Die Beste Zeit Nr.34

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DIE BESTE ZEIT Das Magazin für Lebensart

Ausgabe 34, 2015 - 3,50 Euro

Von blinder Gewissheit Maike Freess-Ausstellung Kunsthalle Barmen

Johannes-Passion

…mit Felix Mendelssohn

im Wuppertaler Opernhaus, von F. Gerwinn

Konzert „Saitenspiel“ in der Stadthalle

Lynn Chadwick

Grit und Wil Sensen

Museum Ludwig

Ausstellung im Skulpturenpark

Wuppertaler Künstlerehepaar, von A. Linsel

Bernhard Schultze zum 100.

Peter Kowald in Sibirien von D. Rauschtenberger und H. Bontrup

Malerei als Poesie

Botanischer Garten Wuppertal

Miró-Ausstellung im K20 Düsseldorf

von Antonia Dinnebier

ISSN 18695205

Wuppertal und Bergisches Land

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Barbara Neusel-Munkenbeck und die Urne “moi“

Keine Angst vor Berührung

seit 1813

Alles hat seine Zeit. Berliner Straße 49 + 52-54 · 42275 Wuppertal · www.neusel-bestattungen.de Tag

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und Nacht 66 36 74


Editorial Liebe Leser der Besten Zeit, nachdem ich vor 3 Jahren gesundheitsbedingt bereits meine Arbeit mit der Galerie Epikur eingestellt habe, steht nun auch das Ende meiner Tätigkeit als Inhaber der Druckerei HP Nacke unmittelbar bevor. Mit fast 70 Jahren fühle ich mich gesundheitlich auf lange Sicht gesehen nicht mehr in der Lage, den täglichen Anforderungen und der Verantwortung meinen Mitarbeitern gegenüber gewachsen zu sein. Es ergab sich jetzt unvorhergesehen die Möglichkeit, meinen Betrieb mit fast allen Mitarbeitern zu übergeben. Zum 1. September übernimmt Matthias Harzen meine Druckerei und führt das Unternehmen in der Wuppertaler Linderhauser Straße weiter. Ich habe mir den Entschluss, die Leitung meines Betriebs aufzugeben, nicht einfach gemacht, und es war ein weiter Weg bis zur endgültigen Entscheidung. Es geht letzten Endes auch um die Menschen, die mich jahrelang mit ihrem Fachwissen unterstützt und durch alle Höhen und Tiefen der Branche begleitet haben. Als ich 2009 voller Euphorie die Idee umsetzte, ein regionales Kulturmagazin herauszugeben, war ich der Überzeugung, dass genau eine solche Publikation in unserer Stadt fehlte. Ausführlich über die verschiedenen Themen aus dem kulturellen Leben Wuppertals zu berichten, war das angestrebte und erreichte Ziel von „Die Beste Zeit“ - nicht als Konkurrenz zur Tagespresse, sondern als zusätzliche und kompetente Informationsquelle. Leider hat sich das Magazin nur bei einem sehr kleinen Leserkreis etabliert und ist weit davon entfernt geblieben, je kostendeckend zu arbeiten. Dennoch waren es beinahe sechs schöne, erfüllte Jahre voller interessanter Menschen, Themen und Begegnungen. Mir hat diese Arbeit stets sehr viel Freude gemacht und ich danke vor allem den Autoren, die unermüdlich und mit viel Engagement daran mitgewirkt haben. Dank aber auch den Inserenten, wie Barbara Neusel-Munkenbeck, Frank Marschang, den Wuppertaler Stadtwerken, Rinke Treuhand und der Stadtsparkasse Wuppertal, die das Projekt von der ersten Ausgabe an mit Ihren Anzeigen unterstützt haben. Den später hinzugekommenen Unternehmen wie Knipex, Saitenspiel, Schloss Lüntenbeck oder dem Skulpturenpark sei ebenfalls herzlich gedankt. Alle haben mich über die Jahre motiviert und immer wieder zum Durchhalten bewogen. Wegen des mit der Übergabe des Druckereibetriebs verbundenen Wegfalls der Produktionsmöglichkeiten werde ich mir zukünftig die Herausgabe der „Besten Zeit“ nicht mehr leisten können. Deshalb halten Sie heute mit dem Heft 34 die letzte Normalausgabe der „Besten Zeit“ in den Händen - es folgt noch eine schon vorbereitete Sonderausgabe zum Thema Oskar Schlemmer und seinen Fensterbildern mit den Wuppertaler Literaten. Es ist mir ein Anliegen, mit diesem ambitionierten Projekt dann das Kapitel „Die Beste Zeit“ hochwertig abzuschließen. Ihnen noch einmal viel Freude und Genuss mit dieser letzten regulären Ausgabe für mich ein wehmütiger Augenblick. Ihr HansPeter Nacke

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Maike Freess, Insomnia 2 - Geteert / Gefedert, 2004 (Detail), Privatsammlung Berlin

MAIKE FREESS VON BLINDER GEWISSHEIT 30.8.2015 - 3.1.2016

VON DER HEYDT

KUNSTHALLE WUPPERTAL-BARMEN

Martin und Karolina Becker

Impressum Die Beste Zeit erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land Erscheinungsweise: alle zwei Monate Verlag HP Nacke Wuppertal - Die Beste Zeit Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal Telefon 02 02 - 28 10 40, E-Mail: verlag@hpnackekg.de V. i. S. d. P.: HansPeter Nacke Ständige redaktionelle Mitarbeit: Frank Becker, Thomas Hirsch, Matthias Dohmen, Susanne Schäfer, Karl-Heinz Krauskopf Darüber hinaus immer wieder Beiträge von: Marlene Baum, Heiner Bontrup, Antonia Dinnebier, Beate Eickhoff, Fritz Gerwinn, Klaus Göntzsche, Johannes Vesper und weiteren Autoren Erfüllungsort und Gerichtsstand: Wuppertal

Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich. Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann keine Gewähr übernommen werden. Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder Unterlassungen keine Haftung übernommen. Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt. Titelfoto: Maike Freess, Insomnia 3 – Le Dîner, 2004, Farbfotografie, 122 x 139 cm (Ausschnitt) in der Kunsthalle Barmen

Saitenspiel …mit Felix Mendelssohn

in der Historischen Stadthalle Wuppertal So. 27. 09. 2015, 18.00 Uhr Béla Bartók: Streichquartett Nr. 3 Felix Mendelssohn Bartholdy: Streichquartett a-Moll op. 13 Wolfgang Amadeus Mozart: Klarinettenquintett A-Dur KV 581

VVK: KulturKarte Tel. 02 02 .563 76 66 Veranstalter: Historische Stadthalle Wuppertal GmbH Die Konzertreihe „Saitenspiel“ wird ermöglicht mit freundlicher Unterstützung von Detlef Muthmann

www.saitenspiele.eu

Goldmund Quartett Pablo Barragán, Bassettklarinette

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Saitenspiel


Inhalt Ausgabe 34, 7. Jahrgang, August 2015 Von blinder Gewissheit Ausstellung von Maike Freess in der Von der Heydt-Kunsthalle Barmen

Seite 6

SubCulture klassische Musik in Downtown Manhattan von Stefan Altevogt

Seite 60

Lynn Chadwick Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden von Blain|Southern

Seite 10

Trombeck die Geschichte des Schlagzeugers von Heiner Bontrup

Seite 65

Mit Peter Kowald in Sibirien von Dietrich Rauschtenberger und Heiner Bontrup

Seite 15

Botanischer Garten 125 Jahre Botanischer Garten Wuppertal von Antonia Dinnebiert

Seite 69

Gebrochene Utopie Beethovens Fidelio in Hagen von Fritz Gerwinn

Seite 22

Nate McBride ein „normaler“ Architekt in New York von Stefan Altevogt

Seite 74

Noch kein Fazit Gedicht von Pia-Monika Nittke Foto von Elisabeth Heinemann

Seite 26

Rhodos Abseits der Reiseführer von Angelika Zöllner

Seite 79

Johannes-Passion Aufführung im Wuppertaler Opernhaus von Fritz Gerwinn

Seite 28

Seite 80 Schönheit, Eleganz, Botschaft Bundesjugendballett Tanz-Gala in Remscheid von Frank Becker

Grit und Wil Sensen Künstlerehepaar in Wuppertal von Anne Linsel

Seite 32

Unforgettable Uni-Konzert unter Christoph Spengler von Frank Becker

Seite 82

Malerei als Poesie Joan Miró-Ausstellung im K20 in Düsseldorf

Seite 36

Ruth Tauchert - Vergöttert im Akademischen Kunstmuseum Bonn von Rainer K. Wick

Seite 84

Romeo & Julia Eine Wuppertaler Neuinszenierung von Ruth Eising

Seite 43

Matthias Dohmen Ein Portrait von Iris Rau

Seite 87

Seite 45 Schwärende Wunden „Der Vorname“ im Wuppertaler TiC Theater von Frank Becker

Bauerntrampel von Karl Otto Mühl

Seite 90

Sunays Comingout als Mensch oder: Der Neue West-Östliche Divan von Heiner Bontrup

Der Geburtstag Das Letzte Kapitel von Dorothea Müller

Seite 92

Seite 47

Seite 50 Bernard Schultze Ausstellung im Museum Ludwig in Köln von Stephan Diederich und Barbara Herrmann Stadthallen Jubiläum von Klaus Göntzsche

Seite 55

Seite 57 ...mit Felix Mendelsohn Konzertreihe „Saitenspiel“ Stadthalle Wuppertal von Elisabeth von Leliwa

Seite 94 Paragraphenreiter Interessantes zum Thema Steuern und Recht von Susanne Schäfer Alles stirbt. Auch die Freunde sterben „Totenwache“ von Karl Otto Mühl Buchbesprechung von Frank Becker

Seite 95

Neue Kunstbücher Geschichtsbücher, Buchgeschichten Kulturnotizen

Seite 96 Seite 98 Seite 100

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Von blinder Gewissheit Ausstellung Maike Freess in der Von der Heydt-Kunsthalle Barmen 30. 8. 2015 – 3. 1. 2016 Die Ausstellung nach der Sommerpause widmet die Von der Heydt-Kunsthalle Barmen einer vielseitigen Künstlerin aus Berlin. Maike Freess zeigt Zeichnungen, Fotografien, Videos und Installationen.

Das Blaue vom Himmel, 2011, Skulptur, verschiedene Materialien, 155 x 166 x 90 cm

Ausgangspunkt der Arbeiten von Maike Freess ist der Mensch in seiner unvollkommenen, begrenzten und instabilen Natur, sein Verhältnis zu sich, zu seiner Umgebung, zu anderen Menschen und zur Gesellschaft. Ihr Thema ist die Ambiguität der menschlichen Psyche. Indem sie „psychologische Räume“ entwirft, analysiert die Künstlerin (geb. 1965) Verhaltensmuster, Rituale, gesellschaftliche Normen und Zwänge. Um ihre existentiellen Fragen zu stellen, setzt Maike Freess ganz verschiedene Techniken wie Zeichnung, Fotografie, Videoinstallation, Skulptur und Installation ein. Die Ausstellung in der Von der HeydtKunsthalle ermöglicht nun, ihr formal gegensätzliches, faszinierendes Werk erstmals so umfangreich im Zusammenhang zu sehen. Das Wechselspiel der Kunstgattungen zeigt neue Sichtweisen auf und beleuchtet Maike Freess‘ Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Das zentrale Motiv in allen Medien ist die menschliche Figur, die meist in einer Traumwelt gefangen zu sein scheint. Die Künstlerin stellt alles, was uns vertraut erscheint, grundlegend infrage. Sie führt den Irr-Sinn vor, den man für die Logik der Realität hält. Bei den großformatigen und präzise durchgearbeiteten Zeichnungen dominieren das klassische Kopf- und das Ganzfigurenporträt. In den Fotografien inszeniert sich die Künstlerin häufig selbst in irrealen Situationen – das Ergebnis sind kritische Selbstporträts, die in der Kunstgeschichte eine lange Tradition haben.

