel (1950 und 1951) werden die CCA-Spieler Meister des Sports. Das ist nicht nur vom Armeesportklub, sondern auch von der Verbandsführung und dem Sportministerium gewollt, denn das war ein Beweis für gute Arbeit. "Heute klingt es noch in meinen Ohren", so Schmitz, "wie die Vereinsführung mir mitteilt, sie habe den Einspruch aus politischen Gründen zurückgezogen." 1952 verpasst Dinamo Kronstadt die Meisterschaft erneut nur knapp mit einem Punkt und etlichen Toren. Hingegen wird eine Reihe von weiteren CCA-Spielern Meister des Sports, denn der Armeeklub holt den dritten Titel in Folge. Gegen das physische Potenzial des CCA-Sturmes 1954, von Kurt Wagner intelligent in Szene gesetzt, ist ohne annähernd gleiche Kräfte nicht anzukommen, so Schmitz. Außer einem Unentschieden gewinnt der Armeesportklub alle Spiele und wird verdient Meister mit zehn Punkten Vorsprung. Ähnlich verläuft die kommende Meisterschaft. 1956 gibt es am letzten Spieltag ein Wettrennen um Tore zwischen der Temeswarer Studentenmannschaft und CCA, die punktegleich an der Tabellenspitze liegen. In diesem Wettlauf leistet Textila Heltau, zu der Schmitz am Jahresanfang gewechselt ist, "entscheidende Schützenhilfe" für die Temeswarer. Weil viele Spieler nicht mitkommen wollten, muss Schmitz selbst in Temeswar auflaufen. Poli wirft in diesem Spiel gegen Heltau 27 Tore. CCA erzielt an diesem Spieltag 33, erinnert sich Schmitz. Die Temeswarer werden Meister, und die Heltauerfreuen sich mit ihnen. 1957 ändert der Handball-Verband den Austragungsmodus der Meisterschaft von Frühjahr /Herbst auf Herbst/Frühjahr. Deshalb gibt es ein halbes Jahr lang keine Meisterschaftswertung und deshalb auch keinen Absteiger. Diese Zeit nutzt Schmitz, um die Mannschaft zu verjüngen. 174
Deshalb ist sie in dieser inoffiziellen Wertung Schlusslicht. Das kreidet ihm die Klubleitung als Versagen an, er muss Textila Heltau verlassen und kehrt nach anderthalb Jahren nach Mediasch zurück mit dem Vorsatz, den Handball dieser Stadt aus der Anonymität herauszuführen, in die er durch den Abstieg aus der A-Liga 1951 geraten ist. Das misslingt jedoch. Wegen des Desinteresses aller sechs Großbetriebe in der Stadt, die nur den Fußball fördern, bestehen keine richtigen Trainingsmöglichkeiten für die Handballer. Die Handballmannschaft wechselt von einem Betrieb zum anderen und wird letztendlich nach Kleinkopisch abgeschoben. Diesen Umzug in den damals am meisten verseuchten Ort im Land macht Schmitz nicht mit. Ende 1960 übernimmt er eine Kleinfeld-Jungenmannschaft, in der hauptsächlich Schüler der Gaz-Metan-Berufsschule spielen. Schmitz hofft, mit den 17- und 18-Jährigen Erfolge erzielen zu können. In den Hallenturnieren im Winter 1961/62 hinterlässt die junge Mannschaft in Vergleichen mit Senioren- und Liga-Mannschaften wie Dinamo Kronstadt, Fogarasch oder Heldsdorf den allerbesten Eindruck. Als bei Schulabschuss Anstellungen mit Trainingsmöglichkeiten schlecht in Einklang gebracht werden, folgen mehrere Spieler der Werbung von Trainer Lasdir Pana nach Bacau zu dessen Liga-Mannschaft. Nach kurzer Zeit ist das Bacau-Fiasko beendet,
In Mediasch fo rmt Otto Schmitz (stehend rechts) Anf ang der 60e r Jahre eine starke Nachwuchsmannschaft . Ihr gehören an: (von links) Hans Blahm, Klaus Roth, Arnold Barth , Dietmar Ha nn, sitzend: Holger Schwarz, Hans Ziegler, Diermar Stirner, Oskar Schell, Roland Huda k, Horst Wa edt und Sirnon Bartesch; auf dem Bild f ehlt Klaus Litschel. 175
die meisten kehren nach Siebenbürgen zurück, gehen jedoch nach Kleinkopisch, wo sich inzwischen eine B-Liga-Mannschaft etabliert hat. So spielen die Mediascher Handballhoffnungen Klaus Roth, Oskar Schell, Dietmar Stirner, Holger Schwarz, Klaus Litschel, Hans Blahm und Horst Waedt in der Nachbarschaft Handball. Im Mai 1965 übernimmt Schmitz wieder die Frauenmannschaft von Sparta Mediasch - Ende 1959 hat er mit dem Aufbau der Kleinfeldtruppe begonnen - und schafft im zweiten Anlauf den Aufstieg in die B-Liga. Trotz des geringen physischen Potenzials der Spielerinnen - zwei sind nur 1, 56 m groß, die größte Feldspielerin misst 1,68 m- belegt sie sieben Jahre lang Platz zwei und drei, eine bewundernswerte Leistung. Bis zu seiner Pensionierung 1982 betreut Schmitz auch die Schülermannschaft des Mediascher Industrielyzeums, wo er ab 1968 als Lehrer arbeitet. 1989 verlässt er Siebenbürgen, um sich in Deutschland niederzulassen. Schmitz hatte das Glück, ein Leben lang seine beiden Hobbys zum Beruf zu haben. Das eine, den Handball, hat er inzwischen aufgegeben. Doch dem zweiten, der Musik, geht er heute noch in seiner Wahlheimat nach.
Adam Fischer
Das "Wunder" von Mindelheim Der Anfang war nicht einfach. Auch Adam Fischer aus Triebswetter hat es erfahren, wie viele, die aus dem Banat oder Siebenbürgen nach Deutschland gekommen sind. Sie haben überhaupt oder sehr lange keine Chance bekommen, um zu beweisen, was sie eigentlich können. Der Mann, der Hervorragendes auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung im Banater Handball geleistet und manchen Leistungsträger hervorgebracht hat, konnte von sich sagen, dass er auch in Deutschland an seiner Wirkungsstätte seinen Mann gestanden hat. Und er hat erfahren, dass er auf den einen oder anderen seiner Schüler aus dem Banat setzen kann. Auch auf Hansi Schmidt, die Handball-Legende aus dem Banater Adam Fischer Marienfeld. Als eine bundesweit erscheinende Zeitung 1975 druckt, der Lehrer des 98fachen deutschen Nationalspielers ist arbeitslos, kann sich Adam Fischer den Arbeitsplatz aussuchen. Auf seinem Tisch liegt ein Dutzend Angebote. Und später, als einige seiner Schüler und Kollegen nach Deutschland kommen, ist auch er sich nicht zu schade, ein Wort für sie einzulegen. Beispielsweise für Hansi Huber, der 1965 unter seiner Leitung Schüler-Landesmeister wird und später im Tor von Uni Temeswar, $tiinta Lowrin und Gloria Arad steht, und dessen Mannschaftskameraden Hans Burger. Die beiden unterrichten heute an derselben Schule im Allgäu wie einst Adam Fischer: am Maristenkolleg in Mindelheim. Der Schulleiter hat sie gerne aufgenommen, weil er wusste, was er an Adam Fischer hatte. Auch sie haben den Schulleiter nicht enttäuscht. Zu Fischers 50. Geburtstag am 25. August 1980 schreibt die Lokalzeitung: "Adam Fischer gilt als Vater des 'Mindelheimer Handballwunders'. Als er vor fünf Jahren in die Frundsbergstadt kam, war dieser Sport in weiten Kreisen noch unbekannt. Die Mindelheimer Handballabteilung bot nur 177
eine Männermannschaft mit einem knappen Dutzend Aktiven auf. Mit dem Sportlehrer aus dem rumänischen Banat kam der Aufschwung. Adam Fischer richtete sein besonderes Augenmerk auf die Jugendarbeit und gründete eine Damenmannschaft. Er trainiert sowohl die Männer- als auch die Damenmannschaft des TSV Mindelheim. Heute sind acht Frundsbergstädter Teams im Spielbetrieb; die Abteilung hat ihre Mitgliederzahl verzehnfacht Adam Fischers Erfolgsliste ist lang. Auf ihr stehen Allgäuer und schwäbische Titel mit den Nachwuchsmannschaften, eine Serie von Aufstiegen und der Gewinn der Bezirksliga-Meisterschaft mit den Damen sowie zahlreiche Siege mit Maristenteams in den Schulsportwettbewerben des Bayerischen Kultusministeriums." Doch vor den Midelheimer Erfolgen stehen jene im Banat. Adam Fischer, geboren 1930 in Triebswetter in der Banater Heide, kommt mit dem Handball in seinem Heimatdorf in Kontakt, macht eine kaufmännische Lehre und studiert von 1949 bis 1952 in Temeswar Sport. Als Student spielt er in der ersten Handball-Liga für Perjamosch und für Politehnica Temeswar. Nach dem Studium ist er Lehrer in der Temeswarer Fabrikstadt und am Annaheim in der Elisabethstadt. Gleichzeitig trainiert er die Handballjugend von Tehnometal Temeswar. Von 1955 bis 1958 leistet er den Militärdienst bei Tehnometal und betreut bis 1956 weiter die Jugend des Klubs, um dann die erste Tehnometal-Mannschaft zu übernehmen. 1959 wechselt Fischer in den Schuldienst, weil er dort seine Zukunft sieht. Er wird Lehrer an der Lehrerbildungsanstalt in der Josefstadt und an dem im selben ehemaligen Klostergebäude untergebrachten Gymnasium Nummer 10. Ab 1958 ist Fischer Trainer an der Sportschule in Temeswar. Fischer, durch seine ruhige, besonnene Art wohl allseinen Schülern in guter Erinnerung, hat stets das Ziel angestrebt, seine Schützlinge zu erziehen, sie sportlich zu begeistern und ihnen motorische Grundfertigkeiten zu vermitteln. Sportbegabte Jugendliche hat er gefördert und trainiert, um sie an den Hochleistungssport heranzuführen. Bei Tehnometal trainiert er in der Jugendmannschaft Ernst Pflanzer, Hans Neusatz, Dieter Fuchs, Hjalmar und Edwin Sauer, Dieter Chistenau. Am Gymnasium in der Josefstadt ist Hansi Schmidt sein Schüler. Von 1956 arbeitet Fischer mit Josef Jakob, Michael Gimpel, Michael Kalafuß, Franz Reitz, Peter Tasch, Nikolaus Dian, Peter Huhn und Leonhard Walzer. Zwei davon sind in die absolute Weltklasse vorgestoßen: Hansi Schmidt wurde Torschütze vom Dienst beim VfL Gummersbach und in der deutschen Nationalmannschaft in den 60er Jahren, Josef Jakob weltbester Rechtsaußen der 60er Jahre und Weltmeister 1964 mit der rumänischen Auswahl. Fischer bringt Gerlinde Reip aus Siebenbürgen nach Temeswar und führt sie zusammen mit Spielerinnen wie Anni Nemetz zur Schülerlandesmeisterschaft 1959. 1965 gewinnt er auch mit der Jungenmannschaft des Josefstädter Gymnasiums den Schüler-LandesmeistertiteL In jener Mannschaft stehen mit Hans Maurer und Hansi Huber zwei Mann, die den Sprung in die erste Liga schaffen. 178
"Es war sicher eine Sternstunde für das Maristenkolleg, dass Adam Fischer Sportlehrer in der Mindelheimer Schule wurde", heißt es in einem Beitrag für das Jahresheft 1985 der Schule. Er macht in Mindelheim und am Maristenkolleg "Handball heimisch und erregt durch erste Erfolge Aufsehen." 1978 übernimmt Fischer die Fachbetreuung in Sport am Maristenkolleg. Er geht auch "diese Aufgabe mit großem Sachverstand und mit hohem Einsatz an", heißt es in dem Bericht weiter. Fischers Rat ist gefragt beim Bau der Dreifachturnhalle, der Freisportanlage und des Stadions des Mindelheimer Kollegs. Weiter ist im Jahresheft des Maristenkollegs zu lesen: "Darüber hinaus war es sein besonderes Ziel, den Jugendlichen auf ihrem weiteren beruflichen Weg gezielt behilflich zu sein. Sein Organisationstalent ließ viele erstaunen. So waren die Bundesjugendspiele, an denen rund 1000 Schülerinnen und Schüler teilnahmen, so hervorragend organisiert, dass sie in einer unglaublich kurzen Zeit durchgeführt werden konnten. Sein kollegiales Wirken und sein freundliches Wesen ließen ihn bei allen Lehrern und Schülern gleichermaßen beliebt sein." Schlussfolgerung im Jahresheft des Maristenkollegs: Adam Fischer "hat eine Sportära am Maristenkolleg geprägt". Adam Fischers jüngste Tochter ist in Vaters Fußstapfen getreten. Die 1960 geborene Sigrid hat bereits am Sportgymnasium in Temeswar unter Trainer Parsch Handball zu spielen begonnen. In Deutschland macht sie weiter. 1975 nimmt sie mit dem Gymnasium Geretsried an der Endrunde "Jugend trainiert für Olympia" in Berlin teil. 1977 wird Sigrid in die bayerische Juniorinnenauswahl berufen. Von 1980 bis 1984 spielt sie in der Bezirksliga für Neugablonz, TSV Mindelheirn und Viktoria Augsburg. Adam Fischer ist am 12. Dezember 2002 in seiner Wahlheimat Dirlewang im Allgäu im Alter von 72 Jahren gestorben. Der große Nachwuchstrainer hinterlässt Frau, zwei Töchter und fünf Enkel. Fischer wurde unter großer Anteilnahme am 19. Dezember 2002 in Dirlewang beigesetzt. Die Mädchenmannschaft des Josefstädter Gymnasiums in Temeswar erringt 1960 den SchülerLandesmeistertitel auf dem Kleinfeld, von links, stehend: Adam Fischer, Gerlinde Reip, Erika Loch, Hilde Reinholz, Maria Dian, Maria Buta§, Monica Petrovici, sit::.end: Anni Nemetz , Annemarie Backin, Anni Kremer, Helene Klaus, Gertrude Schmidt 179
Walter Lingner
Mit 16 zum ersten Mal Meister In der Diele hängt ein zweieinhalb Meter langer Wandteppich. Er trägt vier Wappen: das Schäßburger, das Düsseldorfer, das Siebenbürger und das nordrhein-westfälische. Den Teppich hat der Hausherr selbst entworfen und aus Wolle geknüpft. Teppichknüpfen ist eine von vielen Freizeitbeschäftigungen des Textilingenieurs Walter Lingner. "Wer als Rentner nichts zu tun hat, der geht ein", sagt der am 28. September 1930 in Schäßburg geborene Lingner, der heute im Düsseldorfer Vorort Vennhausen lebt. Wenn er nicht am Knüpfrahmen sitzt, organisiert der zehnfache rumänische Meister im Großfeldhandball TrefWalter Lingner fen mit seinen ehemaligen siebenbürgischen Sportfreunden - das jüngste fand am 22 . September 2001 im nordrhein-westfälischen Drabenderhöhe statt-, redigiert die gut gestalteten "Schäßburger Nachrichten" oder tut etwas, um das Weltkulturerbe seiner Heimatstadt zu erhalten. Lingner, von seinem Sportlehrer Hans Kraus an der Bergschule und den Sportkameraden Hans Maurer und Rudi Eder für den Handball entdeckt, wechselt 1946 zur neugegründeten Victoria Schäßburg und wird auf Anhieb Landesmeister. Die erste Nachkriegsmeisterschaft ist fast ausschließlich eine Siebenbürger Angelegenheit: Die Gegner der Schäßburger Victoria heißen Vointa Mediasch, Karres Mediasch, Arsenal Hermannstadt, Akarat Odorhellen (Odorhei), Industria Sarmei Campia Turzii, KAKS Kerestur, AS Scheiu, Reschitza, Dermagant, OSP Hermannstadt, Viforul Dacia Bukarest. Die Meisterschaft auf dem Großfeld wird von einer Mannschaft unter Trainer Hans Kraus errungen, in der nur Deutsche spielen: Rudolf Eder, Hans Lehni, Richard Löw, Heinz Kartmann, Walter Schmidt, Hermann Kamilli, Wilhelm Zay, Hans Maurer, Horst Müller, Hans Wulkesch, Otto Andraschy, Hans Theil, Alfred Faszekas und Fritz Zimmermann. Den Titel 180
sichert sich die Schäßburger Mannschaft in den Endspielen gegen Karres (die ehemalige Lederfabrik) Mediasch, in deren Reihen Bruno Holzträger, Georg Gunesch, Waldemar Zawadzki und Willi Lapka stehen. Lingner, als Rechtsaußen und Rechtsverbinder eingesetzt, wird mit 16 als jüngster Victoria-Spieler Meister. 1947 übernimmt Rudolf Eder das Traineramt von Kraus und erringt 1948 den zweiten Meistertitel. Diesmal gewinnt die inzwischen in CSMS umbenannte Victoria-Mannschaft gegen das wiedererstarkte Hermannstädter Arsenal-Team beide Endspiele: 11:5 in Schässburg und 3:2 in Hermannstadt 1948 ist für Victoria ein besonders erfolgreiches Jahr: Denn nicht nur die Männermannschaft, sondern auch das Frauenteam wird Meister. Der erfolgreichen Frauen-Mannschaft gehören an: Martha Siegmund, Liane Roth, Frieda Herbert, Wiltrud Wagner, Anna Sancu, Edith Deppner, Adele Theil und Hermi Ehrmann. Während des Abiturs 1949 bestreitet der 1,83 Meter große und 83 Kilogramm schwere Modellathlet Lingner mit der Nationalmannschaft in Temeswar sein erstes Länderspiel gegen Ungarn. "Wir haben uns blamiert", sagt Lingner, "das Spiel geht 1:7 aus." Dem rumänischen Team gehören an: Ernst Wolf (Torwart), Wilhelm Kirschner, Emil Linzmeier, Walter Lingner, Bebe Zugravescu, Constantin Lache, Mozsi Balas, Ferenc Danics, Bernhard Roth, Günter Müller, Willi Schoger, Franz Spier, Georg Gunesch und Laszlo Kovacs. Aufs Abitur - die schriftlichen Prüfungen legt Lingner wegen des Länderspiels in Temeswar ab - folgt die Aufnahmeprüfung am Polytechnikum in der Banater Hauptstadt. Doch Lingner wird nicht angenommen, seine Eltern sind sogenannte "Ausbeuter". Die Folge: Wer nicht studiert, muss zum Militärdienst. Lingner kommt zur CCA, zum Zentralen Sportklub der Armee, nach Bukarest. "Damals stellten die Deutschen mehr als 50 Prozent der Sportler im Armeeklub, Ausnahmen waren die Sportdisziplinen Fußball, Basketball, Rugby und Volleyball", sagt Lingner. Damals gaben den Ton an: Hansi Söter, Hans Wiesenrneyer, Hans Berge! und Edith Treibal in der Leichtathletik, Lisbeth Bock, Felix Heitz und Magda Harasty im Schwimmen, Fritz Orendi, Helmut Orendi, G. Focht und Erhardt Sitzler im Turnen. Doch in keiner Sportart waren die Deutschen so dominierend wie im Handball: 90 Prozent der CCA-Spieler stammten aus dem Banat und Siebenbürgen. · In Bukarest trifft Lingner die Hatzfelder Roland Wegemann und Rudi Jost, den Perjamoscher Torsteher Michael Gimpel, die Mediascher Walther Maiterth, Georg Gunesch und Rudolf Haberpursch, die Hermannstädter Horst Kremer, Hans Bretz und Günter Höchsmann, die Agnethler Kurt Wagner und Kurt Sauer, um nur einige zu nennen. CCA-Trainer ist Franz Monis, der von Hermannstadt nach Bukarest wechseln musste. Zu den Schäßburger Erfolgen jener Zeit gesellen sich die Meistertitel von Karres Mediasch (1947) und Derubau Hermannstadt (1949), die unter der Regie der Trainer Lapka, Hans Schuschnig und Monis errungen wurden. Es sollten 181
die letzten großen Siebenbürger Erfolge im Männerhandball bleiben. Jetzt bricht die Zeit der Bukarester Klubs an, die eng mit dem Namen Johnny Kunst verbunden ist, einem aus Lugasch stammenden Banater. Auch er steht in CCA-Diensten. "Anfangs standen wir Siebenbürger mit Kunst auf Kriegsfuß", so Lingner, "weil er der Bessere sein wollte, aber nicht sein konnte. Überlegen war er nur theoretisch." Mit CCA gewinnt Lingner sechs Meister- und drei VizemeistertiteL 1950 ist CCA erstmals rumänischer Meister. Den zweiten Meistertitel erringen 1951 unter Franz Monis: Heinz Kartmann, Hans Andreas Bretz, Walter Lingner, Lucian Tiganu~, Rudolf Haberpursch, Cornel Opri~an, Otto Tellmann, Adelbert Weidenfelder, Johnny Kunst, Günter Höchsmann, Günter Müller, Kurt Wagner, Romeo Platon, HorstKremerund Hans Zultner. 1958 wechselt Lingner zurück nach Schäßburg, wo sich seine Karriere dem Ende nähert. Die Zeit des Kleinfeldhandballs ist angebrochen. Der eine geht, der andere kommt. Das trifft sowohl auf das Handballspiel als auch auf die nationale Struktur der Mannschaften zu. Die Deutschen haben wertvolle Entwicklungsdienste geleistet. Jetzt bricht die Zeit der rumänischen Spieler an. Doch so ganz ohne die Deutschen wird der rumänische Handball noch eine ganze Weile nicht auskommen. Ohne Spieler wie
1954 w ird der Armeeklub CCA mit zehn Pu nkten Vorsprung Landesmeister. Das Meisterteam , stehend von links: Lucian Tiganu~. Wa lter Lingner, Corne l Antonescu, loan Bota , Romica Platon, Johnny Kunst (Tra iner), Kurt Sauer. Otto Tellmann , C. Ceteni, Hans Andreas Bretz; sitzend: Kurt Wagner, RudolfHaherpursch, Cornel Opri~an, Vasile Sidea, Wa tther Maiterth , Nicolae Nedef 182
Michael Redl, Hans Moser, Josef Jakob, Kurt Sauer, Roland Gunnesch, Werner Stöckl und Hansi Schmidt wären die vier WM-Titel bei den Männern und die Medaillen bei den Olympischen Spielen nicht zu gewinnen gewesen. Der rumänische Handball-Präsident Johnny Kunst hat zweimal bedauert, dass der Nationalmannschaft deutsche Spieler nicht zur Verfügung standen. Zur Großfeldhandball-WM in Österreich durften Lingner, Hans Moser, Franz Jochmann, Rudi Jost und Kurt Sauer nicht fahren. Kunst: Das hat uns den WM-Titel gekostet. Einen weiteren WM-Titel hat Rumänien nach Kunsts Überzeugung 1967 verloren, weil Hansi Schmidt nach seiner Flucht nicht mehr zur Verfügung stand. Wieder in der Heimatstadt, setzt Lingner das in Bukarest begonnene Fernstudium an der Textilfachhochschule in Jassy fort, das er 1966 beendet. In Schäßburg arbeitet er sich bis zum Chefingenieur in der Baumwollweberei empor. 1977 wandert er aus und erlebt das Sterben der deutschen Textilindustrie. In Mönchengladbach findet er Arbeit, doch der Textilbetrieb muss nach einem Jahr schließen. Das gleiche wiederholt sich in Grevenbroich. Er wechselt in die Abteilung Projektsteuerung bei Mercedes-Benz in Düsseldorf, wo er zwölf Jahre lang bis zur Pensionierung 1993 arbeitet. Damit beginnt für Lingner die Unruhezeit Dochtrotz aller Verpflichtungen, die er eingegangen ist, treibt er auch heute noch Sport. Schwimmen, Skilanglauf und Radfahren stehen auf dem Programm. Bisher hat Lingner 18 deutsche Sportabzeichen und ebenso viele bayerische gemacht. Urd damit überhaupt keine Langeweile aufkommt, darf er sich zwischendurch auch das eine oder andere Mal um seine fünf Enkel kümmern. Es sind alles Jungen. Wegen seines Engagements für seine Heimatstadt wurde er 1997 Ehrenbürger der Stadt Schäßburg.
Alexander Fölker
Die Diplome mit der Samaranch-Unterschrift sind weg Alexander Fölker kommt vorn Handball nicht los. 1996 beendet der arn 28. Januar 1956 in Orschowa geborene Alex, wie ihn die Handball-Liebhaber nennen, seine Karriere im hessischen Melsungen, wo er kurze Zeit auch als Spielertrainer in der zweiten Bundesliga tätig ist. Alex stößt 1989 zu Melsungen und schafft 1991 mit dem Regionalligisten den Aufstieg in die zweite Bundesliga. Der Sport kostet ihn beinahe kurz vor Karriere-Ende den Wurfarrn. Eine Verletzung zieht eine Entzündung nach sich, Alex entgeht knapp einer Amputation. Heute ist der 1,96 Meter große ehemalige Rückraumspieler nebenberuflich als Sportdirektor für Melsungen/MSG Alexander Fölker im Melsunger Dress Bödiger tätig. Hauptberuflich arbeitet Alex als Industriekaufrnann. Er vertreibt bundesweit Medikalprodukte. Nach dem Entschluss, in Deutschland zu bleiben, schult der Elektrotechnik-Ingenieur um, um vorwärts zu kommen. Den Weg nach Deutschland findet Alex über Frankreich, wo er von 1987 bis 1989 für den Erstligisten Luc Lille spielt. Seine größten Erfolge feiert Alex jedoch in der Zeit, in der er für Politehnica Terneswar spielt. Von Ioan Cernescu in Orschowa entdeckt und von Junioren-Nationaltrainer Constantin Popa ans Sportgymnasium Nummer 2 inTerneswar geholt, wechselt er 1975 mit 19 zu Poli. Er ist nach Roland Gunnesch der zweite Spieler, den PaliTrainer Constantin Jude vor dem Zugriff der beiden übermächtigen Bukarester Klubs rettet. 1974 wird Alex mit dem Terneswarer Gymnasium Schüler-Landesmeister. Für Poli wird er auf der halblinken Position bis Dezember 1987 auf Torejagd gehen. Kaum ist er 1975 bei Poli, beginnt die Jagd des Bukarester Armeeklubs Steaua auf den erfolgversprechenden Rückraurnspieler. Im Herbst nimmt Poli in Galatz an einer Meisterschaftsrunde teil. Im Hotel, in 184
dem die Mannschaft untergebracht ist, stellen sich zwei Offiziere vor, die vorgeben, Fölker müsse um 16 Uhr den Zug in Richtung Klausenburg besteigen, um seinen Militärdienst anzutreten. Weil Alex nicht zu finden ist, fahren eine Stunde später zwei Offiziere mit zwei bewaffneten Soldaten vor dem Hotel vor. Sie fordern Poli-Trainer Constantin Jude auf, den Spieler herbeizuholen. Doch Alex erreicht die Sporthalle auf Umwegen, um mit seinen Mannschaftskollegen gegen Steaua Bukarest anzutreten. Am Spielfeldrand entbrennt eine Diskussion zwischen Steaua-Trainer Cornel Otelea, Jude und Alex. Die Bukarester hatten mit aller Macht vermeiden wollen, dass er in diesem Spiel gegen sie antritt. Nach ihrer Regie hätte er nach diesem Spiel auch einem Transfer zum Armeesportklub zustimmen sollen. Nach dem Spiel wird Alexin nasser Sportkleidung abgeführt und nach Klausenburg gebracht. Die anderen Rekruten werden erst zwei Wochen später in dem Regiment ankommen. Doch er hält allem Druck stand und bleibt Poli erhalten. Mit Poli wird er 1979 Vizelandesmeister. Dazu kommen zwei dritte Plätze in der Meisterschaft. Vorher hat er auch einen Meistertitel errungen, und zwar während seiner Militärdienstzeit 1976 mit Steaua Bukarest. 1975 wird Fölker erstmals in die rumänische Nationalmannschaft berufen. Insgesamt bringt es der große Blonde, den der gelernte Agronom Jude seiner Kraft wegen gerne mit einem Stier vergleicht, auf 253 Einsätze in der Nationalmannschaft. Dort setzen ihn die Trainer sowohl als Rückraumspieler als auch als zweiten Kreisläufer ein, beispielsweise bei der Weltmeisterschaft 1978 und bei den Olympischen Spielen 1984. Sein schönstes Spiel nennt Alex die Bt!gegnung mit der Sowjetunion bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau: "Die Russen liegen mit sechs Toren in Führung. Doch in der zweiten Halbzeit gelingen ihnen nur vier Tore, so dass wir das Spiel noch für uns entscheiden können." Alex Fölker wird zweimal Studenten-Weltmeister: 1977 in Warschau durch einen Sieg im Endspiel über Jugoslawien und 1981 in Paris gegen Frankreich. Er nimmt in seiner Karriere an drei Weltmeisterschaften teil: 1978, 1982 und 1986. Doch seine Medaillen gewinnt er bei Olympischen Spielen: 1976 in Montreal Silber, 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles jeweils Bronze. Die Medaillen besitzt er noch, allerdings die dazu gehörenden Diplome, die die Unterschrift des ehemaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch tragen, nicht mehr. Sie sind ihm beim Sturz Ceau~?escus gestohlen worden. Sein Haus in Temeswar wurde in seiner Abwesenheit geplündert. Fölker lebt in Melsungen mit seiner Frau und seiner dreizehnjährigen Tochter.
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Mora Windt und Fritz Martini
Weltmeisterin heiratet Landesmeister "Wir haben die jüngste Mannschaft gestellt bei der Großfeldhandball-Weltmeisterschaft 1956 in Frankfurt", sagt Mora Windt-Martini. In der Freizeit in Edenkoben suchen die rumänischen Nationalspielerinnen vierblättrigen Klee. Sie sind abergläubisch. Sie finden vierblättrigen Klee und werden Weltmeisterinnen durch ein 6:5 im Endspiel gegen Deutschland. "Der rumänische Handball-Verband hat bei dieser ersten offiziellen Feldhandball-WM der Frauen eine Mannschaft ins Rennen geschickt, mit der die Fachleute nicht gerechnet haben", sagt die am 7. August 1937 in Kronstadt geborene Mora Windt-Martini, "obwohl sie uns in den Vorbereitungsspielen beobachtet haben". Die erste inoffizielle mit nur vier Teilnehmern ausgetra- Mora Windt-Martini gene WM hat Ungarn im September 1949 ausgerichtet und auch gewonnen. Das letzte WM-Turnier auf dem Großfeld findet 1960 in Holland statt und endet ebenfalls mit dem Sieg der rumänischen Mannschaft. In der erfolgreichen Elf von Frankfurt stehen neben Mora Windt ihre ehemaligen Mannschaftskolleginnen von Progresul Kronstadt Mitzi Scheip und Anna Stark, ferner die Tschanader Torhüterin Irene Günther und Magda Draser-Haberpursch. In dem spannungsgeladenen Endspiel gegen Deutschland kann sich die junge rumänische Mannschaft durchsetzen. Sie gewinnt das erste WM-Gold überhaupt für Rumänien. Die Männer müssen sich noch bis 1961 gedulden. Die Leistung der Mannschaft in Frankfurt lässt sich der Handball-Verband einiges kosten: Jede Spielerin erhält 9000 Lei als Prämie. Mit dem Handball kommt MoraWindtauf der Sportschule in Kronstadt in Kontakt. Als Dumitru Popescu-Coliba§i 1949 die Handball-Abteilung bei Progresul Kronstadt gründet, gehört sie zusammen mit ihrer Schwester Senta, mit Anna Stark, Maria "Mitzi" Scheip, Anni Balint und Inge Klutsch zu den Spielerinnen der ersten Stunde. Nach dem Titelgewinn 1956 mit 186
Progresul wechselt die Mittelstürmerin, die ihre Tore in erster Linie mit Links wirft, zu Tractorul Kronstadt, wo sie bis 1962 Handball spielen wird, auch auf dem Kleinfeld. Das letzte Mal steht sie 1958 in der Nationalmannschaft. Doch vor den großen Erfolgen 1956 nimmt Mora Windt bereits 1953 und 1955 an den Weltjugendspielen in Bukarest und Warschau teil. Nach der WM ist sie auch 1957 bei den Spielen in Moskau dabei. Die Reise nach Moskau tritt die rumänische Mannschaft ohne Mora Windt an. Sie steht nicht auf der genehmigten Liste. Anscheinend ein Missverständnis, denn sie wird mit einer Sondermaschine in die sowjetische Hauptstadt geflogen. In der Zeit bei Progresul genießen Mora Windt und Anna Stark eine Sonderstellung. Sie dürfen als einzige Spielerinnen in zwei Meisterschaften antreten: samstags in der ersten Basketball-Liga für Vointa Kronstadt und sonntags im Handball-Oberhaus. Das Basketballspiel dient als Aufwärmung für die Handballbegegnung am Sonntag. Durch den Handballlernt Mora Windt den Mediascher Fritz Martini kennen, den sie im Mai 1960 heiraten wird. Der am 21. November 1932 geborene Martini gehört zu Fritz Martini den jungen Burschen, mit denen eine Handvoll aus Krieg und Gefangenschaft heimgekehrter alter Hasen 1946 einenNeuanfang in Mediasch wagen. Doch Fritz Martini gehört nicht der Truppe an, die Willi Lapka bei Karres um sich geschart hat, sondern Vointa Mediasch, wo der Gymnasiast mit Gyula Istvan und Laczi Szücs zusammenspielt 1951 verpflichtet ihn Dinamo Kronstadt Fritz Martini: "Eines Tages erscheint bei meinem Vater ein Dinamo-Vertreter und teilt ihm mit, dass der Klub mich als Spieler verpflichten möchte. Der Vater stimmt zu, obwohl ich noch nicht 18 bin." Zwei Jahre später wird Fritz als Deserteur in Mediasch gesucht. Er fährt in seiner Leutnant-Uniform zur Rekrutierung. Die Rekrutierungskommission macht große Augen und teilt ihm mit, dass er eigentlich zum Armeesportklub nach Bukarest hätte gehen sollen. Der Kronstädter Polizeiklub hat der Konkurrenz von der Armee einen Streich gespielt. Bei Dinamo hat Fritz noch viel zu lernen: "Otto Schmitz hat mir viel beigebracht, vor allem taktisch, er war ein prima Kerl." Fritz macht so große Fortschritte und erzielt als rechter Verbinder zusammen mit Harald Schmidt die meisten Tore, zusammen bis zu 70 Treffer je Meisterschaft. Er gehört zu den Erfolgsgaranten des Kronstädter Klubs. Er hat großen Anteil am Gewinn der Meistertitel 1953 und 1958. Fritz Martini berichtet auch von weniger Erfreulichem: vom Skandalspiel 187
1956 in Temeswar gegen Pali, das die Kronstädter wegen der Stundentenunruhen auf Befehl verlieren. "Wir mussten uns geschlagen geben, das haben zwar nicht alle gewusst, aber einige waren im Bild. Eine so schwache Abwehr, die den Studenten nicht gewachsen gewesen wäre, hatten wir nie." Und dann war noch das vom Schiedsrichter manipulierte Spiel in Ploie§ti, in dem Fritz ein Tor aus 30 Metern gelingt. Doch dieses Tor hat keinen Wert, weil der Schiedsrichter es aberkennt und so Dinamo Kronstadt um den Meistertitel bringt. Es wäre der dritte Titel für die Kronstädter gewesen. Ein Unentschieden hätte ihnen zum Titel gereicht. 1957 ist Fritz Martini Kapitän einer aus Bukarester Dinarno-Spielern und seinem Klubkameraden Ernst Pahan kurzfristig für eine DDR-Tournee zusammengestellten Mannschaft. Er erinnert sich: Am Vorabend der Abreise wusste noch keiner, wer mitfährt. Von den 16 zusammengezogenen Spielern durften schließlich elf mit. Die Reise geht nach Halle. Spiele werden ferner in Leipzig ausgetragen. Zu einem Spiel in Berlin kommt es nicht. Fritz Martini darf zum Unterschied von einer Reihe von Mitspielern als Dolmetscher mit nach Berlin fahren. Doch er muss stets in Reichweite seines Chefs bleiben. Bei Dinamo muss Fritz Martini 1960 aufhören, weil jemand angeblich erst zu diesem Zeitpunkt herausgefunden hat, dass er einen Onkel in Australien hat. Er wird im Traktorenwerk Kranführer und später TÜVPrüfer. Das Werk hat bereits eine Frauen-Handballmannschaft Fritz Martini wird nun auch eine Männermannschaft gründen, die in erster Linie auf ehemalige Dinarno-Spieler setzt. Dazu gehören Heinrich Schuller, Harald Brenndörfer, Gerhard Schwab und Ernst Pahan. Fritz Martini wird Spiel-
Dinamo Kronstadt und Bukw·est bei Dinamo Halle. 28.10. 1957. Fritz Martini stehend 6 .v.l. 188
macherdieser Mannschaft, die an den Kleinfeld-Meisterschaften teilnimmt. Mit ihr steigt er 1962 in die A-Liga auf. Er bleibt dem Tractorul-Team bis 1966 erhalten. Am 3. Mai 1979 trifft Fritz Martini zu einem Besuch in Deutschland ein und kehrt nicht heim. Seine Frau ist anderthalb Jahre später bei ihm in Waldkraiburg. Von 1983 bis 1992 trainiert er Handballmannschaften der unteren Klassen. Sein Auftrag: Ostblockmethoden einzuführen. Ein Herzinfarkt veranlasst ihn schließlich, das Traineramt aufzugeben: "Ich habe mich nur aufgeregt."
Hjalmar und Edwin Sauer
Die Titel im Doppelpack gewonnen Der Erfolg des Schülersportklubs Banatul 1959 hat für Aufsehen gesorgt. Die Mannschaft, die am Endturnier der Junioren-HalienLandesmeisterschaft in der Bukarester FloreascaHalle ohne Trainer antreten muss, kehrt mit dem Titel nach Hause- nach einem 19:17 gegen den von Eugen Trofin trainierten Schülersportklub Bukarest. Es ist das Jahr, in dem Hans "Purschi"Schuster mit den Hermannstädter Junioren den Landesmeistertitel auf dem Großfeld holt. Weil Trainer Constantin Lache erkrankt ist, fährt die junge Mannschaft mit dem Turnlehrer Sarbovan als Begleiter nach Bukarest. Und alles verläuft nach Wunsch. Ein Großteil dieser Mannschaft erringt im selben Hjalmar Sauer Jahr mit dem Nikolaus-Lenau-Gymnasium den Schüler-Landesmeistertitel in Neumarkt (Tg. Mure§) unter Trainer und Sportlehrer Nikolaus Parsch. Am Gewinn beteiligt sind die Brüder Hjalmar und Edwin Sauer aus Temeswar. "Dieser Sieg war einer der schönsten in meiner Laufbahn als Spieler", sagt Hjalmar. Er kommt noch vor dem Triumph 1961 gegen Dinamo Bukarest. Die Bukarester Schülermannschaft liegt 12:8 in Führung. Doch die Spieler des Nikolaus-Lenau-Gymnasiums um ihren überragend haltenden Torhüter Robert Ortmann, der kein Tor mehr zulässt, drehen den Spieß um und gewinnen buchstäblich in letzter Sekunde 13:12. Beim Turnier in Neumarkt wird die Mannschaft des NikolausLenau-Gymnasium obendrein als fairste und disziplinierteste ausgezeichnet. "Unser größter Fan, Schuldirektor Heinz Feichter, platzte fast vor Stolz", so Hjalmar Sauer. Edwin Sauer ist im Besitz einer Fotomontage, die vier Jahre lang in einem Ed»,.in Sauer Schaukasten an der alten Sporthalle neben der 190
Siebenbürger Kaserne in Temeswar zu sehen war: Sie zeigt die JuniorenMeistermannschaft Das Bild darf so lange gezeigt werden, bis bekannt wird, dass Hansi Schmidt 1963 nicht mehr aus Deutschland heimkehrt. Durch Zufall kommt das Bild, das für den Müll bestimmt ist, in die Hände Edwin Sauers, der es später über die Grenzen hinwegrettet Es zeigt neben den Sauer-Brüdern und Schmidt unter anderen Dieter Fuchs, Robert Ortmann (Torsteher), Günther Kreiling, Dieter Kappler, Michael Koppi, Dieter Christenau und Walter Ersch. Der sportliche Werdegang der Sauer-Brüder nimmt seinen Anfang bei Turnlehrer Adam Fischer im Elisabethstädter Annaheim. "Adam Fischer hat es ausgezeichnet verstanden, in Kindern spielerisch die Begeisterung für diese Sportart zu wecken", sagt Hjalmar Sauer. "Schon nach kurzer Zeit wurden auf der Freiluftanlage der Tehnometal am Begaufer die ersten Wettkämpfe ausgetragen, die bald Rachat-Pokal heißen werden, denn die Teilnehmer wurden mit unterschiedlichen Mengen dieser türkischen Köstlichkeit bedacht. Es waren stets genügend Spieler da, um vier bis sechs Mannschaften bilden zu können. Vertreten waren Kinder aller Banater Nationalitäten, die einträglich mit- und gegeneinander spielten. Es entwickelten sich Freundschaften, die bis heute halten. Unvergessen das Engagement von Fuchs-Bacsi und Tibi Sfercociu, die diese Entwicklung sehr lange begleiteten. "Die Zuschauer auf dem Tehnometal-Platz waren Freunde,
PoliTemeswar in der Spielzeit 1965166 , von links: Eugen lvan,JozsefKovacs, HjalmarSauer , J ulius Szabo, Gerd Stenze!, Roland Gunnesch; hockend : Mihai Constantinescu , Han s Maurer , Franz Demian, Ion Cow1siinJan , Dieter Fuchs und Edwin Sauer 191
Hjalmar Sauer 1968 mit Pali gegen Dynamo Halle. Die Temeswarer gewinnen das Spiel19:17.
Geschwister und Eltern", erinnert sich Hjalmar Sauer. "Damals spielten wir zum ersten Mal unter Flutlicht, weil es tagsüber unerträglich heißt war. Die Aufregung war stets riesengroß, ebenso das Lampenfieber. So viel Lampenfieber wie damals hatten wir später nicht mehr, als wir vor großer Zuschauerkulisse spielten." Hjalmar und Edwin Sauer gehören der ersten Generation an, die mit dem Kleinfeldhandball aufwächst. Über die Lenau-Schule und den Schülersportklub Banatul kommen sie zu $tiinta/Politehnica Temeswar. Der am 30. Januar 1942 in Temeswar geborene Hjalrnar wechselt 1959 nach dem Abitur zur Temeswarer Studentenmannschaft Bruder Edwin, am 6. März 1943 ebenfalls in Temeswar geboren, folgt ihm ein Jahr später. Doch vor dem Wechsel dürfen sie sich 1958 ein in Bukarest ausgetragenes Handballturnier ansehen, bei dem HG Kopenhagen vorführt, wie Handball auf dem Kleinfeld zu spielen ist. Edwin Sauer erinnert sich an die Dinamo-Mannschaft, die mit Petre Ivanescu, Virgil Hnat und Mischi Redl aufgelaufen ist, ferner an $tiinta, die in ihren Reihen Walther Maiterth und Hans Moser hat. Die Sauer-Brüder spielen mit Größen wie Hans Moser, Ion Margineanu, Constantin Jude, Ion Vlad, Viktor Kitza und Hansi Schmidt zusammen. Im Laufe der 60er Jahre stoßen zur Mannschaft Roland Gunnesch, Gerd Stenze!, Hans Maurer, Franz Demian und Rudolf Klubitschko. In den Jahren 1959 bis 1961 werden in der alten Sporthalle in der Siebenbürger Kaserne auf Schlacke von November bis März die Spiele um den Verbandspokal ausgetragen. Neben den Temeswarer Mannschaften Poli, Tehnometal, Mecanica, Progresul und der Sportschule Banatul nehmen Arad und Lugosch, aber auch zwölf Dorfrnannnschaften teil, sagt Edwin Sauer. Sie kommen unter anderem aus Großsanktnikolaus, Bogarosch, Wiseschdia, Sackelhausen, Gertjanosch, Perjamosch, Hatzfeld, Jahrmarkt und Lowrin. Unvergessen sind ihm die Spiele gegen Tehnometal, in deren Reihen damals Robert Flieg!, Franz Reitz, Josef Jakob, Ernst Pflanzer oder Michael Ehrenreich stehen. 192
Edwin Sauer hat angenehme Erinnerungen an die Zeit als Sportler bei $tiinta/Politehnica. Mit Jude, der nach seiner aktiven Laufbahn Trainer wird, ist Edwin gut zurecht gekommen. "Jude ist immer wieder vorgeworfen worden, dass er zu viele Deutsche in seiner Mannschaft hat. Doch er wusste, dass wir ihm keine Problerne bereiten", sagt Edwin. Wenn Steaua oder Dinarno Bukarest inTerneswar antreten mussten, sei stets einiges los gewesen. Und nicht selten ist Poli als Sieger aus diesen Spielen hervorgegangen. So wie 1961 beim Sieg über Dinarno Bukarest. In jener Saison belegen die Terneswarer mit Hansi Schrnidt in den Reihen den zweiten Platz in der Meisterschaft hinter Dinarno. Hjalrnar Sauer: "Für jene Zeit eine Sensation." 1968 darf Politehnica Rumänien bei den Jugendfestspielen in Bulgarien vertreten. Die Sauer-Brüder sind dabei. Zwei Brüder in einer Mannschaft, das bringt Konkurrenz mit sich, doch man versteht sich auch blind, sagt Hjalrnar Sauer. Wirkliche Problerne habe es nie gegeben, denn der 179 Zentimeter große Edwin als Spielmacher und der 184 Zentimeter große Hjalrnar als Kreisläufer haben sich nicht im Weg gestanden. 1969 nimmt Politehnica arn traditionellen Neujahrsturnier in West-Berlin teil. Die Terneswarer belegen den zweiten Platz, die Spiele werden im Fernsehen übertragen. Nach dem Turnier setzt sich Hjalrnar in Baden-Württernberg ab, arbeitet anfangs in den Farbwerken Hoechst in Frankfurt arn Main, absolviert anschließend ein Zusatzstudium in technischer Chemie an der Uni in Erlangen und promoviert mit einer Arbeit über Umkehrosmose. Das Studium und Verletzungen verbieten die Fortsetzung der Sportkarriere. Hjalrnar hört auf, Handball zu spielen. Von nun an hält er sich nur noch . mit Tennis fit. Seit 1981 arbeitet Hjalrnar Sauer in einer Erdölraffinerie in Lingen an der Erns, deren Produktionsleiter er heute ist. Zu seinen Hobbys zählt auch das Briefrnarkensarnrneln. Unter anderem interessieren ihn die alten Österreichischen und ungarischen Briefmarken mit Banater und Siebenbürger Stempel. Zum Unterschied von Hjalrnar kehrt Edwin 1970 nach Terneswar zurück und wird noch bis 1974 für Poli spielen. Er wäre zwar auch gerne in Deutschland geblieben, doch als frisch Verheirateter will er seine Frau -es ist die Handball-Weltmeisterin Edeltraut Franz- nicht allein lassen. Weil sein Vater nicht auswandern will, bleibt Edwin bis 1987 in Terneswar. Heute arbeitet er als Maschinenbauingenieur in einem Projektionsbüro in Ingolstadt. Er ist ein begeisterter Schachspieler und sammelt Ansichtskarten, auf denen Brücken abgebildet sind. Als sich Hjalrnar überraschend absetzt und in Deutschland bleibt, verursacht er einigen Wirbel mit unangenehmen Folgen für Jude und die Mannschaft. Doch diese Unstimmigkeiten sind längst vergessen. "Geblieben sind jedoch viele Erinnerungen und Freundschaften fürs Leben", sagt Hjalrnar.
