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URKNALL

BIG BANG THEORIES

Der Urknall des Metaverse hat bereits stattgefunden. Nun stehen die Zeichen auf Expansion – und Disruption. Das Metaverse wird unser Leben ändern. Ob zum Besseren oder zum Schlechteren, hängt nicht zuletzt von uns selbst ab.

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TEXT: MARIAN KRÖLL

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as Metaverse ist noch gar nicht richtig da, und doch wird es gekommen sein, um zu bleiben. So viel lässt sich – auch mit einem Blick auf die Geschichte des Internets – schon mit großer Gewissheit vorhersagen. Das Metaverse ist aber nicht das, was Facebook-Gründer und Multimilliardär Mark Zuckerberg zur Rettung seiner zunehmend toxischen Social-Media-Plattform Facebook, die ihren Zenit vor allem beim jüngeren Publikum – den Digital Natives – längst überschritten zu haben scheint, unternehmen möchte. Die programmatische Umbenennung des Konzerns in Meta ist zunächst einmal Marketing und die Hoffnung auf das Monopol und die Deutungshoheit über ein sich zunehmend ausdehnendes Metaverse. Es spricht aus heutiger Sicht allerdings nur sehr wenig dafür, dass dieser Plan aufgehen wird.

GAMECHANGER Einer, der sich im Metaverse auf jeden Fall zurechtfindet, ist der Tiroler Matthias Lechner, der sich mit ein paar Non-Fungible People – ein kleiner Joke auf NFT*-Basis – aus seinem Umfeld zusammengetan hat, um mit NFBrands.X die erste Full-Service Web3 and Metaverse Agentur des Landes zu gründen. Der erfahrene Werber glaubt an das Metaverse und ist als bekennender Early Adopter All-In gegangen. „Mir ist im vergangenen Herbst klar geworden, welchen Impact das Metaverse haben wird“, sagt Lechner, in dessen Social-Media-Blase das Metaverse plötzlich zum bestimmenden Thema wurde.

Daran hat natürlich der Algorithmus einen nicht unwesentlichen Anteil, dieser kann aber nur verstärken, was an Inhalten schon da ist. Das Metaverse ist in aller Munde, in den USA und Asien noch viel früher als hier in der alten Welt, wo die Uhren etwas langsamer ticken. „Das hat etwas mit Kultur zu tun, hier bei uns bekommt man ohne fixfertigen Businessplan kaum einen Termin beim aws, in den USA sitzt das Geld der Investoren unglaublich locker und es gibt genügend Spielgeld, um Dinge auszuprobieren“, stellt Lechner einen Vergleich an, der illustriert, warum keiner der großen Digitalkonzerne auf europäischem Boden entstanden sein dürfte. „Das hat nichts damit zu tun, dass wir es in Europa nicht könnten, aber das Mindset ist einfach anders“, sagt der Agenturgründer und zuckt mit den Achseln. „Alle zehn bis 15 Jahre kommt ein Gamechanger daher. Das Metaverse ist so einer“, ist Lechner überzeugt.

THE METAVERSE IN A NUTSHELL Wer nach dem Metaverse fragt, muss auch nach dessen Use Cases fragen. Will heißen: Wofür soll das Ganze denn eigentlich gut sein? Doch zunächst gilt es einmal abzustecken, was denn dieses Metaverse eigentlich ist bzw. sein will. Definitionen sind schwierig, aber nicht aussichtslos. „Es gibt nicht das eine, einzige Metaverse“, sagt Matthias Lechner, in dessen Wahrnehmung das Metaverse „die Definition aller möglichen virtuellen Welten“ ist. Eine virtuelle Parallelwelt, die – so wie das Universum – aus zahllosen Galaxien, sprich unterschiedlichen Plattformen und Anwendungen, bestehen

DALLI DALLI ODER WIE DIE MASCHINE DAS MALEN LERNTE

Die Bilder zu dieser Geschichte (ausgenommen der Avatar von Matthias Lechner) stammen von der Künstlichen Intelligenz (KI) Dall•E 2, die aus Beschreibungen Bilder generiert. Noch sind sie eher künstlerischer Natur als fotorealistisch. Doch sie entstehen sprichwörtlich aus dem Nichts. Dafür hat sich die „Künstliche Intelligenz“ im Laufe ihrer Entstehung 650 Millionen Bilder angesehen und von ihnen gelernt. Das akademische Paper, in dem die Funktionsweise der KI erklärt wird, ist für Laien Hexenwerk. Neben DALL•E 2 gibt es noch andere, ähnlich arbeitende Bildgeneratoren wie Midjourney oder Stable Diffusion. Damit dringt die KI nun in das Territorium von Kunstschaffenden ein. Das ist ein spannender Augenblick, der Kritiker bereits dazu veranlasst, den Tod der Kunst herbeizureden. So muss es gewesen sein, als die Fotografie in das Reich der Malerei eindrang, mit dem wesentlichen Unterschied, dass sowohl Kreativität als auch Umsetzung des Kunstwerks abseits knapper menschlicher Anweisungen an die KI delegiert werden. Das sieht interessant aus, hat Potenzial und wird noch Gegenstand hitziger Debatten werden, die sich nicht auf die Kunst beschränken, sondern auch Ökonomie und Ethik betreffen werden.

kann. Zwischen manchen wird man mit seinem Avatar hin- und herreisen können, andere werden in sich geschlossene Systeme bleiben. Zu diesen abgeschlossenen undurchlässigen Systemen wird wohl jenes Metaverse gehören, das Meta zu errichten gedenkt. „Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist es gut, dass durch die Ambitionen Metas das Thema in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist, andererseits muss man wissen, dass Metas Metaverse nicht das eine Metaverse ist, sondern potenziell nur eine von vielen Galaxien in diesem speziellen Universum“, erläutert Lechner.

Der Konzern, der früher Facebook hieß, bastelt an einem Metaverse, für dessen Zutritt man die Terms of Service eben dieses Konzerns unterschreiben wird müssen. Das Geschäftsmodell, die persönlichen Daten der Nutzer (und nach Möglichkeit auch deren Geld) gegen die Nestwärme einzutauschen, die das virtuelle Lagerfeuer namens Social Media bieten soll, dürfte unverändert beibehalten werden. Nur eben in 3D.

Man hat in der kurzen Geschichte der sozialen Medien gesehen, dass dieses heimelige virtuelle Lagerfeuer, in dem der wertschätzende Austausch gepflegt wird, sich bisweilen rasch in einen digitalen Scheiterhaufen verwandelt, auf dem nicht nur von Trollen lustvoll Charaktervernichtung betrieben wird und sich die Nutzer, ob anonym oder mit Klarnamen, herzhaft gegenseitig beflegeln. Social-Media-Plattformen sind zudem ihrem Wesen nach riesige Bewertungsmaschinen, in denen mit Daumen hoch oder runter binnen Sekundenbruchteilen Urteile über alles und jeden gefällt werden. Dass diese Blitzwertungen selten auf informierter Grundlage getroffen werden, versteht sich von selbst. „Facebook (heute Meta) ist ein Unternehmen, das darauf spezialisiert ist, unsere begrenzte Aufmerksamkeit zu stehlen und dabei maximal viele Daten zu sammeln. Sein Geschäftsmodell besteht darin, unsere tiefsten Wünsche und Ängste auszunutzen, um uns gezielt Inhalte anzuzeigen, die uns zum Bleiben und Weiterklicken animieren. Je mehr Zeit wir auf Facebook und Instagram verbringen, umso mehr intime Daten über unser Leben kann der Konzern extrahieren“, hieß es einmal in der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT erfrischend ehrlich. Wenig überraschend gelangt auch der Autor zum Fazit, dass Gewinne dem Konzern wichtiger seien als Menschen. Das dürfte übrigens die Europäische Kommission ähnlich sehen, die den emsigen Datensammlern Meta & Co. mit einem wuchtigen Digitalpaket die Daumenschrauben anlegen möchte.

WIE DAS WEB IN 3D, NUR BESSER Metas Metaverse dürfte Konkurrenz bekommen, und das ist zweifellos gut so. Zumal es die Fantasie gibt, mit dem Metaverse eine Inkarnation des Internets zu verwirklichen, die „besser“ sein wird als das, was wir heute haben. „Niemand erfindet etwas, das einzig und allein der Weltverbesserung dient“, bremst Lechner diesbezüglichen Enthusiasmus. „In technischer Hinsicht wird das Metaverse sicher besser sein als alles bisher Bekannte, ob es dadurch automatisch zu einem besseren Ort wird, ist zu bezweifeln. Das Hauptproblem ist der Mensch, der meist langsamer lernt, als man erwarten möchte“, meint der Experte.

Das menschliche Gehirn hat sich binnen Hunderttausender von Jahren entwickelt und kann klarerweise nicht so recht mit der rasanten Entwicklung der Technologien Schritt halten. Obwohl schon heute klare Zeichen der

„In technischer Hinsicht wird das Metaverse sicher besser sein als alles bisher Bekannte, ob es dadurch automatisch zu einem besseren Ort wird, ist zu bezweifeln. Das Hauptproblem ist der Mensch, der meist langsamer lernt, als man erwarten möchte.“

MATTHIAS LECHNER

digitalen Überforderung auftreten, hält man es anscheinend nicht für unbedingt notwendig, das Bildungssystem zu adaptieren und für eine entsprechende Cyber Literacy zu sorgen. Das Metaverse wird jedenfalls die kapitalistische Logik nicht abstreifen können, Dezentralisierung und „Daoismus“ (DAO)* hin oder her. Und es wird auch die vorherigen „alten“ Versionen des Web nicht über Nacht überflüssig machen oder verschwinden lassen, sondern diese ergänzen. Der Kapitalismus gerät im Metaverse zum Erlebnis, zur ownership experience, etwa von NFT-Kunstwerken. Die Empfindung des Besitzes löst den physischen Besitz gewissermaßen ab.

NEUE DEVICES BRAUCHT DAS UNENTDECKTE LAND Um das Metaverse in seiner ganzen Pracht erleben zu können, müssen Maus und Tastatur Platz machen für neue Devices. Die essentiellste Gerätschaft wird künftig die Virtual-Reality (VR)-Brille sein, durch die man die neue virtuelle Realität betrachten und in diese eintauchen kann. Immersion* ist im Metaverse-Zeitalter the Name of the Game.