Foto Maike Freess: Maike Freess

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Puls schweigt, 2015 Bleimine und paper cut-out auf Papier, 200 x 100 cm

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Trap, 2012/2013, (Detail), Öl, Bleimine, paper cut-out auf Papier, 216 x 149 cm

Auch die an absurdes Theater erinnernden Videoszenen erzählen vom Scheitern der Kommunikation. Menschen arbeiten sich aneinander ab und finden nicht zueinander. Es geht um Isolation und Ohnmacht in einer kontaktarmen, sich immer stärker inszenierenden Welt. Die Künstlerin thematisiert so individuelles und gesellschaftliches Sein und Handeln, besonders auch vor dem Hintergrund kultureller und sozialer Differenz. Der Hintergrund, egal ob bei Zeichnung, Fotografie oder Video, bleibt vage und undefiniert. Maike Freess schafft Räume, die nur wie Wirklichkeit anmuten und dadurch Irritationen erzeugen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Kettler Verlag mit Texten von Gerhard Finckh, Beate Eickhoff, Thomas Hirsch, Jeanette Zwingenberger und anderen, 15 Euro. Von der Heydt-Kunsthalle Barmen Geschwister-Scholl-Platz 4-6 42275 Wuppertal Öffnungszeiten: Di-So 11 – 18 Uhr Eintritt: 3 Euro / ermäßigt 2 Euro www. von-der-heydt-kunsthalle.de

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Lynn Chadwick Im Skulpturenpark Waldfrieden Lynn Chadwick (1914-2003) Ausstellung vom 18. Juli bis 18. Oktober 2015

Links: Trigon, 1961, Bronze, 250 x 66 x 61 cm (c) Courtesy of The Estate of Lynn Chadwick and Blain|Southern, Photo: Jonty Wilde Unten: Dancing Figures (Two Dancing Figures) 1956, Bronze, 184 x 110 x 69 cm (c) Courtesy of The Estate of Lynn Chadwick and Blain|Southern, Photo: Jonty Wilde

Lynn Chadwick war einer der führenden englischen Bildhauer der Nachkriegszeit. Er ist bekannt für seine Metallarbeiten, die sowohl vom menschlichen Körper als auch von der Natur inspiriert wurden. Viele seiner Werke bewegten sich sehr nahe an der Abstraktion. Geboren wurde er 1914 in Barnes, London, 2003 starb er im Alter von 88 Jahren in seinem Haus im Lypiatt Park, Gloucestershire. Chadwick wurde auf der Biennale di Venezia 1952 im englischen Pavillon erstmalig einem internationalen Kunstpublikum vorgestellt – als Künstler einer neuen Generation britischer Bildhauer. Diese jungen Künstler überraschten durch ihre Abwendung von der bisher dominanten bildhauerischen Tradition (wie etwa der Schnitzerei) und deren Materialien (wie etwa Marmor, Holz oder Stein). Sie verwendeten Eisen, Gips und industrielle Materialien, zeigten raue, gezackte Formen und befassten sich mit der Dematerialisierung der Masse und der Dynamik der Linie. Es war eine Sensation als Lynn Chadwick 1956 mit dem begehrten Preis für Skulptur auf der Biennale Venedig geehrt wurde. Er

war damals der jüngste Bildhauer, dem diese Auszeichnung verliehen wurde. Daraufhin gewann er zunehmend an internationalem Ansehen und wurde 1964 zum Commander of the Order of the British Empire (CBE) in der New Year Honours List ernannt. Chadwicks Skulpturen und Zeichnungen finden sich heute in zahlreichen renommierten Museen. Obwohl Lynn Chadwick erst mit 32 Jahren angefangen hatte, als Bildhauer zu arbeiten, umfasste seine Karriere einen Zeitraum von fast 50 Jahren. Zur Bildhauerei kam er über einen eher unkonventionellen Weg. Seine Karriere begann nicht an einer Kunstschule, sondern in einem Architekturbüro als Bauzeichner. Nach seinem Dienst als Pilot in der Luftflotte der Royal Navy (1941 bis 1944), kehrte er zurück zu seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Londoner Architekten Rodney Thomas. Bevor er den Weg zur Bildhauerei fand, beschäftigte er sich mit Ausstellungsdesign – eine Arbeit, die auch Konstruktion beinhaltet. Mit der Unterstützung von Thomas erstellte Chadwick zusammenhängende, balancierende Formen, die im Raum schwebend von der Decke hingen – seine ersten Mobiles.

