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In guter Gesellschaft

Nur wenigen ist bekannt, dass die EuSoMII (European Society of Medical Imaging Informatics) die Nachfolgeorganisation der EuroPACS ist. Mittlerweile geht die Radiologie-IT weit über das PACS hinaus und in der EuSoMII geht es inzwischen um so unterschiedliche Themen wie 3D-Visualisierung und –Druck, Schnittstellen, Workflowsysteme, KI, Strukturierte Befundung und NLP.

Seit März 2021 ist Prof. Elmar Kotter, Geschäftsführender Oberarzt an der Universitätsklinik Freiburg im Breisgau, auch EuSoMII Präsident. Prof. Kotter sprach mit Guido Gebhardt darüber, welche Themen ihm als EuSoMII-Präsident am Herzen liegen.

Um welche Themen geht es in der EuSoMII?

Das Spektrum der EuSoMII ist deutlich weiter gefasst, als das der EuroPACS und PACS ist auch nicht mehr das zentrale Thema in der Radiologie. PACS funktioniert inzwischen europaweit in Kliniken und Praxen weitgehend problemlos. Es gibt aber eine ganze Menge anderer Themen, die uns heute in den Kliniken beschäftigen. Die Künstliche Intelligenz oder die Strukturierte Befundung, der 3D-Druck und 3D-Lab müssen genauso weiter bearbeitet werden wie die quantitative Radiologie. Das sind Themen, die wichtig sind und die EuSoMII vorantreiben wird.

Die EuSoMII kann man sich als europäischen Counterpart zur AGIT (Arbeitsgemeinschaft-IT in der DRG) vorstellen, nur dass wir eine eigenständige Gesellschaft sind und keine Arbeitsgruppe innerhalb einer Fachorganisation.

Mir geht es darum, den Bekanntheitsgrad der EuSoMII zu steigern und die Präsenz weiter zu erhöhen. Während unser letzter Präsenzkongress 2019 in Valencia von etwa 200 Teilnehmer:innen besucht wurde, nahmen am Online-Kongress 2020 bereits mehr als 400 Interessent:innen teil. Das war schon gar nicht so schlecht. Und für dieses Jahr erwarten wir erneut mehr Teilnehmer:innen.

Prof. Dr. Elmar Kotter, Geschäftsführender Oberarzt IT & QM in der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg und seit März 2021 Präsident der European Society for Medical Imaging and Informatics (EuSoMII)

Prof. Dr. Elmar Kotter, Geschäftsführender Oberarzt IT & QM in der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg und seit März 2021 Präsident der European Society for Medical Imaging and Informatics (EuSoMII)

Für mich ist die EuSoMII eine hervorragende Gesellschaft. Die Mitglieder verfügen nicht nur über viel Know-how, sondern sind auch engagiert und wollen Dinge voranbringen. Mit etwa 300 Mitgliedern sind wir noch keine große Organisation. Aber die Tendenz ist deutlich steigend und das Wachstum wird sich mit dem Bekanntheitsgrad zukünftig hoffentlich noch weiter beschleunigen.

Wie möchten Sie dieses Wachstum erreichen?

Eines unserer Ziele ist, dass wir uns deutlich breiter aufstellen wollen. Momentan haben wir überproportional viele Mitglieder aus den Benelux-Ländern und Spanien. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir dort schon Kongresse live durchgeführt haben. Aber speziell in Ost- und Nord-Europa sind wir noch unterrepräsentiert und würden uns, wie in Deutschland, über mehr Mitglieder freuen.

Das Wachstum soll mithilfe einer breit angelegten Diversifizierung realisiert werden. Wir werden uns zum einen in Europa länderübergreifend aufstellen, zum anderen bestehen unsere Mitglieder bislang vorwiegend aus Radiolog:innen und Physiker:innen. Da die Vernetzung im Gesundheitswesen jedoch ein interdisziplinäres Thema ist, werden wir uns anderen Fachgruppen gegenüber öffnen und uns fachbereichsübergreifend multiprofessionell aufstellen.

