Ernst & Sohn Sonderheft Gebäudebegrünung 2019

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Gebäudebegrünung

Ernst & Sohn Special April 2019 A 61029

–  Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung zur Verbesserung unserer Lebensqualität –  Substanzieller Teil des Entwurfskonzeptes – Wie Konzepte zur

Gebäudebegrünung als integraler Bestandteil des architektonischen Entwurfs die Stadtluft wieder frei machen   Ökologische Nischen mit eigenem Mikroklima   Ein Stück Natur auf den Dächern der Stadt – Neuer Lebensraum für Flora und Fauna durch Biodiversitätsdach   Dachbegrünung 4.0 – Über vier Systeme für die Zukunft der Städte   Betriebshöfe mit vorbildlichem Regenwasserkonzept   Neues urbanes Grün – Freistehende Vertikalbegrünung für das Stadtklima

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Innovative Fassadentechnik 2019 Die Fassade bildet die Schnittstelle zwischen der Umwelt und den Nutzern eines Bauwerks. Aufgabe einer modernen HighTech-Fassade ist es, die äußeren Einwirkungen so zu regulieren, dass die bauphysikalischen Anforderungen im Innenraum der jeweiligen Nutzung entsprechen. Auch Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz müssen sichergestellt werden und dies natürlich ohne dabei Abstriche beim Nutzerkomfort und den ästhetischen Ansprüchen an das „Gesicht“ der Fassade machen zu müssen.

Hrsg.: Ernst & Sohn Innovative Fassadentechnik I/2019 2019 · 100 Seiten € 25,–* Bestell-Nr.: 2134 1905

Aktuelle Entwicklungen zur Gestaltung und technischen Ausrüstung von Gebäudehüllen sowie neue Produkte zur Steigerung der Energieeffizienz der Fassade sind Thema der Ausgabe 1/2019 des Ernst & Sohn Sonderheftes Innovative Fassadentechnik (u. a. reaktive und lernfähige Gebäudehüllen, dynamische Verglasung, dynamische Tageslichtnutzung, Textile Architektur, Fassadenbegrünung, neue Materialien für moderne Gebäudehüllen). Anhand von Best-Practice Beispielen wird demonstriert wie dank innovativer Materialien, Konzepte und Strukturen nachhaltige Gebäudehüllen entstehen, die sowohl den aktuellen Ansprüchen an technischer Funktion und Fassadenintelligenz genügen und gleichzeitig bestehende formale und ästhetische Anforderungen zeitgenössischer Architektur erfüllen. Das im April 2019 erscheinende Sonderheft „Innovative Fassadentechnik“ aus dem Verlag Ernst & Sohn informiert u.a. über statische und dynamische Fassadenkonzepte, Gebäudehüllen aus Glas, Beton und Mauerwerk, fassadenintegrierte PV und Lüftungstechnik, Fassadenbegrünungen, Sonnenschutzelemente u.v.m. Darüber hinaus sind auch traditionelle ein- und mehrschichtige Fassadenkonstruktionen, WDVS und VHF aus konventionellen Materialien Themen im Sonderheft. Beiträge über neue Richtlinien, innovative Materialentwicklungen sowie aktuelle Produkt- und Objektberichte von marktteilnehmenden Unternehmen runden den Fachteil wie gewohnt ab.

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Editorial

Gebäudebegrünung – vorhandenes Potenzial nutzen!

Der Klimawandel mit seinen Begleiterscheinungen wie Extremniederschläge und Überhitzung der Städte, der demografische Wandel mit immer mehr und älter werdenden Menschen in den Städten und nicht zuletzt die Flächenknappheit zwingen uns zum Umdenken und Handeln. Die Nachverdichtung (moderater ausgedrückt die „Qualifizierung von bestehenden Flächen“), also die Nutzung freier Flächen in bereits bestehender Bebauung ist ein möglicher Lösungsweg. Und auf den ersten Blick erscheint dieser auch nachhaltig, da bereits vorhandene institutionelle und städtebauliche Infrastruktur und Erschließungen wie Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Straßen, Strom-, Wasser-, Telefonleitungen genutzt werden können, doch was wieder und noch mehr auf der Strecke bleibt, sind begrünte Freiräume. Noch dichter bauen, noch weniger Natur(kreisläufe)? Wo soll das Niederschlagswasser hin? Wo sind die Pflanzen, die es über den Boden aufnehmen und wieder verdunsten und uns damit ein angenehmeres Klima verschaffen, den Insekten einen Lebensraum und uns Naherholungsflächen geben? Wir brauchen lebendiges Grün, auch in der Stadt! Begrünte Fassaden binden Feinstaub, mindern den Straßenlärm und verbessern das Kleinklima. Begrünte Dächer sind riesige Retentionsflächen, halten 70–90 % des Jahresniederschlags zurück, verdunsten und kühlen, wirken zudem als Wärmedämmung und Hitzeschutz und bieten Kleinlebewesen Rückzugsflächen und Lebensräume. Und in den Gebäuden, wo wir die meiste Zeit unseres Lebens verbringen, sorgen Innenraumbegrünungen für ein entspanntes und ruhiges Raumklima. Wir haben ein enormes Flächenpotenzial an Gebäudeflächen (Dächer, Fassaden, Innenräume), die noch ungenutzt sind und begrünt werden könnten. Derzeit werden deutschlandweit pro Jahr ca. 8 Mio. m2 Dachfläche begrünt. Auch wenn sich das vielleicht erst einmal nach viel anhört, so ist dies nur ein kleiner Teil der jährlich entstehenden 80.000.000 m2 Flachdach. Das Potenzial von möglichen Fassadenbegrünungen ist noch gar nicht wirklich be-

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ziffert worden. Wir vom Bundesverband GebäudeGrün wollen in unserem „BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2019“ auf solche und weitere Zahlen, Daten, Fakten zum Markt der Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung eingehen. Der voraussichtlich im September erscheinende Marktreport beleuchtet zudem den Stand der Förderung von Gebäudebegrünungen in den 190 größten Städten Deutschlands, veröffentlicht erstmals eine „Gründach-Bundesliga“ und lässt Branchenexperten zu Wort kommen. Wir haben uns für dieses Jahr darüber hinaus noch einiges mehr vorgenommen: Verschiedene BuGG-Fachinformationen, wie beispielsweise „Kombination Dachbegrünung und Photovoltaik“, „Biodiversitätsgründach“ und „Dachsubstrate“, erstmals eine „BuGG-Kosten-Nutzen-Betrachtung Dachbegrünung“, gemeinsam mit der FLL-Service GmbH die Kommentierung der FLL-Dachbegrünungsrichtlinien und die Überarbeitung des „Leitfaden Dachbegrünung Gewerkeübergang“. Eine Vielzahl an Veranstaltungen ergänzen unsere Schriften. Neben der bewährten Reihe „BuGG-GründachForum“, die im Herbst in Bremen, Erfurt, Ingelheim, Saarbrücken, Würzburg, Wuppertal und auf der Insel Mainau stattfinden werden, dem 2. BuGG-Innenraumbegrünungssymposium am 07.11.2019 in Frankfurt a. M. und dem 11. BuGG-Fassadenbegrünungssymposium am 21.11.2019 in Düsseldorf, wird es vier neue Formate geben: „BuGGFassadengrün-Forum“ (in Dresden, Karlsruhe, München), „BuGG-Gründachwelten. Natur, Sport und Spiel“ (in Berlin, Germering, Frankfurt), „BuGG-Städtedialog Gebäudegrün“ (in Berlin) und den „BuGG-Tag der Forschung und Lehre Gebäudegrün“ (in Würzburg). Und wir denken auch schon ein Jahr weiter und haben mit den Vorbereitungen zu Deutschlands (und vielleicht weltweit) größten Event zur Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung begonnen: dem Weltkongress Gebäudegrün 2020, der vom 16.–18. Juni 2020 wieder in Berlin stattfinden wird. Machen Sie mit, nutzen und begrünen Sie Ihre Dächer, Fassaden und Innenräume! Und tragen Sie damit zum Arten-, Klima- und Überflutungsschutz bei und geben uns eine lebenswerte Stadt! Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

Dr. Gunter Mann Präsident Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG)

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Inhalt

Gerade in städtischen Räumen erfordert die zunehmende Bebauung und die damit verbundene Bodenversiegelung die Schaffung neuer, natürlicher Ausgleichsflächen. Die Begrünung von Dachflächen ist hier die erste Wahl, denn sie schafft genau dort wieder grün, wo es durch Überbauung verloren gegangen ist. So entstehen wertvolle ökologische Nischen mit eigenem Mikroklima, daneben schafft ein begrüntes Dach auch echten Mehrwert für das Haus und seine Bewohner. Ein gesundes Pflanzenwachstum benötigt dabei ein leistungsstarkes, multifunktionales Substrat. Liadrain aus gebrochenem Blähton hat sich hier seit vielen Jahren in der Praxis bewährt. Immer optimal abgestimmt auf die gewünschte Vegetation sowie auf die Statik des Dachaufbaus lassen sich mit Liadrain individuell sowohl flache als auch geneigte Dächer begrünen. (Foto: Liapor und Optigrün, s. Bericht S. 16 ff.)

Special 2019 Gebäudebegrünung

EDITORIAL   3

Gunter Mann Gebäudebegrünung – vorhandenes Potenzial nutzen!

DIE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE DIMENSION   5 Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung zur Verbesserung unserer Lebensqualität DAS BESONDERE PROJEKT   9

Oliver G. Hamm Substanzieller Teil des Entwurfskonzeptes

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Die Stadt der Zukunft ist grün und steht nicht in Europa

AUS DER PRAXIS 16

Ökologische Nischen mit eigenem Mikroklima

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Ein Stück Natur auf den Dächern der Stadt

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Dachbegrünung 4.0

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Grünes Vorbild Kommune

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Grüne Fassaden für nachhaltiges Bauen

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MoosTex: Aktive Bewässerung regelt den Feinstaub-Hunger der Mooswände

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Nachhaltig währt am längsten

DACHBEGRÜNUNG UND REGENWASSER 31

Klaus W. König Betriebshöfe mit vorbildlichem Regenwasserkonzept

AUS DER FORSCHUNG Ernst & Sohn Special 2019 Gebäudebegrünung A61029 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG Rotherstraße 21 D-10245 Berlin Telefon: (030) 4 70 31-200 Fax: (030) 4 70 31-270 info@ernst-und-sohn.de www.ernst-und-sohn.de

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Bernd Eisenberg, Friederike Well, Ferdinand Ludwig Neues urbanes Grün – Freistehende Vertikalbegrünung für das Stadtklima

INNENBEGRÜNUNG 41

Besseres Raum- und Arbeitsklima dank Grünpflanzen

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Workshops zur Innenraumbegrünung und Hydrokultur

LESETIPP 42

Lasst grünen!

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Impressum

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Die gesellschaftspolitische Dimension

Bild 1.  Vielfältige Möglichkeiten der Gebäudebegrünung

Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung zur Verbesserung unserer Lebensqualität Täglich wird in Deutschland die Fläche von ca. 70 ha Natur versiegelt. Die Hälfte dieser Flächen verschwindet langfristig aus dem natürlichen Wasserkreislauf. Neben dem Flächenverbrauch durch Städtewachstum zwingen uns Klimawandel (Urban Heat Island Effect und Extrem-Regenereignisse), Artenschwund (Insektensterben) und auch Bevölkerungsentwicklung (immer älter werdende Bevölkerung) zum Umdenken und Handeln. Immer mehr Menschen drängen (zurück) in die Städte, die Forderungen nach mehr und bezahlbaren Wohnraum werden lauter, doch woher nehmen? Weitere Naturflächen überbauen? Nachverdichten? Doch wo bleiben die lebenswichtigen Grünflächen? Die urbanen Hitzeeffekte werden durch die Sonne, dunkle Gebäude und Straßen, versiegelten Oberflächen und dem schnell abfließenden Regenwasser verursacht. Ohne Pflanzen fehlen Evapotranspiration und damit verbunden die Verdunstungskühlung. Die Temperatur in Städten ist 1–3 °C höher als im Umland. Die Menschen brauDie Menschen brauchen schnell erreichchen schnell erreichbare Grünflächen in ihrer unmittelbaren bare Grünflächen in Umgebung zum Leben, zur Regeneration, zur Erholungen, zu Sport und Spiel. Zudem ihrer unmittelbaren machen Grünflächen Wohnquartiere leUmgebung zum Lebenswerter und attraktiver. Noch mehr und ben, zur Regeneration, noch dichter bauen heißt nach Lösungen zu zur Erholungen, zu schauen, die dennoch ausreichend Grün­ Sport und Spiel. Zuflächen für Mensch und Tieren schaffen. dem machen Grünflächen Wohnquartiere lebenswerter und attraktiver. Noch mehr und noch dichter bauen heißt nach Lösungen zu schauen, die dennoch ausreichend Grünflächen für Mensch und Tieren schaffen. Hierfür bieten sich aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse in der Stadt vorrangig Dach-, Fassaden- und auch Innenraumbegrünungen an.

–i– Die Rolle begrünter Dächer. Artenvielfalt, Ausgleichflächen, Trittsteinbiotope Dachbegrünungen können aufgrund ihrer vielen Möglichkeiten (von Leichtdach- bis zu Tiefgaragenbegrünung) grundsätzlich überall eingesetzt werden. Sie verbinden Dach- als auch bodenständige Stadtbiotope. Wichtig ist die flächendeckende Begrünung möglichst vieler Dächer, die

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auch Tiefgaragen mit einschließen. Mit einfachen, kostengünstigen Mitteln lassen sich ökologisch hochwertige extensive Dachbegrünung herstellen, wie der Autor schon 1998 in seiner Dissertation dargelegt hat: –– Abweichend vom Basis-Gründachaufbau mit 10 cm Gesamthöhe, kann das Dachsubstrat in Teilbereichen um 5–25 cm erhöht werden. Damit wird höheren Stauden und trockenheitsverträglichen Gehölzen das Überleben ermöglichen – und damit frost- und trockenheitsempfindlichen Bodentierarten Rückzugsmöglichkeiten für ein dauerhaftes Überleben angeboten. –– Pflanzenverwendung nach spezieller Artenliste, beispielsweise nach Blütenfarbe und Blühzeitraum, um Angebot und Blühzeitraum zu verlängern. –– Kies-, Splitt- und Sandbereiche in verschiedenen Formen und Korngrößen. –– Temporäre Wasserflächen als Blickfang und Insektentränke und dauerhafte Teiche, die vielen Vögeln als Tränke dienen und zu einer größeren Artenvielfalt auf dem Dach beitragen. –– Wurzelstöcke und Totholz als Gestaltungselemente und Nisthilfe für Wildbienen.

– ii – Dachbegrünung als wichtiger Bestandteil der Regenwasserbewirtschaftung Die Kanalisation ist in fast allen Städten veraltet und unterdimensioniert. Investitionen und Erweiterungen im bestehenden System sind sehr kostenintensiv und werden deshalb vermieden. Die kostengünstigere Lösung ist die Beschränkung der zulässigen Einleitung in die überlasteten Kanalnetze. Die anfallende Wassermenge soll nachweislich auf dem eigenen Grundstück zurückgehalten Aufgrund der engen Bebauungen stehen werden, ohne dass es oftmals keine Flächen für Versickerungszur Überflutung von mulden bzw. Regenüberlaufbecken zur ­Verfügung, so dass sich Dachflächen ideal Gebäuden kommt. Aufgrund der en- als Retentionsflächen nutzen lassen – ohne gen Bebauungen stehen zusätzlichen Flächenverbrauch. oftmals keine Flächen für Versickerungsmulden bzw. Regenüberlaufbecken zur Verfügung, so dass sich Dachflächen ideal als Retentionsflächen nutzen lassen – ohne zusätzlichen Flächenverbrauch.

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Die gesellschaftspolitische Dimension

– iii – Nutzbare Fläche auf Dächern. Leben, begegnen, spielen, ­ernten

Bild 2.  Begrünte Wohn- und Geschäftshäuser in Stuttgarts Stadtmitte

Aus vorgenannten Gründen tut sich was in Sachen Regelwerke aus der Siedlungswasserwirtschaft in Beug auf Regenwasserbewirtschaftung unter Berücksichtigung von Dachbegrünungen. Dabei sind in erster Linie das DWARegelwerk Arbeitsblatt DWA-A 102/BWK-A 3 Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer zu nennen. In diesem Arbeitsblatt geht es um das Ziel, den bebauten Zustand dem vorherigen, unbebauten Zustand gleichzusetzen und den natürlichen Wasserhaushalt in den Vordergrund zu stellen. Die Stellschrauben dazu sind Abflussverhalten, Grundwasserneubildung und Verdunstung. Die Dachbegrünung mit ihrer großen Kühlleistung ist dabei die effektivste Möglichkeit, Wärme aktiv abzuführen. Mit ihr lässt sich der lokale Wasser- und Energiehaushalt intakt halten und urbane Hitzeinseln verhindern. Dass schon dünnschichtige extensive Dachbegrünungen die Hälfte des Jahresniederschlags auf dem Dach zurückhalten ist bekannt, die FLL-Dachbegrünungsricht­ linien nehmen im ihrer neuen Fassung erstmals das „Retentionsdach“ auf. Darunter sind in der Regel begrünte Dächer zu verstehen mit dem folgenden Wirkungsprinzip: auf dem Dach wird ein temporärer bzw. dauerhafter Wasserspeicher geschaffen, über dem zuWenn in der Planung Statik, Anschluss­ sätzlich entweder eine höhen, Wasseranschluss und Absturz­ Dachbegrünung oder sicherung berücksichtigt werden, kann eine Verkehrsfläche auf dem Dach ein nutzbarer Dachgarten eingebaut wird. Das entstehen, der alles vorweisen kann, was bedeutet also Reten­ ebenerdig auch möglich ist: Stauden und tionsraum (von bis zu Gehölze, Terrassen, Sandkästen, Spiel­ 140 l/m2) plus zusätzeinrichtungen. liche Dachnutzung mit Begrünungs- bzw. Verkehrsfläche. Das zwischengespeicherte Niederschlagswasser kann den Pflanzen auf dem Dach oder an der Fassade zur Verfügung gestellt und darüber wieder verdunstet werden – mit den verbundenen positiven Wirkungen, primär Kühlung und Stadtklimaverbesserung. Mit dem Retentionsdach lässt sich die maximale Abflussspende über ein Anstauelement einstellen und bis auf 1–10 l/s × ha gedrosselt über mehrere Stunden und Tage ableiten. Das lässt sich mit Computersimulationsprogrammen exakt berechnen.

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Der Bauplatz ist schon bezahlt und eine „Zweit-Nutzung“ auf dem Dach bietet sich ohne weitere Grundstückskosten an. Wenn in der Planung Statik, Anschlusshöhen, Wasseranschluss und Absturzsicherung berücksichtigt werden, kann auf dem Dach ein nutzbarer Dachgarten entstehen, der alles vorweisen kann, was ebenerdig auch möglich ist: Stauden und Gehölze, Terrassen, Sandkästen, Spieleinrichtungen. Und wenn es „sportlich“ werden soll, sind auch Swimming Pool, Lauf- und Sprintbahnen, Fußballund Basketballfelder möglich. Wer also et„Urban farming“ ist derzeit in allermunde. was für seine GesundErnten können wir natürlich auch auf dem heit tun möchte und Gründach, wie seit Jahren praktiziert wird – Bewegung auch in eisowohl auf kommerziell betriebenen Dachner Großstadt sucht, farmen als auch bei privaten Dachgärten. muss nicht weit ins Umland fahren, sondern geht ein paar Stockwerke hoch auf das Dach und „tobt“ sich dort aus. Und die Kosten für eine genutzte Dachbegrünung mit Sport- und Spieleinrichtungen liegen in Ballungszentren meist deutlich niedriger als der Bauplatz, den man dafür hätte nebenan erstehen müssen – wenn weitere Nutzflächen überhaupt zur Verfügung stehen. Das Dach der Zukunft in der Stadt der Zukunft baut auf Kreativität und multifunktionale Nutzungen. Das begrünte Dach spielt dabei eine verbindende und damit zentrale Rolle. Man könnte die menschlichen „Freizeit-Bedürfnisse“ vereinfacht und auf die Dachnutzung bezogen in vier Themenbereiche einteilen: leben, begegnen, spielen, ernten. „Urban farming“ ist derzeit in allermunde. Ernten können wir natürlich auch auf dem Gründach, wie seit Jahren praktiziert wird – sowohl auf kommerziell betriebenen Dachfarmen als auch bei privaten Dachgärten.