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Watcher V, 1960-61, Bronze, 139 x 36 x 25 cm (c) Courtesy of The Estate of Lynn Chadwick and Blain|Southern, Photo: Peter Mallet Nur wenige dieser frühen Arbeiten sind erhalten geblieben; diese oft fischähnlichen, manchmal gefärbten Objekte fertigte er aus Draht, Balsaholz, Kupfer- und Messingelementen. Sie wurden damals als Dekoration für Ausstellungsstände verwendet. Später entwickelte er eine Bodenstütze für die Mobiles und wandelte sie zu Stabiles um. Zeitgleich entwarf er auch Stoffe und Möbel. Mit seinem bescheidenen Einkommen aus dem Stoff- und Ausstellungsdesign war es Chadwick möglich, sich im Alter von 32 Jahren selbstständig zu machen und 1946 von London nach Gloucestershire zu ziehen, wo er sich viel wohler fühlte als in der Großstadt. Dort begegnete er vielen Menschen, die seine Zukunft entscheidend beeinflussten. So etwa dem Besitzer der Gimpel Fils Gallery in London, bei der er 1949 seine ersten Mobiles im Schaufenster ausstellte. 1950 hatte er seine erste erfolgreiche Einzelausstellung – im Alter von 36 Jahren. Für weitere Aufträge, einschließlich der Arbeit Cypress für das Festival of Britain, 1951, wurde es erforderlich, dass er großformatiger und mit Metall arbeitete. Während dieser Schaffensperiode befasste sich Chadwick besonders mit den Bodenstützen seiner Stabiles, welche skulpturaler waren und schließlich zu Skulpturen ohne bewegliche Elemente wurden. Er musste lernen zu schweißen und sich neue Techniken aneignen, um architektonische oder technische Lösungen für die Konstruktionen seiner Skulpturen zu finden. Er verwendete keinen Lehm oder andere formbare Materialien und war eher Konstrukteur als Skulpteur. „Ich war nie wirklich von Lehm als Material für meine Arbeiten fasziniert, weil es zu unklar und zu weich für mich ist. Mir fällt nicht ein, welche Form Lehm haben sollte, ich meine es könnte jede Form annehmen, deswegen weiß ich nicht was ich damit machen soll. Doch wenn ich meine Konstruktionen aus Eisen und geraden Linien mache, kann ich eine Zeichnung anfertigen, eine dreidimensionale Zeichnung, für dieses Material, das eine sehr konkrete Form hat.“ (Lynn Chadwick, British Library National Sound Archive, 1995)

Form, Haltung, Linie, Balance und Attitüde – Charakteristika von Chadwicks Skulpturen – erreichte er durch diese einzigartige Arbeitsweise. Ein Architekt mag Linien auf ein Blatt Papier zeichnen, doch Chadwick entwickelte eine Technik, bei der er Stahlstangen kreuz und quer mitten im Raum zusammenschweißte und dadurch eine dreidimensionale Form im Raum (ein Innengerüst) erschuf, ähnlich der Rahmenkonstruktion eines Architekten. Er skizzierte seine Projekte nicht. Die Skizzen in seinem Arbeitsbuch entstanden erst, nachdem die Arbeiten fertig waren, als eine Art Protokoll. Seine Innengerüste aus zusammengeschweißten Stangen füllte er mit Stolit, einer industriellen Mischung aus Eisen und Gips, die nass verarbeitet wird. Im trockenen Zustand wurden die Flächen dann ziseliert, um die vom Künstler gewünschte Oberflächenstruktur zu erreichen – manchmal strukturiert, manchmal glatt – gleichsam einer Haut. Die ursprünglichen Stangen blieben jedoch erkennbar. Oft beschrieb er diese Skulpturen als Krabben, bei denen die Knochen äußerlich sichtbar sind. Diese Art von externem Gerüst ist ein stilprägender Bestandteil von Chadwicks Kunst. Der Bildhauer arbeitete beim Schweißen alleine und hatte nur gelegentlich Assistenten, die ihm beim Füllen der Gerüste von größeren Arbeiten halfen. Es war ein mühseliger und zeitaufwendiger Prozess. Das Material reagierte empfindlich auf Luftfeuchtigkeit und dies führte oft zu Verzerrungen oder sogar zum Bruch der Skulpturen. Sobald eine Skulptur beschädigt war, ein Bein verbogen oder die Skulptur vielleicht schief war, ging die für Chadwick entscheidende Attitüde verloren. „Das Wichtigste bei meinen Figuren ist immer die Attitüde. Was die Figuren durch ihre eigentliche Haltung ausdrücken. Sie sprechen sozusagen und das ist etwas, was viele Menschen nicht verstehen.“ (Barrie Gavin Interviews, „Chadwick“ HTV West, 1991) Obwohl Chadwick mit seiner Konstruktionsmethode fortfuhr, entschied er sich 1950, mit dem beständigeren Medium Bronze zu arbeiten. Das ermöglichte es ihm, Editionen herzustellen. Die Oberfläche des Gusses wurde bearbeitet, um die feinen Farbnuancen zu erreichen, die Chadwick je nach Thema

der Arbeit suchte – manchmal in grünlichen oder goldenen Tönen, später goss er auch in Silber und Gold. Seine einzigartige Konstruktionsmethode bestimmt Chadwicks persönliches Werk: multiple Stangen zu dünnen Köpfen zusammengeschweißt, Beine und Umhänge in seinen späteren Werken. Mit dieser Arbeitsweise hatte er die Möglichkeit, endlose Variationen zu gestalten. Er würde sagen, dass es ihm nicht um ein bestimmtes Thema ging, sondern vielmehr darum, ein „Problem“ zu lösen, bevor er sich wieder anderen Dingen widmen konnte. Schaut man heute auf sein Schaffenswerk zurück, erkennt man die Entwicklung seiner Arbeit von den Mobiles und Stabiles der frühen 50er-Jahre hin zu den tierischen Formen und schließlich zu den figurativeren Skulpturen. Chadwick war sich bereits 1955 über diese Richtung bewusst, wie er in seinem Künstlerstatement für die Gruppenausstellung „The New Decade“ im Museum of Modern Art, New York, sagte: „Wenn ich auf meine Arbeit über einen Zeitraum zurückschaue, kann ich eine Entwicklung sehen, von den Mobiles und Konstruktionen über die getriebenen Formen mit Gliedmaßen bis hin zu den massiven Formen, an denen ich momentan arbeite. Es scheint, als ob es eine bewusste Kontinuität gäbe, als ob die Mobiles eine Art Recherche in Raum und Volumen waren und die Konstruktionen die Möglichkeit, die einzelnen Teile zusammenzufügen und sie im Raum zu fixieren. Und dass schließlich diese Konstruktionen zu Gerüsten für die festen Formen wurden – wobei die Eisenrahmen der Konstruktionen immer noch die Masse skizzieren und als Spannungslinien wirken.“ In den 60ern interessierte sich Chadwick für abstrakte und menschliche Formen – später untersuchte er genau, wie sich Figuren bewegen und welche Haltungen sie einnehmen können. Während der 70er und 80er fing er an, diese Figuren zu standardisieren. Er entwickelte eine eigene Bildsprache. Alle männlichen Figuren hatten rechteckige und die weiblichen dreieckige Köpfe (oder wehendes Haar wie bei „High Wind“). Selbst bei den abstraktesten und geometrischen Arbeiten Chadwicks gibt es meistens Anspielungen auf natürliche Formen, welche die Lebendigkeit der Skulpturen verstärken