Mark Zuckerbergs Wette auf die Zukunft beinhaltete vor einigen Jahren – man schrieb das Jahr 2014 – den Kauf des VR-Brillen-Produzenten Oculus. „Seit der Übernahme des damals führenden VR-Brillen-Herstellers hat man bei Facebook die virtuelle Realität zumindest im Hinterkopf“, vermutet Lechner, dass die Transformation von der Zwei- in die Dreidimensionalität beim Social-Media-Giganten kein spontaner Einfall war. Mit der aktuellen VR-Brille Meta Quest 2 habe Meta das Gerät erstmals „an die Schwelle zur Massentauglichkeit“ gebracht, weiß der Experte aus teilnehmender Beobachtung. „Das Ding ist nicht mehr so schwer wie die Vorgängermodelle, schaut cool aus, ist superintuitiv in der Bedienung, hat keine Kabel, man setzt es auf, es funktioniert“, erklärt Lechner, der die starke Hardware

Das Metaverse ist eine virtuelle Parallelwelt, die – so wie das Universum – aus zahllosen Galaxien, sprich unterschiedlichen Plattformen und Anwendungen, bestehen kann. Zwischen manchen wird man mit seinem Avatar hin- und herreisen können, andere werden in sich geschlossene Systeme bleiben.

Am Garnmarkt, Götzis

VOR DEM RAUM KOMMT DAS LEBEN

#zukunftorten

Die PRISMA Unternehmensgruppe setzt vielfältige Initiativen und liefert nachhaltige Impulse für Lebens-, Begegnungs- und Arbeitsräume der Zukunft. Die Einbeziehung sozialer Aspekte, die Integration kultureller und traditioneller Werte und die Erfahrungen aus dem Management von 41 Standorten mit über 88 Gebäuden in Österreich und Deutschland führen laufend zu inhaltlichen, baulichen und organisatorischen Innovationen. Am Garnmarkt in Götzis ist ein überregional bedeutendes Quartier mit einer Durchmischung von Einkaufen, Arbeiten und Wohnen. Das Areal mit einer Vielzahl an Geschäften, Büros und Ordinationen, Bildungseinrichtungen sowie einem vielfältigen Kultur- und Gastronomieangebot ist zu einem belebten, urbanen Teil des Ortszentrums geworden.

www.prisma-zentrum.com/garnmarkt

zudem von einer zunehmend umfangreichen Software begleitet sieht, die auch nicht mehr von schlechten Eltern ist: „Daran erkennt man, dass sich das Unternehmen schon über Jahre mit dem Thema intensiv befasst hat“, sagt Lechner, der beim erstmaligen Anprobieren der Meta Quest 2 nach eigenen Aussagen so etwas wie einen „iPhone-Moment“ erlebt hat. Das ist das erhebende Gefühl, es mit etwas Großem zu tun zu haben, das den Gang nicht nur der nerdigen Tech-Welt verändert, sondern weitere Kreise ziehen wird. Es riecht streng nach Disruption. Dazu kommt, dass das Teil auch noch über ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis verfügt. Das legt wiederum den Schluss nahe, dass Konzernmutter Meta ihren Schlüssel zum Metaverse heftig quersubventionieren dürfte, damit die Einstiegsdroge leistbar wird. Strategisch ist das schon einmal nicht schlecht und zeigt, dass man das Metaverse zumindest dominieren möchte, wenn man es schon nicht allein für sich haben kann.

Metas Ambitionen sind der potenziellen Konkurrenz natürlich nicht verborgen geblieben, die auch ein Stück vom Kuchen haben möchte. Hardwareseitig hat etwa unlängst PICO seine neuen VR-Brillen ausgerollt, die sich technologisch nicht nur nicht vor Metas Angeboten verstecken müssen, sondern sogar in Sachen Sophistication noch über diese zu stellen sind. „Der Markt hat damit richtig Fahrt aufgenommen, wovon die Branche und auch die Konsumenten profitieren. Es gibt immer mehr Geräte und eine zunehmende Fülle an Content“, zeigt Lechner sich erfreut über die Rolle Metas als Innovationstreiber. Mit der VR-Brille ist freilich in Sachen Hardware das Ende der Fahnenstange längst nicht erreicht. Handschuhe, Schuhe und Ganzkörperanzüge, die Feedback geben, sind längst in Entwicklung und teils schon verfügbar.

THE METAVERSE IS CUMMING Es kann sich also – könnte man wiederum mit Verweis auf die Geschichte des Internets lakonisch meinen – nur noch um Stunden handeln, bis die Pornobranche auf die Vorzüge des Metaverse aufmerksam wird. In Wahrheit ist das längst geschehen. „The metaverse is cumming, with the help of new sex tech“, feixte das Kulturmagazin Dazed bereits im Februar des Jahres. Tatsächlich gilt das eherne Gesetz „Sex sells“ auch unumschränkt für das Metaverse. Die Pornoindustrie war auch bei anderen Technologien Vorreiter, etwa bei DVDs, Online Bulletin Boards, Chaträumen und Videochat, um nur einige davon zu nennen. Angeblich kursiert unter Tech-Journalisten der Spruch, dass man, um in die Zukunft der Technologiebranche blicken zu können, man nur auf die Pornoindustrie schauen müsse. Wenn das Metaverse dazu beitragen kann, marginalisierten Personen oder grantigen Incels ein Sexleben zu verschaffen, kann das aber gesamtgesellschaftlich fast nur positiv sein.Naturgemäß hat das Ganze auch seine Schattenseiten, denn wo Sex ist, da ist nicht selten auch Gewalt. Es ist sogar so, dass eine Art Schutzschirm für Avatare überlegt wird, damit sich diese bzw. die Nutzer vor sexuell motivierten Übergriffen schützen können. Klingt weird, ist aber so.

Es ist allerdings nicht die Libido allein, welche die technologische Entwicklung beflügelt, sondern maßgeblich auch der Spieltrieb. Die Gaming-Industrie ist ein global zunehmend wichtiger und umsatzträchtiger Wirtschaftszweig. Spieler möchten Games zocken, die haptisches Feedback geben, die Spieleentwickler liefern. Computerspiele als Freizeitbeschäftigung haben sich dank der modernen technologischen Entwicklung enorm weiterentwickelt. Spiele wie Fortnite, Roblox und noch früher Second Life können durchaus als Vorläufer des Metaverse, als „Proto-Metaversen“, verstanden werden. Eine echte Killerapplikation, welche die nicht der Gruppe der Nerds zuzurechnenden Massen ins Metaverse katapultiert, ist dagegen noch nicht in Sicht. „Es gibt einzelne sehr vielversprechende Anwendungen – vor allem im Businessbereich und für die Gamer –, die schon einige Millionen User haben, aber nicht die eine Plattform, die alle anzieht“, sagt Lechner.

Bekannt gemacht hat den Begriff „Avatar“ Autor Neal Stephenson in seinem Science-Fiction-Roman „Snow Crash“. Demselben Buch entspringt übrigens auch der Begriff Metaverse, ein Kofferwort aus „meta“ in der Bedeutung von „jenseits“ und Universe.

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SEEING AIN’T BELIEVING Nach all dem Gerede über VR-Brillen und andere Gadgets, die den Eindruck vermitteln sollen, in der wirklichen Wirklichkeit zu sein, mag es überraschen, dass der auditiven Wahrnehmung mindestens genauso viel Gewicht zukommt wie dem Gesichtssinn. Es reicht nicht, dass die Grafik flüssig ohne großes Ruckeln läuft und ganz nett aussieht. Von Fotorealismus ist man ohnehin noch ein Stück weit entfernt. „Interessanterweise kann man, wenn das Auditive wirklichkeitsnah ist, beim Visuellen Abstriche machen“, erklärt Matthias Lechner. Stimmt das audiovisuelle Gesamterlebnis, fällt auch das Eintauchen ins Metaverse leichter und das Gehirn sieht über Defizite in der Darstellung hinweg. „Spatial Audio – dreidimensional richtig im Raum verortetes Audio – trägt mehr zur Immersion bei als das Visuelle“, fasst Lechner zusammen. Audio Kills the Video Star könnte man in Anlehnung an einen 1980er-Popsong meinen. Dementsprechend ist die Entwicklung auch in Sachen Spatial Audio alles andere als stehengeblieben. „Viele Plattformen mögen zwar grafisch noch Computerspielen unterlegen sein, bieten aber bereits jetzt eine sehr hohe Immersion, weil das Hörerlebnis gut gemacht ist“, weiß der metaversierte Agenturchef. Hört, hört!

Ob es im Metaverse ähnlich wie bei Theater und Film so etwas wie eine Willing Suspension of Disbelief – zu Deutsch schimpft sich das Konzept „Willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit“ – gibt, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Prämisse der 1817 vom Dichter und Philosophen Samuel Taylor Coleridge formulierten These geht so: Der Leser und Zuschauer – der im Metaverse auch Akteur ist – willigt ein, sich auf eine Illusion einzulassen, um dafür gut unterhalten zu werden. Realitätsnähe ist aber nicht alles. „Manche Anbieter wollen ganz absichtlich, dass ihre Metaverse-Anwendung nicht die Realität nachahmt, weil man dem User dadurch Erlebnisse bieten kann, die er in seiner Alltagsrealität nicht haben kann. Andere wollen die Welt genau so abbilden, wie sie ist. Dann spricht man von einem Digital Twin. Beides hat seine absolute Berechtigung“, sagt Lechner salomonisch. „Das eine bedient den Wunsch nach Eskapismus, nach einem Ausbruch aus dem Alltag, das

Wenn das Metaverse dazu beitragen kann, marginalisierten Personen oder grantigen Incels ein Sexleben zu verschaffen, kann das gesamtgesellschaftlich fast nur positiv sein.

„Alle zehn bis 15 Jahre kommt ein Gamechanger daher. Das Metaverse ist so einer.“

andere ist eine erweiterte virtuelle Welt, die unsere physische Realität nahtlos ergänzt“, so der Experte. Eskapismus ist nicht per se schlecht, es kommt auf das zugrunde liegende Motiv an. Wer der physischen Welt den Rücken kehrt, um der persönlichen Tristesse zu entfliehen, wird früher oder später auch vom Metaverse enttäuscht sein. Matthias Lechner argumentiert, dass man wohl auch das Metaverse so konsumieren werde wie etwa heute TV und Internet, On-Demand, solange man eben Lust dazu hat oder Dinge zu erledigen sind.

BUSINESS-ZWILLING Digital Twins sind vor allem für Geschäftsreisen eine gute Sache. Baut man sein Office für die virtuelle Realität nach, erspart man sich theoretisch eine ganze Menge Geschäftsreisen, ohne vollends auf die Erfahrung, irgendwo gewesen zu sein, verzichten zu müssen. Leere Kilometer sind teuer geworden und auch ökologisch keine besonders gute Idee. Man darf sich zukünftig wohl auch darauf einstellen, im Laufe seines Berufslebens irgendwann mit seinem Avatar – oder vielmehr in dessen Gestalt – virtuell bei einem Vorstellungsgespräch aufzuschlagen. Ob das mehr von einer Utopie oder einer Dystopie hat, mag jeder für sich selbst entscheiden. Gewiss scheint, dass genau das in der schönen neuen virtuellen Welt kommen wird. Die immersiven Qualitäten des Metaverse werden für virtuelle Geschäftsreisen ausreichen, nur das After-Work-Bier wird vermutlich etwas abgestanden schmecken.

