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DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI

„ES WERDEN EIN PAAR MAGERE JAHRE KOMMEN“

Eine Stagflation, das unheilvolle Zusammentreffen einer stagnierenden Wirtschaft bei gleichzeitig hoher Inflation, wird wahrscheinlicher. Es gibt sowohl Parallelen als auch Unterschiede zur letzten Stagnationsphase in den 1970er-Jahren, die der Weltwirtschaft ein verlorenes Jahrzehnt beschert hat. Hintergründe und Ursachen haben wir mit Universitätsprofessor Jürgen Huber ausgeleuchtet, der nun den Zahltag dafür gekommen sieht, dass wir viele Jahre „über unsere Verhältnisse gelebt haben“, und für Vermögenssteuern plädiert, um die kommenden Herausforderungen zu schultern.

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INTERVIEW & FOTOS: MARIAN KRÖLL

ECO.NOVA: Der renommierte Ökonom Ken-

neth Rogoff sieht das Risiko eines perfekten Sturms heraufziehen und mit ihm eine mögliche Stagflation. „Weil Europa in einer Rezession ist, wegen des Kriegs in der Ukraine, China ist in einer Rezession wegen der misslungenen COVID-Lockdown-Politik und die USA weil die Notenbank eventuell die Zinsen zu schnell und zu stark erhöht“, lautet dessen Begründung. Was ist Stagflation und müssen

wir uns vor ihr fürchten? JÜRGEN HUBER: Stagflation ist grundsätzlich ein Kunstwort, gebildet aus Stagnation und Inflation – kein reales Wirtschaftswachstum, gekoppelt mit relativ hoher Inflation. Der Begriff stammt aus den 1970er-Jahren. Damals gab es genau dieses Szenario, mit ähnlichen Vorzeichen wie heute. Es gab mit dem Vietnamkrieg einen großen Krieg und zwei Ölpreisschocks 1974 und 1979. Diese Faktoren haben die Inflation damals wesentlich angeschoben. Der Sozialstaat war in einer Sackgasse, das schnelle Wachstum der Nachkriegszeit vorbei. Jeder hatte ein Auto, eine Waschmaschine und konnte sich einen Urlaub leisten. Die Wirtschaft wuchs kaum noch, die Inflation hat sich über eine Lohn-Preis-Spirale konstant bis auf schließlich 17 Prozent in den USA 1980 hinaufgeschraubt. Das war das Resultat der letzten Stagflation vor über vier Jahrzehnten. Das waren wirtschaftlich keine guten Jahre. Die Reallöhne sind nicht gestiegen bzw. eher gesunken und auch die Erträge aus Aktien und Anleihen waren mau bis negativ.

Wie wurde diese Stagflation damals be-

endet? Das Ganze wurde durch eine sehr brachiale Zinserhöhung der US-Zentralbank Fed rund um Notenbankchef Paul Volcker beendet. Die Zinsen wurden bewusst so weit nach oben gefahren, wie es notwendig war, wissend, dass das eine enorme Rezession auslösen würde.

Der US-Leitzins wurde damals auf für heutige Verhältnisse unglaubliche 20

Prozent erhöht. So ist es, und auf deutschen Sparbüchern bekam man zwölf Prozent Zinsen. Eine Situation, die man sich heute sehr schwer vorstellen kann.

Sie haben einige Parallelen zu den 1970er-Jahren ausgemacht, aber es gibt auch Unterschiede. Die Niveaus der Staatsverschuldung waren damals nicht

annähernd so hoch wie heute. Es gibt einige ganz krasse Unterschiede zwischen der Situation 2022 und in den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren: Früher haben die Notenbanken relativ schnell auf steigende Inflationsraten reagiert und die Leitzinsen entsprechend erhöht. Das ist in den USA und vor allem in Europa – acht Prozent Inflation und Zinsen zugleich immer noch im Nullbereich – diesmal nicht geschehen. Das ergibt ungeheure negative Realzinsen, die jedem nützen, der Schulden hat, und jedem schaden, der Geld hat. Geld, sei es am Sparbuch oder als Bargeld, bringt derzeit garantiert acht Prozent Verlust. Fixverzinste Kredite

„Wer am meisten durch die Geldflut gewonnen hat, sollte nun auch solidarisch zur Lösung der Probleme beitragen – auch zur Eindämmung der Ungleichheit und um die kommenden Belastungen zu schultern, muss man über Vermögenssteuern reden.“

mit niedrigen Zinssätzen zahlen sich dagegen aus. Die Achillesferse unserer Wirtschaft sind die Schulden. Vor allem die Staaten sind so hoch verschuldet wie zumindest seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr, aber auch viele Private. Das liegt vor allem an den hohen Immobilienpreisen. Verschuldet sind allerdings auch die Unternehmen und nicht zuletzt die Banken. Insgesamt macht die Gesamtschuldenquote das Dreieinhalbfache unserer Wirtschaftsleistung aus. Da hilft Inflation bei der Entschuldung, solange die Zinsen nicht mitziehen. Die Fed und auch die Europäische Zentralbank/ EZB waren und sind so lange zögerlich, um den Schuldnern zu helfen – und die größten Schuldner sind die Staaten. Wenn die in die Bredouille kommen, wackeln die Banken gleich mit. Ein Beispiel: Die italienische Großbank UniCredit hält hunderte Milliarden an italienischen Staatsanleihen. Gäbe es hier Wertverluste, wäre das für die Bank ein Problem. Dasselbe gilt – wenn auch nicht ganz so gravierend – für viele andere Banken.

Die Wirtschaft ist augenscheinlich mit so vielen systemischen Risiken wie nie zuvor konfrontiert. Engt diese Gemengelage den Handlungsspielraum der Notenbanken nicht extrem ein, weil Zinssprünge wie früher nicht einmal mehr annähernd möglich sind, um die Inflation zu durch-

brechen? Ja, denn schon eine Erhöhung auf drei Prozent würde alle schockieren. Die Systeme sind alle miteinander verflochten und fragil. Erfreulich ist, dass die Banken – ganz anders als in der Finanzkrise 2008, die ursprünglich eine Bankenkrise war – relativ gut kapitalisiert sind und stabil wirken. In der Pandemie treten sie bislang eher als stabilisierender Faktor in Erscheinung.

Wurden die richtigen Lehren aus der Kri-

se 2008 gezogen? Ja. Die Banken selbst haben dazugelernt und die Regulatoren und Zentralbanken haben ihnen die Daumenschrauben angelegt und höhere Eigenkapitalquoten verlangt.