– iv – Die Rolle begrünter Fassaden und Innenräume Haben begrünte Dächer ihre Wirkung vor allem bei der Nutzung als Zusatzfläche für den Menschen und als Retentionsräume, so spielen bei Fassadenbegrünungen andere Aspekte eine große Rolle: sichtbares und greifbares lebendiges Grün, Feinstaubbindung und Luft- und Kleinklimaverbesserung. Fassadenbegrünungen sind auf „Augenhöhe“ und haben für alle einen großen Wohlfühlfaktor und werten nicht nur das Gebäude, sondern das komplette Wohnquartier auf. Sie haben einen großen Stellenwert im Wirken gegen die Städteüberhitzung. Den größten Teil ihres Lebens verbringen die meisten Menschen in geschlossenen Räumen – sei es im Eigenheim oder bei der Arbeit im Büro. Und wer hat nicht gerne möglichst viel Pflanzen um sich herum!? Innenraumbegrünungen wirken nicht nur als Raumteiler und bieten attraktiven Blickschutz, sie tragen auch nicht unerheblich zur messbaren und gefühlten Verbesserung der Aufenthaltsbedingungen bei. Sie sind gesundheitsfördernd, in dem sie den Lärm

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Die gesellschaftspolitische Dimension

Bild 3.  Freiburger Stadtteil Vauban. Aufgewertet mit Fassadenbegrünungen

mindern, die Luftfeuchtigkeit erhöhen und Luftschadstoffe binden. Letztendlich fühlt sich der Mensch in Pflanzenumgebung wohler und kann entspannen, zudem wird die Kreativität gefördert.

–––––––––– Der Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) Der Branchenverband transportiert Informationen und Kontakte. Damit die vielen positiven Wirkungen begrünter Dächer und Fassaden erforscht und breit gestreut an die Öffentlichkeit kommen, damit die Akteure sich kennen­ lernen, verstehen und miteinander agieren bedarf es eines bundesweit aktiven Verbands. Der BuGG ist Fachverband und Interessenvertretung gleichermaßen für Unternehmen, Städte, Hochschulen, Organisationen und alle Interessierten rund um die Ge-

bäudebegrünung. Der BuGG verfolgt stets das übergeordnete Ziel, die Bauwerksbegrünung einem möglichst breiten Publikum nahe zu bringen. Im Verband bestehen durch die Interessensgemeinschaft Möglichkeiten, um auf firmenneutralen Wegen positive Rahmenbedingungen für das Begrünen von Gebäude und Bauwerken zu schaffen. Obwohl es den Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) erst seit Mai 2018 gibt, blickt er auf eine lange Verbändetradition zurück. Der BuGG ist am 17. Mai 2018 entstanden durch die Verschmelzung der etablierten und renommierten Verbände Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. (FBB) und Deutscher Dachgärtner Verband e. V. (DDV). Durch die Zusammenführung der beiden namhaften Verbände zu einem großen Verband werden Doppelarbeit und Doppelinvestitionen vermieden, Kräfte gebündelt, Erfolgsbausteine und Kompetenzen zusammengeführt und damit die Schlagkraft erhöht.

Die Ziele des BuGG

Bild 4.  Innenraumbegrünung im Weinhaus Riegel in Orsingen. Zum Wohle der Kunden und Mitarbeiter

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Der Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) verfolgt übergeordnete und projektbezogen auch detailliertere Ziele, u. a. sind das: –– Das Positiv-Image der Bauwerksbegrünung stärken und Vorurteile abbauen. Bessere Wahrnehmung durch die Politik und die Bevölkerung. –– Vergrößerung des Marktes der Gebäudebegrünung. Verstärkte Festsetzung in Bebauungsplänen als Kompensationsmaßnahmen im Zuge der Eingriffs-/Ausgleichsregu­ lierung nach § 1a Baugesetzbuch. –– Zunahme der direkten und indirekten Förderungen: z. B. alle größeren Städte mit einer Gründach–– Strategie. Dachbegrünung als integraler Bestandteil ökologischer Gesamtkonzepte (Überflutungs- und Hitzevorsorge). Gebäudebegrünung als rechenbarer Bestandteil des Nachhaltigen Bauens. Berücksichtigung von Dach-

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Die gesellschaftspolitische Dimension

–– ZIM-Netzwerke: Initiierung und Begleitung von geförderten Netzwerken.

Bild 5.  Das BuGG-Team steht (v. l. n. r.): Heiko Schmidt, Susanne Herfort, Dr. Gunter Mann, Rebecca Gohlke, Fiona Wolff, Felix Mollenhauer (Fotos: BuGG)

und Fassadenbegrünungen bei Neubau und Sanierung als ein Element der energetischen Bewertung. –– Bündelung von Kräften. Arbeitsteilige Kooperation mit anderen Verbänden und Organisationen. –– Wissensplattform zur Gebäudebegrünung schaffen. Koordination von Forschungsprojekten, Master- und Bachelorarbeiten –– Qualitätssicherung bei Planung, Ausführung, Pflege, kommunalen Vorgaben und Festsetzungen.

Die Erfolgsfaktoren des BuGG Die Erfolgsstrategie des Bundesverbands GebäudeGrün beruht auf drei Säulen: 1. Informieren und fortbilden –– Gründach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungssymposien, Gründach- und Fassadengrün-Foren, Schulungen (z. B. zur Arbeitssicherheit), 3-tägiger Weltkongress Gebäudegrün in Berlin mit begleitender Fachausstellung. –– Mitarbeit in verschiedenen (FLL-)Regelwerksausschüssen, u. a. Dachbegrünung, Fassadenbegrünung, Innenraumbegrünung, Verkehrsflächen auf Bauwerken, Regen­ wassermanagement. –– Informationsbroschüren zu Themen wie „Leitfaden Dachbegrünungen für Kommunen“ und „Kommunale Gründachstrategie“. –– „BuGG-Fach-Information“: Informationsbroschüren zu besonderen Themenschwerpunkten –– „Jahrbuch Bauwerksbegrünung“: Vorträge der Gründach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungssymposien. –– Verbandsorgan „GebäudeGrün“ –– E-Mail-Newsletter: „GebäudeGrün-eNews“ –– Wahl zum „Gründach des Jahres“, „Fassadenbegrünung des Jahres“ und „Innenraumbegrünung des Jahres“. 2. Fördern und forschen –– Forschungsprojekte und wissenschaftliche Arbeiten: Betreuung, Durchführung, Unterstützung. –– „Forschungs-Landkarte“: Abbilden der Hochschulen und Forschungseinrichtungen zum Thema Gebäude­ begrünung.

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3. Vermitteln und vernetzen –– Netzwerk, Erfahrungs- und Informationsaustausch für Mitglieder aus den unterschiedlichsten Bereichen rund um die Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung. –– „Netzwerkmanager“ für Städte und Hochschulen, Industrie, Planer und Verarbeiter. –– Viele Meinungen, viele Ideen, großer Erfahrungsaustausch, weitreichende Abdeckung verschiedenster Themen. –– „BuGG-Projektgruppen“: Diskussion aktueller Themen aus der Praxis. –– Marktspiegel: Umfragen bei Städten zur Förderung der Gebäudebegrünung und bei Mitgliedern zu den jährlichen Begrünungsleistungen Dach, Wand, Innenraum. Eine Mitgliedschaft beim Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) steht jedem offen, der sich direkt oder indirekt mit der Gebäudebegrünung beschäftigt. Und gemeinsam für mehr Grün in unseren Städten und für mehr Grün auf, am und im Gebäude einstehen möchte. Mitglieder des Bundesverbands GebäudeGrün e. V. sind z. B. Systemhersteller und Lieferanten der Dach-, Fassaden-, Innenraum- und Abdichtungsbranche und ihrer angrenzenden Bereiche, Hochbau-, Landschafts- und Innenarchitekten, Verarbeiter (Dachdecker, Garten- und Landschaftsbauer, Dachbegrüner), Hochschulen und Städte.

Verbandssteckbrief BuGG Branchen ■■  Städtebau, Stadtplanung, Stadtökologie, Architektur, Landschaftsarchitektur, ■■  Garten- und Landschaftsbau, Dachabdichtung/Dachdecker Wirkungskreis Gebäudebegrünung (Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung) und deren angrenzenden ■■  Bereiche (u. a. Dachabdichtung, Wärmedämmung, Entwässerung, Leckortung, Absturzsicherung), vorrangig in Deutschland. ■■

Tätigkeitsziele Öffentlichkeitsarbeit und Schaffung eines Positiv-Images für die Gebäudebegrünung ■■  Zentrale Informationsstelle zur Gebäudebegrünung: Fach­ informationen, Veranstaltungen, News der Branche, Forschung, Kontakte ■■  Netzwerk und Erfahrungsaustausch ■■

Gründung: 17.05.2018 Mitglieder: 339 (Stand 31.03.2019) Sitz: Berlin Geschäftsstelle: Saarbrücken (Administration)

Dr. Gunter Mann, Präsident Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) www.gebaeudegruen.info

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Das besondere Projekt

Substanzieller Teil des Entwurfskonzeptes Wie Konzepte zur Gebäudebegrünung als integraler Bestandteil des architektonischen Entwurfs Stadtluft wieder frei machen

Im Zuge der Ökologiebewegung seit den 1970er-Jahren und des Bestrebens, Gebäude und ganze Städte ressourcenschonender und energieeffizienter zu planen bzw. umzubauen, hat das Konzept einer nachhaltigen Architektur eine große Bedeutung gewonnen. Dabei spielt die Gebäudebegrünung eine zunehmend wichtigere Rolle – sofern sie nicht als nachträgliche und nur auf den oberflächlichen Effekt abzielende Maßnahme („greenwashing“), sondern von Beginn an als integraler Bestandteil ­einer Bauwerksplanung verstanden wird.

Gefühl heraus im engen Kontakt mit Pflanzen leben will (und zumindest ahnt, dass er ohne begrünten Lebensraum gar nicht leben könnte), sondern damit für seine physische und psychische Gesundheit Positives bewirkt, belegt etwa eine medizinische Langzeituntersuchung in Singapur1. In dieser Hinsicht setzt das weltweit tätige Architekturbüro ingenhoven architects seit Jahren in den unterschiedlichsten Klimazonen immer wieder Maßstäbe. supergreen® – ein Begriff, den ingenhoven architects geprägt haben und patentieren ließen – beschreibt dabei ihr umfasDie Dach- und Fassadenbegrünung, etwa in Form von sendes Verständnis von Nachhaltigkeit: Über den EnergieGrasdächern und Rankpflanzen, in Verbindung mit der und Ressourcenverbrauch hinaus geht der Blick vor allem Innenraumbegrünung dient oft gleich auch auf den wachsenden Anspruch mehreren Zwecken: dem zusätzlichen Dass der Mensch nicht nur aus einem subder Menschen hinsichtlich gesundheitWetterschutz der Gebäudehülle, dem jektiv empfundenen Gefühl heraus im enlicher Faktoren ihrer täglichen Umgesommerlichen Wärmeschutz, der Ver- gen Kontakt mit Pflanzen leben will (und bung. Die Gebäudebegrünung ist daher besserung der Luftqualität, des Mikro- zumindest ahnt, dass er ohne begrünten Leein Bestandteil dieses ganzheitlichen bensraum gar nicht leben könnte), sondern klimas – und darüber hinaus auch des Konzepts. Bei einer Reihe von bereits Makroklimas einer ganzen Stadt – so- damit für seine physische und psychische realisierten oder derzeit im Bau befindwie der Akustik. Dazu kommt der äs- Gesundheit Positives bewirkt, belegt etwa lichen Projekten hat das Büro vielfälthetische Mehrwert von Bauwerksbe- eine medizinische Langzeituntersuchung in tige Lösungsmöglichkeiten für Bau1 grünungen, der ebenso wie die zuvor Singapur . werke mit integrierter Gebäudebegrügenannten „messbaren“ Wirkungsfaktoren von Pflanzen einen positiven Effekt auf das Wohlbe- 1  Kay Pungkothai: Beyond Greening – Raising The Social and finden der Bewohner und der Passanten haben kann. Dass Health Value of Skyrise Greenery. Vortrag auf dem „World Green Infrastructure Congress“, Berlin 2017 der Mensch nicht nur aus einem subjektiv empfundenen

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Das besondere Projekt

Bild 1.  Schnitt Fassade Büro Kö-Bogen 2

nung entwickelt, von denen zwei hier exemplarisch und im Kontext grundlegender Gedanken zur Gebäudebegrünung betrachtet werden sollen.

–i– Annäherung an das Thema Gebäudebegrünung im Entwurf ingenhoven architects haben frühzeitig erkannt, etwa mit dem Lufthansa Aviation Center Frankfurt (2006), dass ein Begrünungssystem von Beginn an in den Entwurf mit einzubeziehen ist. Zu diesem Zweck müssen sich Architekten von Anfang an mit Fachleuten kurzschließen, die bereits in der Phase der Grundlagenermittlung (der Standortbedingungen eines Planungsprojektes) wichtige, schon für die erste Konzeption elementare Entwurfsparameter einbringen. Eine zentrale „Die erfolgreiche Planung und der sichere Rolle kommt dabei eiBetrieb eines Begrünungssystems […] nem Phytotechnologen setzt die angemessene Analyse der Standzu, der eine Standortortbedingungen und der daraus resultierenund Risikoanalyse zur den klimatischen und nichtklimatischen Beurteilung der AnforWachstumsfaktoren voraus.“ derungen an die physiologische Leistungsfähigkeit von Bepflanzungen liefern kann. Im wei­teren Planungsprozess arbeitet er ein Betriebs- und Instandhaltungskonzept für das Gesamtsystem der Gebäudebegrünung aus, um dessen nachhaltige Funktion gewährleisten zu können. Prof. Dr. rer. hort. Karl-Heinz Strauch von der Beuth Hochschule für Technik in Berlin (Fachbereich V – Life Sciences and Technology), der seit 2015 für ingenhoven architects an dem Projekt Kö-Bogen 2 Düsseldorf arbeitet, erläutert dazu, dass „die erfolgreiche Planung und der sichere Betrieb eines Begrünungssystems […] die angemessene Analyse der Standortbedingungen und der daraus resultierenden klimatischen und nichtklimatischen Wachstumsfaktoren voraussetzt. Auf dieser Grundlage ist eine Abstimmung der Eigenschaften des Begrünungssystems und der individuellen Standorteigenschaften vorzunehmen. Ebenso ist eine möglichst große Schnittmenge zwischen den Ansprüchen der eingesetzten Pflanzen und dem Potenzial des jeweiligen Pflanzenstandorts entscheidend.“

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Für jede Gebäudebegrünung, so Prof. Dr. Strauch, müsse ein individuelles phytotechnologisches Konzept entwickelt werden. Die wesentlichen Paramteter eines – und für jede Ge­bäudebegrünung individuelles – phytotechnologisches Konzept sind dabei die Infrastruktur (Medienversorgung, Zugangstechnik), die Systemstruktur (Gefäß, Substrat, Wasserversorgung), das Betriebssystem (Technik, Verantwortungszuordnung) und ein Konzept für die Instandhaltung (Entwicklungspflege, Unterhaltungspflege). Erst wenn dieses phytotechnologische Konzept, das fortlaufend mit der Entwurfs-, Konstruktions-, Fassaden-, Raum- und Freiraumplanung abgestimmt werden muss, inklusive des Instandhaltungskonzeptes steht, ist die Stunde weiterer Fachleute für die Gebäudebegrünung aus den Bereichen Garten- und Landschaftsarchitektur, Botanik sowie Garten- und Landschaftsbau gekommen. Neben den oben genannten Parametern sind bei der Planung eines Begrünungssystems eine Reihe von DINNormen zu beachten, etwa die DIN 18816:2002-08 (Pflanzen und Pflanzarbeiten) und die DIN 18819:2002-08 (Entwicklungs- und Unterhaltungspflege von Die Auswahl eines geeigneten BegrünungsGrünflächen), die sich systems erforderte dabei einen besonderen mit der Vegetations­ Blick sowohl auf ein hinreichendes Enttechnik im Land- wicklungspotenzial der Bepflanzung als schaftsbau beschäfti- auch auf die Betriebssicherheit des Begrügen. Eine wichtige Pla- nungssystems. nungshilfe sind zudem die Fassaden- und Dachbegrünungsrichtlinien der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL), die sich zum Teil auf DIN-Normen stützen bzw. diese ergänzen. Bei Planungen im Ausland sind selbstverständlich (auch) andere, im jeweiligen Land gültige gesetzliche Vorschriften zu beachten.

– ii – Grünes Herz der Stadterneuerung – Kö-Bogen 2 in Düsseldorf Wie komplex und facettenreich ein solcher Planungsprozess aussehen kann, verdeutlicht das Projekt Kö-Bogen 2. Mit ihm realisiert das Büro ingenhoven architects derzeit einen Geschäfts- und Bürobaukomplex als vorläufigen Schlussstein und grünes Herz des bedeutendsten Stadt­ erneuerungsprojektes in der Düsseldorfer Innenstadt (geplante Fertigstellung: 2020). Das zweiteilige Ensemble am

Bild 2.  Kö-Bogen 2 als grünes Herz der Stadterneuerung Düsseldorfs in sommerlichem Szenario

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Das besondere Projekt

Bild 3.  Gebaute grüne Korrespondenz des Kö-Bogen 2 zu städtischen Grünflächen

nördlichen Ende der Königsallee mit einer Bruttogeschossfläche von ca. 43.000 m2 interagiert mit dem Stadtraum und den unterschiedlichen Gebäudehöhen im unmittel­ baren Umfeld. Vis-à-vis des Schauspielhauses und des Dreischeibenhauses entsteht ein außergewöhnliches trapezförmiges fünfgeschossiges Hauptgebäude, dessen Fassaden zum Schauspielhaus hin abgeschrägt sind. Ebenso wie das Dach in ca. 26 m Höhe sind diese mit Hainbuchenhecken (Carpinus betulus L.) bepflanzt, deren Laub während des Jahres in unterschiedlichen Farben in Erscheinung tritt. Auch das Schrägdach des zweiten, drei-

ecksförmigen und sich zum Dreischeibenhaus hin bis auf 10 m Höhe aufschwingenden Gebäudes („Foodcourt“ und Gastronomie) ist begrünt; mit seiner Grasbepflanzung lädt es die Passanten zum Verweilen auf einer neu gefassten Bühne des öffentlichen Lebens ein. Das Büro- und Geschäftshaus präsentiert sich zum Schauspielhaus und zum Gustaf-Gründgens-Platz hin gewissermaßen als „senkrechter Park“ mit Hainbuchenhecken von 8 km Länge an der Fassade und auf dem Dach. Die Grünfassaden- und -dachplanung seitens ingenhoven architects zusammen mit der Werner Sobek Stuttgart AG basierte auf einem detaillierten Gutachten von Prof. Dr. Strauch, der die Standorteigenschaften (u. a. Temperaturen, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeiten) und die Ansprüche von Pflanzen (u. a. Wasserversorgung, aber auch Temperaturamplituden) analysiert hatte. Die notwendigen Eigenschaften der wesentlichen Komponenten des Begrünungssystems leitete er nicht nur von diesen Ergebnissen ab, sondern auch aus den vorgegebenen Parametern der Fassaden- und Dachgestaltung sowie der nach einem sorgfältigen Auswahlprozess bereits festgelegten Pflanzenart Hainbuche. Die Auswahl eines geeigneten Begrünungssystems erforderte dabei einen besonderen Blick sowohl auf ein hinreichendes Entwicklungspotenzial der Bepflanzung als auch auf die Betriebssicherheit des Begrünungssystems. Und nicht zuletzt ist ein fachkompetentes Entwicklungs- und Unterhaltungspflegekonzept für die Nachhaltigkeit des Systems essenziell. Während die Begrünung auf dem Dach des Kö-Bogen 2 nach konventionellen Methoden als Ballenware in