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Teddy Boy and Girl II, 1957, Bronze, 208 x 65 x 60 cm (c) Courtesy of The Estate of Lynn Chadwick and Blain|Southern, Photo: Jonty Wilde

und ihnen so Vitalität verleihen. Auch Bewegung findet man bei Chadwicks Arbeiten: besonders bei den Mobiles und Stabiles, eher angedeutet bei „Winged Figures“, „High Wind“ und vielen anderen. Chadwick kreierte hauptsächlich Einzelfiguren oder Paare, gelegentlich auch Gruppen bestehend aus drei Figuren. Um die „Attitüde“ der Figuren wahrnehmen zu können, mussten sie auf der richtigen Höhe ausgestellt werden. Idealerweise sollte der Kopf der Skulptur ungefähr auf Augenhöhe sein. Die Figuren sollten sowohl miteinander als auch mit dem Betrachter kommunizieren. Überraschend bei all seinen

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Arbeiten ist, wie personenbezogen und zeitlos sein Werk geblieben ist – seine Arbeiten können immer wieder mit einem neuen Publikum kommunizieren. Chadwick überließ die Interpretation seiner Werke anderen und analysierte sie nicht. Er war ein zurückhaltender Mensch, gab nur wenige Interviews und bevorzugte es, die formalen und praktischen Aspekte seiner Skulpturen zu thematisieren statt deren Bedeutung. Er sprach oft über das Gefühl, dass er bloß ein Handwerker sei. In einem Interview von BBC Home Service, publiziert im The Listener

am 21. Oktober 1954 sagte er: „Für mich scheint es, dass Kunst die Manifestation einer Lebenskraft ist, die aus dem Dunklen kommt, gefangen durch die Vorstellung des Künstlers und durch sein Können und Talent übersetzt wird. Egal, wie die finale Form aussieht, die Kraft dahinter ist … unteilbar. Wenn wir über diese Kraft philosophieren, verlieren wir sie aus den Augen. Der Intellekt ist immer noch zu ungeschickt, um dies zu begreifen.“

Blain|Southern www.skulpturenpark-waldfrieden.de


Mit Peter Kowald in Sibirien Anfang April 1991 lud der Wuppertaler Kontrabassist Peter Kowald den Schlagzeuger Dietrich Rauschtenberger ein, mit ihm nach Sibirien zu fahren. Die beiden Musiker kannten sich seit 1961, als Kowald Mitglied eines von Rauschtenberger und dem Saxofonisten Peter Brötzmann gegründen Freejazz-Trios der ersten Stunde gewesen war.

Anlass der Sibirienreise war die Hochzeit der tuwinischen Sängerin Sainkho Namchylak mit dem Wiener Saxofon- und Klarinettenspieler Georg Graf in ihrer Heimat Tuwa. Während dieser Reise sollte ein Konzert in Moskau gegeben werden, das vom russischen Fernsehen aufgezeichnet wurde. Danach ging es mit der Transsibirischen Eisenbahn weiter bis nach Atschinsk, und von dort durch das Sajan Gebirge bis nach Kysyl, der Provinzhauptstadt der damaligen sowjetischen Teilrepublik Tuwa. Tuwa liegt an der Grenze zur Mongolei und ist berühmt für seine Oberton-Sänger. Die Reise begann am 2. Mai und endete am 19. Mai. Dietrich Rauschtenberger lernte auf dieser Reise Menschen und Musiker kennen, die ihm die tuwinische Kultur und Landschaft näherbrachten und – wie Rauschtenberger schreibt – sein Musikverständnis nachhaltig vertieft und sein Leben reicher gemacht haben. Rauschtenberger, der auch Schriftsteller ist, und in seinem jüngsten Roman „Trombeck“ das soziokulturelle Klima, in dem der Free Jazz in Deutschland entstand, beschrieben hat, reflektiert in seinen Erinnerungen diese ungewöhnliche Reise. Entstanden sind einfühlsame und zugleich poetische und genaue Portraits von Menschen und Landschaften. Zugleich ist dieser literarische Reisebericht eine Zeitreise in die Sowjetunion vor ihrem Zerfall, der die Stimmung und Atmosphäre jener Zeit einfängt. Im Verlag HP Nacke erscheint in Kürze ein Buch mit dem vollständigen Reisebericht sowie Fotografien, die Rauschtenberger während dieser Reise gemacht hat. Die Beste Zeit veröffentlicht hier als Leseprobe Auszüge aus dem sehr lesenswerten Buch „Mit Kowald nach Sibirien“. Schlamm In Omsk hat der Zug einen langen Aufenthalt. Wir nutzen die Gelegenheit, uns auf dem Bahnsteig mit Lebensmitteln zu versorgen: Kefir, Ölgebäck, leckere Teigtaschen gefüllt mit

einem Brei aus Quark, Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch. Dann geht es weiter. In den zwei Tagen, die wir unterwegs sind, hat sich eine Routine des Zuglebens entwickelt: Heike malt und zeichnet. Georg spielt Querflöte.

