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WISSENSCHAFT SCHAFFT WISSEN
Starke Wirtschaftsstandorte sind in der Regel auch starke Wissenschaftsstandorte. Dies gilt quasi weltweit. Abgesehen von Regionen mit reichen Rohstoffvorkommen fußt der Wohlstand eines Landes oft in dessen Innovations- und Forschungskraft. Die Coronapandemie hat uns eindrücklich vor Augen geführt, welchen – global wichtigen – Stellenwert die Wissenschaft einnimmt, auch wenn man ihr hierzulande oft skeptisch gegenübersteht.
INTERVIEW: MARINA BERNARDI
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Sie ist eine der führenden Virologinnen des Landes und eine Frau, die auch Unbequemes ausspricht. Damit macht man sich nicht nur Freunde. Dorothee von Laer ist seit 2010 Professorin am Lehrstuhl für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck und forscht an ihrem Institut zum Einsatz onkolytischer (tumorzerstörender) Viren in der Krebstherapie sowie zur Gentherapie bei HIV-Infektionen. In der österreichischen Öffentlichkeit bekannt wurde sie indes durch ihre fachliche Expertise im Rahmen der COVID-19-Pandemie. Im Interview spricht sie über Wissenschaft, Tirol und die Zusammenarbeit mit der Politik.
ECO.NOVA: Welchen Stellenwert haben Wissenschaft
und Forschung für einen Standort wie Österreich
bzw. welchen sollten sie haben? DOROTHEE VON LAER: Die Wissenschaft ist ein wichtiger Grundpfeiler für die Entwicklung eines Landes. In Österreich liegt der Schwerpunkt diesbezüglich eher im Osten. In Wien findet viel Forschung und Innovation statt, zahlreiche Startups entstehen und viele Industriebetriebe haben hier oft sogar ihren globalen Hauptsitz. Ich denke, in Tirol sind wir noch nicht ganz so weit, auch wenn in den Universitäten und Fachhochschulen hervorragende Arbeit geleistet wird. Als führenden Wissenschaftsstandort sehe ich Tirol dennoch nicht. Aufgrund der Größe des Landes wäre es vermutlich auch ein wenig übertrieben, ein großes Forschungs- und Innovationszentrum aufbauen zu wollen.
Ist und bleibt Tirol ein Tourismusland? Wirtschaftlich jedenfalls ist Tirol nach wie vor stark vom Tourismus abhängig. Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert, insofern hat man bisher vielleicht auch nicht so viel Wert darauf gelegt oder die Notwendigkeit gesehen, die Wissenschaft vermehrt zu fokussieren. Es sind durchaus Aktivitäten angestoßen worden, aber nicht in dem Ausmaß wie anderswo.
Sie sind im Hamburg geboren und waren lange Zeit in Deutschland an führenden Instituten in Hamburg, Freiburg und Frankfurt tätig. Was hat Sie letztlich
nach Tirol verschlagen? Der Ruf auf die Professur. Als Virologin hat man es diesbezüglich nicht so leicht, die Stellen im deutschsprachigen Raum sind rar. 2010 wurde am Institut für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck eine Professur sowie die Institutsleitung frei. Tirol hat außerdem einen hohen Freizeitwert, deshalb habe ich die Stelle in Innsbruck angenommen.
Während der Pandemie war die Wissenschaft wohl so präsent wie zu kaum einer anderen Zeit. Es hat allerdings auch gezeigt, wie skeptisch viele Menschen der Wissenschaft gegenüberstehen. Woher kommt das? Es gibt Studien, die zeigen, dass Österreich zur wissenschaftsfeindlichsten und naturwissenschaftlich am wenigsten informierten Bevölkerung in Europa gehört. Nun kann man breit darüber spekulieren, wa-
ZUR PERSON
Dorothee von Laer wurde 1958 in Hamburg als Tochter des späteren Nobelpreisträgers Klaus Hasselmann geboren. Sie studierte an der Universität Hamburg Medizin und war als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Hamburg und Freiburg tätig. 1994 beendete sie die Facharztausbildung für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, 1996 folgte die Habilitation an der Universität Freiburg. Im Jahr 2000 gründete sie gemeinsam mit fünf weiteren Wissenschaftlern das BiotechUnternehmen Vision7, das auf dem Gebiet der Gentherapie bei HIVInfektionen tätig war. 2003 folgte sie einem Ruf an die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Professorin für Angewandte Virologie und Gentherapie. Obwohl die Berufung auf Lebenszeit erfolgte, wechselte sie am 1. Jänner 2010 nach Tirol als Professorin und Leiterin des Instituts für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck. 2013 war sie Mitbegründerin des Uni-Spin-offs ViraTherapeutics, das auf ihren Forschungen zu onkologischen Viren basierte, mit einer Reihe von Innovationspreisen ausgezeichnet und 2018 für einen dreistelligen Millionenbetrag an das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim verkauft wurde. Dorothee von Laer ist in zweiter Ehe (Holm) verwitwet und aus erster Ehe (von Laer) Mutter dreier Töchter. Sie wohnt mittlerweile zu einem großen Teil im Burgenland.

