Diplomacy and Commerce No.11

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Text: Svetlana Nenadovic Glusac

indische start-ups erfolgreich Fuss gefasst. Indien ist damit de-facto in die Digitale Seidenstraße eingetreten. TikTok, eine video app, hat mit 200 Millionen Abonnenten YouTube in Indien offenbar abgehängt. Und chinesische Smartphones wie Oppo und Xiaomi, beherrschen nunmehr den indischen Markt mit Marktanteilen von zusammen über 70%; Apple und Samsung scheinen damit (vorerst) das Nachsehen zu haben. Sie haben über Auswirkungen chinesischer Investitionen und Bauverträge im Transport-, Energie- und Versorgungssektor von 2012 bis Mitte 2019 berichtet, können Sie uns darüber eine Zusammenfassung geben?

Gemäß Angaben des China Global Investment Tracker (der Heritage Foundation, Washington D.C.) sind BRI-Investitionen (in den von Ihnen gerade erwähnten Sektoren, welche als statistische Approximation für BRI-Projektausgaben dienen können) am stärksten vertreten entweder in a) großen Nachbarländern Chinas (wie Pakistan, Russland, Kasachstan, Bangladesch, Australien, Malaysien und Indonesien) oder in b) strategisch gelegenen kleineren Ländern (z.B. Laos, Kambodscha, Kirgisien, Djibouti, Kenia, Brunei und Montenegro). Wobei man hinzufügen muss, dass im Hinblick auf das mögliche Problem der „Schuldenfalle“ kleinere Länder wahrscheinlich weniger Spielraum oder Verhandlungsmacht haben, um ihre chinesischen Partner dazu zu bewegen, beschlossene Projekte substanziell zu modifizieren, sollten die betroffenen Länder die Notwendigkeit dazu sehen. In so einem Falle kann sich ein Land, sollte es in substanzielle Liquiditätsprobleme geraten, dann nur auf den Pragmatismus der Chinesen verlassen, und/oder möglicherweise auf andere interessierte Mächte als Geldgeber (z.B. Saudi Arabien, Indien, Japan), da der Zugang zu internationalen Kapitalmärkten, westlichen Banken oder multilateralen Institutionen schwierig wäre.

Eine Studie der Europäischen Handelskammer in China zeigt, dass europäische Unternehmen kaum Möglichkeiten haben, sich an dem Megaprojekt zu beteiligen, was ist der Grund dafür?

Im Unterschied zu Infrastrukturprojekten in Europa bzw. der Europäischen Union, wo i.d.R.

eine öffentliche Ausschreibung stattfindet, scheint letzteres in China und bei den überwiegend chinesisch-finanzierten BRIProjekten nicht (immer) der Fall zu sein. Obwohl das Land seit 2001 Mitglied der Welthandelsorganisation (WHO) ist, hat sich China bisher geweigert, den Government Procurement Act (GPA) der Organisation zu unterschreiben, der eine größere reziproke Öffnung der Beschaffungsmärkte bringen könnte. Auch innerhalb der EU gibt es unterschiedliche Positionen der

Zurzeit ist der Ausbruch und die Verbreitung des Coronavirus Thema Nr. 1 auf der ganzen Welt. Wie ist Ihre Meinung? Werden sich die Folgen der zunehmend globalen Epidemie auf die Wirtschaft auswirken, insbesondere auf China und die Pläne für die Neue Seidenstraße, und wenn ja, wie?

Seit Jänner/Februar 2020 sind in der Tat sowohl die Wirtschaft Chinas als auch die Belt and Road Initiative, wie oben bereits in verschiedenen Zusammenhängen erwähnt, durch

Antwort auf die chinesische Initiative wurden einige teilweise rivalisierende internationale InfrastrukturEntwicklungsprogramme ins Leben gerufen, so vor allem von Japan (ca. USD 200 Mrd, 2015), den USA (USD 60 Mrd, 2019), und der Europäischen Union (EUR 13 Mrd, 2019); die zur Verfügung gestellten Gelder für die jeweiligen Programme sind jedoch zu bescheiden, um ernsthaft mit den BRIFinanzen konkurrieren zu können. Mitgliedsländer in Bezug auf die geforderte Stringenz eines Screenings (Bewilligungspflicht) für ausländische Direktinvestionen. Mittel- und osteuropäische Länder, die noch erheblichen infrastrukturellen Aufholbedarf haben, sind tendenziell offener, auch für preisgünstige Offerten und Invesitionen großer chinesischer Staatskonzerne, als westeuropäische Länder, die stärkere Bedenken haben gegenüber wettbewerbsverzerrenden Subventionen oder möglichen chinesischen Übernahmen heimischer high-tech-Firmen. Eine Variante, Divergenzen (teilweise) zu überbrücken und eine Zusammenarbeit und sogar Synergieeffekte mit der BRI herbeizuführen, wäre ein stärkere europäische finanzielle Beteiligung (z.B. 50%?) an BRI-Projekten in Europa oder auch z.B. in Westbalkanländern oder Ländern der östlichen Nachbarschaft, insoweit letztere einverstanden sind. Damit erhielten diese Projekte auch eine übergreifende institutionelle Basis (EUChina), und ein anderes Niveau der operativen Zusammenarbeit im globalen Infrastrukturausbau würde erreicht. Eine Schwierigkeit dabei ist, von Seite der EU/ der europäischen Länder hinreichende Finanzmittel aufzutreiben; eine ganz andere aktuelle ist natürlich, dass die Bekämpfung der Coronavirus-Krise auch in Europa momentan absolute Priorität hat.