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Sainkho organisiert und dolmetscht. Kowald ist die Mutter der Kompanie und schmiert Brote. Ich liege auf der Pritsche, lese und schaue aus dem Fenster. Es regnet. Neben der Eisenbahntrasse verläuft ein Streifen feuchtes Grasland, auf dem sich Trolle mit grünen Haaren versammelt haben, um den vorbeibrausenden Zug zu beobachten. Es sind die Stümpfe von abgeholzten Birken, sie tragen Perücken aus Moos. Dazwischen lange, dünne Kerle aus Holzmasten auf Betonstelzen, die mit ausgestreckten Armen Telegrafendrähte spannen. An den Böschungen der Gräben entlang der Bahntrasse glitzern Schneewehen, die wie silberne Fische zwischen den Birken schwimmen. Die Szenerie ist wohltuend unbunt. Bunt ist die Natur nur im Frühling, aber den lassen wir hinter uns, je weiter wir nach Norden vordringen. Es ist noch nicht so grün wie im Westen. Das Gras ist noch braun, die Birken noch kahl. Die vorbeiziehenden Dörfer bestehen aus niedrigen Holzhäusern inmitten von Gärten. Es gibt keine Reklametafeln, keine Plakate. Die Diktatur der schreienden Farben herrscht hier nicht. Die Katen haben dieses unverwechselbare sozialistische Kolorit, das entsteht, wenn schlechte Farbe sehr lange nicht erneuert wird. Vorherrschend ist dunkelbraun, wahrscheinlich von der Imprägnierung mit Teer. Abseits von den Dörfern liegen in den Wäldern Friedhöfe, umgeben von himmelblauen Zäunen. Die Sibirier begraben ihre Toten unter Birken. Die meisten Straßen in den Dörfern, die vorüberrauschen, sind unbefestigt. Ich sehe Frauen mit Kopftüchern, die in Gummistiefeln über schlammige Trampelpfade stapfen und muss an meine Mutter denken, auf deren Rat ich mir ein Paar halbhohe Stiefel gekauft habe. Meine Mutter möchte auf alles vorbereitet sein, deswegen plant sie alles bis ins Detail. Dass es oft anders kommt, entmutigt sie nicht. Mir kamen die Stiefel gleich viel zu warm vor, aber in einem Punkt hatte sie recht: in Sibirien gibt es Schlamm. Schlamm in jeder Form. Auf dem Permafrost-Boden steht das Schmelzwasser, der Boden taut nur oberflächlich auf und wird Schlamm. Wir werden tausende von Kilometern an Schlamm vorbeifahren, aber niemals werde ich durch den Schlamm gehen müssen. Manchmal führen asphaltierte Straßen parallel zur Trasse durch eine Siedlung. Sie werden von roten Motorradgespannen befahren, auf denen Ehepaare Konsumgüter transportieren. Die gelben Busse sind die gleichen, die

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ich aus Leipzig kenne. Auch die Laternen an den Peitschenmasten der Straßenbeleuchtung sind identisch mit denen in der (ehemaligen) DDR. Zwischen Eisenbahn und Landstraße verläuft ein Streifen Ödland, der angefüllt ist mit Reisighaufen und Abfall, in dem Krähen mit grauen Rücken nach Nahrung suchen, und Schlamm. Hühner flüchten über Stapel von verrottenden Baumstämmen. Hinter Zäunen bestellen Frauen ihre Beete. Was mögen sie ernten? Salat, Gurken, Radieschen? Hier verlangt das Leben von den Menschen, dass sie ihr Gemüse selbst anbauen. Mir kommt es vor, als ob sich die Landschaft nicht geändert hat, seit wir die Oder überquert haben. Hinter den Siedlungen entlang der Bahntrasse erstrecken sich bis zum Horizont Wälder mit dem Weiß und Schwarz der Birken, dem Grün und Braun der Fichten, dazwischen mit Schnee bedeckte Flächen. Zentrum der Stille Minister Jura hat uns eingeladen, mit ihm und seiner Familie und ein paar Freunden einen Ausflug an den See Tschagatai am Fuße des Tannu-Ola-Gebirges zu machen. Wir fahren mit zwei Autos, einem Lada und einem Moskwitsch. Ich sitze in dem Lada, Fahrer ist der Georgier Kolja. Die Fahrt beginnt auf einer vorzüglichen Asphaltstraße, die wir aber nach einigen Kilometern verlassen, um den Weg über eine Schotterpiste fortzusetzen. Kolja fährt, als müsse er eine Rallye gewinnen. Unaufhörlich werden Schottersteine hochgeschleudert und prasseln gegen das Bodenblech. Wir erzeugen eine kilometerlange Staubfahne, die hinter uns in der blauen sibirischen Luft stehen bleibt. Kolja erklärt mir, dies sei die einzige Möglichkeit, schnell voranzukommen: mit achtzig Sachen über die kleinen Schlaglöcher rasen und die Augen offen halten, um die großen und wirklich gefährlichen Löcher rechtzeitig zu erkennen. Plötzlich ist die Straße weg. Ein Fluss hat sie auf fünfzig Meter Breite überflutet. Die Strömung ist bedrohlich, trotzdem fährt Kolja ins Wasser. Ein Traktor kommt uns entgegen, seine großen Räder sind bis zu den Naben eingesunken. Zu tief für unseren Lada. Kolja findet einen anderen Weg über Grasland, auf dem vor einem unwirklich weiten Horizont eine Rinderherde grast. Die Hirten sind wilde Gestalten mit spitzen mongolischen Hüten, langen Lederjacken und über der Brust gekreuzten Lederriemen. Ich stelle mir vor, dass sie schon vor tausend Jahren so ausgesehen haben, als noch Karawanen über