Sehr freuen würden wir uns in der EuSoMII über MTRAs bzw. Radiologietechniker:innen oder Radiographer. Denn deren interessantes Betätigungsfeld und praktische Erfahrung kann sehr zur Weiterentwicklung der Gesellschaft beitragen und ihnen ebenfalls tolle Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

Wir gehen davon aus, dass MTRAs ihr Tätigkeitsspektrum zukünftig erweitern und Aufgaben im Bereich „Imaging Informatics“ übernehmen werden. Das kann beispielsweise die Leitung eines Nachbearbeitungslabs sein, da wir bereits jetzt deutlich mehr Post-Processing an den Modalitäten sehen. Es werden Fachkräfte benötigt die sich nicht nur professionell um die Bildnachbearbeitung, sondern auch um die KI-Algorithmen und das Funktionieren des gesamten Radiologie-Workflows kümmern.

Natürlich wünschen wir uns auch deutlich mehr Frauen in der EuSoMII, um deren Erfahrungen gleichermaßen in der Gesellschaft zu berücksichtigen. Noch gibt es einen Männerüberhang. Das soll ein deutlicher Aufruf für alle Frauen sein, sich in der EuSoMII einzubringen. Ganz nach dem Vorbild von Merel Huismann, die ganz hervorragend unseren Young Club leitet. Seitdem steigt der Frauenanteil unter den jüngeren Mitgliedern bereits an.

Wo sehen Sie in der EuSoMII die Herausforderung in der Radiologie?

Die Künstliche Intelligenz kommt immer mehr in der Routine an, das spüren wir deutlich. Es werden immer mehr Algorithmen in der Routine eingeführt. Trotzdem erlebt man noch zu viele Enttäuschungen. Die wahrscheinlich größte Herausforderung in den nächsten Monaten und Jahren wird sein, die zahlreichen KI-Systeme zu validieren, um dem Nutzer:innen und dem Patient:innen mehr Sicherheit zu bieten. Auf das Ergebnis dieser Algorithmen muss man sich einfach verlassen können.

Ich gehe davon aus, dass sich bald unabhängige Validierungsstellen etablieren werden, bei denen Hersteller ihre Algorithmen überprüfen lassen können und dafür eventuell ein Zertifikat bekommen. Wenn gezeigt werden kann, dass die KI-Algorithmen gewissen Qualitätsansprüchen genügen, würde das die Akzeptanz im Markt sicherlich erhöhen, das Angebot transparenter machen und zu einer besseren und schnelleren Verbreitung der Algorithmen führen, und gleichzeitig natürlich die Risiken minimieren. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa gibt es auf vielen Ebenen diesbezüglich bereits Initiativen, wie zum Beispiel im DIN. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in den nächsten zwei bis drei Jahren viel bewegen wird, um Strukturen für die KI-Validierung aufzubauen.

Eine weitere Herausforderung ist immer noch die Integration von KI in den Workflow. Das kann zum einen auf die harte Tour geschehen, so wie wir es momentan handhaben, indem wir jeden Algorithmus einzeln anpassen. Das ist natürlich sehr aufwendig, da man sich mit jedem einzelnen Algorithmus von den Vertragsverhandlungen über die Datensicherheit bis hin zum Aufruf aus dem System auseinandersetzen muss.

Alternativ gibt es die so genannten KI-Orchestratoren oder Marktplätze von unterschiedlichen Anbietern. Doch auch da ist noch einiges an Arbeit zu leisten. Es gibt zwar bereits sehr gute Ansätze, aber als Nutzer sehe ich immer noch das Problem, dass die Marktplätze nicht voll umfänglich bestückt sind. Nicht jedes Angebot beinhaltet eine ausreichende Anzahl an Algorithmen, um das gesamte Spektrum sinnvoller Applikationen abzudecken.