Aus der Bankenlandschaft droht folglich kein großes Ungemach, die Banken sind

stabil. Relativ. Die RBI hat durch den Ukraine-Krieg auf einen Schlag die Hälfte ihrer Gewinne und ihres Marktwerts verloren. Die UniCredit ist anfällig, wenn Italien in Schieflage gerät.

Was würde ein Stagflationsszenario für den Einzelnen bedeuten und wie kann man aus diesem Szenario wieder herauskommen, ohne – wie in den 1970ern – vor einem aus Prosperitätsperspektive verlorenen Jahrzehnt zu stehen? Dazu muss festgehalten werden: Wir haben seit langem, besonders aber in den vergangenen 15 Jahren, über unsere Verhältnisse gelebt. Das gilt zum einen für die Welt im Ganzen, deren Ressourcen systematisch übernutzt sind, Stichwort Klimawandel und zu billige Energie, zum anderen gab es in den letzten 15 Jahren einige sehr große Krisen – die Finanzkrise, die Euro-Schuldenkrise, die Pandemie und jetzt den Krieg. Jede dieser Krisen wurde durch staatliches Geld „zugebuttert“. Die Staaten haben Geld in die Hand genommen, um die Banken zu retten, um die Griechen vor dem Staatsbankrott zu retten, und bei Corona war plötzlich alles möglich. Die Staaten haben sich maßlos verschuldet. Wir

„Schulden sind vorgezogener Konsum, der irgendwann zurückgezahlt werden muss. Ich glaube, dass wir den Zeitpunkt erreicht haben, an dem es zum Zurückzahlen ist. Wir müssen uns als Gesellschaft darauf einstellen, den Gürtel enger zu schnallen, dass es ein bisschen weniger von allem gibt.“

JÜRGEN HUBER

haben unser zukünftiges Geld verbraucht. Schulden sind vorgezogener Konsum, der irgendwann zurückgezahlt werden muss. Ich glaube, dass wir den Zeitpunkt erreicht haben, an dem es zum Zurückzahlen ist. Wir müssen uns als Gesellschaft darauf einstellen, den Gürtel enger zu schnallen, dass es ein bisschen weniger von allem gibt.

Die bisherigen schweren Krisen wurden ohne nennenswerte Wohlstandsverluste übertaucht. Das geht sich also nicht

noch einmal aus? Korrekt – es hätte schon früher Wohlstandsverluste geben müssen. Wir haben aber immer wieder mit neuem Geld gezahlt, es wurden tausende Milliarden neu geschaffen. Die Bilanzsumme der EZB ist heute siebenmal so groß wie vor 2008. Aufgrund des vielen neuen Geldes, das irgendwo hin musste, sind die Aktienkurse und Immobilienpreise gestiegen, darum war auch für Absurditäten wie Bitcoin und NFTs noch genug da. Es ist kein Zufall, dass die Kryptowährungen eingebrochen sind und weniger über NFTs geredet wird. Wird der Gürtel enger geschnallt, ist für solche Spielereien nicht mehr genug Geld übrig. Das Gute daran ist, dass es dringend notwendig ist, den Gürtel enger zu schnallen. Die herausragende Herausforderung und Krise aller Krisen ist der Klimawandel. Da hat die Menschheit viel zu lange zugeschaut und zu wenig getan.

Sehen Sie dieses Engerschnallen des

Gürtels auch als Chance? Grundsätzlich ja, aber ich möchte die aktuellen Umstände nicht positiver darstellen, als sie tatsächlich sind. Statt nach Katar zu fliegen, um neue Erdgasreserven sicherzustellen, sollte sich unsere Regierung darauf konzentrieren, in Erneuerbare zu investieren, die Dachflächen mit Photovoltaikanlagen auszurüsten. Den Gürtel kollektiv enger zu schnallen, heißt weniger Urlaube, weniger oft ein neues Handy, weniger neue Kleidung. Das hilft, Abhängigkeiten zu reduzieren, von Russland, von China, es hilft gegen zu viel Transport, schlechte Arbeitsbedingungen.

Eine gewisse Verhaltensänderung muss gar nicht politisch dekretiert werden, sie ergibt sich ohnehin durch die sinkende Kaufkraft in der inflationären Phase. Ja, das ergibt sich zwangsläufig dadurch, dass es sich finanziell nicht ausgeht. Die Löhne für österreichische Staatsbedienstete sind heuer beispielsweise um drei Prozent gestiegen, die Inflation liegt weit darüber. Die sinkende Kaufkraft spürt fast jeder, ob an der Zapfsäule oder bei den Energiekosten.

Es wird verschiedentlich vor einer sogenannten Lohn-Preis- bzw. Preis-Lohn-Spirale gewarnt, davor, dass sich höhere Preise und in Folge höhere Löhne gegenseitig aufschaukeln. Wäre theoretisch Lohnzurückhaltung trotz hoher Inflation der vernünftigere Weg, um einer solchen unheilvollen Dynamik zuvorzukommen? Aus wissenschaftlicher Sicht auf jeden Fall. Die Regierungen und Zentralbanken haben lange darauf gehofft, dass die Inflation nicht so stark zunimmt und nicht lange anhält. Je länger und höher die Inflation steigt, umso schwieriger wird es, sie wieder loszuwerden. Der Ölpreis ist zu 70 Prozent für die steigende Inflation in Europa direkt verantwortlich. Stabilisiert sich dieser bis zum nächsten Jahr bei 110 Dollar pro Barrel, wäre der Inflationsbeitrag der Energie für das kommende Jahr null. Werden aber sämtliche Mieten, Löhne, Gehälter, Pensionen etc. indexiert, bliebe man in der Inflationsspirale gefangen. Und danach sieht es zunehmend aus.

Was halten Sie von der Diskussion um die

Indexierung von Sozialleistungen? Pensionen, Kindergeld und dergleichen sind auch eine Art von Löhnen, deren Indexierung in eine Lohn-Preis-Spirale führen würde. Wir sehen das schon in den USA, wo die Inflation nur noch zu einem Viertel von den Energiekosten getrieben wird und zu drei Vierteln von anderen Faktoren. Deshalb ist die Fed auch bei den Leitzinsen aggressiver, die EZB hinkt hinterher. Es wäre aus ökonomischer Sicht vernünftiger, sich bei Lohnerhöhungen zurückzuhalten, aber es ist logisch, dass Gewerkschaften diese einfordern. Gerade für das einkommensschwächere Drittel der Bevölkerung muss es auch Unterstützungen geben, da dieses kaum Reserven hat. Breite Lohnerhöhungen für alle um sechs bis acht Prozent würden eine Lohn-Preis-Spirale anheizen. Ein Ausweg wären sinkende Ölpreise: Sollte sich beispielsweise der Ölpreis im nächsten Jahr halbieren, würde das die Inflationsrate um vier Prozentpunkte senken. Es ist nicht auszuschließen, dass das passiert. Die Regierungen und Zentralbank hoffen darauf.

