UT 8 Wissensfragen

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Umsetzungstipp Wissensfragen

Fachliches Verständnis umfassend prüfen

In unserem Vademecum «ÜberPrüfen» haben wir die Herausforderungen kompetenzorientierter Prüfungen vorgestellt und ein Spektrum verschiedener Prüfungsformen aufgezeigt, welches das Überprüfen von Handlungskompetenzen möglich macht.

Die Umsetzungstipps knüpfen an das Vademecum an, vertiefen jeweils eine darin aufgeführte Prüfungsmethode oder stellen eine neue Methode vor. Fokus der Umsetzungstipps –sie tragen ihn bereits im Namen – ist die Umsetzung. Während im Vademecum vor allem das WAS ins Zentrum gestellt wurde, so geht es in den Umsetzungstipps nun um das WIE bei den zentralen Prüfungsmethoden.

Wir hoffen, Ihnen mit den Umsetzungstipps wertvolle, praxisnahe und vor allem hilfreiche Impulse für die Umsetzung der Prüfungsmethoden in der «Prüfungsrealität» geben zu können.

einführung

Wissensfragen sind eine Prüfungsform, mit der Wissen und Verständnis geprüft werden kann. Die Kandidat/innen zeigen, ob sie relevante Wissensbestände abrufen und inhaltliche Zusammenhänge erkennen können. Bei sicherheitsrelevanten Themengebieten ist das Prüfen dieses grundlegenden Wissens beispielsweise unerlässlich.

Für die Durchführung der Prüfungen mit Wissensfragen gibt es neben der klassischen Methode einer schriftlichen Prüfung «auf Papier» auch die Möglichkeit, neue Technologien zu nutzen und beispielsweise Online-Tests am Computer durchzuführen.

Bei Wissensfragen können grundsätzlich offene und geschlossene Fragen unterschieden werden.

Zu den offenen Fragen zählen Fragestellungen, die ein breites Spektrum an korrekten Antworten zulassen. Die Kandidat/ innen formulieren die Antwort in eigenen Worten aus. Da die Antworten durch diese Prüfungsanlage sehr individuell formuliert werden, ist eine Korrektur durch einen Experten oder eine Expertin erforderlich. Für offene Wissensfragen eignen sich zum Beispiel offene Textaufgaben, Visualisierungsfragen oder auch situative Fragen.

Im Unterschied dazu sind geschlossene Fragen Fragestellungen, bei denen die Antwortmöglichkeiten bereits vorgegeben sind und die Kandidat/innen die ihrer Meinung nach richtige Antwort auswählen können. Geschlossene Fragen werden in der Praxis häufig übergreifend als MC-Aufgaben (= MultipleChoice-Aufgaben) bezeichnet. Tatsächlich gibt es aber neben MC-Aufgaben weitere Typen geschlossener Fragen, wie etwa Single-Choice-Aufgaben, Zuordnungsaufgaben oder Reihenfolgeaufgaben. Da die Antwortsets bereits vorgegeben sind, ist die Auswertung sehr effizient möglich, weshalb sich hierfür auch automatisierte Auswertungssysteme anbieten. Aufgrund der hohen Effizienz und Objektivität in der Auswertung sind geschlossene Fragen vor allem in der Hochschuldidaktik eine sehr beliebte Prüfungsform. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass geschlossene Fragen oftmals einen erheblichen Entwicklungsaufwand für die Konstruktion valider und reliabler Wissensfragen bedeuten.

Einen theoretischen Einblick in die Grundlagen von Wissensfragen ermöglichen die folgenden Werke:

Ebbinghaus, M. & Schmidt, J. U. (2002): Prüfungsmethoden und Aufgabenarten. Bielefeld: Bertelsmann Verlag.

Brauns, K. & Schubert, S. (2008): Qualitätssicherung von Multiple-Choice-Prüfungen.

In Dany, S., Szczyrba, B. & Wildt, J. (Hrsg.), Prüfungen auf die Agenda! Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen (S. 92–102). Bielefeld: Bertelsmann Verlag.

Krebs, R. (2004): Anleitung zur Herstellung von MC-Fragen und MC-Prüfungen für die ärztliche Ausbildung. Bern: Institut für Medizinische Lehre IML.

Möltner, A. & Schellberg, D. & Jünger, J.: Grundlegende quantitative Analysen medizinischer Prüfungen.

GMS Z Med Ausbild. 2006; 23(3): Doc53.

Frey, K. (o. J.): Vollständige Aufgaben und Fragen (6. Version, unveröffentlichtes Modul).

