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Der Nachhausebringer: 30 Jahre NachtExpress
from einundzwanzig 4/2019
by Dortmund
Zwölf NachtExpress-Linien starten an der Reinoldikirche in die Vororte und nach Castrop-Rauxel und Brambauer. Fünf weitere verbinden die Vororte untereinander und den Süden mit Schwerte.

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Er ist Nachhausebringer und Clubverbinder, der Nightrider und das Homeshuttle: der NachtExpress. Er bringt den Nachtschwärmer nach der Party genauso nach Hause wie den Frühaufsteher zur ersten Schicht und feiert jetzt seinen 30. Geburtstag.
Halb so lange, nämlich seit 15 Jahren, fährt der Busfahrer Ralf Lillig NachtExpress – und möchte seine »Nachtschicht« nicht missen: „Ich kann ausschlafen, habe einen geregelten Tagesablauf und kann das gut mit der Familie vereinbaren.“ Seine Kollegin Melanie Flechner, die seit drei Jahren zum NachtExpress-Team gehört, stimmt ihm zu: „Ich fange erst nachmittags oder abends an zu arbeiten und kann davor viel erledigen.“
Kein Job für Leute, die gerne früh aufstehen, meint auch Helmut Schürmann, der das aktuell 52-köpfige NE-Team seit 17 Jahren leitet. „Man sollte schon eine Nachteule sein, wenn man Nachtbus fährt. Deshalb habe ich mich damals auch dafür entschieden.“ Die Arbeitszeiten sind regelmäßiger als bei den anderen Kolleginnen und Kollegen, die in Wechselschicht arbeiten. Das Fahren ist abends und nachts ruhiger, weil sich Berufsverkehr und Baustellen nicht so stark bemerkbar machen. Das sind die Vorteile. Und die Nachteile? „Im Winter verpasst man abends ja nichts. Im Sommer ist es manchmal schon hart, abends zu fahren, wenn das Wetter schön ist“, meint Ralf Lillig dazu.
Durchsetzungsvermögen gefragt
Das Team der Nachtbusfahrerinnen und -fahrer von DSW21 ist eine eingeschworene »Truppe«. Sie lenken die Busse, die meistens von der Reinoldikirche sternförmig in die Vororte ausschwärmen und an Wochenenden frühmorgens die letzte Runde drehen. Helmut Schürmann erinnert sich an die Zeit, als der NachtExpress eingeführt wurde: „Für unsere Fahrgäste war es

anfangs nicht selbstverständlich, dass sie im Bus nicht essen und trinken durften. Da flog einem Kollegen auch schon einmal eine Currywurst entgegen.“
Das ist Vergangenheit und Konflikte sind heute die Ausnahme, aber die 46 Männer und sechs Frauen im Team müssen trotzdem starke Persönlichkeiten sein. Denn wenn ein Fahrgast mit Bierflasche einsteigen will oder ein anderer versucht, ohne Ticket mitzufahren, sind bei den Fahrerinnen und Fahrern Durchsetzungsvermögen und eine deutliche und manchmal auch humorvolle Sprache gefragt. „Kaufen oder laufen“, sagt Melanie Flechner dann schon mal zum Thema Tickets. „Saufen gleich laufen“, fasst Ralf Lillig das Thema »zu viel Alkohol« kurz und bündig zusammen. Ein Deeskalationstraining sowie zwei Servicekräfte, die an Wochenenden in jedem Bus mitfahren, sorgen hier für die nötige Sicherheit. Ein gesundes Selbstvertrauen, etwas Fingerspitzengefühl und nicht zuletzt Humor sorgen für den Rest.
Die meisten Fahrgäste sind sehr jung, aber auch die Altersgruppe 40 oder 50 Jahre ist mittlerweile recht stark vertreten. Ein bisschen »angesäuselt« einzusteigen, ist übrigens in Ordnung, meinen Ralf Lillig und Melanie Flechner und ergänzen eine eher grobe Faustregel: „Der Fahrgast muss aber noch laufen können.“ Wer der Putzfrau eine Sonderschicht beschert, weil er seinen Mageninhalt nicht bei sich behalten kann, ist übrigens mit 20 € Reinigungsgebühr dabei. Das gilt schon länger und auch für die oben erwähnte Currywurst. Doch das kommt selten vor, betont Helmut Schürmann: „Wir haben nicht mehr »Theater« als tagsüber. Der typische Gast kommt rein, verhält sich ruhig und will einfach nur nach Hause oder zur Arbeit.“ Wahrscheinlich ist er auch keine Nachteule. Da ist es doch gut, dass seine Fahrerin oder sein Fahrer eine ist.
Dortmund war Pionier
Am ersten Adventswochenende im Jahr 1989, also vor genau 30 Jahren, feierte der NachtExpress Premiere mit sechs Buslinien, die am Wochenende und vor Feiertagen drei Runden drehten. Die Dortmunder Stadtwerke waren damals das erste Unternehmen im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) mit diesem Angebot. Es hatte Modellcharakter für viele weitere Städte. Wegen der großen Resonanz hat DSW21 das Nachtnetz bereits Anfang 1992 auf neun Linien erweitert und 1995 jede Runde von 60 auf 75 Minuten verlängert. Im Oktober 2005 wurde schließlich ein komplett neues Netz gestrickt. Heute starten zwölf Linien um 0.15 Uhr oder 0.45 Uhr von der Reinoldikirche in die Dortmunder Vororte sowie nach Castrop-Rauxel und Brambauer, weitere fünf Linien verbinden die Vororte untereinander und den Dortmunder Süden mit Schwerte. Einmal pro Nacht geht es an jedem Wochentag rund, an Wochenenden und vor Feiertagen drehen die Busse bis zu sieben Runden bis in die frühen Morgenstunden. Der NachtExpress schließt damit eine wichtige Lücke im Bus- und Bahn-Angebot und bringt neben den Partygängern auch den einen oder anderen Schichtarbeiter zur Arbeit. Eine runde Sache, finden die Dortmunderinnen und Dortmunder: Etwa 500.000 von ihnen nutzen jährlich das NachtExpress-Angebot.