Als boomendes touristisches Ziel inmitten außergewöhnlicher Natur wirkt Norderney wie ein Magnet. Dabei zieht die Insel seit Jahrzehnten auch Menschen an, die hier nicht nur ihren Urlaub verbringen, sondern langfristig ihr Glück suchen wollen. Gleichzeitig verlassen viele Inselkinder irgendwann die Heimat, um in fernen Städten und Regionen eine Ausbildung zu machen und Erfahrungen zu sammeln. Anders als in manchen ländlichen Regionen auf dem Festland, kehrt ein großer Teil dieser jungen Leute Jahre später mit frischen Impulsen nach Hause zurück. Die Geschwister Julia und Florian Ristow sowie deren Großmutter Charlotte Ristow stehen in dieser Hinsicht beispielhaft für viele andere Familien auf der Insel. Ihre Geschichte zeigt, wie Norderney von beiden Strömungen gleichermaßen profitiert - vom Zuzug von außen ebenso wie von der Weltoffenheit der Einheimischen. Wir erzählen von Aufbruch und Heimkehr.
Charlotte Ristows Enkelkinder Julia und Florian verleben eine unbeschwerte Jugend auf Norderney. „Es ist uns erst viel später klar geworden, wie viel Freiheit es bedeutet, hier aufzuwachsen.“ Nach der Schulzeit suchen beide Distanz zur Insel, wollen sich ausprobieren und Neues entdecken. Florian studiert Betriebswirtschaftlehre in Kiel. Danach arbeitet er zwei Jahre bei einem Softwareunternehmen in Dublin, bevor er mit seiner Freundin nach Hamburg zieht. Über Julias Werdegang, die heute auf Norderney eine Praxis für Ernährungsberatung und Gesundheitscoaching betreibt, haben wir schon einmal ausführlich berichtet. Nach verschiedenen Ausbildungsstationen, unter anderem in Münster, landet auch sie mit ihrem Freund in der Millionenstadt Hamburg. Als bei beiden Geschwistern Nachwuchs ansteht, stellt sich die Frage nach dem zukünftigen Lebensmittelpunkt. „Da haben wir uns an die vielen Vorteile des Insellebens erinnert - und sind zurückgekehrt.“ Die kurzen Wege, das enge soziale Miteinander, ein Gefühl von Geborgenheit. Dazu die touristische Infrastruktur und häufig flexiblere Möglichkeiten der Arbeitseinteilung. Julia und Florian haben sich auf der Insel schnell wieder eingewöhnt und genießen das Mehr an Zeit mit ihren Kindern und die vertraute Umgebung. „Das finde ich gerade so toll hier - egal wie lange du weg warst und du kommst dann zurück und jeder zweite auf der Straße erkennt dich und grüßt - dann weißt du, wo du hingehörst, das sind deine Homies, deine Herde.“ Ein schönes Resümee für den Enkel einer einst aus Pommern geflüchteten Großmutter.
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Foto. Carsten Muecke
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quartier. ahoi! norderney
Florian Ristow, der auf Norderney als Makler für Gewerbeimmobilien bei Engel & Völkers arbeitet, hat seine inzwischen verstorbene Großmutter noch gut kennengelernt. „Wir hatten immer einen sehr engen Draht - und sie hat mir viel von früher erzählt.“ Charlotte Ristow wird 1913 in Greifenhagen in Westpommern geboren, dem heutigen Gryfino südlich von Stettin. Als in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs die Ostfront näher rückt, entscheidet sie sich aus Angst vor Gewalt und Verfolgung nach Westen zu flüchten - zu ihrem Mann, der zu diesem Zeitpunkt als Soldat bei einer Luftabwehreinheit an der ostfriesischen Küste stationiert ist. „Oma hatte inmitten der Kriegswirren zunächst meinen Onkel und später meinen Vater zur Welt gebracht und war dann wochenlang mit den Kleinkindern unterwegs - über weite Strecken zu Fuß. Zwischendurch ist sie auch noch an Typhus erkrankt, aber irgendwie hat sie es am Ende geschafft“, erzählt Florian. Als sein Großvater Herbert Ristow nach dem Krieg eine Stelle als Lehrer annimmt und nach Norderney versetzt wird, zieht die Familie mit zwei Kindern auf die Insel. Charlotte Ristow versucht unabhängig von ihrem Mann auf Norderney Fuß zu fassen und eröffnet Anfang der 1950er Jahre in der Heinrichstraße eine Pension. „Sie hat sich damals als Frau und ‚Geflüchtete‘ gegen alle Vorurteile und Widerstände durchgesetzt.“ Noch im fortgeschrittenen Alter wagt sie sich gemeinsam mit Florians Vater Holger Ristow an ein Neubauprojekt - das heutige Appartementhaus Ristow. „Mit ihrer Mischung aus Energie, Leidenschaft und Herzlichkeit hat Oma hier für uns alle einen wichtigen Grundstein gelegt.“