Kölner Straßenzeitung Draussenseiter 2/2022: Sammeln

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30. Jahrgang | Nr. 227 | Februar 2022

R E T I E S N E S s U A DR

Foto: Christina Bacher

Z A G A M N E S S A STR DA S K Ö L N E R

Sammeln

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Wir beraten Privatkunden, Freiberufler und Gewerbetreibende. Wir beraten Unternehmen, Verbände und gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen.

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so die Aufräumexpertin Unmani Kuchinsky, gehört zur evolutionären Grundausstattung des Menschen, die unserer

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Spezies zeitweise das Überleben gesichert hat. Wenn das Horten jedoch pathologisch wird, ist Hilfe vonnöten. Wir haben mit der Sozialpädagogin aus Köln darüber gesprochen, warum die Wohnung oft als Spiegel der eigenen

Besonders freut es uns, dass uns so viele Menschen zum

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Foto: pxfuel.com

Vorwort

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30. Jubiläum gratulieren. Als BANK EXPRESS im Juni

Themenschwerpunkt Sammeln

1992 auf dem Gräberfeld für Obdachlose gegründet, wurde

Interview mit Aufräumexpertin Unmani Kuchinsky ...... 4-10 Doppelleben auf Pizzakartons .................................. 6-7 Autogramme statt Strüssjer ......................................... 8 Wortesammeln ........................................................ 11

das Kölner Straßenmagazin später in DRAUSSENSEITER umbenannt. Die Ausstattung ist seitdem ansprechender geworden, die Inhalte drehen sich jedoch immer noch um Themen wie Ausgrenzung, Armut, Obdachlosigkeit und Menschen am Rande der Gesellschaft. Immer hinter dem Straßenmagazin standen nicht nur der Verein OASE – Benedikt Labre e.V. und eine engagierte, treue Leserschaft, sondern vor allem die Straßenzeitungsverkäufer*innen. Allen kann man nicht genug danken.

Theaterperformance „Knock Out“ gastierte in der JVA Köln-Ossendorf

Waschen ist Würde – Der mobile Duschbus

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Buchtipps ............................................................... 20 Cartoon | Kolumne Aus der OASE

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Abonnement | Impressum Christina Bacher

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30 Jahre Draussenseiter/BANK EXPRESS – Ein Rückblick .. 14-15 Literarisches

Gute Lektüre und bleiben Sie gesund!

Kulturtipp | Vorschau Service: Adressen

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Öffnungszeiten: OASE e.V. Kontakt- und Beratungsstelle Foto: Simon Veith

Foto: Privat

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Not wenden kann.

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haRaLd van Bonn, moderator bei Loss meR singe

Ein kleiner, zerknüllter Zettel im Ummendorfer Park hat das Leben von Ingrid Bahß auf den Kopf gestellt: Als sie ihn auseinanderfaltete, war sofort klar, dass es sich dabei um das Kunstprojekt einer passionierten Wortesammlerin handelte. Seitdem tut Ingrid Bahß es ihr nach. Seite 11.

Befindlichkeit herhalten muss und an wen man sich in der

dRaUssenseiTeR-UnTeRsTÜTzeR-sTaTemenT #2

Ich unterstütze das Straßenmagazin DRAUSSENSEITER, weil man darin lesen kann, was in anderen Zeitungen nicht steht – was aber lohnt, erzählt zu werden. Danke für 30 Jahre tolle Berichte, neue Blickwinkel und die Hilfe zur Selbsthilfe für die Verkäufer*innen!

Man kann davon ausgehen, dass es in Köln rund 18.000 Messie-Haushalte gibt. Die Sozialpädagogin Unmani Kuchinsky kennt einige von ihnen persönlich, denn ihr Einsatzgebiet als professionelle Aufräumexpertin erstreckt sich von der zugemüllten Einzimmerwohnung bis hin zur mit unzähligen Dingen überfüllten Luxusvilla. Seite 4.

Montag und Freitag: 9.00 – 13.00 Uhr Dienstag und Donnerstag: 9.00 – 16.00 Uhr Mittwoch: nach Terminvereinbarung 3


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sammeLLeidenschafT InTErVIEW: CHrISTInA BACHEr

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RAUSSENSEITER: Wir reden in unserer aktuellen Ausgabe viel von Sammelleidenschaft und dem Horten von schönen Dingen. Dagegen ist doch eigentlich nichts einzuwenden, oder? Unmani Kuchinsky: Erstmal gehört das Sammeln zu unserer evolutionären Grundausstattung, ohne diese hätten wir als Gattung wohl nicht überlebt. Was in prähistorischer Zeit das Sammeln von Beeren, Wildfrüchten, Kräutern usw. war und dem Überleben diente, hat sich in unserer modernen Zeit völlig verschoben: Wir sammeln alles, angefangen bei Briefmarken, Fotos, Zeitungsausschnitten bis hin zu Autos, aber auch Zitate, wertvolle Bilder, Antiquitäten, Taschen, Uhren, Schuhe, Kleidung usw. Das ist also tief in uns angelegt und macht uns heute Freude. Wir sind stolz auf unser „Sammlerstück“. Und i.d.R. kümmern wir uns auch um unsere Sammlungen, reinigen und putzen sie, stellen sie in Vitrinen aus oder in Regalen. Wir bezeugen dadurch unseren Status und auch die eventuell vorhandene finanzielle Absicherungen, wie bei Uhren, Schmuck oder Autos.

endLich maL oRdnUng ins LeBen BRingen?

Foto: pixabay.com/Grafik: Lange

Als professionelle Aufräumexpertin hilft Unmani Kuchinsky u.a. Menschen, die pathologisch Dinge horten, wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen. Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich von der zugemüllten Einzimmerwohnung bis hin zur Luxusvilla. Man kann davon ausgehen, dass es in Köln rund 18.000 Messie-Haushalte gibt – sicher mit hoher Dunkelziffer. Deshalb plädiert die gelernte Sozialpädagogin aus Köln – wie viele ihrer Kolleg*innen – dafür, im urbanen Raum einen speziellen Fachdienst einzurichten, der diesem Problem Abhilfe schaffen kann.

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DRAUSSENSEITER: Und dann wird irgendwann der Platz im Haus oder in der Wohnung zu knapp ... was dann? Unmani Kuchinsky: Wir unterscheiden zwischen systematischem und unsystematischem Sammeln. Der erste Typus sammelt selektiv. Ziel ist es, Ordnung zu schaffen, weniger kann mehr sein. Der zweite Typus sammelt nach dem Motto: „je mehr, desto besser“. Auch wenn dieser keine große Motivation zur Kategorisierung hat (z.B. volle Schublade mit Kram), kann dieser – wenn er sich aufrafft – dennoch irgendwann entscheiden, was wegkann und nicht mehr gebraucht wird. Ich unterscheide im unsystematischen Sammeln die Kategorien: leichter Überbesitz, mittelschwerer Überbesitz und schwerer Überbesitz. Das macht aber noch keinen Messie

aus, auch wenn es beim schweren Überbesitz so anmuten mag. DRAUSSENSEITER: Wo kippt das Sammeln und wird zum „Messietum“, also zum ernsthaften Problem? Unmani Kuchinsky: Um zu verstehen, wie das Ganze nun kippen kann, muss ich an dieser Stelle etwas ausführlicher werden: Beim Messie-Syndrom sprechen wir von drei Erkrankungsformen: 1. Vermüllung, 2. Verwahrlosung, 3. pathologisches Horten. Bei dem Vermüllungs-Syndrom liegen bei dem*der Betroffenen immer eine oder mehrere psychische Erkrankungen vor (z. B. Schizophrenie, Wahnvorstellungen, Psychosen, Demenz, Suchterkrankungen). In der Wohnung liegt immer ein Herd mit Nassmüll, versteckt unter einer enormen Ansammlung von nutzlosen Gegenständen. Es beginnt grauenhaft zu stinken, langsam ziehen neben dem Schimmel Parasiten und Schädlinge ein. Im Allgemeinen werden bei dem*der Betroffenen durch die diversen Erkrankungsbilder keine Schamgefühle über diese Zustände gezeigt. Die psychische Erkrankung ist oft so weit fortgeschritten, dass diese*r nur wenig gesunden Bezug zu seiner Umwelt hat und hilflos im verdreckten Chaos ihrer*seiner Wohnung versinkt. Beim Verwahrlosungs-Syndrom geht es dann noch eine Stufe tiefer in die Abspaltung vom Leben: Zu der Vermüllung des eigenen Lebensraumes kommt noch eine extreme Vernachlässigung der Körperpflege hinzu. Menschen, deren Wohnungen stark vermüllt sind und die auch extreme Körperverwahrlosung zeigen, geben indirekt an, wie stark sie traumatisiert und verletzt worden sind. So schaffen sie sich ihre eigene Abgrenzung zur Außenwelt. Ganz anders liegt beim pathologischen Horten oftmals kein psychiatrisches Erkrankungsbild vor. Die

»eine große erschöpfung ist gerade bei frauen zu verzeichnen, die den ganzen mental Load, wie Beruf, haushalt und Kinder, wuppen müssen. dass es dann in einer solchen Wohnung nicht wie bei „schöner Wohnen“ aussehen kann, versteht sich von selbst.«

Unmani Kuchinsky Foto: Privat

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chRisTiane RaTh: doppeLLeBen aUf pizzaKaRTons Unsere Autorin Christiane Rath hat sich über viele Jahre gut mit der Frau im Copyshop verstanden. Immer hatten die beiden Frauen nette Worte füreinander übrig. Doch eines Tages arbeitete die überaus zuverlässige Frau nicht mehr in dem Laden und unsere Autorin machte sich auf die Suche nach ihr. Die beiden verabredeten sich in einem Café und Ute R. sprach zum ersten Mal darüber, dass ihre Wohnung so zugemüllt sei, dass sie nicht mal mehr zum Herd komme. Sie wusste, dass sie es ohne Hilfe nicht alleine aus dem Chaos schaffen würde …

Foto: pixabay.com/Grafik: Lange

eine eRsTe BegegnUng Jahrelang kannten wir uns schon. Sie stand auf der anderen Seite der Ladentheke, eine junge, blonde, schlanke Frau. Burschikos, aber freundlich. Ich war ihre Stammkundin. Sie hat meine Kinder aufwachsen sehen. Wir sprachen immer ein paar private Worte, mit den Jahren wurde es mehr und mehr. Manchmal hatte sie verweinte Augen. Ich erfuhr auf vorsichtiges Fragen, dass sie in ihrem Job gemobbt wurde. Dass es ihr manchmal zu viel war, ihr Chef unberechenbar und cholerisch. Ich spürte, dass sie allein lebte, vielleicht einsam war. Eines Tages war sie nicht mehr da. Ich erkundigte mich und erfuhr, dass sie nicht mehr dort arbeitete. Wegrationalisiert, ausgemustert. Ich begann sie zu suchen und wurde fündig. Wir verabredeten uns in einem Café, um uns wenigstens nochmal zu sehen.