Bild 4.  Marina One Singapur im Überblick

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Das besondere Projekt

Infrastrukturen), die z. B. in Deutschland aktuell 60 ha pro Tag betragen, deutlich minimiert und durch Begrünungen auf und an den Gebäuden zumindest teilweise ausgeglichen werden. Hochverdichtete Bauweisen – also auch Hochhäuser – mit integrierten Grünkonzepten sind das konsequente Mittel für eine lebenswerte städtische Gegenwart und Zukunft, der nicht infolge eines gedankenlosen „Weiter so wie bisher“ im übertragenen wie im wahrsten Sinne des Wortes die Luft ausgeht. Einen Prototyp in dieser Hinsicht haben ingenhoven architects (mit Architects 61) in Kooperation mit den Landschaftsarchitekten Gustafson Porter + Bowman (lokale Landschaftsberater: ICN Design International) mit dem 2017 vollendeten multifunktionalen Gebäudekomplex Marina One Singapore errichtet: Mit seinen beiden jeweils 200 m messenden Bürohochhausblöcken und zwei weiteren, jeweils 139 m messenden Wohnhochhäusern bieBild 5.  Sonne bis zur untersten Grün-Ebene tet das Ensemble Platz für mehr als 400.000 m2 Bruttogeschossfläche, aber auch für über 350 Pflanzenarten. InsgePflanzenbeeten erfolgt, wurde für die nord- und westwärts samt 163.583 Pflanzen bilden das grüne Herz von Marina ausgerichteten Fassaden ein individuelles Begrünungssys- One – beste Bedingungen für die Implementierung einer tem aus horizontal angeordneten Behältern entwickelt. möglichst großen Wasserverdunstungsfläche (VoraussetDiese sind mithilfe einer eigenen Tragzung für den so empfundenen KühVermittels einer Probeaufstellung wird das lungseffekt, dem gerade in einer sub­ konstruktion fest mit der jeweiligen tropischen Metropole wie Singapur Fassade verbunden. Über eine spezielle geplante System im Probebetrieb studiert, enorme Bedeutung für das individuelle Anlage lassen sich die Hainbuchenhe- um weitere Daten zum Verhalten der Pflanzen zu generieren, lange bevor das vollWohlempfinden zukommt) und auch cken hier bedarfsgerecht mit Wasser ständige System realisiert wird. In diesen für die Minderung von Wärmeeinträund Nährstoffen versorgen. gen durch Verschattung. Vermittels einer Probeaufstellung begleitenden Untersuchungen lässt sich Die Gebäudebegrünung war auch wird das geplante System im Probebe- der Wasser- und Nährstoffbedarf der Hehier selbstverständlich von Beginn an trieb studiert, um weitere Daten zum cken erfassen, um die Parameter für die künftige Anlagensteuerung zu optimieren. ein substanzieller Teil des EntwurfsVerhalten der Pflanzen zu generieren, konzeptes – mit dem Ziel, durch ein lange bevor das vollständige System realisiert wird. In diesen begleitenden Untersuchungen lässt Zusammenspiel der Gebäude- und der integrierten Gartenkonzeption sowie der Vegetation und der Luftzirkulation sich der Wasser- und Nährstoffbedarf der Hecken erfassen, um die Parameter für die künftige Anlagensteuerung zu ein angenehmes Mikroklima zu erzielen. Inspiriert von optimieren. Diese langfristige Vorbereitung der Bepflan- asiatischen Reisterrassen und den natürlichen Höhen- und zung und der Anlagensteuerung ist unabdingbar, um die Klimaveränderungen eines Regenwaldes, spiegelt die bei aller Sorgfalt unvermeidbaren Restrisiken zu minimie- grüne Mitte mit ihren mehrstöckigen Gärten die Vielfalt ren und um einen dauerhaften Bestand der Pflanzen und der tropischen Flora wider und schafft einen neuartigen Lebensraum – auf horizontalen Flächen von insgesamt deren nachhaltige Versorgung und Pflege gewährleisten zu 37.000 m2, das entspricht 125 % der Grundstücksfläche, können. So werden bereits seit 2016 die insgesamt 2,5 km mes- womit selbst die weltweit bislang einzigartige Anforderung senden Heckenelemente der Fassade in einem qualifizier- der Singapurer Politik, bei Bauprojekten die gesamte zu ten Produktionsbetrieb (Baumschule) auf ihren Einsatz überbauende Fläche in der Summe durch eine mindestens vorbereitet; die Baustelle erreichen sie im Herbst 2019 mit ebenso große Grünfläche auszugleichen („100 % Greenery Replacement“), noch weit übertroffen wurde. einem bereits vollständig etablierten Wurzelsystem. Die Basis von Marina One bildet ein grünes Tal mit einer relativ kleinen, zentralen Grünfläche, die sich in – iii – Form einer nach oben Hochhäuser mit integrierten Grünkonzepten – gestaffelten Landschaft Die Grünflächenverluste (zugunsten von Marina One in Singapur wesentlich erweitert. Gebäuden und städtischen/verkehrlichen Eine fast 2 m tiefe Erd- Infrastrukturen), die z. B. in Deutschland Bereits heute lebt jeder zweite Mensch weltweit in einer schicht gewährleistet, aktuell 60 ha pro Tag betragen, müssen Stadt – bis zur Jahrhundertmitte, wenn die Weltbevöl­ dass hier bis zu 12 m deutlich minimiert und durch Begrünungen kerung auf 9–10 Mrd. Menschen angestiegen sein wird, hohe Palmen, aber u. a. auf und an den Gebäuden zumindest teilwerden sich bereits zwei Drittel in den Ballungsräumen auch Gelbe Flammen- weise ausgeglichen werden. tummeln. Dieser massive Zuwachs städtischer Agglomera- bäume (Peltophorum tionen wird ohne Konzepte für eine deutlich größere Sied- pterocarpum), Königinblumen (Lagerstroemia speciosa) lungsdichte, als wir sie bislang gewohnt sind, nicht zu be- und Indischer Goldregen (Cassia fistula) wachsen könwältigen sein; zugleich müssen die Grünflächenverluste nen. Die kraterförmige Gebäudegeometrie im Zentrum des (zugunsten von Gebäuden und städtischen/verkehrlichen Komplexes in Verbindung mit der „Schneise“ zwischen

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Das besondere Projekt Bild 6. Lageplan Marina One Singapur

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den Büro- und den Wohntürmen sorgt für eine großzügige Belichtung und Luftströmung, die das Pflanzenwachstum begünstigen. Licht, Luft, Erde und Wasser (über ein genau auf die Bedürfnisse der Pflanzen abgestimmtes Bewässe-

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Bild 7. Schnitt Regelgeschosse und Aufsicht auf das Green Heart

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rungssystem) – hier kommt zusammen, was die Essenz einer nachhaltigen Vegetation ist. Landschaftsarchitektin Kathryn Gustafson erklärt, dass man die verschiedenen Pflanzenwelten in den Tropen

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Das besondere Projekt

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Bild 8. Im Schnitt durch den 139 m hohen Wohn- und 200 m Büroturm zeigen sich die unterschiedlichen Ebenen des Green Hearts

und in Singapur, wo die Hochland- und die Flachlandvegetation sehr unterschiedlich ist, nachempfunden hat. Ziel war, dass das Grün – während man sich im Gebäude nach oben bewegt – immer anders wirken solle: „Z. B. haben wir eine Rampe im ersten Stock installiert, sodass man sich, wenn man durch den Wald geht und im zweiten Stock ankommt, zwischen dem Astwerk der Bäume befindet“ und sich dabei fühlt „wie in einem Baumhaus“. Die Rampe verbindet das grüne Tal mit seiner üppigen Vegetation und einem zentralen Wasserbecken mit den sogenannten Strata

Terraces (Level 2 und 3), die durch Vegetationsinseln mit Baum- und großen Farngruppen sowie Orchideengewächsen geprägt werden. Auf Level 4 wurde ein Cloud Garden mit Steinterrassen und einer Vegetation aus tropischen Bergregionen eingerichtet, auf Level 15 der Bürotürme ein Cloud Forest und auf den Dächern der Bürotürme Rooftop Gardens mit kleinen bis mittelgroßen Bäumen und Rankpflanzen als grüne Krone des Gebäudekomplexes. Marina One mit seinen integrierten Gärten von der Basis bis zu den Dächern in 200 m Höhe könnte der Proto-

Bild 9. Blick in das Green Heart von Marina One – einen sich über mehrere Stockwerke erstreckenden öffentlichen Raum

Bild 10. Die Wege im Green Heart führen durch die Vielfalt der tropischen Flora (Abb. 1, 4–8: ingenhoven architects; Abb. 2 + 3: ingenhoven architects/CADMAN; Abb. 9 u. 10: ingenhoven architects/HGEsch)

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Das besondere Projekt

typ für die künftige Architektur in hochverdichteten Städten sein. Vor allem, falls sich die 100 % Greenery Replacement-Politik Singapurs auch in anderen Weltregionen durchsetzen und in der Folge stadtplanerische Quantensprünge anstoßen würde – mit elementaren Effekten auf die Herausforderungen infolge des Klimawandels. Einem phytotechnologischen Konzept und dessen frühzeitiger Implementierung schon in der ersten Entwurfsphase, der Einbindung von Fachleuten für die Gebäudebegrünung und einer auf den individuellen Standort und natürlich die je-

weilige Baustruktur abgestimmten Grünplanung inklusive Pflege- und Instandhaltungskonzept gebührt dabei eine wichtige Rolle. Der Autor bedankt sich bei Prof. Dr. rer. hort. Karl-Heinz Strauch für zahlreiche Hinweise, die in diesen Text eingeflossen sind. Oliver G. Hamm www.ingenhovenarchitects.com

Die Stadt der Zukunft ist grün und steht nicht in Europa Gedanken zum Katalog einer Ausstellung über: Green Heart Marina One Singapore – Architecture for Tropical Cities Grün in der Mitte, Grün oben, unten, außen und innen, aber nicht überall, doch Grün so viel es geht. Das müsste der erste Eindruck sein, der sich dem Besucher von Marina One in Singapur ergibt. Es dürfte auch der erste Eindruck des Besuchers gewesen sein, der sich in die Ausstellung zu Marina One in der Berliner Galerie Aedes begab, der der hier vorgestellte Katalog gewidmet ist. „Die Stadt der Zukunft“, schreibt Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architektur-Museums in Frankfurt am Main, in einem der drei Vorworte zum Katalog, wird ausschließlich aus Hochhäusern bestehen – und sich nicht in Europa befinden.“ – Ingenhoven, so hört man zuweilen, baue ja immer nur Hochhäuser. Die Frage, ob dahinter eine Ideologie zu suchen sei, ist in Städten wie Singapur nur schier abstrus zu nennen. Marina One wurde auf dem Meer abgerungenen Land erbaut – die einzige Möglichkeit für das extrem beengte Singapur, zu wachsen, gäbe es nicht die Dimension der Höhe. In einem so lesenswerten wie instruktiven Gespräch, das neben der üppigen und erhellenden Bebilderung den Hauptteil des Katalogs ausmacht, bezeichnet Christoph Ingenhoven es unter Hinweis auf die 11 Mrd. Menschen, die 2070 auf Erden zu erwarten seien, als eine der wichtigsten Fragen der Menschheit, „wie wir das Überleben auf diesem Planeten von begrenzter Größe organisieren.“ Und schon deshalb wünsche er sich „mehr Respekt“ auch für „die banalste, alltäglichste Architektur, deren Form vielleicht nicht mehr bietet als reine Überlebenshilfe.“ Dass er derlei Überlegungen in einem Gespräch zu Marina One anstellt, kann überraschen, denn dieses Projekt war und ist alles andere als banal und alltäg-

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lich. Und das rührt nicht allein, aber doch zu einem nicht geringen Teil von dem Umgang mit der Begrünung des 200 m hohen Komplexes her, der von vornherein grün gedacht und entworfen wurde, und dem ein grünes Herz genau da geschenkt wurde, wo sonst in die Höhe gebaut würde – im Zen­ wtrum des Komplexes. Konsequenter kann Natur kaum in die Stadt gebracht werden und Ingenhoven, der sich in einem weiteren Leben als Landschaftsarchitekt imaginieren könnte, geht so weit, zu sagen, es könne sich die Natur sehr wohl Teile des umbauten Raums zurückerobern. Wem das kein so konkreter wie realistischer Ansatz zu verantwortungsbewusster Stadtplanung für lebenswertem Raum in der Stadt der Zukunft ist, der lese in den zu großem Unrecht vergessenen „Thesen zur Stadt der Zukunft“ von Alexander Mitscherlich: „Das eigentlich utopische Element in einer erfolgreichen Stadtplanung wäre … in der Herstellung einer neuen Verpflichtung der Stadt und ihren Bewohnern gegenüber zu sehen.“ Sie müsse deshalb, so Mitscherlich 1965, „ein städtisches Milieu planen, das es dem einzelnen erlaubt, physiognomisch kenntlich zu bleiben, selber Mensch, Individualität zu sein.“ Daran, dass „Freiheit stadtgeboren“ ist, erinnert uns Alexander Mitscherlich wie Marina One, auch wenn es in Singapur steht … Burkhard Talebitari

Katalog zur Ausstellung „Green Heart Marina One – Architecture for Tropical Cities“ im Berliner Aedes Architektur Forum vom 28.10.–30.11.2017, Hrsg. Aedes und ingenhoven architects, Berlin und Düsseldorf 2017, ISBN 978-3-943615-45-6

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Aus der Praxis

Ökologische Nischen mit eigenem Mikroklima Dachbegrünungen mit Liadrain

Ob Flachdach oder Steildach, ob extensive oder intensive Begrünung: Liadrain aus gebrochenem Blähton ist die erste Wahl, wenn es um die schnelle, einfache und dauerhafte Dachbegrünung geht. Das leichte, strukturstabile und offenporige Substrat sorgt als Vegetationsschicht sowie als Wasserspeicher- und Drainschicht für gesundes Pflanzenwachstum. Das Ergebnis sind individuell gestaltete Gründächer, die Haus, Mensch und Natur gleichermaßen zugutekommen. In vielen Ländern Europas gehört das grüne Dach zur Tradition. Es schützt die Bewohner vor sommerlicher Hitze, Kälte und Wind, gleichzeitig bietet es einen umfassenden Witterungsschutz für die Dachkonstruktion. Daneben erfüllen begrünte Dächer auch eine wichtige ökologische Funktion: Sie schaffen genau dort wieder Grün, wo es durch Überbauung verloren gegangen ist. In luftiger Höhe entstehen so ökologische Nischen mit eigenem Mikroklima, die neue Lebensräume für Flora und Fauna bieten. Begrünte Dächer speichern Regenwasser und entlasten die Kanalisation, daneben binden sie Staub und schädliche Gase.

Blähton-Granulat mit einer trockenen Rohdichte von lediglich ca. 0,3 g/cm3, das zudem sehr form- und strukturstabil ist. Liadrain ist offenporig und kann dadurch über 80 % seines Trockengewichtes an Wasser speichern. Durch seine Speicherfähigkeit sowie durch wirksame Drainagierung regelt es den Wasserhaushalt des Gründachs. Durch die abgestimmte Korngrößenverteilung ist dabei auch bei Wassersättigung ein idealer Bodenluftgehalt und damit eine optimale Sauerstoffversorgung der Pflanzen gewährleistet. Daneben ist Liadrain chemisch neutral, frostbeständig und unbrennbar. Es ist beständig gegen Hydrolyse, Bodenlösungen und Mikroorganismen sowie frei von keimfähigen Unkrautsamen und regenerationsfähigen Pflanzenteilen. Lia-

Blähton als natürliche Vegetations- und Drainschicht Ein begrüntes Dach erfordert ein leistungsfähiges Substrat, das sich sowohl auf die baulichen Gegebenheiten vor Ort anpassen lässt als auch für ein gesundes Pflanzenwachstum sorgt. Hier hat sich Liadrain als gebrochenes Blähton-Substrat in den letzten Jahren besonders bewährt. Ausgangsstoff ist natürlicher, blähfähiger Ton, der bei ca. 1.200 °C im Drehrohrofen gebrannt und anschließend mechanisch aufgebrochen wird. Das Ergebnis ist ein besonders leichtes

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Bild 1.  Ein begrüntes Dach schafft dort wieder Grünflächen, wo sie durch Bebauung verloren gegangen sind und bietet vielfältige Vorteile – wie hier auf dem Dach der Klink Fürth.

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Aus der Praxis

geschränkt tragfähige Dächer schnell, einfach und effizient begrünen.

Wassersparende Anstaubewässerung

Bild 2.  Liadrain besteht aus natürlichem, mechanisch aufgebrochenem Blähton-Granulat.

drain ist von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) geprüft und entspricht deren Richtlinien für mineralische Drainschichtschüttstoffe sowie Vegetationssubstrate für einschichtige Extensivbegrünungen.

Leicht, stabil und feuchteregulierend Durch seine Leichtigkeit, Strukturstabilität und Wasserspeichereigenschaften ermöglicht Liadrain die schnelle und einfache Begrünung von ebenen oder auch geneigten Dächern. Die Umsetzung kann dabei einschichtig als extensive oder mehrschichtig als intensive Begrünung erfolgen. Die intensive Begrünung ist besonders geeignet für anspruchsvollere, bodendeckende Pflanzen und niedrigere Stauden. Gegenüber der extensiven leistet diese Art der Dachbegrünung eine noch höhere Regenwasserrückhaltung. Neben Flachdächern lassen sich heute mit den üblichen Systemen auch Steildächer bis 35° Neigung begrünen. Dafür kommen fertige Systeme mit gut aufeinander abgestimmten Komponenten zum Einsatz, die die jeweiligen Anforderungen hinsichtlich Substratschicht, Drainageleistung und Gewicht individuell erfüllen.

Intensive Begrünung: Der Garten auf dem Dach Bei der intensiven Dachbegrünung verankern sich wie bei einem erdgebundenen Garten die Pflanzenwurzeln fest und dauerhaft in der Vegetationsschicht. Vor dem Aufbau der notwendigen Schichten steht die Planung der Dachbegrünung. Aus den statischen Voraussetzungen des Daches ergeben sich der Schichtaufbau, die Höhe und die Mischungszusammensetzung der Substrate. Der Aufbau besteht in der Regel aus der mit einer Trennschicht aus PE-Vlies und einer Wurzelschutzbahn bedeckten Dachabdichtung. Darauf folgt die Wasserspeicher- bzw. Drainschicht, die ihrerseits von einer Filterschicht etwa in Form eines PE-Vlieses abgedeckt wird. Die oberste Schicht bildet dann die eigentliche Vegetationsschicht, bestehend aus mit Erde, Oberboden oder Torf vermischtem Liadrain. Besteht die Vegetationsschicht aus Liadrain und Düngetorf im gleichen Verhältnis, sind die statischen Belastungen meist nur etwa halb so groß wie bei einem Aufbau mit reinem Oberboden gleicher Schichtdicke. Durch das geringe Gewicht, die dauerhafte Strukturstabilität und den einfachen Einbau lassen sich auf diese Weise auch nur ein-

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Die unter der Vegetationsschicht liegende WasserspeicherDrainschicht sorgt bei der intensiven Begrünung für die effiziente Wasserspeicherung und die entsprechende Drainage. Hier wird die Feuchtigkeit auf zweierlei Weise zurückgehalten: Einerseits in der Porenstruktur von Liadrain und andererseits in den Zwickelporen dazwischen, wenn eine Ausführung als Anstaubewässerung geplant ist. Als Drainageschicht muss Liadrain in einer bestimmten Mächtigkeit aufgetragen werden. Empfehlenswert ist ein Viertel bis ein Drittel des gesamten Schichtaufbaus, mindestens jedoch 8 cm. Soll eine Anstaubewässerung realisiert werden, ist ein Teil der Drainschicht ständig mit Wasser gefüllt. Die Höhe des Wasseranstaus richtet sich dabei nach der gewünschten Vegetation sowie den statischen Möglichkeiten der Deckenkonstruktion. Und die Wasserspeicherkapazität ist dabei enorm: So werden bei einer Stauhöhe von beispielsweise 6 cm bereits 40 l Wasser/m2 gespeichert – nämlich ca. 15 l in Liadrain und ca. 25 l in den Zwickel­ poren. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Regen bringt ca. 20 l/m2 an Niederschlägen. So verringert eine Dach­ garten-Ausführung als Anstaubewässerung den Wasserverbrauch fürs Gießen erheblich, gleichzeitig bietet sie die besten Vorausetzungen für eine intensive Begrünung auch mit anspruchsvollen Pflanzen, Sträuchern und kleinen Bäumen.