Für die Nutzer:innen gibt es bisher leider nur wenig Möglichkeiten, sich zu orientieren. Vielen ist unklar, wie die Systeme überhaupt in den Workflow gelangen, welche technischen Voraussetzungen gegeben sein müssen und wie die Algorithmen installiert werden. Außerdem ist bisher kaum überschaubar, welche Anbieter es gibt und welche Algorithmen sie bereits jetzt zur Verfügung stellen. „Arbeiten die Systeme on-premise oder gibt es sie nur in der Cloud?“, „kann ich sie kaufen, handelt es sich um reine Abomodelle oder Pay-per-Use?“ sind ebenfalls wichtige Fragen, die es zu klären gilt. Meine Kolleg:innen in der radiologischen Praxis haben wahrscheinlich gar nicht so viel Zeit, sich um sich um die ganzen Details zu kümmern.

Marktplätze, die nur sieben oder acht Algorithmen anbieten können, sind großen Universitätskliniken nicht gut genug. Wenn ich gerne einen weiteren Algorithmus hätte und die Antwort bekomme „den haben wir aber nicht im Programm“, würde mich das sicher nicht freuen.

Und wie sieht es mit der Strukturierten Befundung aus?

Auch in der Strukturierten Befundung ist das Ei des Kolumbus noch nicht gefunden. Neben den bekannten Programmen gibt es heute eine qualitativ hochwertige Auswahl an dedizierten Befundvorlagen. Der Umgang mit allen bisher verfügbaren Systemen verlangt immer noch nach einer extra Runde mit der Maus, um den Befund zusammenzustellen. Für Radiolog:innen bedeutet das weiterhin zusätzlichen Aufwand.

Das müssen Sie sich so vorstellen: Meist haben Radiolog:innen das Mikro in der linken Hand und in der rechten Hand die Maus, um sich durch die Bilder zu bewegen und gleichzeitig den Befund zu diktieren. Das funktioniert nicht mehr, wenn noch ein drittes System bedient werden muss. Meines Erachtens sollten wir es schaffen, aus der gesprochenen Sprache der Radiolog:innen, während der Befund diktiert und gleichzeitig die Bilder analysiert werden, on-the-fly einen strukturierten Befund zu erstellen.

Die Systeme zur Spracherkennung und natürlicher Sprachverarbeitung werden immer besser und es wird eine Frage der Zeit sein, das Problem zu lösen. Dann glaube ich, wird es sehr schnell gehen. Denn dass der Strukturierte Befund für alle einen deutlichen Mehrwert bietet, liegt auf der Hand. Siri und Google sind heute schon fantastisch gut. Nachdem Microsoft kürzlich Nuance übernommen hat, gehe ich von einem weiteren positiven Effekt aus.

Wie Sie sehen gibt es in der EuSoMII zahlreiche Themen – alles gute Gründe sich zu engagieren. Die Radiolog:innen gehören zu den Innovationstreibern im digitalen Gesundheitswesen. Damit das so bleibt, braucht es ein konstantes Engagement in den Fachgesellschaften. Der EuSoMII-Jahreskongress 2021 findet am 23. Oktober 2021 erneut online statt.

EuSoMII Young Club

Merel Huisman leitet seit 2019 den EuSoMII Young Club. Schon während des Medizinstudiums interessierte die angehende Radiologin sich sehr für Technik und IT. Mit dem Young Club versucht Merel Huismann, junge Ärztinnen und Ärzte fachübergreifend und international zu vernetzen, um sie mit der zunehmenden Technisierung des Arztberufs vertraut zu machen. Ihrer Meinung nach ist nur ein sehr geringer Anteil der Mediziner:innen an Technik interessiert. Den Young Club versteht Merel Huismann als Plattform, um ihre Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, die Hemmschwelle zu überwinden und sich mit den zukünftigen Anforderungen im mehr und mehr datengetriebenen Gesundheitswesen auseinanderzusetzen. Die Entwicklungen der modernen Datenwissenschaft – insbesondere die Themen rund um KI – kann man beispielsweise nur im eignen Sinne vorantreiben, wenn man sich aktiv damit auseinandersetzt. Im EuSoMII Young Club vernetzt die junge engagierte Weiterbildungsassistentin nicht nur Interessierte Mediziner:innen, sondern stellt ihnen auch ein breites Angebot an multimedialen Inhalten zur Verfügung. Besonders wichtig ist Huisman die KI-bezogene, multidisziplinäre Interaktion beispielsweise mit Datenwissenschaftler:innen, IT-Mitarbeiter:innen, technischen Ärzt:innen, Forscher:innen oder Patholog:innen.