Andererseits kann man im Metaverse den vor allem in Start-ups gepflegten „Work hard, play hard“-Berufsethos ausleben, ohne sich erst mühsam aus dem bequemen Gaming-Chair erheben zu müssen. „Es gibt jetzt bereits Plattformen, auf denen man nach einer gewissen Zeit vergisst, wo man sich befindet, weil das Erlebnis so seamless ist“, gerät Matthias Lechner ins Schwärmen. In Sachen Immersion ist noch lange nicht Schluss, bis zur Ausrollung der Gehirn-Computer-Schnittstelle ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit. Elon Musks 2016 gegründetes Unternehmen Neuralink beschäftigt sich bereits intensiv damit. Bleibt allein zu hoffen, dass dieses Interface auf Anhieb besser funktionieren wird als Teslas Autopilot. „Wenn unsere Großeltern mitbekommen würden, was hier gerade am Entstehen ist, würden sie uns für verrückt halten“, stellt Lechner eine nicht allzu gewagte These auf.

AVATAR Das Vehikel, in dem wir uns im Metaverse bewegen, das digitale Pendant zu unserer fleischlichen Hülle, ist der Avatar. Das Wort leitet sich aus dem Sanskrit ab. Dort bedeutet es „Abstieg“, was sich auf das Herabsteigen einer Gottheit in irdische Sphären bezieht. Das ist nicht ganz unpassend, kann doch jeder Einzelne in seiner virtuellen Welt ein wenig zum Demiurgen werden und sich dort mit einem gewissen Gottesgestus seine neue virtuelle Welt untertan machen.

Bekannt gemacht hat den Begriff „Avatar“ Autor Neal Stephenson in seinem Science-Fiction-Roman „Snow Crash“. Demselben Buch entspringt übrigens auch der Begriff Metaverse, ein Kofferwort aus „meta“ in der Bedeutung als „jenseits“ und Universe. Damit wäre das geklärt. „Man kann aufgrund des technologischen Fortschritts davon ausgehen, dass unsere Avatare schon in naher Zukunft fotorealistisch aussehen werden“, prophezeit Lechner. Bei der im April gelaunchten fünften Generation der Grafik-Engine Unreal Engine dürfte man in der Entwicklung schon auf das Metaverse samt AR- und VR-Anwendungen geschielt haben, lassen sich mit ihr doch relativ einfach äußerst detaillierte und weitläufige (Spiele-)Welten entwickeln, wie sie das Metaverse brauchen wird. Bereits die kommende Generation der Meta-VR-Brille wird außerdem Sensoren haben, welche die Mimik mit aufzeichnen. Irgendwann werden die Devices in den Hintergrund treten und Teil unserer Umwelt werden. Verumweltlichung heißt das. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. „Wir sind zwar erst am Anfang dieser Entwicklung, dennoch ist bereits so vieles möglich“, sagt Lechner, der sich wohl auch berufsbedingt zu den bedingungslosen Fortschrittsoptimisten zählt. Ob man zukünftig mit einem anderen menschlichen Avatar oder einer Künstlichen Intelligenz (KI) interagiert, dürfte sich zunehmend schwieriger unterscheiden lassen. An dieser Stelle kommen für Matthias Lechner die Blockchain-Technologie bzw. NFTs* ins Spiel, die

dazu verwendet werden können, im Metaverse fast zweifelsfrei seine Identität beweisen zu können. „Es wird einen fälschungssicheren Mechanismus geben, um sich ausweisen zu können, so viel ist sicher“, sagt Lechner.

Der dezentralen Blockchain kommt im Metaverse große Bedeutung zu, manche sehen sie gar als Grundvoraussetzung für dessen Erfolg. Matthias Lechner neigt auch zu dieser Ansicht: „Die Blockchain ermöglicht erstmals rein virtuellen digitalen Besitz, lässt sich aber auch auf physische Waren oder eine Kombination aus beidem anwenden.“ Sogenannte Crypto Wallets, das sind digitale Geldbörsen, die der Aufbewahrung von Kryptowährungen dienen, könnten auch dazu genutzt werden, die Dinge aufzubewahren, die man im Metaverse erworben hat. Und ähnlich wie in der guten alten ledernen Brieftasche kann man in der Crypto Wallet seinen Identitätsnachweis mit sich herumtragen. Mit einer ID verknüpfte Wallets kann man zum Beispiel auch dazu verwenden, in altersbegrenzte, jugendfreie Räume vorzustoßen.

Das estnische Unternehmen Ready Player Me hat es sich vorgenommen, Avatare plattformübergreifend zur Verfügung zu stellen. „Wer in Sachen Avatar-Erstellung die Nase vorn hat, hält einen Heiligen Gral des Metaverse in Händen“, sagt Lechner nicht ganz frei von Pathos. Das leuchtet ein, schließlich will man nicht für jede genutzte Anwendung im Metaverse einen neuen Avatar erstellen, sondern seinen vorhandenen Digitalleib mitsamt dessen Garderobe im gesamten Metaverse mit sich führen. Lechner schließt daraus, dass ein Avatar für alle Fälle, der die Erfahrung eines vollständigen Virtual Embodiment – eines Gefühls, den Avatar zu „bewohnen“ – vermittelt, bereits hinreichend Anlass bieten könnte, sich im Metaverse häuslich einzurichten. Die Anziehungskraft argumentiert Lechner so: „Der Mensch hat ein archaisches Grundbedürfnis nach Individualität. Wie wir uns anziehen und womit wir uns umgeben, zahlt darauf ein, wie wir wahrgenommen werden wollen.“ Wie sehr sich der Avatar mit dem dahinterstehenden Menschen aus Fleisch und Blut deckt, bleibt letztlich dem Nutzer überlassen. Es ist vorstellbar und legitim, dass man sich gerne attraktiver, besser oder einfach nur anders machen wird als im richtigen Leben. Auf manchen Plattformen wird Fotorealismus gefragt sein, andere wie Roblox oder Decentraland locken mit lustigen und einigermaßen abstrakten und comichaften Low-Polygon-Darstellungen. Whatever floats your boat.

Ironischerweise eint uns als Menschen, dass wir verschieden sein wollen. Dementsprechend wittern die großen Player in der Modewelt im expandierenden Metaverse eine Goldgrube. Avatare sollten – überwiegend jedenfalls – ja schließlich nicht nackt sein. Modelabels werden also Schlange stehen, die Avatare der Nutzer fashionable einzukleiden. Gegen einen gar nicht so kleinen Obolus selbstverständlich. Denn im Metaverse geht es auch ums Geld. Um sehr viel Geld. Das Ausweichen auf Kryptowährungen kann aber dazu beitragen, dass nicht der Löwenanteil am Kuchen den großen Konzernen zufällt, wie es im Internet der Plattformen, das heute dominiert, leider der Fall ist. Kryptowährungen sind in diesem Zusammenhang also eine grundsätzlich gute Sache, die unter anderem den Zwischenhändler, zum Beispiel im Zahlungsverkehr, überflüssig macht. Für Banken ist das freilich keine besonders gute Neuigkeit, sie werden sich überlegen müssen, mit welchen Dienstleistungen sie im Metaverse relevant bleiben können. „Fashion wird ein großer Treiber des Metaverse sein, eine zweite Chance für einen guten ersten Eindruck gibt es auch beim Avatar nicht. Und dieser Eindruck ist eben vom Aussehen geprägt“, sagt Lechner, der eine gewisse Faszination für Virtual Fashion entwickelt hat. Aus ökologischer Hinsicht könnte der teilweise Umstieg auf digitale Kleidung sogar vorteilhaft sein, denn der Anteil an Kleidung, die nur einmal getragen wird, um sich darin für Social Media zu fotografieren, ist grotesk hoch. Die Modeindustrie ist global betrachtet ein maßgeblicher Umweltsünder. Vorstellbar ist auch, dass man zu seinem „echten“ paar Sneakers eine digitale Variante als NFT dazukaufen kann, die man seinem Avatar anzieht. Besser im Sinne von gerechter kann das Metaverse auch dadurch werden, dass durch die Blockchain prinzipiell jeder mit jedem unbürokratisch und direkt Handel treiben kann.

Die immersiven Qualitäten des Metaverse werden für virtuelle Geschäftsreisen ausreichen, nur das After-Work-Bier wird vermutlich etwas abgestanden schmecken.

„Wenn unsere Großeltern mitbekommen würden, was hier gerade am Entstehen ist, würden sie uns für verrückt halten.“

MATTHIAS LECHNER

Dem Vorhalt, dass es sich beim Metaverse womöglich „nur“ um ein Internet in 3D handeln könnte, begegnet Metaverse-Arbeiter Matthias Lechner übrigens mit stoischer Gelassenheit. „Selbst wenn es so wäre, dass das Metaverse ‚nur‘ eine Version des Internets in 3D sein sollte, was ich nicht glaube, ist das ja nicht nichts. Das ist aber sicher zu kurz gegriffen. Zu den unzähligen Dingen, die das Internet bis heute ermöglicht hat, wird noch einiges Bahnbrechendes dazukommen“, sagt Lechner, der sich aber auch der Schattenseiten des Internets durchaus bewusst ist, dabei aber auf die grundsätzliche Neutralität der Technologie verweist. Technologie ist das, was der Mensch daraus macht. „Das größte Übel der Menschheit ist der Mensch“, lautet dementsprechend Matthias Lechners Variante der von Thomas Hobbes bekannt gemachten Formel „Homo homini lupus est“. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Alles, was an Schattenseiten zum Vorschein gekommen ist, hängt zunächst einmal mit den Schlechtigkeiten des Menschen zusammen, die sich im vermeintlichen Schutz der Pseudonymität zu potenzieren scheinen. Was man an Unflätigkeiten in die Tastatur hämmert, würde man seinem Gegenüber wohl kaum offen ins Gesicht sagen. Dennoch empfiehlt es sich um der Psychohygiene willen, in der Rezeption wirrer bis aufgebrachter Social-Media-Interaktionen Hanlons Rasiermesser anzusetzen, das besagt: „Schreibe nichts der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist.“

EINTAUCHEN UND (KONSUMIEREND) ABSCHALTEN Jene engagierte und idealistische Community, die derzeit die Expansion des Metaverse vorantreibt, ist erfreulicherweise sehr auf Inklusion und Willkommenskultur getrimmt. Dennoch scheint es nur eine Frage der Zeit, bis Trolle und Edgelords mit ihren Avataren die schöne neue Welt besudeln. This is why we can’t have nice things. Man darf jedoch immerhin hoffen, dass das schöne alte Konzept namens Facework im 3D-Internet der Avatare wieder an Bedeutung gewinnt. Zudem kann das Metaverse für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ein emanzipatorischer Raum der gesellschaftlichen Teilhabe sein, an dem sie das, was sie in ihrer physischen Wirklichkeit behindert, hinter sich lassen können.