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im cafÉ Sie kommt pünktlich und ist gut gelaunt. Ich habe ihr als kleines Geschenk ein Töpfchen mit Basilikum mitgebracht. „Statt Blumen“, erkläre ich Foto: Christiane Rath und bemerke ihren irritierten Blick. Wir bestellen Milchkaffee und fangen an zu plaudern. Das Gespräch läuft ein bisschen holprig, denn so gut kennen wir uns noch nicht. Sie betrachtet das Basilikumtöpfchen und murmelt leise: „Kochen kann ich ja nicht mehr.“ Ich verstehe nicht und scherze: „Wieso, jetzt hast du doch jede Menge Zeit?“ Sie schaut mich an wie von ganz weit her und antwortet todernst: „Ich komme ja nicht mehr an meinen Herd.“ In diesem Moment verstehe ich, dass sie mir etwas erzählen will. Ich sage nichts und warte. Und die gleiche Frau, die immer zuverlässig, korrekt, ordentlich und geradezu pedantisch ihren Job erledigt hat, beginnt ihre Geschichte. Ihre Wohnung sei einfach zu klein. Sie will ja aufräumen. Aber da ist kein Platz. Die Pizzakartons zum Beispiel. Die sind doch viel zu schade zum Wegwerfen. Und weil die nicht mehr alle vor ihrem Bett stehen können, hat sie sie jetzt einfach auch in ihrem Bett an die Seite gestapelt. Jetzt hat sie nur noch eine kleine Betthälfte, aber das geht. Und die ganzen schönen Zeitschriften. Die kann man ja immer nochmal lesen. Sie passen ganz gut ins Badezimmer. Das Problem ist der Flur. Da steht ja schon das Fahrrad. Das müsste mal repariert werden, aber es ist kein Platz. Drumherum warten ja all die Kartons mit den Sachen, die sie sich bestellt hat. Die sie aber nicht auspacken kann, weil sie keine Regale hat. Vor ein paar Jahren, da war einmal ihr Lieblingskollege da und hat sich umgeguckt und gesagt: „Schöne Wohnung, aber das ist ja klar, dass du nicht aufräumen kannst.

Du hast zu wenig Stauraum.“ Der hat das verstanden. Und deshalb mag sie ihn. In der Küche geht auch nichts mehr. Darum ist ja auch der Herd voll und man kann nicht mehr kochen. Sie liebt Sammeltassen. Und schöne Gläser. Und Vasen. Sie hat noch ganz viele bestellt, aber sie hat keinen Platz zum Auspacken. Deswegen stehen eine Menge Kartons im Bad. Und weil der Wäscheständer in die Wanne muss, kann sie auch schon lange nicht mehr baden. Ans Waschbecken kommt sie gerade noch. Aber eigentlich kann das so nicht mehr weitergehen. Einmal musste sie Handwerker in die Wohnung lassen. Für die hat sie richtig einen Weg freigeräumt, damit die in der Küche etwas reparieren konnten. Die hat sie dann angefleht, nichts dem Vermieter zu erzählen, damit er ihr nicht kündigt. Man hat ja schon gehört, dass manche Wohnungen das zusätzliche Gewicht dieser ganzen Sachen nicht aushalten. Seitdem war niemand mehr bei ihr. Aber jetzt will sie das alles endlich angehen. Deshalb erzählt sie mir auch davon. Weil sie es nicht mehr geheim halten will. Sie ist Messie, und seit ihr Vater vor drei Jahren gestorben ist, ist das alles noch viel schlimmer geworden. Sie vermisst ihn so. Immer ein Papakind gewesen. Und jetzt ist sie ganz allein. die TagesKLiniK Sie hat einen Platz in einer Tagesklinik bekommen. Da wird ihr jetzt geholfen. Die Therapie soll drei Monate dauern. Ich darf sie besuchen. Doch dazu kommt es nie. In den ersten beiden Wochen ist sie glücklich, sie schreibt mir, dass sie wieder gemalt hat und Musik gemacht und endlich mal in Ruhe gelesen. Die schönen, hellen und fast leeren Räume, sie fühlt sich wohl in der ungewohnten Ordnung. Sie kann wieder atmen. Doch dann verlangt der Therapeut von ihr, erste Schritte umzusetzen. Sie soll in ihrem Badezimmer beginnen, dem kleinsten Raum, nur ein erster kleiner Schritt. Überschaubar. Müll wegbringen, Gegenstände reduzieren, Badewanne leeren, aufräumen. Doch das geht ja nicht, denn dazu braucht sie das Regal auf den kleinen, praktischen Rollen, das sie sich extra bestellt hatte. Das ist auch gekommen, irgendwo muss es sein. Aber sie kann nicht dran und es nicht auspacken, denn zum Zusammenschrauben braucht man auch Platz. Also kann sie leider nichts machen. Nichts geht. Man kann nirgendwo anfangen, weil immer etwas im Weg steht. Weil es immer etwas gibt, das noch vorher erledigt werden muss. Was aber auch nicht geht. Ich biete ihr nochmal meine praktische Hilfe an. Ich könnte mit meinem VW-Bus kommen und Sachen zur Müllkippe fahren, nur die Pizzakartons, jederzeit. Aber sie will das nicht. Sie braucht noch Zeit. Dann wird es ganz still. Ich frage noch einige Male per WhatsApp, wie es ihr jetzt geht. Aber ich höre nie mehr etwas von ihr. Was tun, wenn man einen Messie kennenlernt und das Gefühl hat, er oder sie braucht Hilfe? Die Plattform Wikihow hat hierzu eine Reihe von Anregungen zusammengestellt:  https://de.wikihow.com/Einem-Messie-helfen

Entstehung dieses Messie-Syndroms hat ihre Ursache in der frühen Biografie, kann aber auch durch Unfall, Krankheit oder Todesfall ausgelöst werden. In der Wohnung riecht es nicht. Die vielen Ideen und Interessen, Erinnerungen sowie Pläne und Lebenswünsche im Leben des*der Betroffenen, die u.a. durch ein „frühes Gezwungensein“ in der Kindheit, Überbehütung oder emotionale Vernachlässigung entstehen können, stapeln sich in der Wohnung. Eine volle Wohnung kann helfen, diesen ganzen Schmerz aus der Kindheit zu verdrängen. Zwanghaft oder pathologisch zu horten, ist eine Strategie zur eigenen Psychohygiene. Wo andere Menschen bei Traumata z.B. in Suchterkrankungen (Essstörung, Alkohol) fliehen, um den Schmerz zu betäuben, bauen Messie-Betroffene mit pathologischem Horten (Wertbeimessungsstörung) ihre Wohnung als Schutzwall zu. DRAUSSENSEITER: Eltern von Teenagern kennen das: Im Zimmer ihrer Kinder liegen überall Kleidungsstücke auf dem Boden, Bananenschalen, Papier und Sonstiges. Es scheint in dem Alter fast „normal“ zu sein, keine Ordnung zu halten. Welche Funktion hat diese (Un-)Ordnung? Und warum hat man als Erwachsener dann doch eher das Bedürfnis, aufzuräumen? Unmani Kuchinsky: Ordnung und Teenager sind oft eine schwierige Liebe. In dieser Zeit baut sich das jugendliche Gehirn noch komplett um. Das Kapitel „Aufräumen“ ist auf der „Festplatte“ noch nicht vorhanden und das Zimmer riecht nach Biberbau. Der Boden ist übersät von Kleidungsstücken, Haargummis und schmutzigem Geschirr. Kein tolles Kästchen oder stylischer Wäschesack vermag es, auch nur die kleinste Motivation beim Heranwachsenden auszulösen. Stellen Sie sich nun Folgendes vor: Sie bekommen einen Anruf, dass Ihr Auto vor Ihrem Haus in Flammen steht. Was machen Sie? Sie rennen nach draußen, schauen nach und rufen die Feuerwehr. Was Sie nicht tun: noch schnell das Bett machen und das Klo putzen. Warum auch? Bei den Teenagern ist das ähnlich: Ihr gesamtes Leben besteht in dieser schwierigen Zeit aus Anrufen, dass etwas „brennt“. Der Teenie geht in die Schule? Da muss das Outfit stimmen, das richtige Make-up her, die Sneaker für den Sportunterricht eingepackt, die Ohrstöpsel, das Handy vom Ladegerät genommen und und und … Das Teeniezimmer ist ein Symptom für die Komplexität ihres Lebens. Die meisten Jugendlichen verbringen ihre ganze Energie damit, eine Vielzahl von Belastungen (wie z.B. Liebeskummer) und volle Zeitpläne (z.B. Schulaufgaben, soziale 7


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»für Köln gibt es rund 18.000 messie-haushalte, da macht es sinn, mehrere fachdienste für diese große stadt zu implementieren. das ist derzeit aber zukunftsmusik und wir stecken mit dem Thema noch in den Kinderschuhen.«

Foto: pixabay.com/Grafik: Lange

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s gibt Leute, die sammeln Knöpfe, Glanzbildchen oder Kugelschreiber aus aller Welt. Das ist alles nicht so meins. Ich habe es sowieso nicht so mit materiellen Dingen. Ich hänge eigentlich an keinem Gegenstand, den ich habe. Okay, wenn mein Bonanzarad weg wäre, das fände ich schon traurig. Das verleihe ich nur an Engel. Aber Dinge sammeln? Eine Sammelleidenschaft allerdings habe ich. Jeden Rosenmontag gehe ich zum Ende des Zugwegs. Dadurch verpasse ich zwar den Anfang des Zuges, aber deswegen bin ich auch gar nicht da. Wenn der Zug vorbei ist, gehe ich zum Prinzenwagen. Dort stehen immer dieselben drei Leute: ein Mensch, der ein Buch schreibt; ein Mensch, der ein Selfie haben will; und ich. Also, es stehen immer auch andere Menschen da, aber wir drei stehen Jahr für Jahr da. Wir wissen unsere Namen nicht, aber wir freuen uns, wenn wir uns sehen. Wir begrüßen uns wie alte Freunde, wissen aber fast nichts voneinander. Ich gehe zu den Fahrern der Prinzengarde und frage sie, ob sie Autogrammkarten dabeihaben. Die bekomme ich dann. Diese Karten verteile ich an meine beiden unbekannten Freunde und an die Leute, die sonst noch da stehen, und wir holen uns ein Autogramm von Bauer und Jungfrau. Ich habe immer

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mehrere Stifte dabei und weiße Blätter. An einem Jahr gab es nämlich keine Autogrammkarten. Und versuchen Sie mal, nach dem Rosenmontagszug (in Köln quasi ein Feiertag) ein weißes Blatt zu organisieren! Jetzt geht’s zum Prinzen. Entweder rufen wir, bis er runterkommt, oder wir warten einfach. Der Prinz ist meistens völlig fertig. Ich glaube auch, dass er deshalb so lange oben auf dem Wagen bleibt, weil er nach dem Rosenmontagszug erst mal checkt, ob es wirklich vorbei ist. Einmal ist der Prinz zusammengebrochen und wurde wegtragen, da stand ich da etwas konsterniert mit meiner Autogrammkarte. Vor einigen Jahre haben wir den Wagen des Prinzen kurz vor Karneval am Rheinufer gesehen. Mein Mann hat beschleunigt, an der nächsten roten Ampel haben wir den Prinzen überholt. Ich habe das Fenster geöffnet und ihm zugewunken, er hat aus dem Fenster geschaut. Ich habe ihm gesagt, er solle bitte an Rosenmontag die Autogrammkarten nicht vergessen, weil ich dann ein Autogramm von ihm haben wolle. Mann, hat der sich gefreut. Wie ein kleiner Junge. Er hat Wort gehalten und hatte tatsächlich nach dem Rosenmontagszug selbst Autogrammkarten dabei. Manchmal gibt es doch erwachsene Männer.