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Thomas Wolf
Kurzer Heltauer Höhenflug Deutsche Lehrer und deutsche Schüler haben dem Handball nicht nur im Banat und in Siebenbürgen zum Durchbruch verholfen, sondern auch im Altreich. Der arn 5. August 1920 in Ploie~ti geborene Thornas Wolf ist Teil dieser Geschichte und weiß darüber zu berichten. Er ist der letzte noch lebende Mann der ersten Stunde, sagt er. Im Sommer 2001 wurden "65 Jahre Handball in Ploie~ti" gefeiert. Doch auf dieser Veranstaltung sei nur vorn Kleinfeld- und Hallenhandball die Rede gewesen. Was vor dem Krieg war, sei in Vergessenheit geraten. Und das ist Wolfs Geschichte: Nach der deutschen Grundschule in Ploie~ti Thomas Wolf besucht Tomi das Evangelische Gymnasium in Bukarest, weil es in seiner Geburtsstadt keine weiterführende deutsche Schule gibt. In Bukarest kommt Wolf mit dem Handball in Kontakt. Am deutschen Gymnasium unterrichten in erster Linie Lehrer aus Deutschland. Dazu gehört auch Grüderle. Seinen Vornamen hat Wolf vergessen, doch er weiß noch genau, dass Grüderle Boden- und Geräteturnen mit den Schülern geübt hat. "Einmal in der Woche wurde nachmittags Schlag-, Korb- und Handball gespielt. So lernten wir Handball spielen ". In den Ferien versuchen Wolf und seine Mitschüler Günther Reinhardt, Reini van der Vort und Dorel Dobreanu von der Bukarester Schule den Ploie~tiern das Handballspielen beizubringen. "Wir hatten Glück mit unserem Turnlehrer narnens Dietrich, der aus Mediasch stammte und der unsere Begeisterung schätzte. Er bereitete uns konditionell vor", so Wolf weiter. Wie der Zufall es will, findet diese Begeisterung auch anderwärts Gefallen. "Bei Rornulus Spirescu, der hatte in Bukarest Jura studiert und war ein begeisterter Handballanhänger." Sein Verdienst ist es, dass seit 65 Jahren in Ploie~ti Handball gespielt wird . Mit seiner Hilfe gelingt es, so Wolf, 1935 eine Ploie~tier Handballmannschaft aufzustellen. "Wir hatten auch das 194
Glück, dass sich die deutsche Flak um die Stadt zu organisieren begonnen hat. Die meisten Einheiten hatten Sportabteilungen, mit denen wir oft Handballspiele vereinbarten", erzählt Wolf. Spirescu vermittelt die junge Mannschaft dem Verein Prahova, dessen Präsident Peter Kopper ist, ein aus den Kolonien stammender Holländer, ein einflussreicher Boss im Erdölgeschäft Außer für Fußball hat er auch viel für den Handballsport übrig, so Wolf. Im Altreich gibt es in jener Zeit die so genannte Süd-Liga (Ligade sud), in der neben Prahova Ploie~ti vier Bukarester Mannschaften mitmachen: Viforul Dada, Velo-Sport-Club (VSC), CFR und der Turnver ein. Sporadisch machte auch eine Mannschaft aus Galatz in der Liga mit, und zwar Dada Unirea Industria Goldenberg. Doch nach zwei Jahren verschwindet diese Mannschaft von der Bildfläche. Zu den Spielern, die das Handballspiel nach Ploie~ti gebracht haben, stoßen Sandu Popescu-Balaon, Grigore Irirnescu, Corneliu Senchea, Fritz Schnetzler, Nicu Ghiondea, Ion Constantinescu und M. Gheorghiade. Dorel Dobreanu war ein guter Spieler, erinnert sich Wolf, doch er hatte wenig Spielpraxis. Trotzdem wurde er 1936 ins OlyrnpiaAufgebot berufen, "als Gegengewicht, weil die Mannschaft fast nur aus Deutschen bestand", sagt Wolf. Der Krieg unterbricht die Sporttätigkeit Ende 1945 wird die HandballAbteilung von Prahova Ploie~ti neu gegründet. Die Spieler kommen vorn Basketball. Zu ihnen gehören: Gheorghe Valvoiu und sein Burder, dessen Name Wolf nicht mehr einfällt, Artur Hofmann, Serafin Asot, Crain Theodorescu, Florin Corvatescu, Durnitru Antonescu und später Durnitru und Ion Lupescu.
Der Helrauer Turnverein 1940, von links: Fritz Neugebauer, unbekannt, Michael Petri, Ernst Barscher, Viktor Gündisch, Heinrich Fleischer, Artflur Paulini, Kar/ König, Hans Peter Bonfert, Wilhelm Mon·es, Lehrer Wilhelm Fran z 195
Im Herbst 1946 heiratet Wolf und geht nach Heltau. Anfangs spielt er weiter für seine alte Mannschaft. Doch die Entfernung bringt Schwierigkeiten mit sich. Der Gedanke, eine Mannschaft in Heltau zu gründen, beginnt ihn zu beschäftigen. Im Frühjahr 1947 lernt er Rolf Csallner kennen. Er befreundet sich mit ihm. Und der Mann, der einige Jahre lang in der ehemaligen Handballhochburg Bistritz gespielt hat, gibt Wolf manchen Tipp, so dass es zur Mannschaftsgründung kommt. Wolf kann eine Hand voll junger Leute für den Sport begeistern. Im Herbst 1947 findet das erste Spiel statt, und zwar gegen Neppendorf. Die Zuschauer sind begeistert, insbesondere die Deutschen, die noch immer mehr als drei Viertel der Bevölkerung in der Stadt ausmachen. Außerdem stellen die Deutschen 90 Prozent der jungen Spieler. Der ersten Handballer-Generation nach dem Krieg gehören an: Rolf Csallner, Günther Reichardt, Fritz Neugebauer, Michael Groß, Gerhard Pelger, Viktor Jack, Karl Theil, Ernst Weiß, Hans Bergel, Karl Mantsch, Hans-Peter Römer und natürlich Thomas Wolf. "Wir trainierten fleißig, und alle waren mit Leib und Seele dabei. Im Frühjahr 1948 zeigten wir unserem Publikum ein zweites Spiel", sagt Wolf. Zum Gegner hatten wir die damals erstklassigen Hermannstädter von Derubau. Wir konnten das Spiel nicht gewinnen, aber wir lernten immerhin etwas dazu." 1948 werden alle Betriebe enteignet, und Thomas Wolf verliert seinen Arbeitsplatz. Wolf und Csallner folgen der Einladung der Derubau, mit der Mannschaft ein Freundschaftsspiel gegen den Arbeitersportklub Lugasch auszutragen. Am nächsten Tag ernten die beiden in der Lokalzeitung eine so gute Kritik, dass Heltauer Handballfans alarmiert zur Parteiführung eilen, mit der Bitte, den Transfer der beiden nach Hermannstadt zu verhindern. Wolf und sein Freund werden sofort in der Tuchfabrik eingestellt und bleiben dem Heltauer Handball erhalten. Wolf kann seine Trainertätigkeit fortsetzen. Die Mannschaft beginnt sich allmählich zu behaupten. Sie steigt über die Kreismeisterschaft und nach Bestehen der Qualifikationsspiele nach 18 Monaten ins Handballoberhaus auf. "Die Freude war riesengroß, nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für unser begeistertes Publikum ",sagt Wolf. "In der ersten Liga wurde ein anderer Handball gespielt, die Gegner heißen jetzt Armeesportklub CCA Bukarest, Dinamo Kronstadt, Uni Klausenburg und $tiinta (Poli) Temeswar." Weil es keinen Nachwuchs gibt, viele sind noch in Kriegsgefangenschaft, die etwas Jüngeren in den Arbeitslagern in Russland, muss sich Wolf etwas einfallen lassen. Die Mannschaft muss verstärkt werden. Wolf nutzt ein Missverständnis zwischen dem erfahrenen Spieler Artur Hofmann und seinem Klub Prahova unb holt ihn nach Heltau. Aus Agnetheln bringt er die jungen Talente Heinz Lang und Daniel Henning. Sie schlagen tatsächlich ein. Eines Morgens kommt ein junger Bursche aus Frauendorf zu Wolf, der den Wunsch äußert, in Heltau Handball zu spielen. Es ist Hans Zank. Später stoßen zur Mannschaft: Hans Thierjung aus Bogarosch im Banat und Aka 196
Flechtenmacher aus Schäßburg. Mit ihnen ist eine neue Mannschaft der zweiten Handballer-Generation im Aufbau. Ihr werden noch angehören: Hans Krauss-Okosch, Peter Kapp, Alexander Bota-Kiss, Günther Schuster, Michael Simonis, Peter (Pick) Fleischer, Georg und Werner Ongert, Wieland Menning, Constantin Sorescu und Nicolae Balas. Diese Mannschaft wird mit Spielern der ersten Generation ergänzt, und Hans Berge! wird kurze Zeit noch als Konditionstrainer mitwirken. Später werden weitere Spieler hinzustoßen, so Jakob Ochsenfeld und Heinrich Frank aus dem Banater Perjamosch, Walter Kapp, Michael Gronnert, Steffi Span, Hans Span, Feri Zillich und Daniel Wächter. Die Mannschaft kann sich bis 1959 in der ersten Liga halten. "Das Geheimnis dieses Erfolges sind Fleiß und Disziplin", sagt Wolf heute. "Es ist mir gelungen, eine homogene Mannschaft aufzubauen, in der Jung und Alt vertreten waren, die sehr gut harmonierte und eine große Familie bildete." 1950 wird in Heltau eine Mädchenmannschaft gegründet, die sich in der Kreismeisterschaft sehr gut behauptet. Dieser Mannschaft gehören an: Erika Pelikan, Gerda Groß, Ilse und Inge Müller, Helga David, Liese! Simonis, Maria Sill, Anni Bauer, Rita Ziglasch, Wiltrud Zerbes und Irmgard Billes. Später kommen hinzu: Elsa Ochsenfeld, Marianne Kapp, Inge Groß, Doina Buta, Didona Albu und Sophia Schenker.1954 werden Schenker und Groß in die Nationalmannschaft berufen, wo sie mehrere Jahre mit machen. Im Frühjahr 1953 wird Wolf, der den Krieg in der deutschen Flak mitmacht, zu vier Jahren Lager am Donaukanal verurteilt. Nach Wolf werden Willi Kirschner, Willi Schoger und Otto Schmitz die Heltauer Mannschaft trainieren. Eine Reihe von Heltauer Spielern- Csallner, Heinz Lang, Bota-Kiss, Zank und Sorescu- werden zum Militärdienst einberufen und spielen für CCA. Ende 1957 findet Wolf "eine alte, müde Mannschaft in Heltau vor". Er stellt wieder eine Junioren-Mannschaft auf die Beine, in der machen mit: die Brüder Horst und Peter Herbert, die Brüder Horst und Juri Herbert, die Brüder Günter und Erich Simonis und Bonfert, Horst Petri, Kurt Billes, Oswald Melzer, Walter Scheiner, Gerhard Ongert, Wilhelm Huist, Hans Schneider, Günther Dorka und Gustav Gores. Den größten Erfolg erzielt die Mannschaft mit dem Gewinn der Landesmeisterschaft der Textilschulen. 1958 gelingt es der ersten Mannschaft, den von der Zeitung "Neuer Weg" gestifteten Pokal zu gewinnen, u.zw. durch einen Endspielsieg über die Mannschaft aus Hatzfeld. Im fogenden Jahr stellt sich Heltau vom Großfeld- auf den Kleinfeldhandhall um. Thomas Wolf kann sich nicht für den Kleinfeldhandball begeistern und übergibt die Mannschaft einem neuen Trainer. Auch die meisten Spieler machen den Wechsel nicht mit. Neue müssen herangeholt werden. Zu ihnen gehören Walter Lingner, Hans Göttfert, Wolfgang Schmidt und Walter Hietsch. Mit ihnen lebt der Heltauer Handball kurze Zeit wieder auf, um später in der Anonymität zu versinken. 1958 wird eine neue Mädchenmannschaft gegründet mit jungen 197
Spielerinnen wie Christa Comi§el, Roswitha Biel, Linde Rheil, Rita Groß, Irene Pikulski, Erika Pikulski, Erika Binder, Traute Binder, Gitta Simonis, Marlies Fleischer, Inge Kelp, Gudrun Kapp und Ursula Bretz.
H elrauer Handballer Anfang der 50er Jahre
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Maria Scheip-Constantinescu
Drei WM-Titel auf dem Konto Ohne Maria "Mitzi" Scheip-Constantinescu hätte Rumänien 1956 nie seinen ersten Weltmeistertitel gewonnen. Mit ihren strammen Würfen und ihrem Torinstinkt trägt sie in Frankfurt am Main wesentlich dazu bei, dass die rumänische Nationalmannschaft Weltmeister wird. Es ist der erste Titelgewinn einer Mannschaft des Bukarester Handball-Verbandes. Bis eine rumänische Herrenmannschaft Weltmeister wird, sollen noch ein paar Jahre in die Lande gehen. Bis dahin gewinnt Maria Scheip 1960 ihren zweiten Titel bei der GroßfeldWeltmeisterschaft in Holland. Zu den Erfolgsgaranten in Frankfurt am Main Maria .. Mitzi" Scheip gehören neben ihr Spielerinnnen wie Anna Stark, Irene Günther, Magda Haberpursch und Mora Windt. 1962 setzt Maria Scheip noch einen drauf: Sie wird bei der Kleinfeld-Weltmeisterschaft in Bukarest zum dritten Mal Weltmeisterin. Mit diesem dritten Titel krönt sie eine fast einmalige Sportlerlaufbahn. Ebenso viele Titel gewinnt noch ihre Klubkameradin Anna Stark aus Honigberg an ihrer Seite. Die Umstellung vom Großfeld aufs Kleinfeld ist nicht schwer gefallen, sagt Maria Scheip heute. Die Großfeldhandballerinnen seien technisch und taktisch gegenüber Kleinfeldspielerinnen benachteiligt gewesen. Doch sie hätten mit Ausdauer alles wett gemacht. Maria Scheip wird als sechstes Kind von neun Geschwistern am 21. September 1934 in Heldsdorf geboren. Hier besucht sie auch von 1941 bis 1949 die Volksschule. Sport ist ihr Lieblingsfach. Bei einem Leichtathletikwettkampf in Heldsdorf 1950 kann sie ihr Können unter Beweis stellen. Danach bewirbt sie sich um einen Platz in der Sportschule in Kronstadt Ihre Mutter unterstützt sie in diesem Vorhaben und spricht ihr Mut zu. Von 1951 bis 1955 besucht Mitzi die Sportschule in Kronstadt, wo Handball und Leichtathletik die Hauptdisziplinen sind. Weil Dauerlauf und Speerwurf ihr schwerer fallen als das HandballspieI, an dem elf Spielerinnen 199
beteiligt sind, entschließt sie sich für den Mannschaftssport und studiert Sport an der Hochschule in Bukarest. 1954 wird sie zum ersten Mal in die Auswahlmannschaft Rumäniens berufen. Damit beginnt ihre steile Karriere. 1955 beendet sie die Sporthochschule mit der Staatsprüfung. Sie findet auch gleich eine Stelle als Sportlehrerin in Heldsdorf, die sie aber nicht antreten kann, weil sie sich mit der Nationalmannschaft Rumäniens auf die Weltmeisterschaft vorbereiten muss. Sie spielt nun bei Progresul Kronstadt Den ersten Erfolg mit der Nationalmannschaft erzielt sie 1956 bei der Weltmeisterschaft in Frankfurt am Main, wo die Auswahl Rumäniens den Weltmeistertitel im Feldhandball durch ein 6:5 über Deutschland erringt. Im selben Jahr wird Mitzi Scheip mit Progresul Kronstadt Landesmeisterin. In dieser Zeit lernt sie ihren zukünftigen Mann kennen und übersiedelt nach Bukarest, wo sie für Rapid spielt. Weitere Erfolge mit der Nationalmannschaft: 1960 Weltmeisterin im Feldhandball in Holland, 1962 Weltmeisterin auf dem Kleinfeld in Bukarest. Erfolge mit Rapid Bukarest: 1961 Meisterin auf dem Groß- und dem Kleinfeld, 1963 und 1967 Landesmeisterin auf dem Kleinfeld, 1964 Europameisterin in der Tschechoslowakei durch einen Sieg im Endspiel gegen Dänemark. Nach der Geburt ihres Sohnes 1967 spielt sie noch sieben Jahre für Progresul Bukarest, aber ohne einen Titel zu gewinnen. Die Liebe und Leidenschaft für den Handball hat sie als Sportlehrerin auch auf ihre Schüler übertragen. Ihre berufliche Laufbahn beendet sie 1990. 1999, nach einem Spiel mit der Heldsdorfer Mannschaft in Deutschland, sagt Maria Scheip: "Nie hätte ich gewagt, zu träumen, mit 65 Jahren
August 1964: Maria Scheip-Constantinescu im Angriff
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in Deutschland bei einem Freundschaftsspiel als Älteste den Jüngeren in einer Notsituation zu helfen. Obwohl meine Kräfte nicht mehr überragend sind, haben sie noch zum Sieg gereicht. Bei der Siegesfeier muss Mitzi Scheip weinen. Denn sie steht wieder einmal bei "vielen wunderbaren Menschen im Mittelpunkt". Mitzi Scheip ist heute noch in Bukarest zu Hause. Sie hält sich weiter durch viel Bewegung in Form. Geschwister, Sohn und Enkel sind in Deutschland. Mitzi Scheip hat sich in die Vertretung der Evangelischen Gemeinde in Bukarest wählen lassen, wo sie recht aktiv ist. Doch davon macht sie nicht viel Aufsehens. Sie ist bescheiden wie eh und je. Auch heute sagt sie noch: "Siege oder Erfolge waren mir nie wichtig. Ich habe nur meinem Herzen gefolgt. Eine Frage hat sich mir aber immer wieder aufgedrängt: Habe ich das Richtige in meinem Leben getan? Nun weiß ich, dass meine Wege einen ordentlichen Ablauf hatten und ich zufrieden und stolz mit dem Erreichten sein kann. Ich freue mich und fühle mich glücklich, wenn ich sehe, dass es noch Menschen gibt, die nicht nur um Erfolge kämpfen, sondern auch um Liebe, die sich innerhalb einer Mannschaft entwickelt. Kurz gesagt: Sport war mein wahres Leben, er hat mir Zufriedenheit gebracht."
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Maria Scheip-Constantinescu versucht sich gegen drei Spielerinnen am Kreis durchzusetzen . 201
Teodor Pascu und Franz Marsehang
Der gute Geist von Perjamosch Der Krieg ist noch lange nicht vergessen, noch sind nicht alle aus den Arbeitslagern aus Russland heimgekehrt, mancher ist noch Kriegsgefangener, da tut sich eine Handvoll Banater Schwaben zusammen und schreibt Handball-Geschichte. Wir schreiben das Jahr 1946. Ein junger Lehrernamens Teodor Pascutritt als Organisator in Perjamosch auf und bildet eine Mannschaft. Wenige Jahre später w ird diese Truppe als erste Dorfmannschaft ins Handball-Oberhaus aufsteigen und von sich reden machen. Kaum aufgestiegen, wird sie einen herben Tiefschlag überstehen. Die Hälfte der Spieler wird im Juni 1951 in die Ver- Franz Marsehang bannung geschickt: in die Donautiefebene, aus Viehwaggons ausgeladen auf freies Feld. Diese schwierige Situation meistert die Mannschaft unter ihrem Trainer Roland Wegemann besser als je gedacht. Der Hatzfelder bringt Temeswarer Studenten als Verstärkung nach Perjamosch. Die Mannschaft kann sich einige Jahre im Oberhaus halten. Doch bis zum Aufstieg durchläuft der Perjamoscher Sport eine lange Entwicklung. Zuerst war der Fußball, dann der Handball - auch in Perjamosch. Wie die Perjamoscher Heimatchronik berichtet, spielen in den 20er Jahren im Fußballklub "Admira" meistens Studenten. Aus dem Klub geht der landesweit bekannte Fußballer Ödön Györy hervor, der mit dem Reschitzaer Verein UDR als dessen Mannschaftskapitän Landesmeister und Teilnehmer an den Balkanspielen wird. Mit der Gründung des Gewerbe-Sportvereins wird Fußball auf breiter Basis gefördert. " Im Verein spielten alle Fußball -vom Handwerker und Angestellten bis zum Akademiker. Die Seele des Vereins ist der Textilkaufmann Hans Griffaton, der 'seine'Lila-WeißMannschaft durch begeisternde Hingabe und perfekte Organisation zu motivieren weiß." Als der Eigentümer der Hutfabrik, Nikolaus Korber, ein Arbeiterheim und daneben einen Fußballplatz errichtet, gründet die Hutfabrik unter Emil Seelig ihren eigenen Fußballverein, Fußball-Klub Hutfabrik mit den 202
Klubfarben Schwarz-Blau. Zeitweise haben auch die Bauernjugend und die Zigeuner ihre eigenen Fußballvereine. Anfang der 30er Jahre beginnen Schüler und Studenten, die Siebenbürger und Temeswarer Schulen besuchen, neben Fußball auch Handball zu spielen. Hans Grünn schließt sie zu einer Mannschaft zusammen und trainiert sie. Um eine bessere organisatorische Grundlage zu haben, schließt sich die Mannschaft dem Gesellenverein LilaWeiß an. Erste Spiele werden gegen Mannschaften der umliegenden Gemeinden und Temeswarer auf der Rapid-Bahn ausgetragen. Ernst zu nehmender Gegner der Perjamoscher ist die Hatzfelder Hertha, so Teodor Pascu die Chronik weiter. Der Zweite Weltkrieg wirft den Handball zurück. Nach dem Krieg baut Hans Grünn erneut mit jungen Männern eine Handballmannschaft auf, die später als erste Dorfmannschaft in die A-Liga aufsteigt. Weil die Mannschaft nur aus Deutschen besteht, passt sie den Behörden nicht in den Kram, berichtet Teodor Pascu, der die Geschichte des Perjamoscher Großfeldhandballs nach dem Krieg festgehalten hat. Nur weil Iosif Dalea, Teodor Pascu und Iova Neamtu sich einsetzen, bleibt die Mannschaft erhalten. In den 30er Jahren wird in Perjamosch eine der ersten und besten Frauenhandball-Mannschaften im Banat gegründet. Spiele werden gegen Hatzfeld und Temeswar ausgetragen. Besonderes Anliegen des Vereins ist es, den Frauenhandball in den deutschen Dörfern der Banater Heide zu verbreiten. Zu diesem Zweck werden zusammen mit der Hatzfelder Frauenhandball-Mannschaft Demonstrationsspiele ausgetragen. Ende des Zweiten Weltkrieges bricht Elend über die Bevölkerung herein. Front, Flucht, Deportation und Enteignung des Grundbesitzes und der Häuser bringen die Menschen zur Verzweiflung. Da kann von Sport- die Jugend fehlt- keine Rede sein. Nur schleppend normalisiert sich das Leben. In dieser Zeit gründet Ioan Puiu die Fußballmannschaft "Vulturii". Angeregt von Jakob "Bill" Ochsenfeld und Hans Grünn, Eigentü- Horst Vollmann 203
mer des Textilunternehmens "Pertex", entsteht 1946 die Handballmannschaft Neben ihnen ist Lehrer Teodor Pascu Organisator, Trainer und der Mann für alle Fälle, der die Handballmannschaft bis 1956 begleitet. Den Kern dieser Mannschaft bilden folgende Spieler: Jakob Baum, Jakob Niklos, Jakob (Bill) Ochsenfeld, Matthias Recktenwald, Peter Frank, Eugen Schäffer, Johann Heinz, Sepp Vandor, Franz Zillich, Hans Tasch und Franz Martin. Sie stellen eine Handballmannschaft auf die Beine, die später die Gemeinde Perjamosch einige Jahre in die Schlagzeilen der Sportpresse bringt. Anfangs betreuen Hans Grünn, Teodor Pascu, Lehrer Franz Höckl und Lehrer Josif Dalia die Mannschaft. Das bei den Turnieren eingenommene Geld kann die Auslagen nicht decken. Erster Trainer der Mannschaft ist Hans Grünn. Als "Kapitalist"entfernt die Partei ihn jedoch als Trainer. Lehrer Höckl ersetzt ihn. Doch es tauchen neue Probleme auf. Mit Teodor Pascu hat die Mannschaft nur einen Rumänen in ihren Reihen. Das muss geändert werden, sagt die Partei. Pascu erhält den Auftrag, die Mannschaft zu "romanisieren". Hans Grünn empfiehlt, die Brüder Sabau aufzunehmen. Und damit ist das Problem gelöst. Schwieriger zu lösen ist die Geldnot. Die Mannschaft versucht unter die Fittiche der Hutfabrik zu kommen, aber kein Spieler arbeitet in der Hutfabrik Auswärtsspiele sind stets ein Problem. Anfangs stellt die Hutfabrik ihren Kleinbus zur Verfügung, später die Catina-Mühle ihren pferdegezogenen Wagen. Nach und nach gewinnt die junge Mannschaft die Sympathie des Publikums. Die deutsche Schule wird allmählich zur Sammelstelle für Handballer. Zu den Neuen gehören: Franz Engelmann, Josef Schönherr, Nikolaus Schreyer und Franz Marschang. Die Mannschaft ist erfolgreich, weil die Spieler zusammenhalten, Freunde werden, sich für das Handballspiel begeistern und an der Heimat hängen, sagt Teodor Pascu, der heute in Traunreut zu Hause ist. Als es das später nicht mehr gibt, ist der Abstieg besiegelt. Im Sommer 1949 gibt es bereits eine Reihe von guten Handballmannschaften: in Bogarosch, Orzydorf, Detta, Gertjanosch, Lugosch und Reschitza. Besonders stark sind die Hatzfelder. Die Perjamoscher Mannschaft träumt 1949 von der Qualifikation in die A-Liga. Im September 1950 ist es soweit. Die Qualifikationsspiele finden in Ploie§ti statt. Unter der Leitung der Lehrer Franz Höckl und Teodor Pascu wird Klausenburg besiegt. Das Selbstvertrauen der Mannschaft steigt. Im folgenden Spiel setzt sich Klausenburg gegen CAMT Bukarest durch, und Perjamosch schlägt Jassy, was zur Punktegleichheit führt. Perjamosch gwinnt auch das dritte Spiel gegen CAMT mit 6:3 und belegt den ersten Platz in der Endrunde. Zum ersten Mal steht ein Dorf in der ersten Liga. Das Ereignis wird sofort nach Hause gemeldet. Die Mannschaft kann kaum erwarten, die Freude des Sieges mit den Bewohnern von Perjamosch zu teilen. Die 204
Perjamoscher bereiten ihren Spielern einen festlichen Empfang mit Blasmusik. Doch die Wirklichkeit holt die Mannschaft schon bald ein. Sie ist berühmt, spielt ganz oben mit, aber ist genau so arm wie vorher. Sie kann sich keinen Trainer leisten und spielt weiter in denselben Schuhen, Trikots und Hosen, die "Pertex" vor einem Jahr gespendet hat. Die· Spieler brauchen Arbeitsstellen. Schönherr, Schäffer, Schreyer, Recktenwald, Engelmann und Peter Frank sind Lehrer. Heinrich Frank arbeitet im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, später in der Staatsfarm. Ochsenfeld ist im Familienbetrieb beschäftigt, Weiß in der Verwaltung, Sabau Jakob Kuhn in der Pertex, Heinz bei der Versicherung, Ehling arbeitet als Bäcker, Josef Vandor in der Hutfabrik, Martin im eigenen Strickereibetrieb, Zillich in der Hutfabrik Das Trainerproblem bleibt ungelöst, weil kein Geld vorhanden ist. Erst im Frühjahr 1951 kommt Pali-Spieler Roland Wegemann zweimal wöchentlich nach Perjamosch und trainiert die Mannschaft, die jetzt den Namen Flamura Ro~ie trägt. Das erste Spiel im Oberhaus wird in Perjamosch gegen Ploie~ti ausgetragen. Perjamosch unterliegt 6:7. Ein weitaus schwereres steht bevor: gegen Vointa Hermannstadt, den Meister von 1949 und Pokalinhaber. Das Spiel wird nicht in Hermannstadt, sondern in Rämnicu Välcea ausgetragen. Die Hermannstädter spielen überheblich, die PerjamosCher verbissen. Doch Hermannstadt führt in der Halbzeit mit 3:2. Zu Beginn der zweiten Halbzeit gleicht Frank zum 3:3 aus. Es sind noch 25 Minuten zu spielen. Beide Mannschaften spielen jetzt äußert konzentriert. Hermannstadt wirft ein, und Schönherr gleicht aus zum 4:4. Dann reißt Perjamosch das Spiel an sich. Ochsenfeld bringt Perjamosch 5:4 in Führung, und Heinz trifft nach erneutem Ausgleich überraschend mit der Linken zum 6:5-Endstand. Das Tor der Perjamoscher hat mit HansTathein Hermannstädter gehütet. Die Fachleute staunen. Wochenlang wird das Spiel kommentiert. Perjamosch gewinnt in folgender Aufstellung: Ochsenfeld (Kapitän), Frank, Schönherr, Schreyer, Heinz, Ehling, Recktenwald, Martin, Kleitsch, Engelmann und Tath. Nach dem Spiel wird Pascu nach Arad zum Sportverband "Progresul" gerufen. Dort erfährt er, dass die Perjamoscher Mannschaft ab sofort zu diesem Verband gehört. Er erhält eine Ausrüstung, Eintrittskarten und einen Vorschuss von einigen tausend Lei. Am Ende der Meisterschaft belegt Perjamosch den zehnten Tabellenplatz. Die Reise nach Perjamosch angetreten haben im Laufe der Saison 205
unter anderen: Heltau, Mediasch, CCA Bukarest, Politehnica Temeswar, Dinamo Bukarest, Dinamo Kronstadt, Schäßburg und Klausenburg. Alles hat so erfolgversprechend begonnen, dann ein Tiefschlag: die Verschleppung in die Donautiefebene, den Baragan, am 17. Juni 1951. Die Perjamoscher Handballelf verliert die Hälfte ihrer Spieler. Von den Verschleppten wird Thomas Wolf mit Bill Ochsenfeld und Franz "Feri"Zillich zwei Mann aus dem Baragan nach Heltau holen und dafür später büßen. Der Leiter der deutschen Schule, Dalia, nimmt Verbindung mit Schulrat Fridolin Klein auf und veranlasst die Versetzung von Hans Sadorf und anderen nach Perjamosch. Trainer Wegemann bringt die Studenten Franz Marschang, Constantin Jude und Adam Fischer als Mannschaftsverstärkung Von der alten Mannschaft bleiben Vandor, Heinz, Schönherr, Engelmann, Kleitsch, Schäffer und Ehling übrig. Nach einigen Spielen kommen aus Bogarosch Josef Ebinger und Andreas Straß hinzu. Heinz und Schreyer werden zum Militär einberufen. Neuer Torwart ist Giehl. An jene Zeit erinnert sich Dr. Franz Marschang: "Für den Neuling sah es zappenduster aus. In dieser nahezu aussichtslosen Lage findet Trainer Roland Wegemann, der seine Erfahrungen bereits in seinem Heimatort Hatzfeld gesammelt hat, einen Ausweg. Er organisiert ein Testspiel in Perjamosch. Aus Spielern der beiden ersten Mannschaften der Temeswarer Stadtmeisterschaft, des Eisenbahnerklubs und der Bierfabrik, stellt er eine Elf zusammen, die gegen die Perjamoscher antritt. Nach dem Spiel verpflichtet die Perjamoscher Klubleitung einige Spieler aus der getesteten Mannschaft." Auch Marsehang gehört dazu. "Drei weitere Spieler werden noch aufgetriebenen und so der erlittene Verlust in drei Wochen wettgemacht." Marschang, der damals in Arad einen Vorbereitungslehrgang für die Aufnahmeprüfung an der Hochschule besucht und wöchentlich zweibis dreimal zum Training in die Sperrzone nach Perjamosch fährt, wird immer wieder im Zug festgenommen, weil er keine Genehmigung hat, die Sperrzone entlang der serbischen Grenze zu betreten. Doch die Klubleitung weiß davon, der Dorfpolizist auch, und der Verantwortliche Pascu holt Marsehang samt Ausweis mit dem Fahrrad ab. Das Training kann beginnen. Mehr als die Festnahmen hält Marsehang jedoch der nächste Sonntag unter Spannung. Sein erstes Meisterschaftsspiel in der ersten Liga vor eigenem Publikum steht bevor, und gleich gegen die Hermannstädter, die bereits Meister und Pokalsieger geworden sind und in deren Reihen noch immer einige der neun Nationalspieler stehen, die 1949 in Temeswar gegen Ungarn aufgelaufen sind. Wie wird die Dorfmannschaft gegen diese Truppe abschneiden? Wie wird er selbst abschneiden, fragt sich Franz Marschang. Er ist erst 19 und unvermittelt aus der Stadtmeisterschaft in die erste Liga gelangt, und jetzt muss er gegen Nationalspieler antreten. Marschang: "Mir war mulmig. Da kann man sehr schnell ganz alt aussehen. Meine Skepsis wurde noch verstärkt durch ein Erlebnis am vorausgegangenen Sonntag in Ploie~ti, wo ich zusammen mit den anderen Neulingen in der Mannschaft die Feuertaufe in der ersten Liga erlebt habe, im ersten Spiel der Rückrunde." 206
Marsehang berichtet weiter: "Ich hatte eine gute Portion Lampenfieber, als ich damals zum ersten Mal vor so viel Publikum aufgelaufen war. Dann aber hatten wir- ich konnte es erst gar nicht fassen- wie in einem Lehrfilm gespielt und sechs Bilderbuchtore geworfen und bis zur Halbzeit nur einen Gegentreffer kassiert. Danach kommt jedoch der Dämpfer. Der Gegner hat die Handballbegegnung als Auftakt des Meisterschaftsspiels im FußballOberhaus angesetzt. Zu Beginn der zweiten Halbzeit sind die meisten Fußballanhänger schon im Stadion. "So erlebe ich zum ersten Mal als Akteur auf dem Rasen, wie es sich anhört, wenn 15.000 aus voller Kehle gegen dich anbrüllen. In späteren Jahren, als alter Hase, veranlasst mich solch eine Kulisse nur noch zu einem besseren Spiel. Doch in Ploie~ti, bei meinem ersten Auftritt im Handball-Oberhaus, wird das Gebrüll zur Höllenqual. Sobald unsere Stürmer den Ball verlieren, brandet das Schlachtgeschrei der Fans auf, die Gegner stürmen zu zehnt gegen unser Tor, wie aus einer himmelhoch aufgetürmten Welle, so schwappen die von tosendem Lärm vorgetragenen Angriffswellen über unsere Abwehrkette vor dem Strafraum. Und jeder Angriff endet mit einem Treffer. Der Halbzeitvorsprung ist dahin. Von unserem Lehrfilmspiel der ersten Halbzeit ist nichts mehr übrig. Die Partie ist gekippt, einem verschreckten Hühnerhaufen gleich sind wir durcheinandergestoben. Beim Abpfiff haben wir 6:7 verloren." Doch zurück zum bevorstehenden Spiel gegen Hermannstadt Marsehang berichtet weiter. "Es ist zum Verzweifeln. In zwei Stunden soll das Spiel angepfiffen werden, und ich fühle mich hundeelend. Schon am Vortag habe ich ein Kratzen im Hals verspürt, beim Mittagessen kann ich kaum schlucken: Mandelentzündung. Niki Schreyer nimmt mir das Thermometer aus der Hand, sein Gesicht wird immer länger, er sagt, du hast ja 40 Grad Fieber. Nach dieser Feststellung wird es ringsherum ganz still. Das hat noch gefehlt. Wir sind genau elf Spieler, denen man zutraut, überhaupt aufzulaufen gegen die Hermannstädter. Wenn ich nun ausfalle?" Marsehang erinnert sich weiter: "Hätten wir damals, an jenem denkwürdigen Augusttag 1951 gewusst, dass uns der Abstieg noch lange nicht bevorsteht, wir hätten dem ersten Heimspiel der Rückrunde sl!hr viel gelassener entgegengesehen."Damals wussten alle lediglich, dass hier ein zusammengewürfelter Haufen, in dem von jedem Dorf ein Hund vertreten war, gegen die großen Hermannstädter anzutreten hatte. Es galt, auf die gelungene erste Halbzeit von Ploie~ti aufzubauen. Mit den Worten "also, reißt euch doch einmal zusammen", gibt Schäfer das Zeichen zum Aufbruch. Auf dem Sportplatz angekommen, schlägt die Kirchenuhr drei. Um den Sportplatz stehen schon Hunderte von Zuschauern, der Zustrom reißt nicht ab. Bei Spielanpfiff sind es wohl 3000. Das Thermometer am zweigeschossigen Sportklubgebäude zeigt 40 Grad im Schatten. Die Hermannstädter sind mit dem Mannschaftsbus angereist und haben sich in den Schatten des Akazienwäldchens neben dem Sportplatz zurückgezogen. Marsehang weiter: "Vor dem Handballtor steht der legendäre 40-jährige 207
Wilhelm Kirschner, immer noch Mittelstürmer, vor zwei Jahren noch in der Landesauswahl, gefürchtet wegen seiner 16-Meter-Strafwürfe, die er unnachahmlich über die Mauer direkt ins Netz setzen kann. Er wischt sich den Schweiß von der Glatze. Solch fürchterliche Hitze hat er in den Karpaten wohl noch nicht erlebt." Das Umkleiden wird Marsehang zur Qual. Der Perjamoscher Arzt Erich Lammert kommt in die Kabine. Wegemann bekniet ihn, Marsehang Penizillin zu verabreichen. Erst das Argument, er solle ganz einfach einen Patienten behandeln, hilft. Zu spielen hat er ihm abgeraten. Marsehang erhält eine doppelte Dosis gespritzt. Sepp Schönherr, einer der wenigen, der in der Hinrunde in Hermannstadt dabei war, geht von Spieler zu Spieler und beschwört jeden, hinten dicht zu machen, "weil mir komme bei de Hermannstädter vore net dorch." Dann ist es soweit: Die Mannschaften laufen auf, reihen sich auf. Gleich nach Kirschner, dem Kapitän, der lange Haberpursch in Torwartkleidung, der sich neben dem noch längeren und überaus breitschultrigen Lahni fast schmächtig ausnimmt. Dann der Anpfiff. Die Hermannstädter · ziehen sich vorsichtig zurück. Die Sonne steht zwar hoch, aber sie blendet Haberpursch trotz Schirmmütze. Marschang: "Ich bleibe in der Abwehr stehen, traue mir kaum etwas zu. Vorne greifen unsere Leute hektisch an." Nach zehn Minuten ist der muskelbepackte Oskar Sipos, von Beruf Schlosser, im Ballbesitz und wirft aufs Tor. Der Ball, der Wurf ist im Ansatz nicht zu erkennen, fliegt Haberpurscham Kopf vorbei. Später, als Sipos bereits bei der Temeswarer Tehnometal ist, ersetzt ihn mit Ebinger ein ebenso bulliger Mann, dazu noch Linkshänder. Wenn er anlief und aufs Tor warf, hätte wohl nie einer vermutet, dass er einen Herzfehler hatte." Als Haberpursch hinter sich langen muss, schreit das Publikum auf. "Ich bin plötzlich ein anderer", so Marschang, "mit einem mal ist die Schwäche vergessen, der Schweiß beginnt zu strömen, mich hält nichts mehr hinten." Schönherr entwischt dem langen Lahni, und es heißt 2:0. Nach der Pause kommen die Hermannstädter. Sie gehen mit 3:2 in Führung, und dann "fällt mir wieder Ploie§ti ein", sagt Marschang. Doch diesmal ist das Publikum auf Seiten der Perjamoscher, die weiter angreifen und ausgleichen. Dann fasst sich Engelmann, der Flügelstürmer, ein Herz und wirft zur 4:3-Führung ein. Die Zuschauer peitschen die Perjamoscher nach vorne. Im Abwehrzentrum hat Lahni alle Hände voll zu tufl.. "Als ich in vollem Lauf auf Lahni zuspringe, pralle ich wie ein Tennisball von ihm ab." Und wann immer die Hermannstädter angreifen, ist Torhüter Jenö mit den angegrauten Schläfen auf dem Posten. An diesem Augusttag hat Jenö seinen großen Tag. Plötzlich ist die rechte Seite frei. Marsehang startet zum Gegenangriff. Jenös Ball findet ihn, und dann steht nur noch Haberpursch vor ihm. Marschang: "Ein Schuss in die lange Ecke wäre nie an ihm vorbeigekommen. Ich bin am Wurfkreis, ziehe aus vollem Lauf mit der Linken den Ball runter auf die kurze Ecke. Haberpursch hechtet, berührt mit den Fingerspitzen den Pfosten, wo er aus der Erde wächst. Doch er ist 208
den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Er hat noch das Pech, dass der Ball nicht aufspringt, sondern wie die Eishockeyscheibe über die Torlinie zischt." Es steht 5:3. Die Hermannstädter antworten. Fünf Minuten vor Spielende steht es 5:5. Drei Minuten danach entscheidet Oskar Sipos das Spiel. Perjamosch gewinnt die Hitzeschlacht 6:5. Die große Hermannstädter Mannschaft ist geschlagen. Ein denkwürdiger Tag für die Dorfmannschaft unter Roland Wegemann. Die Mannschaft grüßt das dankbare Publikum, und Marsehang sieht, dass über Oskars Wangen Tränen kullern. Auf Marsehangs Frage nach dem Warum antwortet Oskar in seinem Temeswarer Dialekt: "Sigst, sigst nit, mir arme Brieder, mir ham mer die große Hermannstädter gschlagn." Doch die Hermannstädter sind faire Verlierer. Sie nehmen die Einladung des Gegners an und kommen zur Siegesfeier in die Dorfkneipe. Die Mannschaften sitzen noch mehr als eine Stunde beisammen, und die Geldspenden der Drucker, der Fans, füllen die Gläser der Handballer. Seit diesem Tag ist Perjamosch ein gefürchteter Gegner. Schon das nächste Spiel gegen Dinamo Bukarest müssen die Perjamoscher im Temeswarer Eisenbahnerstadion austragen. Dinamo, die Mannschaft des Innenministeriums, hat angeblich keine Einreiseerlaubnis in die Grenzzone erhalten. Andere Mannschaften fangen diesen Ball auf, folgen dem Beispiel, und Perjamosch muss manchen Pun~t abgeben, der in Perjamosch nie
Die Pe1jamoscher Mannschaft nach dem sagenhaften Nachspiel von Bukarest gegen Jassy 1953, das als einzigartig in die Geschichte des rumänischen Handhalls eingeht. Die Banater Mannschaft gewinnt die Begegnung 5:3 mit folgender Aufstellung, stehend von links Franz Enge/mann, Josef Ehinger, Adam Fischer, Constantin Jude, Franz Vollmann, mittlere Reihe: Ernst Ehling, Franz Marschang, Petried Sahau, Andreas Straß , Nikolaus Me/eher, Hans Sadmf, sitzend: Teodor Pascu , Michael Gimpel und Betreuer Gaurici 209
verloren gegangen wäre. Und das Publikum in den ereignisarmen 50er Jahren ist betrogen. Unter der Leitung Wegemanns beginnen die Vorbereitungen für das Sportjahr 1953 schon im Winter im Turnsaal der deutschen Schule. Gut vorbereitet, tritt die Mannschaft im Frühjahr an. Im Spiel gegen CCA bietet Perjamosch den jungen Franz Vollmann auf, der sich auf Anhieb bewährt und zwei Tore erzielt. Das Spiel geht trotzdem mit 7:11 verloren. Im August 1953 verliert Progresul Perjamosch in Jassy. Das Rückspiel in Perjamosch wollen 3000 Zuschauer sehen. Es beginnt ohne Zwischenfälle. Nach der Pause baut Schönherr die Führung auf 3:1 aus. Dann passiert etwas Unerhörtes: Ein Spieler der Gäste läuft an den Spielfeldrand und ohrfeigt einen Zuschauer. Die Ordnungshüter beruhigen die Lage. Dennoch pfeift der Schiedsrichter in der 51. Minute das Spiel ohne Begründung ab. Er erklärt, die restlichen neun Minuten müssten auf neutralem Boden gespielt werden. Nach drei Tagen wird Perjamosch verständigt, die neun Minuten müssten in Bukarest ausgetragen werden. Das ist ein einmaliger Fall in der Geschichte des rumänischen Handballs. Progresul Perjamosch fährt nach Bukarest. Die Atmosphäre ist gespannt: Beifall für die Studenten von Uni Jassy, Beleidigungen für die Perjamoscher. Doch Trainer Wegemann und die Spieler bewahren die Nerven. Sie wissen, dass in neun Minuten nur schwer drei Tore zu werfen sind. Am Ende gewinnt Perjamosch 5:2. Ab Herbst wird Perjamosch nicht mehr dem Progresul-Lager angehören, sondern Recolta. Auf Anordnung des Zentralkomitees der Partei war dieser Verband für Mannschaften auf dem Land geschaffen worden. Von nun an spielt die Mannschaft für Warjasch. Im nächsten Jahr hat Recolta Warjasch/Perjamosch mit Franz Monis einen neuen Trainer. Ihm stehen folgende Spieler zur Verfügung: Schönherr, Engelmann, Heinz, Sabau, .Kleitsch, Schreyer, Ebinger, Straß, Vollmann, Kerzbeck, Marschang, Fischer und Jude. Torhüter sind Gimpel und Giehl. Monis versteht sich mit dem Neuzugang Gott nicht, der ein Mann der Warjaseher Staatsfarm ist. Die Staatsfarm besteht darauf, dass abwechselnd in Warjasch und Perjamosch gespielt wird. Pascu, das Faktotum, hat nichts mehr zu sagen. Die Mannschaft verliert Spiel um Spiel und steigt ab. Dazu Marschang: "Gewiss, jeder der damaligen Spieler hat sein Bestes gegeben, doch selbst aus heutiger Sicht bleibt es schwer verständlich, wie es möglich war, dass ein so bunt und eilig zusammengewürfelter Haufen, von so verschiedener Herkunft, von so großem Altersunterschied, so unterschiedlicher Ausbildung, so ungleich geartetem Naturell sich auf Anhieb gut verstanden hat und dieses gute Miteinander auch über drei Jahre hinweg dauerte. Wir waren geradezu eine eingeschworene und zutiefst verschweißte Gemeinschaft, es war der' gute Geist von Perjamosch' schlechthin, der uns zusammenhielt. Er hat es ermöglicht, auch in den folgenden Jahren Neuzugänge wie die drei Bogarascher Ebinger, Straß und Potje oder den Studenten Constantin Jude und den 17-jährigen Vollmann 210
problernlos in die Mannschaft zu integrieren. Nur der 'gute Geist von Perjarnosch' hat es ermöglicht, dass sich eine Dorfrnannschaft, die mit vielen zusätzlichen Widrigkeiten zu kämpfen hatte, vier Jahre lang in der Eliteklasse des Landes behaupten konnte, eines Landes, dessen Nationalmannschaft zur Großfeldhand ball-Weltspitze gehört hat." Wie wichtig ein solch guter Geist ist, beweist die Meisterschaft 1954. Obwohl die Truppe bereits über eine dreijährige Oberhaus-Erfahrung und über den besten Kader verfügt, den dieses Dorf je hatte, steigt die Mannschaft sang- und klanglos aus der ersten Liga ab. Vorn Nachbarort wird Zwietracht in die Truppe getragen, und der gute Geist von Perjarnosch geht unter. Bis 1956 spielt die Mannschaft in derB-Liga, um dann weiter abzusacken. Inzwischen formen Franz Marsehang und Franz Engelmann eine Jugendmannschaft, die um den Aufstieg in die B-Liga kämpft. Leider verliert sie das entscheidende Spiel. Zu dieser Mannschaft gehören Rudi Szabo, Jani Retschki, Doru Strutinski, Stefan Pozsar, Franz Prachthäuser, Jakob Geier, Hans Pfeifer, Karl Martin, Josef Kuhn, Walter Michels, Laszlo Bodor und Aurel Racatau. Sie steht unter der Schirmherrschaft der Hutfabrik und wird mehr als ein Jahrzehnt von Jakob Bauer und Jani Retschki geleitet. Franz Prachthäuser zieht 1960 nach Deutschland um und spielt weiter Handball im zu Siegen gehörenden Eiserfeld. 1968 kommt er mit einer Mannschaft nach Perjarnosch. Die Gäste fühlten sich in Perjarnosch sehr
Die Pe1jamoscher Mannschaft nach dem AufHieg in die erste Liga, stehend von links: Trainer Fran: Höckl, Matthias Recktenwald, Fran z Martin, Heinrich Frank, Johann Heinz, Franz Enge/mann , Unbekannter knieend: Franz Zillich , Kapitän Bubi Ochsenfeld, Peter Frank, sir:end: ManagerTeodor Pascu, Petrica Sahau, Torwart JosefVandor. Ernst Ehling und Hans Grünn.