Das Metaverse ist Spiel und Ernst zugleich, es wird nicht nur aus Fun and Games bestehen, nicht nur, wie es so schön heißt, for Shits and Giggles sein. Derzeit steht reichlich Wagniskapital für Metaverse-Anwendungen zur Verfügung, die Investoren erhoffen, nein erwarten sich einen beträchtlichen Return on Investment. Es hat kein fix definiertes Launch-Datum, das Metaverse wird tröpfchenweise in unseren Alltag diffundieren, bis wir das Gefühl haben, dass es immer schon da gewesen ist. So ist es auch beim Internet in seinen bisherigen Versionen 1.0 und 2.0 und beim Smartphone gewesen, an das wir nur noch denken, wenn wir es gerade nicht griffbereit haben. Es wird nicht ein Ort sein, sondern viele enger und loser oder auch gar nicht miteinander verknüpfte Plattformen, auf denen gearbeitet wird und wo man auch seine Freizeit qualitätsvoll und spaßig verbringen kann. Strange New Worlds, in die man eintauchen kann, in denen man sich verlieren und wo man Urlaub vom Alltag machen kann, ohne die eigenen vier Wände körperlich verlassen zu müssen.

Es ist noch offen, ob die schöne neue virtuelle Welt eine utopische Vorstellung ist oder aber ein ortloser Ort, an dem sich bestehende soziale Ungleichheiten reproduzieren und sich die Geschichte von Kolonialisierung, Kapital, Sklaverei, Sexismus und Krieg wiederholt. Es ist nicht unerhört, dass sich die Geschichte wiederholt. Es überwiegt allerdings die Hoffnung, dass sich mit dem Metaverse gleichsam ein Window of Opportunity auftut, in das es sich einzusteigen lohnt. In eine digitale Welt, in der sich jeder – im Idealfall ergänzend zu einer intakten physischen Realität – in Gestalt von Avataren verwirklichen kann. Eine Welt, in der es für mehr Menschen in aller Welt ein Mehr an Gleichheit und Chancengerechtigkeit gibt. Der Urknall hat bereits stattgefunden, nun kommt die Zeit, das neue digitale Universum zu besiedeln.

EIN GANZ KLEINES

DES METAVERSE

IMMERSION beschreibt den durch eine Umgebung der virtuellen Realität (VR) hervorgerufenen Effekt, der das Bewusstsein des Nutzers, illusorischen Stimuli ausgesetzt zu sein, so weit in den Hintergrund treten lässt, dass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird. Ist der Grad an Immersion besonders hoch, wird auch von „Präsenz“ gesprochen.

BLOCKCHAIN Dabei handelt es sich um eine große, verteilte Datenbank, an die chronologisch immer neue Datenblöcke angehängt werden, nachdem sie überprüft und bestätigt wurden. Sie zeichnet sich durch Verkettungsprinzip, dezentrale Speicherung, Konsensmechanismus, Manipulationssicherheit, Transparenz und Nichtabstreitbarkeit aus. Eine Blockchain ist ein Beispiel einer Distributed-Ledger-Technologie (dezentral geführte Kontobuchtechnologie) und wird auch als „Internet der Werte“ (Internet of values) bezeichnet. Die Blockchain bildet die technische Grundlage für Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum.

NFT Ein Non-Fungible Token (NFT) ist ein „kryptografisch eindeutiges, unteilbares, unersetzbares und überprüfbares Token, das einen bestimmten Gegenstand, sei er digital oder physisch, in einer Blockchain repräsentiert“. Während NFTs mit der Blockchain zwar dieselbe Technologie benutzen wie Kryptowährungen, sind sie im Unterschied zu diesen einmalig und nicht teilbar (non-fungible, d. h. „nicht austauschbar“). Ein NFT kann nur als Ganzes erworben werden und existiert nur ein einziges Mal. Ein NFT enthält meist nur einen Verweis (eine URL) auf einen digitalen Inhalt, der auf einem Server gespeichert ist – nicht aber die Bild- oder Audiodatei oder Ähnliches selbst, auf die es sich bezieht.

WEB 2.0 Im Web 2.0 konsumiert der Nutzer nicht nur den Inhalt, er stellt als Prosument selbst Inhalt zur Verfügung. Die Verwendung des Begriffs hat jedoch seit den 2010er-Jahren zugunsten des Begriffs Social Media abgenommen. WEB 3.0 Web 3.0 (auch Web3 genannt) ist eine Idee für eine neue Generation des WWW, das auf der Blockchain basiert und Konzepte wie Dezentralisierung und token-basierte Wirtschaft beinhaltet.

XR Extended Reality / Erweiterte Realität bezieht sich auf alle kombinierten realen und virtuellen Umgebungen und Mensch-Maschine-Interaktionen, ist gewissermaßen ein Sammelbegriff für spezielle Formen wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR). Erzeugt werden diese durch Computertechnologie und Wearables.

AR In der Augmented Reality werden virtuelle Informationen und Objekte der realen Welt überlagert. Die reale Welt wird mit digitalen Details wie Bildern, Text und Animationen, auf die mittels AR-Brille oder über Bildschirme, Tablets und Smartphones zugegriffen wird, ergänzt.

VR Virtuelle Realität lässt User im Gegensatz zur Augmented Reality vollständig in eine simulierte digitale Umgebung eintauchen und hat – im Gegensatz zu AR – nichts mehr mit der realen Welt zu tun.

DAO Eine Dezentrale Autonome Organisation (DAO) wird von einer Blockchain gesteuert und ist weder durch Aktionäre noch durch eine zentrale Instanz beeinflussbar. DAOs stellen ein sicheres digitales Hauptbuch (digital ledger) zur Verfolgung finanzieller Interaktionen über das Internet bereit. DAOs können als Rahmen für moderne Kooperationen fungieren, indem sie die gemeinsame Finanzierung von Assets, die Koordination einer gemein-samen Leistungserbringung (Kooperative) und die Nutzung gemeinsamer Ressourcen (Sharing) ermöglichen.

„MAN MUSS DIE MENSCHEN SCHÜTZEN, NICHT DIE KONZERNE“

Assistenzprofessorin Clara Rauchegger forscht im Bereich Recht der Digitalisierung und ist Mitglied des Digital Science Centers der Universität Innsbruck. Über das Metaverse hat sie sich bereits intensiv Gedanken gemacht, weil von dessen potenziellen Auswirkungen kaum ein Rechtsbereich unberührt bleibt und es auch neue Regeln zum Schutz der User brauchen wird.

ECO.NOVA: Wagen wir zunächst eine kleine Be-

standsaufnahme. Mit einem umfassenden Digitalpaket, bestehend aus Digital Markets Act (DMA) und Digital Services Act (DSA), hat die EU bereits auf sich verändernde Gegebenheiten in der digitalen Sphäre reagiert. Kann dieses Regelwerk auch für ein sich herausbildendes Metaverse Best-

Practice-Beispiel sein? CLARA RAUCHEGGER: Einige Aspekte daraus sind in Bezug auf das Metaverse sehr relevant. Das eine wäre der Punkt zur personalisierten Werbung, im Metaverse geht es – wie bei so vielen Online-Aktivitäten – auch ums Geld. Mit dem DSA werden Transparenzverpflichtungen für Werbung kommen. Die Plattformen verdienen grundsätzlich Geld damit, unsere Daten zu sammeln und sie für personalisierte Werbung zu verwenden. Das ist das Geschäftsmodell. Facebook, mittlerweile Meta, stürzt sich deshalb so auf das Metaverse, um dieses Geschäftsmodell weiter ausbauen zu können. Der DSA bringt Einschränkungen für personalisierte Werbung. Besonders sensible Daten, die zukünftig über Virtual-Reality (VR)-Brillen und andere Sensoren erfasst werden, dürfen nicht mehr uneingeschränkt verwendet werden. Über die Mimik oder das Weiten der Pupillen können Rückschlüsse auf den emotionalen Zustand und sogar den Gesundheitszustand gezogen werden. Derartige Daten werden bislang noch nicht aufgezeichnet.

Neue Eingabe- bzw. Interaktionsgeräte abseits von Tastatur und Maus wie die VR-Brille bringen also eine ganze Menge an biometrischen Daten? So ist es. Da gäbe es prinzipiell ganz neue Möglichkeiten, an biometrische Daten zu gelangen. Diese und andere sensible Daten sind EU-rechtlich besonders geschützt. Dazu zählen beispielsweise Daten über die sexuelle Orientierung oder Religionszugehörigkeit, die allesamt nicht mehr für personalisierte Werbung verwendet werden dürfen. Die biometrischen Daten sind für VR-Anwendungen besonders relevant. Unternehmen interessieren sich dafür ganz besonders, weil aus ihnen hervorgeht, in welcher Stimmung User gerade sind und welche Persönlichkeitszüge sie haben. Die EU hat außerdem strengere Transparenzpflichten eingeführt. User müssen Werbung zukünftig als solche erkennen können und auch darüber informiert werden, wer diese finanziert hat. User müssen auch darüber informiert werden, warum gerade sie

© BIRGIT PICHLER

„Es könnte schon bald Szenarien geben, in denen man mit seinem Avatar bei einem Bewerbungsgespräch im Metaverse erscheint.“

CLARA RAUCHEGGER

diese oder jene Werbung zu sehen bekommen. Das ist neu. Die großen Online-Plattformen, dazu gehört Meta, müssen außerdem grundsätzliche Kontrollen dahingehend durchführen, ob ihre Werbesysteme gesellschaftliche Risiken verwirklichen.

Hat die EU mit DMA und DSA bereits rechtlich vorgebaut, mit dem Metaverse im Hinterkopf?

Im Digitalpaket gibt es keine spezifischen Metaverse-Bestimmungen. Die EU macht ihre Bestimmungen technologieneutral, so dass diese auch noch in 20 Jahren anwendbar sind. Die Idee ist nicht, das Recht auf neue technologische Systeme abzustimmen, sondern es technologieneutral zu formulieren, so dass man nicht immer neuen Entwicklungen hinterherhinkt. Transparenzbestimmungen gelten unabhängig davon, ob es sich um eine Web-2.0- oder Web3-Anwendung handelt.