Nicht auszuschließen ist aber auch, dass Russland der EU zuerst den Gashahn zu-

dreht. Ja, es ist denkbar, dass die Energiepreise weiter steigen, die Nahrungsmittelpreise ebenfalls, so gibt es neben dem Krieg in der Ukraine klimabedingte Missernten in China. Alle Güter, für die Energie gebraucht wird, dürften teurer werden. Solche, die von weit her importiert werden, in noch höherem Ausmaß, da auch der Transport teurer wird und die Frachtraten gestiegen sind. Weitere breit angelegte Preisanstiege sind daher nicht auszuschließen.

Es gibt im Zuge der Energiepreisentwicklung und auch bei den Frachtpreisen enorme Windfall-Profits, also quasi unvorhergesehene Zufallsgewinne. Bundeskanzler Karl Nehammer hat dem Energiekonzern Verbund schwere Kursverluste beschert, als er laut darüber nachgedacht hat, diese Gewinne abzuschöpfen. Wie sollte man mit diesen Windfall-Profits umgehen, bei deren Betrachtung es neben einer ökonomischen auch eine moralische Wahrheit gibt? Das ist eine sehr schwierige Frage. Als

Ökonom würde ich raten, nicht aktionistisch zu werden und Sondersteuern einzuführen. Es gibt tatsächlich teilweise enorme Windfall-Profits, zum Beispiel bei den Schiffsfrächtern, die letztes Jahr doppelt so viel verdient haben wie in den 20 Jahren davor, 200 Milliarden statt fünf Milliarden Dollar. Bei uns gibt es Energiekonzerne, die auch große Gewinne machen. Da muss man sich allerdings vorher überlegen – und das hat der Bundeskanzler zu wenig getan –, wem diese Konzerne gehören. Macht die Tiwag in Tirol Windfall-Profits, gehören die Gewinne dem Land Tirol als Eigentümer. Dasselbe gilt in Österreich für die meisten anderen Energiekonzerne. Eine Sondersteuer könnte den Börsenwert stärker beschädigen, als die Erlöse aus einer solchen Steuer ausmachen. Windfall-Profits sorgen dafür, dass stark investiert wird und die Bottlenecks, die Engpässe, die diese Zufallsgewinne erst ermöglicht haben, beseitigt werden. Schöpfe ich diese Gewinne ab, investiert niemand mehr in diese gewinnbringende Infrastruktur.

Man sollte also die Marktkräfte wirken lassen? Grundsätzlich ja. Aber auch Märkte können versagen. Das liegt häufig an fal-

„Werden sämtliche Mieten, Löhne, Gehälter und Pensionen indexiert, bliebe man in der Inflationsspirale gefangen. Und danach sieht es zunehmend aus.“

JÜRGEN HUBER

schen Preisen. Wir sehen das am Klimawandel, der durch fossile Brennstoffe mitverursacht wird, die viel zu billig sind. Die Gesamtkosten, die global dadurch anfallen, sind nie eingepreist worden.

Hier findet – hierzulande und anderswo in Form einer CO2-Abgabe – langsam ein

Umdenken statt. Too little, too late, aber besser jetzt als gar nicht. In Österreich werden 30 Euro pro Tonne eingehoben, brauchen würden wir global betrachtet zumindest 130. Eine CO2-Steuer ist prinzipiell das richtige Mittel, nur braucht es eine konsequente und globale Umsetzung.

Die Pandemie war eine Herausforderung für die Globalisierung, mit dem russischen Angriffskrieg ist eine weite-

re dazugekommen… Und mit der massiven Rivalität zwischen China und den USA.

Ist der Zenit überschritten, was die Globalisierung betrifft? In den Daten zeigt sich klar, dass der Zenit bereits 2008 überschritten wurde und es seitdem langsam bergab geht. Die Globalisierung ist am Rückzug, was an geostrategischen Rivalitäten – der Westen gegen China und gegen Russland – liegt, aber auch daran, dass das Win-win-Denken der Handelspolitik vom Nullsummenspiel der Politik abgelöst wurde. Globalisierung wird außerdem in weiten Kreisen als Elitenprojekt begriffen. „Die Reichen richten es sich, wir sind die Globalisierungsverlierer“, so der Gedankengang.

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Das hat sich bei den Brexiteers in Großbritannien gezeigt.

Diese These ist unhaltbar und entspringt einem Informationsdefizit der gefühlten

Globalisierungsverlierer. Ja, weil gerade diese Menschen überproportional von den fernöstlichen Billigprodukten profitieren und billig in den Urlaub fliegen können. All das ist Ergebnis der Globalisierung, die auch ein Stück weit Optimierung der Lieferketten unter Ausnutzung von Lohnunterschieden war. China ist enorm gewachsen und die Lohnunterschiede sind kleiner geworden. COVID hat die Anfälligkeit von Lieferketten und unsere Abhängigkeiten gezeigt. Wir wollen aber nicht abhängig sein, nicht bei Computerchips, nicht bei fossilen Energieträgern und nicht bei medizinischen Gütern. Das trägt dazu bei, dass die Globalisierung weiter abflacht.

Am Beginn der Pandemie war sehr viel von Re-Regionalisierung und europäischer Re-Industrialisierung die Rede. Passiert ist bislang nicht viel. Ist die gegenwärtige instabile geopolitische Lage – von manchen als Zeitenwende bezeichnet

– der endgültige Weckruf? Ja. China fährt bereits seit 2016 seine Auslandsinvestitionen massiv zurück, dort hat man die fragile Lage wohl früher erkannt. Europa wird das auch vermehrt tun, die USA genauso. Am besten sieht man das in der Halbleiterindustrie. Hier nimmt Europa 50 Milliarden Euro in die Hand, um unabhängiger zu werden. China und die USA tun dasselbe. Das sorgt für zusätzliche Kosten, ohne echtes Wachstum zu generieren, weil die globale Kooperation zurückgeht. Jeder für sich ist teurer als gemeinsam.

