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Familie Leben
FAMILIENGESCHICHTEN
„Familie ist für mich der Sinn des Lebens!“
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Längst nicht mehr ungewohnt, sind die sogenannten „neuen Familienmodelle mit Migrationshintergrund“, auch nicht hier in Südtirol, wobei unter dem oft negativ angehauchten Begriff „Migration“ laut Wikipedia, eigentlich einzig, (…) „eine auf Dauer angelegte räumliche Veränderung des Lebensmittelpunktes einer oder mehrerer Personen“ zu verstehen ist. Migration, die über Landesgrenzen hinweg erfolgt, wird als internationale Migration bezeichnet.
Dennoch erleben wir täglich spannende, schöne, bewegende, eben menschliche Geschichten, die das Leben in uns und unseren Familienkonstellationen, schreibt. Familie im besten Wortsinn als Nestwärme, als kleinste Zelle, erste und engste Form des Vertrauens, als ein Ort, wo man sein darf, wie man ist und dafür auch noch das Gefühl erhält, geliebt zu werden. DAS ist für mich persönlich „Familie“.
Familiengeschichten, die das Leben und die Liebe schreiben…
Martins Mutter ist Deutsche, der Vater Südtiroler und er ist der Jüngste von 3 Buben. Azusas Eltern sind japanisch, sie ist die mittlere von 3 Mädchen. „Kennengelernt haben wir uns im Jahr 2000 in Florenz auf einem Fortbildungskurs für Goldschmiedehandwerk und ja, es hat tatsächlich bei uns beiden sofort „gefunkt… Liebe auf den ersten Blick, sozusagen!“, erinnert sich Martin gern. Nach der Hochzeit (2009) im Plarser Kirchl (Algund), kamen die Mädchen Rosa Kotoha (2011) und Bianca Wakana (2017) zur Welt. Der kombinierte Familiennamen Fukawa-Pechlaner verbindet die beiden Kulturkreise namentlich. Für dieses FiS-Interview haben wir Martin interviewt.
Fotos © Privat
Martin (50) und Azusa (45), beide Goldschmiedemeister, leben mit ihren Mädchen Rosa Kotoha (11) und Bianca Wakana (5) in Algund. In regelmäßigen Abständen reist Azusa mit ihren Töchtern für 2 Monate nachhause zur Ursprungsfamilie in ihren japanischen Geburtsort, in der Nähe von Tokyo.
Fotos © Privat

von links: Stephan Pechlaner mit Max, Evelyn Braun, Kotoko Fukawa, Hans, Martin und Hanspeter Pechlaner, Azusa und Junko Fukawa, Karin Telser, Hannelore Jochim, Masaru und Sayaka Fukawa. vorne: Sophie und Kanna Fukawa
Wie werden die Brücken zwischen Japan und Südtirol geschlagen?
Martin: Die geographischen Brücken zwischen Italien und Japan werden geschlagen, indem Azusa mit den Mädls ein bis zwei Monate im Jahr nach Japan fährt, wobei es in letzter Zeit pandemiebedingt etwas problematisch war. Derzeit sind sie auch wieder drüben, um vor allem die Kontakte zur Großfamilie zu pflegen...
Wie kommst du mit der Situation klar, wenn deine Familie in Japan ist?
Martin: Ich komme eigentlich relativ gut klar, habe hier meine Arbeit. Klar, die Kinder und die Frau, die fehlen mir, es ist ruhig in der Wohnung, aber ich weiß ja, dass sie in absehbarer Zeit wiederkommen und das ist das Wichtigste!
Wie hast du deinen 1. Aufenthalt in Japan bei Azusas Familie erlebt?
Martin: Ich war 2004 erstmals für 20 Tage in Japan. Es war richtig cool, ein toller Kulturaustausch, ein wunderbares Erlebnis. Die Leute dort verkörpern in ihrem Wesen, ihrer Art, tatsächlich das bekannte „Land des Lächelns“.
Habt ihr hier in Südtirol jemals rassistisch und diskriminierende Erfahrungen gemacht?
Martin: Nein, wir haben niemals rassistische Erfahrungen gemacht. Ganz im Gegenteil. Von allen Kollegen, den Freunden und auch von den Leuten im Dorf wurde meine Frau von Anfang an liebevoll akzeptiert und als wahre Bereicherung behandelt. Allerdings geht man in manchen Südtiroler Geschäften unerklärlicherweise oft unfreundlich mit ihr um.
Was sind die größten Herausforderungen eurer Familienkonstellation?
Martin: Da gibt es keine besonderen oder großen Herausforderungen: Wir sind Familie, leben als Familie, schauen, Spaß zu haben und unseren Kindern was beizubringen. Ohne großen Stress!
Gilt es die kulturellen Unterschiede zu übertauchen?
Martin: Die kulturellen Unterschiede müssen eigentlich nicht übertaucht, oder übersprungen werden, sondern werden verbunden!
Was kommt bei Euch auf den Tisch?
Martin: Wir essen ziemlich weltoffen, viel asiatisch aber auch italienische und südtiroler Küche. Je nach Gericht, mit Stäbchen oder Messer und Gabel. Der Löffel wird immer verwendet!

Martin ist leidenschaftlicher Musiker (u.a. MK Algund, Mitglied im Orchester der Meraner Musikfreunde etc.). Rosa Kotoha spielt Schlagzeug, Bianca Wakana hat eine wunderschöne Singstimme. Die Goldschmiedin Azusa Fukawa (derzeit bei ihrer Familie in Japan) meistert den Spagat zwischen Familie und Beruf vorbildlich.

Und wie schafft ihr die Brücke von hier nach Japan?
Martin: Einmal im Jahr mit dem Flugzeug, ansonsten einmal die Woche, 2-3 Mal im Monat mindestens mittels Social Media, sodass die Kinder mit ihren Großeltern in Japan immer in Kontakt bleiben.
Wie macht ihr das mit der Erziehung, der Sprache?
Martin: Prinzipiell spricht bei uns zuhause meine Frau mit den Kindern Japanisch, ich spreche mit ihnen Deutsch und Azusa und ich kommunizieren in Italienisch. Das ergibt auch für die Kinder einen guten Drei-Sprachenmix! Wenn sie in Japan sind, genießen sie die Abwechslung, mit allen Leuten in Kontakt zu treten, lernen hauptsächlich die Sprache. Rosa, unsere Große, geht dort derzeit zur Volksschule, identisch wie hier in Algund, und auf jeden Fall haben sie auch dort viel Familie, viele Freunde, viel Spaß und genießen es richtig! Das sehe und spüre ich bei jedem Anruf und Austausch, den wir auch in diesen zwei Monaten regelmäßig haben.
Würdest du gerne nach Japan ziehen?
Martin: Naja, eigentlich zum Leben nicht, denn das Leben, das Arbeitsleben in Japan, ist viel stressiger als hier bei uns. Wenn es sein müsste, sollte, wegen der Familie oder so, dann wäre das auch kein Problem – dann würde ich es schon schaffen. Aber uns geht’s hier in Südtirol wirklich sehr gut, wir sind hier akzeptiert, die Kinder, sei es in der Schule, sei es im Kindergarten, haben jede Menge Freunde. Wir fühlen uns glücklich hier.
Danke für das Gespräch.
INTERVIEW: BEATRIX UNTERHOFER