ZUR PERSON:

Dr. Clara Rauchegger ist Assistenzprofessorin an der Universität Innsbruck. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Europarecht und im Recht der Digitalisierung. Sie promovierte 2016 an der Universität Cambridge. Rauchegger ist Mitglied des Digital Science Centers der Universität Innsbruck, wo sie Errungenschaften und Gefahren der Digitalisierung aus interdisziplinärer Perspektive untersucht. Ihr laufendes Habilitationsprojekt widmet sich der unionsrechtlichen Regulierung von Online-Plattformen und digitalen Diensten.

Ihren Ausführungen zufolge wird es also keine spezifischen, auf das Metaverse gemünzten neu-

en Normen mehr brauchen? Ich denke, dass es in manchen Bereichen zusätzliche Regulierung brauchen wird, besonders bei den sogenannten NFTs, den Non-Fungible Tokens. Da scheint es eine Lücke zu geben. Es wäre klug, das auch auf EU-Ebene zu regeln. Sollten das die Mitgliedsstaaten einzeln tun, ergibt das einen Fleckerlteppich und entsprechendes Chaos.

34 Die EU ist meist Vorreiter bei der Regulierung. Diese NFTs sind insofern spannend, als dass sich dadurch physische Gegenstände gewissermaßen digital „abbilden“ lassen. Darin wird auch der Wert von NFTs liegen. Das Metaverse verknüpft Wert, der in der physischen, realen Welt existiert, mit der digitalen. Dazu gibt es einige rechtliche Fragen, die nicht wirklich geklärt sind. Welches Recht kommt zur Anwendung? Was gilt bei grenzüberschreitenden Transaktionen? Auf europäischer Ebene gibt es die MiCA-Verordnung (Markets in Crypto Assets), die Vertrieb, Ausgabe und Handel mit Krypto-Assets regelt. Davon sind die NFTs aber weitgehend ausgenommen. Für NFTs gibt es also noch keine umfassende Regulierung auf EU-Ebene.

Kryptowährungen allgemein und im Besonderen die Blockchain-Technologie werden im Metaverse aller Voraussicht nach besonders wichtige Rollen einnehmen. Die EU und auch die Nationalstaaten waren bei der Regulierung von Krypto bislang

eher zurückhaltend. Mit der MiCA-Verordnung hat man sich jetzt einmal Bitcoin und Co. vorgenommen. Das berührt die Fungible Tokens, das Äquivalent zum Geld. Diese werden zukünftig auf EU-Ebene besser reguliert sein. Für den Umgang mit NFTs, die im Metaverse das Äquivalent zu einem realen, physischen Gegenstand sein werden – am Beispiel eines Kunstwerks versteht man das vielleicht am besten –, gibt es noch kein umfassendes, großes Regelwerk.

Die EU ist mit ihrem Digitalpaket durchaus als Vorreiter zu bezeichnen, was die Regulierung digitaler Räume betrifft. Kann die EU auch fürs Metaverse als quasi normsetzende Instanz gelten, nachdem

man so früh mit dem Regelwerk dran ist? Man hat im Datenschutzrecht etwas gesehen, das man in Fachkreisen den „Brussels-Effect“ nennt. Die Datenschutzstandards in der EU sind so streng, dass sie weltweit ausstrahlen. Die EU ist nach wie vor eine große Handelsmacht und jeder, der in Europa wirtschaftlich tätig sein will, muss sich diesen Regeln beugen. Ein ähnlicher Effekt ist beim Digital Services Act und Digital Markets Act auch zu erwarten. Grundsätzlich war es über 20 Jahre lang innerhalb der EU eine Grundtendenz, die Plattformen und deren Geschäftsmodelle zu fördern, den Handel im digitalen Bereich nicht zu bremsen. Erst seit der DSGVO scheint man die Überzeugung zu vertreten, dass man die Menschen schützen muss und nicht die Konzerne und das Internet zu einem sympathischeren, menschenfreundlicheren Ort machen möchte. Mit DMA und DSA prescht die EU weltweit voran, um den Schutz der Menschen und deren Rechte in den Vordergrund zu stellen.

Das ist vordergründig eine idealistische Motivlage, aber ist die EU nicht geradezu für Derartiges prädestiniert, weil man sich nicht fürchten muss, einer der großen Plattformen und Digitalkonzerne weh zu tun, weil diese ohnehin nicht aus Europa stammen? Natürlich, da tut sich die EU wesentlich leichter als die USA. Die EU kann auf die Menschen schauen, ohne große Rücksicht auf die sehr großen Online-Plattformen nehmen zu müssen. Diese Konzerne sind mit ihren europäischen Headquarters meist

in Irland angesiedelt, weshalb die Iren diese großen Player gerne besser schützen würden.

Mit DSGVO, DMA, DSA und MiCa gibt es schon ein paar Instrumente, um die Expansion der digitalen Sphäre rechtlich zu begleiten. Sind noch weitere

Regularien angedacht oder in Ausarbeitung? Eine weitere große Neuerung ist das Gesetz für Künstliche Intelligenz (KI). Mir scheint, dass auch dieses im Metaverse eine Rolle spielen wird. Das Gesetz sieht vor, KI-Anwendungen in Risikokategorien einzuteilen. Da gibt es bestimmte Schutzbestimmungen, die greifen, wenn beispielsweise künstliche Intelligenzen zu Bildungszwecken eingesetzt werden oder fürs Recruiting oder zur Erfassung von biometrischen Daten. Da könnte es schon bald Szenarien geben, in denen man mit seinem Avatar bei einem Bewerbungsgespräch im Metaverse erscheint.

Wenn alle menschlichen Teilnehmer im Metaverse nur noch mit ihren Avataren unterwegs sind, muss es da nicht zweifelsfrei, schnell und einfach identifizierbar sein, ob hinter dem Avatar ein Mensch

oder eine Maschine steckt? Auch das ist im neuen KI-Gesetz – eigentlich eine klassische Verordnung – klar geregelt. Darin gibt es eine ganze Reihe von Transparenzbestimmungen. So muss es immer klar

„Erst seit der DSGVO scheint man die Überzeugung zu vertreten, dass man die Menschen schützen muss und nicht die Konzerne und das Internet zu einem sympathischeren, menschenfreundlicheren Ort machen möchte.“

CLARA RAUCHEGGER

erkennbar sein, wenn man mit einer KI interagiert und nicht mit einem Menschen. Ein KI-basierter Influencer-Bot würde andernfalls nicht so einfach als KI erkennbar. Das Gesetz gilt auch für den Fall, dass man bei einer Hotline anruft und es mit einer KI oder im Internet mit einem Chatbot zu tun bekommt. Das muss mit einem entsprechenden Label ganz klar erkennbar gemacht werden.

Es dürfte tatsächlich zunehmend schwieriger werden, ohne eindeutiges Identifikationsmerkmal ein menschliches von einem computergenierten Gegenüber zu unterscheiden. Rechtlich betrachtet ist es irrelevant, ob man das selbst herausfindet, es

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Ein supranationaler Metaverse-Regulator liegt dementsprechend für Sie nicht im Bereich des Vorstellbaren? Ich sehe nicht, wie das unmittelbar funktionieren könnte. Funktionieren würde das über das Internet-Völkerrecht, mit all den Problemen, die das Völkerrecht hat, etwa was dessen Durchsetzung betrifft. Ich bin da skeptisch. Realistischerweise wird man wohl eher auf den Brussels-Effect hoffen müssen.

Das Web 2.0 ist auch ein Internet der Plattformen, das sich ein paar sehr mächtige und große Player untereinander aufteilen. Sehen Sie das Kartellrecht, das erst in den letzten Jahren Zähne bekom-

men hat, besonders gefordert? Die Grundidee des Metaverse ist zwar, ähnlich wie früher die Fantasie des Internets, dezentral. Es zeichnet sich aber ab, dass es auch im Metaverse ein paar Player mit sehr großer Marktmacht geben wird. In der EU gibt es bald für die ganz großen Plattformen strenge Regeln und ich glaube, das wird man weiterhin so halten müssen, bei diesen die Daumenschrauben anzusetzen.

muss ganz klar deklariert werden, ob man mit einem Menschen oder einer KI interagiert.

Hat die EU aus der Geschichte des Internets gelernt, bei dem man sich regulatorisch eher zurückgelehnt hat und dem Ganzen seinen Lauf ließ, und jetzt schon vorsorglich ein paar Pflöcke eingeschlagen?

Das kann man so sagen. Es gab damals einerseits die Einschätzung, dass, wenn man – wie bei einer Hydra – einen Kopf abschlägt, mehrere andere nachwachsen würden, und andererseits Bedenken, durch zu viel Regulierung Innovation zu behindern. Der Ansatz der EU war lange Zeit, das innovative Potenzial, dass die Plattformen bringen würden, nicht aus Europa zu vertreiben. Da hat es ein Umdenken gegeben. Man traut sich drüber, das Internet zu regulieren, und hält es sogar für notwendig. Beim Metaverse will man nicht hinterherhinken, sondern gewisse negative Entwicklungen, die sich kaum einfangen lassen, wenn man zu spät dran ist, gleich von Anfang an unterbinden. Der Hass im Netz auf Online-Plattformen ist mittlerweile zu einem so großen Problem geworden, dass man ihn nur mehr sehr schwer in den Griff bekommt. Beim Metaverse gilt es, solche Entwicklungen von vornherein zu verhindern.

Technologisch ist früher oder später allein aus ökonomischen Gründen eine Standardisierung auf wenige dominante Standards zu erwarten. Erwarten Sie Ähnliches auch für das Recht, um die prinzipiell grenzenlose digitale Sphäre für alle User gleich zu

machen? Das ist im globalen Maßstab schwer abzuschätzen. Auf der europäischen Ebene läuft es jetzt schon darauf hinaus. Globale Übereinkünfte sind dagegen wesentlich schwieriger zu erzielen.