rum das so ist. Als Erstes lässt sich wohl der Schulunterricht anführen. In anderen Ländern werden Kinder und Jugendliche mit weit mehr Spaß und Kreativität an die Naturwissenschaften herangeführt. Hinzu kommt, dass sich Österreich generell eher als schöngeistiges Kulturland sieht. Vor allem im Osten identifiziert man sich stark mit Kunst und Kultur, im Westen mit dem Tourismus. Das ist völlig berechtigt und das sind Dinge, die man durchaus hervorheben kann, doch das allein bringt uns nicht weiter. Wir müssen auch anderen Bereichen einen Stellenwert einräumen.
Sie wurden für Ihre Aussagen zu COVID-19 selbst übelst per Mail und teilweise auf offener Straße an-
gefeindet. Wie erklären Sie sich das? Anfeindungen Wissenschaftler*innen gegenüber sind kein rein österreichspezifisches Phänomen, solche Fälle gab und gibt es auch in Deutschland und anderswo. Tatsächlich aber ist es so, dass jene Menschen, die schlechte Nachrichten überbringen, oft dem Hass und dem Unmut der Menschen ausgesetzt sind. Christian Drosten zum Beispiel hatte teilweise sogar Personenschutz und ich konnte nur noch mit Perücke aus dem Haus gehen. Auffällig ist, dass es etwa in Skandinavien kaum so genannte Coronaleugner oder Anti-Corona-Demonstrationen gab. Dort ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen, die Forschung und Wissenschaft generell viel größer. Dinge oder Situationen, die man nicht kennt, die einem fremd sind, stufen manche Menschen oft als bedrohlich oder zumindest suspekt ein. In der Coronapandemie war die relativ hohe Uninformiertheit der Bevölkerung über naturwissenschaftliche Zusammenhänge sicher ein Problem. Und hier sind wir wieder bei der Bildung. Diese Unwissenheit führt zu Unverständnis und einer Abwehrhaltung. Deshalb halte ich Wissensvermittlung im naturwissenschaftlichen Bereich von der Schule bis ins Erwachsenenalter für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in die sich auch die Universitäten und wir als Wissenschaftler*innen mit einbringen müssen.
Braucht es eine vermehrte – oder verbesserte – Kommunikation seitens der Wissenschaft nach außen?
Der Naturwissenschaftler an sich fühlt sich in seiner Isoliertheit, die ihm oft vorgeworfen wird, tatsächlich am wohlsten und er braucht seinen Elfenbeinturm, um seine Kreativität ausleben und seine Forschung ungestört vorantreiben zu können. Um ganz ehrlich zu sein: Die Wissenschaft hat am liebsten ihre Ruhe. Wir unterhalten uns am liebsten mit Leuten, die in etwa denselben Wissensstand haben wie wir selbst und wo wir in der Diskussion geistiges Futter kriegen. Wir wollen den Menschen nicht die Grundlagen der Naturwissenschaften erklären. Dennoch müssen wir es, weil wir einen Auftrag dazu haben. Wir werden von den Steuerzahler*innen finanziert und haben mehr oder weniger die Verpflichtung dazu, nicht nur zu forschen, sondern auch Wissen zu transferieren. Das war mit ein Grund, warum ich mir die vergangenen Jahre in der Öffentlichkeit angetan habe. Die wenigsten von uns Wissenschaftler*innen machen das gerne und mögen das. Meiner Meinung nach bräuchte es eigene Wissenschaftskommunikator*innen, die Informationen derart herunterbrechen können, dass sie für die Allgemeinheit verständlich werden. Man müsste tatsächlich schon unter dem Nachwuchs sehr früh Menschen identifizieren, die vielleicht nicht das Potenzial haben, zu Topforschern zu werden, aber das Talent dazu, Dinge und Zusammenhänge zu erklären. So wie wir gute Lehrer*innen für unsere Studierenden brauchen, so brauchen wir an den Universitäten gute Kommunikator*innen, die die Brücke nach außen schlagen. Wir Wissenschaftler*innen sind dazu verpflichtet, gute Arbeit zu leisten, gleichzeitig sind Forschungseinrichtungen aber auch dazu verpflichtet, die Bevölkerung zu informieren. Damit beides nicht zur kurz kommt, ist meines Erachtens der Weg für die Zukunft, solchen Wissenschaftskommunikatoren einen festen Platz an den Universitäten einzuräumen.