Extensive Begrünung: die leichte Alternative Für besonders wenig tragfähige Dächer ist die extensive Dachbegrünung mit Liadrain die passende Alternative. Bei diesem System kommt nur niedrig wachsendes, anspruchsloses Flächengrün mit einer Wuchshöhe von 5–20 cm zum Einsatz wie etwa Sedum-, Moos- und Krautpflanzen. Entsprechend geringmächtig ist die erforderliche Substratschicht aus Liadrain. Bei einer Wuchshöhe von 5–15 cm ist eine Aufbauhöhe von 8–12 cm notwendig, für bis zu 20 cm große Pflanzen ist eine Schichtstärke von 12–16 cm

Bild 3.  Mit Liadrain lassen sich individuelle, intensiv oder extensiv gestaltete Dachbegrünungen schnell und sicher realisieren.

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Aus der Praxis

Bild 4.  Das Blähtonsubstrat ist besonders leicht sowie sehr form- und druckstabil. Durch seine Speicherfähigkeit sowie wirksame Drainierung regelt es den Wasserhaushalt des Gründachs. (Fotos: Liapor / Optigrün)

erforderlich. Daraus ergeben sich Flächenlasten von 0,6 bis 0,9 kN/m2 bzw. von bis zu 1,2 kN/m2. Die Substratschicht wird direkt auf eine durchwurzelungsfeste Dichtungsschicht sowie eine Schutzschicht etwa in Form eines Polyester-Vlieses auf das Dach aufgebracht.

Anspruchslose Selbstversorger Bei der extensiven Begrünung wachsen die Pflanzen direkt auf der mit Nährstoffen angereicherten Liapor-Substratschicht oder auf einer dünnen, wenige Zentimeter starken Überdeckung aus Erdsubstrat. Eine zusätzliche Beigabe

von Humusschichten ist nicht nötig, was einen schlanken Schichtaufbau gewährleistet. Auch eine künstliche Versorgung mit Wasser oder Nährstoffen ist nicht erforderlich, da die anspruchslosen Pflanzen sich komplett selbst versorgen und auch längere Trockenperioden dank des speicherfähigen Liapor-Sub­ strats gefahrlos überstehen. Besonders bewährt haben sich extensive Begrünungen in Form eines Sedum-Daches, eines Gras-Daches oder eines Strauch-Gras-Daches. Die Pflanzen lassen sich dabei als Flachballen einsetzen oder flächig ansäen. Je nach Pflanzenauswahl ergeben sich interessante Pflanzengemeinschaften auf engstem Raum, die praktisch ohne Pflege für einen gesunden, satten Dachbewuchs sorgen.

Effizienter Eintrag für individuelle Begrünungen Ob intensive oder extensive Begrünung: Liadrain ist das ideale Substrat für die einfache, schnelle und sichere Dachbegrünung. Es ist als lose Schüttung, aber auch in Big-Bags oder Foliensäcken erhältlich. Besonders effizient ist der Eintrag vom Silo-LKW per Schlauchleitung auf das Dach, der auch bei kleinen Flächen gegenüber der Sackware erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen bietet. Immer optimal abgestimmt auf die gewünschte Vegetation sowie auf die Statik des Dachaufbaus lassen sich so Dächer wirtschaftlich und effizient begrünen – ein Gewinn für Mensch und Natur. www.liapor.com

BIM – neue ungeahnte Perspektiven und Möglichkeiten

Hrsg.: Ernst & Sohn BIM – Building Information Modeling November 2018. 100 Seiten. € 25,–* Bestell-Nr.: 2134 1809 Auch als erhältlich.

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Das 2018er Heft wird sich stärker noch als bisher schon der Vielfalt der mit der Digitalisierung verbundenen Themen annehmen – nicht nur von smart building bis buliding smart, auch Robotik, 3D-Druck, blockchain, circular building und verwandte Themen kommen zur Darstellung. Aber nicht theoretisch und abgehoben, sondern praxisnah und auf dem Boden der digitalen Tatsachen. Echten Mehrwert für den Leser bieten aber auch bewährte Rubriken zu Bildung und Ausbildung, Recht und Versicherung, Ingenieurbau und Projektplanung und nicht zuletzt der in digitalen Zeiten unabdingbare Blick über den Tellerrand – ins europäische und weltweite Ausland.

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Aus der Praxis

Ein Stück Natur auf den Dächern der Stadt Wie das Biodiversitätsdach von OPTIGRÜN neuen Lebensraum für Flora und Fauna schafft

Bild 1.  Mit einfachen Mitteln lässt sich ein Gründach zu einem Biodiversitätsdach aufwerten.

Schon lange sind es nicht mehr nur exotische Tier- und Pflanzenarten, die vom Rückgang der Artenvielfalt bedroht sind. War der Kiebitz 1996 noch Vogel des Jahres, belegt ein Bericht des Bundesumweltministeriums, dass die Population seiner Art, ­gemessen über einen Zeitraum von 15 Jahren, um fast 80 % zurückgegangen ist. Auch bei vielen anderen unserer heimischen Vogelarten, wie den Braunkehlchen oder Feldlerchen, ist ein deutlicher Rückgang zu erkennen. Die Gründe: immer kleiner werdende Rückzugsgebiete und weniger Nahrung.

Artensterben ist ein globales Problem Wie unmittelbar vor unserer Haustür der Rückgang der Artenvielfalt stattfindet, verdeutlichte nicht zuletzt die öffentlichkeitswirksame Aktion eines Supermarktes: Alle Produkte, die Bestandteile von Pflanzen enthalten, die auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen sind, wurden aus den Regalen geräumt. Übrig blieb nicht einmal die Hälfte der Waren. Doch es sind nicht nur die Bienen, die vom Artensterben betroffen sind. Eine Studie niederländischer, deutscher und britischer Wissenschaftler lieferte 2017 klare Zahlen, die ein allgemeines Insektensterben belegen. Über 27 Jahre hatten Insektenkundler des Entomologischen Vereins Krefeld e. V. dafür an 63 Orten in deutschen Naturschutzgebieten mithilfe von Fallen die Biomasse der gefangenen Fluginsekten gewogen und untersucht. Das Ergebnis: Von kurzfristigen Schwankungen, die bei Insektenpopulationen nicht ungewöhnlich seien, könne keine Rede mehr sein. Seit 1989 sei ein durchschnittlicher Rückgang von

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76 % zu verzeichnen, im Sommer, der Hochsaison, sogar von 82 %. Ein beunruhigendes Resultat, denn so lästig Insekten für den Menschen auch manchmal sein können, so unersetzlich sind sie doch für die Ökosysteme und somit unsere natürliche Lebensgrundlage. Sie bestäuben Pflanzen, dienen vielen Tierarten als Nahrung, ihre Larven zersetzen organisches Material und produzieren fruchtbaren Boden. Auch für die Medizin und Forschung sind sie von hoher Bedeutung.

Dachbegrünung als Ausgleichsmaßnahme Weitläufige Flächenversiegelungen durch Bebauung lassen kaum noch unberührte Natur zurück, wodurch der Lebens­ raum für Insekten und Vögel schwindet. Immer öfter werden Gründächer genutzt, um neuen Raum für die Natur in Siedlungen und Städte zu bringen, da sie besonders effektive Ausgleichsmaßnahmen sind. Soll beispielsweise ein neues Gewerbegebiet erschlossen werden, in dessen Bereich viele Kiebitze nisten, können die Dächer der errichteten Gebäude genutzt werden, um die versiegelten Areale zu kompensieren und somit einen alternativen Lebensraum für die Vogelart zu schaffen. Damit ein solches Dach alle Bedingungen erfüllt, um von den Kiebitzen als Nistplatz angenommen zu werden, sollte die Begrünung der Dachflächen in Zusammenarbeit mit Biologen geplant und umgesetzt werden. „Sicherlich lösen sich die Probleme, die wir Menschen über lange Zeit geschaffen haben, nicht einfach in Luft auf,

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Aus der Praxis

Bild 2.  Ein Biodiversitätsdach kann ein vielfältiger und wertvoller Ort für Menschen und Tiere sein.

indem wir Grünflächen auf unseren Dächern anlegen“, betont Sonja Alex, Marketingleiterin des baden-württembergischen Dachbegrünungsspezialisten und Systemherstellers OPTIGRÜN, „aber gerade in stark bebauten Gebieten bringt eine Dachbegrünung gleich viele Vorteile mit sich: Sie schützt die Abdichtung eines Daches vor extremen Temperaturen, Hagel, Wind und anderen Witterungseinflüssen, entlastet die Kanalisation vor allem bei Starkregen, indem sie das Wasser speichert oder es verdunstet.“ Damit trage eine Dachbegrünung effizient zur Gebäudekühlung, Luftbefeuchtung und Feinstaubfilterung bei, so Frau Alex. „Und außerdem sieht sie auch noch sehr gut aus.“

Vom einfachen Gründach zum Biodiversitätsdach OPTIGRÜN setzt verstärkt auf Biodiversitätsdächer, eine Form des Gründachs mit besonders hoher Artenvielfalt. Eine extensive Dachbegrünung, bei der hauptsächlich bodendeckende Dickblatt-Gewächse wie Sedum-Pflanzen eingesetzt werden, lässt sich mit nur etwas mehr Aufwand in einen noch wertvolleren und vielfältigeren Ort für Tiere und Menschen umwandeln. „Die Modellierung der Fläche durch verschiedene Substrathöhen ist einer der Biodiversitäts-Bausteine, die

Bild 3.  1. Substratanhügelung mit Gehölzen 2. Totholz, Wurzelstücke 3. Höhere Substratschicht mit Gräser-Kräuter-Vegetation 4. Niedrige Substratschicht mit Sedum-Begrünung 5. Wasserfläche 6. Steinhaufen 7. Kies- und Sandflächen

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Bild 4.  Biodiversitätsdächer geben Bienen und anderen Insekten neuen Lebensraum.

(Fotos: Optigrün international AG)

Neue Saatgutmischung Biodiversität Die neue Biodiversitäts-Saatgutmischung von OPTIGRÜN wurde speziell für die Erhöhung der Artenvielfalt auf Gründächern entwickelt. Sie enthält 56 verschiedene Kräuter- und Gräserarten, hat einen langen Blühzeitraum von April bis Oktober und erzielt unabhängig von der Region ein schönes Blühergebnis.

wir für diese besondere Form der Dachbegrünung erarbeitet haben“, erläutert Marion Kreutner, die Spezialistin für Vegetation bei OPTIGRÜN. Dabei wird mit unterschied­ lichen Substrathöhen und stellenweisen Aufschüttungen gearbeitet, damit Gräser, Kräuter, Stauden, Sträucher und sogar kleine Bäume gepflanzt werden können, die tiefere Wurzeln und einen größeren Wasser- und Nährstoffbedarf haben. Zudem werden so frostfreie Rückzugsbereiche für Bodentiere geschaffen. Vertiefungen, in denen sich Regenwasser zeitweilig anstauen kann, dienen Vögeln und Insekten als Tränken. Aber auch dauerhafte Wasserflächen wie kleinere Teiche lassen sich problemlos in die Dachbegrünung integrieren und sorgen für ein abwechslungsreiches Gestaltungsbild, ebenso wie Sandlinsen und Fein- oder Grobkiesflächen. Diese vegetationsfreien Bereiche sind zudem eine wichtige Voraussetzung für das Ansiedeln verschiedener Tierarten. Windsichere Nisthilfen wie Brutkästen oder Bienenstöcke, aber auch Totholz wie abgeschnittene Äste oder Baumscheiben bieten Insekten und Vögeln dauerhaften Lebensraum. Achtet man zudem bei der Auswahl der Pflanzen auf spezielle Artenlisten nach Blütenfarbe und Blühzeitraum, steht ihnen fast ganzjährig ausreichend Nahrung zur Verfügung. „Im Prinzip wird ein Gründach durch die verschiedenen Biodiversitäts-Bausteine veredelt“, erklärt Kreutner, „indem es eine besondere Funktion erhält. Achtet man auf

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Aus der Praxis

Bild 5.  Biodiversitätsdächer geben Bienen neuen Lebensraum.

Bild 7.  Brütender Kiebitz auf einem Biodiversitätsdach

Bild 6.  Biodiversitätsdächer geben Bienen neuen Lebensraum.

Bild 8.  Kiebitz-Nest auf einem Biodiversitätsdach (Fotos: Optigrün)

den Erhalt der neu geschaffenen Lebensräume und ein wenig auf die Pflege des Dachaufbaus, ist ein Biodiversitätsdach eine zweckmäßige und langlebige Grundlage für eine große Artenvielfalt.“

Gewicht und die leichtere Verarbeitung punkten können, sondern vor allem durch eine besonders hohe Nährstoffund Wasserspeicherkapazität. Je nach Dachareal und Pflanzenvielfalt werden verschiedene Substrattypen verwendet. „Die verschiedenen Dachbegrünungstypen, die wir anbieten, sind also keine starren Systeme“, betont Frau Kreutner, „sondern ermöglichen durch ihre Flexibilität unterschiedlich gestaltete und abwechslungsreiche Dachbegrünungen mit hoher Artenvielfalt. Fast alle Dachbegrünungslösungen von OPTIGRÜN lassen sich so als Biodiversitätsdach umsetzen.“ Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Neubau oder eine bereits vorhandene Dachbegrünung handelt. Durch den Einsatz der BiodiversitätsBausteine kann nahezu jedes Gründach dauerhaft ökologisch und optisch aufgewertet werden. Gerade bei großen Dachflächen sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. So wird nicht nur für Tiere und Pflanzen wertvoller Lebensraum geschaffen. Denn mit einer Dachbegrünung als Bestandteil des nachhaltigen Bauens wir auch das Arbeits- und Wohnumfeld für den Menschen deutlich verbessert. Begehbare Dächer können als zusätzlicher Wohnraum, Spiel- und Sportflächen sowie Begegnungsstätten dienen. Sie bedeuten schlichtweg mehr Lebensqualität.

Flexibilität bei der Dachbegrünung Um eine so vielseitige und effektive Gestaltung von Dachflächen gewährleisten zu können, muss der Aufbau der Begrünung hohe Ansprüche erfüllen. Denn die wichtigsten Elemente einer langlebigen und pflegeleichten Dachbegrünung sind zugleich auch die größten Herausforderungen: eine möglichst geringe Auflast für die Dachkonstruktion, der dauerhafte Schutz der Abdichtung, eine optimale Regulierung des Wasserflusses und die ideale Basis für ein gesundes und vielfältiges Pflanzenwachstum. Schutzmaterialien für die Dachabdichtung, verschiedene Dränage-Elemente und Wasserleitsysteme sorgen auch auf weitläufigen Dachflächen für ein sicheres Ableiten von Überschusswasser. Zugleich verzögern sie den Abfluss in die Kanalisation, indem sie das Wasser zurückhalten, eine möglichst lange Speicherung auf dem Dach begünstigen und die Bepflanzung so mit Wasser versorgen. Den idealen Boden für eine große Auswahl an unterschiedlichen Pflanzentypen bilden die von OPTIGRÜN entwickelten Basis- und Spezialsubstrate, die normaler Pflanzenerde gegenüber nicht nur durch ihr wesentlich geringeres

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www.optigruen.de

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Aus der Praxis

Dachbegrünung 4.0 Über vier Systeme für die Zukunft der Städte Die Zukunft der Städte stellt in Zeiten des Klimawandels auch die Dachbegrünung vor ganz neue Aufgaben, so dass der Dachbegrünungssystemhersteller ZinCo vier neue Systeme entwickelt hat, welche gänzlich neuartige Dimensionen bieten – ­daher der Begriff Dachbegrünung 4.0. Die innovativen ZinCo-­ Systeme heißen „Retentions-Gründach“, „Klima-Gründach“, „Bewässerte Extensivbegrünung“ und „Biodiversitäts-Gründach“. Sie alle haben revolutionäres Potential, also Kraft zu ­einer nachhaltigen strukturellen Veränderung im Bereich ­Dachbegrünung. Der große Innovationsmotor heißt Klimawandel. Von Starkregenereignissen bis zu hohen Feinstaubwerten reichen die dringenden Probleme, mit denen sich Stadtentwicklung heute konfrontiert sieht. Vor dem Hintergrund fortschreitender Urbanisierung und weiterhin rasanter Flächenversiegelung wird deutlich, dass die Probleme in den Städten nicht kleiner werden, sondern immer größer. Demgegenüber steht das Grundbedürfnis des Menschen nach einem grünen, lebendigen Lebensumfeld. Um dies zu verwirklichen, sind Grünflächen seit Jahrzehnten auch auf Dächern zu finden. Die neuen Systeme der Dachbegrünung 4.0 leisten nun gleichzeitig viel Größeres, und zwar in Sachen Wasserrückhalt, in Sachen Verdunstung oder in Richtung Biodiversität.

„Retentions-Gründach“ fängt Starkregen auf Dachbegrünung speichert Regenwasser und lässt dieses zeitverzögert abfließen bzw. auf dem Dach verdunsten. Das tut Dachbegrünung natürlich schon immer, und zwar bei einer Extensivbegrünung in einer Größenordnung von 20 bis 40 l/m2 Wasser, bei einer Intensivbegrünung zwischen 50 und 100 l/m2, in Einzelfällen sogar darüber. Das „Retentions-Gründach“ von ZinCo vervielfacht nun ganz gezielt diesen Rückhalte-Effekt. Es vermag dadurch Niederschlagsspitzen bei Starkregenereignissen effektiv auszugleichen und damit die Kanalisation zu entlasten – was die Hochwassergefahr reduziert. Unterhalb des eigentlichen Begrünungsaufbaus wird der Retentions-Spacer RS 60 verwendet. Dieser ermöglicht eine Speicherung von annähernd 60 l/m2 Wasser – zusätzlich zu der eingangs bezifferten Menge im eigentlichen Begrünungsaufbau. Das Wasser fließt dann über ein präzise regulierbares Drosselelement langsam in einem definierten Zeitraum (zwischen 24 h und mehreren Tagen) in die Kanalisation ab. Der über dem Retentions-Spacer liegende Begrünungs­ aufbau hingegen stellt alle für das Funktionieren der Dachbegrünung wichtigen Aspekte sicher, wie Luft-WasserHaushalt im Wurzelraum, Dränage und Wasserspeicherung für die Pflanzen. So sind alle Dachbegrünungs- und Nutzungsformen möglich, auch Geh- und Fahrbeläge. Für höhere Lasten, wie sie bei einem Fahrbelag auftreten, hat ZinCo die Spacer-Elemente RSX 65 im Programm. Und durch eine Modifikation des RSX-Spacers lässt sich das Retentionsvolumen sogar problemlos verdoppeln bzw. ver-

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Bild 1.  Die innovativen Systeme der Dachbegrünung 4.0 von ZinCo haben das Potential, Dächer revolutionär neu zu nutzen – in Bezug auf Wasserrückhalt, Verdunstung und Biodiversität.

vielfachen, sofern natürlich die Statik des Daches darauf ausgelegt wird.

„Klima-Gründach“ mildert Aufheizung der Städte Zunehmende Versiegelung bewirkt auch, dass sich Innenstädte durch Wärmestrahlung stark aufheizen. Man spricht vom Urban Heat Island Effect. Das „Klima-Gründach“ ist nun auf eine maximale Verdunstungsleistung ausgelegt, welche gerade in trockenen, heißen Perioden aktiv zur Stadtklimatisierung beitragen kann. Dazu muss der Bepflanzung kontinuierlich Wasser zur Verfügung stehen, das aus ökologischer Sicht Grauwasser sein sollte. Genau dafür wurde die spezielle Pflanzengemeinschaft „Klima-Grün-

Bild 2.  Jeder Quadratmeter Grünfläche ist gerade in Ballungszentren wertvoll und hilft bei Starkregenereignissen, Aufheizung und Feinstaubbelastung.