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wohl. Es entstehen Freundschaften, Ehen werden geschlossen. Ergebnis: Heute leben etwa 200 Perjamoscher in Siegen. So vergehen die Jahre. Die meisten Perjamoscher Handballer sind in alle Welt verstreut, mancher lebt nicht mehr. Nach dem Ende der Großfeld-Ära kann der Perjamoscher Handball auf dem Kleinfeld an die Erfolge der 50er Jahre nicht mehr anknüpfen. Anfang der 70er Jahre betreuen Sportlehrer Jakob Kuhn und Horst Vollmann die Mannschaft, spielen aber weiter mit. Vollmann, am 10. Dezember 1943 geboren, kommt in Perjamosch mit dem Handball in Berührung, spielt in Temeswar bei Electrometal, wechselt 1963 zu Tehnometal und erlebt, wie die große Mannschaft des Temeswarer Klubs auseinanderbricht 1972 verlässt Vollmann Tehnometal und kehrt heim nach Perjamosch. Jakob Kuhn, am 26. April 1949 geboren, spielt zuerst in Perjamosch Handball, dann als Student für Uni Temeswar in der B-Liga und anschließend für Tehnometal. 1971 ist er in Perjamosch und versucht den Handballbetrieb anzukurbeln. 1972 gewinnen die Perjamoscher den für Dorfmannschaften ausgelobten Pokalwettbewerb. Doch bald ist es mit der Herrlichkeit in Perjamosch vorbei: Vollmann und Kuhn verlassen Perjamosch, siedeln aus. Kuhn wird den RSV Eiserfeld trainieren und unter anderen Jörn Uwe Lommel entdecken, der für TuSEM Essen spielen wird.
Edeltraut Franz-Sauer
Mit 20 auf dem WM-Siegertreppchen Wenn die Temeswarer $tiinta/Politehnica in den 60er Jahren auf dem Handballplatz im Schatten der Pappeln unweit des Bega-Ufers sonntags zum Spiel angetreten ist, hatten die Zuschauer meist schon den ersten Applaus gespendet. Denn: Wenn es sich einrichten ließ, war die Frauenmannschaft von $tiinta/Uni Temeswar zum Auftaktspiel aufgelaufen. Und was die Mannschaft damals zu bieten hatte, gehörte zum Feinsten im rumänischen FrauenhandbalL Zu den Spielerinnen, die in jenen Jahren zur Unterhaltung der Handballanhänger beitragen, gehört Edetraut Franz-Sauer. Und dem Umstand, dass Edeltraut Fran z-Sauer die beiden Temeswarer Studentenmannschaften an einem Tag nacheinander spielten, ist es zu verdanken, dass die gebürtige Edeltraut Franz heute den Namen Sauer trägt. "Der Handball hat mir einen Mann eingebracht", sagt sie heute. Nach den Sonntagsspielen gehen beide Mannschaften meistens gemeinsam zu Mittag essen. Dabei lernt sie Edwin Sauer, damals Spielmacher bei Politehnica, näher kennen. 1968 ist Edeltraut Edwins Frau. Die Erfolge der gebürtigen Heldsdorferin liegen schon einige Zeit zurück. Am 18. Dezember 2001 ist Edeltraut Franz-Sauer 60 geworden. Doch ihre Erfolge dürften so manchem Handballfreund noch gut in Erinnerung sein. Der Weg der Edeltraut Franz führt über Tractorul Kronstadt und die Nationalmannschaft aus dem Burzenland ins Banat zu $tiinta/Uni Temeswar. Bereits in Helcisdorf spielt sie in der von ihrem damaligen Lehrer Hans Franz betreuten Schülermannschaft Handball. Mit ihr wird sie manches Spiel in den Ortschaften des Burzenlandes austragen. 1956 steht sie bereits als 15-Jährige in den Reihen der unter dem Namen Recolta Helcisdorf spielenden Mannschaft auf dem Großfeld. 1958 wechselt Edeltraut Franz zu Tractorul Kronstadt, wo sie noch ein Jahr lang in der Großfeld-Liga spielt. 1960 steigt Tractorul nach dem Zusammenschluss mit der Mannschaft der Sportschule in die erste KleinfeldLiga auf. Zur Mannschaft gehören ferner Mora Edeltraut Fran z 213
Windt-Martini, Senta Windt, Uta Bugel und Juliane Nako. Trainer der Mannschaft ist Dumitru Popescu-Coliba~i. Nach dem Aufstieg und der Umstellung aufs Kleinfeld wird Edeltraut Franz 1960 erstmals in die Nationalmannschaft berufen und darf am Länder-Turnier um die KarpatenTrophäe teilnehmen. 1962 wird sie mit der rumänischen Handball-Nationalmannschaft Weltmeisterin auf dem Kleinfeld beim WM-Turnier in Bukarest. Im Endspiel besiegt die rumänische Mannschaft Dänemark. In der Weltmeistermannschaft stehen ferner Maria Scheip, Victorita Dumitrescu, Anna Stark, Ilona Nagy, Aurora Leonte und Anni Nemetz. Die verletzte Gerlinde Reip sitzt auf der Tribüne. Nach der WM zieht es Edeltraut Franz nach Temeswar, denn dort bietet sich die Chance, ein Studium an der Sporthochschule aufzunehmen, das sie auch erfolgreich beenden wird. Der Wechsellohnt sich aber auch in sportlichen Hinsicht. Die Temeswarer Studentinnen werden 1964 mit Trainer Viktor Kitza die Vormachtstellung der Bukarester Klubs Rapid und $tiinta beenden und den ersten Landesmeistertitel auf dem Kleinfeld nach Temeswar holen, dem noch eine ganze Reihe folgen werden. Im nächsten Jahr reicht es "nur" zur Vizemeisterschaft 1966 ist die Temeswarer Mannschaft erneut Meister, und mit ihr auch Edeltraut Franz und Anni Nemetz. 1965 nimmt sie in Deutschland an ihrem zweiten WM-Turnier teil. Doch
Me ister Uni Temeswar 1971 : (v. l.)Christine Metzenrath , Elena Onofra!j-Stoicovici, Constantin Lache , Cornelia Hristov, R ektor Petre Stanciu, Edeltraut Franz-Sauer , Theresia SzekelyPopa, Ion Panduru, Georgeta Priscu, Gorita Gavrilov, (hockend) Nadire 1badula-Lufa!j, l olanda Rigo, Elisabeta Simo, Hilde Hrivniak, Gheorghe Tache und Gerlinde Reip 214
dort belegt die rumänische Mannschaft nur Platz fünf. 1968 wechselt Edeltraut Franz-Sauer zu Constructorul Temeswar, die damals auch in der ersten Liga spielt. 1970 steigt die Mannschaft ab, und Edeltraut Franz-Sauer geht zurück zu Uni, für die sie bis 1975 spielen wird. Mit Uni wird sie das Endspiel im Buropapokal der Meister erreichen. Insgesamt gewinnt Edeltraut Franz-Sauer mit Uni Temeswar drei Meistertitel. Nach der aktiven Laufbahn wird sie in Temeswar an verschiedenen Schulen Sport unterrichten. Nach der Umsiedlung nach Deutschland ist sie Trainerin bei Schwabach 04, mit der sie die Bezirksmeisterschaft gewinnt. 1991 gibt sie die Trainertätigkeit auf. Von ihren Kindern versucht sich nur Tochter Astrid als Handhallerin und bringt es bis in die Bayern-JugendauswahL Heute ist die Tochter nicht mehr aktiv.
Karl Martini
Das olympische Feuer durch Großau getragen Karl Martini kann es nicht lassen. Seit 1990 ist er Rentner. Und im Sommer 2001 hat es ihn noch einmal gepackt: Er hat wieder eine Jugendmannschaft übernommen, die C-Jugend des TSV Indersdorf, 13und 14-Jährige. Martini sagt von sich selbst, er sei ein Handballverrückter. Und als solcher möchte er es noch einmal wissen. Er will sich und anderen wie schon so oft beweisen: "Wer ernst arbeitet, der kann auch etwas erreichen."Auch im Handball heißt das, aus jungen Leuten gute Spieler formen, ja selbst Nationalspieler hervorbringen. Erfolge sind nichts Neues für den am Kar/ Martini in Lederhosen 17. Oktober 1933 in Jakobsdorf im Harbachtal geborenen Martini. "Der Handball hat mir zu dem verholfen, was ich heute bin, er hat mich getragen, doch meine wahre Liebe ist die Skiabfahrt", sagt er. Mit dem Sport in Kontakt kommt Martini auf der Bergschule in Schäßburg, wo er vier Jahre lang das Gymnasium und eben so lang das Lehrerseminar besucht. Der berühmte Sportlehrer Hans Kraus, Caruso genannt, spielt mit den Schülern im Sommer Handball und im Winter Eishockey. Kraus ist der Mann, der mit Victoria Schäßburg nach dem Krieg zwei Meistertitel gewinnt: 1946 und 1948. Beim zweiten Mal macht er nicht nur die Männer zu Meistern, sondern auch die Frauen von Victoria. Martini kommt 1947 zur Victoria. "Ich bin hinter den gestandenen Spielern wie ein Dackel hinterhergelaufen. Nach zwei Jahren merken die Victoria-Spieler, dass auch ich gut werfen kann." 1948 darf Martini in der zweiten Mannschaft spielen. Im nächsten Jahr wechselt er zu Spartak Schäßburg und nimmt an der Qualifikation für die zweite Liga teil. 1952 geht er als Lehrer nach Herrndorf und spielt in Agnetheln Handball. 1953 wird Martini Student an der Sporthochschule in Bukarest, wo er mit der Studentenmannschaft bis 1957 in der ersten Liga spielen wird. Nach Beendigung der Hochschule geht er nach Fogarasch. 1960 wird 216
er mit Chimia rumänischer Landesmeister. Im selben Jahr zieht er nach Hermannstadt um, wo er Lehrer an der Sportschule wird. Dort arbeitet er mit Hans "Purschi" Schuster zusammen. Gleichzeitig ist er Spielertrainer der Großfeldhandballmannschaft von Vointa Hermannstadt Er betreut sie bis 1963, als die Großfeldliga aufgelöst wird. Anschließend spielt er bis 1965 für Vointa KleinfeldhandbalL Trainer der Mannschaft ist Hans Schuster. In der Saison 1966/67 trainiert er Independenta Hermannstadt 1967 werden Vointa und Independenta zusammengeschlossen, und Hans Schuster übernimmt die vereinigte Mannschaft als Trainer. 1962 gewinnt er mit 17- und 18-jährigen Mädchen den Landespokal der Sportschulen. 1967 wird er mit der männlichen Jugend Landesmeister. Die Erfolge bringen Martini Anerkennung. Der Handball-Verband in Bukarest beruft ihn zum Nationaltrainer der männlichen Jugend. Das Amt wird er drei Jahre inne haben. Dann ist der Tag da, an dem er grundlos und kommentarlos gefeuert wird - im Sommer-Trainingslager in Buhu§i. Am Abend dieses Tages stehen Martini und sein Trainerkollege Schuster vor einer rumänischen Eiche, und Martini hebt die Rechte und schwört, dass er die erste Gelegenheit zur Flucht nutzen werde. Martini darf vor den Olympischen Spielen in München das olympische Feuer auf dem Weg vom Olymp nach München durchs siebenbürgische Großau tragen. Die Fackel hat er heute noch. Er darf auch zu den Spielen nach München fahren. Mit einem kleinen Koffer, in dem sich das Nötigste an Kleidung befindet, tritt er die Reise nach Deutschland an, um nicht wieder nach Rumänien zurückzukehren. Im Münchner Vorort Allach übernimmt er die Großfeldhandball-Mannschaft, die in der Bundesliga spielt. Gleichzeitig trainiert er als Assistent von Horst Singer die HallenhandballMannschaft des Vereins, die in der Regionalliga spielt. 1973 verlässt Singer den Verein, und Martini wird Cheftrainer der Hallenhandballer. Mit der Mannschaft steigt er beinahe auf. Das Unternehmen scheitert, der Mannschaft ·fehlt ein Punkt. Ausgerechnet gegen den TuS Hofweier und seinen Landsmann Sirnon Schobel, seinerzeit Spieler in der von ihm trainierten rumänischen Jugendauswahl, verliert Martini das Spiel und verpasst den Aufstieg in die Bundesliga. Schobel aber steigt auf. Nach zwei Jahren verlässt er den Kar! Martini fiihrt am 5. Dezember 1972 in Allbach den Fall ww fvo r. Regionalligisten, denn es läuft nichts 217
mehr zusammen. Während dieser beiden Jahre betreut er gleichzeitig auch die Mädchen und die Jungen des Klubs. Ein Trainingstag dauert von 15 bis 22 Uhr. 1975 darf seine Familie Rumänien verlassen. Martini gibt das Traineramt der Familie wegen auf, denn sie hatte lange genug auf ihn verzichten müssen. Nach der Ankunft in Deutschland sieht Martini beim Arbeitsamt vorbei. Als er hört, "dass dort nur Türkisch und Tatarisch gesprochen wird", geht er gar nicht hinein. Er will nun wissen, was im Schulwesen in Deutschland vor sich geht. Er bekommt eine Anstellung an einer Hauptschule und ein paar Stunden an einem Gymnasium. Doch bald arbeitet er im Sportzentrum der Technischen Universität München, das Teil der Zentralen Hochschul-Sportanlage ist, die die Hälfte des Olympiageländes in München belegt. Er unterrichtet allgemeinen Studentensport und bildet Sportlehrer in Handball und Ski aus. 1980 gibt er ein Handball-Lehrbuch heraus unter dem Titel "Handball: Technik, Taktik, Methodik". Nach 17 J~hren Hochschule geht er 1990 in Rente. Neben der beruflichen Tätigkeit interessiert ihn der VereinshandbalL 1974 legt er die Prüfung als Ubungsleiter ab, 1976 macht er den BTrainerschein und 1978 den A-Trainerschein. 1972 steigt er beim Bayerischen Handballverband ein. Er formt eine bayerische B-Jugendmannschaft mit 14- bis 16-Jährigen und ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung von Übungsleitern und B-Trainern. 1977 übernimmt Martini die E-Jugend von Milbertshofen. Er wird die Zehnjährigen bis 1985 trainieren. Doch in all den Jahren wird Martini keiner anderen Mannschaft einen Spieler wegnehmen. So etwas will er nicht. Er wird mit den Jungen, die er übernommen hat, etwas erreichen. Er verliert mit den Jungen ab dem BJugendalter kein Spiel mehr. Darauf hat er gewettet. Ergebnis: Aus dieser Truppe geht mit Hendrik Ochel ein Nationalspieler hervor. Seine Kollegen fragen ihn immer wieder, warum er sich in die
Frühjahr 1979 beim Spiel Großwallstadt gegen Empor Rostock: Kar! Ma rtini 111it Joluu ry Kunst 218
Niederungen des Handballs hinab begibt. Und Martini antwortet darauf, dass er den Kontakt zur Basis nicht verlieren möchte, er müsse schließlich wissen, wie sich der Handball entwickelt. Er hat immer wieder eine Antwort auf die Frage gesucht, was der allgerneine Sport von einem Lehrer erwarte. Die Praxis an der Basis habe ihm diese Frage immer wieder beantwortet. Bereits an der Sporthochschule in Bukarest hat Martini eine hervorragende physische Vorbereitung genossen. Und diese Fitness hat er versucht alldie Jahre beizubehalten. Er ist heute noch in der Lage, sechs- bis sieben Stunden lang mit den Skiern abzufahren. Eine Mittagspause legt er nicht ein. Denn Zeit zum Ausruhen hat er zu Hause genug. Und so sieht die Woche des Karl Martini aus: Montags spielt er Volleyball, dienstags Tennis, mittwochs geht er in den Alpen wandern oder klettern, donnerstags spielt er Fuß- oder Basketball mit den Alten Herren. Freitags steht er auf dem Tennisplatz oder sitzt auf dem Fahrrad. Wenn die Familie arn Wochenende nichts vor hat, steigt Martini erneut aufs Fahrrad. Seine neue Leidenschaft: Motorradfahren. Vor kurzem hat er sich eine 650er BMW zugelegt. Der Sport hält ihn fit. Martini ist froh, dass seine Frau ihm so viel Verständnis entgegenbringt. Im Sommer 2001 ist er auf Wanderschaft gegangen: mit dem Rucksack auf dem Rücken von München über die Alpen nach Venedig. Als er 1972 Rumänien den Rücken kehrt, ist er sich nicht so sicher, ob das richtig ist. Heute weiß er, er hat richtig entschieden. Damals hatte er noch gedacht, der Kornmunismus werde länger überleben, schätzungsweise bis 2010. Doch er wollte mit seiner Flucht den Großen beim Verband in Bukarest eine Ohrfeige geben für das, was sie ihm mit dem Rauswurf aus dem Nationaltraineramt angetan hatten. Obwohl, so Martini, er nicht nur vorn Siebenbürger, sondern auch vorn rumänischen Handball profitiert hat. Auch heute zehrt er noch davon. 1955 bittet ihn Johnny Kunst, damals sein Lehrer an der Hochschule, ihm mit vielen anderen Absolventen zu helfen, den Hallenhandball aufzubauen. Martini sagt zu und opfert seine Sommerferien. Es soll sich lohnen. "Ohne Handball wäre ich nicht hier", sagt er heute, "der Handball hat mich getragen." Um den rumänischen Handball sei es heute schlecht bestellt. Es fehle einfach die Disziplin. Ohne Lucian Grigorescu und Johnny Kunst läuft es nicht mehr, sagt Martini. Die kurze Zeit der Euphorie ist längst vorbei. Fanatiker, Martini schätzt ihre Zahl auf 40 bis 50, hätten es geschafft, dass ihr Einsatz sofort Ergebnisse zeitigt. Es hat gereicht, Hallen-Rekordweitmeister zu werden. Doch das sei Vergangenheit. Um den deutschen Handball, den Martini noch sehr aufmerksam verfolgt, sei es katastrophal bestellt. Die Klubs seien nur bedacht, auf Teufel komm raus Ergebnisse zu schinden. Dazu kaufen sie teure ausländische Spieler ein, was dazu führt, dass junge deutsche Handballer nicht mehr zum Zuge kommen. In den Mannschaften sehe es dann folgendermaßen aus: In Nordhorn spielten nur noch drei bis vier Deutsche, ansonsten Schweden, 219
Norweger und Dänen. In Flensburg-Handewitt gibt es auch nur noch vier Deutsche, der Rest sind Dänen, einschließlich der Trainer. In der HandballBundesliga spielten heute mehr als 100 ausländische Nationalspieler. Der Einsatz der Ausländer habe einen Doppeleffekt, sagt Martini: "Wir bilden sie aus, und sie besiegen unsere Nationalmannschaft. Ihre Heimatländer müssen aber wieder für Nachwuchs sorgen. Das nutzt dem Ausland und schadet Deutschland. Denn der deutsche Nachwuchs kommt nicht zum Zuge und versauert auf der Bank." Doch es gebe berechtigte Hoffnungen, dass der deutsche Handball wieder vorwärts kommt. Das zeigten die letzten Ergebnisse: Die deutschen Herren sind Vize-Europameister und Vize-Weltmeister geworden. In mehreren Klubs rege sich einiges. Der deutsche Handball beginne sich zu erholen.
Günther H. Wagner
Zeiden stellt die erste Dorfmannschaft im Oberhaus der Frauen Was die Banater Dörfer Perjarnosch, Bogarosch und Lowrin im Männerhandball vollbracht haben, das ist Zeiden im Burzenland im Frauenhandball gelungen. Zeiden hat als einziges Dorf in Rumänien eine Damen-Mannschaft in der ersten Großfeld-Handball-Liga gestellt. Sie gehört nicht nur zu den zwölf besten Teams in Rumänien, sondern stellt auch Spielerinnen für die Landesauswahlen. Ernrni Gohn und und Friedchen Kuwer nehmen 1953 an den Wel~ugendspielen in Bukarestin der JugendLandesauswahl teil. Elena Rosu nimmt an der Hallenhandball-Weltmeisterschaft in Jugoslawien teil, und Irene Janesch-Oancea, die zuletzt für Rulrnentul Kronstadt spielt, wird 135rnal in die Nationalmannschaft berufen und 1973 Vizeweltrneisterin. Die Geschichte des Zeidener Handballs hat Günther H. Wagner in dem Band "Sport in Zeiden" festgehalten. Wagner, arn 14. Juni 1928 in Mühlbach geboren, war vorn Mai 1954 bis zur Pensionierung 1989 an derselben Schule in Zeiden Sportlehrer. Bis in die 70er Jahre kümmert er sich in erster Linie um den Handballnach wuchs. Danach widmet er sich der Leichtathletik. Als Schüler- und Jugendtrainer entdeckt er Irene Janesch-Oancea. Zwischendurch trainiert er auch die Frauenmannschaft in der ersten Großfeld-
Avantul Zeiden 1955 mit Tra iner Günther Wagner: (stehend von links) Maria Vidrighinescu , Anneliese Roth , Marianne Kloos, Emmy Gohn, Emilia Savin , Frieda Kuwer , Katharina Fettes , (hockend) Erna Kra us, L ucia Vig heci, Grete Kung l, Elena Spa taru und Hedy Bosch . 22 1
Handball-Liga. Mit dem Handball kommt Wagner auf der Bergschule in Schäßburg in Kontakt. Nach fünf Jahren Zwangsarbeit in russischen Lagern beendet Wagner 1951 die Lehrerbildungsanstalt, wird Bausoldat und spielt für $antierul Kronstadt Handball in einer Mannschaft, die aus Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen zusammengestellt ist und sich bis zur Auflösung im Frühjahr 1954 sehr gut in der ersten rumänischen Liga schlägt. Als Junglehrer in Zeiden beendet er die Bukarester Sporthochschule im Fernstudium. Für seine Verdienste um den Handball zeichnet der Handball-Verband in Bukarest ihn 1969 mit der Ehrenplakette in Silber aus. Die Nachforschungen für den Handballbeitrag in dem Zeidener Sportbuch beginnt Wagner in der Kronstädter Stadtbibliothek Nach kaum drei Tagen Arbeit fragt der Geheimdienst schon, was er denn in alten Zeitungen zu schnüffeln habe. Wagner ist bis heute ein Anhänger des Großfeld-Handballs. Zum Abschluss der Sporthochschule legt er eine Diplomarbeit über die Einführung des Kleinfeld-Handballs als Meisterschaft vor. Auf der letzten Seite dieser Arbeit drückt Wagner sein Bedauern darüber aus, dass der GroßfeldHandball geopfert wird. Doch er muss die entsprechenden Aussagen entfernen. Johnny Kunst, Inhaber des Handball-Katheders an der Bukarester Sporthochschule und Präsident des Rumänischen Handball-Verbandes, gratuliert Wagner zur Arbeit und sagt mit Tränen in den Augen: "Ich empfinde dasselbe. Von meinen Vorgesetzten wurde ich gezwungen, öffentlich dem Großfeld-Handball abzuschwören. Das war der schwärzeste Tag in meiner bisherigen Amtszeit." Doch zurück zum Handball in Zeiden. Wagner berichtet weiter: Nach der Schulreform 1948 wird Virginia Minitzky Turnlehrerin an der deutschen Schule in Zeiden, wo sie bis Herbst 1955 unterrichtet. In den Turnstunden benutzt sie technische Elemente des Handballs und lässt die Klassen auch Spiele austragen. Der Lehrerin gelingt es jedenfalls, die Begeisterung fürs Handballspiel in Zeiden zu wecken. Franz Josef, der bereits 1947 eine Jungenhandball-Mannschaft betreut, gründet 1949 mit den Schulmädchen eine Mannschaft. Weil die junge Mannschaft zu keinem Verein gehört, müssen die Spielerinnen die Kosten für Sportkleidung und Fahrten selbst übernehmen. Nach Franz Josef sind als Trainer tätig: Hans Gross (1951 bis 1952), Carol Molfeta (1953 bis 1955 und 1956 bis 1957), Günther Wagner (1955 bis 1956 und 1957 bis 1958), Johannes Kummer (1958 bis 1959). Im Herbst 1951 übernimmt das örtliche Holzverarbeitungsunternehmen die Mannschaft. Die Spielerinnen erhalten gute Arbeitsplätze, werden mit Sportkleidung ausgestattet. Die Transportbedingungen zu den Auswärtsspielen werden besser. Weil die Sportvereine finanziell von den Gewerkschaften der Firmen getragen werden, der Damen-Handball sich aber noch in der Anfangsphase befindet, ist es nicht verwunderlich, dass die Damenmannschaften von Verein zu Verein wechseln müssen. So hat die Zeidener Damenhandball-Mannschaft im Laufe der Jahre folgenden Landes-Sport222
vereinen angehört: Aväntul (Holzverarbeitungsbetrieb) von 1951 bis 1955; Energia (Metallindustrie) 1956; Recolta (Landwirtschaftsministerium) 1957; Magura (Holzverarbeitungsbetrieb). Die Mannschaft hat am Anfang unter anderen folgende Stammspielerinnen: Anneliese Roth, Helga Weidenbacher, Anni Preidt, Grete Kungl, Emmi Gohn, Erna Kraus, Hilde Riemesch, Meta Josef, Edith Mieskes, Frieda Gross, Frieda Kuwer, Emmi Hiel, Liane Bartesch, Edith Barf, Anni Aescht, Gerlinde Plajer, Katharina Müll, Ilse Bretz und Katharina Feltes. Im Laufe der Jahre fallen Spielerinnen aus. Aus Zeiden kommen hinzu: Traute Wilk und Lucia Vigheci. Und weil kaum lokaler Nachwuchs da ist, muss d ie Mannschaft mit Beginn der A-Liga-Meisterschaft 1955 auswärtige Spielerinnen verpflichten. Dazu gehören Emilia Savin, Maria Vidrighinescu, Hedy Bosch und Elena Ro~?u aus Kronstadt, Maria Seidner und Maria Schuster aus Mediasch, Juliana Anghel und Florica Nitu aus Bukarest. Die Erfolgsserie der Zeidenerinnen beginnt 1951 : Die Mannschaft gelangt ins Halbfinale der Landesmeisterschaft, die in zwei Gruppen zu je vier Mannschaften ausgetragen wird. Sie belegt in der II. Gruppe den 4. Platz und gehört zu den acht besten Mannschaften des Landes. Ähnlich gut schneidet sie 1952, 1953 und 1954 ab. Als 1955 die Landesmeisterschaft mit zehn Teams ausgetragen wird, belegt Zeiden den sechsten Platz. 1956 wird das Teilnehmerfeld auf zwölf Mannschaften erhöht, und Zeiden belegt den achten Platz. Wegen der Weltmeisterschaften wird die Landesmeisterschaft 1957 in zwei Gruppen ausgetragen, und zwar als Halbjahresmeisterschaft. Weil der Handball-Verband beschließt, dass keine Mannschaft absteigt, verjüngt Zeiden die Mannschaft und belegt in der Endwertung den vierten Platz. Es ist das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte.
Energia Zeiden 1958 (stehend von links): Waltraut Wilk, Meta Hensel, Anneliese Roth, Maria Schuster, Grete Kungl, lrene Janesch (hockend) : Lucia Vig heci, Herta Thomas, Emilia Savin, Anni Preidt, Katharina Feltes und Viorica Ortan
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Im Herbst 1957 wird ein neuer Austragungsmodus in der A-Liga eingeführt: Hinspiele im Herbst, Rückspiele im Frühjahr. In den Wintermonaten wird in der Halle gespielt. In der Saison 1957I 58 belegt Zeiden den siebten Platz. 1958/59 reicht es nur noch zu Platz elf. Die Mannschaft steigt ab. 1957 gründet Günther Wagner eine Nachwuchsmannschaft mit 22 Spielerinnen. Sie startet 1958 in der Kreismeisterschaft In jedem Spiel dürfen maximal drei Spielerinnen aus der ersten Mannschaft eingesetzt werden. Ein Recht auf Weiterqualifikation hat diese Mannschaft nicht. Doch sie erzielt hervorragende Ergebnisse: Bei der Sommerspartakiade 1958 belegt sie den ersten Platz im Rayonswettbewerb und den zweiten im regionalen Wettbewerb. Ebenfalls 1958 unterliegt sie in der JuniorenLandesmeisterschaft dem Kronstädter Sportlyzeum mit 4:5. Der GroßfeldJuniorinnen-Mannschaft gehören an: Irene Janesch, Dietlinde Buhn, Elfriede Nikolaus, Emmy Schoppe!, Herta Thomas, Herta Hensel, Renate Gross, Erna Kassnel, Erna Kueres und Dorothea Artz-Schneider. Mit Beginn der Kleinfeld-Meisterschaften 1959 beendet ein Großteil der Stammspielerinnen die Laufbahn. Von nun an machen vornehmlich rumänische Spielerinnen, meistens Schülerinnen der örtlichen Lyzeen, in der Zeidener Mannschaft mit. 1952 gründet Nae $incan eine zweite Großfeld-Damenmannschaft in Zeiden, der nur rumänische Spielerinnen angehören. Unter dem Namen Metalul nimmt sie bis 1954 an der Regionsmeisterschaft Kronstadt teil. Doch ihre Leistungen sind mittelmäßig. Nach der Auflösung Ende 1954 wechselt Lucia Vigehzi zu Aväntul. Die Anfänge des Kleinfeldhandballs sind in Zeiden im Spätherbst 1956 zu suchen. Solange Kleinfeld-Handball nur in der Halle gespielt wird, ist die Zeidner Mannschaft benachteiligt, denn in Zeiden gibt es keine Halle. Die sportlichen Leistungen sind daher bescheiden. Vor dem Frauenhandball steht auch in Zeiden der Männerhandball. Treibende Kraft für den Männerund den Damenhandball vor dem Krieg war Pranz Josef junior. Der Handball beginnt in den 30er Jahren nach und nach den Fußball zurückzudrängen. Zu den Handballspielern der ersten Stunde gehören Pranz Gohn, Erwin Mieskes, Richard (Rick) Langer und Pranz Niessner. Als Leistungsträger kommt beispielsweise der junge Torwart Martin Kolf hinzu. In dieser Zeit spielen die Zeidener Handballmannschaften gegen Teams im ganzen Burzenland, besonders oft und gerne gegen die guten Heldsdorfer. Nach dem Krieg wird 1947 im Arbeitersportklub eine Mannschaft gegründet. Ihr gehören an: Otto Kloos, Hans Gross, Hans Preidt, Walter Tuszar, Gerhard Neudörfer, Hugo Mieskes, Otto Mieskes, Hans Stein, Martin Schneider, Helmut Mieskes und Walter Gohn. Bis 1958 wird in Zeiden auf dem Großfeld gespielt. Zu den genannten Spielern kommen im Laufe der Jahre hinzu: Otto Mieskes, Otto Reimesch, Dieter Novy, Alfred Aescht, Hans Reimesch, Otto Glätsch, Willi Aescht, Rudi Müll, Werner Lies, Hugo Heitz, Julius Feder, Rudi Filpes, Gerhard 224
Königes, Harald Brenndörfer, Günter Weber, Günther Liess, Werner Gross, Hans Gohn, Horst Schmidts, Alfred Mieskes, Arnold Aescht, Werner Schullerus, die Brüer Horst, Klaus und Manfred Tittes, Günter Truetsch, Eduard Boltres, Udo Buhn, Heinz Mieskes, Franz Neumann, Diethelm Reimer und Edgar Jakob. Trainer der Männer-Mannschaft waren: Franz Josef (1947-1951), Hans Gross (1951-1955), Gerhard Königes (1955-1956), Gigi Molfeta (1956-1958), Gerhard Königes (1958-1959), Hans Gross (1959-1963) Gerhard Königes (1963-1965), Gigi Molfeta (1965-1969), Gerhard Königes (1969-1970), Hans Gross (1970-1977), Lucian Nica und Cristel Vlad (ab 1977). Die Höhepunkte des Zeidener Männerhandballs sind 1952 die Qualifikationsspiele für die A-Liga, 1969 jene für die B-Liga und 1976 die Begegnung mit der Handballmannschaft Lokomotive Berlin auf dem Zeidener Sportplatz. Die Männermannschaft scheitert jedes Mal an der Aufstiegshürde, weil die besten Spieler oft zum Militärdienst einberufen werden und durch neue ersetzt werden müssen. Nach der Gebietsreform 1965 nimmt die 1959 aus den Teams des Holzindustriebetriebs und des Chemiewerks zusammengeschlossene Mannschaft unter der Bezeichnung Colorom an der Kreismeisterschaft teil. Höhepunkte dieser Handballmannschaft sind die Qualifikationsspiele für die B-Liga in Pucioasa bei Targovi~te 1969 und in Hunedoara 1970.
DieMädchenmannschaft der deutschen Schule in Zeiden belegt 1959 den dritten Platz in der Region Kronstadt: (stehend von links) Edda Niesner, Rosi Mieskes, Adelheid Graber, He/ga Schullerus, Gertrud Kraus, Dietlinde Buhn, (hockend) Marianne Groß, lnge Wenzel, Meta Kuerres, Dorothea ArtzSchneider, Elfriede Nikolaus, (liegend) Ilse Depner. 225
1972 bildet sich eine zweite Handballmannschaft, die bis 1979 als Sere Zeiden auftritt. Ihr erster Trainer ist Horst Tittes. Durch den besonderen organisatorischen Einsatz von Alfred Aescht schafft es diese Mannschaft, sechs Jahre lang in der Kreisliga zu spielen. Die Spieler dieser Mannschaft sind: Kurt Aescht, Udo Aescht, Harald Dootz, Harald Eiwen, Günther Kelp, Hans Königes junior, Gerd Line, Wolfgang Metter, Otto Preidt, Andreas Polgar und Norbert Truetsch. Mit anschwellender Ausreisewelle nach Deutschland werden die sächsischen Spieler zunehmend durch rumänische ersetzt.
Gerd Stenzel
Der Weg ins Nationalteam war ihm verbaut Wenn dem Rumänischen HandballVerband in kommunistischer Zeit zwei gleichwertige Spieler für eine Position zur Verfügung gestanden haben, wer von beiden durfte dann zu Weltmeisterschaftsturnieren fahren: der mit dem rumänischen oder der mit dem deutschen Namen? Eine rhetorische Frage, denn jeder, der sich mit jener Zeit auskennt, quittiert das mit einem müden Lächeln. Gerd "Pisu" Stenze! kann sogar ein Lied davon singen, wie Trainer mit Deutschen verfahren sind, weil sie Angst hatten, d ie könnten sich im westlichen Ausland von der Mannschaft absetzen. Gerd Stenze! Der Spielmacher von Poli Temeswar der 60er Jahre ist in der Nationalmannschaft zum Konkurrenten von Cristian Gatu geworden. Während eines Trainingslagers der Nationalmannschaft spricht der Präsident des Rumänischen Handball-Verbandes, Johnny Kunst, Gatu in Anwesenheit von Stenze! mit den Worten an: "Cristian, jetzt musst du dich aber anstrengen, jetzt hast du Konkurrenz." Die Unterschiede zwischen Gatu, der Weltmeister geworden ist, und sich beschreibt der am 30. März 1943 in Hermannstadt geborene Stenze! so: "Er war flinker, ich hatte die bessere Übersicht und konnte die Kreisläufer besser anspielen. Ferner habe ich mehr Tore aus dem Rückraum geworfen." Doch die Rivalität habe beiden nicht geschadet, sagt Stenze!, zwischen ihm urtd Gatu sei sogar eine Art Freundschaft entstanden. 1962, Stenze! ist kaum von Vointa Hermannstadt zu Politehnica Temeswar gewechselt, wird er zum ersten Mal in eine Auswahl berufen. Mit Hans Moser und Hansi Schmidt nimmt er an den Vorbereitungen für die Studenten-Weltmeisterschaft in Schweden teil. Doch kurz vor Neujahr teilt ihm Trainer Eugen Trofin mit, dass er nicht mitfahren darf. 1963 erhält er eine Einladung zur Nationalmannschaft. Doch er sagt ab, weil er die Prüfungen an der Hochschule in Terneswar nicht versäumen will. Der Verband sperrt ihn sechs Monate lang: Auch an der Meisterschaft darf er nicht teilnehmen. 1964 ein neuer Anlauf: Gerd Stenze! macht alle Vorberei227
tungen der rumänischen Nationalmannschaft vor der Weltmeisterschaft mit, doch er wird nicht in die Tschechoslowakei mitgenommen. Auch bei der WM in Schweden 1967 ist er nicht dabei. 1968 gewinnt er mit der rumänischen Nationalmannschaft das Baltische Pokalturnier in Danzig. Dabei sind unter anderen Roland Gunnesch, Günther Speck, Gheorghe Gruia, Cornel Penu und Gheorghe Goran. In jenem Jahr wird Trainer Eugen Trofin ihm gestehen, dass er verhindert hat, Stenze! ins westliche Ausland fahren zu lassen. Er hatte Angst, Stenze! könnte fliehen. Außerdem habe er seine Spieler von Uni Bukarest bevorzugt. 1970 nimmt Gerd Stenze! auch an den Vorbereitungen der Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft in Frankreich teil. Innerhalb der Vorbereitungen wird eine Tournee durch Deutschland, Frankreich und Luxemburg unternommen. Zwei Stunden vor der Abfahrt erfährt Stenze!, dass er wieder nicht mit darf. Vom Können und Talent Stenzeis zeugen zahlreiche Berichte aus den 60er Jahren über Meisterschaftsspiele, Begegnungen und Tests der Nationalmannschaft. In einem Spiel gegen Galatz, das Pali 22:12 gewinnt, spielt Stenze! ganz groß auf. Die "Neue Banater Zeitung" berichtet, dass Gerd wieder einmal einen ganz großen Tag hatte und den Gegner durch sein phantasievolles Spiel immer wieder aus der Fassung gebracht hat. Mit sieben Treffern ist er bester Pali-Schütze vor Roland Gunnesch (6) und Werner Schön (5). Beim 21:7 von Politehnica gegen Teleajen ziehen die Studenten ihr gewohntes Angriffsspiel auf, heißt es in einem Bericht, es ist ein Spiel mit "raschem Ballwechsel und überraschendem Kreisläuferanspiel, in dem Stenze! Meister ist". Doch Gerd ist wieder nicht nur Regisseur, sondern mit fünf Treffern nach Roland Gunnesch (8) einer der Torschützen vom Dienst. In einem Artikel über die Vorbereitungen der Nationalmannschaft hebt die Bukarester Sportzeitung das taktische Gefühl und Können Stenzeis hervor. Mit dem Handball bringt Hans Schuschnig Stenze! 1954 bei Constructorul in Berührung. Er gehört zu den Jungen, die sich gerne die in Hermannstadt angesetzten Spiele ansehen. Dazu Stenze!: "Als Kinder haben wir die 'Großen' verehrt. Und wenn ein Spiel angesagt war, haben wir auf der Straße gewartet, um die Sporttasche der Spieler tragen zu dürfen. Sie haben es uns erlaubt, und natürlich durften wir uns dann das Spiel ansehen, ohne zu bezahlen." Eigentlich interessiert der Handball Stenze! nur als Zuschauer, ihn begeistert der Skilauf. Doch Hans "Purschi" Schuster gewinnt ihn endgültig für das HandballspieL Der Wechsel zu Vointa lohnt sich: 1959 führt Schuster seine Mannschaft zur JuniorenLandesmeisterschaft auf dem Großfeld. Bis zum Finalsieg der Hermannstädter Mannschaft über den Bukarester Schülersportklub mit 12:8 Toren sind im Laufe von zwei Jahren zahlreiche Ausscheidungsspiele auszutragen, darunter gegen Heltau, Kleinkopisch und das schwerste gegen Schäßburg, eigentlich ein vorweggenommenes Endspiel. Den Titelgewinn sichern folgende Spieler: Rudolf Klubitschko, Wolfgang Böhm (Tor), Günther 228
Borger, Dieter Theil, Hans-Jörg Sigerius, Gerd Stenze!, Dieter Neumann, Dieter Stenze!, Klaus Stenze! (es sind Gerd Stenzeis Vettern), Rolf Schnäp, Dieter Zikeli, Dieter Zinz, Helmuth Schuller und Emil Pantasopol. Aus dieser Meistermannschaft rücken mit Gerd Stenze!, Schnäp, Dieter Stenze!, Dieter Zikeli, Neumann und Klubitschko gleich sechs Spieler in die A-Liga-Mannschaft von Vointa Hermannstadt auf. Doch die Mannschaft soll sich nicht lange dieses vielversprechenden Nachwuchses erfreuen. Nach dem Abitur werden die jungen Spieler in alle Richtungen verstreut. Gerd Stenze! wird in Temeswar Tiefbau studieren und Handball spielen. Poli wird von seinem Können bis 1969 profitieren. Mit dem Wechsel wird das Spiel des jungen Rechtshänders reifer. 1963 wird Stenze! mit einer Temeswarer Mannschaft Studenten-Landesmeister durch einen Finalsieg über die Mannschaft der Bukarester Sporthochschule. 1964 stößt Roland Gunnesch zur Temeswarer Poli, damals noch ein Rohdiamant, sagt Stenze!, der eine der Stützen der Nationalmannschaft, ein Bollwerk der Abwehr werden soll. Bei Poli spielt Stenze! anfangs zusammen mit Hermahn Horst Niesz, Dieter Fuchs, den Brüdern Hjalmar und Edwin Sauer, Dieter Christenau und Hartwig Junker. "Die schönsten Jahre habe ich bei Poli gehabt", sagt Gerd Stenze!, "Hjalmar Sauer und Dieter Christenau am Kreis und Roland Gunnesch im Rückraum haben von mir gelebt. Ich konnte sie blind anspielen, selbst wenn ich mit dem Rücken zu ihnen stand, ist der abgegebene Ball angekommen. In der Nationalmannschaft hat das mit Valentirr Samungi bei weitem nicht so gut geklappt." Den größten Erfolg in der Meisterschaft feiert Stenze! 1967, als er mit Poli den dritten Platz hinter Steaua und Dinamo Bukarest belegt. In der Hinrunde dieser Meisterschaft besiegt Poli um ihren hervorragend agierenden Spielmacher Stenze! auf dem Temeswarer Constructorul-Platz die Bukarester Dinamo vor 1500 Zuschauern 16:14 (7:8). Stenze! steuert zu diesem Sieg acht Treffer bei und Roland Gunnesch vier. Eine Lokalzeitung berichtet: "Die Nummer eins der Temeswarer war nicht, wie erwartet, Roland Gunnesch, sondern der hervorragend spielende und werfende Gerd Stenze!, der alle Versuche der Bukarester Torsteher Mischi Redl und Vasile Bogolea zunichte machte." Dabei war Dinamo mit 3:0 in Führung gegangen, und beim Stand von 2:4 hatte Stenze! einen Siebenmeter vergeben. Zu den Erfolgsgaranten dieses großartigen Sieges gehört der Temeswarer Torhüter Franz Demian, der vier Strafwürfe der Bukarester hält. Der Sieg über die Bukarester eröffnet den Temeswarer Studenten Meisterschafts-Chancen. Nur einem gelingt es, Poli zu stoppen: einem Schiedsrichter. Meister wird wieder einmal Steaua vor Dinaino Bukarest. Zwischendurch dann immer wieder ein kleines Bonbon wie die Teilnahme am Jugendfestival 1968 in Sofia. 1969 versucht Hans "Purschi" Schuster einen Teil der "verlorenen Söhne" zurück nach Hermannstadt zu holen. Er rührt die Werbetrommel, einige kehren zurück und verhelfen dem angeschlagenen Hermannstädter Handball zu einem kurzen Höhenflug. 229
Gerd Stenze! gehört ebenso zu den Heimkehrern wie Rudolf Klubitschko, Dieter Zikeli, Günther Speck, Olimpiu Savu, Virgil Oana und etwas später Dieter Roth. Was der Hermannstädter Freude, ist der Temeswarer Leid. Poli wird Gerd nach seinem Abgang sehr vermissen. Dazu ein Bericht über das Spiel Poli gegen Vointa Bukarest (17:8): "Technisch war es kein gutes Treffen; bei Politehnica kann noch niemand den abgewanderten Stenze! ersetzen ... " Doch in Hermannstadt geht es mit Stenze! aufwärts. Mit der neu formierten Mannschaft gelingt Schuster 1971 der Aufstieg ins Oberhaus. Das Entscheidungsspiel gegen Craiova gewinnt Independenta 7:6 buchstäblich in letzter Sekunde durch einen von Gerd Stenze! verwandelten Siebenmeter-Strafwurf. In einem unter der Überschrift "Gerd, wirf du ... !"in der "Hermannstädter Zeitung" veröffentlichten Bericht heißt es: "Auf dem Handballplatz der Craiovaer Sportschule herrscht Grabesstille. Man könnte den Herzschlag der Hermannstädter Schlachtenbummler hören (wenn das Zähneklappern nicht lauter wäre) . Dann ruft ein Mitspieler Stenze! zu: "Gerd, wirf du." Im Bericht heißt es weiter: "Gerd Stenzel nimmt den von Mannschaftskapitän Rolf Schnäp sorgfältig am Trikot abgetrockneten Ball und wischt ihn noch einmal ab. In diesen letzten Sekunden des Spieles, die letzten der Meisterschaft, hält Pisu die Entscheidung in den Händen. Alles oder nichts. A-Liga oder bittere Enttäuschung. Gerd konzentriert sich. Ein Pfiff, ein Wurf, und Spieler, Trainer und Zuschauer, alle, die hier für Hermannstadt fühlen, liegen sich in den Armen. Die letzten Spielsekunden
Gerd Stenze/ hat die Gegner aus Neumarkt ausgespielt und bereits aufs Tor gew01jen. 230
gehen in Begeisterung unter." Independenta hat 28 Punkte, der Zweitplatzierte, der HC Minaur Baia Mare, 27 Punkte. Im Aufstiegsjahr ehrt der Rumänische Handball-Verband Gerd Stenzel zusammen mit einer Reihe weiterer Siebenbürger Handballer wegen ihrer Verdienste als Nationalspieler. Der Generalsekretär des Handball-Verbandes, Lucian Grigorescu, überreicht in Hermannstadt folgenden das Abzeichen "Internationaler Spieler": Gerd Stenzel, Magda und Rudolf Haberpursch, Lucia Dobre, Kurt Wagner, Kurt Sauer, Alexandru Bota, Bernhard Roth, Ernst Wolf, Andreas Bretz, Horst Kremer, Hans Zank, Horst Niemesch und Constantin Sorescu. Ferner hat der Verband am selben Abend Männer, die in der Pionierzeit viel für den Handball getan haben, mit Ehrenplaketten ausgezeichnet: Hans Schuschnig, Bruno Holzträger, Karl Dietrich, Thomas Wolf, Stefan Zoller, Franz Monis, Kurt Wagner, Hugo Fleischer und Hans "Purschi" Schuster. Im ersten Jahr in der A-Liga belegt die Mannschaft den fünften Platz, doch es hätte mehr herausspringen müssen, sagt Stenze!. In der Hinrunde der Meisterschaft 1973/74 spielt Gerd Stenze! nicht mit. Schuster ist nicht mehr Trainer der Mannschaft, doch die braucht Gerd dringend in der Rückrunde, um den Abstieg zu vermeiden. Schuster lässt sich von einigen seiner ehemaligen Spieler überzeugen, mit Gerd zu sprechen. Schuster spricht Gerd an, argumentiert und gewinnt: "Du sollst nicht für die Stadt spielen, du musst für mich spielen." Gerd Stenzel spielt für ihn, und
Mein schönstes Tor: Gerd Stenze/ ( Poli Temeswar )faustet den vom Torwart abgewehrten Ball ins Tor. Roland Gunnesch (links stehend), der noch in Schäßburg spielt, hat das Nachsehen. Szene aus dem Meisterschaftsspiel 1963 in Temeswar. 231
Independenta gewinnt das entscheidende Spiel gegen Neumarkt und bleibt noch ein Jahr in der A-Liga . Dann geht Gerd, und der Abschwung setzt ein, von dem sich der Hermannstädter Handball nicht mehr erholen konnte. 1983 ist Stenze} in Deutschland. Karl Martini vermittelt ihn als Trainer zum TSV Pasing. In fünf Jahren führt er die Mannschaft aus der Kreisklasse B in die Kreisklasse A. Er macht den Trainerschein. Beim Abschied bekommt er die Anerkennung zu hören, dass er aus einer kräftigen Mannschaft eine bewegliche, spielende Truppe geformt hat. Aus beruflichen Gründen verlässt er München, zieht nach Erding und bleibt dem Handball treu. Er übernimmt die Jugendmannschaft von Altenerding, die er aus der Kreis- in die Bezirksklasse führt. Wie geachtet die Arbeit des neues Trainers ist, geht aus einem Zeitungsbericht vom 28. November 1991 hervor. "Man nehme einen ehemaligen rumänischen Nationalspieler als Trainer, gebe ihm eine bislang nur mäßig erfolgreiche B-Klassenmannschaft in die Hand, und schon kann man sein blaues Wunder erleben. So geschehen jüngst in der Semptsporthalle, als die Altenerdinger Handballer ihr Heimspiel gegen den Tabellenzweiten, den TSV Schwabhausen, austrugen. Die Zuschauer glaubten ihren Augen nicht trauen zu können ob der Leistungen, die die Semptstädter auf dem Parkett zeigten. Da wurde schneller, konzentrierter Handball gespielt, Mannschaftsdienlichkeit schien absolute Maxime zu sein. Auseinandersetzungen der Spieler untereinander fehlten diesmal völlig, selbst das Auswechseln ging nicht nach sozialen Gesichtspunkten vor sich, sondern diente ausschließlich dem angepeilten Ziel. Und dieses realisierten die Altenerdinger schließlich in überzeugender Manier: 26:18 hieß es am Schluss der Partie, die Semptstädter hatten das beste Spiel seit Jahren gezeigt. Ursache für die wundersame Wandlung einer ganzen Mannschaft war ein einziger Mann, und der spielte nicht einmal mit: Gerd Stenze!, ehemaliger Nationalspieler aus Rumänien. Gerade einmal hatte der Alt-Internationale das Training bei der SpVgg geleitet, da merkten die Spieler schon, welch hochkarätiger Mann sich da in die Niederungen der B-Klasse herabgelassen hatte." 1997 gibt Stenze! die Trainertätigkeit aus beruflichen Gründen auf. Seither hat er mit dem Handball kaum noch etwa zu tun. Seine kurz bemessene Freizeit verbringt er mit der Familie auf einem Bauernhof in Tirol, wo er sich eingemietet hat.