Die ganze Welt scheint von dieser Pandemie überrascht worden zu sein. Aber so überraschend war diese gar nicht. Viele Experten haben seit langem vor einem solchen Szenario gewarnt. Man hätte den schwarzen Schwan also durchaus anschwimmen sehen können. Hapert es auch hier an der Kommunikation? Hier verorte ich die Problematik eher im politischen System. Ein Politiker, der schwarzmalt, wird nicht wiedergewählt. So einfach ist das. Politiker*innen leben
„Zweifelsohne braucht es ein besseres Zusammenspiel von Politik und Wissenschaft. Hier treffen zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander, die eine gemeinsame Sprache finden müssen, um produktiv zu kommunizieren.“
„Es ist das Wesen einer Demokratie, dass man sich als Politiker beliebt machen muss.“
DOROTHEE VON LAER
davon, dass sie gute Nachrichten überbringen. Demokratien haben ihre Vorzüge, doch sie haben eben auch Nachteile. Man fokussiert sich lieber auf kurzfristige Erfolge als auf langfristige Vorsorge. Unpopuläre oder gar schmerzhafte, wenngleich notwendige Eingriffe werden nicht vorgenommen. Ein kommunikatives Problem gibt es indes durchaus, das ist aber weniger wissenschaftlicher Natur. In unserer schnelllebigen Zeit, die dominiert ist von Schlagzeilen und Überschriften, macht sich auch die Politik nicht mehr die Mühe, Maßnahmen entsprechend zu erklären. Politiker können realistische Einschätzungen von Gefahren nicht mehr derart transportieren, dass die Bevölkerung bereit ist, sich darauf einzustellen oder Maßnahmen mitzutragen. Manchmal auch deshalb, weil sie selbst Zusammenhänge gar nicht wissen oder erklärt bekommen wollen. Sich also präventiv auf die Gefahr einer Pandemie einzustellen, liegt nicht im Denkuniversum der Politik, obwohl es Pandemien in der Geschichte immer wieder gegeben hat. In den letzten Jahrzehnten sind wir Gott sei Dank davon verschont geblieben und auch die Grippepandemie von 2009 und der SARS-CoVAusbruch 2002 liefen recht undramatisch ab. Das lag allerdings nicht am Präventionskonzept, sondern war Glück, weil das Grippevirus von 2009 nicht so pathogen war und das ursprüngliche SARS-Coronavirus am meisten ansteckend war, wenn man schon im Bett lag. Deshalb ließ es sich schnell kontrollieren. Was diese Pandemie jedoch deutlich zeigt, ist, dass wir vernünftige Pläne in der Schublade haben müssen, um nicht einem Bürgermeister einer 1.600-Einwohner-Gemeinde die Schuld am Versagen des Managements umzuhängen. Unterm Strich geht es aber auch hier um ein informiertes Volk. Wer über Sachkenntnis verfügt, wird auch bei unangenehmen Prognosen die damit verbundenen Handlungsnotwendigkeiten verstehen. Dasselbe gilt für die viel größere Problematik der Klimakatastrophe. Hier frühzeitig entgegenzuwirken, hätte bedeutet, unbeliebte Entscheidungen zu treffen. Also hat das Thema politisch keiner angefasst.
