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SCHRÄGE NEUE KUNSTWELTEN
Die Tiroler Künstlerin Astrid Schroffner-Steiner hat sich in die Virtual Reality vorgewagt und ihr 365-Tage-Kunstwerk Benu in die digitale Sphäre transformiert. Das „echte“ Kunstwerk hat sie im Rahmen eines Events verbrannt, das digitale Abbild kann man in limitierter Auflage als NFT erwerben.
TEXT: MARIAN KRÖLL
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Wer annehmen möchte, dass das Hantieren mit sogenannten Non-Fungible Tokens nur etwas für ausgewiesene Nerds sei, der möge sich einmal in der Kunstwelt umsehen. NFTs waren der absolute Hype im vergangenen Jahr, mit der kontraktiven Geldpolitik der Notenbanken ist der erste Enthusiasmus wieder ein wenig abgeflaut. Das ändert nichts daran, dass NFTs einen Paradigmenwechsel darstellen können, der unser Verständnis von digitalem Eigentum nachhaltig verändert.
Mit ihrem Kunstprojekt Benu hat die Tiroler Künstlerin und Psychologin Astrid Schroffner-Steiner einen ersten Gehversuch in der digitalisierten (Kunst-)Welt unternommen und dabei einiges gelernt, das nicht in erster Linie mit Technologie zu tun hat, sondern mit Selbsterkenntnis. „Es ist mir wichtig, zu experimentieren und offen zu sein. Ich entdecke mich in meinen Projekten ja immer wieder neu“, sagt die Künstlerin, die der Einstieg ins Metaverse extrem gefordert hat. „Das war für mich anfangs so neu, so fremd und so wenig greifbar.“
TABULA RASA Benu war ein Bild, ein Kunstprojekt, das die Künstlerin ein ganzes Jahr hindurch begleitet hat. An der Leinwand, die im Jänner 2012 noch völlig unbefleckt gewesen war, hat sich Astrid Schroffner-Steiner abgearbeitet, Schicht für Schicht, vielschichtig wie das Leben selbst. Dementsprechend hat sich das Bild über die Monate hinweg kontinuierlich verändert, mit der Stimmung der Künstlerin ist es einmal bunter und fröhlicher und dann wieder düsterer geworden. Um schließlich, zum Jahresende hin, seine finale Form anzunehmen, die einen dezenten Vogel auf vielfarbigem Grund darstellt. Dazu könnte einem die ein wenig abgegriffene Wendung vom „Phönix aus der Asche“ in den Sinn kommen. So hat Schroffner-Steiner ihr Werk bewusst nicht genannt, sondern Benu. „Schicht über Schicht, Farblasuren über Farblasuren, Schriften über Schriften, Gedanken über Gedanken – alles zusammen ergab dieses Kunstwerk“, beschreibt die Künstlerin die Genese des Werks.
Der Name des Gemäldes verweist schon darauf, wie es mit ihm weitergehen wird. Gemäß der mythischen Erzählung vom Benu lässt sich dieser in Gestalt eines Purpurreihers als erstes Wesen auf dem aus der Flut auftauchenden Land nieder. In der altägpyti-
ZUR PERSON
Mag. Dr. Astrid Schroffner-Steiner hat Psychologie, Philosophie und Sport studiert. Sie ist Künstlerin, Psychologin und Kreativcoach, die ihre vielseitigen Talente symbiotisch miteinander verbindet. Mit ihrem Format „Malzeit“ bietet sie Menschen ein Ventil, um ihre inhärente Kreativität auszuleben und sich dabei selbst weiterzuentwickeln.
schen Stadt Heliopolis baut er sich auf dem Tempel des Sonnengottes ein Nest und verbrennt beim Sonnenaufgang in der Glut der Morgenröte, um aus seiner Asche verjüngt wieder aufzuerstehen und zum Himmel empor zu fliegen. „Als Künstler geht es einem darum, wie man das, was einen bewegt und berührt, zum Ausdruck bringen kann“, sagt Schroffner-Steiner. Die Farbe hat sie sich schon als Kind als erste Ausdrucksform zu eigen gemacht, noch vor der Sprache.