Foto: Von Grap, CCC wikimedia.org/Grafik: Lange

miRiJam gÜnTeR: aUTogRamme sTaTT sTRÜssJeR

Belange, Aktivitäten) durchzustehen, wobei der Zustand des Zimmers einer ihrer geringsten Sorgen ist. Wenn man das als Eltern versteht, wird sich in dieser Angelegenheit einiges entspannen. DRAUSSENSEITER: Aber auch nicht alle Erwachsenen bekommen es hin, in ihrer Wohnung Ordnung zu halten. Man geht heute von ca. 3 Millionen Messie-Haushalten in Deutschland aus, Tendenz steigend. Wer ist davon besonders betroffen? Unmani Kuchinsky: Ja, auch viele Erwachsene leiden unter dem Overload ihrer Dinge und genau wie die Teenager an der zunehmenden Komplexität. Eine große Erschöpfung ist gerade bei Frauen zu verzeichnen, die den ganzen Mental Load, wie Beruf, Haushalt und Kinder, wuppen müssen. Dass es dann in einer solchen Wohnung nicht wie bei „Schöner Wohnen“ aussehen kann, versteht sich von selbst. Da wir zu viele Dinge haben, kommt man mit dem Aufräumen oft nicht hinterher, entweder fehlt es an Stauraum oder es ist sogar zu viel Stauraum da. Da komme ich ins Spiel und sortiere und strukturiere gemeinsam mit dem*der Kund*in. Nicht von ungefähr gibt es den Trend zum Minimalismus. Weg mit all dem Zeug, her mit der Leichtigkeit und Nachhaltigkeit.

DRAUSSENSEITER: Und wer kümmert sich denn um die Messie-Erkrankten? Gibt es da eine Fürsorge von der Kommune, dem Land, oder wendet man sich lieber an die Stadt? Unmani Kuchinsky: Bei den Messie-Erkrankten braucht es ganz andere Strategien. Man wendet sich bei dem Vermüllungs- und Verwahrlosungs-Syndrom an das jeweilige Sozialamt der Stadt. Dieses hat i.d.R. einen speziellen Fachdienst, der leider schwierig zu finden ist. Für Köln ist es der sogenannte ResoDienst und zu finden unter dem Stichwort „Prävention von Obdachlosigkeit“. Die betroffenen Messie-Erkrankten finden da allein gar nicht hin und es benötigt viele aufmerksame Menschen, wie Angehörige, Seniorenbetreuer*innen, Betreuer*innen vom ambulant betreuten Wohnen, gesetzliche Betreuung, Krankenschwestern vom Pflegedienst usw., die mit ins Boot geholt werden müssen und die den Weg zum Fachdienst mit anstoßen und begleiten. DRAUSSENSEITER: Und diesen Dienst kann jede*r Betroffene in Anspruch nehmen? Unmani Kuchinsky: Für die Betroffenen mit pathologischem Horten ist dieser Dienst so nicht verfügbar, denn es muss eine finanzielle Bedürftigkeit vorliegen. Viele Messie-Erkrankte mit pathologischem Horten haben hochangesehene Berufe, wie Schuldirektor*in, Museumsleiter*in, Lehrer*in. Die Scham, sich Hilfe zu holen, ist zudem sehr groß und wenn, dann darf diese nur unter größter Diskretion vonstattengehen. Für 2022 ist geplant, sofern es Corona zulässt, dass dieses pathologische Horten (auch Wertbeimessungsstörung genannt) nun endlich in den ICD11 Einzug hält und als eigenständige Erkrankung gilt. Veronika Schröter, Deutschlands führende Messie-Therapeutin in Stuttgart, hat zusammen mit der Universität Freiburg maßgeblich dazu beigetragen. Das bedeutet, dass die Krankenkassen künftig die Kostenträger 9


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Foto: unsplash.com/Grafik: Lange

ingRid Bahss: die WoRTesammLeRin

sein werden. Dazu müssten bundesweit Ärzt*innen, Ämter, Psycholog*innen und Therapeut*innen zu diesem Thema weitergebildet werden. In der Regel dauern solche Prozesse ca. 10-15 Jahre, bis sie im politischen und gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen sind. Solange sind diese Menschen mit pathologischem Horten Selbstzahler und ich versuche als ausgebildete Messie-Fachkraft mit viel Herz und Geduld, Wohnraumarbeit zu leisten. DRAUSSENSEITER: Was ist also dran an dem Spruch: Wie deine Wohnung aussieht, so sieht es in dir aus? Unmani Kuchinsky: Da ist was dran. Die Wohnung als Spiegel der eigenen Befindlichkeit. Wenn man nach Lektüre dieses Beitrages für das Thema Messie-Erkrankung sensibilisiert ist, kann man nun sehen, dass es sich hier nicht um ein Aufräumproblem handelt, sondern um weit mehr. Wenn man tiefer schaut, ahnt man, wie sehr ein solcher Messie-Betroffener als Mensch leiden muss. DRAUSSENSEITER: Nicht allen „Messies“ ist damit geholfen, dass man sie von einem Tag zum anderen von ihrem Müll befreit. Es passiert nicht selten, dass ein Mensch sogar verstirbt, nachdem man ihm sein (oft ja wertloses) Hab und Gut reduziert hat. So, als habe das Ansammeln von Dingen eine Schutzfunktion? Unmani Kuchinsky: Richtig. Gerade beim Vermüllungs- und Verwahrlosungs-Syndrom geschieht es oft, dass die Wohnung innerhalb von wenigen Jahren wieder genauso zugemüllt ist wie vorher. Je nach Grad der Traumatisierung kann tatsächlich jemand daran versterben, bei dem gerade der Fachdienst tätig ist. Aber gerade bei Messie-Erkrankten mit patholo10

gischem Horten hat das Ansammeln von Dingen die größte Schutzfunktion. Die Dinge bezeugen sozusagen die eigene Existenz und nimmt man ihnen diese weg, weil man ein Aufräumkonzept verfolgt, dann kann das zum Zusammenbruch führen. Viele Angehörige, die helfen wollen („Räum doch mal ein bisschen auf, ich will dir doch nur helfen“), stehen oft hilflos und wütend daneben, weil sie die Dimension dieser Erkrankung gar nicht auf dem Schirm haben. Woher denn auch? Diese Erkrankung sollte auf jeden Fall psychotherapeutisch flankiert werden, sofern der*die Betroffene es will und zulässt. Auch die Angehörigen und auch Vermieter*innen, die um ihre Bausubstanz bangen, brauchen Gehör. Dazu benötigt es in Zukunft ordentliche Fachdienste, an die sich jede*r Betroffene (Messie-Erkrankte, Angehörige, Vermieter*innen, Therapeut*innen usw.) wenden kann. DRAUSSENSEITER: Beruflich haben Sie ja weniger mit dieser Zielgruppe zu tun, Sie arbeiten selbständig bei Ordnungsservice. com. Man kann Sie also in Köln und Umgebung beauftragen, wenn man selbst zu Hause nicht weiterkommt. Wie darf man sich Ihre Arbeit vorstellen und mit welchen Menschen arbeiten Sie? Unmani Kuchinsky: Als Aufräum-Expertin räume ich sowohl für Menschen mit ganz normalen Aufräumproblemen als auch für Messie-Erkrankte mit pathologischem Horten auf. Etwa 5 Prozent meiner Kund*innen suchen mich wegen des pathologischen Hortens auf. Sie rufen mich an und ich spreche mit ihnen im Vorfeld, wo genau der Schuh drückt. Bereits da erfahre ich, ob es sich um einen Messie-Haushalt handelt oder nicht. Bei einem Mes-

sie-Erkrankten mit pathologischem Horten habe ich komplett andere Ansätze, was Zeit und Methode betrifft. Ich verstehe mich als ergänzendes Angebot zum Sozialamt, welches nur das Vermüllungs- und Verwahrlosungs-Syndrom behandelt. Voraussetzung für eine Wohnraumarbeit beim pathologischen Horten ist eine psychotherapeutische Anbindung des*der Kund*in. Des Weiteren biete ich gegen Vorkasse die Möglichkeit einer telefonischen Beratung für Angehörige oder Vermieter*innen. Förderlich ist auch die Anbindung an eine Selbsthilfegruppe. DRAUSSENSEITER: Wie viel Zeit muss man denn da so veranschlagen, wenn man ein „normales“ Aufräumproblem hat? Unmani Kuchinsky: Für alle meine Kund*innen mit normalen Aufräumproblemen komme ich immer für 5 Stunden, wenn gewünscht auch etwas länger. Die Arbeit ist sehr persönlich ausgerichtet. Ich arbeite mit viel Herz und Humor und packe mit an. Am Anfang steht immer das Aussortieren und Reduzieren, erst dann geht es zum nächsten Schritt, die neue Grundordnung. Das macht richtig Spaß und es entsteht immer eine Win-win-Situation. Als Sozialpädagogin und Aufräumexpertin arbeite ich in einer spannenden Schnittstelle – von Messie-Wohnung bis Luxusvilla. DRAUSSENSEITER: Herzlichen Dank für das Gespräch.