Unter anderem hat sich Ihr Vater Klaus Hasselmann intensiv mit der Klimathematik auseinandergesetzt. Er ist Klimaforscher, war Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und 2021 wurde ihm gemeinsam mit Syukuro Manabe und Giorgio Parisi der Nobelpreis für Physik zuerkannt. Nun ist auch das Klima und die Erderwärmung ein Thema, das die Menschen emotional mitnimmt. Es liegt offensichtlich in der Familie, dass man auch Unbequemes ausspricht. Wie sehr hat Ihr
Vater Sie – beruflich – geprägt? Ursprünglich wollte ich Geigerin werden, dann Juristin. Letztlich habe ich mich für Medizin entschieden. Feuer für die Forschung habe ich jedoch erst im Zuge meiner Doktorarbeit gefangen, also relativ spät. Ich habe für mich entdeckt, wie spannend es ist, wenn man etwas Neues herausfindet, wenn man verschiedene Ideen wälzt und dann eine Ahnung bekommt, die sich am Ende bestätigt. In zwei Dingen hat mich mein Vater allerdings sehr geprägt: Wir sind derart erzogen worden, dass wir Dinge klar und strukturiert auf den Punkt formulieren. Mein Vater hat immer wieder nachgehakt und uns somit das Herumschwurbeln aberzogen. Mein Vater ist Physiker, mein Bruder Mathematiker, wir haben es generell nicht so mit Thomas-Mann-Sätzen. Das Zweite ist, dass mir mein Vater beigebracht hat, zu seinen Überzeugungen zu stehen und nicht irgendetwas zu sagen, nur um jemandem zu gefallen. Man soll mit der Wahrheit nicht hinterm Berg halten, sondern Dinge offen und ehrlich ansprechen, auch wenn diese vielleicht nicht mehrheitsfähig sind oder man sich damit unbeliebt macht. Schon mein Großvater hat sich als Journalist gegen das Naziregime gestellt.
Ihre Familie hätte es durchaus bequemer haben
können … In unserer Familie steht die Wahrhaftigkeit und Anständigkeit definitiv über dem Sich-beliebt-machen-Wollen. Schon mein Vater hatte es noch ohne Social Media wirklich schwer gehabt. Gemeinsam mit seinen Kollegen ist er als Rufer in der Wüste aufgetreten, viele Politiker, Industrien und Wirtschaftsbosse der Ölindustrie weltweit haben massiv gegen ihn agitiert. Doch es war und ist für uns immer eine Selbstverständlichkeit, für unser Tun einzutreten. Auch mein Vater hat das nie als Last empfunden. Mit dieser Einstellung bin ich groß geworden und natürlich waren die Drohmails und Anfeindungen der letzten Jahre nicht angenehm, aber sie hätten mich nie davon abbringen können, zu sagen, was ist.


Sie haben vor einiger Zeit in einem Interview mit der ZEIT gesagt, man habe in Tirol als deutsche Frau nicht viel zu melden. Ist das Problem eher, dass Sie
eine Frau sind oder Deutsche? Meiner Erfahrung nach gibt es in Tirol politisch eine sehr klare Hackordnung. An erster Stelle steht der Tiroler Mann, dann die Tiroler Frau. Dahinter kommt der deutsche Mann und noch viel weiter dahinter die deutsche Frau. Es geht nicht nur um Sexismus, sondern ganz klar auch um die Herkunft. Dazu spielen noch Familienbande zu politisch zentralen Personen eine Rolle. Es gibt diese politische Kaste, die sich auch in diversen Clubs und Vereinigungen wiederfindet und die das Sagen hat. Tirol ist politisch nach wie vor sehr patriarchalisch und lokal nationalistisch geprägt. Im „normalen“ Alltag mag das alles ganz gut funktionieren, in dem Moment, wo es zu einer Krisensituation kommt, geht das jedoch nicht mehr. Vermutlich wären die Fehler gerade zu Beginn der Pandemie genauso passiert, aber die (politische) Aufarbeitung und die Konsequenzen daraus wären andere gewesen, wenn die Systeme nicht so dermaßen eingefahren wären. Im Nachhinein muss man sich ein klares Scheitern im Handeln eingestehen, aber diese verkrusteten Strukturen lassen das nicht zu. Es gibt keine Diskussionskultur und keine Innovation, die von außen zugelassen wird. Als ich nach Tirol gekommen bin, waren die ersten beide Sätze, die ich nach einem Vorschlag zur Veränderung zu hören bekam: „Das haben wir schon immer so gemacht“ und „Das haben wir noch nie so gemacht“. So kann kein Fortschritt entstehen.
