einführung
Die Praxisarbeit ist eine Prüfungsform, mit der reale betriebliche Problemstellungen analysiert und Lösungen in Form von Konzepten erarbeitet werden. Die Kandidat/innen stellen dabei ihre analytischen und konzeptionellen Fähigkeiten unter Beweis.
Der Einsatz einer Praxisarbeit eignet sich, wenn Kandidat/ innen in ihrem Betrieb tatsächlich die Möglichkeit haben, betriebliche Problemstellungen federführend zu bearbeiten. Voraussetzung ist weiter, dass die Betriebe eingebunden werden können.
Weltweit sehen Führungskräfte die grösste Herausforderung der nächsten Jahre in der raschen Zunahme von Komplexität. Das wirtschaftliche Umfeld ist unbeständiger, vielfältiger vernetzt und unsicherer geworden. Vor allem Führungskräfte müssen deshalb in der Lage sein, kompetent mit komplexen und unsicheren Problemsituationen umzugehen (Ectaveo, 2012). Diese Kompetenz wird mithilfe der Praxisarbeit überprüft.
Genau genommen weist die Praxisarbeit Merkmale unterschiedlicher Prüfungsformen auf. Ähnlich wie bei einer Fallstudie stellen die Kandidat/innen ihre analytischen und konzeptionellen Kompetenzen unter Beweis (vgl. Umsetzungstipp «Fallstudie»). Der Unterschied besteht jedoch darin, dass in der Praxisarbeit die zu bearbeitende Problemstellung den Kandidat/innen nicht vorgegeben wird, sondern aus der realen betrieblichen Praxis abgeleitet wird. Dies erinnert wiederum an die Praxisprüfung (vgl. Umsetzungstipp «Praxisprüfungen»), bei der jedoch die Umsetzung und nicht die Konzeption im Zentrum des Interesses steht. Und schliesslich werden in einer Praxisarbeit auch Bezüge zur Theorie hergestellt, was stark an eine Diplomarbeit erinnert. Der Anspruch an das wissenschaftliche Arbeiten ist jedoch bei der Praxisarbeit weitaus geringer.
Einen theoretischen Einblick in die Grundlagen der Praxisarbeit ermöglichen die folgenden Werke:
Ectaveo AG (2012).
Bearbeitung von komplexen unternehmerischen Fragestellungen.
Breuer, K. & LübkeKönig, J. (2006).
Valide Prüfung von Handlungskompetenzen in berufsbezogenen Prüfungen.
In: Euler, D. (HRSG.). Facetten des beruflichen Lernens.
Bern: h.e.p. verlag ag.
Der Erfolg dieser Prüfungsmethode hängt überwiegend von der Wahl eines geeigneten Themas ab. Hierbei lassen sich zwei Varianten unterschieden:
Variante 1: freie Themenwahl
Bei dieser Variante wird den Kandidat/innen lediglich der inhaltliche Kontext vorgegeben, innerhalb dessen sie das Thema ihrer Arbeit wählen müssen.
Beispiele
> Changemanagement: Die Kandidat/innen nehmen eine Analyse vor und erstellen ein Konzept für ein Veränderungsvorhaben in ihrer Praxis
> Personalführung: Die Kandidat/innen nehmen eine Analyse vor und erstellen ein Konzept für eine Personalentwicklungsmassnahme
> Marketing: Die Kandidat/innen nehmen eine Analyse vor und erstellen ein Konzept für Verkaufsförderungsmassnahmen eines bestimmten Produkts
Variante 2: gesteuerte Themenwahl
Bei dieser Variante wählen die Kandidat/innen ein konkretes
Thema aus einem vorgegebenen Themenpool.
Beispiele aus dem Bereich öV
> Bedarfsanalyse: Die Geschäftsleitung hat aufgrund steigender Frequenzen beschlossen, den Rollmaterialeinsatz auf ihrem Netz zu optimieren. Dabei stellt sich primär die Frage, wo neues doppelstöckiges Rollmaterial sinnvoll eingesetzt werden müsste
> Mehrjahresplanung: Ein Besteller will im Rahmen des bestehenden 4jährigen Vereinbarungsrhythmus zwei Jahre vor dem entsprechenden Fahrplanwechsel das Angebot kritisch durchleuchten und mögliche Verbesserungen suchen
> Effizienzsteigerung: Der Kostendruck im öffentlichen Verkehr steigt stetig an. Die Geschäftsleitung will die Effizienz der Produktion steigern
Bei beiden Varianten ist darauf zu achten, dass die Kandidat/ innen sowohl eine Analyse vornehmen als auch eine Lösung erarbeiten müssen. Zusätzlich muss eine Grobstruktur der Arbeit vorgegeben werden. Ansonsten ist eine Beurteilung der Praxisarbeit anhand standardisierter Kriterien nicht möglich.
tipps für die entwicklung der prüfungsaufgaben
Bei der Entwicklung einer Praxisarbeit geht es vor allem um die Ausarbeitung eines Leitfadens, in dem die Aufgabe an die Kandidat/innen sowie die Entwicklung geeigneter Beurteilungskriterien konkret beschrieben werden.