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Aus der Praxis

Bild 3.  Das „Retentions-Gründach“ speichert große Wassermengen gezielt auf dem Dach und lässt dieses zeitverzögert in die Kanalisation abfließen – zum Schutz vor Hochwassergefahr.

dach“ im Rahmen eines DBU-Forschungsprojektes in Weihenstephan entwickelt. Kernelement ist das neue, zweischichtige Aquafleece AF 300, das über Tropfschläuche automatisch bewässert wird, in Kombination zum Beispiel mit Floraset FS 50. Das unterseitig dichte Gewebe des Aquafleeces verteilt Wasser zuerst in der Fläche und lässt es erst durchtropfen, wenn das oberseitige Vlies flächig wassergesättigt ist. Durch kapillaren Aufstieg gelangt das Wasser in das darüberliegende Substrat und wird aktiv von den Pflanzen verdunstet. Zum Vergleich: ein ausgewachsener Stadtbaum beispielsweise kann an einem heißen Sommertag ca. 300– 500 l verdunsten. Eine 100 m2 große, klassische extensive Dachbegrünung kommt bei guter Wasserversorgung durchaus in dieselbe Größenordnung, nicht aber bei anhaltender Trockenheit. Genau dann reduziert sich die Verdunstungsrate auf nur ein Zehntel. Mit dem neuen Systemaufbau „Klima-Gründach“ lässt sich die Verdunstungsrate auf etwa das Doppelte, also 700–1.000 l pro Tag bei 100 m2 steigern und auch in Trockenperioden dauerhaft aufrecht erhalten. Ein großer Vorteil ist außerdem, dass eine Dachbegrünung nach spätestens zwei Vegetationsperioden Flächendeckung erreicht und damit auch seine maximale Verdunstungsleistung, wohingegen ein neu gepflanzter Baum viele Jahre braucht, bis er ausgewachsen ist. Die Menge von 300 l pro Tag reicht übrigens aus, um das Luftvolumen eines Würfels von 100 m × 100 m × 100 m um ca. 3–5 °C abzukühlen, je nach bereits enthaltener Luftfeuchte. Selbstverständlich beeinflussen Faktoren wie Ge-

Bild 4.  Das präzise einstellbare Drosselelement reguliert zuverlässig Wasseranstau und -abfluss innerhalb des „Retentions-Gründachs“.

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Bild 5.  „Retentions-Gründächer“ können ganz unterschiedlich aussehen: oberhalb des Speichervolumens lassen sich Extensiv- wie Intensivbegrünungen installlieren, aber genauso auch Geh- und Fahrbeläge.

bäudehöhen, Windrichtungen und -geschwindigkeiten den Kühlungseffekt, der tatsächlich in den jeweiligen HäuserSchluchten zu fühlen ist. Generell sorgt eine erhöhte Verdunstung aber immer für eine größere Kühlung im städtischen Raum.

Bild 6.  Das „Klima-Gründach“ wirkt der Überhitzung der Städte entgegen – durch die hohe Verdunstungsleistung der speziellen Pflanzengemeinschaft sowie der bedarfsgerechten Bewässerung (vorzugsweise mit Grauwasser).

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Aus der Praxis

Bild 7.  Die „Bewässerte Extensivbegrünung“ ist wegen lang anhaltender Trocken­ perioden selbst in einigen Regionen Deutschlands erforderlich – für üppiges Pflanzenwachstum.

Bild 9.  „Klima-Gründach“ und „Bewässerte Extensivbegrünung“ leben beide von der Idee der Unterflurbewässerung: Wasser aus den Tropfschläuchen verteilt sich im Aquafleece AF 300 und steht über kapillaren Anstieg den Pflanzen direkt im Wurzelraum zur Verfügung.

Bild 10.  Oft sind es einfache Module wie Sandlinsen und Totholz, welche die BiotopFunktion fördern und das Dach zum „Biodiversitäts-Gründach“ machen. (Fotos/Abb.: 1–4 u. 6, 7, 9 ZinCo; 5 Mitsubishi Electric Europe B.V.; 8 u. 10 Ahner)

Bild 8.  Das „Biodiversitäts-Gründach“ maximiert den Artenreichtum an Fauna und Flora auf dem Dach – dank Substratanhäufungen, Nisthilfen, Gestaltungen mit „Totholz“ und vielem mehr …

„Bewässerte Extensivbegrünung“ – günstig für trockene Regionen Durch den Klimawandel werden auch in Deutschland mehr Regionen als bislang mit längeren Trockenperioden konfrontiert. Das sind beispielsweise das Mainzer Becken

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oder der gesamte nordöstliche Bereich von Erfurt, über Magdeburg und Berlin bis nach Usedom. Dort liegen die Jahresniederschläge zum Teil deutlich unter 500 mm. Hier ist auch bei Extensivbegrünungen eine effiziente und kostengünstige Bewässerung in Trockenzeiten gefragt – eben nicht nur in der Anwachsphase. Entscheidender Bestandteil der „Bewässerten Extensivbegrünung“ ist ebenfalls Aquafleece AF 300, das über eine automatische Steuerung per Tropfschläuche bewässert wird, sofern natürliche Regenfälle ausbleiben. Wasserverteilung und kapillarer Aufstieg in das Substrat sorgen dafür, dass das Wasser direkt im Wurzelraum zur Verfügung steht. Genau deshalb ist auch der Wasserverbrauch erheblich reduziert, im Gegensatz zu einer herkömmlichen Zusatzbewässerung von oben, zum Beispiel durch Rasensprenger, wo das Wasser teilweise an der Oberfläche verdunstet. Auch im Vergleich zur klassischen Tröpfchenbewässerung ist dieses System mit seiner intelligenten Wasserverteilung klar im Vorteil, da weitaus weniger Tropfschläuche notwendig sind. So wird bei der Installation und im Wasserverbrauch viel bares Geld gespart. Ideal also für trockene Klimate – hier genauso wie im mediterranen Raum. Das anpassungsfähige System passt vom 0°-Dach bis zu ca. 5° Neigung.

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Aus der Praxis

„Biodiversitäts-Gründach“ fördert die biologische Vielfalt Neben den neuen Systemen im Zeichen des Klimawandels ergänzt schließlich das „Biodiversitäts-Gründach“ das Spektrum von Dachbegrünung 4.0, denn die Erhaltung der biologischen Vielfalt von Fauna und Flora gilt als wichtige Lebensgrundlage für den Menschen. Das „Biodiversitäts-Gründach“ ist gekennzeichnet durch besondere Biodiversitäts-Module, die die BiotopFunktion steigern. Dazu gehört das Modulieren der Substratoberfläche durch einzelne Anhügelungen mit einem humus- und nährstoffreicheren Substrat und die gezielte Auswahl von Futterpflanzen für Insekten und Vögel. Als wichtige Bereicherungen gelten zudem Strukturelemente wie abgestorbene Äste und Stämme, vegetationsfreie Flächen wie Sandlinsen und Grobkiesbeete sowie temporäre Wasserflächen. Sehr dienlich sind auch Nisthilfen wie Insektenhotels, Hummelnistkästen oder Ameisensteine. Mit der Zeit entsteht so ein besonders artenreicher und ökologisch wertvoller Lebensraum auf dem Dach. Auch bereits existierende, artenarme Begrünungen lassen sich mit diesen Modulen jederzeit in ein „Biodiversitäts-Gründach“ verwandeln.

Gehen Sie beim Dach immer auf Nummer sicher.

Nur so geht es in Zukunft Dachbegrünung stand immer schon für ökologischen Ausgleich und nutzbare Freifläche. Sie schützt die Dachabdichtung, wirkt als Wärmedämmung sowie Schallschutz, bindet Staub und Schadstoffe. Ihr Wasserrückhaltevermögen haben viele Städte und Gemeinden auch bisher in Form von gespaltenen Abwassergebühren honoriert. In Zeiten des Klimawandels erkennen viele Städte Handlungsbedarf und haben einschlägige Förderprogramme für Dachbegrünung installiert bzw. arbeiten daran. Und jetzt kann Dachbegrünung noch weit mehr leisten als bisher – dank der beschriebenen neuen Dimensionen von Retention, Bewässerung und Verdunstung bis hin zur Biodiversität. Ob Gebäude neu gebaut oder saniert werden, das Potential all dieser Dächer lässt sich mit Dachbegrünung 4.0 jetzt revolutionär neu nutzen. Genau das ist die Zukunft urbanen Bauens. Roland Appl, Technischer Leiter, ZinCo GmbH

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Visionäre Entwürfe überlassen wir Ihnen ganz allein – das Thema Dachsicherheit nicht. Als führender Hersteller von Systemlösungen fürs Flachdach und Steildach liefern wir alles rund ums Dichten, Dämmen, Begrünen und Energiegewinnen. Plus ein Mehr an Planungs- und Ausführungssicherheit mit Ihrem persönlichen Bauder Fachberater. Nehmen Sie doch einfach direkt Kontakt mit ihm auf unter: www.bauder.de/fachberatersuche

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Aus der Praxis

Grünes Vorbild Kommune Dachbegrünungen für mehr Qualität in Städten mindern die sommerliche Hitzebelastung und bilden Sauerstoff, sie binden Staub und CO2. Dachbegrünungen kommen dabei ganz direkt ihren Nutzern zugute, denn Mikroklima und Erholungsfaktor werden entschieden verbessert. Mit bepflanzten Dächern lässt sich nicht nur zusätzlicher Lebensraum auf bebautem Grund gewinnen, sondern auch das Klima verbessern und somit Energiekosten sparen. Dabei schützt eine gut geplante und fachmännisch ausgeführte Dachbegrünung die Abdichtung vor extremen Temperaturen, Hagel und UV-Strahlung und verlängert so ihre Lebensdauer. Im Winter hält sie Kälte länger ab, im Sommer ist der Temperaturanstieg des Dachs im Vergleich zu lediglich bekiesten Dächern deutlich geringer. Zusätzlich wirkt die aufgebrachte Masse als natürlicher Schallschutz. Bild 1.  Mit jedem Gründach entsteht ein neuer Lebensraum auf dem Dach. Industrie­ dachflächen eignen sich hervorragend dafür, der Natur wieder ein Stück an versiegelter Fläche zurückzugeben.

Begrünte Dächer – ein guter Ausgleich gegen die Flächenversiegelung

Ziel einer nachhaltigen Stadtentwicklung muss es sein, die Lebensqualität zu sichern. Gründächer können durch ihre Wirkung für Klima, Artenvielfalt und Gesundheit einen wertvollen Beitrag leisten. Sie sind neben Hofbegrünungen und Straßenbäumen oft die einzige Möglichkeit, Grün in verdichtete Stadtquartiere zu bringen.

Das Wasserrückhaltevermögen bzw. die Abflussverzögerung von begrünten Dachflächen ist mit 50 bis über 90 % je nach Schichtdicke sehr hoch und macht sie somit zu Elementen dezentraler Regenwasserbewirtschaftung. Die Planung der Oberflächenentwässerung könnte angepasst, Versickerungseinrichtungen entsprechend kleiner ausgeführt oder mehr Flächen an die vorhandene Kanalisation angeschlossen werden. Für Dachbegrünungen können bei der KfW-Bank staatliche Förderungen beantragt werden. Darauf weist der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) hin. Mit der Veröffentlichung der Liste förderfähiger Maßnahmen durch die KfW-Bank ist die grüne Technologie der Dachbegrünung als Wärmedämmungsmaßnahme ins KfW-Programm „Energieeffizient Sanieren“ aufgenommen worden.

Vorteile und Förderung

Das richtige Dachsystem für langfristige Sicherheit

Grünflächen in den Städten besitzen neben ihrem eigenständigen Wert Funktionen für Mensch und Umwelt: sie

Ob üppige Dachlandschaft oder pflegearmer Sedumteppich ist eine Sache der Statik, der Pflege und der Zielsetzung. Bei Bestandsbauten müssen die nutzbaren Reserven der Tragfähigkeit und der Wurzelschutz fachtechnisch geprüft werden, bei Neubauten kann die gewünschte Aus­

Ein Gründach ist in jeder Hinsicht ein ökologischer aber auch ein ökonomischer Gewinn. Ein guter Grund, auf kommunalen Gebäuden bei Neubau und Sanierung eine extensive Begrünung, ein Dachbiotop oder eine Terrasse anzulegen. Grüne und nutzbare Dächer haben ein wesentliches urbanes Wertschöpfungspotenzial mit vielfältigen Wirkungsweisen. Mit kompetenter Beratung, optimal ausgelegten Dachsystemen und fachgerechter Verarbeitung und Pflege entstehen dauerhaft ansprechende und sichere Dächer.

Bild 2.  Intensivbegrünungen auf Flachdächern bieten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten und können bei entsprechender Ausführung als Garten auf dem Dach genutzt werden: Beispiel einer intensiv begrünten Dachterrasse eines Seniorenheims.

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Bild 3.  Ziel einer Extensivbegrünung ist eine naturnah angelegte Vegetation mit geringen Flächenlasten und minimalem Pflegebedarf. Als bestandsbildende Pflanzen finden häufig Sedumarten Verwendung.

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Aus der Praxis

führung bereits beim Entwurf berücksichtigt werden. Mit einem hochwertigen Flachdachaufbau mit Wurzelschutz, dem entsprechenden Gründachsystem, Vegetation und Pflege lassen sich attraktive Dachbegrünungen für Massivund Leichtdächer umsetzen. Egal, ob für große oder kleine Flächen wie Garagen oder Carports, Bauder bietet hierfür bewährte Systemaufbauten abgestimmt auf die jeweilige Dachsituation und den gewünschten Nutzen. Ein Gründach auf öffentlichen Gebäuden ist dabei ein besonderes Vorbild – grüne Vielfalt gibt es für fast jede Dachsituation. Den Kosten steht ein großer Nutzen gegenüber.

Fazit

sich mit dem heutigen Stand von Dachsystemen und Vegetationstechnik bei entsprechender Planung dauerhaft und sicher umsetzen. Qualität in Planung, Material und Ausführung macht Dächer sicher. Die Dachbegrünung schützt dabei die Abdichtung und verlängert somit ihre Lebensdauer. Ergänzt durch die Möglichkeit der KfW-Förderung kann somit wegweisend und nachhaltig investiert werden. Bauder bietet werkstoffübergreifend alle Produkte zum Dichten, Dämmen, Begrünen und Energie Gewinnen für Neubau und Sanierung an. Bauherren, Planer, Architekten und Verarbeiter werden von der Planung bis zur Endabnahme kompetent betreut, zudem werden zertifizierte Schulungen für das Dachdeckerhandwerk angeboten.

Vorteil und Nutzungsmöglichkeiten von Dachbegrünungen in Städten sind enorm. Selbst ausgefallene Lösungen lassen

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Grüne Fassaden für nachhaltiges Bauen Begrünte Fassaden verbinden ästhetischen und ökologischen Nutzen: Sie holen das Grün in die Städte und schaffen natürliche Lebensräume. Als Teil nachhaltiger Gebäudekonzepte verringern sie ökologische Lasten und tragen zum Schutz von Klima und Umwelt bei. Mit GREENCABLE bietet CARL STAHL ARCHITEKTUR ein modulares Rankhilfesystem aus Edelstahlseilen und Aluminium Zubehör. Sie erlauben individuelle Gestaltungsmöglichkeiten und zieren Fassaden bereits, so lange das Grün noch wächst.

Das wachsende Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz findet seinen Ausdruck zunehmend in nachhaltigen Architekturkonzepten, in denen sich ökologisch-ökonomische Elemente mit ästhetischer Formgebung vereinen. Begrünte Fassaden erfüllen hierbei einen Doppelnutzen: Optisch ansprechend mit üppigem Bewuchs, prächtigen Blüten oder wechselnder Farbigkeit im Laufe der Jahreszeiten, dämmen sie Wärme im Winter und sorgen für Kühlung im Sommer. Sie sind natürlicher Schallschutz und bewahren

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Aus der Praxis

Bild 1.  Mit seiner schnellen und einfachen Montage eignet sich das GREENCABLE System besonders für die Begrünung kleiner bis mittelgroßer Flächen

Moulineaux westlich von Paris Studierenden eine fundierte Ausbildung in rund 40 künstlerischen Disziplinen. Für die renommierte Musikhochschule gestalteten Lehoux-Phily-Samaha Architectes einen modernen Erweiterungsbau, der die bestehenden Gebäude ergänzt den heutigen Bedürfnissen der mittlerweile ca. 1.400 Studierenden und Mitarbeitern erfüllt. Damit sich der Neubau natürlich in die Umgebung einpasst und den öffentlichen Raum ästhetisch aufwertet, wächst dem Neubau nach und nach eine grüne Hülle. Senkrecht entlang der Fassade verspannte GREENCABLE Begrünungssysteme von CARL STAHL ARCHITEKTUR bieten den Rankpflanzen dabei optimalen Halt. Die 4 mm starken Edelstahlseile sind in zylindrischen Wandhaltern mit vier Durchgangsbohrungen einfach verklemmt und von Hand auf Spannung gebracht. Die homogene Eloxalschicht der Alumi­niumteile sorgt für Langlebigkeit und eine stilvolle Optik schon während der Wachstumsphase der Kletterpflanzen. Die Fassadenbegrünung mit GREENCABLE, I-SYS und X-TEND von CARL STAHL ARCHITEKTUR ist Ausdruck eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Natur. Überschaubar konzipiert, einfach zu planen und leicht zu montieren, eignen sich die Begrünungssysteme aus Edelstahlseilen und -netzen für verschiedene Arten von Fassaden und Pflanzen. Als optimale Rankhilfen ermöglichen sie flächige Begrünungen in jeglicher Dimension. Ein aufeinander abgestimmtes Baukastensystem von Einzelteilen bildet die Basis für flexible Gestaltungsmöglichkeiten und kreative Ideen. Witterungsbeständig, langlebig und wartungsarm halten sie später die lebendige Gebäudehülle über Jahrzehnte fest.

Über Carl Stahl Architektur

Bild 2.  Ästhetisch und funktional zugleich verwandelt GREENCABLE die Fassade des Conservatoire Niedermeyer in Issy-les-Moulineaux in ein natürliches Kunstwerk (Fotos: Carl Stahl France)

die Fassade vor schädlichen Einwirkungen durch Witterung und Schmutz.

Grüne Ranken für renommierte Musikhochschule Von Alter Musik bis Jazz, von der Entwicklung von Musik und Tanz bis hin zu einem spezialisierten Postgraduiertenstudium bietet das Conservatoire Niedermeyer in Issy-les-

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Geländerfüllungen und Absturzsicherungen, begrünte Fassaden, spektakuläre LED-Lichtinstallationen und komplexe Zooanlagen: Mit der Erfahrung von über 25 Jahren schafft CARL STAHL ARCHITEKTUR beeindruckende Architekturprojekte mit Edelstahlseilen und -netzen. Von der Beratung, Planung und statischen Berechnung bis hin zur Herstellung und Montage reichen die Leistungen, die CARL STAHL ARCHITEKTUR als Komplett-Service weltweit für Architekturprojekte anbietet. Die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 zeugt von höchsten Qualitätsansprüchen. Als klimaneutral agierendes Unternehmen denkt und wirtschaftet CARL STAHL ARCHITEKTUR nachhaltig und sichert als deutsches Familienunternehmen seit 1880 die Wertschöpfungskette mit eigener Produktion in Europa.