Merel Huisman leitet seit 2019 den EuSoMII Young Club. Schon während des Medizinstudiums interessierte die angehende Radiologin sich sehr für Technik und IT. Mit dem Young Club versucht Merel Huismann, junge Ärztinnen und Ärzte fachübergreifend und international zu vernetzen, um sie mit der zunehmenden Technisierung des Arztberufs vertraut zu machen. Ihrer Meinung nach ist nur ein sehr geringer Anteil der Mediziner:innen an Technik interessiert. Den Young Club versteht Merel Huismann als Plattform, um ihre Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, die Hemmschwelle zu überwinden und sich mit den zukünftigen Anforderungen im mehr und mehr datengetriebenen Gesundheitswesen auseinanderzusetzen. Die Entwicklungen der modernen Datenwissenschaft – insbesondere die Themen rund um KI – kann man beispielsweise nur im eignen Sinne vorantreiben, wenn man sich aktiv damit auseinandersetzt. Im EuSoMII Young Club vernetzt die junge engagierte Weiterbildungsassistentin nicht nur Interessierte Mediziner:innen, sondern stellt ihnen auch ein breites Angebot an multimedialen Inhalten zur Verfügung. Besonders wichtig ist Huisman die KI-bezogene, multidisziplinäre Interaktion beispielsweise mit Datenwissenschaftler:innen, IT-Mitarbeiter:innen, technischen Ärzt:innen, Forscher:innen oder Patholog:innen.

Automatisierte Diagnose und quantitative Analyse von COVID-19 in der Bildgebung

In Zusammenarbeit mit der EuSoMII wurde unter Federführung von Eric Ranschaert die Imaging COVID-19 AI Initiative ins Leben gerufen: Die Imaging COVID-19 AI Initiative ist ein multizentrisches europäisches Projekt zur Verbesserung der Computertomographie (CT) bei der Diagnose von COVID-19 durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Die Projektgruppe wird ein Deep-Learning-Modell für die automatisierte Erkennung und Klassifizierung von COVID-19 auf CT-Scans sowie für die Beurteilung der Krankheitsschwere bei Patient:innen durch Quantifizierung der Lungenbeteiligung erstellen.

In Zusammenarbeit mit der EuSoMII wurde unter Federführung von Eric Ranschaert die Imaging COVID-19 AI Initiative ins Leben gerufen: Die Imaging COVID-19 AI Initiative ist ein multizentrisches europäisches Projekt zur Verbesserung der Computertomographie (CT) bei der Diagnose von COVID-19 durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Die Projektgruppe wird ein Deep-Learning-Modell für die automatisierte Erkennung und Klassifizierung von COVID-19 auf CT-Scans sowie für die Beurteilung der Krankheitsschwere bei Patient:innen durch Quantifizierung der Lungenbeteiligung erstellen.

Viele verschiedene Krankenhäuser und Institutionen in ganz Europa werden zusammenarbeiten, um in diesem zeitkritischen Forschungsprojekt schnell eine Lösung mit Künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Das KI-Modell wird allen Teilnehmer:innen zur klinischen Validierung frei zur Verfügung gestellt. Natürlich wünschen wir uns auch deutlich mehr Frauen in der EuSoMII, um deren Erfahrungen gleichermaßen in der Gesellschaft zu berücksichtigen. Noch gibt es einen Männerüberhang. Das soll ein deutlicher Aufruf für alle Frauen sein, sich in der EuSoMII einzubringen. Ganz nach dem Vorbild von Merel Huismann, die ganz hervorragend unseren Young Club leitet. Seitdem steigt der Frauenanteil unter den jüngeren Mitgliedern bereits an.

www.eusomii.org