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www.wohnberatung-kreativ.de www.messiehilfe-koeln.de www.ordnungsservice.com www.veronika-schroeter.de

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s gibt ein kleines Dorf mit dem lustigen Namen Ummendorf. Dort steht ein alter Pavillon wie vergessen in einem verwilderten Park. 1980 flanierten Familien mit wilden Kindern, die zur Ruhe ermahnt wurden, zwischen den alten Bäumen. Man kam nicht umhin, sich auf den streng angelegten Wegen zwischen alten ehrwürdigen Bäumen würdig zu bewegen. Und auch ein alter Herr spazierte mit einem Hund, den er Hermann nannte, im Park. Auch ich gehörte einmal zu den sonntäglichen Gästen im Ummendorfer Park. Es war mein erster Besuch, sozusagen eine Premiere. Der Pavillon hatte es mir sofort mit seiner Schönheit angetan. Die Tür stand offen, ich betrat den Pavillon. Auf dem Boden war geknülltes Papier verstreut, was so gar nicht zur Ordnung im Park passen wollte. Ein Stuhl lud zum Setzen ein. Dann entdeckte ich ein handgeschriebenes Schild „Wortesammlung Johanna Bartl – Entkleiden der Papiere erwünscht.“ Hmmm … Ich setzte mich, hob einen Zettel auf, entfaltete ihn. „Blecheimer“ stand da. Ich kam ins Sinnieren und Erinnern. Plötzlich fielen mir diese und jene Erlebnisse ein, in denen Blecheimer eine Rolle gespielt hatten. Außerdem gefiel mir der Klang des Wortes und ich sprach es in Gedanken noch einmal aus, um dem Klang hinterherzuhorchen. Und plötzlich war mir klar, dass ich seit meinen Kindertagen dem Klang, der Melodie von Worten gelauscht hatte und dass ich schon damals einen großen Gefallen daran haben konnte. Und nun hatte ich das Kunstobjekt einer Wortesammlerin gefunden. Mit Aufforderungscharakter. Ich war auf eine Spur gesetzt, die auf mich gewartet zu haben schien. Innerhalb von Wimpernschlägen wusste ich, dass ich dieser zauberhaften Idee, Worte zu sammeln, folgen werde. Kurze Zeit später ergab sich eine persönliche Begegnung mit Johanna Bartl. Und natürlich haben wir über ihre Leidenschaft gesprochen. Es dauerte nicht lange, bis auch ich mich in das Wortesammeln stürzte. Nicht irgendwelche Worte sollten das sein. Die Worte sollten mich „erwischen“. Sie sollten auf mich zukommen, mich berühren, mich erinnern. Und auf alle Fälle sollten meine Worte ein Zuhause in einem schönen Heft oder Buch finden. Es war mir außerdem schnell klar, dass sie dort mit einem Füller, einem Bleistift oder einem anderen feinen Stift festgehalten werden sollten. Die Worte kamen mir in der folgenden Zeit regelrecht zugeflogen. Es gab etwas Gemeinsames: Meine Worte hatten eine Melodie, die etwas in mir zum Klingen brachte, mich anrührten. Worte, dahergeflogen von irgendwo. „Kaufladen“ war das erste Wort, das mich erwischte. Das passierte am Tag, nachdem ich Johanna Bartls Wortepavillon entdeckt hatte. Es geschah mir so: Ich fuhr mit dem Fahrrad von Räbel nach Werben. (Wer kennt schon das kleine Altmarkstädtchen Werben mit seinem mini-kleinen Ortsteil Räbel. Beides an der Elbe gelegen, eingebettet in meine Lieblingslandschaft – flach und weit …)

Genau in der Mitte zwischen R. und W. stehen zwei alte hohe Pappeln, die ich seit meiner Kindheit kenne. Und genau an dieser Stelle steht ein einsames Haus. Haus und Straße werden durch einen Straßengraben getrennt. Und an ebendiesem Straßengraben stand eine alte Frau, die mir wohl schon einige Male in Werben über den Weg gelaufen war. Aber da war ich mir nicht sicher. Wie sie sich da bückte und Löwenzahn pflückte… Ich zettelte ein Gespräch an. Und wir kamen ins Erzählen. Ich erfuhr, dass ich Frau Lübbe vor mir habe, die im einsamen Haus lebt. Und dann fragte ich sie, wo sie denn einkaufen geht. Und nun kam meine Sternstunde, als ihre Antwort lautete: „Naja, es gibt ja keinen Kaufladen mehr hier…“ Das war es! Plötzlich fühlte ich eine Wärme in mir, als ich das Wort „Kaufladen“ hörte. Und plötzlich war mir klar, wie lange ich dieses wunderbare Wort aus meiner Kinderzeit vermisst hatte. Ohne je darüber nachgedacht zu haben… „Kaufladen“– welch ein persönliches Wort, welch ein warmes Wort, welch eine bescheidene und feine Wortmelodie. Das Wort hatte mich ganz unverhofft erwischt. Und es wurde ohne Zögern zum ersten Wort meiner Wortsammlung gekürt. „Kaufladen“. Zur Wortmelodie gesellten sich farbige Erinnerungen aus meiner Kindheit in Werben. Welch eine bunte Vielfalt an Kaufläden hatten wir damals in unserem kleinen Ort… Meine Wortesammlung war also eröffnet. Später kamen immer wieder fast vergessene Worte aus meiner Kindheit hinzu, wie z. B. „Furchendackel“. Ich hörte es ganz unerwartet in meiner Heimatkneipe, als über den Großbauer Edwin Hoffmann erzählt wurde. Mein Vater liebte es, seinen Chef als „Furchendackel“ anzusprechen. Das war eines seiner Lieblingsworte. Ich erinnere mich an seine leicht spöttische Stimme, seine Mimik, Gestik und seine ganz offensichtliche Freude beim Aussprechen – und das Herz wird mir warm. Also war es doch nur naheliegend, dass dieses Wort blitzschnell in meiner Wortesammlung landete. Und plötzlich kam dieses und jenes Wort hinzu, man konnte zuschauen, wie die Sammlung wuchs. Und ganz schnell habe ich ein System für meine Aufzeichnungen im oben beschriebenen Sammelheft erfunden. Denn kein Wort, das mich zutiefst berührt hatte, sollte wieder im Nebel verschwinden und von Vergessenheit bedroht sein. Also steht seitdem an erster Stelle das eigentliche Wort, das auf mich zugekommen ist. Natürlich mit Datumsangabe. Die Fundzeit. Danach gebe ich den Fundort und die Fundsituation an, beschreibe also in erzählerischer Weise, an welchem Ort ich mich befunden hatte und in welcher Situation, als das Wort daher gerauscht kam. Der Start meiner Wortesammlung liegt nun schon viele Jahre zurück. Inzwischen sind mehrere dicke Hefte mit hunderten von Worten gefüllt, deren Klang und Wortmelodie Erinnerungen geweckt haben … Und eins ist allen gemeinsam, sie haben meine Gedanken und Gefühle ins Schwingen gebracht. Und so soll es weitergehen. Wortesammlerin bleibt Wortesammlerin.

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KULTUR

KULTUR

Schattenboxen gegen das an-­ geschlagene Ich

Wund in diese Welt Theaterperformance „Knock Out“ gastierte in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf TEXT: THOMAS DAHL

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m Ende erheben sich 150 Besucher*innen im vollbesetzten Kinosaal der JVA Ossendorf für eine bewegende Aufführung: Das Publikum zollt dreizehn jungen Inhaftierten aus der Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf minutenlang Respekt für einen emotionalen Gast-Auftritt im Rahmen des diesjährigen Sommerblutfestivals. Vorausgegangen sind 90 Minuten Reflexion über Ängste, Mut, Schuld, Vergebung und die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben. Im selbstkonzipierten Stück „Knock Out“ kämpfen Alan, Alen, Berkan, Daniel, Denas, Ismail, Liard, Lorans, Luka, Mohamad, Sami, Torino und Yusuf gegen die eigenen Dämonen und für die Befreiung der verschütteten Menschlichkeit. Das Werk unter der Regie von Elisabeth Pleß (mit Unterstützung von Boxtrainer Oliver Winter) offenbart in Monologen, Dialogen sowie musikalischen Einlagen das seelische Befinden der Protagonisten als zum ewigen Kampf Verurteilte, die sich von den Niederschlägen der Realitäten nicht auszählen lassen dürfen. Dass es auch diese romantische Verehrung von vermeintlichen Siegergestalten war, die für das Übertreten gesellschaftlicher Regeln und deren Konsequenzen mitverantwortlich ist, schwingt dabei als unsichtbares geschärftes Pendel über den Köpfen der Laiendarsteller. Das Intonieren eines Gebets, die Rezitation des Briefes einer Mutter an ihren eingesperrten Sohn oder die Interaktion mit dem Publikum (darunter auch 30 inhaftierte Personen aus der JVA Köln) intensivieren die Produktion, an der das Team rund drei Monate arbeitete. „Was ist der Mensch?“, lautet eine zentrale Frage imWerk,

die das mitunter verschüttete Streben nach Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Gleichheit aufzeigt. Damit greifen die Macher eine Maxime des Vordenkers der Französischen Revolution, des Genfer Philosophen Jean-Jacques Rousseau, auf: „Der Mensch ist von Natur aus gut, ich glaube, es nachgewiesen zu haben!“, bilanziert dieser in seiner Betrachtung über jene Spezies, die von Ungerechtigkeiten, inneren sowie äußeren Zerrissenheiten und Machtkonstellationen geprägt ist. Von der Geburt an als Verwundete in die Welt gestoßen, suchen die Individuen nach Erlösung und bauen dennoch Schutzwälle um sich, die nach Zerstörung verlangen. Im Sonnenuntergang der Hoffnungen gleicht der Wütende nicht selten einem Schattenboxer, der gegen das verschwindende Ich verzweifelte K.o.-Schläge ansetzt, doch final selber fällt. In der Inszenierung hinter Stahltoren, Stacheldraht und Beton erhebt sich wieder und wieder der Wille zur unbedingten Leidensbereitschaft. Mit des Menschen zweifelnder wie schwärmender Natur beschenkt, beleuchtet „Knock Out“ verhüllte Umrisse des Daseins als Gefängnis, dem ein steter Wunsch nach Flucht vor der Vergänglichkeit innewohnt. Jene von Gerichten schuldig gesprochenen Väter, Söhne, Brüder und Freunde auf der Bühne, denen die Zeit rückwärts tickend durch die Venen pocht, bilden trotz aller Kampfansagen ein fragil anmutendes Kollektiv, das für seine sensible Performance von den Kölner*innen zurecht stürmisch gefeiert wird.

 www.sommerblut.de

Fotos: Nathan Dreessen

Darsteller-Ensemble aus der JVA Wuppertal-Ronsdorf

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30 JahRe dRaUssenseiTeR

30 JahRe dRaUssenseiTeR

„Wir haben den Menschen etwas mitzuteilen“

Pfarrer Karl-Heinz Kreutzmann (Mitte): Obdachlosen-Seelsorger und Mitbegründer OASE-Benedikt-Labre e.V.

VOn CHrISTInA BACHEr

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m Juni 1992 wurde – übrigens nach der BIG ISSUE in London ein Jahr zuvor – in Köln die erste Straßenzeitung Deutschlands gegründet: Die BANK EXPRESS. Die Zeit war offenbar reif dafür, den Menschen auf der Straße eine Stimme zu geben. Nachdem man einen namenlosen Punk auf dem Südfriedhof beerdigt hatte, der in einem besetzten Haus an Unterkühlung verstorben war, fassten Pfarrer Karl-Heinz Kreutzmann, der damals obdachlose Rolf Bünger und seine Mitstreiter den Entschluss, in Zukunft in Heftform über die Situation und die Belange von obdachlosen Menschen zu informieren, um ihnen eine Lobby zu schaffen. „Wir sind doch Bürger, wie alle anderen“, fasste es der Kleine Günter, auch ein Mitarbeiter der ersten Stunde, schon damals zusammen. Heute feiert das Straßenmagazin, das von BANK EXPRESS zur BANK EXTRA und schließlich zum DRAUSSENSEITER avancierte, seinen 30. Geburtstag. Als „niedrigschwelliges Beschäftigungsprojekt“ mit der Einrichtung OASE – Benedikt Labre e.V. im Rücken garantiert es den Verkäufer*innen ein kleines Zubrot, eine sinnvolle Tagesstruktur und auf Wunsch auch eine wichtige Anlaufstelle für alle Belange. Und den geneigten Leser*innen gibt es einen wertvollen Einblick in Kölns doppelten Stadtplan.