Projekt: Conservatoire Niedermeyer (Erweiterungsbau), ­Paris, Frankreich ■■  Architektur: LEHOUX-PHILY-SAMAHA Architectes, Paris, Frankreich ■■  Fassadenbegrünung: CARL STAHL ARCHITEKTUR, Süßen, Deutschland

www.carlstahl-architektur.com

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Aus der Praxis

MoosTex: Aktive Bewässerung regelt den Feinstaub-Hunger der Mooswände

Bild 1.  Entwicklung von modularen Wandsystemen zur Feinstaubbindung und Lärmschutz: …

Bild 3.  … ZÜBLIN, Helix Pflanzen und DITF-Deutsche Institute für TextiI und Faserforschung bilden Forschungsteam (Fotos: 1 u. 3 Ed. Züblin AG; 2 DITF)

Ziel des Forschungsprojekts MoosTex ist die Entwicklung modularer Mooswände zur Feinstaubbindung, die flexibel und wirtschaftlich in urbanen Räumen mit hoher Verkehrsbelastung eingesetzt werden können.

ßen Schritt vorangekommen. Die drei Projektpartner ha­ ben ein System entwickelt, das das Überleben der vertikal gepflanzten Moose unter realen Witterungsbedingungen sichert und mit dem ihre biologische, Feinstaub absorbie­ rende Aktivität gezielt gesteuert werden kann. Moose binden und verstoffwechseln Feinstaub über ihre großen Blattoberflächen – eine natürliche Eigenschaft, die sich das Projekt MoosTex zunutze machen will. Seit November 2017 sind dazu zehn modulare Mooswände an vier verschiedenen Standorten in der Region Stuttgart bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen und Himmels­ ausrichtungen intensiv getestet worden. Die Projektpart­ ner haben daraus nun zwei entscheidende Kernelemente für die Konstruktion der Mooswände abgeleitet, um deren Feinstaub schluckendes Potenzial optimal ausschöpfen zu können: ein aktives Bewässerungssystem und einen spe­ ziellen, auf das Moos angepassten textilen Unterbau.

Modulare Mooswände sollen in Feinstaub geplagten Me­ tropolen einen nachhaltigen Beitrag zur Luftreinigung lie­ fern: Auf dem Weg zur praktischen Umsetzung ihrer inno­ vativen Idee im Forschungsprojekt MoosTex sind die Ed. Züblin AG, die Helix Pflanzen GmbH und die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) einen gro­

Tests mit unterschiedlichen Moos-Arten geplant

Bild 2.  Modulare Mooswand, Testaufbau auf dem DITFGelände in Denkendorf

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In den heißen und trockenen Sommermonaten des Jahres 2018 ist es im Projekt MoosTex mit einer gezielten aktiven Bewässerung gelungen, die begrünten Module der Test­ wände biologisch aktiv zu halten und sogar zu signifikan­ tem Wachstum anzuregen. Ohne hinreichende Feuchtig­ keit trocknet Moos vollständig aus, nimmt dann zwar kei­ nen Schaden, kann in dieser Schlafphase (Dormanz) aber auch keinen Feinstaub verstoffwechseln. Mit dem integrier­ ten Bewässerungssystem lässt sich also die Fähigkeit der Mooswände, Feinstaub zu absorbieren, jederzeit aktiv und gezielt steuern. Im zweiten Schritt wollen die Partner des MoosTexProjekts nun das im Labor nachgewiesene Feinstaubauf­ nahmevermögen der Mooswände auch unter realen Bedin­ gungen verifizieren. Im Frühjahr 2019 starten dazu umfang­ reiche Untersuchungen und Messungen an den Testwänden im Bereich Neckartor in Stuttgart, an der B 27 in Ludwigs­ burg sowie auf den Geländen von Helix (Kornwestheim) und DITF (Denkendorf).

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Aus der Praxis

Im Zuge der Erprobungen werden zudem unterschiedliche Moosarten getestet. Es ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Ziel, ein mit Moosen besiedeltes, modulares Wandsystem zur Feinstaubbindung zu entwickeln, das in urbanen Räumen mit hoher Verkehrs­ belastung flexibel und wirtschaftlich eingesetzt werden kann.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Forschungsvorhaben MoosTex im Rahmen des Förderprogramms „ZIM-Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand“. Das im April 2017 gestartete Projekt läuft über 36 Monate bis April 2020. www.zueblin.de; www.ditf.de

Nachhaltig währt am längsten The Coatinc Company veredelt wegweisendes Parkhaus

Bild 1.  Bald wird die Fassade des „Transferium Deutersestraat ‘s-Hertogenbosch“ komplett mit Grünpflanzen bedeckt sein.

Bild 3.  … und verzinkte mehr als 770 t Stahl für das Projekt. (Fotos: Janosch Gruschczyk)

Die niederländische Gemeinde ‘s-Hertogenbosch startete im Jahr 2016 die Bauphase eines außergewöhnlichen Parkhauses. Das „Transferium Deutersestraat ‘s-Hertogenbosch“ fasst 1.100 Autos und 260 Fahrräder und wird in Zukunft hinsichtlich Nachhaltigkeit punkten.

gen 1.500 Sonnenkollektoren auf dem Dach des Gebäudes. Die gespeicherte Energie versorgt dort parkende Fahrräder, Autos und Busse mit Strom – eine Art Batterie für die Stadt. Das Konzept entstammt der Kooperation des Inge­ nieurbüros Witteveen+Bos und JHK Architecten. Konstruiert wurde der Entwurf anschließend vom niederländischen Stahlbauer Kampstaal. Coatinc Mook beteiligte sich als Experte für Oberflächenveredlung und verzinkte mehr als 770 t Stahl für das Projekt. Mit dem gewählten Verfahren der Feuerverzinkung wird nun in Zukunft eine lange Haltbarkeit und ein zuverlässiger Korrosionsschutz gewährleistet. Aufgrund atmosphärischer Belastung und den Pflanzen an der Fassade ist ein langfristiger Schutz des Parkhauses unerlässlich. Randy Creutzburg, Verkaufsinnen­ dienst und Qualitätsmanagement Coatinc Mook, war für die Betreuung des Projektes zuständig und ist stolz über die Beteiligung von The Coatinc Company an diesem nachhaltigen Projekt: „In der heutigen Zeit wird es immer wichtiger, etwas für die Umwelt und das Klima zu tun. Umso mehr erfreut es uns, die Welt mit unserer Arbeit ein Stück weit besser gemacht zu haben.“ Das Projekt wurde 2018 beendet. Ansprechpartner für alle Fragen rund um die Oberflächenveredelung ist Randy Creutzburg. Zu erreichen ist er telefonisch unter +31 614 305924 oder per E-Mail an qm_mook@coatinc.com.

Da es gerade erst fertiggestellt wurde, kann man es noch nicht erkennen, doch bald wird die gesamte Fassade mit Grünpflanzen bedeckt sein. Das Besondere daran ist, dass das Transferium energieneutral betrieben wird – dafür sor-

Bild 2.  Coatinc Mook war als Experte für Oberflächenveredlung an dem Projekt beteiligt …

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Dachbegrünung und Regenwasser

Betriebshöfe mit vorbildlichem Regenwasserkonzept Die Grundsätze der Regen-Ableitung, -Versickerung und -Verdunstung ändern sich Nach Einführung der technischen Regel DWA-A 102 wird bei der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung neben der Entwäs­ serungssicherheit (Quantitätsaspekt) und der Behandlung des Regenabflusses (Qualitätsaspekt) vor allem die lokale Wasserbilanz eine zentrale Rolle spielen. Das erfordert eine hohe Verdunstungsrate und wird nur mit Hilfe begrünter Dächer gelingen. Regenwasser nutzen und versickern ist für die meisten Betriebshöfe der Kommunen, Landkreise und Bundesländer selbstverständlich – insbesondere bei den neu gebauten Betriebsstätten der Straßen- und Flussunterhaltung, der Verkehrs- und Entsorgungsbetriebe. Verdunsten war selten gefordert, was sich mit dem Arbeitsblatt DWA-A 102, das als Entwurf vorliegt, ändern soll. Die Bauten, die hier vorgestellt werden, erfüllen die neuen Anforderungen: Ihre begrünten Dachflächen verdunsten entsprechend viel Niederschlag.

Technisches Zentrum Heiterblick der Leipziger Verkehrs­ betriebe Die Leipziger Verkehrsbetriebe sichern täglich die Mobilität der Menschen für Stadt und Region. Um einen optimal

funktionierenden Nahverkehr sicherzustellen, investieren die Verkehrsbetriebe nicht nur kontinuierlich in das Linien­netz und die Fahrzeugflotte, sondern auch in die Betriebshöfe und Werkstätten. Die Straßenbahn wird ­weiterhin der Hauptverkehrsträger im innerstädtischen ÖPNV Leipzigs sein. Somit ist es eine Aufgabe von steigender Bedeutung, die Fahrzeuge betriebsbereit zu erhalten. Unter diesem Aspekt wurde das Gesamtkonzept des Technischen Zentrums (TZ) Heiterblick entwickelt. Zusammen mit den Betriebshöfen Angerbrücke und Dölitz bildet es ein funktionelles Dreieck, das den Anforderungen an moderne und leistungsfähige Straßenbahn-Betriebshöfe entspricht. Insgesamt arbeiten im TZ 580 Mitarbeiter, davon max. 300 gleichzeitig. Das vom 165.000 m2 großen Gelände und den Dächern abfließende Regenwasser wird in einem Stauraumkanal mit 3 m Durchmesser und 2.700 m3 Fassungsvermögen gesammelt und steht der Sprinkleranlage in der neu erstellten Hauptwerkstatt zur Verfügung. Auch die Bewässerung der Außenanlagen erfolgt mit dem so gespeicherten Niederschlag. Sind diese Vorräte aufgebraucht, dürfen drei Grundwasserbrunnen genutzt werden. Der Stauraumkanal stellt, wie die Dachbegrünung, eine verzögerte Ableitung

STADTKLIMA-RETTER PLANEN GRÜNDÄCHER Urbaner Klimaschutz mit OPTIGRÜN Systemlösungen Begegnen Sie überhitztem Stadtklima und Starkregenereignissen mit zukunftsfähigen Gründachlösungen. Dachbegrünungen kompensieren die Flächenversiegelung, speichern und verdunsten Niederschlagswasser und entlasten dadurch die Kanalisation. Gleichzeitig sorgen sie für ein angenehmeres Stadtklima, mildern den Hitzeinseleffekt und erhöhen die Biodiversität. Sprechen Sie uns an: info@optigruen.de Optigrün international AG | Am Birkenstock 15-19 | D-72505 Krauchenwies-Göggingen | Tel.: +49 7576 772-0 | www.optigruen.de

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Dachbegrünung und Regenwasser

Regenwasserverdunstung durch Dachbegrünung

Bild 1.  TZ Heiterblick der Leipziger Verkehrsbetriebe. Hauptwerkstatt für die Wartung und Instandsetzung der Straßenbahnen.

Grundsätzlich ist die Bewirtschaftung der Niederschläge zur Rückführung in den natürlichen Wasserkreislauf von zentraler Bedeutung für den Klimaschutz. Denn solange Regenwasser wie bisher abgeleitet wird, fehlt eine Menge Luftfeuchtigkeit, die für weiteren Niederschlag notwendig ist. In der Physik wird die bei Verdunstung von 1 m3 Wasser alleine durch Änderung des Aggregatzustandes gebundene Energie mit ca. 700 kWh angegeben, bezogen sich auf die Verdunstung bei 45 °C. Bei 100 °C sind es noch 630 kWh. In Stadtzentren würde dieser physikalische Effekt der Wärmebindung als natürliche Kühlung gut funktionieren, wären genügend wasserhaltige Flächen vorhanden. Extensiv begrünte Dächer wandeln in den Sommermonaten 58 % der Strahlungsbilanz in die Verdunstung von Wasser um. Im Gegensatz dazu liegen Bitumendächer bei 6 %‚ wie Messungen an zwei benachbarten Dächern der UFA Fabrik in Berlin bestätigen. Regel der Technik (Stand März 2019): FLL-DachbegrünungsRichtlinie, Feb. 2018 Besonderheit: Bei Kombination Dachbegrünung mit Photovoltaik muss wegen Gewährleistung (Windsog etc.) die PV-Halterung zusammen mit dem Gründach ausgeschrieben und beauftragt werden. Für die Betriebsweise ideal ist eine Bewässerung, um optimale Verdunstungsleistung/Kühlung für die Photovoltaik zu erhalten.

Bild 2.  Zukünftiger Campus TZ Heiterblick, Leipziger Verkehrsbetriebe. Begrünte Dachflächen auf den Neubauten: Vorne Abstellhalle, Mitte Hauptwerkstatt (2014 fertiggestellt), hinten Betriebswerkstatt. Grau: Denkmalgeschützter Gebäudebestand.

des Regenwassers dar und entwässert mit max. 10 l/s in den Regenkanal der Kommunalen Wasserwerke Leipzig. Um Leichtflüssigkeiten wie Öl und Benzin zurückzuhalten, ist ein Absetzbecken mit Sedimentationsraum und Tauchwand vorgeschaltet. Ein Gründach bringt Vorteile für den natürlichen Wasserkreislauf sowie das Mikroklima im Umkreis des

Bild 3.  TZ Heiterblick, Neubauten. Beispiel eines begrünten Retentionsdaches. Mäander-60-Elemente auf Schutz- und Speichervlies, darunter wurzelfeste Dachabdichtung. Später folgt auf die Mäander-Elemente ein Filtervlies, darüber Extensivsubstrat mit Vegetation.

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­Gebäudes. Das liegt an der Luftbefeuchtung und Verdunstungskühlung durch die Pflanzen, die das Regenwasser in gasförmigem Zustand zurück in die Luft geben – ebenso an der Staubbindung sowie der Umwandlung von Kohlen­ dioxid in Sauerstoff. Und es bringt dem Betreiber messbare Vorteile. So treten z. B. keine größeren Temperaturschwankungen in der Konstruktion auf, was die Nutzungsdauer der Immobilie und deren finanziellen Wert erhöht. Auch ist der Wohlfühleffekt in den Räumen darunter an sehr heißen Tagen besonders groß, solange die Begrünung nicht ausgetrocknet ist. Um dies ohne Bewässerung zu erreichen, versuchen die Hersteller der Gründachsysteme die Verfügbarkeit des Regenwassers für den Bewuchs zu verbessern. Dachbegrünung nach heutiger Bauart besteht aus mehreren Schichten, mit einer Aufbauhöhe ab 8 cm und mit Verdunstungsraten im Jahresmittel von 30 % bis über 90 % der auftreffenden Regenmenge. „Wir können durch entsprechende Speicherlagen den Rückhalt des Regenwassers im System erhöhen“, erklärt Dr. Gunter Mann, Präsident des Bundesverbandes GebäudeGrün e.V. BuGG. Eines der Ergebnisse ist das Retentionsdach Typ Mäanderdach 60, wie es auf der neuen Hauptwerkstatt des TZs Heiterblick der Leipziger Verkehrsbetriebe vom Gartenund Landschaftsbaubetrieb Güther im Jahr 2013 eingebaut wurde. Inhaber Jürgen Güther nennt als Voraussetzung ein Flachdach mit 0–5° Neigung und ergänzt: „Bei 12 cm Bauhöhe erreicht die Begrünung eine Verringerung des Spitzenabflusses bis zu 83 %, entsprechend einer Abflusskennzahl C = 0,17“. Mit nur zwei Wartungsintervallen pro Jahr ist der Aufwand für die Pflege der extensiven Vegetation,

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Dachbegrünung und Regenwasser

Bild 4.  TZ Heiterblick, begrünte Dachflächen auf den Neubauten. Vegetation als Mischung aus Kräutern, Gräsern und Sedum. Hoher Wasserrückhalt und hohe Artenvielfalt bei starker Minderung des Spitzenabflusses auf einem Retentionsdach Typ Mäander 60.

Bild 5.  Flussbaubetriebshof des Landes Baden-Württemberg in Donaueschingen. Niederschlagswasser vom begrünten Dach wird direkt, von der Hoffläche indirekt über eine Sedimentationsanlage Richtung Donau entwässert. Links Waschplatz mit kombiniertem Benzin- und Koaleszenz-Abscheider, dessen Abfluss durch einen Probenahmeschacht in die Schmutzwasserkanalisation erfolgt.

bestehend aus einer Mischung von Kräutern, Gräsern und Sedum, überschaubar.

direkt, d. h. ohne Behandlung, dem öffentlichen Regenwasserkanal zugeführt. Den Abfluss von der Hoffläche nehmen mittig angeordnete Schlitzrinnen auf, die ein integriertes Innengefälle haben. Niederschlagswasser von der Hoffläche fließt so in zwei parallel verlaufenden, baugleichen Rinnensystemen zu jeweils einer Sedimentations­ anlage. Von dort wird es gereinigt dem öffentlichen Regenkanal zugeführt, der in der Breg mündet.

Flussbaubetriebshof des Landes Baden-Württemberg in Donaueschingen Das nachfolgende Beispiel zeigt, wie ein Betrieb das Oberflächenwasser direkt einleiten darf – allerdings erst nach Behandlung auf dem eigenen Grundstück und gedrosselt. Neben der Qualität des zugeführten Wassers ist auch dessen Menge ein Kriterium, da in diesem Fall die Breg, ein Zufluss im Quellgebiet der Donau, vor großen Wassermassen geschützt werden muss. „Brigach und Breg bringen die Donau zu Weg“, lernen die Schüler in Donaueschingen – obwohl sie wissen, dass sich laut Reiseführer die Donauquelle im fürstlichen Schlosspark in der Stadtmitte befindet. Tatsächlich aber trägt deren Abfluss nur noch einen geringen Teil bei. Brigach und Breg führen über 90 % der Wassermenge aus dem nahen Schwarzwald heran. 30 km weiter verliert das Flussbett der Donau schon wieder ein Drittel des Wassers. Es versickert in Richtung Bodensee, tritt als Aachquelle zu Tage und fließt auf Umwegen in den Rhein. Brigach, Breg und das erste Stück der Donau bis zur Versickerung vor Tuttlingen fallen in die Zuständigkeit des Flussbaubetriebshofs Donaueschingen – insgesamt ca. 100 km Gewässer der 1. Ordnung zwischen St. Georgen (Brigach), Hammer­ eisenbach (Breg) und Möhringen (Donauversickerung). Die 11 Mitarbeiter am neu gebauten Standort sind angestellt beim „Landesbetrieb Gewässer Baden-Württemberg“ und sorgen dafür, dass Flussbett und Ufer der Gewässer sich in einem guten Zustand befinden. Nach der Rückkehr von Bau- und Pflegeeinsätzen werden Maschinen und Geräte gereinigt, bei Bedarf gewaschen und in der Halle abgestellt. Die Entwässerung von Waschplatz und Innenraum der Fahrzeughalle erfolgt über Abläufe und Rohre zum Benzin- und Koaleszenz-Abscheider, dann weiter durch einen Probenahmeschacht in die Schmutzwasser­ kanalisation. Die Entwässerung des Niederschlagswassers der Hoffläche und der Dachfläche erfolgt über parallel verlaufende Kanalstränge, die jeweils südlich und nördlich der Hofhälfte platziert sind. Der Abfluss vom begrünten Dach wird

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Dachbegrünung 4.0 Was Was Was Was

hilft bei Starkregen? wirkt gegen Überhitzung? tun in langen Trockenperioden? fördert die biologische Vielfalt?

Dachbegrünung bedeutet „ökologischer Ausgleich“, „Schutz der Bausubstanz“ und oft auch „architektonisches Highlight“. In Zeiten des Klimawandels kommen nun gänzlich neuartige Dimensionen hinzu. Lösungsansätze finden Sie in unserer Broschüre Dachbegrünung 4.0 unter: www.zinco.de/downloads

hier geht es zu unseren neuesten Objektfilmen

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Dachbegrünung und Regenwasser

Funktionsweise der hier verwendeten Oberflächenwasser-Reinigung: Sedimentation ist die einfachste und wirtschaftlichste Methode der Regenwasserbehandlung. Ein Prallblech versetzt den Zulauf und das im Behälter stehende Wasser in Rotation. Die Wasserströmung wird durch das eingebaute Zentralrohr nach unten gelenkt, wobei sich Schwebstoffe zum Behälterboden hin absondern (Sedimentation). Falls weniger Raum zur Verfügung steht, als berechnet, kann die wirksame Oberfläche des Beckens vervielfacht werden mit Hilfe so genannter Lamellenpakete. Das sind zusätzlich eingebaute, parallel angeordnete, profilierte Platten. Sie verbessern die Absetzwirkung, insbesondere für kleine Partikel. Sowohl Lamellenklärer als auch Sedimentationsanlagen erfüllen die aktuellen Richtlinien der Oberflächenwasserbehandlung, wie z. B. DWAM 153. Im Fall einer Havarie, die ein geplatzter Kraftstofftank oder eine defekte Ölwanne verursachen könnte, wird der Abfluss von Leichtstoffen oder mineralischen Kohlenwasserstoffen (MKW) durch den in der Sedimentationsanlage zusätzlich vorhandenen Auffangraum verhindert.