den Ausbruch der Coronavirus-Seuche in eine schwere Krise gestürzt bzw. zumindest vorübergehend zum Stehen gebracht worden. Dies gilt bisher (zweite Hälfte März) vor allem für asiatische Nachbarländer Chinas, z.B. Kambodscha (BRIProjekt Sihanoukville), Malaysien (East Coast Rail Link), Indonesien (Jakarta-Bandung high speed rail), Myanmar (Kyaukpyu deep sea port), Bangladesch (Padma bridge), Nepal und Sri Lanka, ferner für einige afrikanische Länder, wie Äthiopien und Nigerien. Aus Iran hat China viele Staatsbürger repatriiert. Die Transportleistung der globalen Schiffahrtsbranche hat im Februar das niedrigste monatliche Niveau der Wirtschaftskrise von 2008/2009 unterschritten. Probleme dürften sich auch bei den meisten anderen BRI-Kooperationspartnern, darunter in Europa, bemerkbar machen. Hier rächt sich in gewisser Weise die starke China-Importabhängigkeit der Neuen Seidenstraße: Da die allermeisten Projekte vor Ort überwiegend von chinesischen Arbeitern und Managern durchgeführt werden und von chinesischen Zulieferungen und Technologie abhängig sind, steht ein Belt and Road-Projekt sofort still oder verzögert sich, sobald der Zufluss chinesischer Arbeitskräfte (z.B. durch Einreisebeschränkungen) oder chinesischer Zulieferungen (z.B. durch Fabriksschließungen oder Herunterfahren der Produktion) ins Stottern gerät.

Anfang März wies Staatspräsident Xi Jinping die Chinesische Entwicklungsbank (CDB) an, Firmen, die in BRI-Projekten tätig sind und vom Ausbruch der Seuche betroffen wurden, finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Grundsätzlich wird China wegen des erlittenen schweren wirtschaftlichen Rückschlages viele Mittel prioritär in die Erholung und den Umbau der eigenen Wirtschaft investieren müssen. Auch viele Projektländer und BRIMitglieder werden wohl anderen dringenderen Fragen zumindest kurzfristig Vorrang einräumen müssen gegenüber BRI-Projekten. Unabhängig davon, wie rasch sich die lokale Situation nach der Coronavirus-Krise normalisiert, wäre die Neue Seidenstraße vermutlich weniger exponiert, und sicher auch populärer, wenn sie stärker auch lokale Arbeitskräfte und Inputs mit einbeziehen würde. Dem entspräche auch ein größerer lokaler finanzieller Beitrag, was aber sicher nicht überall leicht zu realisieren wäre. In jedem Falle, bedenkt man die weiten Dimensionen und das geringe Alter der BRI, sind chinesische Investoren und ihre Partner dabei, vieles durch Versuch, Irrtum und Erfahrung zu lernen. Das schließt chinesische Hilfsflüge (mit hunderten Ärzten und dutzenden Tonnen medizinischer Güter und Ausrüstungen) nach Pakistan, Sri Lanka, in den Iran und den Irak, sowie in zahlreiche europäische Staaten, darunter das am stärksten in Mitleidenschaft gezogene BRI-Partnerland Italien mit ein, vor dem Hintergrund, dass in China gottseidank erste Erfolge im Kampf gegen die Seuche vermeldet werden. Inzwischen sind auch EU-Mitgliedstaaten dabei, sich gegenseitig mit verschiedenen praktischen Hilfen beizustehen. Ferner schickt sich Beijing offenbar an, Finanzhilfen für einige von der Pandemie betroffene/ bedrohte Länder freizugeben. So traf die Chinesische Entwicklungsbank (CDB) Mitte März zwei Vereinbarungen mit dem hochverschuldeten Sri Lanka über die Vergabe von USD 1.2 Mrd vergünstigter Kredite für Infrastrukturmodernisierung, Budgetstabilisierung, Schuldendienst und Kampf gegen den Coronavirus. Die in Beijing angesiedelte multilaterale AIIB hat bis Ende März von 20 ihrer 78 Mitglieder Bitten um Finanzhilfen im Kampf gegen die Seuche erhalten. Die Institution plant, mindestens USD 5 Mrd für diesen Zweck an Mitgliedsländer zu verleihen. 13


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