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Christina Bacher (Hrsg.)

DIE LETZTEn HIEr

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JAHRE

Fotos: Archiv DRAUSSENSEITER

Köln im sozialen Lockdown

Roland (li.), Straßenzeitungsverkäufer der ersten Stunde, mit Rolf Bünger – Mitgründer der BANK EXPRESS.

Wie erleben Obdachlose die Corona-Pandemie in Köln? Wie geht eine Großstadt mit dem Lockdown um, wenn nicht alle zu Hause bleiben können? Was, wenn Armut in einer Stadt plötzlich deutlich sichtbarer wird? Haben sich Strukturen des Hilfesystems verändert? Und: Hat sich durch die Krise vielleicht sogar etwas zum Guten gewandt für diejenigen, die sonst durchs Raster fallen? Mit eben diesen Fragen hat sich Deutschlands ältestes Straßenmagazin DRAUSSENSEITER beschäftigt und nun eine Auswahl an Texten und Fotos zusammengestellt, teilweise von Betroffenen selbst.

Daedalus Verlag 144 Seiten (mit zahlreichen Abbildungen) 12,- Euro, ISBN 978-3-89126-267-2 Erhältlich im Straßenverkauf oder im Buchhandel

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REPORTAGE

Reportage

Waschen ist Würde: Der mobile Duschbus für Obdachlose Jeden Morgen oder Abend zu duschen ist für die meisten Menschen selbstverständlich. Ohne das tägliche Abbrausen fühlen sich viele nicht mehr wohl in ihrer Haut. Doch wer obdachlos ist, muss sich schon Gedanken darüber machen, wo er sich nur waschen könnte.

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ominik Bloh flog als Teenager von zu Hause raus und schlug sich von da an auf den Straßen Hamburgs durch das Leben – während er nebenbei noch das Abitur machte. Mehr als ein Jahrzehnt war er selbst obdachlos und hat erlebt, wie es sich anfühlt, sich nicht regelmäßig waschen zu können. „Ich kenne das Gefühl, wenn sich Menschen aus Ekel distanzieren. Das Äußere wirkt sich auf das Innere aus. Körper und Geist gehen Hand in Hand. Ich war einfach solange dreckig, bis ich von mir selber dachte, ich bin nur noch Dreck.“ Heute hat er es geschafft. Er konnte der Straße selbst den Rücken kehren – aber kümmert sich nun darum, dass Obdachlose sich waschen können. „In der Zeit, als ich auf der Straße war, ist mich nicht waschen zu können eines der schwierigsten Probleme gewesen. Auf der Straße habe ich gelernt, dass Waschen Würde ist.“ Er organisierte mit Freunden eine riesige Spendenaktion, um einen Duschbus zu finanzieren. Der Umbau eines Mercedes Citaro 530 begann Ende Mai 2019 und dauerte sechs Monate. In dem umgebauten Bus befinden sich nun drei voll

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ausgestattete Badezimmer. In jedem Badezimmer sind jeweils eine Dusche, eine Toilette, ein Waschbecken und ein wasserdichter Schrank mit einer Steckdose vorhanden. Eines der Badezimmer ist durch ausreichend Platz und entsprechende Vorkehrungen wie eine Rampe und ein höhenverstellbares Waschbecken auch für Rollstuhlfahrer*innen geeignet. Außen am Bus befindet sich eine acht mal zweieinhalb Meter große Markise mit Front- und Seitenwänden. Hier kann man sich aufwärmen und ein wenig Ruhe finden. Im ersten Betriebsjahr wurde der Bus über 250–mal genutzt. Er fährt an sieben Betriebstagen pro Woche vier verschiedene Standorte an, unter anderem steht er am Millerntor und samstags am Steintorplatz. An diesem Tag ist das Duschen ausschließlich für Frauen möglich.

Nur Ersatz, aber noch keine Lösung Schon damals auf der Straße entstand bei Bloh, Jahrgang 1988, die Idee für den Duschbus. Ihm war klar, dass er, wenn es ihm besser gehen

Foto: Julia Schwendner

Von Andrea Rothfuss

würde, nicht vergessen würde, wo er herkam. Und so entstand die Idee, etwas zurückzugeben. Er schrieb ein erfolgreiches Buch über seine Zeit auf der Straße und gründet GoBanyo, ein gemeinnütziges Unternehmen: „Wir finanzieren uns von Spenden. Den Bus-Umbau konnten wir durch ein Crowdfunding stemmen, in dem unfassbare 168.000 Euro gesammelt wurden. Wir entwickeln uns auch weiter und versuchen, aus einem sozialen Projekt ein Social Business zu kreieren. Wir finden bald ein Produkt, mit dem wir uns selbstständig finanzieren können. Wir können Duschgel verkaufen und davon Duschbusse bauen. So die Idee.“ Solange das noch nicht gelinge, habe man eine Partnerschaft mit „The right to shower“, einem So­ zialunternehmen, das Seifen für gute Zwecke verkauft. Seine Idee für einen Duschbus findet mittlerweile viele Interessenten und mögliche Nachahmer. So gibt es viele Anfragen aus ganz Deutschland, der EU und sogar Kontakte nach Südafrika und Brasilien. „Wir unterstützen gerne andere mit unserem Wissen. Solange die Problematik weiter vor-

handen ist, müssen wir den Zugang zu sanitären Einrichtungen niedrigschwelliger und leichter machen. Das oberste Ziel und die Mission der nächsten Jahre muss aber sein, Housing First fest in Deutschland einzuführen“, so sein Standpunkt. Denn eines ist offensichtlich: Der Duschbus versucht zu kompensieren, dass es zu wenig öffentliche Duschmöglichkeiten für Obdachlose gibt.

Bei Duschgelegenheiten dürfe es nicht bleiben Alles muss sich ändern, so Bloh. Man brauche Wohnungen und nicht noch ein paar Duschplätze mehr: „Es ist Zeit, das anzugehen. Wir können mit Housing First in Deutschland Obdachlosigkeit beenden. Jeder Mensch soll ein Dach über dem Kopf haben können. Waschen und Wohnen sind Grund- und Menschenrechte.“ Und was rät er, wenn man einen Obdachlosen auf der Straße trifft, wie sollte man sich verhalten? Hier setzt Bloh vor allem auf ein Miteinander: „Ich wünsche uns allen mehr Mut, aufeinander zuzugehen und miteinander zu reden. Das ist der erste Schritt.

Es mag sein, dass man sich viele Fragen stellt, aber diese werden zu Antworten, wenn man miteinander spricht.“ Man könne immer Gutes tun, und sei es, nur ein Lachen zu schenken. Für manche könne das der schönste Moment des Tages sein, der genügend Hoffnung spendet, um nicht aufzugeben, sondern weiterzumachen. Blohs Vision war – schon als er auf der Straße lebte und wirklich gar nichts hatte – ein Buch zu schreiben und den Duschbus zu verwirklichen. Beides hat geklappt. Und so ist er der festen Überzeugung, dass alles möglich und zu schaffen ist. Um das zu vermitteln, ist er viel unterwegs, geht an Schulen, leistet Bildungsarbeit, kommt in Kontakt mit politischen Entscheidungsträger*innen. Das alles, um immer mehr Menschen mit dieser Botschaft zu erreichen und auf das Thema aufmerksam zu machen. „Ich weiß, dass es Menschen Denkanstöße gibt, die oft später ihr Handeln sogar ändern, weil sie neue Einsichten erhalten, quasi die Augen geöffnet bekommen haben und nun mit anderem Blick auf die Straße sehen.“

Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Trott-war / INSP.ngo

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Werner Otto von Boehlen-Schneider

LITERARISCHES

Als sich meine Kündigung nicht mehr wie ein Schlag in die Magengrube anfühlte, ging ich nach Haus, schwieg all jene für ein gutes Leben als so notwendig erachteten Konsumgüter an – und fühlte mich frei. Frühmorgens aufstehen, im Dunkeln zur Arbeit, der fassadäre Frust, angepasst und ohne ernsthaften Widerspruch das Nötige zu tun, um sich abends von einer guten Flasche Bordeaux trösten lassen und den „Freunden“ eine Urlaubskarte vom gerade angesagten Flecklein Erde senden zu können – fühlte sich falsch an. Und so verließ ich dieses Leben, der Hausschlüssel entglitt meiner geöffneten Handfläche, im Portemonnaie nur Ausweis und Bankcard, fuhr ich ans Meer, wild, unabhängig, frei, durchwanderte das Land, wurde Jakobspilger, ließ mich bis nach Indien treiben, hungerte, fror und erlebte ein unbändiges Glück, L‘evolution créatice, achtete auf die viel beschworenen kleinen Dinge, sah den Käfer am Grashalm, der sich in Straßenschluchten nur schäbig doch nun wie eine lebendige Perle ausnahm. Die Spötteleien auf Religion und Moral, aus den Tagen jugendlicher Coolness herrührend, begannen fragwürdig zu werden; Geborgenheit nicht durch finanzielle Sicherheit, sondern im Vertrauen auf väterlich verborgene Hände, haltend und bewahrend, entstand, als der Knochenkrebs mich ins Krankenhaus einwies. Aus kleinen Fluchten des Alltags eine große Reise kultiviert zu haben, tut mir in diesen letzten Stunden wohl. Ich lasse die Dinge alle einmal, so wie ihr, und habe den Aufbruch nur ein wenig früher begonnen. Ist das verachtenswert oder beachtenswürdig?