Sie kamen von der Großstadt Frankfurt nach Tirol. Wie haben Sie diesen Wechsel in Bezug auf die Innovationskultur erlebt? Es war ein Kulturschock. In Frankfurt ist der Satz „Das haben wir schon immer so gemacht“ ein absolutes No-go. In Tirol ist er einem nicht einmal ein kleines bisschen peinlich. Wenn man Erfolg haben will, muss man sich nach vorne orientieren. Man muss schauen, an welchen Schrauben man drehen kann,
„Es liegt bei uns nicht in der Familie, den Mund zu halten, um es bequemer zu haben.“
um es besser zu machen. Und es gibt immer etwas besser zu machen. Man gewöhnt sich mit der Zeit an diese Kultur, aber befriedigend ist das nicht. Das hat übrigens nichts mit einer allgemeinen Wissenschaftsfeindlichkeit zu tun, im Osten Österreichs ist diese Einstellung meiner Erfahrung nach deutlich geringer ausgeprägt. Es handelt sich also durchaus um ein Tiroler Spezifikum. Ich lebe mittlerweile im Burgenland. Hier sind die Strukturen weit weniger träge.
Haben Sie eine Theorie, warum das so ist? Ja, wenn auch eine nicht ganz ernst gemeinte. Ich komme ja aus dem Flachland, aus Schleswig-Holstein. Dort gibt es in bäuerlichen Strukturen das Prinzip der Flurbereinigung. Das heißt, dass zersplitterter land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz derart getauscht wird, sodass zusammenhängende und damit effektiver nutzbare Flächen daraus entstehen. In den Bergen ist eine Flurbereinigung schwierig, weil jedes Stück Land so unterschiedlich ist, dass ein fairer Tausch quasi unmöglich ist. Eine Flurbereinigung ist sohin nicht machbar und jeder sitzt für sich hinter seinem eigenen kleinen Gartenzaun und verteidigt sein Grundstück. Veränderung ist prinzipiell unerwünscht, während es im Flachland eine gewisse naturgegebene Tradition zur Optimierung von Strukturen gibt.
Sie sind eine der führenden Virologinnen des Landes und haben angekündigt, 2023 endgültig in Pension gehen zu wollen. Sie sind dann 65. Worauf sind
Sie in Ihrer Karriere am meisten stolz? Vor allem darauf, dass trotz meines Berufs meine drei Töchter gut geraten sind. Das ist mir das Wichtigste im Leben. Wenn das nicht geklappt hätte, wäre alles andere wertlos. Beruflich freue ich mich, dass meine Doktoranden alle sehr unterschiedliche Wege eingeschlagen haben und ich ihnen eine gute Mentorin sein konnte. Vom Universitätsprofessor über wissenschaftliche Schreiber bis hin zu Pharmamanagern ist unter ihnen alles dabei. Das spricht dafür, dass ich sie nicht in eine vorgegebene Richtung geführt habe, sondern ihnen die gesamte Bandbreite der Naturwissenschaften eröffnen und sie in ihren individuellen Talenten fördern konnte.
Sie haben also vieles richtig gemacht – beruflich
und privat. Auch vieles falsch, aber danach haben Sie ja nicht gefragt.

Freuten sich über den Sieg beim TRIGOS Tirol 2022: Lukas Krösslhuber (TVB Wilder Kaiser), Gerhard Dummeldinger (Stadtwerke Wörgl) und Matthias Mayr (Gesellschaft für die Beratung zur mobilen Schlachtung mbH).
TIROLER UNTERNEHMEN LEBEN SOZIALE VERANTWORTUNG Der TRIGOS ist Österreichs Auszeichnung für Corporate Social Responsibility (CSR). Im Rahmen eines Galaabends im Alpenresort Schwarz in Mieming wurden vor Kurzem die diesjährigen TRIGOS-Tirol-Sieger gekürt.
