Bücher 04/2013

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Foto: Augsburger Puppenkiste

Spezial Kinder & Jugend

men, sowie die hervorragende Besetzung der Rollen macht dieses Hörspiel zu einem eigenständigen, hörenswerten Stück. Ebenfalls vom WDR produziert, wenngleich weniger mitreißend, sind die Hotzenplotz-Hörspiele (3). Hausmannskost im Vergleich zur Jim-Knopf-Vertonung. Alle Zutaten stimmen, ebenso die Zubereitung. Gute Stimmen, gute Geräusche und Musik, ein Stück nah an Preußlers großartiger Vorlage – und doch. Etwas fehlt. Vielleicht weil Alexander Wipprecht als Kasperl und Dustin Semmelrogge als Seppel zu glatt klingen, vielleicht weil Michael Mendl als Hotzenplotz zwar grimmig, aber nicht so richtig „hotzenplotzig“ klingt. Die Hörspiele für sich genommen sind gut, keine Frage. Aber mit dem Jim Knopf und vor allem mit der gelesenen Hotzenplotz-Fassung von Armin Rohde (4) kann dieser HörspielDreiteiler einfach nicht mithalten. Wenn Hotzenplotz, dann Rohde. Ohne Einschränkung. Wie er dem berühmten Räuber, dem Kasperl und dem Seppl, aber auch deren Großmutter und nicht zuletzt dem großen und bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann Stimme und Charakter verleiht, ist – Achtung, Superlativ – grandios. Grandios auch, weil Rohde als Leser (noch) nicht inflationär in diesem Hörbuch und jenem Hörspiel zu vernehmen ist. Grandios aber vor allem, weil Rohde es gelingt, den Kinderbuchklassiker „Hotzenplotz“ so frisch zu interpretieren, als hätte Preußler ihn erst jüngst geschrieben. Hut ab, Rohde. Hut ab, Hotzenplotz. Und danke, Otfried Preußler, für die vielen, schönen Kinderbücher, die Sie uns zu Ihren Lebzeiten geschenkt haben. Zwei andere Große der deutschsprachigen Kinderliteratur, die der Augsburger Puppenkiste gleich mehrfach unvergessene Figuren und Geschichten ins TV-Repertoire schrieben, sind Paul Maar und Max Kruse. Eine tiefe Verbeugung vor dem Vierteiler, den die ARD 1969 in ihrem Vorweihnachtsprogramm ausstrahlte, und eine wahre Ohren-Augsburger-Puppenkiste ist Dirk Bachs Lesung von „Urmel aus dem Eis“ (5). Augen zu, Vorhang auf. Dirk Bach liest mit viel Gefühl, Witz und Puppenkisten-Tonfall. Zwischen den Kapiteln erklingt das Urmel-Lied in einer modernen Instrumentalfassung. Erdacht hat das Urmel exklusiv für die Augsburger Puppenkiste Max Kruse. Ein keckes Dinosaurierkind ohne Arg, das der etwas tumbe König Pumponell für den Zoo seines Landes einfangen will. Wie Professor Habakuk Tibatong, Tim Tintenklecks und die sprechenden Tiere der Insel Titiwu dem Pumponell an der (Holz-)Nase herumführen und das Urmel retten, ist vielleicht der klas4·2013

sischste Klassiker der Augsburger Puppenkiste. Ähnlich populär wie das Urmel ist das Sams, dessen Bildschirmkarriere 1977 bei der Augsburger Puppenkiste begann, und das es seitdem sogar auf die Kinoleinwand geschafft hat. Noch vor seiner TV-Premiere beglückte das Sams die Kinder bereits im Hörspiel. 1973 vertonte Regisseur Kurt Vethake Paul Maars Buch „Eine Woche voller Samstage“. Ein Hörspiel, das im Gegensatz zu anderen VethakeHörspielen, die heute verstaubt klingen, immer noch durch Frische und Qualität überzeugt. Die weiteren Folgen des Sams inszenierte Michael Orth. Und auch für sie gilt: Es ist ein Spaß, sie zu hören (6). Mitreißend spricht Stefan Kaminski „Die Opodeldoks“ (7), von Paul Maar und Sepp Strubel verfasst, wiederum speziell für die Puppenkiste. Sepp Strubel brachte das Stück zudem als Regisseur 1980 ins Fernsehen. Auch wenn man sich an Kaminski und seine Art (das lebende, vielstimmige Ein-Mann-Hörspiel) mittlerweile über-hört hat, so gilt „seinen“ Opodeldoks doch das Prädikat besser geht’s nicht, höchstens anders. Dass man Kaminski mittlerweile so oft zu hören bekommt, dass es einem bisweilen zu oft vorkommt, liegt an seiner immer wieder beeindruckenden Vielfältigkeit. Ein Fluch seines einmaligen Talents: ein Mann, ein Hörspiel. Es wäre unfair, an dieser Stelle dem „Stimmmorpher“ ein grandios zu verwehren, nur weil sein Talent inflationär zum Einsatz kommt. Bei den Opodeldoks zeigt sich Kaminski in Höchstform. Und – Klischee hin, Klischee her – er bietet Kino für die Ohren. Die 153 Minuten Lesung vergehen wie im Fluge, ein kurzweiliges Vergnügen für Hörer aller Altersgruppen. Der Fluch des Vergleichs ereilt Wolfgang Völz‘ Lesung des „Kleiner König Kalle Wirsch“ (8). Im Konzert mit Dirk Bach, Stefan Kaminski und Armin Rohde klingt sein Vorlesen schwach. Ja, er ist ein toller, brummiger Kalle Wirsch. Schließlich brummt er auch als Käpt‘n Blaubär sehr überzeugend. Aber die Wandlungsfähigkeit der genannten Kollegen besitzt er nicht. Und so fällt „Kleiner König Kalle Wirsch“ schwächer aus als die Lesungen der drei anderen Augsburger-Puppenkisten-Klassiker. 1970 machte sich der kleine König der Erdmännchen gemeinsam mit der klugen Fledermaus Tutulla und den Menschenkindern Max und Jenny auf die gefahrvolle Reise, seinen Thron zu retten und den hinterhältigen Zoppo Trump zu besiegen. Kalle Wirsch hat viele Fans seit jener Zeit. Wie die Augsburger Puppenkiste überhaupt.

Otfried PreuSSler

04·13 Grandios buecher-magazin.de

Die Räuber-Hotzenplotz-Edition (4) (4,6)

Der Audio Verlag, ungekürzte Lesung, 384 Minuten/6 CDs, 29,99 Euro

Max Kruse

Urmel aus dem Eis (5) (3,95)

Patmos, ungekürzte Lesung, 151 Minuten/2 CDs, 14,95 Euro

Paul Maar

Die große Sams Hörspielbox (6) (3,95)

Oetinger Audio, Hörspiel, 314 Minuten/6 CDs, 19,95 Euro

Paul Maar/Sepp Strubel

Die Opodeldoks (7)

04·13 Grandios buecher-magazin.de

(4,55)

Oetinger Audio, ungekürzte Lesung, 153 Minuten/2 CDs, 13,95 Euro

Tilde Michels

Kleiner König Kalle Wirsch (8) (3,35)

Hörcompany, ungekürzte Lesung, 191 Minuten/3 CDs, 10,00 Euro

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