In der Chipproduktion ist ausgerechnet Taiwan mit einer der größten und fortschrittlichsten Industrien rund um TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) in einer Schlüsselrolle, die Chi-

na ein Dorn im Auge sein dürfte. TSMC ist immens wichtig, da sie die höchstentwickelten Chips der Welt herstellen. Die Versuchung für China, Taiwan zu erobern, ist auch deshalb groß. Ich habe Freunde in Taiwan und dort fürchten viele noch heuer, nach den amerikanischen Midterms, die Biden einen republikanischen Kongress bescheren und ihn politisch lähmen dürften, einen chinesischen Angriff. Auch wenn der Angriff nicht so früh kommt, die Gefahr eines Krieges dort ist groß. In China sieht man zwar, dass sich Russland in der Ukraine militärisch schwertut, ihnen die westlichen Sanktionen aber nicht viel anhaben können.

Sind die westlichen Sanktionen tatsächlich unwirksam? Russland hat einen Rekordbudgetüberschuss, der Rubel ist heute stärker als vor dem Krieg. Anfangs sah es nicht schlecht aus, aber wir kaufen fast gleich viel fossile Energie wie vor dem Krieg, zahlen aber einen wesentlich höheren Preis dafür. Umgekehrt liefert der Westen tatsächlich keine Audis, BMWs und Mercedes, kein KFC und McDonald’s mehr. Russland kauft um 80 Prozent weniger von uns als vorher und bedient sich bei China. Russland wird damit eine Technologiekolonie Chinas. China ist der große Gewinner, der im Gegenzug Geld und Zugang zu billigen Rohstoffen bekommt. Putin hat durch die hohen Einnahmen genügend Geld, um die Pensionen und die Mindestlöhne um 20 Prozent zu erhöhen.

Zurück zur Inflation. Welche Rolle spielt abseits ökonomischer Mechanismen die psychologische Komponente, was die In-

flationserwartung betrifft? Eine ganz wichtige. Der Anker, der mit dem von der EZB definierten Inflationsziel von zwei Prozent gesetzt wurde, hat die Inflation über 20 Jahre hindurch niedrig gehalten. Was Inflation längerfristig treibt, sind die Inflationserwartungen. Glauben die Bevölkerung und die Wirtschaft, dass die Inflation stabil um die zwei Prozent bleibt, gibt es keine überhöhten Lohnforderungen, keine großen Preiserhöhungen und so weiter. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser wichtige Anker jetzt gelöst hat und die Inflationserwartung dauerhaft auf ein höheres Niveau steigt. Laut Umfragen steigt sie, in Europa allerdings noch nicht so dramatisch wie in Großbritannien und in den USA. Das lässt sich also noch einfangen. Rein mathematisch wird die Inflation im nächsten halben Jahr allerdings noch hoch sein, weil der Ölpreis bis Februar 2023 mit dem wesentlich niedrigeren Preisniveau vor dem Krieg in der Ukraine verglichen wird. Ab Februar wird’s richtig spannend, weil wir bei der Inflationsberechnung folglich den Ölpreis mit den derzeitigen sehr hohen Preisen vergleichen.

Offiziell ist das einzige Mandat der EZB die Geldwertstabilität. In der Realität

schielt die EZB bei ihren Entscheidungen aber sehr wohl auf die Konjunktur.

Die Zentralbanken – das gilt für die Fed und die EZB gleichermaßen – sind politischer geworden. Das Erfolgsrezept der 1980er war es, dass die Zentralbanken wirklich unabhängig waren und ausschließlich auf die Geldwertstabilität nach innen und außen geachtet haben. Das hat funktioniert. Mit der Finanz- und noch stärker mit der Coronakrise haben die Zentralbanken zunehmend politiknah gewirkt und definitiv die Regierungspolitiken unterstützt und Regierungen finanziert, indem sie massiv Staatsanleihen gekauft haben.

Von daher rührt auch der Großteil der ausgeweiteten Zentralbankgeldmenge.

Absolut. Die EZB hat über 4.000 Milliarden Euro an Staatsanleihen gekauft und dadurch die Staatsdefizite (mit)finanziert. Das ist gemeint, wenn ich sage, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, denn ohne diese Anleihenkäufe hätten sich die Regierungen nicht in diesem Ausmaß bzw. zu so niedrigen Zinsen verschulden können.

Mario Draghis 2012 gefallenes „Whatever it takes“ war gewissermaßen Gernot Blümels „Koste es, was es wolle“ im

europäischen Maßstab. In der Tat. Schuldenfinanzierung durch die Zentralbank ist genau, was die italienische Zentralbank in den 1960er-Jahren gemacht hat. Das Resultat in Italien war damals eine Inflation von 25 Prozent. Das Finanzieren von Staatsdefiziten über neu geschaffenes Geld ist nun seit gut zehn Jahren wiedergekommen. Ein Sündenfall, für den wir jetzt die Rechnung präsentiert bekommen. Die Auswirkungen dieses Quantitative Easing wieder einzufangen, wird nur über ein „Quantitative Tightening“ gehen. Das bedeutet unterm Strich, dass ein paar magerere Jahre kommen werden, wo nicht mehr alles geht.

Die USA sind ein Bundesstaat, die EU vereinfacht gesagt eher ein Staatenbund. Die Fed hat größere Spielräume. Läuft eine geldpolitische Rückkehr zur Normalität in Europa nicht zwangsläufig auf die Entstehung einer Transferunion – ob nun formell oder informell – hinaus? Ja. Die Transferunion ist für eine Währungsunion unvermeidlich und ist über die Hintertür ohnehin bereits gekommen. Es gibt bereits eine gewisse Vergemeinschaftung der Schulden und anders wird es letztlich nicht funktionieren können, auch wenn das bei uns

„Die Globalisierung ist am Rückzug.“

JÜRGEN HUBER

und besonders in Deutschland nicht gerne gehört wird. Eine Transferunion ist jedenfalls nicht unproblematisch und wurde genau deswegen im Maastricht-Vertrag, dem Vertrag von Lissabon und den EZB-Statuten ausgeschlossen.

Wir erinnern uns mit Schrecken an die Subprime-Krise. Ausgelöst durch drastischen Ausfall von Hypothekenkrediten niedriger Bonität war sie der erste Dominostein, der die Finanz- und Bankenkrise 2008 ausgelöst hat. Ist am hiesigen Immobilienmarkt durch ein Ende des billigen Geldes mit ähnlichen Verwer-

fungen zu rechnen? Die Immobilienpreise haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt, getrieben durch die künstlich niedrigen Zinsen und die enorme Geldmenge. Versiegt die Geldflut, ist die logische Konsequenz, dass der massive Anstieg der Immobilienpreise vorbei sein wird. Kommt es dadurch bei uns zu einem Crash? Ziemlich sicher nicht. Im Gegensatz zur Situation 2008 in den USA, wo das meiste auf Schulden gekauft wurde, ist es bei uns so, dass ein wesentlich größerer Anteil an Immobilien von wohlhabenden Menschen mit vorhandenem Geld gekauft wurde. Da herrscht kein besonderer Verkaufsdruck. Ich sehe eine Stabilisierung des derzeitigen Preisniveaus, die auch ein Jahrzehnt lang anhalten kann. Vermutlich wird weniger gebaut werden, weil die Arbeitskräfte ebenso wie Baumaterialien fehlen und Kredite teurer sind. Ein Einbruch der Bauindustrie deutet prinzipiell in Richtung Rezession.