Willi Schoger
Kirschners verlängerter Arm auf dem Platz Als Willi Schoger 1948 nach Hermannstadt zu Arsenal kommt, trifft er noch eine Handvoll Spieler aus der alten OlympiaMannschaft von 1936 an . Er erinnert sich noch gut an alle. An Willi Kirschner, den Trainer, an Torsteher Stefan Zoller, an Alfred Höchsmann, ferner an Torwart Günter Fleischer, dann an die nichtolympischen Paul Petri, Günter Müller, Walter Rosetzky, Ernst Wolf, Günter Otto, Kurt Ungar, Reinhard Breckner, Peter Lang, Horst Kremer und den erst spät aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Wilhelm Heide!. Schogers Spielerlaufbahn beginnt 1940 mit dem Eintritt in die Hermannstädter Seminarmannschaft "Das Seminar hatte immer gute Mannschaften", erinnert sich Schoger, Willi Schoger "wohnten doch die meisten Schüler im Internat." Im April1944 wird Schoger Sportlehrer in Kronstadt, wo er auch in der Stadtmannschaft spielt. Im August flüchtet er nach Deutschland. 1945 ist er wieder daheim. Im darauffolgenden Jahr wird der Spielbetrieb in Hermannstadt wieder aufgenommen. Schoger macht in Schülermannschaften mit, bis Derubau die Spieler übernimmt. Im Frühjahr 1948 ist Schoger bei Poli in Temeswar zu finden, wo er mit Erhard Bonfert und Paul Petri bis Januar 1949 spielt. Dann wechselt er zurück zu Vointa nach Hermannstadt Der am 28. Februar 1925 in Frauendorf bei Mediasch geborene Schoger bleibt bis 1954 in Hermannstadt Als Franz Monis die Mannschaft im März 1949 verlässt und mit fünf Spielern zu CCA geht, wird Willi Kirschner Spielertrainer und betreut auch die Junioren. Mit Arsenal gewinnt Schoger 1950 den Landespokal gegen CCA. 1954 geht er nach Heltau und wird Spielertrainer der Erstliga-Mannschaft Später wird er nur noch das Traineramt ausfüllen. Im ersten Jahr rettet er die Heltauer vor dem Abstieg. Im zweiten Jahr belegt Schoger mit ihnen den vierten Platz vor der Hermannstädter Vointa, die er in dieser Meisterschaft besiegt.1956 ist er wieder in Hermannstadt Für ihn kommt Otto Schmitz aus Kronstadt nach Heltau. Doch die Mannschaft steigt mit Schmitz ab, und der wechselt zu Irti Mediasch. In Hermannstadt wird Schoger bis 1963 als 233
Trainer tätig sein. Dann hört er auf, denn im selben Jahr wird die Meisterschaft auf dem Großfeld in Rumänien eingestellt. Schoger wird am Hermannstädter Seminar zum Lehrer ausgebildet, unterrichtet im Krieg kurz. Nach dem Krieg wird er diesen Beruf in Rumänien nicht mehr ausüben. Beruflich hat er fast alles gemacht, sagt er. Er ist ein Tausendsassa und kann alles. Genau so vielseitig wie im Alltag ist Willi Schoger auch auf dem Handballfeld. "Ich habe alles gespielt, was vorkommt". Als Spieler war er wieselflink und ist manchem davongelaufen, was seiner Mannschaft stets von großem Nutzen war. Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre, als Willi Kirschner Trainer in Hermannstadt ist und Hans Schuschnig die Mannschaft als Manager betreut, ist Willi der verlängerte Arm des Trainers auf dem Spielfeld. Sein erstes Spiel in der rumänischenNationalmannschaftmacht Schoger 1949 gegen Ungarn in Temeswar. Zwei oder drei weitere Einsätze hat er 1953 bei den Jugendweltspielen in Bukarest. 1970 siedelt Schoger in die Bundesrepublik Deutschland um. In Sankt Georgen bei Traunreut in Bayern wird er seinen alten Beruf ausüben: Er arbeitet bis 1988 als Lehrer. Seither ist er Rentner.
Arsenal Hermannstadt 1949 vor einem Spiel in Mediasch: (von links) Wilhelm Schoger, Günrer Fleischer, Günter La/mi, Pard Perri. Hermann Sclrnridt, Perer Lang, Giinrer Müller . Alfi·ecl Gurr, Giinter Höchsman n, Waller Roset:ky und Horsr Kremer 234
Hermann Horst Niesz
Im Triumphzug ins Oberhaus In der Saison 1969/1970 schreibt eine Handvoll Banater Schwaben Handballgeschichte: Sie schaffen den Aufstieg in die erste Handball-Liga, auf dem Kleinfeld. Der Neuling heißt Stiinta Lowrin. Die Väter dieser Erfolgsgeschichte heißen Hermann Horst Niesz und Christoph Koch, der eine ist Spielertrainer, der zweite verantwortlich fürs Finanzielle und ein sehr guter Rechtsaußen. Eine ähnliche Leistung hatten bereits vorher die Großfeldhandballer aus Perjamosch vollbracht. Das Duo weist eine Erfolgsgeschichte auf, die auf theoretischem und praktischem Können fußt, gepaart mit Disziplin und Willen. Diese soll zwar nur ein Jahr dauern, aber es ist ein Jahr, an das sich die Hermann Horst Niesz beiden Macher noch immer gerne erinnern, in dem die Lowriner Siege feiern gegen Dinamo Kronstadt oder Uni Klausenburg. Die Siebenbürger Studentenmannschaft hat in jener Zeit Leute wie Sirnon Schobel oder Constantin Tudosie in ihren Reihen. Es ist auch ein Jahr, in dem nicht nur die erfolgsverwöhnten Bukarester Mannschaften den weiten Weg in die Banater Niederungen antreten müssen, es kommt auch freiwilliger hoher Besuch nach Lowrin. So spielt beispielsweise die japanische Nationalmannschaft hier, die sich im Banat auf die Weltmeisterschaft 1970 in Frankreich vorbereitet. "Zum Verhängnis ist uns die Hallenrunde geworden", sagt Niesz heute. "Wir konnten nur einmal in der Woche in der in Temeswar gemieteten Halle trainieren." Der Aufstieg in die erste Liga ist für die Lowriner kein Spaziergang. Die Entscheidung fällt im Rückspiel gegen Curtea de Arge;;. Nach dem Spiel, in dem sich Curtea de Arge;; mit fremden Spielern, ausgestattet mit falschen Ausweisen, verstärkt hat, beziehen die Banater Prügel. "Von den Blessuren zeugen heute noch vorhandene Fotos", sagt Niesz. Die Lowriner erheben wegen des Schwindels Einspruch, bekommen Recht und steigen in die erste Liga auf. 235
Die Lowriner Erfolgsgeschichte beginnt im September 1964. Niesz hat die Hochschule in Temeswar beendet, tritt seine Stelle als Sportlehrer in Lowrin an und wird Spielertrainer der Stiinta. Es sollen zehn gute Jahre werden bis zur Aussiedlung im Herbst 1974. Sein Wissen, sein Können als Spielmacher, der aus dem Rückraum und über den Flügel angreifen kann, gehören genau so zum Erfolgsrezept wie gute Mitspieler. Niesz nennt Namen von Spielern, mit denen er 1966 den Aufstieg in die zweite Liga schafft: Hans Lambrecht I., Hans Lambrecht II., Hans Riegelmayer, Erwin Esperschidt, Richard und Manfred Schmidt, Altred Bittenbinder, Herrnarm Horst Niesz im Angriff Mihai Boiborean, Ion Virdea, Christoph Koch, Pranz Wetze!, Pranz Kernweiß und Michael Igosag. Später stoßen hinzu: die Torsteher Mircea Dacian und Nicolae Puschila, ferner Hans Schuch, Gheorghe und Mircea Tudor, Adrian Cristea und Erwin Gimpel. Das waren alles Lowriner. Von auswärts werden verpflichtet: als Torsteher Hans Huber und Norbert Weichandt, ferner Mircea und Lucian Biriescu. Doch in Lowrin findetNieszeine weitere Voraussetzung für den Erfolg vor: Hier hat er freie Hand, keiner mischt sich ein, er kann ungestört arbeiten. Im Zeitraffer sehen die zehn Jahre Lowriner Handball unter Niesz so aus: Er übernimmt die Mannschaft in der Rückrunde und belegt mit ihr den zweiten Platz in der Regionalmeisterschaft 1965 wird Stiinta bereits Regionalmeister und gewinnt den auf Landesebene ausgetragenen LandwirtschaftspokaL 1966 schafft f?tiinta den Aufstieg in die zweite Liga. "Bis zum Aufstieg 1970 in die erste Liga haben wir fast kein Heimspiel verloren", erinnert sich Niesz. 1969 werden die Lowriner Landesmeister der Dorfmannschaften durch ein 25:14 im Endspiel gegen Helldorf. Nach dem Jahr im Oberhaus spielt f?tiinta von 1971 bis 1974 in der zweiten Liga. Mit dem Abstieg 1974 in die Regionalliga beginnt der Aufbau einer neuen Mannschaft, aber ohne Niesz. In den zehn Jahren, die Niesz in Lowrin wirkt, reist eine Reihe von renommierten Mannschaften an. Neben der japanischen spielt auch die 236
tunesische Nationalmannschaft gegen Stiinta. Ferner Lodz, Zrenjanin, Mocrin, Augsburg oder Urach. "Diese Begegnungen werden stets zu wahren Volksfesten", sagt Niesz. Für den Handballsport entdeckt wird der am 12. Juni 1938 in Warjasch geborene Niesz auf dem Gymnasium in Temeswar. Von 1952 bis 1955 spielt er in der Mannschaft des Lenau-Gymnasiums. Von 1955 bis 1958 ist er bei Recolta Warjasch zu finden, die in der zweiten Liga Großfeldhandball spielt. Mit Recolta debütiert er als 17-Jähriger in der inzwischen abgerissenen alten Reiterhalle in Temeswar auf dem Kleinfeld. 1958 holt der langjährige PaliTrainer Constantin Jude ihn zu CFR Temeswar. Jude war seinerzeit Trainer bei CFR und gleichzeitig Spieler bei $tiinta (später Politehnica) Tesmewar. 1960 wechselt Niesz zu Stiinta, wo er sowohl auf dem Großfeld als auch in der Halle Handball spielt. Als Niesz zu $tiinta kommt, ist Hans Moser bereits in Bukarest bei Dinamo. Mit seinem Freund Hansi Schmidt spielt er noch anderthalb Jahre bei Stiinta. Mit Politehnica wird Niesz 1961 Vizemeister. Nach der Aussiedlung mit Frau und Tochter lässt sich Niesz in Landshut nieder, wo er bis zur Pensionierung im Jahr 2000 als Sportlehrer arbeitet. Doch auch hier lässt der Handball ihn nicht mehr los. Bereits 1975 ist er Spielertrainer des Eisenbahner-Turn- und -Sportvereins (ETSV) Landshut, den er anschließend auch als Trainer bis 1987 betreut. Mit dem ETSV wird er 1978 niederbayerischer Meister und steigt nach einer Qualifikationsrunde in die Verbandsliga auf. 1981 schafft Niesz mit dem
$tiinfa LOH Tin nach dem Aufstieg in die : weite Liga 1966 in Pite!jti : (stehend von links)Manfred Schmidt, Hermann Horst Nies:. Erwin Esperschidt. Richard Schmidt. (hockend) Hans Riegelmayer. Hans Lamhrecht II . Hans Lamhrecht I, Alji·ed Bittenhinder , Mihai Boihorean , (sit:.end) Ion Virdea, Christoplt Ko ch und Pran z Wet.:el. Auf dem Bild f ehlen: Pranz Kernweiß und Michael Ig osag 237
ETSV den Sprung in die Oberliga Bayern. Ein Jahr später ist der ETSV deutscher Meister der Eisenbahner-Mannschaften. Diesen Erfolg wiederholt er 1986. 1988 wechselt Niesz zur SG Moosburg in Oberbayern und steigt mit der Mannschaft innerhalb von drei Jahren aus der B-Klasse in die Bezirksmeisterschaft Oberbayern auf. Das Bayerische Handballecho kommentiert den Erfolg folgendermaßen: "Unter ihrem Trainer, Diplom-Sportlehrer Hermann Niesz aus Landshut, wurden die Moosburger zu einem Shooting-Star im wahrsten Sinne des Wortes ... " Und weiter: "Mit hervorragendem Handballwissen und dazu einem ausgezeichneten Einfühlungsvermögen verstand er es von Anfang, seine Spieler, vor allem in kritischen Situationen, immer wieder zu motivieren." 1993 wechselt er zum niederbayerischen Bezirksligisten TuS Berg in Landshut, den er bis 1995 betreut. Wegen Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden gibt er die Trainertätigkeit auf. Von 1975 bis 1985 ist Niesz gleichzeitig Handhall-Lehrwart von Niederbayern. Als solcher ist er für die Beobachtung des Handballnachwuchses zuständig, hält eine Vielzahl von Handball-Lehrgängen ab und bereitet Mannschaften für Vergleichsspiele vor.
§tiinfa Lowrin 1969 nach dem Gewinn des Dorfjugend-Meistertitels in Bukarest: (stehend von links) San du (Betreuer), Erwin Esperschidt, Erwin Gimpel, Hans Lamhrecht, Christoph Koch, Hans Riegelmayer, D. Zamfirache, Manji-ed Schmidt, Richard Schmidt , (sitzend) Norhert Weichandt, Hermann Horst Niesz und Gheorghe Tudor 238
Der Weggefährte von Niesz aus Lowriner Zeiten, Christoph Koch, ist dem Handball auch nach der Ausreise in Deutschland verbunden geblieben. Seit 1990 ist er in Herzogenaurach zu Hause, wo er die erste Mannschaft des Bezirksligisten TSV 1860 betreut. Er macht ferner in einer Alte-Herren-Mannschaft mit und organisiert jährlich ein Turnier um den Pipatsch-Pokal, zu dem ehemalige Handballgrößen aus der alten Heimat, wie Roland Gunnesch oder Hansi Schmidt, kommen. Der am 10. Juli 1935 in Lowrin geborene Koch hat bereits vor der Lowriner Zeit mit Niesz zusammen gespielt, und zwar 1955 mit Warjasch in der zweiten Großfeldhandball-Liga. Seine Statio- Chrisroph Koch nen: Von Lowrin, wo er ab 1948 spielt, wechselt er 1951 zu Electromotor Temeswar in die Kreismeisterschaft Dann folgen Recolta Warjasch und 1958 $tiinta Lowrin, wo er bis 1990 als Spieler und Macher tätig ist.
Hans "Purschi" Schuster
Ligapokal und Vizemeisterschaft in Schweden gewonnen "Ich habe mich bemüht, einer der Besten zu sein". Hans "Purschi" Schuster hat 40 Jahre lang versucht, dem Handball zu dienen. Und ebenso lang hat er als Trainer Leistung gebracht, aber auch Leistung gefordert. Beim rumänischen Handballverband war der am 6. August 1931 in Reußmarkt geborene Schuster ein geschätzter Mann. In seiner Jugend ist Schuster Leichtathlet. Es reicht sogar zum JuniorenVizemeistertitel im Weitsprung. Ende der 40er Jahre stellt er fest, dass diejenigen, die in Hermannstadt bei Flamura Ro;;ie Handball spielen, schöne Sportkleidung tragen. Auch er möchte solche Kleidung haben. Und deshalb entschließt er sich, Handballer zu werden. Das ist 1948. Zwei Jahre lang wird er für diese Mannschaft spielen. Bis er das Abitur abgelegt hat. Dann stellt er sich zur Aufnahmeprüfung an der Hochschule in Arad. Mutter möchte, dass er Tierarzt wird, er nicht. "Aber in jener Zeit ist es in Siebenbürgen noch üblich", so Schuster, "dass der Sohn noch tut, was Mutter verlangt." Doch er wird nicht zur Hochschule zugelassen, legt ein Jahr Pause ein, in dem er als Erzieher in einer Berufsschule arbeitet und für Arsenal Hermannstadt in der ersten Liga spielt, unter Trainer Willi Kirschner. In dem Jahr erkennt Schuster, dass er für den Lehrerberuf geeignet ist. Im nächsten Herbst stellt er sich zur Aufnahmeprüfung an der Bukarester Sporthochschule. Nach der Prüfung fährt er zurück nach Reußmarkt. Das Prüfungsergebnis erfährt er aus der Sportzeitung, die alle Ergebnisse veröffentlicht. Von rund 400 Kandidaten, die sich um 120 Plätze beworben haben, belegt er den 14. Er darf studieren. An der Hochschule in Bukarest schließt er sich der Hochschulmannschaft an, der auch Banater und Siebenbürger angehören. Zusammen steigen sie in die erste Liga auf. Bis 1955 spielt Schuster in dieser Mannschaft. Nach dem Studium geht er zurück nach Hermannstadt Vointa spielt in der ersten Liga. Schuster wird angeboten, die Jungen-Mannschaft als Trainer zu übernehmen. Es sind die 1942 und 1943 Geborenen, die er trainiert. Mit ihnen wird Schuster 1959 Junioren-Landesmeister auf dem Großfeld und kurbelt damit die Hermannstädter Talentschmiede erneut an. Die Trainerkarriere Schusters nimmt ihren Lauf. 1962 gewinnt er mit den 1944 und 1945 Geborenen die Sportschul-Landesmeisterschaft. Das Endspiel findet in Temeswar statt. Gegner ist Bukarest unter Pranz "Feri" Spier. In jenem Spiel ist auch Wolfgang-Ortwin Schmidt dabei, der später einmal nach Klausenburg und zum Bukarester Armeeklub Steaua wechseln 240
soll und in die Nationalmannschaft berufen wird. Nach dem Spiel gratuliert der Sprecher Schuster gleich zweifach: für den gewonnenen Landesmeistertitel und zum zwei Wochen vorher geborenen Sohn Marius. 1963 fordert Bulgarien einen Fachmann aus Rumänien an, der die Nationalmannschaft trainieren soll. Eine Aufgabe für Schuster, der als erster Trainer den rumänischen Handball im Ausland vertritt. Während des dreimonatigen Bulgarien-Aufenthalts unterrichtet er auch an der Sporthochschule in Sofia. Auf Anraten seines Hochschullehrers übernimmt Schuster 1963 an der Hermannstädter Sportschule eine Mädchengruppe. Auch mit ihr feiert er Erfolge: Er gewinnt einen Meister- und einen Vizemeistertitel, und zwar 1965 und 1966. Im selben Jahr übernimmt er die Jugendauswahl, mit der er den Balkanmeistertitel gewinnt. 1968, das Tauwetter im Ostblock hat eingesetzt, darf Schuster erstmals in den Westen reisen. Er wird sieben Monate lang für den westschwedischen Handballverband in Göteborg arbeiten. Bei der Ankunft in Göteborg erwarten ihn Reporter. Sie wollen wissen, wie er den schwedischen Handball einschätzt. Schuster hat keine Ahnung vom schwedischen Handball, aber er antwortet und zieht sich gut aus der Affäre. Das Unternehmen
Han s Schuster holt den Junioren-Landesmeistertitel aufdem Großfeld mitf olgender Mannschaft 1959 nach Hernw nnstadt : (stehend \'On links) Dieter Zinz , Helmuth Schul/er , Han s-Jörg Sigerius , Emil Panta zopo/, Dieter Neumann. Train er Ha ns Schuster , Gerd Stenze!. Dieter Zikeli, Dieter Th eil , Günther Borg er , (unten) Klaus Stenze!, Rudo/fKlubitschko, RolfSchnäp, Wolfgang Böhm und Dieter Stenze!. 241
Schweden beginnt ~u gelingen. Schuster übernimmt den Erstligisten RlK Göteborg, mit dem er in einem halben Jahr schwedischer Vizemeister und Pokalsieger wird. Er unterrichtet an der Sporthochschule in Stockholm. Doch seine eigentliche Aufgabe in Schweden ist, sechs Monate lang ModellTraining zu machen. Danach ist er froh, wieder nach Hause fliegen zu können, denn inzwischen ist seine Tochter Maria zur Welt gekommen. Er ist kaum in Hermannstadt, erreicht ihn ein Schreiben des schwedischen HandballVerbandes. Die Schweden wollen ihn als technischen Direktor des Verbandes einstellen. Doch Schuster darf nicht, trotz des Tauwetters. Der rumänische Handball-Verband teilt ihm mit, man habe die Schweden verständigt, dass man auf Schusters Dienste nicht verzichten könne. Nicht lange darauf erfährt Schuster aus der Sportzeitung, dass er zum Nationaltrainer der Frauenmannschaft ernannt worden ist. Er greift zum Telefonhörer, ruft beim Handball-Verband an und teilt Lucian Grigorescu, Generalsekretär des Handball-Verbandes, mit, dass er keine Frauenmannschaft mehr trainieren werde. Was er an der Sportschule in Hermannstadt gemacht hat, sei ein Experiment gewesen. Seine Stärke seien Männermannschaften. Dann bietet der Verband ihm den Trainerposten bei der neu ins Leben gerufenen B-Nationalmannschaft an. Er akzeptiert. Mit dieser Mannschaft unternimmt er im Dezember 1969 eine Tournee durch Deutschland. Von neun Spielen geht nur eines verloren. Doch diese zweite Mannschaft ist auch nur ein Experiment, der Verband will wissen, ob aus dieser Truppe Spieler für die erste Mannschaft gewonnen werden können, die am Weltmeisterschaftsturnier 1970 in Frankreich teilnehmen können. Einer wird dabei sein: Cezar Nica. Und der wird Schuster eine Ansichtskarte aus Paris schreiben, nachdem die Mannschaft Weltmeister geworden ist. 1969, Schuster ist eben aus Schweden zurückgekehrt, findet er die Hermannstädter Mannschaft Independenta in der Kreisliga. Sie ist am Boden, und er wird gebeten, die Mannschaft wieder nach oben zu bringen. Nach einem Jahr ist Independenta in der zweiten Liga. Und ein Jahr darauf kämpft sie bereits um den Aufstieg ins Oberhaus. Der Versuch misslingt, weil keiner in Baia Mare gegen Lascar Pana gewinnen kann, sagt Schuster. Doch im nächsten Jahr gelingt der Aufstieg. Die verlorenen Söhne, mit denen Schuster vor Jahren den Junioren-Landesmeistertitel gewonnen hat, sind wieder in Hermannstadt Um Wolfgang-Ortwin Schmidt, Günther Speck und Gerd Stenze! schmiedet er "wieder eine ziemlich gute Truppe, die sich mittelmäßig behauptet", so Schuster. Im zweiten Jahr nach dem Aufstieg gibt es Spannungen in der Mannschaft. Nach einem Turnier in Klausenburg wirft Schuster das Handtuch. Er ist eben mit der Mannschaft aus dem Zug in Hermannstadt gestiegen, trifft Verantwortliche aus der Vereinsspitze und teilt ihnen mit, dass er geht. Schuster konzentriert sich auf die Sportschule, deren Direktor er seit einigen Jahren ist, und denkt an die Ausreise. 1980 ist er in Deutschland. 242
Vlado Stenzel, der damalige deutsche Nationaltrainer aus Kroatien, den Schuster von seinen Vorträgen in der Jugoslawischen Handballschule kennt, will Schuster zum Deutschen Handball-Bund holen. Doch die hauptberufliche Arbeit, die ihm angeboten wird, sagt ihm nicht zu, er winkt ab. Er arbeitet an einer Schule für geistig Behinderte in Traunreut. Dann kommt ein Angebot vom Südbadischen Handball-Verband. Schuster übernimmt den Regionalligisten Teningen. Er soll eine Stelle als Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg übernehmen. Er zieht um. Doch in der Zwischenzeit haben sich die Bestimmungen geändert. An der PH darf keiner mehr unterrichten, der nur ein Fach studiert hat und älter als 50 ist. Schuster wird deshalb Diplomsportlehrer im freien Beruf. Mit der SG Teningen gewinnt er 1984 in Paris den Normandie-Pokal. Doch Teningen erweist sich als schwieriges Pflaster. In einer Vorstandssitzung ärgert er sich und verlässt die Versammlung. Sein Nachfolger erntet die Lorbeeren und steigt mit der Mannschaft in die zweite Liga auf. Einen Monat später ist Schuster beim Verbandsligisten TuS Oberhausen. Hier stimmt die Atmosphäre, und Schuster führt die Mannschaft über die Oberliga in die Regionalliga. 1990 beendet Schuster seine Trainertätigkeit
Angela Mo§U und Hans Huber
Der Handball führt sie zusammen Sie sind gleich alt, gehen anfangs getrennte Wege, doch der Handball führt sie zusammen. Sie lernen sich 1964 zufällig in Wolfsberg im Banater Bergland kennen und werden die Zukunft gemeinsam meistern: Angela Mo§U und Hans Huber, beide Handballer, Sportlehrer und Trainer. Angela, geboren am 16. Oktober 1946 in Klein-Sanktnikolaus bei Arad, ist kaum zwei Wochen alt, als Hans Huber am 25. Oktober in Neusiedei in der Banater Heide zur Welt kommt. Das Interesse der beiden für den Handball wird bereits in der Schule geweckt. Als Hans Huber 1960 an die Lehrerbildungsanstalt in der Temeswarer Josefstadt wechselt, muss Sportlehrer Adam Fischer eine neue Handballmannschaft aufAngela Mo~u-Huber bauen. Der Sommer 1960 bedeutet an dem Gymnasium in der Josefstadt, in dem auch die Lehrer für die deutschen Schulen ausgebildet werden, einen Schnitt. Hansi Schmidt und seine Mannschaftskameraden haben nach dem Abitur die Schule verlassen. Hans Huber gehört zu den Neuen, die Adam Fischer in die Mannschaft einbauen will. Das Vorhaben gelingt. Hans Huber wird mit der Mannschaft 1965 Schülerlandesmeister. In dieser Mannschaft spielt Hans Huber noch im rechten Rückraum. Doch es wird nicht mehrallzu lange dauern, und er wird auf einem anderen Posten gebraucht: Er wechselt ins Tor. Und auf dieser Position wird er seine Karriere als Handballer machen. In der Meistermannschaft stehen mit Hans Maurer, Jozsef Ham Huher 244
Kovacs und Mircea Biraescu drei weitere Spieler, die einmal zu Politehnica Temeswar wechseln werden. 1966 hat Hans Huber sein Lehrerdiplom in der Tasche, beginnt aber ein Studium an der Sporthochschule in Temeswar. Als Sportstudent spielt er für Uni Temeswar und steigt mit der Mannschaft in die zweite Liga auf. Doch nach einem Jahr ist die Mannschaft wieder abgestiegen. Hans Huber wechselt 1967 zu Pali Temeswar, für die er eine Saison spielt. Danach wechselt er zu $tiinta Lowrin, mit der er 1970 in die erste Liga aufsteigt. Lowrin schafft damit auf dem Kleinfeld, was Perjamosch und Bogarosch auf dem Großfeld gelungen ist: den Aufstieg als Dorfmannschaft ins Oberhaus. Lowrin ist die erste Mannschaft, der dieses Meisterstück auf dem Kleinfeld gelingt. 1970 wechselt Hans Huber zu Gloria Arad, mit der er unter Roland Wegemann 1975 in die erste Liga aufsteigt. Er wird bis zur Aussiedlung 1980 für Gloria spielen. In Deutschland steht er noch ein halbes Jahr in der 2. Bundesliga für Oßweil unter Vertrag. Dann geht er zusammen mit seiner Frau nach Mindelheim, wo beide als Sportlehrer am Maristenkolleg eingestellt werden. Wegbereiter dieses Wechsels ist Hans Hubers Lehrer und Trainer Adam Fischer, der an der Schule inzwischen ein geschätzter Pädagoge ist. In Mindelheim spielt Hans Huber für den TSV und steigt 1985 mit der Mannschaft in die Bezirksliga auf. Darauf folgen zwei Jahre in der zweiten TSV-Mannschaft, dann beendet Hans Huber seine aktive Laufbahn. Heute spielt er noch Tennis in der Bezirksklasse und trainiert SchülerHandballmannschaften.
§tiinfa Temeswar Mitte der 60er Jahre: Trainer Viktor Kitzr1. Anni Nemetz, Edeltraut Franz, LucreJia Anca , Roswitha Neurohr. Florica Ciosescu. Betreuer Tiheriu Sfercoci, Theresia S::ekely , Angelr1 Mo~u, (hockend) Jolanda Rigo. Eva Kaspari, ein Begleiter und Carmen Dicu 245
Angela Mo~u kommt als Fünftklässlerin am Neuarader Gymnasium mit dem Handball in Berührung. Sportlehrer Ferdinand Wittmann empfiehlt sie weiter. Sein Bruder Hans, der Direktor des Temeswarer Sportgymnasiums ist, nimmt sie auf. Mit der Mannschaft des Gymnasiums wird sie Schülerlandesmeisterin und steigt ins Handball-Oberhaus auf. Es ist die Zeit, in der der Temeswarer Frauen-Handball noch die Vorherrschaft im Lande hat. Nach dem Abitur studiert AngelaSport an der Uni in Temeswar und wird Spielerin bei $tiinta, die ab 1965 den Namen Uni tragen wird. Mit $tiinta/Uni wird sie bis zu ihrem Wechsel nach Arad 1970 vier Landesmeisterund zwei Vizelandesmeistertitel gewinnen. Sie wird als Spielgestalterin und im rechten Rückraum eingesetzt. 1967 gewinnt sie mit der rumänischen Jugend-Nationalmannschaft den WeltmeistertiteL Mit d~n Temeswarer Studentinnen nimmt sie an Spielen im Buropapokal der Meister teil. Sie wird elfmal in die Nationalmannschaft berufen.1970 wechselt Angela zu UT Arad in die zweite Liga, ihre letzte Station in Rumänien ist Teba Arad, die in der Kreisliga spielt. 1980 wird Angela ein halbes Jahr lang in der 1. Bundesliga für den TC Waiblingen spielen, nach dem Umzug für Mindelheim in der Kreisliga. Am Maristenkolleg trainiert sie jahrelang drei bis vier Schülermannschaften.
Die Mann schaft des Temesv.,arer JosefHädter Gymnasiums gewinnt 1965 den SchülerLandesmeistertitel: (stehend von lin ks) Schuldirektor Dusan Sa blic, Ion Tatu cu, Gheorghe Rafa, Jozsef Kovacs , L. Simon , Mircea Sa rbu, Hans Maurer, Train er Adam Fischer, (h ockend) Jakob Leptich , Ha ns Huber, Josef M erle. Pra nz Baizer und Mircea Biräescu
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Inzwischen sind es nur noch zwei. "Das Interesse hat nachgelassen", sagt Angela Huber, "die Kinder sind auch bequemer geworden, sie wollen sich nicht mehr anstrengen." Neulich sei ihr eine Begebenheit vom Trainingslager in Wofsberg in den Sinn gekommen, die sie sofort ihrem Mann erzählt hat. Auf einer Wanderung mit Trainer Viktor Kitza sei die Mannschaft vom Regen überrascht worden und durchnässt heimgekehrt. Betreuer Tibi Sfercociu hat eine Schnapsflasche hervorgeholt und jeder Spielerin einen Schluck angeboten. "So sind wir zum ersten und letzten Mal an Alkohol rangekommen", sagt Angela Huber. Der Handball-Sport sei anstrengend gewesen, doch schön. "Es hat Spaß gemacht", sagt Angela Huber heute. Von den beiden Söhnen der Hubers ist nur der jüngste, Hans-Jürgen, Handballer geworden. Er spielt für Niederraunau in der Bayern-Liga. Hanno, der ältere, hat dem Studium und dem Beruf als Ingenieur Vorrang eingeräumt.
Vo r de111 Spiel Gloria Arad gegen Uni Klau senburg: (von li11ks) Han s Huber, Va/er Bai, Han s Burge r, Ion Bumc, Ewald Ko/leth, Nicu Lincä r111d C heo rghe Di111a 247
Martha Siegmund und Richard Löw
Handhallerin trifft Handballer Es war ein wahrhaft seltenes Schauspiel, in dem die Zuschauer tatsächlich etwas zu sehen bekommen haben. So beschreibt die Zeitung "Sportul Popular" in Bukarest das zweite Endspiel um die rumänische Meisterschaft im FrauenHandball 1948. Sieger wurde die Schäßburger Mannschaft, die das Spiel entschlossener angegangen ist und sich einen Vorteil gesichert hat durch die Tore von Ulrike Wonnerth, Martha Siegmund (2) und Frieda Keller. Es war ein sehr rasches, abwechslungsreiches Spiel auf beiden Seiten. Die Schäßburgerinnen haben besser agjert als im Hinspiel auf eigenem Platz. Sie haben die ganze Zeit . Martha Siegmund-Löw versucht, auf Angriff zu spielen, was ihnen schließlich den Sieg eingebracht hat. Es war ein Spiel, in dem die Mittelstürmerin und die Flügel mit steilen Pässen immer wieder in Szene gesetzt wurden. Mit dem 4:2-Sieg - das Hinspiel hat 2:2 geendet- ist die Frauenelf aus Schäßburg Landesmeister geworden. Mit zwei erzielten Toren hat Martha Siegmund einen wesentlichen Anteil am Titelgewinn. Die erfolgreiche Saison bringt der als Rechtsaußen eingesetzten Spielerin die Berufung in die Nationalmannschaft. Martha Siegmund gehört zu der Mannschaft, die im Sommer 1949 das erste Länderspiel für Rumänien bestreitet. Die Begegnung in Temeswar verliert die von Bruno Holzträger trainierte rumänische Mannschaft gegen die ungarische Elf. Martha Siegmund, die heute den Namen ihres Richard Löw 248
Mannes trägt und Löw heißt, erinnert sich: "Wir hatten riesigen Respekt vor den Ungarinnen. Wir haben uns unterbuttern lassen. Wäre diesem Spiel ein zweites gefolgt, hätten wir uns bestimmt ganz anders verkauft." Bevor Martha Siegmund zur Schäßburger Victoria stößt, treibt sie Leichtathletik und Schwimmen. Nach dem Krieg wechselt sie "zusammen mit ihrer Clique zum Handball". Der Sport führt sie und ihren späteren Mann, Richard Löw, zusammen. Doch sie wird dem Handball nicht lange erhalten bleiben, denn 1953 erkrankt sie im Trainingslager der Nationalmannschaft an Hepatitis. Sie kann deswegen nicht an den Wel~ugendspielen in Bukarest teilnehmen. Nach zwei Jahren wird sie rückfällig und muss den Sport aufgeben. Die Krankheit bereitet der Karriere einer Spitzenhandhallerin ein jähes Ende. Amselben Tag wird auch Richard Löw mit der Schäßburger Victoria Landesmeister. Der 1,74 Meter große Richard Löw steht in der Mannschaft als linker Verteidiger seinen Mann. Er bildet in jenem Jahr mit Walter "Butzi" Schmidt, Rudolf Eder, Heinz Kartmann und Hermann Kamilli die damals wahrscheinlich beste Abwehrreihe Rumäniens. Die Schäßburger gewinnen das zweite Finalspiel in Hermannstadt gegen Arsenal mit 3:2, nachdem sie auch das Hinspiel auf eigenem Platz mit 11:5 gewonnen haben. In einem Zeitungsbericht vom August 1948 heißt es: "Das Finale von Hermannstadt war ein eng geführter Kampf, der sich zu einem spektakulären Spiel entwickelt hat. Schäßburg stellt gegenwärtig die beste Mannschaft des Landes und ist sogar zwei Klassen besser als Arsenal. Ein objektives Publikum hat eine für den Spielverlauf günstige Atmosphäre geschaffen, wovon sowohl das Spiel als auch die Zuschauer profitiert haben." Die Meister haben in ihren Reihen ein paar wertvolle Spieler. So zum Beispiel Torwart Hans Lehni, der von den 22 Spielern Bester war und sich auf dieser Position für eine eventuell aufzustellende Nationalmannschaft empfiehlt. Ferner haben sich mit Rudolf Eder und Walter Lingner zwei gute Aufbauspieler und Torschützen bewährt. Die Bukarester Zeitung "Sportul Popular" schreibt weiter: "Der Kampf in Hermannstadt war nicht so leicht wie angenommen ... Die Hermannstädter haben die beste Mannschaft in den Kampf geworfen und hatten das gegnerische Tor ständig im Visier. Ihr sehr flexibel von dem alten Kirschner angeführter Sturm hat häufig das Tor bedrängt. Wahre dynamische Phasen haben die Zuschauer von den Sitzen gerissen ... Doch die Schäßburger haben ihnen in nichts nachgestanden ... Sie haben häufig auf das von Zollerausgezeichnet gehütete Tor geworfen." Der 1948 gewonnene Titel ist bereits der zweite Erfolg Richard Löws. Seinen ersten Meistertitel fährt er bereits 1946 mit der Victoria in der ersten Nachkriegsmeisterschaft ein, und zwar in einem dramatischen Endspiel in Schäßburg, das die Victoria knapp mit 2:1 gegen Angstgegner Karres Mediasch gewinnt. Von der Meistermannschaft 1946 leben noch elf Spieler, rechnet Löw vor. Mit Hans Lehni, Hermann Kamilli, Hans Theil und Hans Maurer sind bereits vier gestorben. Richard Löw ist zu jenem Menschenschlag zu zählen, der sich nicht 249
gerne in den Vordergrund schiebt. Über sich selbst sagt er: "Ich gehörte nicht zu den Strahlemännern. Wenn sich Publikum und Reporter an jene Zeiten erinnern, fallen andere Namen. Doch die Insider taxieren mich anders. Sie wissen, dass ich zu den zuverlässigen, unauffälligen Spielern gehört habe, die aber aus einer erfolgreichen Mannschaft nicht wegzudenken sind, weil sie die Erfolge der Spitzenspieler erst ermöglichen." Richard Löw ist vorn 11. Januar 1946 bis zum Herbst 1950, als er zum Militär einberufen wurde, als einziger Handballer in allen Spielen der Victoria eingesetzt worden, ohne ausgewechselt zu werden. Mit dem Handball in Kontakt gekommen ist Richard Löw 1946. Heimkehrer und Versteckte wagen sich wieder hervor. Inzwischen haben die Ungarn in Schäßburg eine Handball-Mannschaft gegründet. Die Victoria, eigentlich der Sportklub der Polizei, hat bereits eine Fußballmannschaft, doch es soll auch eine Handballmannschaft gegründet werden. Der Klub übernimmt auch die deutschen Handballer. Wer dazu beitragen kann, dass diese Mannschaft gewinnt, der wird gebilligt und getragen, sagt Richard Löw. Der am 21. Februar 1927 in Schäßburg geborene Löw wird 1947 Vizemeister. In diesem Jahr muss die Victoria Arsenal Hermannstadt den Vortritt lassen. 1949 ist wieder Arsenal Hermannstadt an der Reihe. Mit dieser Meisterschaft beginnt der Aufbau der Mannschaften bei der Armee und Polizei in Bukarest und in Kronstadt Diese Klubs, die sich ihre Spieler durch Einberufungen sichern, sehen sich vor allem in Siebenbürgen um. 1950 klappt es noch irgendwie, sagt Richard Löw, danach geht es mit dem Siebenbürger Handball bergab. 1950 muss auch Richard Löw zur Armee. Er wird eingezogen nach Petro§ani, wo er als Arbeitssoldat im Bergwerk arbeitet und für die MilitärMannschaft Handball spielt. Größter Erfolg mit dieser Mannschaft ist die Teilnahme an den in Bukarest abgehaltenen Militär-Meisterschaften. 1952 ist die Handballkarriere des Richard Löw beendet. Richard und Martha Löw verlassen im Frühjahr 1970 Schäßburg und lassen sich in Bietigheirn-Bissingen nieder. Doch sie sind kaum in Deutschland, wird alles, was sie daheim zurückgelassen haben, von den Fluten der Kokel mitgerissen. Auch die Erinnerungsfotos an die erfolgreichen Sportjahre gehen verloren. Richard Löw, der noch nach dem Krieg in der von seinem Großvater gegründeten Baumwoll-Weberei in die Lehre geht und bis zum Meister aufsteigt, und seiner Frau, die bis zur Rente in Rumänien und Deutschland als Lehrerin arbeitet, sind nicht viel mehr als Erinnerungen aus der alten Heimat geblieben. Zu den angenehmsten gehören die an den Sport. Denn der Handball hat die beiden zusammengeführt. und ihnen leichter über die schweren Nachkriegsjahre hinweggeholfen.
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Dieter Christenau
Zum Methusalem der A-Liga aufgestiegen Dieter Christenau kommt vom Handball nicht los. Der am 6. Januar 1942 in Temeswar geborene Dieter hat 22 Jahre lang in der ersten rumänischen Liga gespielt- 14 für Poli Temeswar und acht für Steaua Bukarest -, ist 24mal in Auswahlmannschaften berufen worden, für die er 44 Tore wirft, und arbeitet heute noch als Trainer. In den 22 aktiven Jahren bestreitet Dieter rund 700 Spiele im HandballOberhaus, in denen ihm mehr als 1000 Tore gelingen. 1964 ist er bester PaliSchütze mit 137 Toren. Dieter gilt mit den 22 aktiven Jahren im Oberhaus als dienstältester Handballer der ersten rumänischen Liga, er ist damit zum HandballMethusalem aufgestiegen. Dieter Christenau Dabei hat Dieter eigentlich anfangs Volleyhaller werden sollen. Das haben die Vorschriften an der Temeswarer Sportschule vorgesehen. Doch er wechselt auf eigene Faust mitten im Schuljahr vom Volleyball zum Handball und fällt deswegen prompt durch. Doch das schadet ihm nicht, er wird ein sehr guter Handballer, der als Spielmacher und Kreisläufer seinen Mann stellt. Noch während der Schulzeit spielt der Rechtshänder unter Adam Fischer bei 'Fehnometal Temeswar. 1959 wechselt er zu CFR Temeswar in die Regionalliga. 1961 besteht er die Aufnahmeprüfung an der Sporthochschule und wechselt zu $tiinta (später Poli), wo er bis 1965 spielt. Nach dem Abgang von der Hochschule wechselt er zum Bukarester Armeesportklub Steaua. Das Ausland lockt. Und mit dem Armeesportklub kann er dieses Ziel erreichen. 1966 und 1967 wird Dieter achtmal in die Nationalmannschaft berufen. Vorher steht er ebenso oft in der JugendauswahL Mit dem Bukarester Armeesportklub gewinnt Dieter siebenmal den Meistertitel in Folge (von 1965 bis 1973). Ferner gewinnt er 1968 gegen Dukla Prag den Europapakai der Meister in Frankfurt am Main. Die EC-Finals gegen den VfL Gummersbach 1971 und 1972 verliert er allerdings mit dem Bukarester Klub. 251
Kreisläufer Dieter Christenau hat den Ball, und mit einer Drehung kommt der Steaua-Spieler im Europapokal-Spiel gegen IF Oslo zum Zug .
Mit Stemw Bukarest gewinnt Dietcr Christencw 1968 gegen Dukla Prag den Europapakai der Meister in Frankfurt am Main. Die e1folgreiche Mannschaft: (stehend von links) Octavian Nijescu, (zweiter Trainer). Albaoica. Dieter Christenau, Trainer Johnny Kunst, Gheorghe Gruia , Ion Pascu, Romicä Platon, Olimphi Nodea. (sit::end) Uan Ro~escu, Josef Jakob, Cornel Ojelea, Cheorghe Garem , Ion Belu und Mihai Marinescu 252
1973 ist Dieter wieder bei Politehnica in Temeswar, wo er seine aktive Laufbahn 1982 beendet. Im seihen Jahr übernimmt er die Frauenmannschaft von Constructorul Temeswar. Mit ihr schafft er 1986 den Aufstieg in die erste Liga. Gleichzeitig trainiert er die weibliche A-Jugend der Sportschule. Mitden 14- bis 15-jährigenJuniorinnen gewinnt er 1976 den LandesmeistertiteL 1987 siedelt Dieter in die Bundesrepublik Deutschland um. Er steigt bei einer Berufsschule in Nürnberg als Sportlehrer ein und betätigt sich weiter als Trainer. Noch im seihen Jahr übernimmt er die weibliche Jugend des 1. FC Nürnberg, die er bis 1995 betreut und drei bayerische Meistertitel gewinnt. 1992 und 1993 ist er mit der Frauenmannschaft des 1. FC Nürnberg in der zweiten Bundesliga. 1995 wechselt Dieter mit der Jugendmannschaft des 1. FC Nürnberg zum Sportklub Quelle. Mit Quelle wird er 1996 süddeutscher Meister. 1997 belegt er mit den Damen von Quelle den vierten Platz in der zweiten Bundesliga und wird mit der Quelle-Jugend bayerischer Meister. Im Sommer 2001 holt Vorstand Bernhard Keltsch Dieter zurück zum 1. FC Nürnberg, wo er einen nordbayerischen Handball-Stützpunkt aufbauen soll.