Eine Auswahl der aufgeführten Artikel ist auf unserer Homepage www.ectaveo.ch aufgeschaltet.

anforderungen an die prüfungsform

Vor der Erstellung von Wissensfragen lohnt sich in einem ersten Schritt die Überlegung, ob im Rahmen des Wissenstests offene oder geschlossene Fragen oder eine Mischung aus beiden Formen zum Einsatz kommen soll. Diese Entscheidung basiert zum einen auf inhaltlichen Überlegungen, also der Frage, ob es sich um Fragestellungen handelt, zu denen es eine eindeutige, korrekte Antwort gibt, oder eher um Fragestellungen, die einen gewissen Interpretationsspielraum zulassen. Zum anderen spielen in der Praxis bei der Wahl der Form häufig auch Effizienzüberlegungen eine Rolle: Geschlossene Fragen lassen sich automatisch auswerten, wodurch der Korrekturaufwand reduziert werden kann.

Anforderungen an offene Fragen

Eine zentrale Anforderung an offene Fragen ist ein vollständiger Auftrag, der die Fragestellung in einen Kontext einbettet, klar formuliert ist und die formalen und inhaltlichen Erwartungen an die Lösung bekanntgibt. Unvollständige Anleitungen führen beidseitig zu Unsicherheit: Nicht nur wissen die Kandidat/innen nicht genau, was sie antworten sollen und was von ihnen verlangt wird, oftmals sind auch die Expert/ innen unsicher darin, wie sie die oft sehr vielfältigen Antworten beurteilen sollen, die bei unklaren Aufgabenstellungen entstehen.

Anforderungen an geschlossene Fragen

Bei geschlossenen Fragen hingegen besteht eine wesentliche Herausforderung darin, den richtigen Fragetyp auszuwählen. Im Folgenden werden einige Formen von geschlossenen Fragen vorgestellt:

Definition Einsatz

Single-ChoiceFragen (auch: ForcedChoice)

Multiple-ChoiceFragen Typ «beste Antwort»

Multiple-ChoiceFragen Typ «richtig/falsch»

Zuordnungsfragen

Aus einer Auswahl an verschiedenen Antworten wird die beste oder die einzig richtige Antwort ausgewählt.

Aus einer Auswahl an verschiedenen Antworten wird eine bestimmte Anzahl bester Antworten ausgewählt.

Aus einer Auswahl an verschiedenen Antworten werden eine, mehrere oder alle ausgewählt.

Elemente aus einer Gruppe müssen den passenden Elementen einer anderen Gruppe zugeordnet werden.

Wenn es eine eindeutig beste Antwort gibt.

Reihenfolgefragen

Elemente müssen in einen logischen Ablauf/ eine Reihenfolge gebracht werden.

Anforderungen an die Beurteilung

Wenn es mehrere beste Antworten gibt, die sich eindeutig von den anderen abheben.

Wenn jede einzelne Antwortoption entweder eindeutig richtig oder eindeutig falsch ist.

Wenn eine klare und eindeutige Zuordnung möglich ist.

Wenn eine klare und eindeutige Reihung möglich ist.

Stets zu berücksichtigen ist die Frage nach der Beurteilung. Es lohnt sich, für offene Fragen Beurteilungskriterien zu definieren. Diese enthalten eine Punkteskala, innerhalb derer detailliert aufgeführt ist, welche Anforderungen erfüllt sein müssen um die entsprechende Punktezahl zu erreichen. Auch bei geschlossenen Fragen wird pro Frage ein Punktemaximum definiert. Im Weiteren muss – ausgenommen bei SingleChoice-Fragen – entschieden werden, ob Teilpunkte vergeben werden und wenn ja, nach welchem Algorithmus die Vergabe von Teilpunkten erfolgt.

tipps für die entwicklung der prüfungsaufgaben

Offene Fragen

Folgende Tipps unterstützen die Entwicklung von offenen Fragen für Wissensprüfungen:

> Die Frage ist in Form eines vollständigen Arbeitsauftrags ausformuliert.

> Die Beschreibung der Ausgangslage ist kurz und verständlich.

> Etwaige Teilfragen sind klar gekennzeichnet.

> Den Kandidat/innen werden die inhaltlichen und formalen Anforderungen an ihre Lösung aufgezeigt.

> Es liegt pro Frage eine Musterlösung vor.

> Für jede Frage ist definiert, wie die Punkte und allfälligen Teilpunkte vergeben werden.

Geschlossene Fragen

Für die Entwicklung von geschlossenen Fragen unterstützen diese Tipps:

> Ausgangslage, Frage, Hinweise und Antwortoptionen sind klar gekennzeichnet und verständlich formuliert.