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die Seidenstraße von China nach Westen hier entlang zogen. Eine kaum erkennbare Piste führt uns schließlich an den See Tschagatai, der sich am Fuß des Tannu-Ola-Gebirges erstreckt. Außer uns ist hier niemand, auch am Bootshaus nicht. Die Wagen werden entladen, ein Tuch ausgebreitet, Speisen für ein Picknick ausgepackt. Ein Feuer wird entfacht, um Fleisch und Kartoffeln zu rösten. Sajana und Dschingis, die Kinder des Ministers, zeigen uns, wie man Ameisen melkt. Vorsichtig quetschen sie ihnen den Honig aus dem Leib und lecken ihn ab. Bei der Methode überleben die Ameisen. Nach dem Essen löse ich mich von der Gruppe und wandere am See entlang, der auch Mitte Mai noch zugefroren ist, nur am Rand ist ein schmaler Streifen aufgetaut. Eine Lerche schraubt sich zum Himmel empor. Weit draußen auf dem Eis steht ein Stuhl, schon etwas eingesunken. Wahrscheinlich hat ein Eisangler ihn im Winter benutzt und dann vergessen. Ich finde einen Platz, an dem mächtige Steine eine natürliche Treppe bilden, die hinabführt zum Wasser. Ich setze mich auf einen Stein und schaue ins klare Wasser. Mein Blick dringt tief in den See hinein, als könnte ich bis auf

den Grund hinabsteigen, wo der Fels im Grün des Wassers verschwindet. Die Stimmen meiner Gefährten sind nicht mehr zu hören, die Lerche ist verstummt, auch der Wind rauscht nicht mehr im Gras um mich her. Ich sehe nur Wasser und Eis, den Himmel und das zum Greifen nahe Gebirge, höre kein Auto, kein Flugzeug, nichts, das an die Anwesenheit von Menschen erinnert. Ich bin allein auf der Welt. Ich halte den Atem an und erlebe einen Moment vollkommener Stille. Das ist mehr als Abwesenheit von Geräusch. Ich bilde mir ein, die ungeheure Schwere und die unendliche Ausdehnung des eurasischen Kontinents körperlich zu spüren. Sibirien steckt voller Abenteuer und Geheimnisse, die sich nicht einfach konsumieren lassen, weil das Land noch nicht von einer unermüdlichen Unterhaltungsmaschine in mundgerechte Tourismus-Häppchen zerlegt worden ist. Als ich Jura von der wunderbaren Stille am See erzähle, zeigt er mir am Ufer, wo die Wasserlinie noch vor ein paar Jahren verlaufen ist. „Wir machen uns Sorgen um den See“, sagt er. „Der Grundwasserspiegel ist um einige Meter gesunken. Deswegen trocknet dieser urzeitliche See aus und wird immer kleiner.“ Er gibt den

endlosen Getreidefeldern, die wir auf der Fahrt gesehen haben, die Schuld dafür. Aber das ist nur ein Umweltproblem von vielen. Es gibt eine Gruppe von umweltbewussten Tuwinern, die das Industrie-Kombinat bekämpft, dessen Rußfahnen weit über der Ebene des Jenissei wehen, wenn man sich Kysyl nähert. Die Regierung hat die Verlängerung der Bahnstrecke von Abakan nach Kysyl abgelehnt, weil sie befürchtet, dass eine Industrieansiedlung die Folge wäre. „Wir brauchen nichts von außerhalb“, sagt Jura stolz, „wir können von unserem Land leben.“ Besonders wichtig sind ihm die Handelsbeziehungen zur Mongolischen Volksrepublik. Viele Tuwiner haben Verwandte in der Mongolei. Sie sprechen zwar eine eigene Sprache, aber die tuwinische Kultur hat mongolische Wurzeln. Der Schamane Uns zu Ehren ist zur Abschiedsfeier ein Schamane eingeladen worden. Er wird als Meister des Obertongesangs angekündigt. Er erscheint in Jeans, Jackett und Hemd mit Schlips. „Einen Schamanen habe ich mir anders vorgestellt“, sage ich leise zu Kowald. „Und wie?“, fragt er zurück. Ich zucke die Schultern. „In ei-

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nem mit Federn und bunten Perlen verzierten Gewand.“ Heike hat eine Maske in Tiergestalt behängt mit Fellen erwartet. Vollends desillusioniert sind wir, als Sainkho uns die Rede von Slawa, so heißt der Schamane, übersetzt. Er sei soeben von einem Schamanentreffen in Südfrankreich zurückgekehrt, erzählt er, und stellt uns die Musikinstrumente vor, die er mitgebracht hat. Eine zweisaitige mongolische Pferdekopfgeige, die so heißt, weil sie der Hals mit einem geschnitzten Pferdekopf abschließt. Sie ist das wichtigste Musikinstrument der Mongolen, wird zwischen den Knien gehalten und mit einem Bogen gestrichen. Auf einer Flöte spielt er pentatonische Melodien. Die Hauptattraktion ist sein Gesang, den er mit einem dreisaitigen Zupfinstrument begleitet, das im Klang an ein Banjo erinnert. Obertongesang jemandem zu beschreiben, der noch nie einen Sänger aus Tuwa gehört hat, ist schwierig. Bei geschlossenen Augen fällt es mir schwer zu glauben, dass ich eine menschliche Stimme höre. Ich habe die Assoziation, ein Embryo zu sein und auf die Stimmen der Außenwelt zu lauschen. Slawas Stimme dringt in mich ein, etwas öffnet sich in meiner Brust, das gewöhnlich verschlossen ist und meine Tränen fließen.