Rudolf Eder
Mit einem Perfektionisten auf Erfolgskurs "Alles, was man übertreibt, rächt sich einmal im Leben. Ich bin nun ein alter Mann und leide am Herzen. Ich bin schon dreimal an den Hüftgelenken operiert worden und mussamStock gehen. Macht aber nichts. Handball und Eishockey waren mein Leben." Das sagt der am 6. April1925 in Schäßburg geborene Rudolf Eder. Ob Rudolf Eder in seinem Leben übertrieben hat, sei dahingestellt. Eines ist jedenfalls sicher: Rudi, wie ihn seine Freunde nennen, war Zeit seines Lebens ein Perfektionist. Mit seiner Genauigkeit, Zielstrebigkeit und Ausdauer hat er Erfolg gehabt. Vielleicht war es Zufall oder einfach Glück, dass er den Krieg heil Rudolf Eder überstanden hat und dem Schäßburger Handball erhalten geblieben ist. Als die rumänische Armee am 23. August 1944 die Fronten wechselt, ist er auf dem Heimweg, weil sein Vater gestorben ist. Als Rudi am nächsten Tag erfährt, was in Bukarest beschlossen worden ist, versteckt er sich und geht nicht zurück an die Front. Als sich nach dem Krieg alles etwas beruhigt hat, zeigt er sich wieder in der Öffentlichkeit. Im Mai 1946 wird in Schäßburg wieder Großfeldhandball gespielt. Sportlehrer Hans Kraus wagt den Anfang und leitet die ersten Trainingseinheiten. Doch nach kurzer Zeit wird alles für ihn zu anstrengend. Er zieht jetzt auch Rudi für die Trainerarbeit heran. Eder leitet das Konditionstraining. Er ist Spieler und Trainer zugleich. Die Arbeit leistet er unentgeltlich. "Dennoch haben wir in kürzester Zeit eine schlagkräftige Mannschaft aufbauen können, die gleich 1946 Landesmeister wurde", so Eder. Der Spielertrainer legt gleich von Anfang an großen Wert darauf, dass Victoria Schäßburg einen guten Torwart hat und die Mannschaft über eine ausgezeichnete Kondition verfügt. Er besteht auf Pünktlichkeit im Training, das schon früh morgens vor der Arbeit beginnt. Er läuft immer der Mannschaft voraus, er gibt das Tempo vor, und ein jeder muss mithalten. "Und im Spiel war ich immer unter ihnen und konnte sie so dirigieren", 254
sagt Eder. "Selbstverständlich habe ich auch mit dem Torwarttraining begonnen. Zweimal wöchentlich habe ich stundenlang mit dem Torwart gearbeitet, bis zu 300 Mal habe ich aufs Tor geworfen." Folge: In kürzester Zeit verfügt die Victoria mit Hans Lehni über einen Klassetorhüter. Die Mannschaft hat eine erstklassige Ausdauer. Wenn der Schiedsrichter das Spiel abgepfiffen hat, fragt der eine oder andere Spieler schon einmal, ob die Begegnung denn schon zu Ende sei. Und fügte hinzu: Ich bin noch gar nicht müde, so Eder. Heute, nach mehr als einem halben Jahrhundert, hört Eder noch bei den Handballertreffen manchen sagen: "Rudi, was du mich beschimpft hast auf dem Platz." Aber Rudolf Eder fügt hinzu: "Nur so konnte ich die Mannschaft im Griff behalten, und nur so konnten wir Spiel um Spiel gewinnen." Einen zweiten Erfolg feiertEder zwei Jahre später mit der Mannschaft: 1948 ist die Victoria erneut Landesmeister. Im Finalrückspiel in Hermannstadt, in dem Arsenal der Schäßburger Victoria unterliegt, steuertEder zwei Tore bei, das dritte erzielt Walter Lingner. Die Bukarester Zeitung "Sportul Popular" schreibt "... die Angreifer Eder und Lingner haben sich sowohl als gute Aufbauspieler als auch als gute Vollstrecker erwiesen." Im selben Jahr wird auch die Frauenmannschaft der Victoria Landesmeister. Es ist der totale Erfolg. Weitere Titelgewinne werden sich nicht mehr einstellen. Denn in den darauffolgenden Jahren beginnt bereits der Niedergang des Schäßburger Handballs. Rudolf Eder und seine Mannschaftskameraden Hermann Kamilli und Kar! Adleff werden 1950 verhaftet und zur Zwangsarbeit am Donaukanal verurteilt. "Weil sie uns als ehemalige deutsche Soldaten nicht zur rumänischen Armee einberufen konnten, um uns als Konkurrenten zu beseitigen, haben sie eben diesen Weg gewählt", sagt Eder. Weil Rudi Eder auch am Kanal die Arbeit ernst nimmt, muss er statt 12 gleich 13 Monate absitzen. Gute Leute kann man überall gebrauchen. 1950 sichern sich Armee- und Polizeiklubs die besten Spieler, indem sie sie als Soldaten einberufen. Auch Victoria Schäßburg blutet. Rudi Eder erinnert sich weiter: "Wir hatten es 1948 als Handballmeister wirklich nicht leicht. Am 1. Mai mussten wir alle aufmarschieren, und vom Straßenrand haben welche geschrien: Ins Arbeitslager mit den Faschisten. Und jetzt, nach mehr als einem halben Jahrhundert, wollen sie noch einen Ehrenbürger aus mir machen." Zwischendurch gibt es immer wieder Ärger mit dem Geheimdienst. Auch mit dem Parteichef. Der fordert Rudolf Eder auf, zu unterschreiben, dass sein Freund Kurt Kuales gefallen sei. Der Parteichef möchte sich nämlich das Haus des Vermissten aneignen. Doch Eder unterschreibt nichts, was ihm noch manchen Ärger einbringt. Eder hat Kuales zum letzten Mal in Budapest gesehen. Seither ist er verschwunden. Rudolf Eder tut die ersten Schritte auf dem Handballfeld als Gymnasiast an der Bergschule. Sein Bruder nimmt ihn zum Training mit, und alles läuft gut. Doch lange währt die Freude am Handballspiel nicht, denn der Krieg hat begonnen. Er unterbricht den Handballbetrieb. Rudolf Eder hat sich in Schäßburg nicht nur um den Handball verdient 255
gemacht, sondern auch um den Eishockeysport 1947 gründet er eine Eishockeymannschaft Denn Eishockey hat in dem siebenbürgischen Städtchen bereits Tradition. Die erste Mannschaft wird 1935 gegründet. 1941 wird der Betrieb wegen des Kriegs eingestellt. Der Neuanfang nach dem Krieg ist schwer, so Eder. Von der alten Mannschaft kann er nur TorwartEgon Essigmann und Bela Mateli überzeugen, weiterzumachen. Mit viel Fleiß und Training gelingt es ihm aber, in kürzester Zeit eine schlagkräftige Mannschaft aufzustellen und mit ihr in die erste Liga aufzusteigen. Den größten Erfolg mit der Eishockeymannschaft feiert Eder 1948 mit dem vierten Platz. Nach der Heimkehr aus dem Arbeitslager machtEder weiter. In der Stadt ist man froh, dass er wieder da ist und das Training übernimmt. Rudolf Eder wird bis 1963 dem Eishockey in Schäßburg erhalten bleiben. Weil Rudolf Eder auch als selbstständiger Gärtnermeister Ärger hat, entschließt er sich, auszuwandern. 1963 ist es soweit. Für ein Kopfgeld von 18.000 Mark darf er mit Frau und Tochter nach Deutschland ausreisen. Die Familie lässt sich in Wolfsburg nieder. Und Eder macht weiter, wo er in Schäßburg aufgehört hat. Auf seine Initiative wird der Eishockey-Club Wolfsburg gegründet. "Der Anfang war sehr schwer, denn ich konnte nicht so oft trainieren wie zu Hause. Wir spielten in der Regionalliga gegen Braunlage, Hannover oder Hamburg." Doch Wolfsburg hat noch keine Eishalle, so dass die Spiele wetterbedingt ausgetragen werden müssen. Deshalb kann die Mannschaft auch nicht mithalten. Nach der ersten von drei Gelenkoperationen muss Eder 1980 den Sport aufgeben. Zwei Jahre später hat Wolfsburg seine Eishalle. Seither gehört Rudolf Eder zu den Zuschauern. Nicht nur seinem Hobby kann Rudolf Eder nach der Umsiedlung nachgehen, sondern auch seinem Beruf: Bis zur Rente ist er bei der Stadt Wolfsburg als Gärtnermeister tätig.
Victoria Schäßhurg vor dem 7:1 -Sieg iiher Arsenal in Hermannstadt am II . Mai 194 7: (von links) Han s Wulkesclt, Hans Lehni, Ha ns Maurer , Rudolf Eder, Waller Lingner, Walter Schmidt, Hans Th eil, Richard Löw, Horst Müller, Heinz Kartmann und Hermann Kamilli 256
Hans und Sepp Thierjung
Ein Aufstieg, der zu spät kam Was den Perjamoschern Anfang der 50er Jahre als erster Dorfmannschaft gelungen ist, vollbringen die Bogarascher gegen Ende des Jahrzehnts: Sie steigen ins Oberhaus der Großfeldhandball-Liga auf. Es ist ein Aufstieg, der zu spät kommt. Denn die Macher beim Handball-Verband in Bukarest haben längst erkannt, dass die Zukunft des Handballs auf dem Kleinfeld und in der Halle liegt. Doch trotz allem: Die Handballbegeisterung hält in Bogarosch noch einige Jahre an. Die Spiele gegen große oder kleinere Gegner sind stets ein Anlass für kleine Volksfeste. Der Bogarascher Handball ist eng mit dem Namen Thierjung verknüpft. Hans Thierjung, am 3. April 1923 geboren, ist vor Han s Thierjung dem Krieg die Triebfeder des Handballs, er ist Spielertrainer. Die Anfänge des Handballspiels in dem Heidedorf sind im Jahr 1936 zu suchen, sagt Hans Thierjung. Einen richtige Auftrieb erfährt das Spiel 1939 und 1940. Der Sport wird von Schülern und Studenten und Handwerkern betrieben. Bauernsöhne haben nicht zu den Handballern der ersten Stunde gehört. In Bogarosch löst Handball nach 1945 Fußball als wichtigste Sportart ab. Bis 1942 spielen folgende Spieler in der Bogarascher Handballmannschaft Peter Müller, Franz Denuel, Josef Engelmann, Anton Gräbeldinger, Nikolaus Haupt, Hans Kremling, Johann Melcher, Johann Noel, Josef Nothum, Peter Schütz, Hans Thierjung und Nikolaus Volk. Während des Krieges spielt eine junge Mannschaft. Ihr gehören an: Jakob und Johann Biringer, Johann Blum, Josef Denuel, Johann Erhardt, Ad\lm Haupt, Peter Jeck, Johann Kinsch, Johann Kiefer, Franz Müller, Michael Schneider, Sepp Thierjung und Franz Wolf. Zu den Auswärtsspielen fährt die Mannschaft mit Fahrrädern. Die Trikots sind weiß mit grünen Längsstreifen. Gegner sind Lowrin, Billed, Marienfeld und Alexanderhausen. Die Bogarascher Mannschaft gehört zu den tonangebenden. Während des Kriegs übernimmt Hans Thierjungs Bruder Sepp, am 5. März 1928 geboren, das Kommando über die jetzt sehr junge Mannschaft. 257
Nach dem Krieg macht zuerst Hans Thierjung weiter, 1949 kehrt Sepp aus Russland zurück und schließt sich ihm an. In die Vorbereitung der Mannschaft schalten sich neben den Brüdern Thierjung auch Josef Denuel und Josef Ebinger ein. Die stärksten Gegner der Bogarascher sind bis 1949 die Mannschaften aus Reschitza, Lugosch, Hatzfeld, Perjamosch, Tehnometal und Poli Temeswar. Gegen sie hat sich Bogarosch stets wacker geschlagen, wenn es um das Weiterkommen im Rumänien-Pokal ging. Der Kernmannschaft gehören an: Peter Blum, Josef Ebinger, Anton Kremling, Christian Kratochwill, Johann Noel, Nikolaus Nothum, Josef Potye, Josef Schneider, Josef Schmidt, Peter Stahl, Andreas Strass, Hans Thierjung, Johann Wolf und Vasile Zotec. In diese Zeit fällt ein Großereignis im Leben des Bogarascher Großfeldhandballs. Es ist das Spiel gegen Hermannstadt Nach einem knapp gewonnenen Viertelfinale um den Pokal des Handball-Verbandes gegen Politehnica Temeswar tritt Hermannstadt zu einem Freundschaftsspiel gegen Bogarosch an. Das Spiel findet an einem Wochentag statt. Trotzdem wird es zum Spektakel. Es kommen Zuschauer aus den umliegenden Ortschaften. Schiedsrichter ist Lehrer Hockl. Die Hermannstädter beginnen vorsichtig. Unterstützt von den Zuschauern mit dem Zuruf "Buwe, nit losst eich", geht Bogarosch zunächst mit 2:0 und 5:4 in Führung. Erst nach einiger Zeit macht sich die Routine der Hermannstädter bemerkbar; sie gewinnen zum Schluss mit drei Toren Vorsprung. Bogarosch ist bereits eine feste Größe im rumänischen Handball. Das bekommt auch die Mannschaft von Dinamo Bukarest zu spüren. Das sehr gut besetzte Team absolviert ein Trainingsspiel nach einem Meisterschaftsspiel gegen Poli in Temeswar und gewinnt nur mit einem Tor Vorsprung. Auf dem Bankett spricht Spielführer Gabriel "Bebe" Zugravescu von Dinamo dem Gegner ein großes Lob aus und wünscht der Mannschaft den Aufstieg in die höchste Spielklasse, nicht ahnend, dass dieser Wunsch einige Jahre später Wirklichkeit werden soll. Doch vorher schafft Perjamosch es, als erste Dorfmannschaft in die höchste Klasse aufzusteigen. Auch Hatzfeld ist erstklassig. Gleichzeitig steigen Lugosch und Reschitza aus der A-Liga ab. Der Handball wird inzwischen im Banat auf breiter Grundlage bei stetig steigendem Niveau als Massensport betrieben. In Bogarosch geht es aufwärts. Junge Talente werden in die Mannschaft eingebaut. In der Kreismeisterschaft ist sie den Gegnern überlegen. 1949 wird in Bogarosch eine der ersten Damen-Handballmannschaften gegründet. Es machen mit: Elisabeth Baumann-Denuel, Maria Becker-Wolf, Katharina Ebinger-Thierjung, Elisabeth Erhardt-Jakoby, Elisabeth FuchsLaub, Elisabeth Fuchs-Denuel, Magdalena Feichtner-Renz, Helene Kämpfer-Bürgermeister, Elisabeth Keller-Debelka, Katharina Kiefer-Koszar, Katharina Koschar-Jakoby, Josefa Kotzian-Müller, Elisabeth Laub, Klara Schneider-Piatka, Josefa Stefan-Foosz, Katharina Stefan-Stelzner, Katharina Thierjung-Volk. Trainer sind Josef Ebinger und Josef Dian. Gegner sind 258
Mannschaften aus Perjamosch, Hatzfeld, Warjasch, Grabatz und Detta. Die Mannschaft besteht bis 1954. Während im Fußball mit der Baragan-Verschleppung die Zeit der großen Spiele vorbei ist, wird im Handball mit Verbissenheit durch Heranziehen neuer Talente der Kampf um das hochgesteckte Ziel fortgesetzt. Die Männermannschaft ist Ende der 50er Jahre gerüstet für den Aufstieg ins Handball-Oberhaus. In freiwilligem Einsatz wird ein neuer Sportplatz angelegt. 1960 kommt eine Tribüne mit 300 Plätzen dazu, unter der sich Umkleidekabinen und Warmwasserduschen befinden. Es fehlt nur noch ein Trainer, der der Mannschaft den letzten Schliff geben kann. Die Wahl fällt auf Diplom-Ingenieur Walther Maiterth, der Anfang der 50er Jahre für Poli Temeswar und CCA Bukarest gespielt hat, Nationalspieler geworden ist und 1953 als Trainer die Handball-Damen von Poli zur Meisterschaft geführt hat. Im Sommer 1961 qualifizierten sich die Bogaroscher, nach dem Spiel gegen die Mannschaft aus Helcisdorf aus dem Burzenland, für die A-Liga. Der Transfer des neuen Trainers von Ohaba-Forgaci bei Lugosch nach Bogarosch wird im August 1961 durchgesetzt. Die LPG hat mit dem Siebenbürger Maiterth einen neuen technischen Leiter, die Handballspieler einen Trainer. Beim ersten Training unter Maiterth sind mehr als 100 kritische Beobachter anwesend. Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Chefbuchhalter der LPG, Johann Volk, gelingt es Maiterth, die Herzen der Bogarascher zu erobern.
Roter Stern Bogarosch vor einem Spiel in Detta: (stehend von links) Hans Jakobi, Josef Thie1jung , Alfred Kratochwill, Helmuth Kerker, Adam Slatina, Nikolaus Binsberger, Matthias Reitenbach, Hans Lambert, Adam Gitka, (hockend) Hans Prunk/, Nikolaus Schütz, Franz Albert, Hans Berger, Helmuth Pauli, Matthias Weber 259
Die besten Mannschaften wie Kronstadt, Hermannstadt, Fogarasch, Poli Temeswar, Dinamo Bukarest, Hatzfeld oder Perjamosch müssen den Weg nach Bogarosch antreten. Mehr als 2000 Zuschauer säumen oft den Platz. Es gibt Spiele, bei denen diese Zahl bei weitem übertroffen wird. 1962 kommt für den Großfeldhandball das Aus. Jetzt macht sich Bogarosch auf dem Kleinfeld einen Namen. 1963 bestreitet Bogarosch gegen Reschitza das Eröffnungsspiel vor einem internationalen Hallenhandballspiel gegen Ungarn. Die Reschitzaer sind von den Bogarascher Spielern angetan. Die Rückhandwürfe von Matz Weber und Walther Maiterth sind gefürchtet. Die gewaltigen Fernwürfe von Hans Lambert oder Hans Berger begeistern, ebenso die Fallwürfe von Reinhard Volk und Niki Binsberger. Dazu kommt das elegante Spiel von Nikolaus Dian und die herrlichen Paraden des Torstehers Helmuth Pauli. 1963 gewinnt Bogarosch den Landespokal des Landwirtschaftsministeriums. In der Monatszeitschrift "Rumänien heute" des Außenministeriums für seine Botschaften im Ausland wird über die Bogarascher Handballer und ihre Erfolge berichtet. Die Namen der Spieler erscheinen romanisiert. So heißt zum Beispiel Hans Berger Ion Munteanu, Peter Stahl Petru Otel, Matz Weber Matei Tesatorul. Durch den Zusammenschluss Bogaroschs mit Lenauheirn werden die Voraussetzungen für den Sport immer schlechter. Die Spieler der Kleinfeldmannschaft, zu der Franz Beitz, die Brüder Johann und Josef Prunk!, Josef und Franz Schneider, AndreasStrass junior, Harald und Siegfried Thierjung, Ewald und Helmuth Winter gehören, gehen nach Hatzfeld oder Temeswar. 1972 - der Großfeldhandball ist seit zehn Jahren in Rumänien tot - gibt es ein letztes großes Handballfest in Bogarosch. Walther Maiterth organisiert auf Wunsch der Handball-Senioren ein Treffen der "alten Herren". Pioniere des rumänischen Handballs aus den Hochburgen Mediasch, Schäßburg und Temeswar kommen ins Dorf in die Banater Heide. Die Gäste werden privat einquartiert, die LPG spendet ein Schwein, die Staatsfarm stellt die Kantine zur Verfügung, und die fleißigen Frauen der Handballer bereiten ein schwäbisches Essen mit allem Drum und Dran zu. Alle fiebern dem Treffen entgegen. Am letzten Sonntag im August beginnt der festliche Aufmarsch. Der Pfarrer hat den Gottesdienst vorverlegt, damit niemand den Umzug verpasst. Die Dorfkapelle unter der Leitung von Lehrer Michael Hammes spielt, und los geht es zum Sportplatz. Vorneweg 25 Reiter, dann die Mannschaften und zuletzt die Musik. Einwohner und zahlreiche Gäste säumen die Straßen. Der stellvertretende Bürgermeister Altred Mühlroth begrüßt die Teilnehmer. Dann laufen die Handballer auf. Die Begeisterung ist so groß wie vor zehn oder 20 Jahren. Für viele der Handballer der ersten Stunde nach dem Krieg ist dies das letzte HandballspieL Dabei sind: Bruno Holzträger (Olympiateilnehmer 1936 und Nationaltrainer der Frauen), Otto Schmitz (Trainer von Dinamo Kronstadt), Wilhelm Lapka (Trainer von Mediasch), Walter Lingner, Erhard Bonfert, Josef Thierjung, Josef Denuel, Josef Ebinger, Karl Koch, Franz Frank, Rudolf 260
Haberpursch und Georg Gunesch. Bogarosch hat es geschafft, die "alten Herren"noch einmal zusammenzuführen und mit ihnen zu feiern. Auch der rumänische Handball-Verband hat einen Vertreter geschickt. Geo Popescu, der international erprobte Schiedsrichter, leitet gemeinsam mit A. Archiropol die Spiele in Bogarosch. Abends beim Abschlussbankett überreicht Popescu dem Bogarascher Handballverein die Goldene Verdienstnadel des Rumänischen Handball-Verbandes und sagt: "Ohne die Pionierleistung der deutschen Handballer hätte es Rumänien nie geschafft, Weltmeister zu werden. Dazu haben auch die Bogarascher einen bedeutenden Beitrag geleistet, auf den sie stolz sein dürfen."
Erika Blahm-Klein
Die DDR im Alleingang besiegt "Gestern hab ich etwas geschafft. Ich konnte mich gar nicht mehr wehren ... alle wollten mich küssen, mich beglückwünschen, vom Platz heraus trugen mich die Handballspieler auf den Schultern. Könnt Ihr Euch das vorstellen, wie mir da zu Mute war? Ich wusste nicht ein noch aus vor Freude und Glück. Sie bewunderten mich alle, wie wenn ich zehn Kinder auf einmal zur Welt gebracht hätte." Das schreibt Erika Blahm am 6. Juli 1953, wenige Tage nach ihrem 22. Geburtstag, in einem Brief an ihre Familie in Mediasch. Es ist der Tag nach dem 5:4-Sieg der rumänischen Frauen-Nationalmannschaft über die DDR. Mannschaftskapitän Erika Blahm hat das Ruder herumgerissen und Erika Blahm aus einem 3:4-Rückstand einen Sieg gemacht. Sie, eine der jüngsten Spielerin nen der rumänischen Mannschaft, hat die DDR fast im Alleingang geschlagen. Der Brief gehört zu den "Schätzchen", die Erika Blahm-Klein seit Jahrzehnten hütet. In einem Album mit roten Deckeln hat ihr mancher Trainer und Spielerkollege einiges auf den Weg gegeben und manches Lob ausgesprochen. Nationaltrainer Dumitru Popescu-Coliba§i schreibt am 18. August 1953: "Erika, Du hast die schönste Eigenschaft, Du bist ein integrer Mensch. Es freut mich sehr, Dich kennengelernt zu haben." Am 6. Oktober desselben Jahres gibt ihr Trainer Franz "Feri" Spier auf den Weg: "Zum Andenken an gemeinsame Sorgen, Pflichten und Freuden, die letzten Endes zu großen Genugtuungen führten." Vier Tage zuvor schreibt der DDRNationaltrainer Alfred Weber, er habe Erika Blahm in Polen kennen- und schätzen gelernt. Der Präsident des Rumänischen Handballverbandes, Johnny Kunst, erinnert Erika Blahm auf Rumänisch, dass sie die Sportideale erreichen wird, wenn ihre Einstellung zur Arbeit, Vorbereitung und zum Spiel dieselbe bleibt. Eine saubere, schön geschriebene Eintragung ist mit dem Vornamen Brunhilde unterzeichnet. Sie stammt von der 2001 gestorbenen Banater Nationalspielerin Brunhilde Neurohr. Es sind Ratschläge an 262
die Anfang der 50er Jahre für den damaligen DDR-Trainer weltbeste Handballerin, an die Mittelläuferinder Nationalmannschaft. Sie ist mit 22 jüngste und mit 1,72 Metern größte Spielerin der Auswahl, sie ist 58 Kilogramm leicht und als Feldspielerin auf jeder Position einsetzbar. Sie w.ird in ihrer Karriere 25mal für Rumänien spielen, in einer Zeit, in der Länderspiele Seltenheitswert haben. Die Laufbahn von Erika Blahm als Großfeldhandballspielerin beginnt 1944 im deutschen Mädchengymnasium in Mediasch bei Turnlehrer Karl Dietrich. "Wir spielten leidenschaftlich gern Völkerball, Korbball und vor allem Handball. Großfeldhandball war ein ausgewogenes, athletisches Erika Blahm-Klein als Nationalspielerin Spiel, bei dem Laufen, Springen, Werfen und viel Ballgefühl gefragt waren", berichtet die am 30. Juni 1931 in Mediasch geborene Erika Blahm-Klein. 1945 werden in Mediasch Klubmannschaften gegründet. Ein paar gute Spielerinnen aus dem Mädchengymnasium werden eingeladen, in der Mannschaft der Glasfabrik Vitrometan mitzuspielen. Zu ihnen gehören die Schwestern Erika und Hilda Blahm, Gerda Hommen, Lidi Kletter, Hilda Schnabel und Anneliese Kneisel. Aus dem Betrieb selbst stoßen zur Mannschaft: Maria Pelger, Grete Fuß, Susi Rausch, Puscha Juhasz und Lenuta Boier. Innerhalb kurzer Zeit entstehen in Mediasch, aber auch in anderen Städten Handballrnannschaften. Allein Mediasch stellt fünf Mädchenrnannschaften: Vitrometan (Glasfabrik), Karres (später 8. Mai/Lederfabrik), IRTI/Zefirul (Textilfabrik), Sparta (Emailfabrik), Vointa (Madosz/Ungarische Partei). Erika Blahm-Klein erinnert sich: "Unter der Leitung von Lehrer Gerhard Schunn wird Vitrometan als erste Mannschaft aufgebaut. Trainiert wird auf dem Turnschulplatz. Später kommen nacheinander die anderen vier Mannschaften dazu. Es entsteht ein Wetteifern zwischen den Mannschaften, doch vorerst hat Vitrometan das Sagen." Die Mannschaft gewinnt alle Spiele in Mediasch, aber auch in Hermannstadt, Schäßburg, Agnetheln und Odorhellen. Allmählich wird auch in Altrumänien das Interesse für den Großfeldhandball geweckt. Zwei Mädchenmannschaften aus Mediasch werden beispielsweise nach Bukarest zu einem Demonstrationsspiel eingeladen. Erika-Biahm weiß es noch: "Das war am 22. Juni 1947. Das Spiel fand zwischen den Mediascher Mannschaften Vitrometan und Karres im ausverkauften Giule~ti-Stadion statt. Wir von der Vitrometan haben das Spiel 2:1 263
gewonnen- und zwar bereits unter unserem neuen Trainer Georg Gunesch. Unser bisheriger Betreuer Gerhard Schunn hatte aus Krankheitsgründen aufgeben müssen." In der Folge werden auch in Bukarest und Altrumänien mehrere Manschaften gegründet. Schon zwei Jahre nach dem ersten Demonstrationsspiel zwischen Vitrometan und Karres ist im Frühjahr 1949 wieder ein Spiel in Bukarest angesetzt. Diesmal stehen sich die Auswahlmannschaften Siebenbürgens und Munteniens gegenüber. Siebenbürgen mit Erika Blahm gewinnt 7:2 im neuen Republicii-Stadion. Am 26. Juni kommt in Temeswar das erste Länderspiel der rumänischen Nationalmannschaft gegen Ungarn zur Austragung. Mediasch stellt acht Spielerinnen, Schäßburg vier, Bukarest drei und Hermannstadt eine. Es sind zehn deutsche, drei rumänische und drei ungarische Spielerinnen dabei. Das Rückgrat der Auswahl bilden die deutschen Handballerinnen. Nationaltrainer ist der Olympiateilnehmer von 1936 Bruno Holzträger aus Mediasch. Er versucht die Mannschaft einzuspielen. Doch während der gesamten drei Wochen regnet es täglich. Erika Blahm-Klein: "Wir waren steif und verkrampft von Kälte und Nässe. Jede Spielerin hatte nur einen Trainingsanzug, der nicht trocken werden konnte." Die rumänische Mannschaft unterliegt den Ungarinnen mit 1:4. Das nächste Länderspiel wird erst 1953 ausgetragen. 1950 fallen in mehreren Mediascher Mannschaften viele Handballerinnen aus (Heirat, Mutterfreuden). Um die Teilnahme in der A-Liga weiter zu sichern, zieht Bruno Holzträger aus den Rumpfmannschaften die besten Spielerinnen zusammen und formt ein neues Team unter dem Namen Flamura Ro§ie, das zur Lederfabrik gehört. Die anderen Betriebe bauen ihre Mannschaften mit Nachwuchsspielerinnen wieder auf. Doch der Mediascher Frauenhandball hält sich weiter an der Spitze. Mit Erika Blahm gewinnt Vitrometan Mediaseil 1945: (stehend von links) Duczi Donath, Lidi Kletter, Puscha Juhasz, Grete Fuß, Gerda Hamen, ( k11.iend) Susi Rausch, H ilda Schnabel, Anne/ iese Kn eise/, (sitzend) 1/se Wagner, Erika Blahm un.d Herta Dietrich 264
1950 Zefirul und 1951 und 1952 Flamura Ro~ie den LandesmeistertiteL 1953 werden die Nationalspielerinnen am 25. Mai in Schäßburg zusammengezogen. Das Trainingslager dauert bis Ende Juni. Aus der Mannschaft, die 1949 gegen Ungarn gespielt hat, sind noch sieben Spielerinnen dabei. Neun Nachwuchsspielerinnen sind dazugestoßen. Auch diesmal sind zehn deutsche, drei rumänische und drei ungarische Spielerinnen in den Kader berufen worden. Nationaltrainer sind Dumitru Popescu-Coliba~i, Constantin Popescu und Bruno Holzträger. Am 1. Juli wechseln die Mannschaften nach Bukarestins Trainingslager, weil vom 5. bis 7. Juli ein Handballturnier mit Polen, der DDR und den beiden rumänischen Auswahlmannschaften geplant ist. "Erster Gegner ist die DDR. Die deutsche Mädchenmannschaft ist sehr gut, wir müssen sehr hart kämpfen, um nicht zu verlieren. Doch die DDR führt plötzlich in der zweiten Halbzeit 4:3. Das stachelt meinen Kampfgeist an", berichtet Erika Blahm-Klein. Innerhalb weniger Minuten wirft sie zwei Tore zum 5:4-Sieg. Die Tribüne tobt. Die rumänische Jungenmannschaft trägt Erika Blahm auf den Schultern vom Platz. Alle sind voll des Lobes. Der Trainer der Jungen sagt, sie hätte eine goldene Hand, der DDR-Trainer lobt sie sogar als "beste
1947 tragen die Mediascher Frauenmannschaften im Bukarester Giule§ti-Stadion ein Demonstrationsspiel aus: (stehend von links) Schiedsrichter Constantin Dragan , LenuJa ~uteu, Erna Schohel, Paraschiva Sohietzki, Zita Bell, Hilde Karres , Edith Holzträger, Rodi Connerth , Anneliese Kneisel , Romy Jarosch, Agneta Weher, Elisabeth Klötter, Grete Fuß, RHV-Präsident GanJu , unbekannter Schiedsrichter, (hockend) Gerda Hommen, Kathi Bucur, Rozsi Kiss, Trude Graeser , Erika Blahm, 1/diko Molnar , Maria Pe/ger, LenuJa Boier, Susi Rausch und Hanni Wagner. 265
Handballspielerin der Welt". Ein so reines und gekonntes Handballspiel habe er noch nie gesehen. Die Bukarester Sportzeitung titelt: "Erika Blahm gegen die DDR 5:4". Ferner steht zu lesen, dass sie Handballgeschichte schreibt. Die Reporter wollen Erika interviewen. Doch auf die vielen Fragen kann sie vor lauter Glück nur sagen: "Wenn man gewinnen will, muss man kämpfen - und gewinnen wollen." Das Turnier geht weiter. Gegen Polen gewinnt das Nationalteam 1:0, auch das Spiel gegen Rumänien zwei endet mit einem Sieg. Es ist der erste große internationale Erfolg für den rumänischen Frauen-Handball. Und Erika Blahm als Mannschaftskapitän ist sehr stolz darauf. Beim Bankett am Abend überreicht die polnische Mannschaftsführerin Erika einen silbernen Pokal mit den Worten: "Der rumänischen Mannschaftsführerin zu eigen für dein Können am Platz." "Da war ich schon richtig stolz auf mich - zumal ich am Tisch auch noch einen Ehrenplatz neben dem rumänischen Sportminister erhalten hatte. Auch er gratulierte mir herzlich, und er eröffnete mit mir den Tanz. Auf diesem Festbankett trank ich auch zum ersten Mal in meinem Leben echten französischen Champagner. Nur das Fischessen war eine Plage. An dem Abend konnte ich trotz aller Müdigkeit vor lauter Glück nicht einschlafen. Nach dem Turnier durften wir alle kurz nach Hause, um dann mit neuem Schwung die Vorbereitungen für die Jugendfestspiele zu beginnen", so Erika Blahm-Klein weiter. Am 2. August 1953 werden die Spiele eröffnet. Während des Jugendfestivals gewinnt Rumänien alle Spiele gegen die DDR, Polen, Ungarn, Österreich, Frankreich und die B-Auswahl Rumäniens, nur das Finale gegen die DDR geht knapp verloren. Erika Blahm-Klein: "Wir waren alle sehr niedergeschlagen und mussten uns mit der Silbermedaille zufrieden geben." 1954 löst sich die Mannschaft von Flamura Ro~ie in Mediasch wieder teilweise auf, so dass sie 1955 nicht mehr im Oberhaus mitspielen kann. Als Nationalspielerin muss Erika Blahm aber in der Liga bleiben. Das wissen alle. Sie erhält Angebote zu wechseln aus: Hermannstadt, Kronstadt und Neumarkt und von der Bukarester Sporthochschule. Aus familiären Gründen - sie ist inzwischen verheiratet - schlägt sie das Bukarester Angebot aus und spielt 1955 in Hermannstadt Dort findet sie eine zusammengebastelte Mannschaft aus Heltauerinnen und Hermannstädterinnen vor. "Unser TrainerStefan Zoller hat nun wieder ein gutes Team, und wir spielen wieder oben mit. Doch wie das Leben so spielt: Im Mai 1955 stelle ich fest, dass ich schwanger bin, was mich persönlich freut, mir aber für die Hermannstädter leid tut. Doch ich spielte noch die ganze Meisterschaft bis auf die beiden letzten Spiele mit - und sogar in Höchstform, besser denn je. Das sagt wenigstens Trainer Zoller. Nachher haben wir gelacht: Ich hätte ja zu zweit gespielt und deshalb auch so gut. Die anderen Mannschaften sollten uns jetzt nur nicht die Siege streitig machen, weil wir zu zwölft gespielt hatten. Am 10. Januar 1956 wird meine Tochter Gudrun geboren, und so 266
kann ich vorerst nicht mehr mitspielen." Im Juli 1956 wird in Frankfurt am Main die Weltmeisterschaft im Großfeldhandball ausgetragen. Daran kann Erika Blahm-Klein nicht teilnehmen. In Mediasch hat Bruno Holzträger inzwischen wieder eine Mannschaft aufgebaut und den Aufstieg ins Oberhaus geschafft. Im Spätsommer 1956 lässt sich Erika Blahm-Klein überreden, wenigstens zwei schwere Spiele mitzumachen - gegen $tiinta Bukarest und $tiinta Temeswar. Sie geht wieder zum Training und weiß insgeheim, dass es wohl nicht bei diesen beiden Spielen bleiben wird. Die Mediascherinnen gewinnen beide Spiele dank der Tore Erikas. Sie spielt die Saison zu Ende und 1957 das ganze Jahr. Ein Jahr später spielt Ferencvaros Budapest in Mediasch. Die Mediaseherinnen gewinnen dieses Spiel. Es ist für Erika Blahm-Klein das letzte internationale Spiel in ihrer letzten Meisterschaft, denn am 12. August 1958 wird Erika Blahm-Klein zum zweiten Mal Mutter: Tochter Monika kommt zur Welt. Von nun an kann sie nicht mehr an Trainingslagern, Spielen und Fahrten teilnehmen. So endete die Karriere einer großen Handballspielerin. Das Handballspiel sei Erikas einzige Krankheit gewesen, pflegte ihre Mutter zu sagen. Der Vater meinte, für sie sei kein Baum zu hoch und nichts zu tief gewesen, sie wäre wohl besser ein Junge geworden. Und die Klassespielerin der 50er Jahre stellt heute fest: "Ich war immer mit Leib und Seele dabei." Seit 1984 ist sie mit ihrer Familie in Deutschland.
Hans Burger
Fast bis zum bitteren Ende durchgehalten Er war der Letzte, der das sinkende Schiff in Arad verlassen hat. All seine Mannschaftskameraden von Gloria Arad waren schon längst gegangen: Hans Huber, Ewald Kolleth, Helmuth Schragner, Franz Bugariu, Edmund Eisele, Edmund Brach, Georg Geck, Herbert Keller, Adolf Frombach und Alfred Eisele. Und vor allen Trainer Roland Wegemann. Doch Hans Burger ist geblieben. Er musste bleiben, weil er keine Chance hatte, in den Westen zu gelangen. Bis der Eiserne Vorhang sich geöffnet hatte und Ungarn zum Tor in die Freiheit geworden war. Dann war auch der Weg frei für den am 26. März 1952 in Großsanktpeter im Banat geborenen Hans Burger: In einer Nacht- und Hans Burger Nebel-Aktion verlässt er mit der Familie Arad und setzt sich wie viele DDRBürger über die offene ungarische Grenze über Österreich nach Deutschland ab. Mit dem Handball kommt Burger in Warjasch in Kontakt, wo er aufwächst. Von 1967 bis 1971 besucht er das Gymnasium in Neu-Arad und spielt beim Schülersportklub Arad Handball, mit dem er 1971 VizeJuniorenlandesmeister wird. Als Student der Sporthochschule in Klausenburg spielt Burger für die Uni-Mannschaft zwei Jahre lang zusammen mit dem späteren deutschen Nationaltrainer Sirnon Schobel und mit Purschi Keil, später Torwart bei Minaur Baia Mare. In Klausenburg wird er Jugendnationalspieler. Nach Abschluss des Studiums erhält er einenVertragbei Gloria Arad. Mit der Mannschaft, die nach dem Willen der Behörden als Gegenpol zur "ungarischen" Fußballmannschaft UT A gedacht ist, wird er 1976 in die erste Liga aufsteigen. Er bleibt Gloriatreu und übernimmt die Mannschaft als Trainer, erlebt, wie sie unter dem Namen Constructorul weitergeführt wird und 1985 absteigt. Dann nimmt Burger mit Strungul Arad einen neuen Anlauf und führt die Mannschaft aus der Kreisliga ins Oberhaus. Der Arader 268
Handball, der erst nach dem Krieg einen Aufschwung erfährt, ist auf dem Großfeld nur ein Jahr lang erstklassig. 1956 belegt Progresul Arad den 11. Platz und steigt ab. In dieser Saison spielt auch Franz Marsehang in der Arader Mannschaft. Er hatte Perjamosch verlassen, nachdem die nach Warjasch verlegte Mannschaft in die zweite Liga abgestiegen war. Auf dem Kleinfeld belegt Gloria in der ersten Liga 1977 und 1980 den siebten Tabellenplatz und 1978 und 1979 den sechsten. Als Constructorul kommt die Mannschaft in der Endabrechnung 1981, 1983 und 1984 auf Platz fünf und 1982 auf Platz sieben. 1985 steigt Constructorul ab. 1990 ist Strungul wieder erstklassig. In Deutschland lässt sich Burger anfangs in Augsburg nieder, wo er 1990 und 1991 die Mannschaft von Hochzoll trainiert. Seit 1991 arbeitet er als Diplomsportlehrer am Gymnasium und an der Realschule in Mindelheim, wo er mit dem inzwischen verstorbenen Adam Fischer und seinem ehemaligen Mannschaftskameraden Hans Huber zusammenarbeitet. Er ist von 1991 bis 1996 beim Verbandsligisten TSV Mindelheim Spielertrainer, dessen Jugend er von 1997 bis 1998 trainiert. Zur Zeit spielt er noch in der AltHerren-Mannschaft des Klubs.
Mit dieser Mannschaft ist Gloria Arad 1976 ins Handball-Oberhaus aufgestiegen: (stehend von links) Trainer Roland Weg emann , Ludovic Matei, Rudolf Fölker , Helmuth Schragner , Hans Burger, Dan Tudor , Hans Huber, Costica Pacuraru, (h ockend) Franz Bugariu, loan Ardelean, Andrei Kosz, Edmund Brach und Pavel Voitilä 269
Sirnon Schobel
Vom Spielertrainer zum Nationalcoach Wer heute den ehemaligen deutschen Handball-Nationaltrainer Sirnon Schobel sucht, findet ihn in einem schlichten Bürohaus an der Weststraße 15 im Rheinhafen von Kehl im Alemannischen. Aus dem Handballtrainer und -theoretiker ist ein Kaufmann geworden. Nach dem Rücktritt als Nationaltrainer 1987orientiert sich Schobel neu. Er nutzt seine Kontakte, um Geschäfte im Ostblock zu vermitteln. Weil er Erfolg hat, steigt er 1989 richtig ins Geschäft ein, erlebt wie im Sport Höhen und Tiefen. Doch genau wie im Sport gibt er auch auf dem neuen Feld nicht auf. Er macht auf dem zweiten Bildungsweg den kaufmännischen Abschluss. Heute handelt er mit Massivholzmöbeln im LandhausstiL Hergestellt werden sie in seiner siebenbürgischen Heimat, in Hermannstadt und Mühlbach. "Heute stecke ich so tief im Geschäft", sagt der 52-Jährige, "dass ich nicht mehr aufhören kann." Er ist froh, dass er es auf diesem neuen Weg geschafft hat. "Von der Droge Handball bin ich nicht ganz los gekommen", so Schobel weiter, "und deshalb verfolge ich auch weiter aus Distanz das Geschehen um den Bundesligisten SG Willstätt/Schutterwald." Schobel, dessen Sohn Benjamin vorerst seine Handballkarriere auf ärztlichen Rat unterbrechen musste, hat sich für ein Leben außerhalb des Rampenlichts entschieden. Nach dem Abschied vom Deutschen Handball-Bund bekommt Schobel häufig Angebote, als Trainer einzusteigen. Inzwischen werden es immer weniger. Aber er schlägt nach wie vor jedes aus. "Bundesliga-Trainer und Geschäftsmann zugleich- das geht nicht", so Schobel, der im zu Neuried gehörenden Ortsteil Altenheim wohnt. Er ist stolz, auch als Geschäftsmann ähnliche Erfolge zu haben wie seinerzeit als Sportler und Trainer. Die Sportkarriere Schobeis unterscheidet sich von denen der meisten anderen. 1973 beschreitet er einen Weg, der nicht alltäglich ist. Schobel macht es in den 70er Jahren vor, wie ein Triumphzug inszeniert und verwirklicht wird. Gerade einmal 22 Jahre jung ist der 1,94 Meter große Handballer, als er sich 1972 nach einer Tournee seiner Mannschaft Uni Klausenburg durch die Ortenau im Alemannischen absetzt und Rumänien den Rücken kehrt. Er hat gerade erst die Bronzemedaille mit der rumänischen Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München gewonnen. Auf seinem Konto stehen 18 Länderspiele. Der am 22. Februar 1950 im siebenbürgischen Petersdorf geborene Schobel ist noch Sportstudent Die meisten anderen hätten sich bei gestandenen Vereinen umgesehen, um dort ein Trikot mit der Nummer 9 überzustreifen und auf Halblinks spielen zu können. Nicht so Schobel: Er wird Spielertrainer beim damaligen 270
Regionalligisten TuS Hofweier und setzt sein in Klausenburg begonnenes Sportstudium in Mainz fort. Es folgt ein ungeahnter Höhenflug. Schobel führt den TuS Hofweier in die Bundesliga und holt mit dem Dorfklub gleich im ersten Jahr in der obersten Spielklasse den Meistertitel. Im Europapakai der Landesmeister scheitert der TuS Hofweier an der ungarischen Mannschaft Tatabanya. Die Ortenauer heben Schobel auf den Schild, er wird ihr Idol. Er wird zweimal in die deutsche Nationalmannschaft berufen. Doch der Siebenbürger Sachse konzentriert sich nicht nur auf die Praxis, sondern auch auf die Theorie. Seinen Studienabschluss schafft er mit der Note 1 (eins), was ihm auch berufliche Erfolge bringt: Schobel wird Leiter der Sportschule Steinbach und Landestrainer des Südbadischen Handballverbandes. Und so beginnt Schobeis Sportlerlaufbahn: Am Anfang steht der Zehnkampf. Doch auf der Sportschule in Siebenbürgen wird er "zum Handball gedroschen", sagt er heute. Mit 18 wird er in Rumänien JuniorenNationalspieler, mit 19 darf er in die Nationalmannschaft hineinschnuppern. Mit Beginn des Sportstudiums wechselt Schobel1969 zu Uni Klausenburg, wo er 1971 rumänischer Vizemeister wird, 1970 und 1972 belegt er mit der Studentenmannschaft den dritten Platz in der ersten rumänischen Liga. 1976 ist Schobel zum zweiten Mal bei Olympischen Spielen dabei, diesmal mit der deutschen Mannschaft, doch er sitzt verletzt auf der
Im Rückraum hat sich Sirnon Schohel wohl gefühlt. Die meisten Tore hat er aus Sprungwü1jen erzielt 271
Tribüne. 1984 erlebt er seine dritten Olympischen Spiele als Bundestrainer und gewinnt Silber mit der deutschen Mannschaft nach einer 17:18Finalniederlage gegen Jugoslawien. "Das ist nur noch Statistik", sagt Schobel, "doch für die Mannschaft und mich war der Medaillengewinn sehr wichtig". 1982 verlässt Schobel die Sportschule in Steinbach, um als 32-Jähriger jüngster Handball-Bundestrainer zu werden. Er tritt die Nachfolge des Kroaten Vlado Stenze! an. Dem neuen Bundestrainer bleibt wenig Zeit, um die neue Mannschaft auf die B-Weltmeisterschaft in den Niederlanden vorzubereiten. Schobeis Mannschaft bleibt zwar ungeschlagen, verpasst aber als Drittplazierte die Olympiaqualifikation für Los Angeles. Der Boykott des Ostblocks verhilft dem DHB-Team doch noch zur Teilnahme in Los Angeles. 1986 wird Deutschland bei der Weltmeisterschaft in der Schweiz nur Siebter und kann sich nicht für Seoul qualifizieren. Kollegen beginnen Schobel Konzeptlosigkeit vorzuwerfen. Schobeis fachliche Qualitäten sind unbestritten. Der ehemalige Weltklassespieler und heutige Nationaltrainer der Schweiz, Arno Ehret, viele Jahre zusammen mit Schobel beim TuS Hofweier und in der Nationalmannschaft, soll sich einmal so geäußert haben: "Sein hartes Training ist am Weltstandard orientiert und nach Ostblockmethoden vernünftig konzipiert. Er versteht es, sich als Trainer gegenüber der Mannschaft durchzusetzen und glaubhaft zu bleiben." Sein umfassendes Wissen und seinen in der Praxis gewonnenen großen Erfahrungsschatz hat Schobel in einem Buch unter dem Titel "Methodische Grundlagen der Trainingsgestaltung" zusammengefasst. Auf Handballmeetings wie jenen 1983 in Holland oder 1985 in Barcelona tritt Schobel als Hauptreferent auf.