Corporate Social Responsibility – kurz auch den Kräften und Kompetenzen ihrer CSR – ist in vielen Tiroler Betrieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ In die gleibereits gelebter Alltag. Um die Wich- che Kerbe schlägt auch der stellvertretende mit dem Ziel, durch die Bereitstellung von geförderten Beratungsleistungen, die Tiroler Wirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. tigkeit von CSR hervorzuheben, hat die Wirt- Direktor der WK Tirol, Gregor Leitner: „Die schaftskammer (WK) Tirol gemeinsam mit nominierten Unternehmen dürfen mit Recht dem Land Tirol heuer bereits zum achten stolz auf sich sein. Denn sie heben sich durch Mal den TRIGOS für die hervorragendsten ihr Handeln mit Weitblick und ihr gesamtInitiativen ausgelobt. Dazu meint Landes- heitliches Engagement entscheidend ab.“ hauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe: Eine Jury, bestehend aus Vertretern von „Ich freue mich, dass mit dem TRIGOS Be- Caritas, Rotem Kreuz, Umweltdachverband, triebe mit sozialer und nachhaltiger Verant- respACT, Industriellenvereinigung, Land wortung in den Mittelpunkt geholt werden. Tirol und der Tiroler Wirtschaftskammer, Die Wirtschaft hat enorme Verantwortung hat unter diesen Gesichtspunkten schließfür einen sozial verantwortungsvollen Um- lich folgende Unternehmen zu den Siegern gang mit den natürlichen Ressourcen und 2022 auserkoren. PR TIROLER BERATUNGSFÖRDERUNG Die Wirtschaftskammer Tirol bietet ihren Mitgliedern als Service für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen geförderte CSR- und Nachhaltigkeitsberatungen an. Diese werden im Rahmen der Tiroler Beratungsförderung abgewickelt. Die Tiroler Beratungsförderung ist eine Förderaktion vom Land Tirol und der Wirtschaftskammer Tirol SCHWERPUNKT CSR-BERATUNGEN • 24 Beratungsstunden (im Ausnahmefall auch 40 Beratungsstunden) können in einem Ausmaß von 80 Prozent gefördert werden. Der Beratersatz pro Stunde beträgt 90 Euro. • Eine Liste mit Unternehmensberaterinnen und Unternehmensberatern mit Schwerpunkt CSR-Beratungen finden Sie unter wko.at/tirol/
nachhaltigkeit
Tourismus ist in Österreich einer der größten Hebel in Richtung Nachhaltigkeit, wird aber derzeit noch viel zu wenig genutzt. Angestoßen durch die spürbare Unzufriedenheit und die zunehmend negative Tourismusgesinnung beschreitet der Tourismusverband Wilder Kaiser gemeinsam mit vielen Stakeholdergruppen eine neue Identität und Richtung für den regionalen Tourismus. Der Tourismusverband ruft dafür den Bürger*innen-Beteiligungsprozess „Lebensqualität am Wilden Kaiser“ ins Leben, um eine „ausgezeichnete Lebensqualität für die am Wilden Kaiser lebenden, arbeitenden und urlaubenden Menschen“ zu schaffen.
Die Jury lobte das starke Involvement der Bevölkerung sowie die systematische Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Kerngeschäfts. Mit diesem Beteiligungsprozess schafft der Tourismusverband einen regelmäßigen und offenen Dialog in der Region, um in weiterer Folge den Standort auf zeitgemäße und qualitätsvolle Art und Weise weiterzuentwickeln.
AUSSERDEM NOMINIERT: Adler-Werk Lackfabrik Johann Berghofer GmbH & Co KG und Tirol Kliniken GmbH

Ingrid Felipe und Gregor Leitner (re.) gratulierten Lukas Krösslhuber vom Tourismusverband Wilder Kaiser zum Sieg in der Kategorie „Vorbildliche Projekte“.

Matthias Mayr (mi.) von der Gesellschaft für Beratung zur mobilen Schlachtung mbH, Sieger in der Kategorie „Regionale Wertschaffung“ Ingrid Felipe und Gregor Leitner
Tierhaltung, -transport und -schlachtung stellen eine große Herausforderung dar. Letzteres hat sich die Gesellschaft für Beratung zur mobilen Schlachtung zur Kernaufgabe gemacht. Sie widmet sich dem Bau und Verkauf von Schlachtmobilen sowie der Beratung für Betriebe und Gemeinschaften. Damit bringt das Tiroler Unternehmen die Wertschöpfung auf die landwirtschaftlichen Höfe, direkt zu den Landwirt*innen zurück und unterstützt die Erhaltung und Förderung landwirtschaftlicher Strukturen. Mit Direktvermarktung, fairen Preisen, Transparenz, höherer Wertschöpfung, Kommunikation und Kontakt mit der Bevölkerung wird gelebte Regionalität geschaffen und Fleisch unter größter Sorgfalt produziert. Die mobilen Schlachtmobile ermöglichen die Vermeidung von Tiertransporten und die Steigerung des Tierwohls.