Werner Otto von Boehlen-Schneider, 1985 zu Warburg in Westfalen geboren, verbrachte seine Jugend im Weserbergland. Nach Studien der Geschichtswissenschaft, Germanistik, Philosophie und Chemie an den Universitäten Paderborn, Göttingen und Köln veröffentlichte er 2016 sein literarisches Debütwerk. Heute lebt von Boehlen-Schneider als humanistischer Schriftsteller und Privat­gelehrter in Köln. Er ist AspergerAutist. Foto: Privat

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BUch-Tipps

Ellery Lloyd

Liebe in Zeiten des Hasses

Like Hate

verlassen sie. Dabei tragen sie Bubikopf. Verdienen eigenes Geld. Scheren sich nicht um Konventionen. So wie eine damals bekannte Tänzerin und Schriftstellerin, die laut Florian Illies diese Zeit aufs trefflichste verkörperte. Ruth Landshoff rast durch die 20er Jahre wie in einem Rausch, mit wechselnden Bekanntschaften, wechselnden Automobilen, wechselnden Schoßhunden. Erika Mann verliebt sich in Therese Giehse, während Gustav Gründgens zur Eröffnung einer Herrenbar mit seinem neuen Freund Carl Forcht, dem ehemaligen Geliebten von Klaus Mann, im Smoking erscheint, Forcht im Abendkleid. Mit dieser schrankenlos ausgelebten Toleranz ist ab 1933 Schluss. Das Romanische Café in Berlin hört schlagartig auf zu vibrieren, und niemand wagt es mehr, in endlosen Debatten die Welt zu zerstören, zu retten und neu zusammenzusetzen. Vorbei ist es mit offen gleichgeschlechtlicher Schmuserei. Der Umbruch ist radikal. Niemals zuvor wurde der Umschwung von den „roaring twenties“ hin zu den staubtrockenen, gefährlich verklemmten Nazis derart eindringlich anhand von Zeugnissen so vieler selbst Betroffener dargestellt. Wie bei einem Puzzle ergibt sich erst nach und nach in dieser sprachlich berührenden Dokumentation das Bild des dramatischen Niedergangs einer Epoche am Beispiel von Liebe in Zeiten der uneingeschränkten Toleranz, mündend in Hass, Flucht, Armut und Verzweiflung. Ein ungewohnter Blick, aus dessen Winkeln heraus Illies Weltgeschichte dokumentiert und der Frage nachgeht: Was wird eigentlich aus der Liebe in derartigen Zeiten? Ein ganz besonderes Werk, Ergebnis einer hemmungslosen Recherche. Gleichermaßen verstörend und faszinierend. Ingrid Müller-Münch

Florian Illies: Liebe in Zeiten des Hasses – Chronik eines Gefühls 1929-1939. Fischer 2021, 24 Euro. ISBN 978-3-10397-073-9

 Emmy Jackson ist Influenzerin auf Instragram. Supererfolgreich. Eine Million Follower erreicht sie mit ihrer Mama-Plattform. Sie schleimt sich an die Mütter ran, plaudert ihnen Episoden aus dem eigenen Familienleben vor. Gibt Tipps bei Familienchaos, nächtlichen Schreikindern und vollgeschissenen Windeln. Total ehrlich, wie sie immer wieder betont, führt sie die eigenen Kinder, die dreijährige Coco oder den acht Wochen alten Bear vor. Ihre Fans lieben sie. Endlich mal jemand, der das Leben mit Kindern nicht verherrlicht sondern mit all seinen anstrengenden Seiten darstellt. Der das größte Durcheinander kennt, der auch immer wieder verzweifelt, dafür Lösungen parat hat. Wie gesagt total ehrlich. So jedenfalls betont Emmy Jackson immer wieder. Dass sie in ihrer – vom Ehemann - aufgeräumten Wohnung erstmal ein Chaos herstellen muss, Spielsachen verteilt und dreckige Windeln herumliegen lässt, wenn denn ein Fotoshooting angesagt ist… Schwamm drüber. Dafür ist ihr Job einfach zu lukrativ, als dass Emmy den Vorbehalten ihres skeptischen Ehemann folgen würde, dem das ganze Theater einfach zu viel ist, der skeptisch beäugt, wie Emmy mit Crash und Trash die Kohle nach Hause bringt. Kohle, die er einfach in der Menge mit seinem Roman niemals verdienen wird, der ja auch, bei all dem Durcheinander, keine Chance hat, jemals vollendet zu werden. So weit, so gut. Wäre da nicht unter der einen Million Follower tatsächlich jemand, der genau weiß, was an Emmys Internetauftritt Fake ist, was sie verschweigt, wo sie verschönt oder einfach lügt. Und dieser Jemand will das nicht hinnehmen. Dazu hat er gewichtige Gründe. Und so braut sich denn, während Emmy nichts ahnend weiterhin ihre vornehmlich erdachten Geschíchten postet, ein Unwetter über ihr zusammen, dass nicht nur sie, sondern auch ihre Familie zu zerstören droht. Die neuen ‚Nicci Frenchs‘ aus Great Britain. Ellery Lloyd, das Pseudonym eines britischen Autorenpaares, sie Journalistin, er Professor für englische Literatur. Mit „Like Hate“ stürzen sie sich mitten hinein in die Jetztzeit, in der es um Fake News und deren Konsequenzen geht. Manchmal zu viel Windelgedöns, aber insgesamt schon bemerkenswert aktuell und vor allem drohend widerlich. Ingrid Müller-Münch

Ellery Lloyd: Like Hate. Knaur 2021, 14,99 Euro. ISBN 978-3-42622-721-3

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Heiko Sakurai

Foto: Nicole Homburg

Florian Illies

 Bertolt Brecht heiratet Helene Weigel – und holt unmittelbar nach dem Jawort eine seiner Geliebten vom Berliner Bahnhof ab. Jean-Paul Sartre fiebert seinem ersten Rendezvous mit Simone de Beauvoir entgegen – während sie ihn in einer Pariser Teestube einfach sitzen lässt. Henry Miller leidet darunter, dass seine Frau June ihre Geliebte Mara Andrews in die gemeinsame New Yorker Wohnung eingeladen hat – und er, der Ehemann, seine Kissen zusammenpacken und aufs Sofa ziehen muss. Erich Mühsam vergisst oft, dass er verheiratet ist. Nicht, dass er seine Zensl nicht liebt, nein, das nicht. Er liebt sie schon. Also: vor allem ihren Charakter. Es ist die Zeit der Weltwirtschaftskrise, der Verzweiflung, aber auch der Exzesse. Vor allem ist es die Zeit sexueller Freizügigkeit. Es geht wild zu, Ende der 1920er Jahre. Schon schwankt der Boden der Weimarer Republik. Vielleicht lebt deshalb die Bohème in den Metropolen Paris, New York, Wien oder Berlin so, als gäbe es kein Morgen mehr. „Niemand hoffte 1929 noch auf die Zukunft. Und niemand will an die Vergangenheit erinnert werden. Darum sind alle so hemmungslos der Gegenwart verfallen.“ Florian Illies hat diese Zeit patchworkartig zum Leben erweckt. Ungeniert und voller Insiderwissen schleicht er sich vor allem an das damalige Berliner Intellektuellen-Milieu heran, hangelt sich von Episode zu Episode, lässt uns abtauchen in Szenen der Liebe, der sexuellen Hörigkeit, der Exzesse und des Verstoßenwerdens. Und erweckt dadurch eine Epoche zum Leben, die auch anderweitig Furore gemacht hat: in Kinofilmen wie „Fabian“ oder „Die Schachnovelle“, in TV-Serien wie „Babylon Berlin“. Die Berliner Jahre um 1930 sind, so der legendäre Tennisspieler Gottfried von Cramm, die schönsten seines Lebens, während Sigmund Freud sich in diesen Tagen aus Wien mit den Worten meldet: „Die Sexualität gehört zu den gefährlichsten Betätigungen des Individuums.“ Die Frauen in der großstädtischen Künstlerszene sagen sich los von Kinderkriegen, Hausfrauenlangeweile und Ehegattinnen-Alltag. Sie wählen ihre Sexualpartner*innen aus, betrügen, tauschen und 20

caRToon | cLaYd

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Was soll ich sagen, ich bin nun Opa! Ein fast zahnloser Opa. Nach langer Zeit, in der mein Magen wieder Probleme machte, war ich neulich stabil genug für eine große Operation. Frauchen war mit mir vorher beim Hundeherzarzt und hat testen lassen, ob mit meinem Herz alles gut ist. Ihr wisst sicher noch, dass ich da ja auch nicht ganz fit bin. Die Ärztin war total lieb. Sie sagte, dass mein Herz ganz in Ordnung ist. Da haben der Doc und mein Dosenöffner gesagt: Jetzt können wir endlich die Zähne machen! Die hatten es auch nötig. Ich hatte schon eine ganze Weile

Probleme, aber Frauchen wollte kein Risiko eingehen mit einer Narkose. Nun habe ich nur noch wenige Zähne – zehn Stück mussten raus, weil sie locker waren. Deswegen konnte ich manchmal nicht so gut fressen. Damit nicht genug, es wurden noch ganz viele Bilder von meinen Knochen gemacht. Na ja, sagte der Doc dann zu der Ollen, ich hätte Arthrose und so komische Sachen an der Wirbelsäule, die hat er Frauchen auf den Bildern gezeigt. Das seien so komische Ablagerungen, die da eigentlich nicht hingehören, sagte er, aber wohl keine Tumore. Das könnte man auch nicht operieren. Mein Dosenöffner war ganz schön geknickt und wollte wissen, ob ich Schmerzen hätte und was man dagegen tun könne. Wegen meinem Magen kann ich ja nicht so viele Medis nehmen. Meine Olle war ganz schön traurig. Sie will nicht, dass ich mich mit Schmerzen quälen muss. Sie fragte nach, wie es mit dem Laufen ist. Ich muss ja viele Treppen steigen, um in

mein Körbchen zu kommen. Der Doc sagte, dass dann nur die Möglichkeit bleibt, mir Spritzen zu geben, wenn es mir nicht gut geht oder ich humpele. Frauchen sagt, nächstes Jahr müssten wir uns eine Wohnung suchen, bei der wir keine Treppen mehr steigen müssen. Nun macht sie mein Futter immer wie eine Suppe, weil mir ja die Zähne fehlen. Zweibeinern geht das wohl auch so, nur das die dann so ein Teil kriegen, das Gebiss heißt. Für Hunde gibt es das leider nicht. Passt also auf eure Zähne auf! Es grüßt euch …

Hallo, ich bin Clayd aus Rumänien. Von dort bin ich zu meinem Frauchen, der DRAUSSENSEITER-Verkäuferin Kölsche Linda, gezogen. In meiner Kolumne erzähle ich, was ich so alles in meinem Alltag erlebe.

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oase-neWs

oase-neWs

Zuschauer*innen der Stunksitzung spenden für die OASE

Danke

Sicherlich nicht unbemerkt geblieben ist, dass sowohl die Website des Vereins OASE – Benedikt Labre e.V. als auch die des Straßenmagazins DRAUSSENSEITER einem sanften Relaunch unterzogen wurde. Die Umstellung auf das ContentManagement-System Wordpress wurde professionell von der Firma KPUNKT - Digitale Dienstleistungen (www.kpunkt.com) zu einem fairen Preis umgesetzt. Unser herzlicher Dank geht an Wolfgang Kurtz und sein Team für die angenehme Zusammenarbeit. (cb)

für die Unterstützung !