Merkmale des Leitfadens
Im Leitfaden werden die einzuhaltende Grobstruktur, Form, der Ort und das Datum der Abgabe sowie zu beachtende
Aspekte hinsichtlich Umfang, Layout und Zitierweise bekannt gegeben. Auch die Beurteilungskriterien werden den Kandidat/innen im Leitfaden transparent gemacht.
Beispiel einer möglichen Grobstruktur
> Management Summary
> Kapitel 1: Ausgangslage und Analyse
> Kapitel 2: Fragestellung
> Kapitel 3: Theorie und Konsequenzen
> Kapitel 4: Umsetzungskonzept
> Kapitel 5: Fazit
> Literaturverzeichnis
Merkmale der Beurteilungskriterien
Die Beurteilungskriterien orientieren sich an der vorgegebenen Struktur der Praxisarbeit. Sie ermöglichen neben der Beurteilung des Inhalts auch eine Beurteilung formaler Aspekte.
Beispiele möglicher Beurteilungskriterien
> Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der Ausgangslage
> Ganzheitlichkeit der Analyse
> Nachvollziehbarkeit der abgeleiteten Fragestellungen
> Angemessenheit der theoretischen Reflexion der Fragestellungen
> Praxistauglichkeit des Umsetzungskonzepts
> Nachvollziehbarkeit von Fazit und Abschluss
> Allgemeine Konsistenz der Praxisarbeit
> Einhaltung formaler Rahmenbedingungen
Es kann gefordert werden, dass das gewählte Thema bis zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Kandidat/innen bekannt gegeben werden muss. Dies hat den Vorteil, dass bei einer ungeeigneten Themenwahl frühzeitig interveniert werden kann.
Anschliessend steht den Kandidat/innen eine bestimmte Zeitspanne für die Ausarbeitung der Praxisarbeit zur Verfügung. Der Umfang der Praxisarbeit liegt grundsätzlich bei etwa 20–40 Seiten.
Es ist möglich, die Praxisarbeit mit einer oder mehreren weiteren Prüfungsformen zu kombinieren. Zum Beispiel können die Kandidat/innen den Auftrag erhalten, die wesentlichen Inhalte ihrer Arbeit zu präsentieren. Im Rahmen eines Fachgesprächs können sie aufgefordert werden, die Inhalte der Arbeit zu begründen und mögliche alternative Szenarien aufzuzeigen.
Die Expert/innen nehmen nach Abgabe der Praxisarbeit die Beurteilung anhand eines standardisierten Beurteilungsbogens vor. Wird die Praxisarbeit mit anderen Prüfungsformen kombiniert, muss der Abgabetermin so gelegt werden, dass die Expert/innen vor der anknüpfenden Prüfung genügend Zeit haben, sich inhaltlich in die Arbeit zu vertiefen.
abonnement «umsetzungstipps»
In unserer Reihe «Umsetzungstipps» unterstützen wir Sie bei der Ausgestaltung kompetenzorientierter Prüfungen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie kompetenzorientierte Prüfungsmethoden punktgenau im Prüfungsalltag umsetzen können.
Unsere Publikationsreihe «Umsetzungstipps» umfasst folgende Prüfungsmethoden:
Prüfungsmethode «Critical Incidents»
Prüfungsmethode «Praxisprüfungen»
Sozialkompetenz prüfen – Utopie oder Realität?
Prüfungsmethode «Postkorb»
Prüfungsmethode «MiniCases»
Prüfungsmethode «Geleitete Fallarbeit»
Prüfungsmethode «Fallstudie»
Prüfungsmethode «Wissensfragen»
Prüfungsmethode «Gesprächsanalyse»
Prüfungsmethode «Fachgespräch»
Mündliche Prüfungen
Prüfungsmethode «Rollenspiel»
Prüfungsmethode «Handlungssimulation»
Prüfungsmethode «Präsentation»
Bewerten mit Kriterien
Prüfungsmethode «Gruppendiskussion»
Prüfungsmethode «Projektarbeit»
Prüfungsmethode «Praxisarbeit»
Prüfungsmethode «Werkschau»
Prüfungsmethode «Kompetenzstatus»
Prüfungsmethode «Statusgespräch»
Möchten Sie die Umsetzungstipps in gedruckter Form beziehen, tragen Sie sich ein unter: www.ectaveo.ch/abonnement-umsetzungstipps
Herausgeberin
Ectaveo AG
Riedtlistrasse 15a CH-8006 Zürich info@ectaveo.ch www.ectaveo.ch
Autorin
Ectaveo AG
Gestaltung und Satz dezember und juli gmbh www.dezemberundjuli.ch
Auflage 2. Auflage, Dezember 2022
Wünschen Sie weitere Exemplare?
Bitte bestellen Sie diese via E-Mail an info@ectaveo.ch oder über unsere Website www.ectaveo.ch
Copyright © uneingeschränkt bei der Herausgeberin