Erstreckt sich das Andrehen der Daumenschrauben auch auf andere Tatbestände wie sexualisierte Gewalt, deren gehäuftes Auftreten wohl auch im

Metaverse befürchtet werden darf?Es gab sogar schon erste Berichte darüber. Die EU kann auch in diesem Fall den Plattformen bestimmte Verpflichtungen auferlegen, sie kann aber nicht einzelne Straftatbestände an veränderte Gegebenheiten anpassen. Das bleibt weiterhin Sache der EU-Mitgliedsstaaten, die schauen müssen, ob ihre Straftatbestände im Online-Kontext für die aktuellen Bedrohungen, die real und virtuell stattfinden, noch aktuell sind. Die Mischung aus virtuell und real kann ja besonders toxisch sein. Man wird sich zum Beispiel anschauen müssen, wie sexuelle Belästigung durch Avatare strafrechtlich zu fassen ist. Die EU wird dafür Sorge tragen, dass es entsprechende Meldesysteme und Kooperationsverpflichtungen der Plattformen mit lokalen Behörden

„Ich denke, dass es in manchen Bereichen zusätzliche Regulierung brauchen wird, besonders bei den sogenannten NFTs, den Non-Fungible Tokens. Da scheint es eine Lücke zu geben. Es wäre klug, das auch auf EU-Ebene zu regeln. Sollten das die Mitgliedsstaaten einzeln tun, ergibt das einen Fleckerlteppich und entsprechendes Chaos.“

gibt. Es gibt schon heute einige Herausforderungen, die im Zusammenhang mit Hass im Netz aufgetreten und noch nicht überwunden sind. Mit dem Metaverse wird es nicht einfacher werden. Wenn eine Strafverfolgungsbehörde die Mechanismen in den sozialen Medien nur unzureichend versteht, wird sie sich mit dem Metaverse vermutlich noch schwerer tun. Hier wäre es im Sinne des Opferschutzes angezeigt, diese Entwicklungen nicht zu verschlafen, damit der Hass im Metaverse nicht akut werden kann.

Sehen Sie auch Herausforderungen, was Identitätsdiebstahl oder „digitales Kidnapping“ von Avataren betrifft? Ich bin keine Strafrechtlerin, aber ich erwarte, dass sich da sicher die eine oder andere Lücke im bestehenden Recht auftun wird. So wie übrigens in fast allen Rechtsbereichen, zum Beispiel im Erbrecht. Wenn sich jemand bzw. seinem Avatar allerlei tolles Zeug gekauft hat und der Mensch dahinter stirbt, was geschieht dann mit dem Avatar?

Der müsste eigentlich in die Verlassenschaft fallen

… mitsamt allen dem Avatar zuzurechnenden NFTs. In der Rechtswissenschaft wird niemand umhinkommen, sich in seinem jeweiligen Rechtsbereich mit dem Metaverse auseinanderzusetzen. Auch im Immaterialgüterrecht gibt es spannende Fragestellungen. McDonald’s hat sich bereits viele seiner virtuellen Produkte markenrechtlich schützen lassen.

Die Durchsetzung des Markenrechts im Metaverse

ist für Unternehmen von vitaler Bedeutung. Ich glaube, dass sich das bestehende Recht auf geistiges Eigentum recht gut auf das Metaverse umlegen lässt. Große Unternehmen haben sich schon vieles, was es in der physischen Welt gibt, für die virtuelle Welt schützen lassen.

Steuerrechtlich ergeben sich aus dem Metaverse auch Fragen, auf die es noch keine Antworten

gibt. Wenn man tokenisierte Immobilien im Metaverse erwirbt oder vermietet, wird man da wohl dem Steuerrecht nicht auskommen. Wie das genau ausgestaltet sein wird, ist noch nicht geklärt. Damit werden sich die Steuerrechtsexpertinnen und -experten befassen müssen. Es gibt fast keinen Rechtsbereich, der nicht betroffen ist. Das Metaverse ist jedoch kein rechtsfreier Raum. Die bestehenden Regeln werden, soweit es möglich ist, angewendet werden. Die Lücken, die sich in der Praxis ergeben, wird man mit sinnvollen und praktikablen Regelungen füllen müssen.

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„NOCH HABEN WIR EINEN KÖRPER“

Philosophin Anne Siegetsleitner hält das Metaverse primär für eine Marketingidee, von der noch längst nicht gesagt ist, wie sie einmal aussehen wird. Die virtuelle Welt mag unendlich sein, die Lebenszeit sei dennoch endlich, mahnt die Philosophin. Über die Grenzen der Leiblichkeit vermag auch das Sich-selbst-zurvirtuellen-Welt-Bringen in Gestalt eines Avatars nicht hinwegzutäuschen.

INTERVIEW & FOTOS: MARIAN KRÖLL

ECO.NOVA: Was ist das Metaverse? ANNE SIEGETSLEITNER: Wer gegenwärtig „Metaverse“ sagt, meint nicht zwingend das, was andere damit sagen wollen. Zunächst verbirgt sich dahinter eine Marketingidee, die nicht zuletzt Investorengelder lenken soll. Es gilt als das nächste große Ding, der nächste Internet-Hype. Hypes flauen auch wieder ab, was nicht heißt, dass nicht Wertvolles entwickelt wurde, was bleibt. Inhaltlich geht es um die Idee eines ganz neuen 3D-Interneterlebnisses, nämlich das Eintauchen in virtuelle Umgebungen, in denen Aktivitäten wie sich unterhalten, lernen, arbeiten, einkaufen, spielen, den Lebensraum gestalten, wie wir sie aus dem sonstigen Leben kennen, und neue, nur in diesen Räumen mögliche Aktivitäten stattfinden sollen. Agiert soll in vielen dieser Umgebungen als dreidimensionaler Avatar werden. Es geht aber auch um die virtuelle Planung von Fabriken. Technisch wird auf Blockchain-, VR- oder AV-Technologien gesetzt. De facto ist das Metaverse noch eine Vision und keine real existierende Technologie, weshalb schwer zu sagen ist, was es ist. Als leitende Idee gehört das Metaverse keiner einzelnen Organisation oder Firma, nicht einmal „Meta“. Wie exklusiv, umfassend, offen und interoperabel einzelne Bereiche des Metaverse sein wer-

ZUR PERSON:

Universitätsprofessorin Anne Siegetsleitner leitet das Institut für Philosophie an der Universität Innsbruck. Neben dem Metaverse beschäftigt sich die Philosophin vor allem mit Ethik, Kultur- und Sozialphilosophie sowie aktuell mit den Denkgebäuden Ludwig Feuerbachs und Friedrich Jodls.

den, wird sich zeigen. Es ist anzunehmen, dass mehrere Ansätze entwickelt werden. Dass die einzelnen Plattformen ganz offen und verbunden sein werden, wie als Vision propagiert, darf bezweifelt werden. Schließlich geht es um unermessliche Datenmengen von unermesslichem Wert, nicht nur finanziellem. Daten, die zu Wissen werden, sind noch immer eine immense Machtressource. Für Unternehmen wie für Staaten.

Welche Implikationen ergeben sich dadurch, dass das Internet mit neuen Eingabegeräten – etwa VR-Headset, Handschuhe, Ganzkörperanzüge – auf immer stärkere Immersion getrimmt

wird? Die Implikationen sind sicherlich nicht absehbar, was ich jetzt nicht auf Negatives beschränken will. Klar ist, dass je mehr von der Vision Metaverse verwirklicht wird, je mehr sich jemand reinziehen lässt, umso mehr Lebenszeit wird in virtuellen Räumen verbracht. Die virtuelle Welt mag unendlich sein, die Lebenszeit schreitet jedoch trotzdem fort und ist endlich. Noch haben wir einen Körper. Die Zeit, die in diesen Räumen verbracht wird, fehlt für andere Aktivitäten. Nicht zuletzt braucht auch diese virtuelle Realität Rechenkapazitäten und Energie. Ich bin nicht sicher, ob die neue Meta-Werbung „The impact will be real“ ein Versprechen oder eine Drohung ist. Als ich diesen Spruch zum ersten Mal las, war ich jedenfalls sehr verwundert.

Halten Sie eskapistische Ausflüge in virtuelle Welten für eine Gefahr oder einen ebenso harmlosen wie legitimen Zeitvertreib und Ablenkung vom Alltag?

Das hängt wie schon bisher vom Ausmaß ab und welche Aktivitäten Sie dort ausführen. Spannendes Lernen in einer 3D-Welt, Spiel zur Entspannung oder Horizonterweiterung sind ebenso umfasst wie Vergewaltigungen.

Der Philosoph Byung-Chul Han ist zur Auffassung gelangt, dass es nicht länger Dinge, sondern Undinge, konkret Informationen seien, die unsere Lebenswelt bestimmen würden. Würden Sie diesen Befund unterstützen oder ist er zu pes-

simistisch angelegt? Zweifellos prägen Informationen das Leben in technologisierten Gesellschaften mehr als früher, zum Guten und Schlechten. Mein Zugang ist, Gefahren real einzuschätzen und möglichst

„Die virtuelle Welt mag unendlich sein, die Lebenszeit schreitet jedoch trotzdem fort und ist endlich. Die Zeit, die in diesen Räumen verbracht wird, fehlt für andere Aktivitäten.“

ANNE SIEGETSLEITNER

zu vermeiden versuchen. Undifferenzierte Urteile neigen zum Totalitären, verkaufen sich aber leider gut.

Teilen Sie etwaige Bedenken, dass mit dem Metaverse die Kommerzialisierung des Lebens weiter zunehmen

wird? Wenn eine Firma eine Technologie für das Metaverse entwickelt, wird sie Geld verdienen wollen. Wenn Sie sich in solchen Räumen aufhalten, werden Sie dafür bezahlen, auf die eine oder andere Art. Selbstverständlich geht es um eine neue Art der Kundenbindung. Die Idee des Metaverse selbst schließt nichtkommerzielle Zonen jedoch keineswegs aus.

Ist es nachvollziehbar, sich bzw. seinem Avatar virtuelle Güter – Kleidung, Accessoires, ja sogar Immobilien – zu kaufen mit Geld, das man sich in der physischen

Welt verdient hat? Bis zu einem gewissen Grad selbstverständlich. Solange der Avatar als Ausprägung des eigenen Selbst gesehen wird und dadurch Anerkennung, Bewunderung, Status und so weiter erfahren wird, ist es ein weiterer Weg, Bedürfnis danach zu stillen. Es kann ebenso kreatives Potenzial ausgelebt werden. In Hinblick auf den Einzelnen wird es gefährlich, wenn das verbleibende Geld nicht mehr ausreicht, Essen, Kleidung und Wohnen in der physischen Welt zu finanzieren.

VON ECHTEN UND VIRTUELLEN WELTEN

Dass wir uns als Menschen irgendwann vollständig in die digitale Welt zurückziehen werden, scheint unwahrscheinlich, Teil unseren realen Lebens ist die Virtualität aber bereits jetzt.

INTERVIEW: MARINA BERNARDI

Petra Missomelius ist Medienkulturwissenschaftlerin am Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation an der Universität Innsbruck. Sie forscht unter anderem zu Transformationsprozessen, die durch digitale Technologien ausgelöst bis tief hinein in die Alltagskulturen und Weltwahrnehmungen unserer Gesellschaften reichen. In ihrem Buch „Bildung – Medien – Mensch / Mündigkeit im Digitalen“ (V&R unipress, 230 Seiten, 40 Euro oder kostenlos downloadbar als Open-Access-PDF) beschäftigt sie sich mit der Frage, welche veränderte Rolle Wissen in dieser neuen gesellschaftlichen und kulturellen Grundkonstellation zukommt und was Bildung dann noch sein kann und muss.