Herbert Müller
Im Triumphzug ins Guinness-Buch der Rekorde Das macht ihm wohl so rasch kein Handball-Trainer nach . 1999 übernimmt Herbert Müller aus Warjasch in der Banater Heide die Damen-Mannschaft des 1. FC Nürnberg und marschiert mit ihr aus der Landes-, über die Bayern-, die Regionalund die zweite Bundesliga in die erste Division. Der Einzug ins Handball-Oberhaus im Frühsommer 2002 nach 88 Pflichtspielen ohne Niederlage und zwei weiteren in der Bundesliga hat dem am 3. September 1962 in Warjasch geborenen Herbert Müller und seiner Mannschaft den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde gesichert. Im Guinness-Buch wird der 1. FC Nürnberg jedoch mit 90 Spielen ohne NieHerbert Müller derlage in ununterbrochener Reihe stehen. Denn die Mannschaft ist im Herbst 2002 erfolgreich in die Bundesliga-Saison gestartet. Das Auftaktspiel in Trier gegen DJK hat die Müller-Truppe 27:24 für sich entschieden. Vor eigenem Publikum hat sie schließlich einen souveränen 35:22-Sieg über den BVB Dortmund erzielt. Nach den beiden Siegen hat sich Herbert Müller bereits festgelegt: "Wir steigen nicht ab." Im Sommer, während der Vorbereitungen hat er noch vom Ziel Klassenerhalt gesprochen. Am 20. September dann doch die erste Niederlage im 91 . Spiel bei Vizemeister Lützellinden: 27:23. Vor der Aufsteiger-Mannschaft aus Nürnberg haben bisher lediglich die Basketballer der Los Angeles Lakers den Eintrag ins Guinness-Buch für 33 Siege in Folge geschafft. Der Triumphzug der Handball-Damen des 1. FC Nürnberg ist nur durch eine gezielte Einkaufs- und eine klare Vereinspolitik ermöglicht worden, in der Präsident Bernhard Keltsch die entscheidende Rolle spielt. Wichtige Räder in diesem Getriebe sind ferner die für die Finanzen zuständige Co-Trainerin Gerlinde Csutak aus Fogarasch, die Herbert Müller dem Verein empfohlen hat, ferner Corina Christenau, die Frau des ehemaligen Poli- und Steaua-Spielers Dieter Christenau aus Temeswar, die 42 Länderspiele für Rumänien bestritten hat und der verlängerte Arm des 273
Trainers auf dem Spielfeld ist, und Barbara Strass, 22-malige öst.e rreichische Nationalspielerin und dreimalige Europapokal-Siegerin mit W~en, deren Vater aus Gertjanosch im Banat stammt. Mit diesen Spielerinnen aus dem alten Kader hat Herbert Müller das Abenteuer Bundesliga begonnen. Es ist nicht das erste Mal, dass Herbert Müller mit einer Mannschaft den Aufstieg in die Bundesliga schafft. 1994 ist es ihm zusammen mit seinem am 7. Juli 1966 geborenen Bruder Helfried gelungen, die Damen der Deutschen Jugendkraft (DJK) Augsburg-Hochzoll ins Oberhaus zu führen. Doch die Mannschaft wurde zwangsweise zurückversetzt in die zweite Liga. Begründung: Sie hätte eine Ausländerin zu viel eingesetzt. Der DJK gewinnt den eingeleiteten Prozess, der Verein wird für das zugefügte Unrecht entschädigt, bleibt aber in der zweiten Liga, wo er noch heute spielt. Der Aufstieg mit dem 1. FC Nürnberg hat ganz andere Folgen: Die Mannschaft muss sich für die neue Aufgabe gezielt verstärken. Herbert Müller hat gehandelt und acht neue Spielerinnen verpflichtet: die 132malige Österreichische Nationalspielerin Stephanie Ofenböck (21 Jahre jung) wechselt von Bayer Leverkusen nach Nürnberg. Aus Göppingen kommt Christine Dang!, aus Augsburg Veronika Martinez; außerdem steht die litauische Nationalspielerin Aida Jusisiene im Nürberger Kader (alle drei sind ebenfalls 21 Jahre alt). Aus Hannover ist Janina Dröge (24) zur Mannschaft gestoßen, aus Holland die 150-fache Nationalspielerin Diane Roelefson. Die Mannschaft wird durch die Torhüterin der deutschen
Der Bundesliga-Neuling I. FC.Nürnberg: (stehend v. /.) Trainer f-lerbe rt M üller , Betreuerin Michaela Blind, Oliver Sperl, Christine Dang!. Co-Tra iner Kurt Mäder, S tephanie Ofe.nbiick. Marina Rexin. M iriam Simakova. A ida Juisiene. Sylvia Harlander , Managerin Gerlinde Csu tak, Corina Christenau (sitzend) Barbara Strass, He ike Chwasrek, Veron ika Martinez, Jan ina Dröge. Diane Roelofsen und lnes FieseiL 274
Nationalmannschaft, Sylvia Harlander, vervollständigt, die Herbert Müller aus seiner Trainerzeit in Augsburg kennt. Als zweite Torsteherin wurde Heike Chwastek aus Berlin verpflichtet. Zu den Spielerinnen, die Nürnberg verlassen haben, gehört auch Herbert Müllers Frau Corina. Sie wechselt zum Zweitligisten DJK Augsburg-Hochzoll, den Herberts Bruder Helfried weiter trainiert. Zum 1. FC Nürnberg ist Herbert Müller über den Beruf gelangt. Der ehemalige Lenau-Gymnasiast ist hauptberuflich Mathematikdozent am Institut für Informatik in Nürnberg. Seit dem 1. Juni 1999 ist Herbert mit der Hermannstädterin Corina Buica verheiratet. Corina und Herbert sind seit November 2001 glückliche Eltern: Ihr Töchterchen heißt Nadia. Sie trägt den Namen einer großen rumänischen Sportlerin: der vielfachen Olympiasiegerin Nadia Comaneci, sagt die stolze Mutter. Herberts Erfolge als Trainer sind längst bekannt. Die deutsche Nationaltorhüterin Sylvia Harlander hat noch vor dem Wechsel von Leverkusen nach Nürnberg bei Herbert Müller angefragt, ob er kein Interesse habe, Nationaltrainer zu werden. Herbert hat abgelehnt. Zur Zeit macht er den A-Trainerschein. Mit dem Handball kommt Herbert Müller als Siebtklässler in seinem Geburtsort Warjasch in Kontakt. Bereits damals hat er in seinem Nachbarn Hans Burger ein Vorbild. Burger spielt damals für Uni Klausenburg und später für Gloria Arad. "Von Burger war ich fasziniert", sagt er heute. Sein erster Trainer ist sein Onkel Hans Müller. Von ihm übernimmt Harald Adam die Mannschaft als Spielertrainer. Nächste Station ist das NikolausLenau-Gymnasium in Temeswar. Als Gymnasiast spielt Herbert für das Temeswarer Sportgymnasium Handball. 1980 reist er mit Bruder Helfried und den Eltern Anna und Pranz nach Deutschland aus. Er wird für den FC Augsburg in der Regionalliga Handball spielen. 1985 übernimmt er als Trainer die Turn- und Sportgemeinschaft Augsburg. Elf Jahre lang wird er zusammen mit seinem Bruder die Deutsche Jugendkraft (DJK) AugsburgHochzoll trainieren, um 1999 zum 1. FC Nürnberg zu wechseln. Die Erfolge Herberts und Belfrieds wären niemals möglich gewesen ohne das Verständnis, das die Eltern ihnen entgegengebracht haben, sagt der heutige Bundesliga-Trainer. Den Vater hat Herbert noch als GroßfeldHandballer in Erinnerung. "Unsere Eltern haben uns so gefördert, wie man es sich nur wünschen kann, ein Traum", so Herbert Müller. Herbert Müller hat mit dem 1. FV Nürnberg in der Bundesliga_Saison 2002/2003 einen beachtlichen dritten Platz belegt.
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Emil Haner
Start 1948 mit acht Spielern "In meinem Militärausweis steht in der Rubrik Funktion das Wort Handballer. Kaum zu glauben, dass es auch so etwas beim Militär gibt", sagt Emil Haner. Trotzdem: Bei den Sportklubs der Armee und Polizei in Rumänien hat es vieles gegeben, das unwahrscheinlich erscheint. Im Kommunismus ist fast alles möglich. Das zeigt manche Geschichte rund um den Handball. Dazu gehört auch die Gründung der Handball-Abteilung des Armeesportklubs CCA in Bukarest. Emil Haner, am 5. April 1926 in Schäßburg geboren, hat die Klubgründung miterlebt Er erinnert sich: "CCA hatte schon 1948 Fussball-, Rugby-, Leichtathletik-, Box-, Basketball-, Ski-, Ringkampf- und Schwimmabteilungen. Der größte Teil der Emil Haner Sportler waren Bukarester. In der zweiten Hälfte des Jahres 1948 wird die Handballabteilung gegründet - ohne Handballspie1er". Für die Handball-DistriktMeisterschaft legitimiert der Armeesportklub mehrere Basketball- und Rugbyspieler. Diese zusammengewürfelte Mannschaft trägt im Herbst 1948 zwei Meisterschaftsspiele aus. Das eine geht verloren, das zweite endet unentschieden, so dass CCA einen Punkt in der Tabelle des Bukarester Handball-Distrikts haj. Sämtliche anderen Spiele werden, aus verschiedenen Gründen, auf Frühjahr 1949 verschoben und vor den Rückspielen ausgetragen. Diese Strategie wird entwickelt, weil die Verantwortlichen wissen, dass in verschiedenen Militäreinheiten Handballspieler des Geburtsjahrgangs 1926 ihren Grundwehrdienst leisten und in sechs Monaten, das heißt im Frühjahr 1949, zum Sportklub versetzt werden können. So kommen acht Handballer zum Klub. Als Trainer ist Johnny Kunst, Absolvent des Sportinstituts, ausersehen, der sich für das Handballspiel spezialisieren wollte, von dem er aber mehr theoretische als praktische Kenntnisse hatte, obwohl die Sporthochschule zwei Mannschaften hat: eine in der ersten Liga, die zweite in der Bukarester Distrikt-Meisterschaft. "Johnny Kunst war kein guter Handball-Trainer, 276
dafür wahrscheinlich der damals beste Konditionstrainer Rumäniens überhaupt. Selbst der Fussball-Verband hat ihn zur Nationalmannschaft ins Trainingslager berufen, um das Konditionstraining zu leiten", erinnert sich Haner. Im Grunde genommen werden die CCA-Handballer von Basketballspielern verstärkt, die nicht torgefährlich, dafür aber gute Techniker sind. Für die Distrikt-Spiele stehen CCA eigentlich nur sieben Spieler zur Verfügung, weil sich Horst Müller bei einem Freundschaftsspiel in Agnetheln einen Meniskusriss zugezogen hat. "Vor den Spielen, manchmal sogar zwei in der Woche, gingen wir in den Speisesaal und fragten, wer noch mitspielen möchte. Sicher hatten wir immer Oberleutnant Romeo Platon, Viktor Busza§ und Gyarfas. Der noch fehlende Spieler war abwechselnd ein Freiwilliger. Mit dieser Mannschaft haben wir alle Spiele gewonnen und sind mit einem Punkt die erste Mannschaft im Distrikt geworden, so dass wir in die A-Liga aufgestiegen sind, wo wir ab Herbst 1949 vertreten waren." Gleichzeitig nimmt die Mannschaft auch an den Ausscheidungsspielen für den Rumänien-Pokal teil. Problernlos erreicht sie das Halbfinale, das in Kronstadt gegen Sparta ausgetragen wird, und zwar auf einem aufgeweichten und vorn Pferderennen zertrampelten Schlackenplatz. "Normalerweise hätten wir das Spiel verlieren müssen", erinnert sich Haner, "weil wir es diesmal mit einer richtigen Handballmannschaft zu tun hatten. Doch der aufgeweichte Platz war unser großer Vorteil. Der Ball konnte nicht auf den Boden aufgeschlagen werden, er blieb einfach im Dreck kleben. Jetzt waren unsere Basketballer im Spiel, von denen wir viel, insbesondere eine gute Ballführung gelernt hatten." Der Ball wird nur in der Luft gespielt, und so gewinnt CCA das Spiel mit einem Tor Unterschied. "Nach dem Spiel waren wir alle schwarz. Man konnte kaum die eignen von den gegnerischen Spielern unterscheiden", berichtet Haner weiter. Dies war eigentlich das schwerste Spiel, das CCA zu bestreiten hatte. Das Pokal-Finale wird arn 23. Oktober 1949 im Republicii-Stadion ausgetragen. Um für dieses Spiel und für die Zukunft gerüstet zu sein, werden im September 1949 noch mehrere Spieler des Jahrganges 1927 einberufen. Unter anderen kommen von Arsenal Hermannstadt Bernhard Roth, Günter Müller, Adelbert Weidenfelder, Horst Krerner, von Schäßburg Heinz Kartrnann, von Heltau Rolf Csallner und Günter Reichhard, von Mediasch György Szakacs, von Lugasch Fritz, von Agnetheln Otto Tellrnann, Kurt Wagner und Bubi Mrass. Dazu stößt auch Franz Monis als Trainer von Hermannstadt Jetzt hat CCA 26 Spieler, die Basketballer einbegriffen, zur Verfügung. Mit dieser Aktion schlägt CCA gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Der Armeesportklub stärkt die eigene Mannschaft, schwächt die siebenbürgische Konkurrenz und schnappt der Bukarester Dinarno die guten Spieler weg. Dinarno hat inzwischen eine Mannschaft in Bukarest gegründet mit Spielern vorn Sportinstitut, und eine zweite in Kronstadt rpit Handballern von Sparta. 277
Mit der neu zusammengestellten Mannschaft gewinnt CCA das Pokalfinale gegen Zefirul Mediasch 9:3. Im CCA-Aufgebot stehen: Ianos Istvan, Heinz Kartmann, Tiberiu Balas, Günter Müller, Lucian Tiganu§, Romica Platon, Michael Brenner, Kurt Wagner, Johnny Kunst, Bernhard Roth, Horst Kremer und Günter Höchsmann; für Zefirul sind unter anderen aufgelaufen: Szöcs, Willi Lapka, Bruno Holzträger, Otto Schmitz, Fritz Martini, Wolff, Pranz Keul, Walther Maiterth, Günter Gutt, Bako. Weil CCA inzwischen zu viele Spieler hat, wird ein Teil im Frühjahr 1950 nach Kronstadt zu einer Baueinheit transferiert. Die Mannschaft heißt Derubau, wird aber in Constructorul umbenannt. Handball spielen lernt Haner am Gymnasium unter der Leitung von Turnlehrer Hans Krauss. 1947 spielt er in der Gymnasialmannschaft, unter anderem gegen die Seminaristen aus Hermannstadt und in Mediasch gegen die Gymnasialmannschaft Für die Schäßburger Victoria bestreitet er ein oder zwei Meisterschaftsspiele. Im Herbst 1948 geht er nach Klausenburg. 1949 wird er zur Armee einberufen und kommt nach Bukarest zu CCA. Das letzte Spiel im CCA-Dress bestreitet Haner im Pokal-Halbfinale in Kronstadt Danach bekommt er andere Aufgaben im Armeeklub, von wo er im Dezember 1950 entlassen wird und das Handballspiel aufgibt. "Es war mit meiner Arbeit als Buchhalter bei der Eisenbahn nicht zu vereinbaren. Doch es war eine schöne Zeit, es hat Spaß gemacht, und eine bessere Militäreinheit hat es nicht gegeben", sagt Haner heute.
Mit diesen Spielern beginnt im Frühjahr 1949 der Handhallbetrieb heim Armeesportklub CCA in Bukarest: (stehend von links) Michael Brenn er (A gnetheln), llie Popa (Mediasch) , Tiheriu Balas (Bukarest), Horst Müller( Schäßhurg ), Lucian Tiga nu~ (Plo ie~ti ), Johnny Kun st (Lugosch), (hockend) Emil Haner (S chäßhurg), lanos Jstvan (Media sch) und Kar! Z immer (A gnetheln) . 278
Heidrun Janesch
Titel und Pokale aneinandergereiht wie Perlen auf einer Schnur Heidrun Janesch ist ein Sonntagskind. Der am 18. Oktober 1959 in Marienburg geborenen Burzenländerin ist im Leben fast alles geglückt, was sie angefasst hat. Als Schülerin in Marienburg kommt sie mit dem Handball in Kontakt. Sie spielt in der Marienburger Schülermannschaft, die ihr Können gegen die Konkurrenz aus Helcisdorf und Brenndorf unter Beweis stellt. Ihr Trainer erkennt sofort, dass sie ein gutes Ballgefühl hat. Für sie steht schon bald fest: Sie möchte Sportlerin werden. Obwohl die Eltern meinen, sie sollte doch einen soliden Beruf ergreifen, setzt sie sich durch. Sie wechselt aufs Sportgymnasium Heidrun Janesch nach Kronstadt Als Schülerin geht bereits ihr Stern auf, eine steile Karriere zeichnet sich ab. Mit 15 wird sie Juniorenlandesmeisterin. In der Juniorenlandesauswahl wird sie 80mal für Rumänien spielen. Früh wird sie in die Seniorenauswahl berufen, zusammen mit ihrer Teamkollegin Maria Török. Im Herbst 1978 gewinnt Heidrun Janesch mit der rumänischen Mannschaft bei der ersten Hallenhandball-Weltmeisterschaft der Juniorinnen in Bukarest die Bronzemedaille. Das Spiel um diesen dritten Platz gewinnt die rumänische Auswahl mit 17:15 gegen die DDR. Im vorher verlorenen Spiel der rumänischen Mannschaft gegen die UdSSR setzt Trainer Franz Spier Heidrun Janesch und Maria Török kaum ein. Doch gegen die DDR entscheidet er anders. Die beiden Flügelstürmerinnen bieten Glanzleistungen. Török erzielt sechs, Heidrun drei Treffer. Der Auftritt der beiden Flügelflitzerinnen begeistert auch den rumänischen Verbandstrainer Gabriel Zugravescu. Der in Bukarest erscheinenden Zeitung "Neuer Weg" sagte er: "Haben Sie das heute gesehen! Zwei Flügelstürmerinnen der Extraklasse in der Mannschaft, und man verdammte sie zur Untätigkeit. Aber gegen die DDR, da hat alles geklappt." Bei dieser WM lernt Heidrun Janesch Gundi Hass von Bayer Leverkusen kennen. Ein Glücksfall? Oder Schicksal, oder doch nur Zufall, denn Heidrun 279
ist ein Sonntagskind. Die Wege der beiden sollen sich bald wieder kreuzen. Die beiden Spielerinnen kommen ins Gespräch. Gundi will zu Hause anrufen - doch andere Länder andere Sitten - sie hat ein Problem mit der Telefonzentrale. Heidrun hilft ihr weiter. 1978 besteht Heidrun die Aufnahmeprüfung an der Sporthochschule in Bacau. Drei Wochen später nimmt sie mit der rumänischen Nationalmannschaft an einem Vier-Länder-Turnier in Stuttgart teil. Sie ist zum zweiten Mal in Deutschland. Im dritten Spiel hört sie plötzlich, dass jemand ihren Namen ruft. "Ich war verdutzt", sagt Heidrun. Es ist Anita Wagner, die ihren Namen gerufen hat. Anita hat mit Heidrun die Sportschule in Kronstadt besucht. Heidrun trifft sie nach dem Spiel. Sie sagt Anita, dass sie gerne in Deutschland bleiben möchte. Anita meint, Heidrun sollte noch einmal darüber schlafen und sich dann telefonisch melden. Heidrun beschreibt, was sie am nächsten Tag im Waldheimer Hotel in der Telefonzentrale empfunden hat: "Ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden." Als die Münzen in den Apparat fielen, glaubte ich, jeder müsste diesen Lärm hören und ich könnte bei meinem Vorhaben erwischt werden. Am Abend kommt Anita Wagner wie abgesprochen ins Hotel, um Heidrun abzuholen. "Allein wäre ich hier aus dem im Wald gelegenen Hotel nicht weggekommen", erzählt sie. "Auch hatte ich noch keine Mitbringsel gekauft, im Gegensatz zu meinen Mitspielerinnen, auch das hätte auffallen können. Meinen Koffer hatte ich oberflächlich gepackt und weggestellt, ich musste ihn zurücklassen. Meinen Personalausweis trug ich bereits in der Jeans, es gab nichts anderes mitzunehmen. Anita hatte ein Päckchen als Tarnung mitgebracht,
Heidrun Janesch schließt den Tempogegenstoß mit einem Fallwurf ah. 280
als "Abschiedsgeschenk". Heidrun begleitet Anita nach draußen, es ist bereits dunkel. Anitas Freund wartet im Wagen und fährt sofort los. Die Flucht ist geglückt. Heidrun verbringt die ersten Stunden bei Anitas Tante, die die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, als sie von dem Vorhaben hört: "Das arme Kind, erst 19 Jahre alt." Noch in der Nacht zieht sie um zu Anitas Eltern. Am Morgen klären die Wagners Heidrun über wichtige Dinge auf, stellen ihr Toilettengegenstände und die nötigste Wäsche bereit und kaufen ihr eine Fahrkarte nach Nürnberg. Die Nachricht, dass sich Heidrun von der rumänischen Mannschaft abgesetzt hat, verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Nur im Zug ist sie allein und beginnt nachzudenken. "Ich hatte aber noch immer das Gefühl, als ginge es zu einem Turnier. Mir war noch nicht bewusst, dass es kein Zurück gibt." Am 6. November 1978 kommt sie in Nürnberg an. Eine ehemalige Nachbarin aus Marienburg, die von Familie Wagner informiert ist, steht zur Freude Heidruns auf dem Bahnsteig. Die Nachbarin fällt ihr um den Hals und nimmt sie erst einmal mit nach Hause. Am Abend ruft Heidrun zu Hause in Marienburg an. Der Vater nimmt die Nachricht gefasst entgegen. Nach kurzem Aufenthalt in Nürnberg geht es weiter nach UnnaMassen ins nordrhein-westfälische Übergangslager. Am nächsten Tag klopft ein Landsmann aus Marienburg an die Tür. Er studiert in Dortmund und fährt heim nach Wiehl. Er nimmt Heidrun mit und bringt sie am Montag zurück nach Unna-Massen. Mit ihrer Zimmergenossin macht sie einen Stadtbummel, und abends steht Gundi Hass vor der Tür. Sie möchte wissen, ob Heidrun Interesse hat, bei Bayer 04 in Leverkusen zu spielen. Sie will es, deshalb hat sie sich doch für das Bundesland Nordrhein-Westfalen entschieden. Am dritten Tag kommt Volker Ligges, der Trainer von Bayer 04, vorbei, nimmt sie mit nach Leverkusen und setzt sie bei der Mannschaftsbetreuerin Waltraud Fischer ab, die Heidrun herzlich aufnimmt. Bei ihr wohnt Heidrun ein Jahr lang. Die Tochter Sandra wird Heidruns kleine Schwester. Zwischen Weihnachten und Neujahr nimmt Heidrun das Training bei Bayer 04 auf. Auf der Weihnachtsfeier - etwas ganz Neues für jemanden, der aus dem Kommunismus kommt- überreichen die neuen Mannschaftskameradinnen Heidrun ein Überraschungspaket mit Trainingsausrüstung und vielen nützlichen Sachen. Heidrun erinnert sich: "Ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt. In der Mannschaft standen lauter Persönlichkeiten, die trotz eines harten Konkurrenzkampfes wie eine verschworene Gemeinschaft auftraten." Mitte Februar 1979 gibt Heidrun ihr Bundesliga-Debüt. Zum 20:9-Sieg von Vizemeister Bayer 04 über Germania List steuert Heidrun zwei Treffer bei. Am 16. Februar zitiert die Kölnische Rundschau Trainer Lajos Keller folgendermaßen : "Heidrun Janesch ist ein Juwel, sie hat noch eine große Zukunft vor sich." Der Redakteur spricht in demselben Artikel von einer exzellenten Spielerin mit außergewöhnlichem Wurfrepertoire, von der jede bundesdeutsche Spielerin noch einiges lernen kann. Der Kölner Stadt281
Anzeiger schreibt nach diesem Spiel: "Nach der überragenden Britta Vattes, Renate Wolf und Gundi Hass überzeugte auch Heidrun Janesch durch Spielübersicht und Kampfgeist Die 19-jährige Kreisläuferin erzielte zudem 2 sehenswerte Tore und war oft nur durch unfaire Mittel zu bremsen." Am 6. Mai 1979 ist Heidrun zum ersten Mal deutsche Handballmeisterin, für Bayer 04 ist es der vierte Titelgewinn in der Halle. Das Endspiel in Unna gegen Eintracht Minden gewinnt Bayer 04 Sekunden vor Schluss mit 15:14. Es ist ein Spiel mit vielen Glanzparaden der Nationaltorhüterin Renate Schulzki, ein Spiel, in dem Sigrid Berndt mit 9 Toren ebenfalls glänzt und Britta Vattes, Heidrun Janesch, Petra Platen und Rena te · Wolf immer selbstbeHeidrun Janesch nach dem Gewinn des Pokals wusster auftrumpften, heißt es in des Deutschen Handball-Bundes. einem Bericht des Kölner StadtAnzeigers. Heidrun wirft in diesem Spiel zwar nur ein Tor, holt dafür aber drei Siebenmeter heraus. Das am 24. Juni ausgetragene Pokalendspiel verliert Bayer 04 allerdings mit 8:14 gegen Guts Muths Berlin. "Auch wenn sich Heidrun Janesch und Britta Vattes redlich mühten. Sie erreichten als einzige neben Renate Schulzki Normalform", berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger. Drei der acht Tore steuert Heidrun bei. In der Spielzeit 1979/1980 wird Heidrun mit Bayer 04 deutsche Meisterin und Pokalsiegerin. In der Saison 1981/1982 schafft sie mit Trainer Reinhard Gottschling erneut das "Double". Nach dem 20:11-Erfolg in Berlin im zweiten Pokalendspiel über Südwest Berlin titelt die Kölnische Rundschau am 1. Juni 1982: "Heidrun Janesch in Topform. Gottschling hört auf." Heidrun, die in diesem Bericht als "die wohl Beste auf der Linksaußenposition in der Bundesrepublik" bezeichnet wird, brilliert in diesem Spiel nicht nur auf dem Flügel, sondern nach dem Ausfall von Renate Wolf auch als Kreisläuferin. Sie steuert zehn Treffer zum Bayer-Sieg bei, davon sind drei verwandelte Siebenmeter. Heidrun ist in diesem Spiel von der gegnerischen Abwehr kaum zu stoppen. Das Endspiel 1982 um die Meisterschaft gewinnt Bayer 04 gegen den VfL Engelskirchen mit 23:12. Nach dem Meisterschaftsgewinn sagt Reinhard Gottschling: "Beide Titel 282
freuen mich riesig. Das ist der schönste Erfolg in meiner Trainerkarriere." Insgesamt gewinnt Heidrun Janesch mit Bayer 04 sechsmal den DHB-Pokal und achtmal die Meisterschaft. Sie bestreitet 78 Europa-Pokal-Spiele und steht zweimal mit Bayer 04 im EC-Finale. Beide Endspiele gehen leider verloren. Die 40-malige rumänische Nationalspielerin, die bald nach der Verpflichtung bei Bayer 04 und nach Aufhebung der Sperre in die deutsche Nationalmannschaft berufen wird, hört erst 1989 in Leverkusen auf, weil Trainer Volker Ligges nicht mehr mit ihr plant. Sie geht für kurze Zeit nach Bremen und gewinnt mit TuS Walle die deutsche Meisterschaft. Während sie an Wochenenden in Bremen spielt, arbeitet sie bereits in der Personalabteilung der Bayer AG in Leverkusen. Sie schreibt ihre Diplomarbeit nach Abschluss des Sportstudiums in Köln nicht zu Ende. Denn: "Lehrerin wollte ich nicht werden." Heute weiß Heidrun: Sie hat sich richtig entschieden. Sie ist auch heute noch bei Bayer beschäftigt. Heidrun zu den Unterschieden 1979 in der rumänischen A-Liga und der deutschen Bundesliga: "In Rumänien haben wir täglich dreimal trainiert, in Leverkusen zweimal die Woche." Inzwischen hat sich das geändert. 1979 hat eine Spielerin monatlich 1000 DM Taschengeld bekommen, auch das hat sich geändert. Heute hält sich Heidrun mit Laufen fit. Zusammen mit ihrer ehemaligen Mannschaftskollegin Renate Schulzki tritt sie zweimal wöchentlich zum Lauftraining an und bestreitet den einen oder anderen Marathon. Zu Anfang hatte sie das Laufen weniger professionell betrieben. Dann hat sie das Training ausgebaut, auch mit Unterstützung ihrer ehemaligen Teamkollegin aus Bayer-Zeiten, Petra Platen, die an der Sporthochschule in Köln tätig ist. Heidrun hat den Trainingsumfang erhöht und hat den letzten Marathon in 4 Stunden und 40 Minuten geschafft. 1986 ist es ihr gelungen, ihrere Familie nach Deutschland zu holen, also noch vor der politischen Wende in Rumänien. Heute ist Heidrun mit 43 Jahren zufrieden und auch stolz darauf, auf eine so schöne sportliche Karriere zurückblicken zu können.
Dieter Fuchs
Jugendlandesmeister im Handball und Basketball Dieter Fuchs war ein Spieler mit Köpfchen. Als er 1959 nach bestandener Aufnahmeprüfung an der Fakultät für Mathematik und Physik der Temeswarer Universität zu $tiinta stößt, ist noch Ladislaus Bara Trainer. 1961 übernimmt Constantin Jude als Spielertrainer das Team. Für Fuchs ist es eine Umstellung. "Ich musste erst meinen Platz im Mannschaftsgefüge finden. Das Verhältnis zu Jude war nicht herzlich; aber er v~rtraute meinem taktischen Spielverständnis und schätzte meine technischen Fertigkeiten und meine spielgestalterischen Fähigkeiten." In der ersten Saison bei $tiinta (später Poli) spielt Fuchs noch zusammen mit Hans Dieter Fuchs Moser und Walther Maiterth. In den folgenden Jahren sind (nacheinander) Hansi Schmidt und der spätere Nationalspieler Roland Gunnesch seine Mannschaftskameraden, und er spielt zusammen mit den Brüdern Hjalmar und Edwin Sauer, mit Dieter Christenau, Gerd Stenzel, Pranz Demian, Rudi Klubitschko, Alfred Hartweg, Werner Schön und Dieter Neumann. "Bei $tiinta hat damals eine nette, lockere Atmosphäre geherrscht. Auf dem Spielfeld haben wir versucht, nicht grob zu werden", sagt Dieter Fuchs. Die relative Fairness hält an, bis Lascar Pana als Trainer mit Dinamo Bacau auftritt; er führt das Schlagen ein. "Fuchsi" wurde bei $tiinta/Poli hauptsächlich als Rechtsaußen eingesetzt. Seine Gegenstöße waren - wie die Tore von "Bomber"Roland Gunnesch - Teil des Markenzeichens im Spiel der Mannschaft. Aber oft wurde er auch als Spielmacher aufgeboten, und gelegentlich nahm er in der Startformation auch andere Positionen eines Feldspielers ein. Von 1964 bis 1969 war er Mannschaftskapitän. Der am 3. Dezember 1941 in Kronstadt als Sohn eines Kneesers und einer Frauendorferin geborene Dieter Fuchs kommt mit dem Handball als zwölfjähriger Schüler der Temeswarer Lehrerbildungsanstalt in der Josefstadt 284
in Berührung. Adam Fischer aus Triebswetter, Sportlehrer am Elisabethstädter Annaheim, organisiert in den Sommerferien für Temeswarer Sechstund Siebentklässler Rachat-Pokalspiele (Siegprämie war eine Schachtel dieser beliebten Süßigkeit). Gern erinnert sich Fuchs an die Spiele auf dem Schlackenplatz der Tehnometal-Anlage am Begaufer, dem ersten Temeswarer Handballplatz mit Flutlichtanlage. Und natürlich an Adam Fischer, der es wie kein anderer verstand, Jugendliche an die Faszination des Handballspiels heranzuführen. Auch Fuchs' spätere Frau, die bekannte Handhallerin Roswitha Neurohr, verdankt Fischer viele wertvolle Tipps für ihre berufliche Zukunft. Nach den Anfängen auf dem Tehnometal-Platz bleibt Fischer zunächst Begleiter des Handballers Fuchs, zum Beispiel in der Sportschule. Anfangs spielt Fuchs auch auf dem Großfeld, in der Kreisliga und in regionalen Jugendmeisterschaften. In Temeswar herrscht in den 50er Jahren ein reger Handballbetrieb, so Fuchs. Beispielsweise veranstaltet die Lokalzeitung "Die Wahrheit" Pokalwettbewerbe für Schülermannschaften. In diesen regelrechten Stadtmeisterschaften sind deutsche Schulen erfolgreich vertreten.
1959 wird der Temeswarer Schülersp ortklub Banatul lugend-Landesmeister in der Halle mit fo lgender Mannschaft: (stehend von links) Hansi Schmidt, Corn el Bra ~oveanu , Michael Koppi, Peter Bettend01j ; Wa lter Ersch, Günther Kreiling, (hockend) Dieter Christenau, Edwin und Hjalmar Sauer, Dieter Kapp/er , Dieter Fu chs , (sitzend) Robert Ortmann , Eugen lsfänescu und Ion Forga. 285
Und so kommt es, dass Fuchs 1959 als Kapitän und Spielmacher mit der Schülermannschaft des Lenau-Gymnasiums den Landesmeistertitel im Handball gewinnt. In dieser Mannschaft machen mit: Robert Ortmann (im Tor), Hjalrnar und Edwin Sauer, Dieter Kappler, Günther Kreiling, Michael Koppi, Kai Röhrich, Herbert Weiß und Ovid Cosma. Vorausgegangen war der Sieg des Temeswarer Schülersportklubs Banatul (Trainer Constantin Lache) im Pokal der Zeitung "Sportul popular", eine inoffizielle Landesmeisterschaft für Jugendmannschaften mit Hansi Schmidt, Edwin Sauer, Robert Ortmann, Günther Kreiling und anderen. Im selben Jahr wird Dieter Fuchs mit demselben Verein Jugend-Landesmeister im Basketball. "Wir haben damals nichts anbrennen lassen", sagt Fuchs. 1969 gibt er das Handballspiel auf. Er macht seinen Doktor der Mathematik und unterrichtet an der Temeswarer Universität. 1988 verlässt Fuchs die Universität als Dozent für Wirtschaftsmathematik und lässt sich in Nürnberg nieder. Zwei Jahre .dauerte es, bis er mit der Tochter seiner 1986 in Deutschland gebliebener Frau nachfolgen konnte. Anfangs unterrichtet Fuchs an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg und an der Fachhochschule Nürnberg. Dann macht er das Referendariat für das Lehramt an Gymnasien in Bayern und unterrichtet seit 1992 am Gymnasium der Wilhelrn-Löhe-Schule in Nürnberg.
Hans Maurer
Schütze vom Dienst beim ersten Nachkriegsmeister Er war ein Sportbesessener. Handball war seine Leidenschaft, doch er trieb auch Leichtathletik und Schwimmen. Bis kurz vor seinem Tod am 18. November 1983 hat sich Hans Maurer täglich mit Laufen, Radfahren oder Schwimmen in Form gehalten. Der am 19. Januar 1919 in Schäßburg geborene Maurer hat zusammen mit Turnlehrer Hans Kraus dem Handball in Schäßburg nach dem Krieg wieder auf die Sprünge verholfen. Er gehört zur ersten Meistermannschaft nach dem Krieg in Rumänien. Zum Titelgewinn der Schäßburger Victoria reichen 189 Tore, dazu steuert Maurer 83 bei. "Ich weiß nicht, wie er das geschafft Han s Maurer hat", sagt Heidemarie Melas, seine jüngste Tochter, die in Troisdorf bei Bonn lebt, "denn im Krieg hat er einen Lungendurchschuss überlebt." Hans Maurer, ein Modellathlet, 1,83 Meter groß, hat die Torhüter mit Vorliebe mit Aufsetzern bezwungen. Die meisten weiteren Tore der Schäßburger Victoria, die zum ersten Titelgewinn nötig sind, gehen auf die Konten von Horst Müller (24), Wilhelm Zay (21), Hans Wulkesch (19), Otto Andrassy (11) und Walter Lingner (10). Die Abwehr der Schäßburger ist in diesem Jahr des Neubeginns so stabil, dass die Mannschaft nur 65 Gegentreffer hinnehmen muss . In der kommenden Meisterschaft wird Maurer wieder Torschützenkönig der Schäßburger mit 78 Treffern. Den zweiten Meistertitel der Schäßburger kann der Rechtshänder 1948 nicht mehr mitfeiern, denn er spielt nur in der Hinrunde für die Victoria. In der Rückrunde ist er bereits bei Autosport Odorhellen als Spielertrainer der Handballmannschaft tätig, für die er 39 Tore wirft. Mit ihm wechselt Heinz Kartmann nach Odorhellen. Auch Wilhelm Zay folgt den beiden, bleibt aber nur kurze Zeit bei Autosport. "Der schussgewaltige Stürmer war nur schwer zu ersetzen", erinnert sich sein Mitspieler Hans Zultner. 287
Hans Maurer und Rudi Eder bestreiten ihr erstes Spiel für die Victoria im Mai 1946 beim 6:5 über Vointa in Mediasch. Im Juni 1946 kommt der Kronstädter Torwart Hans Lehni zur Vointa. Über die Verpflichtung Lehnis, den Maurer aus der Vorkriegszeit kennt- beide haben von 1938 bis 1940 beim Kronstädter Turnverein gespielt - berichtet Maurers Frau Rosina: "Bei einem Besuch bei meinen Eltern in Kronstadt treffen wir den MakkaroniFabrikanten Theo Seewaldt. Er erzählt, dass Lehni in Kronstadt versteckt ist und keine Chance hat, Handball zu spielen. Er empfiehlt ihn Maurer für die Schäßburger Victoria. Und so ist Lehni, einer der besten Torhüter seiner Zeit, zur Victoria gestoßen und Meister geworden. Wenn Lehni zwischen den Pfosten stand, hat er stets ein Glas Wasser neben dem Torpfosten stehen gehabt, gegen den Durst." Für Handball begeistert sich Maurer bereits als Gymnasiast und Handelsschüler in Schäßburg. Nach der Lehre bei der Firma Hessheimer ist Maurer Buchhalter, wechselt 1938 nach Kronstadt zu den Firmen Hess und Nivea und spielt für den Kronstädter Turnverein. 1940 wird er zum Millitärdienst eingezogen. Aus der rumänischen wechselt er in die deutsche Armee, kommt nach Prag, wo es ihm als Handballer eigentlich gut geht. Doch er meint, nicht beiseite stehen zu können, und meldet sich an die Ostfront 1941 wird er verwundet, kommt nach Bukarestins Lazarett. 1942 ist er in Kronstadt bei der Feldpost. Im selben Jahr heiratet er dort. Er macht den Rückzug der deutschen Armee durch Ungarn und Österreich mit und gerät 1945 in russische G~ fangenschaft. In Großwardein gelingt es ihm, aus einem Gefangenenwaggon zu fliehen. Er schlägt sich nach Hause durch. Ein Kriegsgericht spricht ihn frei, doch er wird schikaniert. Es folgen Verhöre und FestnahAm 15 . Mai 1938 tritt der Schäßburger Verein gegen den men. Im August 1945 Kronstädter Turnverein in einem Turnier in Hermannstadt an beginnt er mit Hans und gev.·innt 8:7 mitfolgender Mannschaft: (stehend von links) : Kraus die Victoria Hans Henning , Rudolf Fredel , Hans Martini , Otto Rekker, Hans aufzubauen. "Unter Maurer, Hans Wulkesch, (kniend) Helmuth Groß, Fritz Adlejf, Julius Orend, Graulich und Kurt Andrae. den sehr widrigen 288
Bedingungen widmet er jede Freizeitminute dem Sport", erinnert sich Rosina Maurer, "Sport war sein Leben." 1947 wird er auf dem Weg zu einem Meisterschaftsspiel verhaftet. Die Securitate hält ihn 40 Tage lang fest. Seine Frau erlebt, wie das Haus durchsucht wird. Um den Schikanen zu entgehen, nimmt er schließlich 1948 das Angebot aus Odorhellen an und wechselt als Spielertrainer zu Autosport. "Kein Problem für ihn", sagt Rosina Maurer, "denn er kann perfekt Ungarisch." Maurer hört nach der Meisterschaft auf, Handball zu spielen und erhält eine Arbeitsstelle in einem Holzverarbeitungsbetrieb. Die neue Stelle bringt ständige Wechsel mit sich: Maurer wird zwölf Jahre stets an anderen Orten eingesetzt: Sovata, Homorod und One~ti gehören zu seinen Stationen. Wenn die Victoria zu Auswärtsspielen gefahren ist oder sich zu einer Feier getroffen hat, ist stets das Lied "Schwer mit den Schiffen des Orients beladen" erklungen. Angestimmt hat es stets Hans Maurer. Das Lied wird auch heute noch bei den Treffen der Schäßburger Handball-Veteranen gesungen. Sprichwörtlich geblieben ist auch der aus drei Haaren bestehende Kringel Maurers. Vor Meisterschaftsspielen pflegten mehr oder weniger abergläubische Mannschaftskollegen zu sagen: "Wenn Maurers Kringel steht, gewinnen wir." 1971lässt sich Maurer mit seiner Frau in Bad Godesberg nieder. Auch in der neuen Heimat bleibt er dem Sport treu. Rosina Maurer: "Sonntags um 7 Uhr ist er zum 3000-Meter-Lauf angetreten, darauf ist er eine Stunde geschwommen, dann ist er mit dem Rad nach Bonn gefahren, um nachher noch ins Büro zu gehen. Er hat zehn Goldene Sportabzeichen gemacht." Noch heute bewahrt Rosina Maurer Medaillen und Plaketten aus der langen Laufbahn ihres Mannes auf. Als er im November 1983 in Bad Godesberg zu Grabe getragen wird, hat er 2000 Überstunden auf dem Konto stehen. Die Idee der regelmäßigen Handballertreffen stammt von ihm. Das erste Treffen findet aber 1983 ohne ihn statt. Maurer, bereits nach Deutschland übersiedelt, steht eines Tages vor dem Weißen Haus in Washington. Plötzlich spricht ein Mann ihn mit seinem Namen an. Es ist Theo Seewaldt, der Kronstädter, der ihm 1946 Hans Lehni als Torwart empfohlen hat. "So klein ist die Welt", sagt Rosina Maurer.
Irene Janesch-Oancea
Abschied mit einem Meistertitel und einem Pokalsieg 1966 ist sie zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen worden. 1973 wird sie mit der rumänischen Nationalmannschaft beim WM-Turnier in Jugoslawien Vizeweltmeisterin. Doch bis zu einem nationalen Erfolg muss Irene Janesch-Oancea 20 Jahre lang warten. Im Februar 1981 gewinnt sie mit Rulmetul Kronstadt den Rumänien-Pokal nach einem dramatischen Spiel mit Verlängerung. Die Kronstädter Mannschaft verspielt eine 18:11Führung aus der 45. Spielminute, um am Ende doch noch über Terom Vaslui zu triumphieren. Für den rumänischen Verbandstrainer Pompiliu Simion haben die beiden Mannschaften "das dramatischste Treffen" in der Geschichte des rumänischen Frauen-Handballs gezeigt. Eine Rulmentul-Handballerin behält in dieser hochdramatischen Begegnung klaren Kopf, berichtet WalterWidmann am 27. Februar 1981 in der Bukarester Tageszeitung "Neuer Weg". Es ist Mannschaftskapitän Irene Janesch-Oancea. Sie verzögert das Spiel, so gut es geht, um ihrer Mannschaft "Gelegenheit zur Besinnung zu geben", heißt es weiter in dem Bericht. Nach dem Spiel wird Irene sagen: "Keiner hat sich aufs Tor zu schießen getraut. Jemand musste es tun." Gefragt war sie als Mannschaftsführerin. Bei der Siegerehrung kullern ihr Tränen über die Wangen. "Es ist der größte Erfolg in meiner, Karriere", sagt sie anschließend. 20 Jahre lang musste Irene auf diesen Erfolg warten. 1982, sie hat schon nicht mehr daran geglaubt, glückt ihr mit Rulmentul Kronstadt noch ein Doppelschlag: Die am 17. November 1943 in Marienburg geborene Irene Janesch wird Landesmeisterin und gewinnt auch noch den rumänischen Pokalwettbewerb. Die Krönung ihrer Laufbahn. Nach dem Doppelerfolg hat sich Irene gesagt, die Zeit ist reif, aufzuhören und Platz zu machen für junge Spielerinnen. 22 Jahre in Diensten von Rulmentul sind eine lange Zeit. Irene verabschiedet sich vom Handball kurz vor ihrem 40. Geburtstag. Der Abschied ist ein Schlussstrich unter eine nicht unbedingt übliche Karriere. Am 14. August 1983 bestreitet sie ihr letztes Spiel innerhalb eines internationalen Turniers, wenige Monate nach Roland Gunnesch, der ebenfalls rund ein Vierteljahrhundert dem Handball die Treue gehalten und ebenfalls als Sport-Methusalem aufgehört hat. In allden Jahren hat Irene genau wie Roland ihre Klubmannschaft geprägt. Sie als Spielmacherin und Torjägerin, er als Rückraumspieler und Abwehrrecke. Als 18-Jährige debütiert Irene Janesch 1961 bei Magura Zeiden in der A-Liga und macht sich rasch einen Namen. Es ist die letzte Meisterschaft 290
auf dem Großfeld. Zeiden belegt den vierten Tabellenplatz. Im nächsten Jahr wechselt sie nach Kronstadt zu Rulmentul. Günther Wagner, der in ihr die Liebe zum Handball weckt und ihr das Handball-Abc beibringt, lässt sie nicht gerne ziehen, doch er nimmt es ihr nicht übel, er gönnt ihr den Aufstieg. Von 1966 bis 1975 nimmt Irene an drei Weltmeisterschaften teil und bestreitet 135 Länderspiele für Rumänien. Von 1970 bis 1975 fehlt sie bei keinem Spiel der rumänischen Nationalmannschaft. "Diese Jahre waren die schönsten meiner Karriere", sagt Irene. Doch ihr Weg ist nicht nur mit Lorbeeren gepflastert. Mit dem Klub erlebt die Rulmentul-Mannschaftsführerin Höhen und Tiefen. Sie macht selbst mit den Nied erungen der zweiten Liga Bekanntschaft. Doch es geht wieder aufwärts. Und zum Schluss darf sie noch triumphieren. Das Geheimnis einer solch langen Sportlerlaufbahn ist in erster Linie in der Beständigkeit zu suchen. Doch auch Glück gehört dazu: Irene hatte nie eine ernste Verletzung auszukurieren. Irene hat ihre Karriere noch nicht beendet, da spielt bereits Tochter Ribana beim Schülersportklub Dinamo in Kronstadt Handball. Die 1966 geborene Ribana wird 18mal in die rumänische Jugendnationalmannschaft berufen und nimmt 1984 an der Jugendweltmeisterschaft in Japan teil, wo Rumänien den siebten Platz belegt. Von 1985 bis 1993 ist sie Spielerin im Handballoberhaus. Irene und Ribana haben, zum Unterschied von den meisten anderen Handballern mit deutschen Wurzeln, nicht den Weg Richtung Westen eingeschlagen. Sie sind noch in Kronstadt zu Hause.
lrene Jan esch (oben links) belegt mit den Juniorinnen von Mägura Zeiden den zweiten Platz in der Kronstädter Regionsmeisterschaft: (stehend v.l) lrene Janesch. Viorica Ortan , Dietlinde Buhn, Elfriede Nikolaus, Emmy Schoppe! , (hockend) Herta Thomas, Meta He11Sel, Renate Groß. Ema Kasznel und Ema Ku eres.
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Bernhard Roth
Mit dem Trainer und vier Kameraden über die Karpaten gewechselt Bernhard Roth gehört zu den ersten Klassehandballern, die den Schritt über die Karpaten in die Hauptstadt Bukarest machen. Der Hermannstädter Trainer Franz Monis wechselt 1949 mit fünf Spielern, neben Roth sind es Günter Höchsmann, Horst Kremer, Adelbert Weidenfelder und Günter Müller, und legt zusammen mit Johnny Kunst den Grundstein für die Erfolge des Bukarester Armeesportklubs. Der Wechsel nach Bukarest sei ein freiwilliger gewesen, sagte der am 27. Mai 1928 in Batiz bei Hunedoara geborene Roth, er sei zur Armee einberufen worden. Doch die Herrlichkeit dauert nicht lange. Bereits 1950 wird Roth aus der Armee wegen "ungesunder Herkunft" ausgeschlossen und muss im Team der Bauarmee Bernhard Rorh spielen. 1951 holt der Armeeklub ihn zurück. Mit dem Wechsel nach Bukarest wird Roth Nationalspieler. Sein erstes Länderspiel bestreitet er 1949 in Temeswar gegen Ungarn. Seinen letzten Einsatz hat er 1953 bei den Weltjugendspielen in Bukarest. 1949 wird Roth mit Arsenal Meister und 1951 mit CCA. Ferner gewinnt er einmal den Landespokal mit dem Armeesportklub Bukarest. 1951 geht Roth zurück nach Hermannstadt zu Arsenal. In der Mannschaft in Siebenbürgen bleibt er bis 1968. Er erlebt, wie die Mannschaft von einem Geldgeber zum anderen weitergereicht wird. 1953 wird aus Arsenal die Vointa. Bis 1961 wird Roth in der ersten Großfeldhandball-Liga für Vointa spielen. Die Umstellung aufs Kleinfeld macht er als Trainer mit. Er wird die Vointa bis 1968 als Trainer betreuen. "Wir waren begeisterte Großfeldhandballspieler", sagt Roth, "mit der Umstellung aufs Kleinfeld müssen wir entweder in der Messehalle in Hermannstadt trainieren oder aber nach Kronstadt in die Halle auswei292
chen." 1968 steigt Vointa in die Kreisliga ab, und alle Spieler gehen zu Independenta. Mit dem Handball kommtRothin der Quinta und Sexta am StephanLudwig-Roth-Gymnasium in Mediasch in Kontakt. Danach wechselt er in die Mannschaft der Hermannstädter Lehrerbildungsanstalt, für die er von 1946 bis 1948 spielt. Er gehört zur letzten Promotion, die noch unter der Ägide der Landeskirche zum Lehrer ausgebildet wird.
