Beton und Stahlbetonbau 01/2016 free sample copy

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F. Fingerloos, J. Hegger: Erläuterungen zur Änderung des deutschen Nationalen Anhangs zu Eurocode 2 (DIN EN 1992-1-1/NA/A1:2015-12)

Langsam oder sehr langsam erhärtende Betone mit 28-Tage-Endfestigkeiten sind heute de facto in vielen Regionen nicht mehr am Markt verfügbar. Sie werden praktisch nur noch bei massigen Bauteilen nach der DAfStb-Richtlinie „Massige Bauteile aus Beton“ [19] (mit h > 0,80 m) und in der Regel unter gesonderter Vereinbarung des Nachweises der Betondruckfestigkeit mit einem späteren Prüfalter von 56 oder 91 Tagen verwendet. Aus der spezifischen Sicht der Transportbetonindustrie ist es für die Betonlieferanten sinnvoll, bei Ausschreibungen mit oben genanntem Hinweis der Tragwerksplaner (0,50fctm nach 5 Tagen) nur Beton auszuwählen, bei dessen Herstellung ein Zementtyp 32,5 N (Klasse S) verwendet wird und bei dem der Druckfestigkeitsnachweis nach 91 Tagen erfolgt (mit r < 0,30, vgl. BTB-Praxis-Tipp [12]). Allerdings wird in vielen Lieferwerken CEM 32,5 N nicht mehr standardmäßig vorgehalten. Außerdem ist der lange 91-Tage-Zeitraum für viele Bauvorhaben nicht akzeptabel. Wenn von Transportbetonwerken doch langsam und sehr langsam erhärtende Betone mit Nachweisen der Betondruckfestigkeit später als nach 28 Tagen angeboten werden, ist bei Verwendung solcher Betone eine besondere Vereinbarung erforderlich. Dabei sind die Vorgaben der M-LTB, Teil I [20], Anlage 2.3/1 zur Anwendung eines von 28 Tagen abweichenden Prüfalters zu beachten. Für die Auswahl einer geeigneten Betonsorte kann in Bezug auf die Begrenzung der Betonzugfestigkeit näherungsweise weiterhin auf die Druckfestigkeitsentwicklung abgestellt werden (r-Werte). Hierbei wird die unterschiedliche Entwicklung von Druck- und Zugfestigkeit vernachlässigt. Dieser Ansatz ist mit Blick auf die Streuungen der Festigkeitswerte und die sonstigen teilweise groben Annahmen im Rechenmodell ausreichend genau. Ein expliziter Nachweis der Betonzugfestigkeit nach drei oder fünf Tagen ist nicht notwendig. Was soll der Tragwerksplaner aber nun annehmen? Wenn die Festlegung der Rissbildung nur infolge „frühen Zwangs“ nach sorgfältiger Abwägung beibehalten wird und (noch) keine genaueren Angaben über die Festigkeitsentwicklung des Betons vorliegen, sollte vom Tragwerksplaner ein heutzutage üblicher Beton mit mittlerer Festigkeitsentwicklung (statt langsamer oder sehr langsamer) angenommen werden. Berücksichtigt man noch die gegenüber der Druckfestigkeit schnellere frühe Zugfestigkeitsentwicklung, können als rechnerische Anhaltswerte für die frühe Betonzugfestigkeit fct,eff = fctm(t) – nach 3 Tagen ca. fct,eff = 0,65fctm, – nach 5 Tagen ca. fct,eff = 0,75fctm und – nach 7 Tagen ca. fct,eff = 0,85fctm für „übliche“ Betone mit mittlerer Festigkeitsentwicklung empfohlen werden. Dabei ist fctm der 28-Tage-Normwert der Zugfestigkeit. Ähnliche Empfehlungen wurden schon in den Erläuterungen zur WU-Richtlinie gegeben [11]. Je 6

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dicker die Bauteile, umso länger dauert das Abfließen der Hydratationswärme (vereinfacht: Bauteildicke h ≤ 0,30 m etwa 3 Tage und h > 0,80 m etwa 7 Tage und länger). Außen- und Frischbetontemperaturen sowie die Verweildauer in der Schalung beeinflussen den Hydratationsund Erhärtungsverlauf ebenfalls. Bei langsam erhärtendem Beton können diese Anhaltswerte etwa um 0,15fctm reduziert, bei schnell erhärtendem Beton sollten sie um etwa 0,15fctm vergrößert werden. Im derzeit in Überarbeitung befindlichen zukünftigen DBV-Merkblatt „Rissbildung“ werden vergleichbare Empfehlungen aufgenommen. Die Informationen des Tragwerksplaners über seine Annahmen in der Ausschreibung bzw. in bautechnischen Unterlagen an die ausführenden Bauunternehmen sind weiterhin erforderlich. Sie sollten in allgemeinerer Form auf die Annahme des „frühen“ oder „späten Zwangs“ und auf die vorausgesetzte (in der Regel mittlere) Festigkeitsentwicklung des Betons hinweisen. Wichtig ist nach wie vor, dass die Annahmen des Tragwerksplaners für das Bauunternehmen als Bieter in der Ausschreibung klar erkennbar mitgeteilt und die betroffenen Bauteile explizit in der Ausschreibung erwähnt werden. Eine optimale Lösung ist durch möglichst frühzeitige Kommunikation mit allen am Bau Beteiligten zu erreichen. Bei entsprechendem Vorlauf und Abstimmung geeigneter betontechnischer und ausführungstechnischer Maßnahmen sind dann auch weiterhin deutlich reduzierte Ansätze zur frühen Betonzugfestigkeit (z. B. 0,50fctm) oder zu einer nachgewiesenen reduzierten Zwangsschnittgröße möglich, die eine wirtschaftlichere Rissbreitenbegrenzung rechtfertigen. Der Nationale Anhang zu DIN EN 1992-2 Betonbrücken [21] ist von der A1-Änderung [1] nicht betroffen. Dort wird auch weiterhin bei Fehlen eines genaueren Nachweises die Annahme 0,50fctm für fct,eff beibehalten. Dabei wird jedoch die Festigkeitsentwicklung des Betons direkt begrenzt (im Sinne von [17]). Vorgeschrieben wird Beton mit langsamer Festigkeitsentwicklung bei sommerlichen und mit mittlerer Festigkeitsentwicklung bei winterlichen Bedingungen auf Basis der genormten r-Werte. Dies ist auf den Ausführungsplänen anzugeben. Zur Erreichung dieser Festigkeitsentwicklung darf bei Beton der Festigkeitsklasse ≥ C30/37 der Zeitpunkt zum Nachweis der Festigkeitsklasse auf einen späteren Zeitpunkt (z. B. 56 Tage) vereinbart werden. In [21] wird auch darauf hingewiesen, dass die Betonzugfestigkeit fct,eff entsprechend zu erhöhen ist, wenn eine schnellere Festigkeitsentwicklung im Bauablauf notwendig wird. Im Brücken- und Ingenieurbau werden außerdem weniger Betonsorten verwendet als im üblichen Hochbau. Hinzu kommen besondere konstruktive Festlegungen in der ZTV-ING [23] (z. B. Fugenanordnung). Die Ausführungsplanung erfolgt im Brückenbau regelmäßig nach der Ausschreibung durch das Bauunternehmen selbst oder


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