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nser Dank geht an das Ensemble und an alle Zuschauer*innen der STUNKSITZUNG, die in diesem Jahr nach den Hauptproben und per Überweisung für die OASE gespendet haben. Insgesamt sind so 4.460,80 Euro zusammengekommen, um die Obdachlosenhilfe zu unterstützen. Wir bedauern es sehr, dass es ab Dezember 2021 coronabedingt keine weiteren Stunksitzungen geben konnte. Unsere Verehrung schicken wir mit vielen Dankesgrüßen rüber nach Köln-Mülheim! (cb)  www.draussenseiter-koeln.de

Foto: OASE

Warme Wollhandschuhe

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Die Freude war groß, als Mitarbeiter*innen der Dr. Peter Deubner-Stiftung kurz vor Weihnachten 60 neue, warme Wollhandschuhe in der OASE vorbeigebracht haben, um obdachlose Menschen in den kalten Wintertagen damit zu beschenken. Thomas und Theo gehörten zu den ersten Nutznießern dieser nützlichen Spende! Im Namen aller OASE-Besucher*innen sagen wir „Danke“ für die Unterstützung! (cb)

Fotos: OASE

Foto: Ansgar M. Van Treeck

Websites erstrahlen in neuem glanz

Gothaer Finanzholding AG beschert Obdachlose A

uch in diesem Jahr konnte die Charity-Tree-Veranstaltung der Gothaer Finanzholding AG stattfinden, bei der liebevoll eingepackte Geschenke an die OASE übergeben wurden. Die persönlichen Wünsche waren vorab von den Sozialarbeiter*innen der OASE eingesammelt worden. Immer wieder schön, wenn sich die Einrichtung in Deutz so kurz vor den Feiertagen in eine gut gefüllte Weihnachtsstube verwandelt und man mit glänzenden Augen ins neue Jahr starten kann! Herzlichen Dank! (cb)

 www.oase-koeln.de

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IM P rE SSu M

❚ Kulturtipp

Redaktionsleitung Christina Bacher (cb), bacher@draussenseiter-koeln.de www.draussenseiter-koeln.de

Kim Gordon in der Galerie JUBG

Redaktionsassistenz Markus Düppengießer (mad), dueppengiesser@draussenseiter-koeln.de

Lektorat Barbara Feltes Gestaltung Edgar Lange, https://www.desdev.de Titelgestaltung Deborah Keser

ein Straßen-Abo zu 42,– Euro pro Jahr ein Sponsoren-Abo zu 85,– Euro pro Jahr

Titelfoto Christina Bacher Druck druckdiscount24.de Abos Martina Jühlke, juehlke@oase-koeln.de Vertrieb Ali Baran

ein Förder-Abo zu 150,– Euro pro Jahr (Als Dankeschön für das Förder-Abo gibt es zudem das druckfrische Buch „Die Letzten hier. Köln im sozialen Lockdown“.)

www.draussenseiter-koeln.de, abo@draussenseiter-koeln.de Lieferanschrift Vorname / Name Straße PLZ/Ort

Unterschrift

Einzugsermächtigung Vorname / Name Straße PLZ/Ort

Herausgeber Benedikt-Labre e.V. – OASE Alfred-Schütte-Allee 4, 50679 Köln Tel.: 0221 / 98 93 53-0, Fax: 0221 / 98 93 53 16 Depots (nur für Verkäufer) • Kiosk Orman, Salierring 15, 50677 Köln • OASE, Alfred-Schütte-Allee 2-4, 50679 Köln Verkauf öffentlich • Fachbuchhandlung Gaby Schäfers, Merlotstr. 4, 50668 Köln • Agnesbuchhandlung, Neusser Straße 63, 50670 Köln • Buchladen Neusser Straße, Neusser Straße 197, 50733 Köln • BUNT Buchhandlung, Venloer Straße 338, 50823 Köln Kontoverbindungen IBAN: DE66 3705 0198 0016 5020 31 SWIFT-BIC: COLSDE33, Sparkasse KölnBonn DRAUSSENSEITER ist das Sprachrohr für alle Obdachlosen, deren Freunde, ehemals Obdachlose und andere Betroffene. Leserbriefe sind immer herzlich willkommen. Für namentlich gekennzeichnete Artikel und Leserbriefe sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Bedürftigen wird für veröffentlichte selbstgeschriebene Artikel, Interviews und Fotos ein kleines Honorar gezahlt, wenn dies der Autor ausdrücklich wünscht. Nachträgliche Forderungen werden nicht akzeptiert. Es gilt die Anzeigenpreisliste vom 1.1.2009.

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Unterschrift Widerrufsbelehrung: Die Bestellung wird erst wirksam, wenn sie nicht binnen einer Frist von 10 Tagen schriftlich widerrufen wird. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Das Abo kann jederzeit gekündigt werden.

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Kim Gordon ist in der Stadt – irgendwie. Wer allerdings auf ein Konzert von Sonic Youth hofft, wird enttäuscht. Die legendäre Indierock-Band, bei der Gordon bis zur Auflösung 2011 den Bass zupfte, hat sich nicht wieder zusammengetan. Weder tritt sie mit ihrem Musikprojekt Body/Head auf noch präsentiert sie ihr 2019 erschienenes Solo-Debüt „No Home Record“ (Matador). Sie hat zwar Ende 2021 gemeinsam mit J Mascis den Song „Abstract Blues“ veröffentlicht, aber das bedeutet nicht, dass sie nun mit dem Dinosaur-Jr.-Mastermind aufläuft. Nein, um Musik geht es nicht, sondern um ihre Bilder. Kim Gordon stellt in der Galerie JUBG aus. Die 68-Jährige ist seit Jahrzehnten auch als Bildende Künstlerin tätig.

Herzlichen Dank allen freien Mitarbeiter*innen dieser Ausgabe.

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Straßenzeitungsverkäufer Paul vom The Contributor in Nashville bei der Impfaktion für Obdachlose

Impfung für die Straße

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In Los Angeles hat sie Kunst studiert, Anfang der 1980er Jahre war sie als Kunstkritikerin aktiv und arbeitete später in verschiedenen New Yorker Galerien. Neben Gemälden gibt es allerdings auch ein bisschen was auf die Ohren. Sie steuert auch eine Art Hörstück bei, welches sie extra erstellt hat. „Ich dachte, dass es sich bei JUBG um eine Galerie handelt, in der Musikerinnen und Musiker ausstellen“, sagte Kim Gordon im Interview mit der „Stadtrevue“, „also sollte ich einen Soundbeitrag produzieren.“ Zu hören gebe es allerdings „keine Musik oder Geräusche außer meiner Stimme“. Klingt trotzdem spannend. Ausstellung bis zum 12. Februar. Donnerstag & Freitag 12-18 Uhr, Samstag 12-16 Uhr oder nach Absprache: mail@jubg.space. Es gilt die 2G-Plus-Regel. (mad) JUBG, Albertusstraße 13-17, 50667 Köln  jubg.space

ls Biontech, Astrazeneca, Moderna, Johnson & Johnson und andere Impfstoffe verfügbar waren, sah man Licht am Ende des Tunnels und das Ende der Pandemie kommen. Nicht nur in Köln nutzten Obdachlose die breit angelegten Impfaktionen in den Einrichtungen und auf öffentlichen Plätzen, wenn auch viele, sowieso oft systemkritisch eingestellt, lange skeptisch oder gar ungeimpft blieben. „Selbst für Angsthasen, die Angst vor Spritzen haben, ist es nicht so schlimm“, macht Teresa, Straßenzeitungsverkäuferin aus Nashville (USA), anderen Mut. Zunächst wurde sie im Walmart-Impfzentrum abgewiesen, weil sie keine Krankenversicherung hatte. Zu ihrer Erleichterung konnte sie nach einer Stunde Wartezeit trotzdem die Impfung bekommen.„Es ist wirklich wichtig, dass die Leute die Impfung bekommen. Besser auf Nummer sicher gehen “, sagt auch der 70-jährige geimpfte Verkäufer Gordon der BIG ISSUE NORTH (GB). Inzwischen ist er sogar geboostert.

Der nächste DRAUSSENSEITER erscheint zum 1. März 2022. Mehr dazu unter www.draussenseiter-koeln.de und auf www.facebook.com/Draussenseiter-Das-Kölner-Strassenmagazin-106192356124749

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SERVICE

SERVICE

(SKM Köln) Bahnhofsvorplatz 2a (1. Etage), 50667 Köln-Innenstadt, Tel.: 13 49 19, kontaktstelle@skm-koeln.de, www.skm-koeln.de Angebot: Aufenthaltsmöglichkeit, Begegnung, täglich Fachberatung, Freizeitangebote, (Spieleangebot, Kaffee), Essen, Duschen, Wäschepflege, Schreibhilfe, Telefonmöglichkeit, Postadresse, mediz. Versorgung, PC-Nutzung mit Internetzugang Kontaktstellenbereich/Tagestreff: Mo. bis Fr.: 12.00 bis 15.30 Uhr (Essensangebot: 12.00 bis 14.00 Uhr) So. und Feiertage: 12.00 bis 13.00 Uhr Samstags geschlossen Beratung (auch anonym): Mo, Mi, Do, Fr 9-11.30 Uhr, Mo bis Fr 14-15.30 Uhr

Vringstreff in der Kölner Südstadt

n Diakoniehaus Salierring Fachdienst für Wohnungslosenhilfe des Diakonischen Werkes Köln und Region gGmbH, Salierring 19, 50677 Köln, Tel.: 27 69 70-0, verwaltung.salierring@diakonie-koeln.de, www.diakonie-koeln.de Beratung: Mo bis Fr 9-12 Uhr, Mo u. Mi 14-16 Uhr (u. a. Postadressen u. Treuhandkonten) Tagestreff: Mo bis Do 8.30-12.30 Uhr, Frühstück, Duschen, Wäschekeller, Aufbewahrung, Internetzugang Kleiderkammer: Di u. Do 10-12 Uhr Krankenwohnung, Betreutes Wohnen gem. § 67 SGB XII, Ambulantes Betreutes Wohnen gem. § 67 SGB XII in Außenwohnprojekten, Clearing­ stelle Claro im Trägerverbund, VIADUKT, mietfest im Trägerbund

n Emmaus Geestemünder Str. 42, 50725 Köln, Tel.: 971 17 31, info@emmaus-koeln.de, www.emmaus-koeln.de

Appellhofplatz: Essenausgabe u. medizinische Versorgung, Mo bis Fr ab 21 Uhr Leben und Arbeiten in Gemeinschaft, günstiger Einkauf von Secondhand-Artikeln, Dritte-WeltArbeit durch Versand von Hilfslieferungen

n Gulliver – Überlebensstation für Obdachlose Trankgasse 20, Nähe Hauptbahnhof, 50667 Köln, Tel.: 120 60 91 Duschen, Toiletten, Waschmaschinen, Trockner, Tagesschlafraum, Postadressen, Caféteria mit Frühstück und Snacks, Beratungsangebote, Internetzugang, Kunstausstellungen, Handyladestation, Gepäckaufbewahrung Öffnungszeiten: Mo bis Fr 8-15 Uhr, Wochenende und Feiertage 8-15 Uhr Kleiderkammer: Do 13.30-15.00 Uhr

n Lobby-Restaurant LoRe des KALZ für Berber und Banker Domstr. 81, Nähe Hauptbahnhof, 50668 Köln, info@koelnerarbeitslosenzentrum.de, www.koelnerarbeitslosenzentrum.de Mittagessen: Mo, Di 12-16 Uhr, Mi, Do, Fr 12-15.30 Uhr

n Kölner Obdachlosenfrühstück, Peter-Deubner-Stiftung Tel.: 430 39 83

n Vringstreff e.V. Für Menschen mit und ohne Wohnung Im Ferkulum 42, 50678 Köln, Tel.: 278 56 56, info@vringstreff.de, www.vringstreff.de Öffnungszeiten: Mo bis Do 11.30-17 Uhr, Fr 9-12 Uhr Jeden 2. und 3. Sonntag Obdachlosenfrühstück 9-11 Uhr, Café, Freizeitangebote, Veranstaltungen, Beratung

n Bürger für Obdachlose e.V. Basislager Gebrauchtwarenkaufhaus Bürger für Obdachlose e.V. Basislager: Silcherstr. 11, 50827 Köln Tel.: 640 22 68, info@bfoev.de