In einer Stagflation leidet normalerweise der Arbeitsmarkt. Gegenwärtig sieht es aber ganz im Gegenteil so aus, als ob das Arbeitskräfteangebot nicht mit der Nachfrage Schritt halten kann. Rechnen Sie mit einem Anstieg der Arbeitslosig-

keit? Ja, aber erst in einem Jahr. Kühlt sich die Wirtschaft deutlich ab, wird die Arbeitslosigkeit trotz demografischen Wandels bzw. Überalterung der Gesellschaft steigen. Dramatische Massenarbeitslosigkeit sehe ich allerdings nicht kommen. Das hängt aber von vielen anderen Faktoren ab – etwa der Entwicklung der Pandemie.

Die Kurzarbeit hat sich als arbeitsmarktpolitische Maßnahme etabliert. Wird uns diese Maßnahme erhalten bleiben, sollte die Wirtschaft in eine Stagflation gehen?

Kurzarbeit ist eigentlich ein beträchtlicher Markteingriff, der aber nun politisch enorm populär ist. Das kommt beim Wähler an und erhält auch die Kaufkraft. Vermutlich werden wir dauerhaft Kurzarbeitsprogramme sehen, die hoffentlich intelligent aufgesetzt werden und beispielsweise für Umschulungen genutzt werden sollten.

Wir bekommen, wie Sie erwähnt haben, jetzt die Rechnung für die Fehler der Vergangenheit präsentiert. Wie könnte man diese Rechnung überhaupt begleichen?

Über Vermögenssteuern. So wurde auch nach dem 1. und 2. Weltkrieg die Ungleichheit reduziert. Die Reichen sind – global und in Österreich – in den und durch die Krisen sehr viel reicher geworden. Allein 2021 wuchs ihr Vermögen um 16 Prozent, während das Vermögen der ärmeren Bevölkerungshälfte nicht wuchs. Wer am meisten durch die Geldflut gewonnen hat, sollte nun auch solidarisch zur Lösung der Probleme beitragen – auch zur Eindämmung der Ungleichheit und um die kommenden Belastungen zu schultern, muss man über Vermögenssteuern reden. Bei Vermögen von über fünf Millionen Euro wären nach meiner Einschätzung zwei Prozent Vermögenssteuer pro Jahr sinnvoll und vertretbar. Das würde damit 99 Prozent der Bevölkerung nicht, sondern eben „die obersten 10.000“ betreffen. Österreich rangiert bei den Vermögenssteuern global betrachtet derzeit ganz hinten. Die Antwort, warum das so ist, ist in den herrschenden politischen Verhältnissen zu finden. Wollen wir nicht eine immer gespaltenere Gesellschaft mit wenigen Superreichen, die vor allem die meisten Immobilien besitzen, und einer unzufriedenen breiten Masse, dann sind Vermögenssteuern wohl das zielführendste Mittel. Leider lässt sich gegen diese sehr gut populistisch agieren, so dass keine Partei sich traut, solche Steuern zu fordern – obwohl sie 99 Prozent der Bevölkerung nicht treffen würden, diesen aber helfen würden, da Staatseinnahmen generiert werden, die sonst von der breiten Masse kommen müssen.

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Bereits bei der Planung setzt man sich intensiv mit den Ansprüchen zeitgemäßer Lebenssituationen auseinander. „Wir leben heute anders als noch vor zehn oder zwanzig Jahren und berücksichtigen dies auch in unseren Wohnbauprojekten. Wir sind der Meinung, dass es noch zu viele ‚altgedachte Neubauten‘ gibt, und wollen hier einen Beitrag für zukunftsfähiges Wohnen leisten“, so Geschäftsführer Ing. Daniel Kostenzer. Es gilt, den hohen Anspruch zu befriedigen, dass sich die Bewohner nicht nur in ihrem zukünftigen Zuhause, sondern in allen Baubelangen wohlfühlen können. Vom ersten Gespräch über die Individualisierung bis hin zur Schlüsselübergabe baut man daher auf eine klare Partnerschaft.

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„Wir leben heute anders als noch vor zehn oder zwanzig Jahren und berücksichtigen dies auch in unseren Wohnbauprojekten. Wir sind der Meinung, dass es noch zu viele ‚altgedachte Neubauten‘ gibt, und wollen hier einen Beitrag für zukunftsfähiges Wohnen leisten.“

DANIEL KOSTENZER

damit verbundenen großen Nachfrage gerecht zu werden, setzt man bei EGLO IMMOBILIEN auch auf Tochterfirmen. Diese eigenständigen Unternehmen sind verlässliche Partner auf jedem Bau (COSMOBAU, MALTECH, DIE PINSELEI). Erfahrene Immobilienpartner begleiten weiters den optimalen und sinnvollen Kauf oder Verkauf einer Immobilie (IMMOSENCE).

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„DIE INDUSTRIE STELLT SICH AUF SCHWIERIGE ZEITEN EIN“

Die Tiroler Industriellenvereinigung mit Präsident Christoph Swarovski an der Spitze sieht schwierige Zeiten auf die Industrie zukommen. Neben dem Krieg in der Ukraine hängt auch eine Verschlechterung der Beziehungen mit China wie ein Damoklesschwert über der exportorientierten Wirtschaft.

INTERVIEW: MARIAN KRÖLL

„Der Klimawandel ist nur mit Innovation und Technik und gemeinsam mit der Wirtschaft zu schaffen und nicht allein mit dirigistischen Regulierungen und unrealistischen Zielvorgaben.“

CHRISTOPH SWAROVSKI

n Sachen Umweltschutz könne sich die Tiroler Industrie bereits heute mit den Besten messen, findet Christoph Swarovski, Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Tirol. Dennoch warnt er vor unrealistischen politischen Zielvorgaben und Klimazielen im Verfassungsrang und plädiert im Interview dafür, das Wasserkraftpotential in Tirol auszuschöpfen.