AUSSERDEM NOMINIERT: KochKistl und Strofeld Manufaktur
KATEGORIE „KLIMASCHUTZ“: STADTWERKE WÖRGL
Verkehr und Mobilität sind Schlüsselthemen und damit Schlüsselhebel, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Die Stadtwerke Wörgl unterstützen mit floMOBIL Gemeinden dabei, ihren Bürger*innen ein öffentlich zugängliches eCarsharing anzubieten. Sie haben Bedarf und Potenzial von Carsharing im ländlichen Raum erkannt und unterstützen so die Weiterentwicklung und den Ausbau des Angebots in Tirol. Damit ermöglichen sie eine flexible, umweltfreundliche sowie sozialverträgliche Mobilität, vor allem was die Last Mile betrifft, und schaffen Bewusstseinsbildung bei den Nutzer*innen. Hervorzuheben ist der Netzwerkgedanke, der sich durch die Kooperation mit diversen Betrieben ergibt.
AUSSERDEM NOMINIERT: Coveris Flexibles Austria GmbH und Hilber Solar GmbH

Ingrid Felipe und Gregor Leitner (re.) mit Gerhard Dummeldinger von den Stadtwerken Wörgl, Sieger in der Kategorie „Klimaschutz“.

ALPIN, URBAN UND DYNAMISCH
Gerade jetzt in den Sommermonaten erblüht die Stadt so richtig zum Leben. Innsbruck bietet nicht nur einen attraktiven Lebensraum, sondern punktet vor allem als dynamischer Wirtschaftsstandort. Das Wachstum nach der Krise ist spürbar und versprüht Optimismus, wenngleich schon weiter an künftigen Projekten gearbeitet wird – zum Beispiel an der Standortoffensive Rossau.
TEXT: DORIS HELWEG
Die Erholung nach der Krise ist spürbar, die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie noch nie und die Kommunalsteuer entwickelt sich sogar über dem Rekordjahr 2019. Die Zeichen deuten nach oben, auch wenn die Rahmenbedingungen derzeit mehr als unsicher sind. Das Stadtleben hat gerade jetzt in den Sommermonaten wieder so richtig Fahrt aufgenommen. Belebte Einkaufsstraßen, gut besuchte Lokale und umfangreiche Kulturangebote erfreuen Bewohner*innen von Innsbruck ebenso wie Gäste aus aller Welt. Das Stadtleben ist vielfältig, bunt und versprüht Lebensfreude pur. Wo sonst kann man vom Berg direkt in die Stadt? Der alpin-urbane Lebensraum ist gerade für Touristen beeindruckend. Was für uns Stadtbürger schon fast eine Selbstverständlichkeit ist, schätzen Touristen als außergewöhnliches Flair.
HOHE AUFENTHALTSQUALITÄT
Der Wirtschaftsstandort Innsbruck ist von einer hohen Dynamik geprägt. Aus wirtschaftlicher Sicht ist eine hohe Aufenthaltsqualität für eine Stadt ein entscheidender Faktor. Die städtebauliche Aufwertung öffentlicher Bereiche fördert nicht nur die Lebensqualität der Bürger, sondern auch die Wirtschaft. Nach der Neugestaltung des Sparkassenplatzes wird in Kürze auch der Bozner Platz ein Glow-up erhalten.
Als wirtschaftlicher Motor für die Landeshauptstadt gilt auch die CMI, Congress Messe Innsbruck, die sich als regionaler und internationaler Kommunikations- und Marktplatz versteht. Nach der Fusionierung der Messe Innsbruck mit dem Congress Innsbruck hat sich die Stadt durch die Nutzung zahlreicher Synergien und der gebündelten Kräfte zweier erfolgreicher Betriebe noch ein Stück mehr als internationale Kongressdestination als auch als Messestandort etablieren können. Immer wieder Thema beim innerstädtischen
Messestandort war die Erreichbarkeit. Mit dem Ausbau der öffentlichen Anbindung des Messeareals wurde auch eine neue ÖBB-Haltestelle bei der Messe nach einer eineinhalbjährigen Bauzeit fertiggestellt und im Dezember letzten Jahres in Betrieb genommen. Errichtet auf den Viaduktbögen und barrierefrei erreichbar, soll damit eine bessere Öffi-Anbindung sowohl für Messebesucher als auch für Anrainer und Pendler, die in diesem Stadtteil wohnen und arbeiten, geschaffen werden.