Die rumänische Natiflnalmannschaft 1953 bei den Weltjugendspielen in Bukarest: (stehend von links) Georg Gunesch, Mazses Balas. Bernhard Roth , /strate , Waltiter Maiterth , Ernst Pahan. Kurt Wagner, Lulu Cäliman. Masseur Puiu Diaconescu , (hockend) Laszlo Kovacs, Hans Zank, loan Donca, Peter Streitferdt, Dumitru Lupescu , Cornel Opri~an, Gerhard Schwah, (sitzend) Gheorghe Tecu~an, Vasile Sidea und RudolfHaherpursch 293
Hans Franz ~antierul
- Sammelbecken für deutsche Spieler
Im Spätherbst 1951 erhält Hans Pranz aus Helcisdorf den Auftrag, aus den Anwesenheitslisten der Arbeitsdivisionen der rumänischen Armee Handballspieler herauszusuchen, um diese nach Kronstadt zu transferieren. Die ausgesuchten Spieler werden im Februar 1952 im Kronstädter Traktorenwerk stationiert. Eine neue Handballmannschaft ist entstanden, sie heißt $antierul, zu Deutsch die Baustelle. Von hier aus gehen die Spieler vormittags zum Training und nachmittags in die Abendschicht "arbeiten". "Arbeiten heißt für uns soviel, wie nicht im Werk irgendwo schlafend angetroffen zu werden, lieber haben die Vorgesetzten es, wenn die Spieler durch die Hallen spazieren gehen", berichtet der am 16. Februar 1928 in Helcisdorf geborene Hans Pranz, der mit Unterbrechung von 1948 bis 1983
Santiend Kronstadt 1953: (stehend von links) Anton Krug, JosefVranjar , Stefan Ka tona (a lle Hatzfeld) , Otto Schuster ( Schäßhurg), Hans Kraus (Mediasch ), Hermann Kam illi (Schäßhurg ), Hans H einz (Petjam osch ), (kn iend) Hans Franz, Martin Binder (heide Heldsdotj) , (sir:end) Riclwrd Wagner, Rudi Ma rrin (heicle Kmnstadr}, N iko laus Gieh/ (Petjamosch). Politruk Sä lcudean u , Trainer Franz Monis (Hermannstadr), Hans Z ulrner (Schiißhurg) und Josef Demtel ( Bogarosch ) 294
Lehrer in seinem Geburtsort war. Doch einige Spieler arbeiten lieber als Dreher und verdienen gutes Geld hinzu. Im Mai 1952 werden die Handballer in der Zentrale von Bartholomae stationiert. Jetzt sind sie von der Arbeit enthoben und haben die besten Trainingsbedingungen. Die Mannschaft belegt in der Regionsmeisterschaft den ersten Platz und ist zur Aufstiegsrunde zugelassen. In den Qualifikationsspielen für die erste Liga setzt sich die Mannschaft gegen Klausenburg, Bistritz und Detta durch. In diesen Spielen machen bereits Spieler wie Günther "Züna"Wagner (Mühlbach/Schäßburg/Zeiden), Walter Kerzbeck aus dem Banat und Karl Hubbes aus Helcisdorf mit. Doch im Frühjahr 1954 werden einige Spieler aus der Armee entlassen, so dass die Handballmannschaft Verstärkung sucht, um im Oberhaus bestehen zu können. Mit Franz Reitz und Oskar Sipos stoßen zwei Klasseleute von Tehnometal Temeswar zur $antierul-Truppe, ferner kommt der Mediascher Torwart Sandor Szekeres hinzu. Mit dieser Besetzung hätte die Kronstädter Bausoldaten-Mannschaft den Spitzenteams der A-Liga Konkurrenz machen können. "Vielleicht war das auch der Grund, dass im April 1954 die Mannschaft aufgelöst werden musste. Was besonders gestört haben dürfte: In dieser Truppe machen zu viele deutsche Spieler der Jahrgänge 1927 bis 1930 mit", so Hans Franz. Spielertrainer dieser Mannschaft ist im Jahre 1953 der von CCA Bukarest strafversetzte Schäßburger Hans Zultner. Nach seinem Weggang Ende 1953 zum Sportinstitut nach Bukarest übernimmt der vielgereiste Franz Monis die Mannschaft, der 1950 von Hermannstadt zum Armeesport CCA Bukarest wechselt und dann in Perjamosch zu finden ist. Später wird er Chimia Fogarasch trainieren. Wie Zultner berichtet, belegt die Mannschaft im ersten Jahr des Aufstiegs 1953 in der höchsten Spielklasse Rumäniens einen beachtlichen fünften Platz. Es war eine sächsisch-schwäbische Co-Produktion, denn ungefähr die Hälfte der Spieler stammt aus dem Banat, die andere Hälfte aus Siebenbürgen. Der Mannschaft gehören an: Hans Heinz (Perjamosch), Hermann Kamilli (Schäßburg), Hans Kraus (Mediasch), Otto Schuster (Schäßburg), Stefan Katona, Josef Vranjar und Anton Krug (Hatzfeld), Martin Binder und Hans Franz (Heldsdorf), Josef Denuel (Bogarosch), Hans Zultner (Schäßburg), Nikolaus Giehl (Perjamosch), Rudolf Martin (19292000) und Richard Wagner (beide Kronstadt). "Ausgezeichnet war die Harmonie und Kameradschaft innerhalb der Mannschaft der Entrechteten, die drei Jahre in sogenannte Arbeitsbrigaden gezwungen wurden, statt regulären Militärdienst zu leisten. Die überwiegende Mehrheit der Sachsen und Schwaben wurde als unwürdig befunden, den Wehrdienst in regulären Militäreinheiten zu leisten, dafür durften sie volle drei Jahre auf Baustellen fürs Vaterland schuften. Nicht wenige von ihnen hatten schon fünf Jahre russische Zwangsarbeit oder den Krieg hinter sich. Zusammen acht Jahre ihrer Jugend eingebüßt. Es war eine junge, einsatzfreudige, kampfstarke Truppe, die auch den besten Mannschaften des Landes das Leben schwer machen konnte", berichtet Zultner weiter. 295
Das bezeugen auch die Ergebnisse im Jahr 1953 gegen liga-erfahrene Mannschaften. $antierul besiegt Hermannstadt 11:8 und verliert in der Rückrunde gegen die Mannschaft 4:6. Gegen Schäßburg gewinnt $antierul mit 7:6 und 11:3. Die Bilanz gegen Dinamo Bukarest: 12: 9 und 4:6. Sogar der rumänische Landesmeister 1953, Dinamo Kronstadt, hat beim 8:5 kein leichtes Spiel. Die sehr heimstarken Heltauer werden 5:4 besiegt. Selbst die damals spielstarken Temeswarer Studenten mussten sich mit 7:10 geschlagen geben. Die beiden anderen Banater Vertreter, Perjamosch und Hatzfeld, werden in Kronstadt ebenfalls mit 12:5 und 18:6 geschlagen, erinnert sich $antierul-Spielertrainer Hans Zultner, der einen wesentlichen Anteil am Erfolg der Mannschaft hat.
Georg Gunesch
Aufbauhilfe in Temeswar "Ich erinnere mich mit ... viel Freude an die ersten Trainingsstunden der Pali-Handballspieler und sehe auch heute noch einige der großen Spieler der Poli und unseres Landes vor mir, zum Beispiel Georg Gunesch und Erhard Bonfert." Das schreibt Professor Ioan Gh. Cirtis in der Einleitung zum Jubiläumsbuch "Semicerc de veac" (Halbkreis für ein Jahrhundert) von Marius Breazu und Constantin Jude. "Den Temeswarern bereiten Ende der 40er Jahre Fußball und Handball viel Freude. Der Sport bringt ihnen manche Genugtuung, vor allem, wenn führende Mannschaften wie der Bukarester Armeesportklub CCA besiegt werden. Das Handballspiel war zu jener Zeit für uns Deutsche im Banat und Siebenbürgen der Nationalsport und erfreute sich großer Aufmerksamkeit in Schulen, Fabriken und in den deutschen Dörfern wie Bogarosch und Detta im Banat oder Helcisdorf und Zeiden in Siebenbürgen", sagt der ehemalige Handballer und Trainer Walther Maiterth. "Handballspiele waren Sammelpunkte der Deutschen und wurden fast wie Volksfeste gefeiert. Ob in den Städten oder auf den Dörfern - fast immer waren mehr als 1000 Zuschauer anwesend. In Siebenbürgen war das Handballspiel schon gut bekannt, im Banat aber fehlte der Aufschwung. Initiator dieses nötigen Aufschwungs im Banat ist Georg 'Schnuck' Gunesch", sagt Maiterth. 1947 erhält Gunesch in Mediasch ein Telegramm aus Temeswar. Darin fordert Mihai Popa ihn auf, sofort ins Banat zu eilen, denn Politehnica will eine Handballmannschaft gründen. Einen Ball soll er mitbringen. So beginnt die Geschichte der HandballAbteilung des Temeswarer Studentenklubs. ·- - -~ Georg Gunesch, am 17. Juli 1922 in Bukarest geboren, wächst in Groß- Georg Gunescf1 1971 I
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probstdarf bei Mediasch auf, besucht ab 1934 das StephanLudwig-Roth-Gyrnnasiurn, das sich eines guten Rufes erfreut. Der Leibeserziehung wird große Aufmerksamkeit geschenkt, erinnert sich Maiterth. Gunesch versucht sich in Leichtathletik, im Geräteturnen und Handball. Doch das Handballspiel gefällt ihm arn besten. In der Quinta ist er schon Starnmspieler der Coetus-Handballrnannschaft und zwei Jahre Georg Gunescl1 im Nationaldress 1951 darauf Stammspieler des Mediascher Turn-Vereins. "Als Junge der vierten Volksschulklasse trage ich Gunesch oft die Handballschuhe und habe dadurch freien Eintritt zu den Handballspielen", erinnert sich Maiterth. Nach dem Abitur 1942 besucht Gunesch die Offiziersschule in Arad, erzählt seine Frau Edith. Dann rückt er zur deutschen Armee ein, hat Glück, er wird Militärhandballer und kommt kurz vor Kriegsende in die Österreichische Handballschule. Als deutscher Soldat erlebt er das Kriegsende in Bayern, von wo er sich ins Salzburger Land auf einen Bergbauernhof zurückzieht. Doch das Heimweh treibt ihn zurück nach Siebenbürgen. Georg muss sich Monate lang verstecken. Maiterth weiter: "Ich erinnere mich heute noch an sein erstes öffentliches Handballspiel nach dem Krieg. Vor der Turnhalle, wo auch der Handballplatz war, hält ein Heuwagen an. Daraus kriecht Georg Gunesch und verschwindet in die Turnhalle. Ich weiß nicht, gegen wen Mediasch damals gespielt hat, ich weiß nur, dass Gunesch der beste Spieler auf dem Platz war und festgenommen wurde." Doch die Behörden lassen ihn laufen. Denn Gunesch ist wichtig für den Mediascher Handball. Seine sportlichen Leistungen und Erfolge machen ihn im ganzen Land bekannt, denn 1947 wird Karres Mediasch Landesrneister. "Für mich war dieses Endspiel, das wir auf dem Bukarester CFR-Platz gegen Viforul Dacia als Vorspiel zum Fußball-Länderspiel gegen die Tschechoslowakei ausgetragen haben, der Anfang meiner Handballkarriere", berichtet Maiterth. "Kurz vor dem Endspiel hatten drei Handballer der ersten Mannschaft Siebenbürgen in Richtung Westen verlassen, und ich wurde als Mittelstürmer eingesetzt, um die Bälle an Georg Gunesch oder Otto Schmitz zu verteilen. Da die beiden jedoch gut gedeckt wurden, ich oft in guter Schussposition war, mich aber nicht traute, aufs Tor zu werfen, rief mir Trainer Bruno Holzträger zu: 'Scheeß aufs Diör, sonst treten ech dech' (schieß aufs Tor, sonst trete ich dich). Ich überwand die Angst und erzielte 298
die meisten Tore in diesem Spiel. Als Leichtathlet und Speerwerfer konnte ich auch den Ball gut werfen. Gunesch hat gestrahlt und mir gratuliert". In Mediasch zurück, hält Gunesch das Telegramm aus Temeswar in Händen. Weil Gunesch studieren will, kommt ihm der Ruf der Politehnica gelegen. In Temeswar wird er Student an der Landwirtschaftlichen Hochschule. Gunesch widmet sich neben dem Studium als Spielertrainer ganz dem Handball und findet auch Unterstützung bei Leichtathleten wie Hansi Wiesenmeier oder Tiberiu Fene§an. Er wirbt um Spieler in Siebenbürgen. 1948 kommen als Verstärkung aus Hermannstadt Erhard Bonfert, Paul (Saula) Petri, 1949 aus Mediasch Waldemar Zawadzki. 1950 holt Gunesch auch Maiterth nach Temeswar. Aber auch im Banat trifft er aufbegeisterte und gute Spieler wie Roland Wegemann, Ion Stanescu, Vasile Sidea, Gigi Bagiu, Peter Schwartz. Später stoßen dazu: Karl Koch und Franz Frank. 1948 finden die ersten Handballspiele statt. Zunächst gegen Lugosch, dann gegen Mediasch, Hermannstadt, Bogarosch, Hatzfeld, Detta, Perjamosch und Reschitza. Gunesch unterstützt auch viele Dorfmannschaften, indem er Spieler bittet, aufs Land zu gehen und das Training zu übernehmen. Zum Beispiel ist Bonfert ein Jahr lang in Bogarosch tätig. 1948 ruft Georg Gunesch die Frauen auf, auch Handball zu spielen. Er bittet seine Spieler, in Temeswar als Übungsleiter tätig zu werden. Viele folgen seinem Ruf. Sie werden Übungsleiter und später Trainer: Dazu gehören Roland Wegemann, Franz Frank, Paul Petri, Erhard Bonfert, Waldemar Zawadzki und Walther Maiterth. Aber auch unabhängig von Gunesch gibt es eine Reihe von Förderem des B~aler Handballs, wie Adam Fischer, Constantin Lache, Constantin Jude oder Gabriel Zugravescu. 1949 werden in Temeswar die ersten Länderspiele nach dem Krieg ausgetragen. Die rumänische Herrenelf unterliegt Ungarn. Die FrauenNationalmannschaft bestreitet ihr erstes Länderspiel überhaupt und unterliegt ebenfalls Ungarn 1:4. Das Ehrentor erzielt die Schäßburgerin Liane Roth. Trotz der verlorenen Spiele beginnt jetzt eigentlich der Aufschwung des rumänischen Handballs. Für Siebenbürgen hat dieser Aufschwung schwere Folgen. Armee und Polizei werden im Sport tätig und rekrutieren aus allen Mannschaften die besten Spieler. Weitere Siebenbürger Spieler wollen studieren und gehen an die Universitäten in Temeswar, Klausenburg, Bukarest und Jassy. Deshalb müssen die einstigen Meistermannschaften um den Verbleib im Oberhaus bangen. Dem Banater Handball bleibt dies zunächst noch erspart, so Maiterth. Die Handballspiele erfreuen sich großer Zuschauerzahlen. Bei Handballspielen in Temeswar werden 5000 bis 8000 Zuschauer gezählt. In Perjamosch kommen bis zu 4000 Zuschauer, um die Mannschaft zu sehen. 1952 hat Gunesch den Höhepunkt seiner Laufbahn als Spieler und Trainer erreicht. 1950 belegt er mit Poli den dritten Platz, 1951 und 1952 den fünften. Eigentlich hätte Poli 1952 Meister werden sollen, sagt Maiterth. 299
Doch es kommt anders. Im Februar 1952 beendet Gunesch sein Studium. Seine Mannschaft, verstärkt mit Constantin Lache und Gabriel Zugravescu, ist auf dem Weg zum Meistertitel. Doch den verbaut der Mediascher Schiedsrichter A. Rusu, der Poli benachteiligt und Dinamo Kronstadt bevorzugt. Deswegen kommt es zu Ausschreitungen, und Poli verliert das Spiel. Gunesch, Sidea, Wegemann und Zawadzki werden für zwei Jahre gesperrt. Ohne diese vier Stammspieler verliert Poli den Titelkampf. CCA und Dinamo fordern diese Sperren. Zweck der Strafe: Gunesch, Sidea und Wegemann sollen und gehen dann auch zum Armeesportklub. "Das war ein typischer Machtmissbrauch der CCA. Es wäre damals politisch nicht zu verantworten gewesen, eine Studentenmannschaft zum Meister zu küren, in der vorwiegend Deutsche mitmachen", sagt Maiterth. 1953 finden in Bukarest die Jugend-Weltfestspiele statt. Zum ersten Mal in der Geschichte des rurnänischen .Handballs wird ein internationales Handballturnier ausgetragen. Dabei sind die DDR, Frankreich, Österreich und Italien. Teil nehmen achtMänner-und fünf Frauen-Mannschaften. In der Vorbereitung tritt Rumänien zweimal gegen die DDR an und siegt. Treibende Kräfte der Mannschaft sind Gunesch und Bernhard Roth. Jüngster Spieler Walther Maiterth. "In den Vorbereitungen hatte ich Zugravescu und Johnny Kunst verdrängt und erhielt wieder die Aufgabe, Bälle zu verteilen und Tore zu werfen. Der Angriff bestand aus vier deutschen Spielern - Gunesch, Roth, Wagner und Maiterth. Der fünfte war Pahan oder
Georg Gunesch als CCA-Spieler im Angriff gegen Dinamo Bukarest am 10. Mai 1953, ein Spiel, das der Armeesportklub 7:9 verliert. 300
Balas", sagt Maiterth. Beim Festival kann Rumänien den Sieg über die DDR nicht wiederholen und belegt den zweiten Platz. Dafür siegen aber die Frauen. Es ist der Anfang des Aufstiegs des rumänischen Handballs in die Weltspitze. Die politische Lage in Rumänien verschlechtert sich. Gunesch bleibt ein Jahr bei CCA und darf als ehemaliger deutscher Soldat nicht mehr in der Nationalmannschaft spielen. Ebenso ergeht es Constantin Lache als Sohn eines Großbauern und Zugravescu als Sohn eines Popen. Gunesch kehrt nach Temeswar zurück. Tehnometal stellt ihn als Landwirtschaftsingenie~r und Trainer ein. Der Klub wird zum Rivalen der $tiinta. 1957 verabschiedet sich Gunesch als Spieler und widmet sich seiner Familie und seinem Beruf. Maiterth: "Seine Leistungen und sein Einsatz für den Handball verpflichten viele Handballer und Freunde, ihm dafür von Herzen zu danken. Für die ältere Generation ist er der beste Handballer der 50er Jahre". Georg "Schnuck" Gunesch ist 1991 mit der Familie nach Deutschland gekommen. Am 2. September 1998 ist er in Aachen gestorben, wo er auch beerdigt wurde. An seinem Grab standen zwei Handballfreunde: Roland Wegemann und Walter Lingner.
Ralf Schnäp
Kreisläufer, Spielmacher und Kapitän Wo Rolf Schnäp hingekommen ist, waren seine Führungsqualitäten gefragt, dort ist er Mannschaftskapitän geworden. Schnäp war ein guter Techniker, der mit Links fast genauso gut wie mit Rechts war. Er hatte Köpfchen, war schnell und konnte die anderen Spieler einsetzen wie selten ein anderer. Vom anfänglichen Kreisläufer wird er bald zum Chef auf dem Platz , verlängerter Arm des Trainers. Der am 8. September 1942 geborene Schnäp beginnt seine Handballkarriere in Hermannstadt als 13Jähriger. 1957 holt Trainer Hans "Purschi" Schuster ihn zu den VointaJunioren. Er spielt in der jungen Mannschaft, mit der Schuster verRolf Schnäp sucht, den Hermannstädter Handball wieder anzukurbeln. Am 13. April 1959, Rolf ist eben JuniorenLandesmeister auf dem Großfeld mit Vointa geworden, bestreitet er sein erstes Spiel im Handballoberhaus gegen Dinamo Kronstadt Er steht in einer Mannschaft mit Spielern, die große Namen haben: Rudolf Haberpursch, Hans Andreas Bretz und Gustav Schuller. Rolf ist gerade mal 16 Jahre alt. Gut erinnern kann er sich noch an das legendäre 6:4 gegen den Bukarester Armeesportklub CCA. Rolf steuert vier Tore zum Sieg bei, eins sogar mit der Linken. 1962 wechselt Rolf zum Erstligisten Teleajen. 1965 ist er wieder in Hermannstadt und spielt für seinen alten Klub Vointa. Es ist ein kurzes Zwischenspiel, denn die Armee ruft, und im Herbst 1966 ist Rolf wieder in Ploie§ti, wo er für den Armeeklub ASA spielt. 1968 ist er wieder in Hermannstadt Independenta ist gegründet worden. Mit ihr steigt er aus der Kreisliga über die zweite Liga ins Oberhaus auf. Bis 1975 wird er der Mannschaft die Treue halten. Es ist das Jahr, in dem Independenta in die zweite Liga absteigt. 302
Die damaligen Problerne des Hermannstädter Handballs beschreibt Schnäp folgendermaßen: Es fehlt eine Halle, ebenso eine Universität, die junge Leute und junge Spieler anziehen würde, es gibt auch keinen Armeeoder Polizeiklub. Das schadet dem Hermannstädter Handball. Er kann nur noch von dem leben, was ihm immer gut getan hat: von der Disziplin und dem Kampfgeist seiner Spieler und Trainer. Anfang der 70er Jahre spielen in der Hermannstädter Mannschaft fast nur Deutsche. Ausnahmen sind Virgil Oana und Olirnpiu Savu. Beide leben nicht mehr, bedauert Schnäp. Die Karriere von Rolf in der Nationalmannschaft ist eher beendet, als sie begonnen hat. 1959 sitzt er in Bukarest im Flugzeug, um mit der Junioren-Nationalmannschaft zu einer Tournee durch Schweden und Deutschland zu starten. Doch bevor das Flugzeug abhebet, wird Rolf herausgeholt. Er darf nicht rnitfliegen. Nach einer weiteren Berufung in die Jugend-Nationalmannschaft überwirft sich Rolf mit Trainer Eugen Trofin und kehrt ihm den Rücken. Das ist das Ende. 1985 siedelt Rolf mit der Familie nach Deutschland um, findet in Heilbronn ein neues Zuhause, wo er auch heute noch als Angestellter arbeitet. Mit dem Handball hat er, abgesehen von den im Zweijahresrhythmus abgehaltenen Hermannstädter Treffen, nicht mehr viel zu tun. Heute spielt er noch Tennis, um sich fit zu halten. Außerdem bereiten ihm seine beiden Enkel viel Spaß.
1971 gelingt 1ndependenJa Hermannstadt der Aufstieg ins Handball-Oberhaus mitfolgender Mann schaft: (stehend vo nlinks )Marce llg ri~an , Di e te r Roth , Gerd Stenze!, Hubert Mrasz, Dan Dragomirescu , Trainer Hans Schuster , Nicolae Secesan , Virgil Oana , Erich Tontsch, Train er Robert Scherer, Dinu Jw j. (hockend) Dorin Nastea, Dieter Zik eli , Rudolf Klubitschki, Rolf Schnäp , Va ter BranFte, Olimpiu Savu.
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Helmut Zikeli
Ein neuer Anlauf mit 64 Helmut Zikeli will es noch einmal wissen: Mit 64 Jahren nimmt der gebürtige Hermannstädter einen neuen Anlauf und wagt mit einer jungen Mannschaft einen neuen Höhenflug, wie in alten Zeiten. Seit 2001 ist er im Vorruhestand. "Jetzt habe ich den Kopf frei, jetzt kann ich arbeiten", sagt Zikeli. Seit dem 1. Juli 2002 trainiert er die Bezirksligisten des MTV Stuttgart. Vorher war er Trainer des Landesligisten Sportvereinigung Möhringen. Die beiden Stuttgarter Klubs sind nur zwei von vielen Trainerstationen des ehemaligen Klassehandballers aus Hermannstadt Nach der Ausreise 1985 macht Zikeli die B-Trainerlizenz. Anschließend wird er eine Reihe von Bezirksligisten trainieren: dazu gehören Helmut Zikeli der SV Bölingen, der SV Vaihingen, der MTV Stuttgart und der SV Schönaich. Heute fühlt sich Zikeli in seinem Element. Die Zeit, in der er arbeiten und am späten Nachmittag zum Training musste, ist vorbei. Bei der Spielvereinigung Mähringen hat er mit Horst Preis aus Agnetheln zusammengearbeitet, der als Student in Temeswar für Poli gespielt hat. Vier Siebenbürger hatte Zikeli in der Mähringer Mannschaft unter Vertrag: die Bruder Manfred und Robert Schenker, in Hermannstadt geboren und in Stuttgart groß geworden, Roland Drotleff, der das Handballspielen in der Sportschule in Hermannstadt erlernt hat, und Räzvan Bota aus Kronstadt Und so verläuft die Karriere Zikelis: Mit 14 beginnt er bei Trainer Wilhelm "Kirri" Kirschner Handball zu spielen. Der am 28. März 1939 geborene Helmut geht als Junior zu Vointa Hermannstadt Mit 17 wird er bei Vointa jüngster Spieler in der ersten Liga. Wir schreiben das Jahr 1956. Doch kaum hat er die ersten Spiele in der höchsten Klasse absolviert, wird er bereits von den Großen in Bukarest gejagt. Sie schicken einen Sächsisch sprechenden Mann nach Hermannstadt zu Helmuts Vater. "Mit Speck fängt man Mäuse", sagt Zikeli heute. Helmut und sein Vater geben nach. Er 304
wechselt 1957 zu Dinarno nach Bukarest. Mit ihm geht auch sein Freund Horst Niernesch, der leider schon gestorben ist, nach Bukarest. Zikeli und sein Freund sind die ersten Hermannstädter Handballer, die nicht zum Bukarester Armeeklub CCA gehen. Mit der Bukarester Mannschaft hat Helmut seine ersten Erfolge: Einmal wird er Meister auf dem Großfeld und einmal auf dem Kleinfeld. In Bukarest ist die Zeit des Umbruchs angebrochen, die Zeit der Umstellung vorn Groß- aufs Kleinfeld. Die Erfolge in der Meisterschaft bleiben nicht unbemerkt. 1958 spielt er in der Jugendauswahl Rumäniens. Dabei ist auch der spätere WeltklasserechtsaußenJosef Jakob aus Mercydorf im Banat. 1959 macht Helmut die gesamte Vorbereitung der rumänischen Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft in Österreich mit. Doch wie viele andere Deutsche darf er nicht zur Weltmeisterschaft fahren, wegen "erhöhter Fluchtgefahr", wie der spätere RHV-Präsident Johnny Kunst einmal sagen wird. Der rechte Verbinder auf dem Großfeld und Rückraumspieler auf der linken und rechten Position auf dem Kleinfeld entschließt sich, zu handeln: Wegen des Misstrauens, das ihm entgegengebracht wird, entschließt er sich, Bukarest zu verlassen. Dinarno-Trainer Oprea Vlase wird ihn noch zum Bahnhof in Bukarest begleiten. Drei Stunden werden sie dort zusammen sitzen. Der Trainer versucht ihn umzustimmen, er soll bleiben. Doch Helmut will nicht. Er geht 1960 nach Hermannstadt zurück und wird wieder für seinen alten Klub spielen.
lndependenJa Hermannstadt Herbstmeister 1976: (von links stehend) Bernhard Roth, Viorel David, .Johann Schuster, Mircea Oprea , Helmut Zikeli , Hermann Speck, Adolf Ken zel, OrtwinWolfgang Schmidt, Günter Speck, (hockend) Nicula, Adrian Horn , Onoriu Solomon, Gerhard Reus und Nicolae Pop .
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Die Bukarester Zeit war trotz allem eine gute Zeit. Dort trifft Helmut Klasseleute wie Michael Redl. Ihn nennt Helmut den talentiertesten Torwart, den er je getroffen hat. Denn Mischi gehört zu den wenigen, die die Umstellung vom Groß- aufs Kleinfeld schaffen. Der beste Torwart allerdings ist für ihn Rudolf Haberpursch. · 1960 spielt Helmut wieder für Vointa in der ersten Liga. Zurück in Hermannstadt ist auch Horst Niemesch. Mit ihm ist er nach Bukarest gegangen, mit ihm ist er zurückgekehrt. Mit Vointa belegt Helmut 1962 den dritten Platz in der Großfeldmeisterschaft Bis 1965 wird er für den Klub im Oberhaus auf dem Groß- und dem Kleinfeld spielen. Dann wechselt er nach Kleinkopisch in die zweite Liga. Mit 26 ist er der jüngste Trainer der ganzen Liga. Die Zweit-Liga-Mannschaft wird er als Trainer bis 1974 begleiten. In Kopisch gibt es die gleichen Probleme wie in Hermannstadt Es fehlt eine Halle. Im Winter muss er die Mannschaft auf einer Kegelbahn trainieren. 1974 geht er zurück nach Hermannstadt, wo er Independentabis 1981 trainiert. Im ersten Jahr ist er noch Assistent von Gheorghe Badeanu. Nach dem Abstieg 1975 wird er erster Trainer. Dochtrotz aller Bemühungen und des Aufstiegs 1979 in die erste Liga: Zikeli kann den Hermannstädter Handball nicht mehr an die Spitze zurückführen. Der Hauptgrund: die fehlende Halle. 1981 stellt er einen Ausreiseantrag. Doch bis zur Genehmi-
lndependenfa Hermannstadt 1979: (stehend von links) Co/fan, Hudea , He/dauer, OrtwinWolfgang Schmidt, Helmut Zikeli , Johann Schuster, Onoriu Solomon, Günter Sp eck, (sitzend) Nicolae Pop , Nicolae Secti§an , Nicolae Talvic, Mircea Oprea , (unten) die Torsteher Schenker und Cring. 306
gung des Antrags vergeht noch viel Zeit. 1985 lässt er sich in Böblingen nieder. Mit dem Weggang von Helmut von Independenta wird die Mannschaft 1981 nach Mar~a weitergereicht Das Geld fehlt. Seither ist in Hermannstadt nicht mehr viellos mit dem Handball. Dochtrotz aller Rückschläge und Enttäuschungen: Zikeli erinnert sich noch immer gerne an die alten Zeiten. An die Zeiten, als sich die Deutschen auf dem Luceafarul-Handballplatz trafen, beobachtet von Geheimdienstleuten, aber doch im Großen Ganzen in Ruhe gelassen. In angenehmer Erinnerung geblieben ist ihm all das, was den Siebenbürger und Barrater Handball und die Spieler geprägt hat: Fairplay, Kameradschaft, Ehrlichkeit und das Zusammengehörigkeitsgefühl. "Wenn alle Hermannstädter Spieler jener Jahre Visa bekommen hätten, so hätten wir noch so manchen in der Nationalmannschaft spielen sehen. Dazu zählt er Gerd Stenzel, OrtwirrWolfgang Schmidt, Günter Speck und Rolf Schnäp. Diese und andere Hermannstädter Spieler trifft Zikeli jedes zweite Jahr, um Erinnerungen auszutauschen und ein bisschen Handball zu spielen. 2001 war er zum achten Mal in Dinkelsbühl dabei. Zum achten Mal war er der Coach der Blauen, der alten Mannschaft. Der Coach der Jungen, der Roten, ist Hans "Purschi" Schuster. Die Dinkelsbühler Zeit ist vorbei, das nächste Treffen findet 2003 in Landshut statt, der Partnerstadt Hermannstadts.
Helmut Zikeli auf dem Weg zu seinemfünften Treffer am 5. Juli 1959 im Bukarester DinarnoStadion im Meisterschaftsfinale, das der Polizeiklub gegen den ASK Reschitza 13 :8 (8:4) gewinnt.
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Hermann Schmidt
Neuanfang auf dem Turnschulgrund Hermann Schmidt hat im Leben viel gewagt - und gewonnen. Im Sommer 1945 flieht er zusammen mit einem ehemaligen deutschen Unteroffizier und seinem Freund Erwin aus dem russischen Arbeitslager Petrowka. Am 31. Juli 1945 ist er zu Hause im Burzenland. Gleichzeitig flieht aus demselben Lager eine weitere Gruppe Siebenbürger Sachsen, darunter der vor kurzem gestorbene Schriftsteller Bernhard Ohsam. Die Erlebnisse schildert Ohsam in dem Roman "Eine Handvoll Machorka". Schmidt kommt als einziger seiner Gruppe durch: "Wahrscheinlich war es Wagemut, gesteuert von dem Gedanken, dass ich es dort nicht mehr lange aushalten werde, denn ich hatte bereits Magenbe- Hermann Schmidt schwerden." Freund Erwin wird gefasst und kommt erst 1949 nach Hause, der Unteroffizier bleibt bis 1954 in russischer Gefangenschaft. Der am 25. Dezember 1927 in Marienburg geborene Schmidt schreibt sich 1945 wieder am Lehrerseminar in Hermannstadt ein und legt 1947 die Reifeprüfung ab. Während seiner Hermannstädter Zeit beginnt er wieder Handball zu spielen. Die ersten Schritte auf dem Handballplatz tut er während der Zeit am Untergymnasium in Schäßburg vor dem Krieg. "Im Frühjahr 1946 wurde ich eines Tages von Arsenal aufgefordert, zum Handballtraining auf den Anif-Sportplatz am Erlenpark zu kommen. Wer mich den Verantwortlichen für Arsenal - früher Hermannstädter TurnVerein - als Handballer empfohlen hat, entzieht sich meiner Kenntnis." So beginnt Hermann Schmidt seine Erinnerungen an die Anfänge des Handballs nach dem Krieg in Hermannstadt Auf dem Anif-Platz trifft er die Seminarfreunde Willi Schoger und Bernhard "Muisi" Roth und lernt neben den Trainern Hans Schuschnig und Franz Monis auch die Spieler Peter Lang, Walter Rosetzky, Horst Krem er und Günter Fleischer kennen. Neuling Schmidt kommt bald bei Arsenal gut zurecht, doch vorher spielt er bei der 1946 neu gegründeten 308
Hermannstädter Seminar-Mannschaft. Der Anfang ist schwer. Es fehlt das Wichtigste: der Trainings- und Spielplatz. "Nahe der Kapelle auf dem Alten evangelischen Friedhof, in der sich unser Klassenzimmer befand, lag der Sportplatz Turnschulgrund, den das russische Militär damals als Parkplatz für Lastkraftwagen nutzte. Von einem Soldaten erfuhr ich, dass der russische Stadtkommandant für den Platz zuständig sei. Zusammen mit einem Freund wandte ich mich an ihn, begrüßte ihn in seinem Amtszimmer auf dem Großen Ring in russischer Sprache, von der ich 1945 vor Antritt meiner Flucht aus dem Zwangsarbeitslager im Donbass eifrig etwas gelernt hatte und nun mehr radebrechen als sprechen konnte", so Schmidt. Der Kommandant ist vom Erscheinen der Seminaristen sehr erfreut, lässt dennoch einen Dolmetscher kommen und begegnet dem Anliegen der jungen Leute mit Interesse: "Wir erhielten die Genehmigung, an Samstagen, auf dem Turnschulgrund zu trainieren und Spiele auszutragen." Die Seminaristen spielen gegen die Mannschaften des BrukenthalGymnasiums, der Handelsschule und Juvenica, später auch gegen die Schäßburger Bergschule und gegen eine Burzenländer Auswahl. Schmidt weiter: "Spiele gegen Arsenal I verloren wir am laufenden Band, freuten uns aber über die Siege gegen Arsenal II." Im Frühjahr 1946 dann die unerwartete Einladung, bei Arsenal zu trainieren. Und dann geht es Schlag auf Schlag: "Bald wurde ich in die Mannschaft aufgenommen und für das nächste Spiel aufgestellt. Es fand gegen die vormalige STV-Mannschaft in Schäßburg statt. Die Mannschaft legte die Strecken zu den Auswärtsspielen in jenen Tagen auf den spartanisch harten Bänken und Böden der Lastkraftwagen zurück", erinnert sich Schmidt. Als Mittelläufer hat er die Aufgabe, den wendigen, wieselflinken Mittelstürmer Horst Müller zu decken. Schmidt kennt ihn aus seiner Schäßburger Schulzeit und signalisiert Monis seine Bedenken: Der Mann werde ihn abhängen und durchbrennen. Doch Monis weist auf den Auftrag an Läufer und Verteidiger hin, die Manndeckung zu beachten. Schließlich teilt Schmidt den Verteidigern Lang und Rosetzky seine Befürchtungen mit. Schmidt: "Sie trösteten mich mit dem Versprechen, Müller zu halten, wenn er mir durchbrennen sollte." Doch die Schäßburger schießen Tor um Tor. Sie sind den Hermannstädtern haushoch überlegen. Schon in der Halbzeit ist abzusehen, dass der Rückstand nicht mehr aufzuholen ist. "Der Verzweiflung nahe, wagte ich es zweimal, mit den Stürmern vorzupreschen. BeideMale schloss ich erfolgreich ab", sagt Schmidt. "Das Spiel endete mit dem für uns blamablen Ergebnis von 2:12 Toren. Ich aber als der wohl jüngste Arsenal-Spieler verspürte dennoch einen gewissen Stolz und fühlte mich geschmeichelt, als der gegnerische Schlussmann Hans Lehni nach dem Spiel auf mich zukam und fragte, was ich denn von Beruf sei und woher ich stamme. Der einstige Torwart des Kronstädter Turn-Vereins war anscheinend zufrieden, als er erfahren hatte, dass ihm ein Burzenländer die zwei Tore in den Kasten gesetzt hatte." Im Herbst 1947 soll Schmidt mit Arsenal nach Bukarest fahren, um 309
gegen Viforul Dacia zu spielen. Er wartet in Bartholomäe vergebens auf den Lastwagen. Der kommt wegen eines Motorschadens nicht an. Ein weiteres Spiel gibt es für Hermann Schmidt nicht. In dem jungen Mann reift allmählich der Entschluss, erneut zu fliehen. Im Dezember 1947 ist es soweit. Er überschreitet die Grenze bei Nadlak, über Ungarn gelangt er nach Linz an der Donau. Weil er keine entsprechende Arbeit findet, zieht er weiter nach Südwestdeutschland und studiert in Weingarten Pädagogik. Handball spielt er nur noch in einer Saison: 1954/55. Hermann Schmidt wird Lehrer und schließlich Rektor in Mössingen.
Hans Göttfert
Von Heltau zum OSC Rheinhausen Als Hans Göttfert 1970 in Deutschland ankommt, läuft alles wie geschmiert. Kaum ist er im Durchgangslager in UnnaMassen angelangt, muss er schon weiter. Der ESV Jahn, später OSC Rheinhausen, erwartet ihn bereits. Ein Jahr vorher war die Mannschaft vom Rhein zu Gast in Heltau. Schon damals hat der nordrheinwestfälische Klub Interesse an Hans bekundet und ihm auch klipp und klar gesagt: "Wenn du einmal nach Deutschland kommen solltest, dann kannst du bei uns spielen." Hans hat das Angebot angenommen und sich in Rheinhausen, das heute Vorort von Duisburg ist, gemeldet und auch gleich für den Erstligisten gespielt. Gleichzeitig ist er Hans Göttfert Übungsleiter der C-, B-, und A-Jugend, die alle in der Regionalliga spielen. Zwei Jahre lang wird der 1,82 Meter große gelernte Linksaußen für den OSC spielen. Dann wechselt er zu Bayer Derdingen in die Verbandsliga. 1976 zieht er aus beruflichen Gründen nach Wesel und lässt seine Handballer-Laufbahn beim Weseier TV ausklingen. Beim Bezirksligisten am Niederrhein wird er bis 1979 als Spieler und Trainer der Jugend und der ersten Mannschaft in Diensten stehen. Danach treibt Hans zehn Jahre lang Tanzsport. Er steht kurz vor dem Turnierstart, dann hat er einen Arbeitsunfall und muss aufhören. Heute ist Hans Göttfert Rentner, verfolgt noch das Handballgeschehen und meint: "Der Handball ist zum Kraftsport geworden, die langen, schönen Spielzüge fehlen. Heute sind nur noch Riesen gefragt, nur noch Kraftpakete. Früher war das Spiel viel attraktiver." Hans Göttfert, der am 3. März 1937 in Agnetheln geboren ist, beginnt 1953 in Hermannstadt bei Metalul Independenta Handball zu spielen. Von dem Regionalligisten wechselt er 1954 zu Vointa Hermannstadt in die erste Liga. 1957 ist er in Bukarest beim Armeesportklub CCA. 1958 wechselt Hans zum Regionalligisten Progresul Hermannstadt 1961 spielt er wieder in der ersten Liga, diesmal für Textila Heltau. Er erlebt, wie 1963 der Handballbetrieb 311
auf dem Großfeld eingestellt wird und macht weiter auf den;1 Kleinfeld. Heltau muss wieder klein anfangen und steigt 1965 in die Regionalliga auf. 1965 wechselt er für ein Jahr zu Vointa Hermannstadt in die erste Liga. 1966 geht er wieder nach Heltau. Textila steigt 1967 in die zweite Liga auf, ein Jahr später ins Oberhaus. Doch nach einem Jahr ist der Klub bereits wieder abgestiegen. Hans Göttfert wird bis zur Aussiedlung nach Deutschland in Heltau Handball spielen. Jürgen, der 1960 geborene Sohn Hans Göttferts, ist in die Fußstapfen des Vaters getreten. Er erlernt das Handballspiel in Wesel beim WTV. Dort wird er mit der A-Jugend Landesmeister. Doch der 1,86 m große Rechtsaußen gibt das Handballspielen wegen des Berufes auf.
Richard Richter
Fogarasch: Ein großer Auftritt am Ende einer Ära Der Auftritt mutet an wie ein großes Aufbäumen vor dem Ende. Bevor der Handball-Verband in Bukaresteinen Strich unter das Kapitel Großfeld-Handball zieht, holt eine Mannschaft noch einmal zwei Titel nach Siebenbürgen. Ende der fünfziger Jahre tritt im Handball-Oberhaus ein Verein auf den Plan, der sich in den letzten vier Großfeld-Meisterschaften ins Rampenlicht rückt. Es ist die Mannschaft von Chimia Fogarasch, hinter der ein zahlungskräftiger Betrieb steht, der seinen Spielern Arbeitsplätze bieten kann und deshalb attraktiv ist. Die Erfolge dieser Mannschaft kommen in einer Zeit, in der der Handball-Verband in Bukarest längst beschlos- Richard Richter sen hat, die Großfeldmeisterschaft auslaufen zu lassen. Und trotzdem sind sie beachtenswert, werden sie doch gegen die heftige Wehr der beiden Bukarester Erzrivalen Steaua und Dinamo Bukarest errungen, die sich Starensembles leisten können. In dieser Mannschaft, die 1960 zum ersten Mal den Landesmeistertitel nach Fogarasch holt, steht eine Reihe von deutschen Spielern: Richard Richter (geboren am 20. September 1933 in Birthälrn), Hans Liehn (Fogarasch), Franz Tischler, Richard Tischler, Heinrich Jäger, Hans-Gerhart Graef (alle Mediasch), Emil Schneider (Banat) und Karl Martini. Selbst in der KlubLeitung sind Deutsche vertreten. Müller ist Ehrenpräsident und Scharer stellvertretender Präsident.· Der Chemiebetrieb in Fogarasch hat Ende der 50er Jahre eine Handballmannschaft zusammengeschart, in der Stars fehlen, die aber mit Spielern Erfolge feiert, die durch Können, Talent und Fleiß alles wettmachen. Den Aufstieg in die erste Liga schafft Chimia unter Trainer Franz Monis 1956. 1957 wird Monis entlassen. Kurze Zeit leitet Karl Martini das Training. "Ich wollte aber spielen", sagt Martini, "ich war nicht heiß auf den Trainerposten." Deshalb holt der Klub Dumitru Lupescu, früher Spieler bei Dinamo Bukarest, als Trainer nach Fogarasch. "Er war der 3 13
Meistermacher", so Martini, "wir haben bis zu dreimal täglich trainiert und damit Defizite gegenüber den Großen wettgemacht." Ein Jahr nach dem Gewinn der ersten Meisterschaft muss Chimia Fogarasch dem Armeesportklub Steaua Bukarest den Vortritt lassen und sich mit dem zweiten Platz begnügen. Doch 1962 ist es wieder so weit: Die Fogarascher Mannschaft gewinnt zum zweiten Mal den Meistertitel vor dem Arbeiter-Sportklub Reschitza und dem Textilbetrieb aus Heltau. In der letzten Meisterschaft auf dem Großfeld belegt Fogarasch den dritten Platz hinter Dinamo und Steaua Bukarest. Damit ist die glorreiche Handball-Ära der Fogarascher zu Ende. Auf dem Kleinfeld kann der Klub nicht mehr an diese Erfolge anknüpfen. An den Gewinn der ersten Meisterschaft kann sich Richard Richter noch sehr genau erinnern. Kaum hat sich die Nachricht vom Titelgewinn verbreitet, strömen die Leute in die Straßen, es herrscht Festtagsstimmung. Die Spieler werden mit Blumen und Blasmusik empfangen. Es beginnt ein großes Fest für die ganze Stadt. Die Leute freuen sich, sie rufen den Namen der Mannschaft. Die Handballer werden in der Stadt wie Helden empfangen und gefeiert.