Mit welchen Strategien sind diese Gefah-

ren zu bewältigen? Da wird es ein Bündel von Strategien und Maßnahmen brauchen. So ist es höchst an der Zeit, dass wir die im Grunde fertig verhandelten Handelsverträge mit den USA, Kanada und Südamerika vollständig in Kraft setzen. Es ist nicht verständlich, wenn wir uns selbst den Zugang zu diesen Märkten erschweren. Insgesamt dürfen wir uns in der EU – und besonders in Österreich – nicht selbst durch übertriebene Regulierungsambitionen schädigen. So ist etwa der Klimawandel nur mit Innovation und Technik und gemeinsam mit der Wirtschaft zu schaffen und nicht allein mit dirigistischen Regulierungen und unrealistischen Zielvorgaben.

ECO.NOVA: Es gibt hohe Inflation und annähernd Vollbeschäftigung, doch am Horizont zieht eine Gewitterfront auf, welche die Konjunktur nachhaltig zu verhageln droht. Wie schätzen Sie derzeit das Risiko einer Stagflation ein?

CHRISTOPH SWAROVSKI: Wie sich die Wirtschaft in der nächsten Zeit entwickeln wird, ist schwer vorhersehbar und von uns eingeschränkt beeinflussbar. Entscheidend sind sicher die Dauer und die Folgen des Krieges in der Ukraine und wie rasch sich die Lieferkettenproblematik wieder entspannt. Auch die Entwicklung von Corona wird sich weiter auf die Konjunktur auswirken. In dieser Gemengelage ist eine Stagflation durchaus denkbar, wird uns aber hoffentlich erspart bleiben.

Wie ist derzeit die Stimmung unter Tirols

Industriebetrieben? Bei der letzten IV-Konjunkturumfrage von Ende April haben nur zehn Prozent unserer Mitglieder angegeben, dass sie in sechs Monaten eine gute Geschäftslage erwarten. Die Industrie stellt sich also auf schwierigere Zeiten ein. In dieser Situation versuchen die Unternehmen, das Beste aus der Situation zu machen. Die Stimmungslage ist daher zwar nicht optimistisch, wohl eher vorsichtig, aber durchaus entschlossen.

An welchen Fronten drohen der heimischen Industrie derzeit die größten

ökonomischen Gefahren? Die unmittelbar größte Gefahr für unsere Wirtschaft geht nach wie vor von den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine aus. Eine entscheidende Rolle wird dabei sicher China spielen. Wenn die wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu sehr leiden, wird das ebenfalls gravierende Auswirkungen auf unsere Industrie haben. Dazu kommen die bereits bekannten Probleme im Bereich des Arbeitskräftemangels, die hohen Kosten für Energie, die steigenden Rohmaterialkosten und die anstehenden hohen Investitionen aus dem „Green Deal“.

Die Industrie ist in hohem Maß von Erdgas abhängig, dessen Bezugsquellen kurzfristig schwer bzw. kaum zu diversifizieren sind. Gibt es mittelfristig tragfähige Alternativen zum – überwiegend russischen –

Gas? Russisches Gas ist für die österreichische Industrie kurzfristig nicht ersetzbar. Im Gegensatz zu Deutschland passiert bei uns zu wenig, um die aktuelle Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Gas wird noch über Jahrzehnte ein unersetzbarer Brennstoff bleiben. Wir sollten uns in Österreich daher ernsthaft Alternativen überlegen, die uns von teuren Importen unabhängiger machen.

Kann man denn den Anspruch erheben, eine Industrienation zu sein, wenn man keine Kontrolle über die eigene Energie-

versorgung hat? Japan ist unbestritten eine Industrienation, obwohl es bekanntermaßen nahezu über keine Rohstoffe verfügt, und wir sind eine, obwohl wir viel Energie importieren müssen. Auf lange Sicht ist es aber strategisch sicher notwendig, bei der Energieversorgung eigenständiger bzw. von einzelnen Lieferanten unabhängiger zu werden. In Tirol müssen wir das gesamte Potential der Wasserkraft nutzen. Da können wir uns ein Beispiel an der Schweiz nehmen, die das bereits seit Jahrzehnten konsequent macht.

„Wenn zwar die Produktivität steigt, aber die Kosten explodieren, dann gibt es leider wenig zu verteilen.“

CHRISTOPH SWAROVSKI

Wie stehen Sie der politisch vorangetriebenen Dekarbonisierung der Industrie gegenüber? Welche Ziele sind ökonomisch vertretbar und realistisch, was entspringt dem Wunschdenken der

Politik? Die Dekarbonisierung ist notwendig und wird auch umgesetzt. Die politisch vorgegebenen Ziele sind im Bund aber genauso unrealistisch wie im Land. Wenn die Klimaziele, wie es die Klimaministerin will, in die Verfassung kommen und jeder auf ihre Einhaltung klagen kann, wird das dazu führen, dass Investitionen in Österreich einfach nicht mehr wirtschaftlich vertretbar sein werden – auch solche in den Klimaschutz.

Die CO2-Bepreisung qua Steuer ist in Europa in einer großen Bandbreite zwischen Centbeträgen und rund 120 Euro pro Tonne verwirklicht. Österreich wird anfänglich mit 30 Euro pro Tonne CO2 besteuern. Ist diese vielfach als moderat eingestufte Besteuerung eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit der

heimischen Industrie? Bei der Besteuerung von Emissionen ist die zentrale Frage nicht die Höhe der Abgabe, sondern was in anderen Teilen der Welt passiert. Wenn wir unsere Industrieproduktion etwa auch durch Abgaben verteuern und keinen Ausgleich bei Importen aus Ländern ohne diese Abgaben schaffen, dann laufen wir Gefahr, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Produktionsbetriebe werden gezwungen, in Länder mit niedrigeren Standards – zum Schaden der Wirtschaft und der Umwelt – abzuwandern.

Tirol ist bereits heute ein fortschrittlicher Industriestandort. Sehen Sie in der Produktivität und Emissionsvermeidung bzw. -reduktion überhaupt noch viel Luft

nach oben? Die Tiroler Industrie investiert laufend in den Umweltschutz und wir können uns da im internationalen Vergleich mit den Besten messen. Die Umweltschutzausgaben des produzierenden Sektors betrugen im Jahr 2019 rund 60 Millionen Euro. Von 2014 auf 2019 stiegen die gesamten Umweltschutzausgaben in Tirol um 34,1 Prozent – in Österreich waren es im selben Zeitraum 27 Prozent.