Angebote: Kostenloses sonntägliches Frühstück 9-11 Uhr: Jeden 2. Sonntag im Monat Alte Feuerwache, Agnesviertel. Jeden 3. Sonntag im BÜZE Bürgerzentrum Köln-Ehrenfeld, Venloer Str. 429. Kleiderkammer, Gebrauchtwaren-Kaufhaus für Jeden 4. Sonntag im Kulturbunker Köln-MülJedermann, Arbeitsprojekt und Suppenküche. heim, Berliner Str. 20. Obdachlose können gerne auch Kleidung, Schlafsäcke etc. in unserem Gebrauchtn GUBBIO Obdachlosenseelsorge waren-Kaufhaus kostenlos bei uns beziehen. Ulrichgasse 27-29, 50577 Köln, www.gubbio.de Gemeinsam mit Emmaus betreibt der Verein die Öffnungszeiten: Di, Mi 14–17 Uhr Suppenküche am Appelhofplatz. Angebote: Raum zum Gespräch, Bibelstunde, Meditation, thematische Gesprächskreise, n Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. religiöse Filme Peter-Michels-Str. 1-9, 50827 Köln

n Kontakt- u. Beratungsstelle Rochus (SKM) Bartholomäus-Schinkstr. 6, 50825 Köln, Tel.: 3377063-4, rochus@skm-koeln.de, http://www.skm-koeln.de Öffnungszeiten: Mo-Fr 11.00-15.00 Uhr, Sa 10.00-13.00 Uhr Angebote: Mo bis Fr warmes Essen von 12.0014.00 Uhr, kalte u. warme Getränke, Duschmöglichkeit (Behindertendusche u. -toilette), Wäsche waschen Mo-Do von 11.00-14.30 Uhr, Beratung tägl. von 11.00-15.00 Uhr oder nach Vereinbarung. Medizinische Sprechstunde Di und Do von 12.30-13.30 Uhr, Postadresse, ambulantes betreutes Wohnen, PC-Nutzung mit Internet-Zugang. Sa geöffnet – es gibt Frühstück. Kleiderkammer: täglich geöffnet, Mo zwischen 9.15 und 10.30 Uhr auch für Menschen aus dem Bezirk Ehrenfeld mit Köln Pass.

Tel.: 0221/ 9535301, Fax: 0221/ 5948789 ibwa@netcologne.de www.bauenwohnenarbeiten.de

Angebot: Arbeitsgelegenheiten, Beschäftigung, Wohnen, Betreutes Wohnen

Foto: Christina Bacher

Für alle

Emmaus, Second-Hand-Artikel

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n OASE – Benedikt Labre e.V. Alfred–Schütte–Allee 4, 50679 Köln, Tel. 0221/9893530 kontakt@oase-koeln.de www.oase-koeln.de

Kontakt- und Beratungsstelle: Montag und Freitag 9–13 Uhr, Dienstag und Donnerstag 9–16 Uhr, Mittwoch nach Terminvereinbarung

Offener Treff: Montag 10.30–13 Uhr, Dienstag 13–16 Uhr, Donnerstag 13–16 Uhr, Freitag 11.30–13 Uhr Frühstück: Montag 10.30–13 Uhr

Sprechstunde Mobiler Medizinischer Dienst: Montag 10.30-11.30 Uhr und Donnerstag 13.30-14.15 Uhr

Kleiderkammer/Duschen: Montags ab 10.30 Uhr Donnerstags ab 13.00 Uhr Computer-Nutzung: nach Vereinbarung Weitere Angebote: Gepäckaufbewahrung Redaktionssitzung DRAUSSENSEITER: siehe Aushang

Schutz, Übernachten, Essen, Duschen, Wäsche waschen, Kleiderkammer, PC- und Internet­ nutzung. Tiere sind erlaubt. Beratung und Vermittlung an weiterführende Hilfen möglich.

n Elisabeth-Fry-Haus Albert-Schweizer Straße 2, 50968 Köln (Raderthal), Tel.: 0221/99 56-43 00 Aufnahme-EFH@diakonie-michaelshoven.de www.diakonie-michaelshoven.de Notaufnahme für Frauen in Krisensituationen auch mit Kindern, Schutz, Übernachtung, Verpflegung und Beratung. Aufnahme nach telefonischer Vorankündigung möglich.

n Der Wendepunkt Frauenberatung und Gewaltschutzzentrum. Danzierstr. 142 A, 51063 Köln (Mülheim), Tel.: 0221/99 56-44 44 wendepunkt@diakonie-michaelshoven.de www.diakonie-michaelshoven.de Beratung für Frauen in akuten Krisen, (drohender) Wohnungslosigkeit, nach Gewalt und in existenziellen Notlagen. Di, Do, Fr 9-12 Uhr, Mo, Di, Do 15-18 Uhr

n Frauen gegen Gewalt e.V. – Notruf und

n agisra e.V.

Beratung für vergewaltigte Frauen Herwarthstr. 10, 50672 Köln, Tel.: 56 20 35, mailbox@notruf-koeln.de, www.notruf-koeln.de

Informations- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen Salierring 48, 50677 Köln, Tel.: 0221/124019 oder 1390392, www.agisra.org

Beratung telefonisch, persönlich und per E-Mail, Begleitung und Unterstützung nach sexualisierter Gewalt; Prozessvorbereitung und -begleitung; Rechtsberatung; Gruppenangebote

Nur für Frauen

Beratung nach Terminvereinbarung, telefonische n Haus Rosalie Sprechzeiten: Mo, Di und Do 10-15 Uhr Wohnprojekt für Frauen. Gocher Straße 45, 50733 Köln-Nippes n Café Auszeit 1 des SKF e.V. Tel.: 0221/97 30 88 88 Kontakt- und Beratungsstelle für wohnungshaus-rosalie@vinzentinerinnen.de lose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen, Mauritiussteinweg 77-79, 50676 Köln, Tel.: 0221/126 95 310 n LOBBY FÜR MÄDCHEN e.V. Duschen, Waschen, Kleidung, Postadresse, für Mädchen und junge Frauen warme Mahlzeit (1,- Euro) Beratung und Begleitung bei Problemen Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 11 – 15 Uhr; und in Krisensituationen Mittwoch 15 – 19 Uhr Mädchenberatung linksrheinisch Fridolinstr. 14, 50823 Köln-Ehrenfeld n Café Auszeit 2 des SKF e.V. Tel.: 0221/45 35 56 50 Beratungsstelle für Frauen maedchenberatung-linksrhein@lobbyAn der Fuhr 3, 50997 Köln, (EG, Gang auf der linken Seite, erste Tür links), Tel.: 02232/14 82 92, fuer-maedchen.de cafe-auszeit2@skf-koeln.de Mo bis Do: ganztägig nach Vereinbarung Jeden Di und Do offene Beratung von 10–15 Uhr; Mi 14-16 Uhr: ohne Anmeldung Di 10-11 Uhr, Do 14-15 Uhr: telefonische Do von 10 bis 12 Uhr Frauenfrühstück Beratung, Di 16-18 Uhr: kostenlose Betreuung Ess-Störungen 0800 5 03 58 85 n Comeback Notschlafstelle für Frauen, Sozialdienst kath. Mädchenberatung rechtsrheinisch Frauen e.V., Mauritiussteinweg 77-79, Buchheimer Str. 56, 51063 Köln-Mülheim 50676 Köln | Nähe Neumarkt, Tel.: 0221/890 55 47; maedchenberatung-rechtsTel.: 0221/126 95 210 rhein@lobby-fuer-maedchen.de Täglich geöffnet von 20 – 10 Uhr. Angebot für wohnungslose Frauen und Frauen in Notlagen:

Mi bis Fr: ganztägig nach Vereinbarung, Fr 14-18 Uhr: ohne Anmeldung

Foto: Christina Bacher

Foto: Sabine Rupp

n Kontakt- und Beratungsstelle am Hbf

Lobby-Restaurant LoRe, Domstr. 1, Nähe Hauptbahnhof.

n Mäc-Up Treffpunkt für Mädchen von 14-27 Jahren Gereonstr. 13, Nähe Bahnhof, 50670 Köln, Tel.: 0221/13 35 57 Essen, Trinken, Dusche, Wäsche waschen, Second-Hand-Kleidung, medizinische Versorgung, Beratung Öffnungszeiten: Mo., Mi., Do. und Fr. von 12-15.30 Uhr Di. von 10-13 Uhr, Frühstück gibt es Di. und Mi., gekocht wird Mo. und Fr.

Nur für Männer n Die Heilsarmee Sozialwerk GmbH Erik-Wickberg-Haus Marienstr. 116-118, 50825 Köln Tel.: 955609–13 koelnewh@heilsarmee.de www.heilsarmee.de/ewh Stationäre Einrichtung für wohnungslose Männer: Beratung und Unterstützung durch fachkompetente Mitarbeiter in den Bereichen: Wohnen, Arbeit, Gesundheit, Finanzen, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, Vollverpflegung und Möglichkeiten zur Selbstversorgung, Nachgehende Hilfen im „Ambulant betreuten Wohnen“, Freizeitangebote

n Notschlafstelle für Männer Johanneshaus Köln, Annostr. 11, 50678 Köln, Nähe Chlodwigplatz, Tel.: 93 12 21-54 (tagsüber) und -26 (ab 18 Uhr), jhk-notaufnahme@johannesbund.de Sozialarbeiterische Beratung, Erarbeitung einer Perspektive, Vermittlung in weiterführende Hilfen Aufnahme: Täglich (auch Sonn- u. Feiertags) ab 18 Uhr für wohnungslose Männer ab 18 Jahren

n „Reso“ – Resozialisierungsabteilung Johanneshaus Köln, Annostr. 11 50678 Köln, Nähe Chlodwigplatz Tel.: 93 12 21-54, th.klahr@johannesbund.de Hilfe für wohnungslose Männer mit sozialen Problemlagen nach § 67 SGB XII: Unterbringung, Verpflegung und Selbstversorgung, individuelle Einzelfallhilfen, Beschäftigungsangebote, Mo bis Fr.: 8-16.30 Uhr 27


FOTO: CHRISTINA BACHER

Wer denkt schon im Strom der Touristen an Suppenküchen und Kleiderkammern? Und wo können Menschen ohne Budget täglich satt werden? Wie wild sind die Nächte am Dom wirklich? Und wo kann man sich mitten in der Stadt am besten zur Ruhe legen, wenn man kein Zuhause hat? Bei dem beliebten Kölner Stadtrundgang „Der doppelte Stadtplan“ werden DRAUSSENSEITER-Verkäufer zu „Experten der Straße“.  http://www.draussenseiter-koeln.de/stadtrundgang/

tour@oase-koeln.de


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