Mit dem Messepark beginnt auch Innsbrucks erstes Stadtklimaprojekt zu leben. Herzstück der mit vielen neuen Bäumen, Sträuchern und Blühhecken gestalteten Grüninsel ist ein zentrales Wasserspiel, das den sommerlichen Hitzehotspot durch Kühlung mittels Wasser und einer multifunktionalen, selbststeuernden Sprühnebelanlage auch an heißen Sommertagen angenehm erlebbar machen soll. Dieser „coole“ Platz bei der Messe verfügt nicht nur über einen flächenmäßig verdoppelten Grünraum, sondern es wurden auch sämtliche begleitenden baulichen Maßnahmen wie die Um- und Neugestaltung des angrenzenden Straßenraums in der Ing.-Etzel-Straße bzw. die im Park angelegten Fuß- und Radwege klimaspezifisch geplant.
Hotelprojekte wie die für Herbst geplante Eröffnung des Motel One in unmittelbarer Bahnhofsnähe oder das bereits eröffnete Hotel Meininger bieten Kongress- und Messebesuchern weitere Nächtigungskapazitäten.
WIRTSCHAFTSZENTRUM ROSSAU ZUKUNFTSFIT MACHEN Das Gewerbegebiet Rossau hat für den Wirtschafts- und Arbeitnehmerstandort Innsbruck mit 10.000 Erwerbstätigen in über 800 Arbeitsstätten eine große Bedeutung. Aus dem ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebiet entwickelte sich seit den 1960er-Jahren ein Gewerbegebiet mit hoher Diversität: großflächige Einzelhandelsbetriebe im südlichen Bereich, Büroflächen

Die Tiroler Landeshauptstadt setzt Akzente und gestaltet den Lebens- und Wirtschaftsraum Innsbruck attraktiv.
am Grabenweg, großflächige Produktionsbetriebe entlang des Inn. So entstand über die Jahre ein Mix aus Einzelgebäuden für Gewerbe, Dienstleistungs- und Handelsnutzung, Produktions- und Lagerhallen, offenen und überdachten Lager- und Betriebsflächen sowie Bürohauskomplexen. Gerade diese erfreuen sich großer Beliebtheit. So befindet sich zum Beispiel der Technologie- und Wirtschaftspark bereits in der neunten Baustufe und steht klassisch für die Rossau. Auch SOHO 1 und SOHO 2, Moden Feucht und Sportler schaffen eine gute Verbindung zum nahen Handelszentrum DEZ. Mit einem schnellen Wachstum ändern sich die Rahmenbedingungen, die eine Weiterentwicklung des Gebietes notwendig machen. Eine breit angelegte Standortoffensive soll Fragen der Infrastruktur, eine erweiterte öffentliche Anbindung, die Weiterentwicklung im südlichen Bereich, mehr Klimaeffizienz und bessere Strukturen klären sowie bestehende Betriebe absichern und neue Unternehmen mit hochqualitativen Arbeitsplätzen ansiedeln.
Ziel ist es, die Rossau zum attraktivsten Wirtschaftszentrum Westösterreichs mit eigener Identität zu entwickeln, es braucht die Schaffung einer hohen Aufenthaltsqualität, einer Aufwertung der öffentlichen Räume sowie eines besseren Erscheinungsbildes. Gemeinsam mit der Wirtschaft, den Unternehmer*innen, Arbeitnehmer*innen und Stakeholdern wird nun ein qualitätvolles und modernes Wirtschaftszentrum entwickelt, in dem Unternehmen erfolgreich agieren und Mitarbeiter gerne arbeiten können. Im ersten Schritt dazu wurde als offizieller Auftakt der Standortoffensive Rossau bei einem Kick-off-Standortforum mit Stadtplanung, Unternehmer*innen und Arbeitnehmer*innen über Herausforderungen und Chancen sowie aktive Möglichkeiten der Mitgestaltung diskutiert. PR
Das Gewerbegebiet Rossau soll durch eine breit angelegte Standortoffensive weiterentwickelt werden.
