Die Beste Zeit Nr. 8

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schnitte eines modernen Musikstückes in Körperbewegungen zu übertragen. Dazu wird etwa mit dem Ellenbogen ein Kreis beschrieben oder mit dem Knie ein imaginärer Rhombus auf den Boden gemalt, oder man schreitet eine bestimmte Form im Raum ab. Dann positioniert sich die Gruppe auf dem Boden zu einem Quadrat oder zum Kreis oder baut ein Haus mit ihren Körpern. Auf diese anschauliche Weise kann man Kindern durch Körpererfahrung musikalische und mathematische Formen vermitteln, lange bevor diese in der Schule erlernt werden können. Den Beginn einer weiteren Übung gibt die Dozentin vor: Alle nehmen ihr Instrument und legen es auf einen Stuhl. Notenpulte stehen davor, Notenblätter liegen auf dem Boden. Es ist vollkommen still. Nun soll jeder ein Notenblatt auswählen und in irgendeiner Weise damit in Interaktion treten, sogar Flieger

Bewegung/Tanz

dürfen gebaut werden. Jetzt wird die Stille durch verschiedene Papiergeräusche unterbrochen. Schließlich geht jeder an seinen Platz und spielt nach aleatorischen Prinzipien aus „seinen“ Noten, entweder irgendwelche Takte oder Zeilen, einmal, mehrmals oder rückwärts, ganz nach Wunsch, auch dann, wenn das Notenblatt soeben zu einem Papierschiffchen geworden ist. Nach einem zweiten Durchgang werden brauchbare Ergebnisse fixiert, und die Studenten, die zugleich in die Rolle des Lernenden und des Lehrenden schlüpfen, sollen sich Gedanken darüber machen, wie es weitergehen könnte. Die Improvisation bleibt also kein Selbstzweck, sondern es wird immer reflektiert, was passiert, selbst dann, wenn es „nur“ ein Ausprobieren war. Damit kreative Prozesse gelingen, in die alle Sinne integriert sind, bedarf es einer Atmosphäre der Ruhe und des Vertrauens. Der Lehrende

muss alles zulassen können, aufmuntern und anregen. Aus gutem Grund ist die Teilnahme an diesen Fächern für Studierende des Bachelor of Music in Education Pflicht. Die gewonnenen Erfahrungen können unmittelbar erprobt werden, denn die Musikhochschule kooperiert mit städtischen und privaten Musikschulen. Ein besonderer Höhepunkt ihrer Arbeit war für Frau Vogel und ihre Studierenden die Zusammenarbeit mit der Pina Bausch Tänzerin Ruth Amarante, die auf eigenen Wunsch mehrere Wochen lang in der Gruppe hospitiert hat. Weniger improvisiert und reflektiert wird bei Joanna Jankowska, die Bühnentanz lehrt. Ihr Unterricht orientiert sich am klassischen Ballett: Alle Positionen und Schrittfolgen sind genau definiert und werden in französischer Sprache angegeben. Das bedeutet nicht, dass weniger gelacht wird, auch, wenn der Schweiß fließt. „Meine Arbeit macht mir Freude, wenn

Foto: Michael Büsching

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