Wann besteht Behandlungsbedarf bei Oberflächen-Abfluss? Bild 6.  Extensiv begrünte flache Dächer wie das des Flussbaubetriebshofes in Donaueschingen verdunsten im Jahresmittel 50 % des auftreffenden Niederschlags. Für die nachfolgende Entwässerung darf daher mit einem mittleren Abflussbeiwert von 0,5 gerechnet werden.

Begriffserklärungen Regenwasserbehandlung –  Sedimentation: Ablagern/Absetzen von Teilchen aus Flüssigkeiten oder Gasen unter dem Einfluss der Schwerkraft und anderen Kräften, wie z. B. der Zentrifugalkraft („Fliehkraft“) in einer Zentrifuge. Bildet sich zuunterst eine Schicht von Schwebstoffen, so nennt man diesen Bodensatz Sediment. –  Vorflut: Jegliche Art von Gerinne, z. B. Gewässer und Bodendränagen, in denen Wasser in Form von Abwasser, Regenwasser oder Drainagewasser in ein Gewässer abfließen kann. Natürliche Vorfluter sind offene Fließgewässer, die Wasser aus anderen Gewässern, aus Grundwasserkörpern oder AbflussSystemen aufnehmen und ableiten. –  Volumenstrom (Q): Volumen eines Mediums, das sich innerhalb einer Zeiteinheit durch einen Querschnitt bewegt. Q = v × A (Volumenstrom = Fließgeschwindigkeit × Querschnittsfläche) –  Gewässerpunkte (G): Zahlenwert, der die Fähigkeit zur Selbstreinigung eines Gewässers zum Ausdruck bringt. Je höher die Punktzahl, desto höher die Belastbarkeit. –  Kritische Regenspende (rkrit): Regenspende, die durch eine Behandlungsanlage erfasst werden muss, um einen statistisch bestimmten Wirkungsgrad der Regenwasserbehandlung bezogen auf das jährliche Schmutzaufkommen zu erreichen. –  Oberflächenbeschickung (qA): Vergleichs- und Bemessungsparameter von abwassertechnischen Reaktoren z. B. Sedimentationsanlagen. Angegeben wird das Verhältnis der zulaufenden Wassermenge (QZu [m3/h) zur hydraulisch wirksamen Oberfläche der Behandlungsanlage (A [m2]). Das Ergebnis wird in der Einheit [m3/(m2×h)] oder [m/h] ausgedrückt. Grundlage ist das Stoaksche Gesetz, nach dem sich Teilchen in Abhängigkeit ihrer Dichtedifferenz und Korngröße in einem Fluid bewegen. Quelle: Mall, Planerhandbuch „Regenwasserbewirtschaftung“ 2019

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Wie bei allen Abwässern fordert das WHG konsequent auch vor der Einleitung in ein Gewässer Verfahren nach dem Stand der Technik. Allerdings gibt es dafür keine physikalischen Parameter im Gegensatz zum Einleiten von Abwasser in den Kanal. Der Grund: Nicht nur die Art der Verschmutzung, sondern auch die Leistungsfähigkeit der Gewässer, in die eingeleitet wird, muss berücksichtigt werden. Zunehmend kristallisieren sich die feinen Abfiltrierbaren Stoffe (AFS Fein) als Leitparameter für die Grenz­ bedingungen heraus. In Baden-Württemberg und einigen anderen Bundesländern wird der Behandlungsbedarf mit Hilfe der Arbeitshilfen für den Umgang mit Regenwasser in Siedlungsgebieten oder dem Merkblatt DWA-M 153 aus dem Quotient der ermittelten Punkte von Gewässerart und Belastung des Zulaufs festgestellt. Das heißt, Niederschlagswassereinleitungen dürfen nur erfolgen in Abhängigkeit von einerseits zumutbarer Verkehrsbelastung bzw. Exposition der Flächen und andererseits ausreichender Selbstreinigungskapazität des Gewässers, in das eingeleitet wird. Der Durchgangswert der jeweiligen Behandlungs­ anlage gibt den Frachtanteil, der im Jahresmittel nicht zurückgehalten wird, an. Dabei gilt die Reinigungsleistung als

Bild 7.  Flussbaubetriebshof des Landes Baden-Württemberg in Donaueschingen. Nach der Rückkehr von Bau- und Pflegeeinsätzen werden Maschinen und Geräte gereinigt, bei Bedarf gewaschen und in der Halle abgestellt.

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Dachbegrünung und Regenwasser

Bild 8.  Sedimentationsanlage aus Betonfertigteilen mit Strömungsverteiler. Zulauf aus Edelstahl, Zentralrohr und Ablaufgarnitur aus Polyäthylen.

ausreichend, wenn der Durchgangswert D ≤ G/B (B = Belastungspunkte, G = Gewässerpunkte). Ergebnis einer Dimensionierung ist der Durchgangswert D. Bei Anlagen zur Sedimentation ergibt sich dieser aus der kritischen Wassermenge, die jeweils einer Behandlung unterzogen wird und der Oberflächenbeschickung, dem Quotienten aus der zu behandelnden Wassermenge und der bereitgestellten wirksamen Oberfläche der Behandlungsanlage. Die kritische Wassermenge (Qkrit) wird aus der angeschlossenen undurchlässigen Fläche (AU) und der kritischen Regenspende (rkrit) berechnet. Übliche Werte für rkrit sind 15, 30, 45, 60 oder r (15,1) [l/(sxha)]. Je größer rkrit, desto kleiner (besser) ist der Durchgangswert. Für die Oberflächenbeschickung (qA)sind die üblichen Werte 18, 10, 9 und 7,5 [m/h]. Je kleiner qA, desto kleiner ist der Durchgangswert. „Darüber hinaus ist noch die Betriebsweise der Anlagen entscheidend“, sagt Stephan Klemens von Mall, dem Hersteller der Sedimentationsanlage im Flussbaubetriebshof Donaueschingen. Positiv wirke sich die Betriebsweise „ohne Dauerstau mit regelmäßiger Entleerung der Becken über die Schmutzwasserkanalisation“, gegenüber der Betriebsweise „mit Dauerstau und regelmäßiger Schlammentsorgung“ aus, so Klemens. Bei der Version Dauerstau lagert der Schlamm bis zur Reinigung am Behälterboden. Die periodisch fällige Wartung wird in der Regel von einem externen Dienstleister durchgeführt. Entscheidend dafür sind die Vorgaben des Herstellers, die für das jeweilige Produkt auf dessen Website abrufbar sind.

Bild 9.  Benzin- und Koaleszenz-Abscheider NeutraPro mit integriertem Schlammfang.

Bild 10.  Warneinrichtung NeutraStop System OASA. Elektronisch, werden zwei unabhängige Betriebssituationen der Abscheideranlage erfasst und gemeldet, bevor ein Störfall eintritt: Die Ölschichtdicke wird angezeigt und das Aufstauniveau überwacht.

Zusammenfassung Mit Inkrafttreten der künftigen technischen Regel DWAA 102 in Verbindung mit BWK-A 3 und DWA-A 138 (Versickerung) wird DWA-M 153 vermutlich eingezogen. Dann spielt bei der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung neben der Entwässerungssicherheit (Quantitätsaspekt) und der Behandlung des Regenabflusses (Qualitätsaspekt) vor allem die lokale Wasserbilanz eine zentrale Rolle. Das be-

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Bild 11.  Donau bei Donaueschingen. Ca. 100 m entfernt vom Ufer der Breg (einer der beiden Zuflüsse der Donau) liegt die Sedimentationsanlage im Flussbaubetriebshof zur Reinigung des abfließenden Oberflächenwassers. (Fotos/Abb.: 1 Leipziger Verkehrsbetriebe; 2 Schulz & Schulz Architekten; 3 u. 4 Optigrün; 5–7 u. 11 Klaus W. König; 8–10 Mall)

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Dachbegrünung und Regenwasser Projektdaten Regenwasseranlagen Hauptwerkstatt TZ Heiterblick, Leipziger Verkehrsbetriebe –– verdunstet über extensive Dachbegrünung –– nutzt Vorrat im Stauraumkanal für Brandschutz/Sprinkleranlage –– leitet den Überlauf verzögert in den öffentlichen Regenkanal ein –– Bauherr: Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH –– Adresse: Teslastraße 2, 04347 Leipzig –– Entwurfsplanung ■■  Entwässerung: Landschulte + Kloppe Ing.ges., Düsseldorf ■■  Fertigstellung: 2014 ■■  Gründach: 6.720 m2 Retentionsdach Typ Mäanderdach 60 der Optigrün international, Krauchenwies ■■  Verarbeiter: Jürgen Güther Landschafts- und Dachbegrünung, Gerichshain

Abb. vorläufig

Flussbaubetriebshof, Donaueschingen –– verdunstet über extensive Dachbegrünung –– behandelt Oberflächenabfluss vor Ableitung in die Vorflut –– Bauherr: Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Konstanz –– Adresse: Bregstr. 24 a, 78166 Donaueschingen –– Planung ■■  Entwässerung: Rottweiler Ing.- u. Planungsbüro GmbH (RIP), Rottweil –– Fertigstellung: 2011 –– Sedimentationsanlagen: 2 × Mall MSA 2500 –– Abscheideanlage: 1 × NeutraPro NS 6-2500, Warnanlage ­NeutraStop OASA

Heinz-Martin Fischer, Martin Schneider Handbuch zu DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau Grundlagen | Anwendung | Kommentare April 2019 784 Seiten. € 108,–* ISBN 978-3-433-01835-4 Auch als

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deutet, dass die Anteile von Verdunstung, Versickerung und Abfluss nach der Bebauung wieder denjenigen entsprechen müssen, die auf den Kultur- bzw. Naturflächen vor der Bebauung gegeben waren. Allerdings wird die zurzeit stattfindende Bearbeitung einer Vielzahl von Einsprüchen noch etwas dauern, so dass mit Inkrafttreten erst in der 2. Hälfte des Jahres 2019 gerechnet werden muss. Dennoch ist es bei Neubauten wie dem TZ Heiterblick der Leipziger Verkehrsbetriebe und dem Flussbaubetriebshof in Donaueschingen schon heute möglich, weitgehend den künftigen Anforderungen an die lokale Regenwasserbilanz zu entsprechen. Literatur Regenwasserbewirtschaftung und Niederschlagswasserbehandlung, Planerhandbuch. (Hrsg.:) Mall GmbH, Donaueschingen, 2019. Schmidt, Theo G.: Neue Regeln für Regenwetterabflüsse in Siedlungsgebieten: DWA-A 102 und BWK-A 3. In: Ratgeber Regenwasser. Für Kommunen und Planungsbüros. Mall GmbH, Donaueschingen, 2018. DWA-Regelwerk, Arbeitsblatt DWA-A 102/BWK-A 3: Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer – Entwurf Oktober 2016.

Klaus W. König, Überlingen

Das neue Standardwerk für den Schallschutz im Hochbau Das Handbuch zu DIN 4109 ist ein umfassendes Kompendium zur Norm. Es führt in die Grundlagen der Bauakustik und der Planung des baulichen Schallschutzes ein und erläutert die praktische Anwendung der neuen Berechnungsverfahren, Anforderungen und Nachweisverfahren von DIN 4109. Die wesentlichen Passagen aller neun Teile der Norm werden ausführlich kommentiert und durch Anwendungsfälle und -beispiele veranschaulicht. Das Zusammenwirken mit weiteren Richtlinien und Regelwerken wie z. B. der DIN EN 12354 wird aufgezeigt. Da sich die neuen Berechnungsverfahren an den physikalischen Grundsätzen der Bauakustik orientieren, werden auch diese in Grundzügen umrissen, um das Verständnis zu verbessern.

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Aus der Forschung

Neues urbanes Grün – Freistehende Vertikalbegrünung für das Stadtklima Über das BMBF-Projekt INTERESS-I, das Grüne Zimmer und das mobile Grüne Zimmer Im Vordergrund der Bauwerksbegrünung stehen üblicherweise Dach- und Fassadenbegrünung. In den letzten Jahren haben sich darüber hinaus freistehende Vertikalbegrünungen als ­eigenständige grüne Bauwerke etabliert. Allen Begrünungs-­ Formen ist gemein, dass sie ohne zusätzliche Bewässerung gar nicht existieren können bzw. die erhoffte stadtklimatische Wirkung stark eingeschränkt ist. In diesem Beitrag werden ­Beispiele für freistehende Vertikalbegrünung vorgestellt, bei ­denen eine nachhaltige Bewässerung von Anfang an einbezogen wurde. In einem Ausblick auf das gerade gestartete BMBFProjekt ­INTERESS-I wird ein innovativer Ansatz vorgestellt, bei dem die Reinigung und Speicherung von Brauchwasser in Begrünungsmaßnahmen integriert wird.

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Bild 2.  Üppige Blütenpracht im Grünen Zimmer (Foto: Eisenberg)

Ausgangslage Der für die nächsten Jahrzehnte prognostizierte Anstieg der Durchschnittstemperaturen führt vielerorts zur Zunahme der heißen Tage (> 30 °C). Für die Region Stuttgart beispielsweise zeigen die im Rahmen des KlimaStadtklimakomfortzonen können einen Beitrag zum Erhalt bzw. der Verbesserung der atlas erstellten BiokliAufenthaltsqualität in den heißer werdenmaanalysen die räumden Städten liefern. Gemeint sind damit liche Verteilung der ­Bereiche des öffentlichen Raums, die trotz voraussichtlich belaseines hohen bioklimatischen Belastungsteten Gebiete. Dempotenzials aufgrund ihrer Ausstattung bzw. nach werden über stadträumlichen Einbindung einen erträgli50 % der Regionsflächen Aufenthalt, d. h. einen Aufenthalt ohne che und 45 % der BeHitzestress, im öffentlichen Raum auch an völkerung bei einer Hitzetagen ermöglichen. Verdoppelung der Hitzetage bis zum Ende dieses Jahrhunderts von Hitzestress an mehr als 30 Tagen im Jahr betroffen sein (VRS 2008, 130 ff). Dies wird ganz erhebliche Auswirkungen auf die Nutzbarkeit des öffentlichen Raums in den Städten der Region zur Folge haben. Stadtklimakomfortzonen können einen Beitrag zum Erhalt bzw. der Verbesserung der Aufenthaltsqualität in den heißer werdenden Städten liefern. Gemeint sind damit Bereiche des öffentlichen Raums, die trotz eines hohen bioklimatischen Belastungspotenzials aufgrund ihrer Ausstattung bzw. stadträum­lichen Einbindung einen erträglichen Auf-

Bild 1.  Isometrie des Grünen Zimmers (Grafik: Eisenberg et al. 2016)

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enthalt, d. h. einen Aufenthalt ohne Hitzestress, im öffent­ lichen Raum auch an Hitzetagen ermöglichen (Eisenberg et al. 2016). Dies geschieht z. B. durch den Ausbau der urbanen Grünen Infrastruktur (Hansen et al. 2018) und durch konkrete Empfehlungen zur Erhöhung des Durchgrünungsanteils, aber auch durch lokal begrenzte Interventionen, an den für den Freiraumnutzer relevanten Stellen. D. h. dort wo zum einen eine hohe thermische Belastung zu erwarten ist, zum anderen auch viele potentielle Nutzer anzutreffen sind (Eisenberg et al. 2016). Das Ziel lokaler Maßnahmen ist die punktuelle Verbesserung der Aufenthaltsqualität hinsichtlich der thermischen Belastung, was u. a. dadurch erreicht wird, dass die direkte Strahlung reduziert und Temperaturen durch Transpiration der Vegetation und Verschattung verringert werden. Großflächige Begrünungsmaßnahmen Das Grüne Zimmer ist als Anpassungsmaßsind in bestehenden nahme konzipiert worden, bei der EntwickStadtquartieren kaum lung war es das Ziel, die Vegetationsfläzu realisieren, die Gechen in der Innenstadt zu erhöhen und verbäudebegrünung beschattete Bereiche zu schaffen. kommt daher eine zunehmende Bedeutung (Ansel 2016). Darüber hinaus bieten freistehende Vertikalbegrünungen eine weitere Option, um dem Hitzestress entgegen zu wirken (Ludwig et al. 2017). Mit dem Grünen Zimmer Ludwigsburg wurde im Rahmen des EU-Projektes TURAS im April 2014 eine solche lokale Anpassungsmaßnahme in einer innerstädtischen Hitzeinsel verwirklicht. Es befindet sich auf der Rathausplatz-Tiefgarage und besteht aus versetzt angeordneten, mit über 30 Arten bewachsenen Wänden, die aus vorkultivierten Drahtgitterkörben zusammengesetzt wurden. Ein besonderes Gestaltungselement sind die Baumwände, deren Kronen, von Anfang umfassend Schatten spenden (siehe Bild 1). Die Bewässerung der ca. 200 m2 großen, vertikalen Vegetationsfläche erfolgt mit Leitungsund Niederschlagswasser benachbarter Gebäude. Eine In-

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Aus der Forschung Durchschnittstemperatur Vergleich 40,00 35,00 30,00 25,00 20,00 15,00 10,00 5,00

Bild 3.  Freiraumnutzer nehmen Grünes Zimmer in Besitz – Sommer 2015 (Foto: Helix Pflanzen)

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Bild 4.  Vergleich der durchschnittlichen stündlichen Temperaturen im Grünen Zimmer, Rathausplatz und dem Clussgarten. 15. Juli – 18. August 2015 (Eisenberg et al. 2016)

Temperaturreduktion im Grünen Zimmer An Tagen mit maximalen Temperaturen von 30 und 35 °C an der Messstelle Rahausplatz sind die Temperaturen an den Messstellen Clussgarten und Grünes Zimmer 7 °K niedriger. D. h. dass es im Grünen Zimmer Bereiche gibt, in denen die Temperaturen an Hitzetagen dennoch unter den Schwellenwert für Hitzestress von 30 °C sinken. Mit zunehmenden Maximaltemperaturen vergrößert sich die Differenz zwischen den Messstellen auf 10,5 °K, so dass selbst bei Temperaturen von über 40 °C auf dem Rathausplatz im Grünen Zimmer 30–35 °C gemessen werden (Bild 5).

Wirkung des Grünen Zimmers Das Grüne Zimmer ist als Anpassungsmaßnahme konzipiert worden, bei der Entwicklung war es das Ziel, die Vegetationsflächen in der Innenstadt zu erhöhen und verschattete Bereiche zu schaffen. Um die Wirkung zu erfassen wurden nach der Fertigstellung des Grünen Zimmers verschiedene Parameter, die einen Einfluss auf die thermische Belastung haben, erhoben. Im Folgenden wird auf die gemessenen Lufttemperaturen Bezug genommen.