Vom Metaverse hält die Wissenschaftlerin übrigens wenig, sondern sieht es vorrangig als einen Marketing-Kunstbegriff. „Medienwissenschaftlich lässt sich feststellen, dass mit dem Begriff des Metaverse etwas sehr Ungenaues ganz oben auf der Agenda gelandet ist, das vielmehr als eine Einladung für Projektionen zu verstehen ist. Neue Technologien sind natürlich immer verheißungsvoll, ich würde mir jedoch wünschen, dass man sich mit demselben Enthusiasmus auch anderen, geisteswissenschaftlichen Themen widmet.“ Über weitere Erkenntnisse haben wir mit ihr im Interview gesprochen.

ECO.NOVA: Sie beschäftigen sich unter

anderem damit, welche Auswirkungen digitale Technologien auf unsere Leben und die Gesellschaft haben. Was ist Ihre

persönliche Quintessenz daraus? PETRA MISSOMELIUS: Virtualität im Sinne des Entfliehens aus dem Alltag ist durchaus eine Konstante in der Geschichte und etwas, das wir als Menschen brauchen, weil es zusätzliche Reflexionsräume aufmacht und uns ermöglicht, bestimmte Dinge gedanklich durchzuspielen. In der Medienwissenschaft nennt man das „Möglichkeitsräume“ – Ähnliches findet sich zum Beispiel in der Entstehung von Religionen oder des Theaters. Nun ist es die Technologisierung. Ich würde deshalb nicht sagen, dass wir als Menschheit vor etwas grundlegend Neuem und einem großen Bruch zweier Welten stehen. Die reale und die virtuelle Welt sind kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Die virtuellen Bereiche werden immer mehr Teil unseres Alltags, Technologien sind allgegenwärtig und beeinflussen damit auch unsere reale Umgebung. Man spricht dabei von hybriden Lebenswelten, in denen analog und virtuell bzw. digital ineinanderfließend sind.

Sie sehen also nicht die Gefahr, dass wir als Individuen oder Gesellschaft von der digitalen Welt quasi „eingeholt“ werden, bestimmte Kompetenzen verloren gehen

oder (soziale) Defizite entstehen? Der Technologie ist das per se nicht inhärent. Es gibt durchaus – persönliche – Konstellationen oder Prädispositionen, im Zuge derer man sich mit der realen Umgebung punktuell nicht auseinandersetzen möchte. Das ist legitim. Zu anderen Zeiten hat man sich etwa in Romane geflüchtet. Insofern würde ich nicht sagen, dass uns der Sog der Technologie generell passiv werden lässt und wir uns der realen Welt entziehen. Es ist allerdings festzustellen, dass es bestimmte Dynamiken gibt, etwa die aktuellen Krisensituationen und auch Corona, die zu einem Rückzug ins Private und in die Vereinzelung geführt haben. In diesen Situationen werden auch die Optionen digitaler Zeitgestaltung attraktiver. Der Auslöser dafür ist aber nicht die Tatsache, dass es diese Technologien gibt.

Gerade Social Media geraten immer mehr in Verruf, die Menschen negativ zu beeinflussen. Glauben Sie, dass die Virtualität neue Eigenschaften in uns hervorbringt oder diese immer schon da waren, man sie nur nicht in dieser Stärke gesehen hat? Ich denke nicht, dass neue Technologien oder Social Media neue Eigenschaften in uns heranreifen lassen, man sieht sie nur unmittelbarer. Auch schlechten Kommunikationsstil gab es schon immer, mit dem

„Neue Technologien eröffnen auch neue Möglichkeitsräume, in denen man mit anderen in Kontakt treten kann, sich weltweit vernetzt, kulturenübergreifend Informationen erhält – davon können wir stark profitieren. Die virtuelle Welt ist keine Flucht vor dem ‚echten‘ Leben, sondern kann unsere ganz persönliche Realität und unser soziales Umfeld um neue Aspekte erweitern.“

schnellen und teils anonymisierten Hinschreiben ist lediglich die Hemmschwelle gesunken. Ich finde allerdings nicht, dass diese Entwicklungen nur negativ sind. Social Media kann man auch als Zugewinn sehen. Hier kommt es stark auf den eigenen persönlichen Umgang damit an. Ich stöbere tatsächlich gerne auf TikTok und bin immer wieder fasziniert, welche Bereiche hier thematisiert werden. Der Umgang mit psychischen Krankheiten zum Beispiel, die Unsicherheit das eigene Geschlecht betreffend, auch Initiativen wie #blacklivesmatter hätten ohne Social Media wohl kaum eine derartige Aufmerksamkeit erfahren. Diese öffentlichen Diskurse und gesellschaftlichen Sensibilisierungen für Pluralität sind durchaus positive Errungenschaften, zu denen Social Media einen Beitrag geleistet haben.

Die digitale Welt entwickelt sich rasend schnell, Algorithmen bestimmen, was wir im Netz sehen, künstliche Intelligenzen stellen mittlerweile NFTs her. Braucht es künftig eine neue Art der

(Medien-)Bildung? Unbedingt! Ich habe mich in den letzten Jahren sehr dafür engagiert, ein entsprechendes Schulfach zu etablieren, das nicht in die technische Seite abgleitet, sondern in dem es darum geht, sich kritisch mit diesem kulturellen Wandel auseinanderzusetzen. Digitale Technologien basieren auf Nullen und Einsen, diese starke Reduktion – richtig oder falsch – ist etwas, das wir Menschen mögen, mit Ambiguität tun wir uns zunehmend schwer. Deshalb gefallen uns einfache Darstellungen, am liebsten in Form von Diagrammen oder Statistiken, die vielfach auch für politische Argumentationen herangezogen werden, weil sie leicht lesbar erscheinen. Aber: Sie sind eben stark verkürzt. Es gilt zu hinterfragen, wie diese Daten zustande gekommen sind, worauf sie basieren, in welcher Relation sie stehen. Wir müssen lernen, Aussagen nicht einfach so hinzunehmen. Das ist oft kompliziert und komplex und je ausgefeilter die Technologie dahinter wird, desto schwieriger ist es, auf das wirkliche Dahinter zu blicken. Genau das sind Themen für Bildungseinrichtungen – nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene. Es geht darum, zu erkennen, woher Inhalte kommen, wer sie generiert und wer davon eventuell einen Vorteil haben könnte. All das ist anstrengend, man muss sich aber damit beschäftigen – zum Beispiel, wenn man die verheerenden Auswirkungen der Zirkulation von Deep-Fake-Videos in Betracht zieht. Wir wussten rational schon immer, dass Bilder lügen und uns etwas vormachen können, bewegten Bildern gestehen wir noch eher eine gewisse Wahrheit zu. Jeder Mensch sollte in die Lage versetzt werden, die Inszeniertheit von (Bewegt-) Bildern – auch wegen ihrer Rolle in der öffentlichen Kommunikation – explizit machen und reflektieren zu können.

Hat sich durch diese Verkürzung der Informationen und die fortschreitende Technologisierung unser Denken und

unsere Wahrnehmung verändert? Diese Dinge unterliegen prinzipiell immer einer Veränderung, aktuell gehen wir jedoch in eine Richtung, die nicht gut tut. Viele können sich nur mehr auf kurze Textpassagen konzentrieren, wir werden immer ungeduldiger. Das hängt auch damit zusammen, dass wir stetig von den unterschiedlichsten Dingen abgelenkt werden, die um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Der Treiber technologischer Entwicklungen war eigentlich immer, die Menschen von unnötigen Routinen zu entlasten, damit sie Zeit für das wirklich Wichtige haben. So ganz mag das nicht funktionieren. Dennoch stellen wir fest, dass es auch Gegenbewegungen wie Digital Detox gibt. Meditation und Achtsamkeit sind in unserem Kulturkreis gefragter denn je.

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Generierung von Wissen? Muss man sich heute noch Wissen aneignen, wo sich ohnehin alles googeln lässt? Als Wissenschaftlerin und jemand, die mit Bildungsinstitutionen und Schulen zu tun hat, muss ich leider sagen, ich bin in diesem Punkt nicht wahnsinnig optimistisch. Ich erlebe seit einem längeren Zeitraum, dass Effektivität und Effizienz zu Idealen sowohl bei Lernenden als auch in Bildungsinstitutionen geworden sind. Learning Analytics etwa zielt darauf ab, Lernen und Lernfortschritte messbar und damit effizienter zu machen. Die derzeitigen Konstellationen haben zur Folge, dass wir nicht mehr aus Neugierde lernen wollen, sondern nur mehr nützlichkeitsorientiert für einen in Aussicht gestellten Erfolg, wobei Einsatz und Ertrag sehr ökonomisch betrachtet werden. Wir haben weniger das Bedürfnis, unseren Horizont zu erweitern, die Frage ist vielmehr, was man persönlich davon hat, was man einsetzen muss und was man dafür bekommt. Das steht dem eigentlichen Zweck von Bildung aber diametral gegenüber. Es gibt vielfach keine Motivation, sich Wissen anzueignen. Das kommt bei jungen Menschen nicht von ungefähr, weil viele von ihnen gar nicht so recht wissen, was sie in ihrem Leben überhaupt wollen. Es herrscht eine Ziellosigkeit unter Lernenden, weshalb diese sich mit bulimischem Lernen arrangieren, um gewisse – universitäre – Etappen zu erreichen und nicht, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Weil man eben nicht weiß, in welche Richtung man sich überhaupt entwickeln

„Ich habe oft das Gefühl, dass wir uns als Menschen und Menschheit in manchen Belangen rückwärts bewegen.“

PETRA MISSOMELIUS

möchte, welche Talente man für sein Leben fruchtbar machen möchte. Das Schlagwort der Multioptions-Gesellschaft fasst das ganz gut zusammen: Wir haben so viele Auswahlmöglichkeiten, dass wir gar nicht mehr wissen, was wir eigentlich wollen. Das ist eine große Herausforderung für institutionelle Bildung, die hier Unterstützung leisten muss.