Wie sollte mit den beträchtlichen Windfall-Profits*) umgegangen werden, die vor allem im Energiesektor derzeit entste-

hen? Die Energieversorgungsunternehmen sind zu einem wesentlichen Teil in öffentlicher Hand. Bund und Länder erhalten daher über Gewinnausschüttungen einen großen Teil der Gewinne. Besser wäre es aber, das Geld für den entschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energie und den Ausstieg aus fossilen Treibstoffen zu verwenden. Die Ergebnisse sollten stehen gelassen werden, anstatt sie zuerst zu entziehen und dann über bürokratische Fördermechanismen wieder zurückzugeben. Von einer Sondersteuer, die derzeit immer wieder diskutiert wird, halte ich nichts.

Die Inflation setzt nicht nur den Arbeitgebern, sondern auch den Arbeitnehmern zu, die hohen Energiepreise treffen Private wie Unternehmen gleichermaßen. Das wird sich bei den Kollektivvertragsverhandlungen bemerkbar machen. Welche Größenordnung bei Lohnzuwächsen hält man in der Industrie für verkraftbar bzw. welche Reallohnverluste für den Ar-

beitnehmer zumutbar? Positiv ist, dass die kalte Progression zumindest teilweise abgeschafft werden soll. Bei den Lohnverhandlungen ist es wichtig, dass beide Seiten Verständnis für die andere zeigen und es zu tragbaren Kompromissen kommt. Reallohnverluste sind insbesondere bei kleinen Einkommen sicher schwer vorstellbar. Dafür gibt es aber auch die Entlastungspakete der öffentlichen Hand. Es muss aber auch klar sein, dass weder der Staat noch die Wirtschaft alle Nachteile ausgleichen kann, die aus Ereignissen wie einem Krieg oder einer Pandemie entstehen. Auch die Unternehmen werden schwere Belastungen hinnehmen müssen.

Ist eine verstärkte Beteiligung der Arbeitnehmer an Produktivitätsfortschritten eine denkbare Variante, um Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen

stärker miteinander zu verbinden? Bei Lohnverhandlungen geht es immer auch um die Beteiligung an den Produktivitätsfortschritten. Wenn zwar die Produktivität steigt, aber die Kosten explodieren, dann gibt es leider wenig zu verteilen. Schließlich muss alles, was verteilt wird, vorher verdient werden.

*) Windfall-Profits sind unvorhergesehene, nicht eingeplante Gewinne, die nicht durch erhöhte Leistung, sondern durch eine Veränderung der Marktlage entstehen und dadurch plötzliche Vermögenszuwächse generieren.

SPARE IN DER ZEIT …

Laut einer Integral-Studie im Auftrag der Erste Bank ist die Inflation für fast Dreiviertel der Österreicher im Alltag spürbar, der Großteil der Befragten legt dennoch Wert auf Veranlagung.

72 %

der Befragten geben an, dass sich die aktuell hohe Inflationsrate und die damit verbundenen steigenden Kosten bei Energie, Wohnen und Lebensmittel auf ihr Haushaltsbudget auswirken. Insbesondere Haushalte mit einem Nettoeinkommen unter 2.000 Euro leiden unter den steigenden Preisen. Jüngere Menschen fühlen sich weniger belastet als ältere.

80 %

der Befragten planen eine Veranlagung im nächsten Jahr. Die durchschnittliche Veranlagungssumme liegt bei rund 4.600 Euro (– 4 PP).

91.500 EURO

56 %

beträgt die durchschnittlich aufgenommene Summe bei Krediten im ersten Quartal 2022 (– 21 PP). Zurückzuführen ist dies auf eine gestiegene Anzahl von Personen, die eine Finanzierung bis 5.000 Euro bzw. 50.001 bis 100.000 Euro planen. Gleichzeitig ging die Zahl derer, die eine Finanzierung von mehr als 100.000 Euro in Betracht ziehen, stark zurück.

sehen das Sparbuch nach wie vor als Anlageform Nummer eins (– 1 PP).

38 %

der Anleger setzen auf Wertpapiere (+ 6 PP), jeder Vierte auf Gold (+ 8 PP).

32 %

möchten in Ihre Pensionsvorsorge investieren, 31 % in Lebensversicherungen (jeweils + 1 PP).

18 %

planen in den nächsten 12 Monaten keine Veranlagung (– 2 PP).

38 %

planen für die nächsten 12 Monate größere Anschaffungen wie einen Wohnungs- oder Autokauf (+ 4 PP). Dies gilt insbesondere für Personen unter 30 Jahren, Personen mit höherer Ausbildung und Berufstätige mit höherem Einkommen. 87 % wollen dies über eigene Ersparnisse tun, nur 12 % über einen Kredit oder Bauspardarlehen (– 8 PP).

AUF IHRE IMMOBILIENMAKLER, BAUTRÄGER

UND HAUSVERWALTER IST VERLASS.

LEITBETRIEBE SIND WIRTSCHAFTSTURBOS

Die internationalen Leitbetriebe mit Sitz in Tirol sind von enormer wirtschaftlicher Bedeutung für das Bundesland und die österreichische Volkswirtschaft. Das beweist eine aktuelle Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts.

Durch ihre Wirtschaftskraft generieren und initiieren die Tiroler Leitbetriebe tagtäglich einen gewichtigen Teil der Tiroler und folglich auch der österreichischen Wertschöpfung und sichern zahlreiche Arbeitsplätze. Im Sog ihres Erfolgs profitieren viele Klein- und Mittelunternehmen, die als Vorleister, Auftraggeber und Kooperationspartner eng mit den Leitbetrieben zusammenarbeiten. Darüber hinaus stärken die Leitbetriebe und ihre Kooperationspartner die regionale und nationale Kaufkraft, wodurch wiederum die gesamte Wirtschaft profitiert.

PRODUKTION

Das Industriewissenschaftliche Institut hat in Tirol 13 Leitbetriebe identifiziert. Sie bewirken zusammen – in ganz Österreich – eine Produktion von 10,89 Milliarden Euro. Im Hinblick auf die Branchenverteilung konzentrieren sich diese 13 Unternehmen bei der Herstellung von Waren auf pharmazeutische Erzeugnisse, Metallerzeugung und -bearbeitung, Maschinenbau, auf die Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden, elektronische und optische Erzeugnisse.

WERTSCHÖPFUNG

Die Wertschöpfung, die gesamtwirtschaftlich durch die 13 Tiroler Leitbetriebe generiert wird, beläuft sich auf 4,48 Milliarden Euro – das ist 1,26 Prozent der in Österreich generierten Wertschöpfung. Die direkt von den Tiroler Leitbetrieben erwirtschaftete Wertschöpfung liegt bei 1,97 Milliarden Euro, zusätzlich kommen über indirekte sowie induzierte Effekte jeweils 1,30 Milliarden Euro an Wertschöpfung dazu.