> Die Kandidat/innen werden genau angeleitet. Sie wissen, ob sie eine oder mehrere Antworten auswählen, alle richtigen Antworten auswählen, Begriffe in eine sinnvolle Reihenfolge bringen müssen etc.

> Begriffe wie «immer», «gewöhnlich», «häufig» werden vermieden.

> Die Frage beinhaltet keine «Fallen».

> Doppelte Verneinungen werden vermieden.

> Die Frage ist positiv formuliert und auch ohne Kenntnis der Antwortoptionen zu beantworten.

> Es werden mindestens 4 Antwortoptionen vorgegeben. Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit, die korrekte Antwort zu erraten, sehr hoch.

> Jede Antwortoption beinhaltet nur eine Aussage.

> Die einzelnen Antwortoptionen beeinflussen sich nicht gegenseitig (ausgenommen bei Single-Choice-Fragen).

> Die einzelnen Antwortoptionen sind inhaltlich und formal homogen.

> Es werden grundsätzlich wenige und bewährte Fragetypen eingesetzt.

Bei geschlossenen Fragen empfiehlt es sich zudem, auf unbeabsichtigte Lösungshinweise zu achten. Nicht selten verstecken sich bereits in der Art und Weise, wie Frage und Antwortoptionen formuliert sind, Hinweise auf die Lösung. Solche unabsichtlichen Lösungshinweise werden als «Cues» bezeichnet.

Wissensfragen werden durch die Kandidat/innen sinnvollerweise schriftlich respektive als Online-Tests am PC bearbeitet. Zu Beginn der Prüfung werden die Kandidat/innen über die wesentlichen Rahmenbedingungen, wie die zur Verfügung stehende Zeit, die Punktevergabe und die eingesetzten Fragetypen, informiert.

Für die Bearbeitung von geschlossenen Fragen wird durchschnittlich mit einem zeitlichen Aufwand von 1.5 Minuten pro Frage gerechnet. Bei offenen Fragen hängt der Zeitbedarf von der Konstruktion der Frage ab.

Sollen mit einer Prüfung verschiedene Themenbereiche abgedeckt werden, können thematische Fragepools gebildet werden. Für jeden dieser thematischen Pools wird eine bestimmte Anzahl an Fragen entwickelt. Bei der Zusammenstellung der Prüfung können dann pro Fragepool entweder automatisch durch das System oder auch manuell eine vordefinierte Anzahl an Fragen ausgewählt werden. Somit kann sichergestellt werden, dass mit einer Prüfung alle gewünschten Themenbereiche abgedeckt werden.

abonnement «umsetzungstipps»

In unserer Reihe «Umsetzungstipps» unterstützen wir Sie bei der Ausgestaltung kompetenzorientierter Prüfungen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie kompetenzorientierte Prüfungsmethoden punktgenau im Prüfungsalltag umsetzen können.

Unsere Publikationsreihe «Umsetzungstipps» umfasst folgende Prüfungsmethoden:

Prüfungsmethode «Critical Incidents»

Prüfungsmethode «Praxisprüfungen»

Sozialkompetenz prüfen – Utopie oder Realität?

Prüfungsmethode «Postkorb»

Prüfungsmethode «Mini-Cases»

Prüfungsmethode «Geleitete Fallarbeit»

Prüfungsmethode «Fallstudie»

Prüfungsmethode «Wissensfragen»

Prüfungsmethode «Gesprächsanalyse»

Prüfungsmethode «Fachgespräch»

Mündliche Prüfungen

Prüfungsmethode «Rollenspiel»

Prüfungsmethode «Handlungssimulation»

Prüfungsmethode «Präsentation»

Bewerten mit Kriterien

Prüfungsmethode «Gruppendiskussion»

Prüfungsmethode «Projektarbeit»

Prüfungsmethode «Praxisarbeit»

Prüfungsmethode «Werkschau»

Prüfungsmethode «Kompetenzstatus»

Prüfungsmethode «Statusgespräch»

Möchten Sie die Umsetzungstipps in gedruckter Form beziehen, tragen Sie sich ein unter: www.ectaveo.ch/abonnement-umsetzungstipps

Herausgeberin

Ectaveo AG

Riedtlistrasse 15a CH-8006 Zürich info@ectaveo.ch www.ectaveo.ch

Autorin

Ectaveo AG

Gestaltung und Satz dezember und juli gmbh www.dezemberundjuli.ch

Auflage 3. Auflage, August 2021

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Bitte bestellen Sie diese via E-Mail an info@ectaveo.ch oder über unsere Website www.ectaveo.ch

Copyright © uneingeschränkt bei der Herausgeberin

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