Die Meistermannschaft von Chimia Fogarasch 1960: (stehend von lin ks) Mircea Binda, Franz Tischler , Ha ns Liehn , Nicolae Titei, Aurelian Miculescu, Chefingenieur Müller, G. Scharer , Johnny Postolache, Richm·d Tischler, Richm·d Richter, (hockend) Laurean Stoica, Heinrich Jäger, Emil Schneider, Nicolae Radu , D umitru Lupescu, Hans-Gerhart Graef, Nicolae Chiujdea und Kar/ Martini 314
Gustav Graef und Edmund Schiffbäumer
Bistritz stoppt den Hermannstädter Turn-Verein Die Anfänge des nordsiebenbürgischen Handballs sind zu Beginn der 30er Jahre zu suchen. 1932 wird die Handballmannschaft des Bistritzer Turn-Vereins aufgebaut. Ihre Gründung und ihre Erfolge sind eng verknüpft mit dem Namen Erwin Zerbes. Er ist nicht aktiv, doch er ist Manager, Sponsor und Präsident der Handball-Mannschaft in einer Person. Ihm zur Seite stehen Erich Braun und Hennrich Othmar. Wie sehr sich Zerbes für den Handball einsetzt, zeigt eine kleine Begebenheit. Am 11 . Juli 1937 geht Zerbes von zu Hause vom Schieferberg weg, um die Hebamme zu rufen. Seine älteste Tochter hat Gustav Graef sich angemeldet. Doch die Hebamme kommt nicht. Weil es aber höchste Eisenbahn ist, wird eine Magd losgeschickt, um nach der Hebamme zu forschen. Die Hebamme ist zu Hause, weiß von nichts, denn Zerbes ist zum Handballspiel gegangen. Er hat Frau und Hebamme total vergessen. Trotz der Vergesslichkeit: Die Geburt verläuft problemlos. Der nordsiebenbürgische Handball setzt nach den Olympischen Spielen 1936 zu einem ungeahnten Höhenflug an. Dazu tragen Olympiateilnehmer Fritz Halmen und die Gymnasiasten wesentlich bei. Die beiden Städte Sächsisch-Regen und Bistritz in Nordsiebenbürgen hatten im Feldhandball je eine Damen- und eine Herrenmannschaft. Hermannstadt, die HandballHochburg Siebenbürgens, stellt bei den Edmund Schiffbäumer Olympischen Spielen in Deutschland 1936 315
den größten Teil der Handball-Nationalmannschaft. Mit neuen Erfahrungen und Erkenntnissen kehrt sie heim. Gustav Graef erinnert sich: "Die Bistritzer wollen sich diese Erfahrungen zu Nutze machen, und Zerbes verpflichtet 1937 den Olympiateilnehmer Fritz Halmen aus Hermannstadt, der heute in München lebt, als Trainer. Zerbes besorgt Halmen eine Stelle in einem Sportgeschäft, zahlt einen Teil seines Gehaltes aus der eigenen Tasche, und der neue Trainer dankt es ihm. Er lehrt die neue Technik und Taktik, die der Vater des Handballspiels, Carl Schelenz, in Deutschland eingeführt und auch in Bistritz gelehrt hat. Dazu Zerbes in einem am 20. Januar 1981 geschriebenen Brief: Es ist Halmen gelungen, "die Mannschaft großartig aufspielen zu lassen. Graef erinnert sich: "Das Engagement und die Begeisterung der jungen Bistritzer Mannschaft trägt Früchte. Schon 1938 arbeitet sich die Mannschaft hoch, verliert aber das Endspiel um die Meisterschaft gegen den Hermannstädter Turn-Verein 9:12. 1939 findet das Endspiel um die Landesmeisterschaft in Bistritz statt, wieder gegen den HTV. Diesmal wird der Bistritzer Turn-Verein Meister durch ein 11:9 über die Hermannstädter. Die Bistritzer Mannschaft gewinnt den Titel in der Aufstellung Erich Frenz (Tor), Fritz Klein (rechter Läufer), Kurt Inger (Mittelstürmer), Ernst Prall (Verteidiger), Karl Prall (linker Läufer), Erich Braun (Mittelläufer und Kapitän), Edmund Schiffbäumer (Verteidiger), Kurt Holzträger (Linksaußen), Hans Hanek (Halblinker), Gustav Graef (Halbrechter) und Hans Nief (Rechtsaußen). Es ist eine junge Meistermannschaft, die meisten Spieler sind noch nicht 20. Ernst Prall ist mit 17 der jüngste, so Graef. " Aber die 11
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Die letzte Mannschaft des Bistritzer Turnvereins vor dem letzten Spiel in Sächsisch Regen 1943: (von links) Erich Braun ( Landesmeister 1939), Bonneth, H. Weniger, E. von Hoch, H. Anders, Neu, Rolf Csallner, F. Gottschling, E. Daidrich, Daichend und · A . Schul/er 316
Begeisterung war riesig. Jede freie Minute probierten wir auf dem Platz beim Spiel auf ein Tor neue taktische Züge aus . Für uns Stürmer war es nicht einfach, denn die Verteidiger hatten schnell unsere Tricks durchschaut. Aber es machte einen riesigen Spaß, und die Stimmung war großartig." Graef weiter: Hermannstadt legt unmittelbar nach dem Spiel Protest ein. Begründung: Zwei Ausweise von BTV-Spielern fehlen. Vor dem Sportgericht in Bukarest vertritt Rechtsanwalt Hans Kuales die Bistritzer. Der Prozess zieht sich hin. Im Frühjahr 1940 wird der BTV zum Landesmeister erklärt. Vorgeschichte und Erläuterungen zum Prozess: Die beiden Spieler, deren Ausweise fehlen, sind Edmund Schiffbäumer aus Sächsisch-Regen und Gustav Graef aus Bistritz. Beide sind bis 1937 Schüler des Gymnasiums in Bistritz und Handballer beim Bistritzer Turn-Verein. Dann gehen beide nach Schäßburg aufs Gymnasium und spielen beim Schäßburger TurnVerein Handball. 1938 kommt Carl Sehelenz nach Schäßburg und trainiert die Handballmannschaft Schiffbäumer und Graef sind dabei. 1939 melden sich die beiden ordnungsgemäß ab, kehren heim und melden sich wieder beim Bistritzer Turn-Verein an. Zum Zeitpunkt des Spiels gegen den HTV liegen die Spielerausweise - es sind Monate vergangen - immer noch nicht vor. Im Prozess kann jedoch nachgewiesen werden, dass es weder das Verschulden der Spieler - sie haben sich korrekt abgemeldet - noch die Schuld des BTV ist, dass die Pässe noch nicht vorliegen. So das Urteil. Das Ergebnis des Endspiels ist anerkannt, Bistritz ist neuer Meister. Die Vormachtstellung der Hermannstädter ist beendet, eine Serie von sieben Erfolgen zu Ende. In der zukünftigen Meisterliste steht ein zweiter Name. Der Bistritzer Turn-Verein ist der letzte Meister Großrumäniens. Doch vor dem Handball war auch in Bistritz der Fußball. Wie Zerbes berichtet, ist der Fußball aber nie richtig in Schwung gekommen, "weil unsere sächsischen Turn-Vereine in Siebenbürgen mehr auf Handball eingestellt waren". Auf den Erfolg folgt bald das dicke Ende. Am 20. August 1940 fallen Bistritz und Sächsisch-Regen mit Nordsiebenbürgen durch den Wiener Schiedsspruch an Ungarn. Das ist das Ende des nordsiebenbürgischen Handballs. Nach dem Anschluss an Ungarn spielt die Bistritzer Handballmannschaft beispielsweise gegen den ungarischen Meister Budaörs, das Spiel endet unentschieden, so Graef. Schiffbäumer, am 7. Februar 1920 in Sächsisch Regen geboren, verlässt 1940 Siebenbürgen und studiert in Berlin drei Semester Wirtschaftswissenschaften, dann wird er Soldat. Weil er als Student Segelflugunterricht genommen hat, wird er zum Piloten weitergeschult und fliegt eine zweimotorigen He 111. Das rettet ihm das Leben, sagt Schiffbäumer. Denn seit dem Umschwenken Rumäniens 1944 kann seine Einheit nicht mehr fliegen, weil es kein Benzin mehr gibt. Er gerät in Thüringen in amerikanische Gefangenschaft. Nach der Entlassung in Bad Kreuznach wiegt er noch 50 3 17
Kilogramm, wird von einem Bauern in Hessen aufgepäppelt und ist 1946 in der Ostzone, weil seine Eltern dort sind. Er studiert Textilwesen und wird 1948 als Ingenieur technischer Leiter eines Textilbetriebs in Mühlhausen in Thüringen. Weil die Stasi ihn dazu bewegen will, über die Predigten des Pfarrers zu berichten, schickt er kurzerhand 1955 Frau und Tochter mit dem Interzonenzug in den Westen, um ihnen kurz darauf zu folgen. Er bekommt eine Stelle als Textilingenieur in Reutlingen und erlebt über mehrere Stationen den Niedergang der deutschen Textilindustrie. Heute ist Schiffbäumer in Neu-Ulm zu Hause. Graef, am 11. Mai 1920 in Bistritz geboren, geht nach dem Abitur 1941 nach Marburg, wo er 1943 sein Pharmazie-Studium beendet. Während des Studiums spielt er in der Handball-Mannschaft einer Studentenverbindung. Nach US-Kriegsgefangenschaft in Dachau geht er 1947 nach Rothenburg und 1949 nach Rauschenberg, wo er in einer Apotheke eine Anstellung bekommt, deren Eigentümer er einmal werden soll. Die Apotheke hat er inzwischen seiner Tochter und deren Mann überschrieben. Nach dem Krieg bleibt Graef dem Sport erhalten. Er spielt 1947 in Dachau und 1948 in Rothenburg Handball. Weil es in Rauschenberg keine Handball-Mannschaft gibt, wechselt er zum Tennis. Er gründet mit ein paar Tennisbegeisterten den Tennis-Klub Rauschenberg, dessen Vorstand er mehrere Jahre ist. Mit dem Tennis ist er bereits in Bistritz in Berührung gekommen. Graef erinnert sich an ein Tennisspiel gegen den damaligen Bistritzer Handball-Trainer Fritz Halmen. Das Spiel artet zu einem heißen Kampf aus, den Halmen für sich entscheidet. Nach dem Spiel sagt Halmen dem Unterlegenen: "Heute habe ich zum ersten Mal Tennis gespielt." Damals hat wohl keiner der beiden gedacht, dass Halmen einmal Tennislehrer in München werden wird. Von der Meistermannschaft von 1940 weiß Graef zu berichten: Kurt Inger siedelt 1941 nach Deutschland um, gefallen sind Erich Braun (1945 in St. Pölten), Hans Hanek (1944 in den Ardennen) und Karl Prall (1945 in der Tschechoslowakei), gestorben sind Kurt Holzträger in Deutschland und Hans Nief (2001), von Fritz Klein weiß er nichts, Ernst Prall soll als Architekt nach Mittelamerika gegangen sein, Erich Frenz wohnt in FrankfurtSachsenhausen, und Manager Erwin Zerbes ist 2001 bei Salzburg gestorben.
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Liane Roth und Walter Schmidt
Das erste Länderspieltor für Rumänien geworfen Sie ist im ersten Handball-Länderspiel der Frauen dabei, wirft das erste Länderspieltor für Rumänien, ist mit 18 jüngste Spielerin auf dem Platz, aber schon Mannschaftskapitän: Liane Roth aus Schäßburg. Es war 1949 in Temeswar beim 1:4 gegen Ungarn, als auch die rumänische Männer-Nationalmannschaft gegen den Nachbarn aus dem Westen angetreten ist, im ersten Länderspiel nach dem Krieg, das auch verloren wurde, und zwar 1:7. So beginnt eine Handball-Geschichte, die im Dezember 2001 geschrieben wurde. Wir sind in Gummersbach bei Liane und Walter Schmidt zu Gast. Liane Schmidt- Liane Roth-Schmidt Roth zeigt Fotos aus alten Alben, erinnert sich an Mitspielerinnen, erzählt vom Frauen-Handball nach dem Krieg in Schäßburg und von der Nationalmannschaft. Sie lacht und ist wohlauf. Als sie dann fotografiert werden soll, fragt sie, ob das denn sein muss. Es musste sein. Die Fotos liegen seit dem 12. Januar 2002 vor. Gut, dass es diese Fotos gibt, denn inzwischen ist Liane Schmidt-Roth nicht mehr. Nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt ist sie am 17. Februar 2002 gestorben. Die vorliegende Geschichte hat sie im Manuskript noch gelesen. Und so geht die Geschichte weiter: Liane Roth spielt in dieser Begegnung zusammen mit drei weiteren Spielerinnen aus der Schäßburger Meistermannschaft von 1948: mit Torsteherin Edith Deppner, mit Adele Theil und Martha Siegmund. Betreut wird diese Frauenauswahl von Olympiateilnehmer Bruno Holzträger. "Wir haben damals gestaunt über den ungariWalter Schmidt 319
sehen Handball", sagt Liane Roth-Schmidt, "die Hälfte der Spielerinnen war verheiratet und hatte bereits Kinder, doch sie haben ein schönes, elegantes Spielt aufgezogen." Im Spiel von Temeswar sind ferner aufgelaufen: Erna Schobel, Trude Graeser, Erika Blahm (alle aus Mediasch) und Marianne Adami (aus Hermannstadt), erinnert sich die am 25. November 1930 in Schäßburg geborene Liane Roth-Schmidt. Vor dem Spiel gab es ein Trainingslager in Temeswar. "Nach jedem Training sind wir auf allen Vieren die Hoteltreppe hinaufgekrochen", sagt sie. Jeden Morgen mussten wir auf die Waage, ich war die Dickste. Professor Eilhardt aus Temeswar wusste genau, wo das Gewicht an der Waage hingeschoben werden musste." Das Länderspiel in Temeswar sollte Liane Roths erstes und letztes bleiben. Denn 1949 heiratet sie keinen anderen als ihren Trainer Walter Schmidt. Die Mädchenmannschaft übernimmt er 1949 von seinem Lehrer und Trainer Hans Kraus, der auch für die Männermannschaft der Victoria zuständig war. Schmidt wird das Großfeld-Frauenteam bis 1962 trainieren. Schmidt beginnt 1934 Handball zu spielen unter Kraus an der Grundschule in Schäßburg. Der am 29. Dezember 1920 in Schäßburg geborene Schmidt erinnert sich noch an den Siebenbürgen-Aufenthalt des Vaters des Handballspiels, Carl Schelenz. Ferner an die Spiele gegen die Mannschaften der Handelsschulen und Coeten aus den anderen siebenbürgischen Städten, die
Der Schässhurger Turnverein 1937: (vo n links) Martha Gräf, Auguste Sa lmen , Susi Fritsch, R egine Binder, Kathrein Schwarz, Tschus Höchsmann , Henning , Frieda Kraft , Grete Kovacs , unbekannt , Mitzi Teckeser.
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oft gleichwertige Gegner sind. Außerdem an die Gründung der Handballabteilung innerhalb des Schäßburger Turnvereins in den 30er Jahren. Aber auch an die Meisterschaftsspiele der Großen aus Hermannstadt, Bistritz, Kronstadt und Mediasch gegen die Schäßburger. Schmidts Handballkarriere erfährt 1936 einen jähen Knick. In einem Spiel fällt er auf die Schulter und kann seien Wurfarm, es ist der rechte, nur noch schlecht einsetzen. Er wendet sich dem Fußball zu. Den Krieg macht Schmidt in der rumänischen Armee mit. 1945 ist er wieder zu Hause und gehört zu den Gründern der Victoria in Schäßburg. Er hat seinen linken Arm inzwischen so lange trainiert, dass er ihn auch als Wurfarm einsetzen kann. Was ihm damit gelingt, ist allerdings nur der Schleuderwurf. Den rechten Arm kann er 1951 kaum noch gebrauchen. Sein Glück: Er gehört zum Nationalmannschaftskader. Und deshalb wird er auch vom Arzt derNationalmannschaftuntersucht und operiert. Der Oberarmknochen war 1936 angebrochen und ist schlecht zusammengewachsen. Mit einer Rippentransplantation bringt der Arzt in Bukarest das Kunststück fertig, dass Schmidt den Arm wieder halbhoch heben und wieder spielen kann. Seine Handballerfolge: zwei Meistertitel mit der Schäßburger Victoria 1946 und 1948. Aus dem dritten Titel ist nichts geworden, weil die Mannschaft 1947 vor der Abfahrt nach Bukarest zum Meisterschaftsspiel gegen Dinamo von der Securitate auf dem Schäßburger Bahnhof abgefangen und nach Hause geschickt wird. Das Spiel wird als verloren gewertet, weil sich die Mannschaft dem Gegner nicht gestellt hat, erinnert sich Schmidt. Die Willkür wird ein Nachspiel haben. Mitte der 50er Jahre kommt es in Schäßburg in einem Spiel gegen Dinamo Bukarest zu Ausschreitungen. Darauf hin wird die Mannschaft aus der ersten Liga verbannt. Die Umstellung vom Großfeld aufs Kleinfeld sei den Schäßburgerri nicht schwer gefallen. Es sei genügend Nachwuchs da gewesen. Doch der sei in den darauffolgenden Jahren ständig abgewandert in Städte mit Hochschulen oder Armeesportklubs. Und so sei es auch gekommen, dass Schäßburg nach der Einführung des Kleinfeld- und Hallenhandballs nie mehr ins Oberhaus aufgestiegen ist, sagt Schmidt. Rudi Eder, der mit Schmidt zweimal Meister geworden ist und 1950 mit den Mannschaftskameraden Hermann Kamilli ·und Karl Adleff ins Arbeitslager am Donaukanal geschickt wurde, war nach seiner aktiven Zeit stets auf dein Sportplatz anzutreffen und hat auch geholfen, die Torsteher und Spieler zu trainieren. Eder war auch Trainer der Schäßburger Eishockeymannschaft Die meisten Handballer seien auch Eishockeyspieler gewesen. Dochtrotz aller Unzulänglichkeiten nach dem Krieg haben Liane und Walter Schmidt schöne Erinnerungen an jene Handballzeiten. In den ersten Nachkriegsjahren haben die Vereine finanzielle Probleme. Deshalb fahren Männer und Frauen nach Möglichkeit zu Auswärtsspielen oft in offnen Lastkraftwagen und werden von der gegnerischen Mannschaft ins Quartier mit nach Hause genommen. Einmal fährt die Mannschaft von Mediasch zurück im Viehwaggon, 321
schwarz. In einem Spiel in Ploiesti schießt Eder in letzter Sekunde das Siegestor. Dann heißt es, nur noch heil in die Kabinen kommen. Schmidt weiter: "Wir mussten - unsere Mädchenmannschaft war auch mit - etliche Stunden in den Kabinen ausharren, bis die Erlösung gekommen ist und wir abreisen konnten." "In sehr guten freundschaftlichen Beziehungen standen wir zu Madosz Mediasch und zu den Spielern von Autosport Odorhellen." Eine sehr schöne Geste von Autosport erlebt die Mannschaft, "als wir ein Meisterschaftsspiel in Lugasch und die Odorheller Mannschaft eins in Reschitza auszutragen hatten". Die Odorheller laden die Schäßburger spontan ein, in ihrem Bus kostenlos mitzufahren. "Es sollte ein unvergessenes einmaliges Erlebnis werden", sagt Schmidt. Auf der Rückfahrt trägt die Schäßburger Mannschaft ein Freundschaftsspiel gegen Lugasch für ein Essen aus. Die beiden Mannschaften unterbrechen die Fahrt zu einem weiteren Freundschaftsspiel in Hermannstadt gegen Derubau, für ein Essen und eine Übernachtung. Das aus Odorhellern und Schäßburgern bestehende Team tritt an und besiegt Derubau in einer Regenschlacht 2:1. "Anschließend geht die Fahrt nach Mediasch, wo wir nach einem Wolkenbruch ebenfalls mit 2:1 gewinnen. Als das zweite Tor gefallen ist, müssen unsere Spieler in die Kabinen flüchten, weil Zuschauer den Sportplatz stürmen. Nach stundenlangem Warten werden wir aus unserer misslichen Lage befreit und können weiter fahren."
Die rumänische Frauennationalmannschaft 1949 im ersten Länderspiel heim 1:4 gegen Ungarn in Temeswar: (von links) unhekanr:Jt, Kathi Bucur (Mediasch),Adele Theil (Schäßhurg), Gerda Hornen , Erna Schohel (heide Mediasch) , unbekannt, Rozsi (Mediasch), Trude Graeser (Mediasch) , Edith Deppner (Schäßhurg), Erika Blahm (Mediasch), Marianne Adami (Hermannstadt) und Liane Roth (Schäßhurg)
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Roswitha Neurohr-Fuchs
Mit unverwechselbaren Seitfallwürfen zum Erfolg "Schloss Kronborg, so sagt man, war der Schauplatz, den sich Shakespeare für seinen Harnlet gewählt hat. Sein oder nicht sein, das ist die berühmte Frage des dänischen Prinzen. Vor uns allen stand ... die gleiche Frage, etwas abgewandelt allerdings: Jetzt kennen wir die Antwort: Wir sind im Halbfinale." Das schreibt die Banater Handhallerin Roswitha Neurohr nach dem Einzug mit Uni Temeswar ins Halbfinale des Buropapokals der Meister gegen FIF Kopenhagen am 15. März 1967 in der Bukarester Tageszeitung "Neuer Weg". Das Rückspiel in der dänischen Hauptstadt hat am 11. März stattgefunden. Roswitha Neurohr-Fuchs Das EC-Spiel in Dänemark ist nur einer von vielen sportlichen Erfolgen von Roswitha Neurohr-Fuchs, die mit ihren Stärken der Temeswarer $tiinta/Uni wertvolle Dienste geleistet hat. Roswithas Vorzüge als Handhallerin sind solide Abwehrarbeit Sie steht meist gegen linke Rückraumspielerinnen des Gegners oder hat es mit den Kreisläuferinnen zu tun. Sie setzt sich im Angriff auf beiden Außenpositionen und am Kreis durch, beim Gegenstoß, aber auch in der zweiten Welle. Doch sie schließt auch manchen organisierten Angriff erfolgreich ab. Beeindruckend sind stets ihre Tore als Linkshänderin, erzielt mit der Technik des Seitfallwurfs. Bei einem internationalen Turnier in Leipzig bittet der spätere Trainer der DDR-Damenauswahl Peter Kretschmar sie, ihm ihre außergewöhnlich spektakuläre und erfolgreiche Wurftechnik zu demonstrieren. Die sportlichen Erfolge der am 4. Januar 1945 im böhmischen Kirchschlag als Tochter von Grabatzer Landwirten geborene Roswitha Neurohr können sich sehen lassen: Juniorinnenmeisterin 1962, zweimal Studentenmeisterin mit $tiinta und später Uni Temeswar, viermal rumänische Kleinfeldhandball-Meisterin mit demselben Klub-. "Es war schon ein besonderes Gefühl des sportlichen Triumphes, das Meistertrikot überstreifen zu dür323
fen", sagt Roswitha Neurohr-Fuchs heute. Einige Siege feiert sie auch im Endturnier um den "Winterpokal", sozusagen als Hallenmeisterin. Mit $tiinta/Uni Temeswar nimmt sie teil an zahlreichen internationalen Turnieren, zum Beispiel um den Ostseepokal in Rostock, und mit Studentenauswahlen. Ferner bestreitet sie im Buropapokal der Landesmeister Spiele bis zum Halbfinale in Polen, in der DDR, in Litauen, Holland oder Dänemark. Die ersten "EC-Heimspiele" finden in Klausenburg statt, denn die Temeswarer Olympia-Halle ist noch nicht gebaut. Als ihren größten sportlichen Erfolg stuft Roswitha ihre Berufung Roswitha Neurohr im Angriff in die rumänische Jugendauswahl ein, in der sie als feste Größe Rechtsaußen spielt. Die Mannschaft gewinnt den Weltmeistertitel, aber ohne sie. Nach einer Meniskusoperation 1966, ein schwieriger chirurgischer Eingriff mit langer Rehabilitation, ist ihr Einsatz nicht möglich. Und das ist der Werdegang der Banater Handballerin: Die Kindheit im Heidedorf Grabatz wird 1951 durch die Verschleppung in den Baragan unterbrochen. Nach dem ersten Schulbesuch im Baragan kommt sie 1956 an die Volksschule in Grabatz. 1958 wird sie Schülerin am Deutschen Gymnasium in Hatzfeld, wo sie im sportlich vielseitig aktiven und erfolgreichen Heidestädtchen erste organisierte Kontakte mit dem Sport - Leichtathletik, Tischtennis, Großfeld- und Kleinfeldhandball - hat. Entdecker und erster sportlicher Mentor ist ihr Sportlehrer Helmuth Schwartz. 1960 wechselt Roswitha auf Anraten von Sportlehrer Adam Fischer, dem sie auch später vieles beruflich und menschlich zu verdanken hat und zu dem bis zu seinem Tod Kontakte bestehen,- und auf Drängen des- heute würde man sagen- Managers im Temeswarer Damenhandball, Tibi Sfercociu, ans deutsche Gymnasium im ehemaligen Kloster in der Temeswarer Josefstadt. Sportlich geht es für Roswitha mit dem Schülersportklub Banatul steil aufwärts: Sie gehört der ersten Schülerinnen-Mannschaft an, die in der höchsten rumänischen Spielklasse mitmischt. Neue und langjährige Mannschaftskolleginnen machen in dieser Mannschaft mit: Anni Nemetz, Hedi Ziegler, Rodica Bain, Lucretia Anca, Felicia Gheorghita, Eva Kaspari, Pippi Pozmor. Trainer dieser Mannschaft ist Viktor Kitza. Der Gewinn des Junioren-Landesmeistertitels 1962 ist ein Beweis für die Klasse dieser Mannschaft. 324
Nach der Reifeprüfung 1962 beginnt Roswitha das Sportstudium an der Temeswarer Universität wie viele ihrer Mannschaftskolleginnen. Die Mannschaft der Sportschule wechselt geschlossen zum Studentensportklub $tiinta. Dort spielen bereits Gerlinde Reipp und Mia Stef. Ein Jahr später stößt Edeltraut Franz zu diesem Team, das sportlich kontinuierlich reift und dessen Erfolgsweg sich abzuzeichnen beginnt. 1965 schließt Roswitha ihr Sportstudium mit dem Staatsexamen ab und beginnt ihr Berufsleben, das einige gute Jahre eng mit der sportlichen Laufbahn verwoben bleibt: als Sportlehrerin an der Schule in SanktAndreas bei Temeswar. In den Jahren 1966 bis 1972 ist Roswitha NeurohrFuchs - inzwischen hat sie Dieter Fuchs, langjähriger Handballspieler bei Poli Temeswar und Diplommathematiker, geheiratet - Handball-Lehrerin am Sportlyzeum 4 und an der Schülersportschule Banatul. Sie unterrichtet und trainiert des öfteren gleichzeitig Jungen und Mädchen, Anfänger, · Fortgeschrittene und Leistungssportler. · Sie führt die Jungenmannschaft des Lyzeum 4 zum Schüler-Landesmeistertitel, betreut die Jungen der Schülersportschule in der leider nur kurzlebigen Schülerliga, gewinnt mit Jungen- und Mädchen-Mannschaften des Sportlyzeums Turniere, an denen Seniorenmannschaften teilnehmen. In ihrem "Babyjahr" -Tochter Ute erblickt 1968 das Licht der Welt wird Roswitha Neurohr-Fuchs zur Co-Trainerin von Constantin Lache, später ihr Trainer bei Uni, bei der A-Liga-Mannschaft der Mädchen des Lyzeums 4. Als 22-Jährige führt sie ihre Schülerinnen zu beachtlichen Siegen, die in der Presse entsprechend gewürdigt werden. Zu ihren Schützlingen gehören Christine Metzenrath und Elisabeth Simo, die später ihre Mannschaftskolleginnen bei Uni sein werden. 1971 beendet sie ihre aktive Laufbahn. 1972 schließt Roswitha ihr "Zusatzstudium" am Bukarester Institut für Körperkultur und Sport mit einer zu jener Zeit Aufsehen erregenden Diplomarbeit ab: "Eine Handballmannschaft aus psychosozialer Sicht". Im selben Jahr wird Roswitha alsAssistentinan die Sportfakultät der Temeswarer Universität berufen, leitet Übungsstunden und Seminare im Fach Methodik der Sportspiele und hält Vorlesungen im Fach Handball. 1984 wird sie Sportlehrerin am Lenau-Gymnasium und am Gymnasium 7, weil die Temeswarer Sporthochschule aufgelöst wird. 1986 bleibt Roswitha in Deutschland - Mann und Tochter folgen ihr 1988-, wo sie in einem Nürnberger Förderzentrum Motopädagogik, Sport und Handball unterrichtet. Seit gut zwei Jahren ist sie begeisterte Großmutter und für Felix Maximilian nach Unterrichtsschluss ein unersetzlicher Spielkamerad.
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Eduard Heim
Großsanktnikolaus: Das letzte Aufbäumen vor dem Ende Mitte der 80er Jahre. Der Exodus der Deutschen ist längst eingeleitet. Doch noch nicht alle haben aufgegeben. Viele arbeiten und setzen sich bis zum Schluss ein, bis sie den Pass für die lang ersehnte Ausreise aus Rumänien in der Hand halten. Zu denen, die noch etwas bewirken wollen, gehört eine Handvoll Banater Schwaben im DreiLänder-Eck Rumänien/Ungarn/Serbien. In Großsanktnikolaus kommt es - sieht man von dem Titelgewinn von Poli Temeswar 1991 unter den Trainern Otto Heel und Roland Gunnesch ab- zum letzten Aufbäumen des Banater Handballs vor dem endgültigen Aus. Weil der Bürgermeister des Städtchens in der Banater Heide unbedingt Eduard Heim auf dem Gebiet des Sports Erfolge vorweisen will, bekommt eine Mannschaft die Chance, ihr Können im Handball unter Beweis zu stellen. Wie früher die Dorfmannschaften von Perjamosch und Lowrin den Aufstieg ins Oberhaus geschafft haben, so gelingt auch den Handballern im Heidestädtchen Großsanktnikolaus der Marsch aus der Kreis- in die erste Liga. Die Erfolgsgaranten heißen Nikolaus Schmelzer, als Direktor der Großsanktnikolauser Gebiets-Konsumgenossenschaft für finanzielle Angelegenheiten zuständig, Emil Blasi als Präsident der Handballabteilung, der gelernte Einzelhandelskaufmann Eduard Heim als Manager, Hans Eidel, Robert Röhrich, Hans Schock, Hans Schüssler, Hans Dama und Ioan Comlm]an als Vorstandsmitglieder der Handballabteilung und der Perjamoscher Ex-Handballer Dieter Laub als Geschäftsführer der Handballabteilung des Klubs Comertul. Der am 1. Mai 1938 in Großsanktnikolaus geborene Heim erinnert sich noch an den Tag, als Bürgermeister Josif Oncu ihm mitteilt, er habe genug vom Fußball. Die Großsanktnikolauser Mannschaft hat mehrere Jahre vergebens versucht, in die zweite Liga aufzusteigen. Von Heim will er nur wissen, ob er bei Unterstützung den Aufstieg aus der Kreis- in die zweite Liga schaffen werde. Die beiden werden sich einig. Das Unternehmen kann beginnen. 326
Handball wird in Großsanktnikolaus von Anfang der SOer Jahre bis 1963 gespielt. Eduard Heim ist seit 1952 dabei. Doch mit dem Ende des Großfeldhandballs in Rumänien ist in Großsanktnikolaus Stillstand. Sechs Jahre lang läuft nichts mehr. 1973 gründet Schmelzer die Kleinfeld-Mannschaft Comertul, die Heim kurz darauf übernimmt. Nach zwei Jahren unter den Trainern Constantin Popa und Michael Gimpel steigt die Mannschaft in die Kreisliga auf. Dann wird der ehemalige Tehnometal-Spieler Ernst Pflanzer aus Temeswar als Trainer verpflichtet. 1976 wird eine Abteilung der Hatzfelder Sportschule nach Großsanktnikolaus verlegt, von der Comertul profitiert und Spieler übernimmt. Dazu gehören: Hans Dreier, Uwe Maus, Rainer Maus, Siegmund Maus (sie sind nicht verwandt), Uwe Hektorund Norbert Mohr. Großsanktnikolaus unternimmt zwei vergebliche Anläufe, in die zweite Liga aufzusteigen. Der erste Versuch wird 1980 in Arad unternommen. Doch Comertul verliert beide Spiele knapp gegen Minerul Neumoldowa. Dieser von Ernst Pflanzer vorbereiteten Mannschaft gehören an: Nikolaus Schadi, Erich Balthasar, Gheorghe Colonelu (alle Torsteher), Sirnon Schuch, Edmund Brach, Werner Parison, Helmuth Spier, Walter Keller, Norbert Mohr, Mircea Marcu, Sebastian Abramovici, Gheorghe Homorodea, Benno Schäfer, Bruno Kernweiß, Puiu Toader und Gheorghe Petcov.
Comerful Großsanktnikolaus: (stehend von links) Eduard Heim. Han s Dreier, l oan Horanet, Jozsef Kovacs , Rainer Maus, Vasile /stode, Mihai Solomaier , Sorin Mihes. Dieter Laub, (hockend) Ioan Dobosi, Ewald Kolleth, Stefan Deacu , Ludovic Vidag, Uwe Maus, Viorel Cumpana~ und Helmuth Spier 327
Nachdem Pflanzer Rumänien in Richtung Deutschland verlassen hat, kommen Victor Timpu und Jozsef Feher von Poli Temeswar nach Großsanktnikolaus. Feher führt die Mannschaft als Spieler-Trainer 1984 in die zweite Aufstiegsrunde, wo Comertul alle Ausscheidungsspiele gewinnt. In der Endrunde in Curtea de Arge~ besiegt Großsanktnikolaus die Mannschaften aus Hermannstadt und Piatra Neamt, verliert aber gegen Bacau mit einem Tor Unterschied, erinnert sich Eduard Heim. Das Unternehmen Aufstieg wagt Feher mit folgender Mannschaft: Herbert Keller, Ludovic Vidag (Tor), Victor Timpu, Helmuth Spier, Puiu Toader, Nikolaus Neidenbach, Edgar Sipos, Sorin Mihes, Hans Dreier, Ioan Dobosi, Viorel Cumpana~, Jozsef Kovacs, Rainer Maus und Mihai Solomaier. Jetzt ist für die Macher in Großsanktnikolaus klar: Ohne Verstärkung geht es nicht. Schmelzer leitet den großen Umbruch ein. Weil kein eigener Nachwuchs von Format da ist, müssen Spieler von auswärts geholt werden. Timpu, Feher und Keller verlassen die Mannschaft. Dazu stößt der Marienfelder Ewald Kolleth, der sich seine Sporen als Flügelstürmer längst bei Tehnometal Temeswar, Dinamo Kronstadt und Gloria Arad verdient hat. Zusammen mit Kolleth kommen weitere Arader Spieler nach Großsanktnikolaus: Stefan Deacu und Vasile Istode. Vorübergehend übernimmt Dieter Laub die Mannschaft als Trainer. 1985 gelingt Comertul der Aufstieg in die zweite Liga. In der Endrunde in Neumarkt wartet mit IT Bukarest nur ein schwerer Brocken auf die Großsanktnikolauser. Comertur reicht ein Unentschieden gegen die Bukarester und steigt wegen des besseren. Torverhältnisses auf. Der Erfolg löst im Heidestädtchen Begeisterung aus. Im ersten Meisterschaftsjahr belegt Comertul den sechsten Platz. Ewald Kolleth verlässt Großsanktnikolaus, um in nächster Zeit den TUSPO Nürnberg zu verstärken. Im zweiten Jahr in derB-Ligaist Timpu Trainer. Die Mannschaft belegt den fünften Platz. 1988 gelingt der Aufstieg ins Oberhaus mit einer komplett verjüngten Mannschaft. Comertul gibt Poli Vasile Istode ab, der nach Ansicht von PaliTrainer Constantin Jude der Temeswarer Mannschaft im Kampf um den Meistertitel helfen könnte. Im Gegenzug stellt Poliden Großsanktnikolausern eine komplette junge Truppe zur Verfügung. Darunter sind schon keine deutschen Namen mehr zu finden: Viorel Söter, Adi Cioroianu, Gheorghe Ple~ca, Miodrag Jankovic, Virgil Georgescu, Petre Bobocea und Adi Mardare. Während Comertul sein Zeil erreicht, scheitert Poli im Kampf um die Meisterschaft. Somit erfüllt sich nur die Hälfte der Banater Träume. Der Aufstieg wird für Großsanktnikolaus ähnlich wie im Falle Lowrin Anfang der 70er Jahre zu einem Kurzausflug ins Oberhaus. Nach einer Saison ist Comertul wieder zweitklassig. Es hätte durchaus auch anders kommen können, sagt Eduard Heim heute. Poli-Trainer Jude hat nämlich mit Bürgermeister Oncu abgemacht, dass Comertul den Temeswarern, die Titelambitionen haben, den Sieg beim Hinspiel in Großsanktnikolaus "schenkt". Sollte zum Meisterschaftsende feststehen, dass Poli nicht Mei328
ster wird, sollen die Temeswarer das Geschenk zurückgeben. Das tun sie auch, denn Comertul braucht die Punkte, um nicht abzusteigen. Doch Jude und der Bürgermeister haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Rumänische Handball-Verband schickt Beobachter zum Spiel. Und die stellen fest: Das Spiel ist manipuliert. Beiden Mannschaften werden Punkte abgezogen. Comertul steigt ab. Doch trotz des Abstiegs: Das Jahr in der ersten Liga hat den Handballliebhabern in Großsanktnikolaus viel gegeben. Die Halle ist mit 1200 Zuschauern stets überfüllt. Es herrscht stets Volksfeststimmung. Die Großen, die nach einem Jahrzehnt wieder einmal den Weg in die Banater Heide antreten, müssen sich kräftig anstrengen, um zu gewinnen. Zum Beispiel Dinamo Bukarest tut sich recht schwer, denn die Stars aus der Nationalmannschaft liegen das ganze Spiel hindurch meist nur mit einem Tor in Führung, sagt Heim. Baia Mare erwischt es kalt. Comertul besiegt die hoch favorisierte Truppe aus Nordwestsiebenbürgen mit 24:22. "Trainer Lascar Pana hat Schaum vor dem Mund", so Heim. Damit die Mannschaft richtig verpflegt werden kann, veranstaltet Manager Heim manchen FaschingsbalL 1976 baut Hans Heim, der Cousin Eduard Heims, in Großsanktnikolaus eine Mädchenmannschaft auf, die er als Trainer zusammen mit Peter Kalfus betreut. Doch die kommt über die Kreisliga nicht hinaus. Der Mannschaft gehören an: Lore Heim, Heidrun Heim, Donate Spier, Ida Balthasar, Brigitte Kappel, Monika Vidag, Brigitte Schnur, Lud Homorodea, Hedwig Schüssler, Elfriede Esperschidt und Lolita Dreier. 1977 siedelt Hans Heim nach Deutschland um, und Peter Kalfus und Hans Steibel betreuen die Mannschaft weiter.
Samuel Karres
Mediasch trägt sich als Dritter in die Meisterliste ein Zwei um einen Handball kämpfende Spieler sind im Vordergrund auf der Medaille zu sehen. Rechts im Hintergrund ein Torwart. Rund drei Zentimeter Durchmesser misst die Meistermedaille. Sie ist auf einer 10 mal 20 Zentimeter großen Holztafel befestigt, darunter eine rechtekkige Plakette mit der Aufschrift O.S.R. und in den nächsten Zeilen in Großbuchstaben Campionat national de handhall 1942, zu deutsch Handball-Landesmeisterschaft 1942. "Ein billiges Produkt", sagt Samuel Karres. Doch die Auszeichnung ist dem promovierten Betriebswirt trotzdem teuer. Über Grenzen hinweg hat er sie von Siebenbürgen nach Deutschland gerettet. Seit Jahren hängt die Meister- Samuel Karres medaille im Wohnzimmer des Ehepaars Karres in Siegburg bei Bonn. Der kaum 21 Jahre alte Karres hat sie im Juni 1942 in Ploiegti im Finale um die rumänische Handball-Meisterschaft durch ein 16:5 über Viforul Dacia Bukarest zusammen mit der leicht verstärkten Mannschaft des Mediascher Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums gewonnen. Nach dem Hermannstädter und dem Bistfitzer Turn-Verein trägt sich 1942 mitMediascheine dritte Mannschaft in die Liste der rumänischen Landesmeister ein. Der Meisterelf hat auch der ausgeliehene Schäßburger Richard Schuler angehört, erinnert sich Karres. Das Meisterschaftsfinale wurde vor gut 15.000 Zuschauern als Vorspiel einer Fußballbegegnung ausgetragen. Der Sieg der deutschen Mannschaft hat den Zuschauern in Ploiegti nicht gefallen, so Karres. Den Erfolg wiederholt die Mannschaft im Jahr darauf, doch in dieser Mannschaft steht der am 28. März 1921 in Bad Baaßen geborene Karres nicht mehr. Der Meistermannschaft 1943 gehören auch der Olympiateilnehmer von 1936 Bruno Holzträger und der allbekannte Georg Gunesch an, sagt Karres. Weitere Mannschaftsmitglieder: Hann als Kapitän, Hans-Georg Wellmann, Hans Umbrich und Gerhard Weinhold. Die anderen Namen der großen 330
Mannschaft fallen dem ehemaligen Mittelläufer nicht mehr ein. Karres, der mit dem Mediascher Fabrikanten Samuel Karres nicht verwandt ist, kommt mit dem Handball als Gymnasiast 1935 in Berührung. Bis zur Aufnahme eines Sportstudiums an der Uni in Bukarest 1942 wird er für das Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium Handball spielen und die Mannschaft zeitweise auch als Kapitän führen, aber auch Leichtathletik treiben. Die 100 Meter läuft der 1,78 Meter große Athlet in 12 Sekunden, mit dem Wind im Rücken auch unter dieser Marke. Seine Konkurrenten auf dieser Distanz sind Georg Gunesch und Wellmann. Einmal hat Karres die Nase vorn, ein andermal Gunesch. Der Wahlsiegburger spricht von den harten Würfen Guneschs, doch auch der Eigensinn des Mittelstürmers ist ihm noch in guter Erinnerung. Die 400 Meter ist Karres in 56 Sekunden gelaufen. Doch auch im Stemmen übt sich der Gymnasiast, vor jeder Turnstunde. Bis zum Schluss schafft er sogar 100 Kilogramm. In Mediasch haben die Deutschen vor dem Krieg fast nur Handball gespielt. Das Fußballspiel war für die Kinder der Siebenbürger Sachsen fast verboten, say,t Karres. Das Fußballspiel war eine Angelegenheit der Ungarn und Rumänen. 1939 ist Karres mit den Mediascher Gymnasiasten zu Gast in Temeswar.
Die Handball-Mannschaft des Stephan-Ludwig -Roth-Gymnasiums 1942 : (stehend von lin ks ) Kirr , Hans-Ge01-g Wellma nn , Georg Gun esch , Hans Umbrich, Gerhard Weinhold, (h ockend) Mantsch, Samuel KwTes, Georg Windt, (sitzend) Willi Haydu , Cunci Szöcs und Wilhelm Lapka .
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Das Spiel gegen das Team der Banatia gewinnen die Siebenbürger souverän. "Im Handball waren wir besser, doch in der Leichtathletik hatten die Terneswarer die Trümpfe in der Hand." 1943 ist das Sportstudium nach der Schlacht um Stalingrad für Karres beendet. Er wird zur Waffen-55 eingezogen, kommt mit der Division Wiking zu Kurzeinsätzen in Jugoslawien und Frankreich, um schließlich im Februar 1944 in Russland an der Ostfront eingesetzt zu werden. Er erlebt, wie ein Verwandter des Kölner Verlegers Neven DuMont im Panzer stirbt. Karres kann sogar noch das Datum nennen: Es war arn 6. Juni 1944. Gerade dieser Mann, den er vorn Handballspiel her kennt, hat ihm kurz vorher aus der Patsche geholfen, indem er ihn in seiner Eigenschaft als stellvertretender Regimentskommandeur zu sich in die Einheit genommen hat. Karres hatte es gewagt, Juden in Schutz nehmen. Weil er selbst Sarnuel heißt, sei auch der Vorwurf laut geworden, er sei jüdischer Herkunft. Das Kriegsende erlebt Karres im April 1945 bei Braunlage, er kommt in arnerikanische, dann in französische Kriegsgefangenschaft. Aus dem Gefangenenlager bei Rernagen geht es nach Südfrankreich. Über Paris und Metzgelangt er 1946 nach Weißenthurrn bei Koblenz, wo seine zukünftige Frau zu Hause ist. Kennengelernt hat er Maria Moog im Lazarett in Andernach 1945. In der Gefangenschaft und nach der Entlassung im Rheinland kommen ihm seine Sprachkenntnisse zugute, er spricht neben Deutsch und Rumänisch auch Französisch. Deshalb wird er als Dolmetscher eingesetzt. 1946 beginnt Karres an der Uni in Bonn Wirtschaftswissenschaften zu studieren. 1950 legt er das Staatsexamen ab, 1952 promoviert er bei dem bekannten Düsseldorfer Volkswirt und Juristen Dr. Heinrich Deist, der für die SPD im Bundestag sitzt. Danach arbeitet er für Deist in dessen Düsseldorfer Kanzlei. 1959 wechselt Karres als Pressereferent und Wirtschaftswissenschaftler zur Friedrich-Ebert-Stiftung nach Bonn. Für diese Tätigkeit hat Karres schon früh geübt. In seiner Mediascher Zeit treibt er als Gymnasiast nicht nur Sport, sondern berichtet auch über den lokalen Sport.. In der Mediascher Wochenzeitung veröffentlicht er Handball-Berichte, doch auch Fußball- oder Leichtathletik-Nachrichten. Auch den Bukarester Zeitungen Sportul Capitalei und Universul Sport telefoniert er Sportergebnisse durch. Bis zu seiner Pensionierung 1988 wird er für die Friedrich-EbertStiftung 126rnal den Gesprächskreis Wirtschaft und Politik veranstalten und rund 40 große Tagungen mit bis zu 1000 Teilnehmern organisieren. 1959 lässt sich die Familie in Siegburg nieder.
Die Weltmeister auf einen Blick
1,:
Großf~~d ·
I
Männer 1938: Deutschland 1948: Schweden 1952: Deutschland 1955: Deutschland 1959: Deutschland (gemeinsame Mannschaft) 1963: DDR 1966: Deutschland
Damen 1949: (inoffiziell): Ungarn 1956: Rumänien 1960: Rumänien
Männer: 1938: Deutschland 1954: Schweden 1958: Schweden 1961: Rumänien 1964: Rumänien 1967: Tschecheslowakei 1970: Rumänien 1974: Rumänien 1978: Deutschland 1982: Russland 1986: Jugoslawien 1990: Schweden 1993: Russland 1995: Frankreich 1997: Russland 1999: Schweden 2001 : Frankreich 2003: Kroatien
Damen 1957: Tschecheslowakei 1962: Rumänien 1965: Ungarn 1971: DDR 1973: Jugoslawien 1975: DDR 1978: DDR 1982: Russland 1986: Russland 1990: Russland 1993: Deutschland 1996: Südkorea 1997: Dänemark 1999: Norwegen 2001: Russland
Die Olympiasieger auf einen Blick Großfeld, Männer 1936: Deutschland
Kleinfeld, Männer: 1972: Jugoslawien 1976: Russland 1980: DDR 1984: Jugoslawien 1988: Russland 1992: Russland 1996: Kroatien 2000: Russland
Kleinfeld, Frauen 1976: Russland 1980: Russland 1984: Jugoslawien 1988: Südkorea 1992: Südkorea 1996: Dänemark 2000: Dänemark
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Statistik Die rumänischen Handball-Meister auf dem Großfeld Herren , 1932 bis 1938 Hermannstädter TurnVerein 1939 Bistritzer Turn-Verein 1942 und 1943 Mediasch (vertreten durch das Stephan-Ludwig-Roth Gymnasium) 1946 Victoria Schäßburg 1947 Karres Mediasch
1948 Victoria (GSM) Schäßburg 1949 Derubau Hermannstadt 1951 bis 1952 CCA Bukarest 1953 Dinamo Kronstadt 1954 CCA Bukarest 1955 CCA Bukarest 1956 $tiinta Temeswar
1957 CCA Bukarest 1958 Dinamo Kronstadt 1959 Dinamo Bukarest 1960 Chimia Fogarasch 1961 CCA Bukarest 1962 Chimia Fogarasch 1963 Dinamo Bukarest Junioren-Landemeister: 1959 Vointa Hermannstadt
Damen: 1948 Victoria (GSM) Schäßburg 1949 Zefirul (Irti) Mediasch 1950 Flamura Ro~ie Mediasch 1951 Flamura Ro~ie Mediasch
1952 1953 1954 1955 1956 1957
ICF Bukarest $tiinta Temeswar Progresul Neumarkt Progresul Neumarkt Progresul Kronstadt Steaua Ro~ie Bukarest
1958 1959 1960 1961 1962 1963
Steaua Ro~ie Bukarest Olimpia Bukarest $tiinta Bukarest Rapid Bukarest Progesul Bukarest $tiinta Bukarest
Die rumänischen Handball-Meister auf dem Kleinfeld und in der Halle Herren: 1959 bis 1962 Dinamo Bukarest 1963 $tiinta Bukarest 1964 bis 1966 Dinamo Bukarest 1967 bis 1977 Steaua Bukarest 1978 Dinamo Bukarest
1979 bis 1985 Steaua Bukarest 1986 Dinamo Bukarest 1987 bis 1990 Steaua Bukarest 1991 Politehnica Temeswar 1992 und 1993 Uni Craiova 1994 Steaua
1995 Dinamo Bukarest 1996 Steaua 1997 Dinamo Bukarest 1998 und 1999 Minaur Baia Mare 2000 und 2001 Steaua 2002 Fibrexnylon Savin~ti 2003 Fibrexnylon Savine~ti
Damen 1959 Cetatea Bucur Bukarest 1960 Steaua Bukarest 1961 bis 1963 Rapid Bukarest 1964 $tiinta Temeswar 1965 $tiinta Bukarest 1966 Uni Temeswar 1967 Rapid Bukarest 1968 bis 1970 Uni
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Temeswar 1971 Uni Bukarest 1972 Uni Temeswar 1973 und 1974 IEFS Bukarest 1975 bis 1978 Uni Temeswar 1979 und 1980 $tiinta Bacau 1981 Rulmentul Kronstadt
1982 bis 1987 $tiinta Bacau 1988 Mure~ul Tg. Mure~ 1989 bis 1991 Chimistul Rämnicul Välcea 1992 bis 1994 $tiinta Bacau 1995 bis 2000 Oltchim Rämnicul Välcea 2001 Silcotub Zalau 2002 Oltchim Rm.Välcea 2003 Rapid CFR Bukarest
Rumänien !
Johann Steiner, geboren am 28. März 1948 in Billed/Banat, wird als Dreijähriger 1951 mit der Familie in die Darrautiefebene (Bärägan) verschleppt; 1956 RÜckkehr in den Geburtsort. Besuch des Gymnasiums im ehemaligen Kloster in der Temeswarer Josefstadt. Anschließend Germanistik- und Romanistikstudium an der Universität in Temeswar. Von 1971 bis 1979 Redakteur in der Lokal- und Sportredaktion der Tageszeitung "Neuer Weg" in Bukarest und Temeswar. Im November 1980 Ums~edlung nach Deutschland. Ab 1981 ~edakteur in Düsselddff beim Verlag Telepress und bei der ~einis9,1-Bergischen Verlags- und Druckerei-GmbH. Seit 1985 Redal<teur beim General-Anzeiger in Bonn.
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ISBN 973-8384-12-5