GEGEN DIE SPRACHLOSIGKEIT ANMALEN Vor allem zu Beginn der Coronazeit wird das Malen für die Künstlerin zum Mittel, um mit der Sprachlosigkeit der Isolation, welche die neuen Zustände mit sich bringt, umzugehen. „Aus dieser Sprachlosigkeit folgt bei vielen Menschen die Ohnmacht und die Hilflosigkeit“, spricht die Psychologin in der Künstlerin. Benu war für sie auch ein Instrument, um zu verstehen, warum die Dinge sind, wie sie nun einmal sind, das Unfassbare greifbar zu machen. Parallel dazu sind zwölf kleine Kunstwerke entstanden, die sich jeweils einem Aspekt gewidmet haben. Da ist der Impuls ebenso zu finden wie die Oase, die Verbindung, die Verwandlung, Buntheit, Achtsamkeit, die Maske, das Geschenk und nicht zuletzt die appellativ angelegte Parole „Das Leben tanzen“. Ein Bild gewordenes Wechselbad der Gefühle und Stimmungen. „Farbe macht mit Menschen etwas. Sie bewegt“, sagt Astrid Schroffner-Steiner, die begann, sich im Zuge der Benu-Entstehung so zu kleiden wie die Farben, die momentan die Leinwand dominierten. „Ich habe meine Emotionen über meine Kleidung nach außen getragen.“
Bereits zu diesem Zeitpunkt hat sich das Kunstwerk mit der Performance überschnitten. Folgt man dem Mythos vom Benu, war es folgerichtig, das Werk dem Feuer zu übergeben. Genau das hat Astrid Schroffner-Steiner gemacht, im Rahmen einer Veranstaltung am Baggersee in der Innsbrucker Rossau. Das war eine emotionale Hochschaubahn, auch deshalb, weil in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe der Bruder der Künstlerin eine Gehirnblutung erlitten hatte, von der sich dieser zwischenzeitlich wieder einigermaßen erholt hat. Die Künstlerin hat das einschneidende Ereignis nach anfänglichen Zweifeln auch als Wink des Schicksals interpretiert: „Das Leben fordert mich auf, den Moment zu leben.“ Das Verbrennen ihres Kunstwerks will Schroffner-Steiner auch als klare Botschaft verstanden wissen, dass

ASTRID SCHROFFNER - STEINER
nichts im Leben für immer ist, die Veränderung, oft als Transformation, die einzige Konstante ist. „Das Bild hat sich bei der Verbrennung sehr gewehrt, es gab einen starken Föhnsturm“, erinnert sich die Künstlerin. Das könnte dahingehend interpretiert werden, dass Transformationsprozesse selten einfach sind und oft auf innere Widerstände treffen.
MUTIG IN DIE NEUEN ZEITEN „Ist das eine schräge Welt“, war der erste Eindruck, den Schroffner-Steiner im Kontakt mit NFTs, Blockchain und dem Metaverse im Rahmen eines regelmäßigen Netzwerktreffens unter Wirtschaftstreibenden gemacht hatte. Ihre Neugierde war damit geweckt und mit ihr die Lust, Neuland zu betreten. „Dieses digitale Neuland ermöglicht die Demokratisierung des Kunstmarktes und damit der Kunst“, ist Schroffner-Steiner heute überzeugt. Und es ermöglicht auch eine andere, erweiterte Form des Erlebens von Kunst.
Astrid Schroffner-Steiner hat Benu erfahrbar gemacht, indem sie einen Klangkünstler damit beauftragt hat, das Bild zu vertonen. Zudem wurde es aus der Zweidimensionalität herausgeholt und ist nun als NFT in limitierter Auflage von zwölf Stück in 3D visuell und doch plastisch erlebbar. „Dadurch lässt sich Kunst anders betrachten, ich kann sie nicht nur sehen, sondern auch hören und in einer neuen Dimension erfahren“, so die Psychologin. Das gibt bei der ganzen Sache also auch so etwas wie einen digitalen Mehrwert. Der wird dadurch noch einmal gesteigert, dass das Bild physisch – sieht man von einem Häufchen Asche und verkohlten Teilen des Rahmens ab – nicht mehr existiert. „Das Verbrennen war für mich auch mit dem Loslassen der Vergangenheit verbunden“, erinnert sich Astrid Schroffner-Steiner. Das Bild wurde transformiert, es existiert jetzt nur noch als digitales Abbild, das man mittels NFT als verbrieftes digitales Eigentum erwerben kann.
Es ist zu erwarten, dass Benu nicht der letzte Ausflug Schroffner-Steiners in die neue virtuelle Welt bleiben wird. Feuer fangen werden ihre Kunstwerke allerdings zukünftig eher nicht mehr. „Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es meine Kunst zukünftig als physische und digitale Werke gleichermaßen geben wird“, meint Schroffner-Steiner. Die Virtual Reality ist zweifellos auch eine schräge Welt, aber, so lautet das Urteil Astrid Schroffner-Steiners nach ihren ersten Erfahrungen mit der virtualisierten Kunst, „es ist auch eine spannende Welt.“

INFOS
Weitere Informationen über das Benu sind am Marketplace OpenSea zu finden: https://opensea.io/ kunstraumgarten.