Fortschritt braucht Entwicklung, auch in technologischer Hinsicht. Die technische Entwicklung indes ist extrem schnell. Kommt der Mensch hier über-

haupt noch hinterher? Die gängige Meinung ist, dass Fortschritt nur durch Technologien gelingen kann. Wir sehen allerdings, dass wir manchmal zu hohe Erwartungen an die Technologien haben und dann enttäuscht werden. Technologie allein hat noch nie zum Fortschritt verholfen. Ich habe oft das Gefühl, dass wir uns als Menschen und Menschheit in manchen Belangen rückwärts bewegen, auf der anderen Seite haben wir durch neue Technologien enorm viel hinzugewonnen. Es geht also immer darum, zum Fortschritt auch als Mensch beizutragen. Durch die Social Media und das Internet können wir uns quasi die ganze Welt nach Hause holen, das hat unser Wissen über andere Länder und Kulturen erweitert, Pluralität wird deutlicher gelebt, unsere Toleranz gegenüber anderen Lebensstilen ist in der Breite höher geworden, auch wenn es nicht immer so den Anschein haben mag. So gesehen hat Fortschritt nicht immer nur mit Wirtschaft und Finanzen zu tun, sondern auch mit menschlichem, gesellschaftlichem und kulturellem Wachstum. Ich persönlich bin eigentlich überwiegend fasziniert, welche Möglichkeiten sich dadurch eröffnen. Natürlich gibt es auf sämtlichen Social-Media-Plattformen viel Unsinn, aber es gibt auch Kanäle, die in vielen verschiedenen Bereichen aufklärend wirken, und das macht durchaus Sinn. Es sind immer wieder Aushandlungsprozesse feststellbar, in denen es darum geht, welche Gesellschaftswerte uns wichtig sind. Die Technologien bringen also erst mal weder Gutes und Schlechtes. Es liegt an unserem Denken, unserem Welt- und Selbstbild, was wir daraus machen und wie wir sie nutzen. Der technologische Wandel ist eine logische Konsequenz der Entwicklungsgeschichte. Medien prägen Kulturen und der kulturelle Wandel ist es, der sich auch gesellschaftlich niederschlägt.

DAS METAVERSE VON DER INDUSTRIELLEN SEITE HER BELEUCHTEN

ECO.NOVA:Was ist das Industrial Metaverse und wie sind Sie da hineingeraten? LUIS BOLLINGER: Wir haben ursprünglich damit begonnen, AR-Software zu entwickeln, und festgestellt, dass die Applikationen nicht gut genug sind, weil die mobilen Endgeräte dafür nicht ausreichend Rechenleistung haben. Die Dinge, die man in AR und VR darstellt – CAD-, BIM- oder CT-Daten – sind sehr groß. Da gibt es in der Praxis technische ebenso wie strukturelle Probleme. Der Metaverse-Ansatz ist die nächste Entwicklungsstufe. Darunter verstehen wir im Industriebereich das Zusammenführen von AR- und VR-Applikationen auf einer gemeinsamen Plattform, in einer Art Metaverse, einem digitalen Raum, in dem verschiedene Nutzer kollaborieren können. Über das Streaming, das wir bei Holo-Light anbieten, können wir überdies mehr Sicherheit und Rechenleistung in die Apps bringen.

Umgehen Sie mit Streaming einen Flaschenhals, konkret die limitierte Rechen-

leistung der Hardware? Ja. Die Apps laufen in der Cloud oder auf dem Server, die Daten werden dort gerendert und auf die Brille geschickt. Im Gegensatz zu anderen AnwendunDas Tiroler Unternehmen Holo-Light verfolgt als Spezialist für XR-Anwendungen einen vielversprechenden Plattform-Ansatz. Das junge Tech-Unternehmen ist in der Wachstumsphase und will mit seinen Softwareprodukten, die bereits bei Industriekunden in aller Welt im Einsatz sind, im Industrial Metaverse mitmischen, wie CMO Luis Bollinger im Interview erklärt.

INTERVIEW: MARIAN KRÖLL

gen haben wir keine Möglichkeit, zu buffern. Durch die ständige Bewegung von Kopf und Händen müssen immer in Echtzeit Bilder auf die AR- oder VR-Brille gestreamt werden. Streaming hat aber auch einen Sicherheitsaspekt. Viele Unternehmen hatten das Problem, dass die Daten teilweise ungeschützt auf den XR-Geräten gespeichert wurden.

Stichwort Industriespionage? Ja genau. Das ist gerade in den Bereichen Automotive, Aerospace und vor allem Defense besonders kritisch. Bei unserem Streaming liegen die Daten am Server und nach Ende des Streams werden keinerlei Daten auf den Brillen gespeichert. Zudem sind wir mit unserem Ansatz in der Lage, Geräte unterschiedlicher Hersteller zu bespielen. Man ist nicht an einen Typ Endgerät gebunden, sondern es können Menschen mit unterschiedlichen Geräten zusammenarbeiten. Das Streamingkonzept hat eine ganze Reihe von Vorteilen.

Was ist die USP von Holo-Light? Ein Kern unserer USP steckt sicher im Streaming. Dadurch, dass alles in Echtzeit ablaufen muss, mussten wir unglaublich effizient im Hin- und Herschicken von Datenpaketen werden. Uns zeichnet aber unser Gesamtpaket aus. Wir liefern nicht nur eine Technologie, sondern mit XRnow eine gesamte Plattform. Diese bietet Industrieunternehmen die Möglichkeit, ihre AR- und VR-Apps auf eine einzelne Plattform zu bringen und an unterschiedliche Nutzer zu verteilen. Das spart in der Wartung der Applikationen Zeit und Geld. Unser Ansatz,

AR- und VR-Applikationen über einen Metaverse-Ansatz zu skalieren, ist einzigartig.

Als global agierendes Tiroler Unternehmen wissen Sie, dass die Wirtschaft in Tirol von Unternehmen kleinerer und mittlerer Größe gekennzeichnet ist. Gehören diese überhaupt zu Ihrer Zielgrup-

pe? Wir schauen uns immer die Use Cases an, das sind Prozesse, die man durch ihre Digitalisierung verbessern kann, sei es im Ingenieurwesen, im Training oder in der Instandhaltung. Der Einsatz unserer Software lohnt sich bereits ab dem ersten Use Case. Wir haben auch einige Kunden in Tirol, die AR- und VR-Use-Cases haben, und bieten ein Stufenmodell, mit dem man Unternehmen an die Thematik heranführen kann.

Das Metaverse ist zum Buzzword geworden. Sehen Sie das Industrial Metaverse als Revolution oder als evolutiven Prozess? Da ist natürlich viel Naming dabei. Das Metaverse ist trendy, es gibt viele Definitionen und es muss sich erst herauskristallisieren, was es genau bedeutet. Wir versuchen, den Begriff Industrial Metaverse mit Leben zu füllen. Die Use Cases für skalierbare AR- und VR-Anwendungen, die Unternehmen absoluten Mehrwert bringen, besser darzustellen. Wir wollen das Metaverse von der industriellen Seite her beleuchten. Dadurch, dass das Metaverse zum Modebegriff geworden ist, tun wir uns mit Erklärungen leichter, auch wenn da weiterhin Evangelisierungsarbeit zu betreiben ist. AR- und VR-Strategien hat es früher auch schon gegeben, sie sind durch den Metaverse-Begriff nur vermehrt in den Fokus gerückt. Wir müssen es den Leuten einfacher machen, mit der Technologie umzugehen.

Der Laie legt zunächst einmal Wert auf Ästhetik. Ist Fotorealismus das Endgame

in Ihren XR-Produkten? Die Hardware ist unser limitierender Faktor, weil die Transparenz von Hologrammen hardwareseitig bestimmt wird. Softwareseitig können wir das Maximum herausholen, weil uns mehr Rechenleistung zur Verfügung steht. Das ermöglicht es uns schon heute, realistischere und detailliertere Effekte auf Modelle zu legen. Das ist in der Industrie wichtig und später im Konsumentenbereich das A und O. Niemand will einen Rückschritt von 4K UHD zu 720p machen.

Was leistet Ihre Software in der indust-

riellen Produktentwicklung? Mit unserer Ingenieurssoftware AR3S können unsere Kunden eigene Designs in AR visualisieren, um zum Beispiel Montageszenarien zu testen, Trainings zu machen, Design Reviews durchzuführen. Das ist unter anderem bei BMW im Einsatz. Dort spart man sich Zeit in der Bewertung von Designs und Konzepten und kann bis zu zwölf Monate früher Entscheidungen treffen. Das hat großen Einfluss auf die Produktentwicklung und sorgt dafür, dass man schneller zur Marktreife gelangt und Kosten für die Entwicklung von Prototypen spart, weil sich vieles virtuell machen lässt. Die kollaborative Zusammenarbeit in AR und VR sorgt zudem dafür, dass Ingenieure, Lieferanten und Co. Dinge besser besprechen können und dadurch schneller und mit weniger Iterationen zum gewünschten Ergebnis kommen.

Wo liegen Ihre aussichtsreichsten Wachstumsmärkte und -branchen? Aktuell in den USA. Wir haben im Mai in North Carolina einen Standort eröffnet, um näher bei den Kunden zu sein. Unsere größten Kunden arbeiten in den Bereichen Automotive, im Maschinenbau, aber zunehmend auch MedTech. Wir haben auch Aerospace- und Defense-Unternehmen als Kunden, die schon länger mit dem Thema XR unterwegs sind und ihre Use Cases schon kennen. Die USA sind für uns wichtig, aber auch unser Heimmarkt Deutschland und Österreich. Zudem haben wir Kunden aus Südkorea und Japan, China ist perspektivisch einer der größten Märkte. In Asien ist die Kommunikation um einiges schwieriger, weil nicht jeder Englisch spricht und die Übersetzung nicht ganz einfach ist.

Das Unternehmen wurde 2015 gegründet. Darf man noch Start-up sagen?

Die vielleicht bessere Bezeichnung wäre Scale-up, weil wir begonnen haben, das Unternehmen zu skalieren. Was uns aber nach wie vor als Start-up charakterisiert, ist, dass wir mit Venture Capital von Investoren arbeiten. Wir investieren in Wachstum, sind keine Garagentüftler, sondern ein junges Tech-Unternehmen mit professionellen Strukturen.

Wie einfach oder schwierig ist es derzeit, an frisches Wagniskapital zu kom-

men? Diese ganzen Krisen, mit denen wir in Europa derzeit konfrontiert sind, machen es nicht einfacher. Das Wichtigste ist, dass die Zahlen und das Wachstum passen. Man muss beweisen, dass man verstanden hat, wie der Markt funktioniert, und replizierbare Umsätze generieren können und nicht irgendwelche Lucky Shots. Wir stehen gut da und haben gute Zahlen.

HOLO-LIGHT

wurde 2015 von Susanne Haspinger (COO), Florian Haspinger (CEO) und Alex Werlberger (CTO), die in Innsbruck Physik studiert haben, gegründet. Von München kommend hat Luis Bollinger (CMO) das Gründungsteam komplettiert. Das aufstrebende Tech-Unternehmen beschäftigt in Tirol, Bayern und North Carolina heute knapp 70 Mitarbeiter und ist weiterhin auf Expansionskurs.

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