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tegration des Wasserspeichers in die Gestaltung des Grünen Zimmers wurde erwogen, jedoch aufgrund der fehlenden direkten Anschlussmöglichkeiten an die benachbarten Dächer verworfen. (Bilder 1–3)

Differenzen Tageshöchstwerte Temp. Unterschiede in ° K

Das Grüne Zimmer im Vergleich Um zu ermitteln, wie sich die Temperaturen im Grünen Zimmer über einen längeren Zeitraum im Vergleich zu den benachbarten Bereichen verhalten, wurden im Sommer 2015 über vier Wochen Messungen durchgeführt. Messpunkte waren das Grüne Zimmer, der gepflasterte Rathausplatz und stellvertretend für einen ‚herkömmlichen grünen Freiraum‘ der benachbarte Clussgarten. Bild 4 zeigt die durchschnittlichen Temperaturen je Stunde zwischen dem 15. Juli und 18. August 2015. Die Temperaturen im Grünen Zimmer – auf der Wandkrone gemessen – und am Clussgarten ähneln sich. Tendenziell sind die Temperaturen am Rand des Clussgartens höher als die im Grünen Zimmer. Die Temperaturmessstelle für den Rathausplatz unterscheidet sich dem gegenüber deutlich von den Temperaturen der anderen beiden Orte. Der Graph Rathausplatz hat einen deutlichen Tem­ peraturanstieg bis 37 °C um 14 Uhr danach einen langsameren Temperaturabfall. Die maximale Durchschnittstemperatur des Messortes Grüne Wand wird gegen 15 Uhr erreicht und liegt bei 29,7 °C. Die maximale Durchschnitts­ temperatur des Messortes Clussgarten von 30,4 °C wird erst gegen 17 Uhr erreicht, wobei die Temperaturen zwischen 15.00 und 17.00 Uhr annähernd gleich bleiben. Die Hälfte des Tages, von 22 bis 10 Uhr, verlaufen die Temperaturkurven an den drei Messpunkten parallel und erreichen gegen 7 Uhr am Morgen das Minimum. Die Abkühlung des grünen Zimmers in der Nacht fällt relativ gering aus und es ist eine bis ca. 2 °K geringere Umgebungstemperatur gegenüber dem Rathausplatz festzustellen, was als leichte Minderung des Hitzeinseleffekts interpretiert werden kann. (Bild 4)

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Dif. TW

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Dif. TG 20‐25 25‐30 30‐35 35‐40 40‐45 max. Temp. Messstelle Rathausplatz (T)

Bild 5.  Unterschiede der Temperaturen zwischen der Messstelle Rathausmarkt (T) und Grünes Zimmer (W) und Clussgarten (G), sortiert nach den Maximaltemperaturen bei T. 15. Juli – 18. August 2015 (Eisenberg 2016 et al.)

– iii – Lufttemperaturen abhängig von der Entfernung zu den bewachsenen Wänden

Während einer ganztägigen Messkampagne im Juli 2016 wurden in einem Nord-Süd-Transsekt in 0,3 m, 1 m, 2 m Entfernung nördlich und südlich der Wand Lufttemperaturen gemessen und zu einem Referenzpunkt auf der angrenzenden Wiese in Beziehung gesetzt. Die maximalen Temperaturunterschiede zwischen dem Referenzmesspunkt Wiese und dem Messpunkt der 1 m südlich von der Wand entfernt platziert war, betrugen in der Mittagszeit mindestens 3,3 °K und als Maximum 7,3 °K am späten Nachmittag. Die maximale Differenz zwischen dem Referenzpunkt und dem Messpunkt auf der Nordseite betrug 8,9 °K in der

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Aus der Forschung

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Monatlicher Verbrauch Juli 2014 ‐ Dez. 2016

Das Mobile Grüne Zimmer

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Bild 6.  Durchschnittliche monatliche Bewässerungsmenge unterschieden nach Frischwasser und Niederschlagswasser bei Zisternenkapazität 6 m3 (Datengrundlage: Helix ­Pflanzen).

Mittagszeit, verringerte sich jedoch im Laufe des Nachmittags mit zunehmender direkter Sonneneinstrahlung. Somit ergänzen sich die Standortbedingungen im grünen Zimmer und es bietet im Laufe eines Tages immer Bereiche, in denen die Temperaturen deutlich geringer sind als an dem Referenzstandort. Es zeigt sich zudem, dass es im Grünen Zimmer im Laufe des Tages immer auch Bereiche gibt, die den Temperaturen an der Dauermessstelle Grünes Zimmer (W) entsprechen und diese somit als repräsentativ für das Grüne Zimmer angesehen werden kann.

– iv – Bewässerung mit Niederschlagswasser Das Grüne Zimmer wurde von Anfang an nicht nur mit Frischwasser sondern auch mit Niederschlagswasser versorgt, um eine möglichst nachhaltige Bewässerung sicherzustellen. Bild 6 zeigt die durchschnittlichen Verbrauchsmengen pro Monat von Juli 2014 bis Dezember 2016. Die durchschnittliche Gesamtbewässerungsmenge belief sich auf 115 m3 pro Jahr, die zu 45 % aus Niederschlagswasser bestand. Im März 2017 wurde die Zisternenkapazität von 6 m3 auf 12 m3 erhöht, dadurch erhöhte sich bei einem jährlichen Gesamtverbrauch von 128 m3 der Anteil auf 75 % (Bild 7). Ob dieser Anteil auch in Jahren mit langen Trockenphasen so hoch bleibt, werden weitere Untersuchungen zeigen.

Monatlicher Verbrauch Jan. ‐ Dez. 2017 35 30 25 20 15 10 5 0

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Bild 7.  Durchschnittliche monatliche Bewässerungsmenge unterschieden nach Frischwasser und Niederschlagswasser bei Zisternenkapazität 12 m3 (Datengrundlage: Helix Pflanzen).

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Das Mobile Grüne Zimmer ist als Botschafter für grüne Infrastruktur entwickelt worden. Es veranschaulicht die Vorzüge und Möglichkeiten von Begrünungsmaßnahmen im Allgemeinen und von Vertikalbegrünung im Besonderen und bringt temporär Natur auf Stadtplätze. Das Mobile Grüne Zimmer basiert auf dem gleichen Bau- Das Mobile Grüne Zimmer veranschaulicht prinzip wie das Grüne die Vorzüge und Möglichkeiten von BegrüZimmer in Ludwigs- nungsmaßnahmen im Allgemeinen und von burg. Die Vertikalbegrü­ Vertikalbegrünung im Besonderen und nung wurde auf einem bringt temporär Natur auf Stadtplätze. Chassis eines Abrollcontainers montiert, wobei die Unterkonstruktion als Wassertank fungiert (Bild 8). Der Wasserspeicher mit ca. 1 m3 Volumen reicht in der Regel für eine Woche Bewässerung mit solarbetriebenen Pumpen. Auf der Abdeckung des Wassertanks ist ein Holzdeck als Sitzfläche montiert, die von einer bewachsenen Pergola beschattet wird. Das Mobile Grüne Zimmer zeigt anschaulich, welche Möglichkeit eine integrierte Gestaltung von Bewässerung und Vertikalbegrünung bietet. Auf andere – permanente – Standorte übertragen werden die Möglichkeiten deutlich, die eine Kombination der Regenwasserbewirtschaftung mit Begrünungsmaßnahmen hat, um nicht nur die Aufenthaltsqualität in Städten zu verbessern, sondern bei entsprechender Dimensionierung auch Abwassersysteme zu entlasten.

– vi – Ausblick Noch einen Schritt weiter geht das Forschungsprojekt INTERESS-I. Um vollständig auf Frischwasser bei der Bewässerung verzichten zu können, werden Regenwasserspeicherung und Grauwasseraufbereitung in einer Grünanlage neuen Typus miteinander kombiniert. In transdisziplinärer Zusammenarbeit entsteht das sogenannte Impulsprojekt 2020 in Stuttgart und wird beispielhaft für urbanes Grün auf dem Stadtentwicklungsgelände Rosensteinviertel sein. Bild 9 zeigt die Prinzip-Skizze. Die eingesetzten Wasser­ ressourcen sind Grauwasser von temporären Wohnunterkünften für das Projekt Stuttgart 21 sowie als Beimischung Regenwasser von Dachflächen. Die Wohncontainer zeichnen sich dadurch aus, dass die Installation gut zugänglich ist und so aufwendige und teure Eingriffe in die Bausub­ stanz nur in geringem Umfang anfallen. Innovative Speicher- und Aufbereitungsmöglichkeiten und in die Gestaltung der Anlage integrierte bepflanzte Bodenfilter sowie vertikale Grünsysteme sollen zeigen, dass auch in innerstädtischen Quartieren integrierte Anpassungsmaßnahmen auf engstem Raum umgesetzt werden können.

– vii – Fazit Die Untersuchungen belegen die Wirksamkeit von freistehender Vertikalbegrünung als Anpassungsmaßnahme am

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Aus der Forschung

auch Wasserressourcen schonen und durch multifunktionale Gestaltung Nutzungskonflikte mindern. Ein neuer urbaner Grüntyp entsteht. Bernd Eisenberg, Friederike Well, Ferdinand Ludwig Quellen: Ansel,Wolfgang (Hg.) 2016: Kommunale Gründachstrategien Eisenberg, B., Gölsdorf, K., Weidenbacher, S., Schwarz-von Raumer, H.-G. 2016: Report on Urban Climate Comfort Zones and the Green Living Room Ludwigsburg. Ludwig, Ferdinand; Schönle, Daniel; Bellers, Moritz 2017: Klimaaktive baubotanische Bautypologien Modellprojekte und Planungswerkzeuge für innovative Stadtquartiere und grüne Infrastrukturen. Transforming Cities (1), 2017, 78–82 Hansen, Rieke; Born, Dennis; Lindschulte, Katharina; Rolf, Werner; Bartz, Robert; Schröder, Alice; Becker, Carlo W.; Kowarik, Ingo, Pauleit, Stephan 2018: Grüne Infrastruktur im urbanen Raum: Grundlagen, Planung und Umsetzung in der integrierten Stadtentwicklung. In BfN-Skripten 503. Bonn Verband Region Stuttgart 2008: Klimaatlas Region Stuttgart. In: Schriftenreihe Verband Region Stuttgart 26.

Bild 8. Mobiles Grünes Zimmer auf dem Rathenauplatz, Frankfurt (Foto: Eisenberg)

Beispiel des grünen Zimmers Ludwigsburg. Die Temperaturreduktion gegenüber versiegelten Flächen ist deutlich und mit der am Rand von kleinen Parkanlagen zu vergleichen. Das Potenzial der freistehenden Vertikalbegrünung ist hiermit noch nicht ausgeschöpft. Sie können als Klimaanpassungsmaßnahme im größeren Umfang oder an Extremstandorten als multifunktionale grüne Wände eingesetzt werden und darüber hinaus der Biotopvernetzung, der Wasserretention oder dem Lärmund Immissionsschutz dienen. In verdichteten Stadtquartieren mit vielfachen Nutzungsansprüchen können Vertikalbegrünung mit integrierter Bewässerung, die Wasserspeicherung bzw. Wasseraufbereitung einbezieht, nicht nur zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität dienen, sondern

Projekte: Am Grünen Zimmer Ludwigsburg und dem Mobilen grünen Zimmer waren in unterschiedlichem Umfang die Universität Stuttgart, Helix Pflanzen, der Verband Region Stuttgart, die Stadt Ludwigsburg und ludwig.schoenle im Rahmen des EU-Projektes Transitioning Towards Urban Resilience and Sustainability (TURAS) beteiligt. Das Projekt Integrierte Strategien zur Stärkung urbaner BlauGrüner Infrastrukturen (INTERESS-I) wird im Rahmen der Leitinitiative Zukunftsstadt vom Bundeministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Beteiligt sind die TU München (Leitung), TU Kaiserslautern, Universität Stuttgart, Institut für sozial-ökologische Forschung, Frankfurt am Main, Landeshauptstadt Stuttgart und Helix Pflanzen.

www.gtla.ar.tum.de

natürlicher Filter

Regenwasser -Tank Hybride Bewässerung

Brauchwasser-Tank Vegetatives Wandsystem

Vertikales Grün

Bild 9. Prinzipskizze Impulsprojekt INTERESS-I (Grafik: gtla)

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Innenbegrünung

Besseres Raum- und Arbeitsklima dank Grünpflanzen Unternehmen länger treu. Pflanzen am Empfang heben bei Besuchern die Stimmung. Und begrünte Wartebereiche, beispielsweise in Arztpraxen, sorgen dafür, dass sich Menschen dort lieber aufhalten. Für die Planung und Ausführung sollten unbedingt Profis zu Rate gezogen werden.

Pflanzen fachkundig wählen

Zu wenig Licht, unregelmäßige Wasserversorgung, falsches Substrat und unzureichende Düngung gehören zu den Gründen, warum es mit dem grünen Kollegen nicht klappt. Holen Sie sich Rat und Hilfe beim Spezialisten! (Foto: GMH)

Am besten alles aus einer Hand: Wer einen professionellen Raumbegrüner mit der Verschönerung seines Unternehmens beauftragt, erreicht ein stimmiges Gesamtbild an Pflanzen und Gefäßen. Dabei lässt sich bereits mit wenig Aufwand und kleinem Budget viel erreichen. Und wer die große grüne Lösung sucht, sollte auf das Konzept eines spezialisierten Gärtners setzen. Egal ob in der Eingangshalle, in den Büros oder der Cafeteria: Pflanzen sorgen für ein besseres Raum- und Arbeitsklima und steigern auch die Aufenthaltsqualität. Mitarbeiter, die sich wohlfühlen, sind motivierter und bleiben dem

Pflanzenpflege steigert den Wert Wer in hochwertige Bürobegrünung investiert, sollte bei der Pflege nicht sparen. Um den Wert zu erhalten oder sogar noch zu steigern, empfiehlt es sich, mindestens zweimal im Jahr Gärtner nach den Pflanzen schauen zu lassen. Sie düngen fachkundig nach, befreien die Blätter von Staub und topfen die Pflanzen bei Bedarf um oder tauschen sie aus. Auf Wunsch gibt es Pflegeverträge mit Sorglos-Garantie, bei denen sich Gärtner jede Woche um das Raumgrün kümmern.

Denn eine langsam sterbende Yucca-Palme in einer Zimmerecke oder ein fast kahler Ficus sind ein trauriger Anblick. Doch genau das ist häufig das Resultat, wenn Zimmerpflanzen ohne Fachwissen und Konzept mit zur Arbeit gebracht werden. Zu wenig Licht, unregelmäßige Wasserversorgung, falsches Substrat und unzureichende Düngung gehören zu den Gründen, warum es mit dem grünen Kollegen nicht klappt. Immer mehr Unternehmen beauftragen deshalb spezialisierte Zierpflanzengärtner. Sie kennen nicht nur die Bedürfnisse der einzelnen Pflanzen und können für die gewünschten Standorte die passenden Gewächse aussuchen. Sie sorgen auch für ausreichend Licht und beraten bei der Auswahl der Pflanzgefäße.

Gefäße passend zum Ambiente Abgestimmt auf die Innenarchitektur des Unternehmens, können das Gefäße aus farbigem Kunststoff sein, edlem Metall, hochwertiger Keramik oder einer Ummantelung aus Naturmaterialien wie Holz, Bananenfasern oder Muschelschalen. Damit sie auch wirklich wasserdicht sind, werden die Pflanzbehälter im Zweifel mit einem Kunst­ stoffeinsatz ausgestattet. Mit klassisch bepflanzten Bodenund Tischgefäßen sind professionelle Raumbegrüner noch längst nicht am Ende mit ihrem Können. Sie legen Beete in Eingangshallen an und bepflanzen Foyers und Schwimmbäder großflächig mit zum Teil stattlichen Bäumen. Sie begrünen Wände und schaffen lebendige Raumteiler. Auch das Bepflanzen von Kübeln für Terrassen und Eingangsbereiche gehört zu den Kompetenzen der Innenraumbegrüner. Fachbetriebe sitzen verteilt in ganz Deutschland. www.fachverband-raumbegruenung.de

Pflanzen mieten statt kaufen ! – Mit Pflege – Mit Garantie www.mohr-hydro.de Ernst & Sohn Special 2019 · Gebäudebegrünung

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Innenbegrünung

Workshops zur Innenraumbegrünung und Hydrokultur Gemeinsame Veranstaltungen BuGG und FvRH Seit 2017 sind der Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG) und der Fachverband Raumbegrünung und Hydrokultur (FvRH) im Zentralverband Gartenbau e.V. (ZVG) eine Kooperation eingegangen. Gemeinsam konnten bereits ein erfolgreicher Weltkongress zum Thema Gebäudegrün und ein Symposium zur Innenraumbegrünung durchgeführt werden. Für die nächsten Monate sind Workshops zu speziellen Themen der Innenraumbegrünung und Hydrokultur geplant. Zielgruppen für die Veranstaltungen sind schon aktive Raumbegrüner am Markt, aber auch alle Unternehmen die sich in diese Richtung einarbeiten und ein neues Betätigungsfeld erschließen wollen. Die Themenauswahl reicht dabei vom Licht, der Pflanzenauswahl, der Bewässerungstechnik, der Pflege bis hin zu den Grundlagen der Planung und Erstellung von Konzepten in diesem sehr anspruchsvollen Dienstleistungssegment. Nach erfolgter Rückmeldung werden die Termine und Orte für die Veranstaltungen mit den Interessierten abgestimmt.

Licht, Bewässerung und Pflanzenauswahl sind essentieller Bestandteil für die Funktion der Innenraumbegrünung (Foto: BuGG)

Interessierte melden sich unter: info@bugg.de www.gebaeudegruen.info

Lesetipp

Lasst grünen! Zu Conrad Ambers „Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt“ Der Autor von „Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt“ nennt sich auf seiner Homepage „Stimme der Bäume“. Conrad Amber verlieh sie ihnen in zahlreichen Publikationen, Vorträgen etc. Dieses 2017 erschienene, gut ausgestattete Buch ist also bloß eines unter vielen und das derzeit letzte des Baum-Papstes. Für das Thema Gebäudebegrünung ist es überwiegend nur in seinem ersten Teil relevant. Der gibt einen in drei Kapitel aufgeteilten Überblick über alle wichtigen Aspekte des Themas Grün in den Städten, stellt interessante Projekte vor und entwickelt Ideen für eine grüne Stadtzukunft. Ob Autobahnwald, Landalleen, Stadtalleen, grüne Häuser als Hitzespeicher für kühle Oasen oder Leben mit und auf Dachgärten – das Buch lässt keines der klassischen Themen unberücksichtigt, schildert anschaulich die Vorteile und künftigen Möglichkeiten der Begrünung unserer Städte, um im zweiten Teil mehr auf das Leben der Bäume, die Bedeutung von Parks und Wäldern und ihre segensreichen Qualitäten für uns Menschen einzugehen. Es spart auch nicht mit Kritik an der naturfeindlichen Architektur hierzulande nach 1945, versagt aber Ingenieuren und Architekten nicht seinen Respekt für ihre bisherigen Leistungen. Künftig jedoch werden sie sich „nicht nur damit zu beschäftigen haben, wie und was verbaut wird, sondern vor allem auch die Frage beantworten müs-

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sen, wo und wie viel Natur im und am Gebäude stattfindet.“ Wie, fragt der Amber, lasse sich Natur integrieren und zum alltäglichen Bestandteil unserer Arbeit und unseres Lebens machen. Wo im oder am Haus, fragt er, lebten Sträucher, Blumen, Bäume und auf welche Weise begleiteten sie uns. En passant lernt man vieles. Etwa, dass 10 Bäume in der Umgebung eines Hauses das Leben seiner Bewohner um 7 Jahre verlängert. Förmlich Ehrfurcht aber gebietet die Mitteilung des Autors über das, was eine 100-jährige Blutbuche für uns Menschen leistet. Mit ca. 25 m Höhe, einem Stammumfang von bis zu 3 m und etwa 600.000 Blättern, die eine Blattoberfläche von 1200 m2 ergeben, erzeugt sie von Mai bis Oktober ca. 4,5 t Sauerstoff – genug Atemluft für einige Familien. Sie nimmt pro Jahr etwa 6 t Kohlen­ dioxid sowie ca. 1 t Feinstaub auf. Pro Tag kann sie bis zu 400 l Wasser verdunsten, wodurch sie die Umgebungsluft merklich abkühlt. Würde eine solche Blutbuche gefällt, wäre sie nur durch 2000 junge Bäume von je 1,5 m3 Baumkrone zu ersetzen. Wer könnte solches Wissen haben und noch Zweifel an der Begrünung unserer Städte anmelden? Burkhard Talebitari Conrad Amber, Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt, Stuttgart 2017, Franckh-Kosmos Verlag, 222 × 140 × 25 mm (L × B × H), 1. Auflage 2017, Umschlag/Ausstattung: 67 Farbfotos, Bindeart: laminierter Pappband, Seiten: 272, EAN: 9783440154038

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