ARBEITSPLÄTZE

Insgesamt sichern die Aktivitäten der Leitbetriebe in Tirol 60.171 Arbeitsplätze – 52.820 Vollzeitäquivalente, hiervon 20.184 Arbeitsplätze direkt, 18.667 indirekt sowie 21.311 induziert. Die gesamtwirtschaftlich ausgelösten Löhne und Gehälter betragen 2,28 Milliarden Euro. PR

DIE HEBELWIRKUNG DER 13 TIROLER LEITBETRIEBE IN DER ÖSTERREICHISCHEN WIRTSCHAFT

© Quelle: IWI

3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5 1,99 €

1,0 € 2,27 €

1,0 € 2,98

1,0

Produktionswert Wertschöpfung Arbeitsplätze

Ein Euro an Produktion der Tiroler Leitbetriebe generiert gesamtwirtschaftlich 1,99 Euro an Produktion, ein Euro an Wertschöpfung generiert 2,27 Euro an Wertschöpfung sowie ein Beschäftigungsverhältnis in den internationalen Leitbetrieben Tirols bedingt in Österreich insgesamt 2,98 Arbeitsplätze.

INDUSTRIE IN TIROL

Zahlen und Daten zum Standort Tirol

€ 523,8 Mio.

Für Forschung und Entwicklung (F&E) haben die Tiroler Unternehmen ihre Ausgaben von 477,2 (2015) auf 523,8 (2017) Millionen Euro gesteigert.

28 %

der Tiroler Bruttowertschöpfung werden von produzierenden Betrieben (mit Bauwirtschaft) erbracht.

€ 7,4 Mrd. 425

Tiroler Industriebetriebe

€ 43.123

Das durchschnittliche Gehalt von Industriebeschäftigten lag zuletzt bei 43.123 Euro und damit weitaus höher als in fast allen anderen Branchen der Tiroler Wirtschaft.

40.000

Die Zahl der IndustrieMitarbeiter lag 2021 bei knapp 40.000.

€ 12,5 Mrd.

Der Produktionswert der Tiroler Industrie lag 2021 bei 12,54 Milliarden Euro – plus 13,5 % gegenüber dem Vorjahr.

93

Lehrbetriebe bildeten 2021 insgesamt 1.288 Lehrlinge aus – in über 60 verschiedenen Lehrberufen.

VIELFÄLTIGER TECHNIKHERBST 2022

Egal ob in der IT-Branche oder in der Industrie – eine Ausbildung im technischen Bereich ist zukunftssicher, gefragt am heimischen Arbeitsmarkt und ein Garant für gute Verdienstmöglichkeiten. Im Herbst starten am BFI Tirol zahlreiche neue und etablierte Lehrgänge.

© ADOBESTOCK

Eine beliebte Möglichkeit der beruflichen Weiterbildung ist die AK Werkmeisterschule, die aufgrund der Praxisnähe der Ausbildung bei Tiroler Unternehmen einen hervorragenden Ruf genießt. Im Verlauf von vier Semestern werden die Teilnehmer*innen berufsbegleitend zu qualifizierten technischen Führungskräften ausgebildet, die mit dem Werkmeisterbrief über einen EU-weit anerkannten Abschluss verfügen. Angeboten werden die Fachrichtungen Elektrotechnik, Maschinenbau und Mechatronik an den Standorten Innsbruck, Jenbach und Kufstein. Weitere Informationen finden Sie unter www.werkmeisterschulen.tirol.

Gewisse Überschneidungen mit der Tätigkeit des Werkmeisters gibt es bei der Sicherheitsfachkraft. Als solche ist man als Berater*in der Arbeitgeber*innen und Mitarbeiter*innen tätig. Man unterstützt fachkundig in allen Fragen der Arbeitssicherheit, unter anderem bei der Gefahren- und Unfallverhütung, bei der Planung von Arbeitsstätten und bei der Beschaffung von Arbeitsmitteln. Auch hier bietet das BFI Tirol einen Fachlehrgang mit Expert*innen aus der Praxis an, der die Teilnehmer*innen bestens auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet. Im Bereich IT gibt es ebenso vielfältige Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung. In den Bereichen Social Media und Grafik starten zwei Lehrgänge, die Absolvent*innen praxisnah auf die Anforderungen der heimischen Unternehmen vorbereiten, sowie die OMC als jährliches Update. Noch technischer geht es in der Programmierakademie und dem neuen Datenanalyse-Lehrgang zu, womit man sich zur gesuchten Fachkraft qualifiziert. Wie wichtig Data Mining und Machine Learning in Zukunft für die Wirtschaft werden und welche neue Chancen sich dadurch bieten, darüber informiert Stefan Aigner, der geschäftsführende Gesellschafter der datafox consulting GmbH, bei einem Vortrag am 28. September 2022 am BFI Tirol.

MASSGESCHNEIDERTE SCHULUNGEN NACH WUNSCH

Nach Bedarf konzipieren wir maßgeschneiderte Firmenschulungen, die auf Ihre spezifischen Bedürfnisse abgestimmt sind. Das BFI Tirol ist mit seiner mehr als 50-jährigen Erfahrung ein verlässlicher Partner für professionelle Firmentrainings. Wir freuen uns auf Ihr Interesse! PR AKTUELLE SEMINARE

• Werkmeisterschule – 1. Semester der Fachrichtungen

Elektrotechnik, Maschinenbau und Mechatronik

Start am 12. September 2022

• KI und die Macht der Daten –

Data Science und Business

Analytics in der Praxis

Infovortrag am 28. September 2022

Start am 17. Oktober 2022

• Programmierakademie

Berufsbegleitend – Basis

Infoabend am 8. September 2022

Start am 17. Oktober 2022

• Ausbildung zur

Sicherheitsfachkraft

Start am 3. Oktober 2022

• Diplomlehrgang zum/zur zertifizierten Social Media

Manager*in

Start am 28. September 2022

• Fachlehrgang Webdesign und Social Media – Basis (ISO-zertifiziert)

Start am 4. Oktober 2022

• Ausbildung zum/zur Web

Developer*in

Start am 12. Oktober 2022

• Fachlehrgang Grafik und

Mediengestaltung – Basis 1 (ISO-zertifiziert)

Start am 3. Oktober 2022

• OMC – Online Marketing

Conference

Am 10. November 2022

BFI TIROL

Ing.-Etzel-Straße 7, 6020 Innsbruck Tel.: 0512/59 660 info@bfi-tirol.at www.bfi.tirol

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