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Wir wollen mehr über Schamanismus wissen. Slawa erklärt uns mithilfe von Sainkho als Dolmetscherin, dass der Schamanismus die Urform aller Religionen ist. Seine Lieder seien aus der Vermischung von buddhistischen und schmanistischen Traditionen hervorgegangen, die Jahrtausende alt sind und von Schamanen wie ihm weitergegeben werden. Schamanen beherrschen die Kunst des kontrollierten Wahnsinns, den sie durch traditionelle Techniken, zu denen auch der Obertongesang gehört, selbst erzeugen. Nur so können sie ins Jenseits gehen, in die Welt der Mythen und Legenden. Schamanen gehen in sich, um außer sich zu geraten, erzählt er. In alten Zeiten hätten sie dazu Fliegenpilz benutzt, die klassische Droge Sibiriens, die psychotische Zustände und Halluzinationen erzeugt. Auf meine Frage, ob psychoaktive Drogen auch jetzt noch im Gebrauch sind, lächelt Slawa geheimnisvoll und sagt, der Schamane müsse sich seine Kunst durch schwierige Prüfungen erarbeiten. Er versucht uns die Technik des Obertongesangs zu erklären. Zuerst einmal verlangt es viel Kraft. Ein obertonreicher, bordunartiger Grundton entsteht nur, wenn das Zwerchfell die Luft mit großem Druck durch die stark

gespannten Stimmbänder presst. „Die Stimme muss durch ein enges Loch“, sagt Slawa. Er demonstriert, wie er die Obertöne moduliert, indem er die Form der Mundhöhle verändert. Dabei lässt er den Grundton weiter klingen, sodass ein einzelner Mensch zweistimmig singt. Die entstehenden Melodien scheinen über seinem Kopf zu stehen wie eine himmlische Flöte. Er kann nicht nur Obertöne erzeugen. Seine Gesangskunst umfasst auch tiefe Töne, die Sainkho „subtones“ nennt. Slawa bringt verborgene Resonanzräume seines Körpers zum Schwingen. Die Stimme scheint aus seinem Bauch zu kommen, dann wieder aus seiner Brust. Es klingt wie Grunzen und Knarren, aber geläutert und veredelt. „Schamanen sind in der Lage, mit Obertongesang Menschen zu erreichen, die im Koma liegen“, berichtet Sainkho, als Slawa uns verlassen hat. „Der Gesang kommt vom Herzen und geht zum Herzen oder es geht gar nicht. Alle Sänger, die ich kenne, singen aus dem Herzen, weil es nicht möglich ist, nur auf technische Weise zu singen. Wenn du deinen Brustkorb presst, um den nötigen Druck aufzubauen, kommst du in Trance. Es ist eine Art Meditation. Du bist nicht mehr die Person, die


du vorher warst, du bist universal, kosmisch. Dieser Zustand ist schwer zu kontrollieren. Nur die großen Meister können während ihres Gesangs improvisieren und in dieser Improvisation geben sie uns so viele Informationen, wie wir sie mit Worten und Ideen nicht bekommen können - nur mit Gefühlen. Das ist es, was mich am Obertonsingen interessiert“, sagt Sainkho und ich begreife einmal mehr, wie sehr sich ihre Kultur von meiner unterscheidet. „Es ist eine harte Musik“, fährt sie fort, „wirklich hart, gefährlich für den Körper. Die Sänger und Sängerinnen geben ihr Leben hin. Du bist nicht in deinem Körper sondern draußen, du fliegst, und du weißt, dass du später einen hohen Preis dafür bezahlen musst. Ja, es ist gefährlich. Ihr habt gehört, was Slawa gesagt hat: um Obertöne zu erzeugen, muss man einen starken Druck im Brustkorb aufbauen. Davon bekommen einige Krankheiten an der Lunge und müssen operiert werden. Wenn man presst, verschließen sich die kleinen Blutgefäße und der Kreislauf ist unterbrochen. Wenn du das jeden Tag machst, ist es wie bei einer Thrombose. Und du machst es jeden Tag, weil du jeden Tag üben musst. Andere haben Probleme mit Kopfschmerzen,

wegen Durchblutungsstörungen im Kopf, der Blutdruck ist zu hoch oder zu niedrig. Wenn man es zu schnell lernen will, ist das schlecht. Nur große Meister können lange Zeit singen, weil sie es auf die richtige Weise tun. Die alten Männer wissen, wie es richtig ist. Man muss also lange genug leben, um große Meisterschaft zu erlangen.“ „Ob es bei uns Leute gibt, die die nötige Geduld aufbringen, weiß ich nicht“, sagt Kowald. „Im Westen werden fremde Kulturen auf ihren Marktwert hin beurteilt. Es wird auf die Frage hinauslaufen, ob man mit Obertonsingen was verdienen kann.“ „Sie werden sowieso nicht tief genug eindringen“, greift Sainkho Kowalds Beitrag auf. „Ich hab nichts dagegen, Musik aus verschiedenen Kulturen zu mischen, aber du kannst nicht tief in eine andere Kultur eintauchen, wenn du ihre Geschichte nicht imBlut hast, weil du nicht dort geboren bist. Ich habe versucht, Lieder von nordsibirischen Völkern zu lernen, aber es ist ein totgeborenes Kind. Ich habe die bessere Ausbildung und kann die Lieder kopieren, aber wenn ein Schulmädchen von dort eine kleine Melodie singt, klingt es natürlich und organisch, weil es in dieser Weltgegend

aufgewachsen ist, in dieser Philosophie, in dieser Atmosphäre, und ich nicht. Das ist der Unterschied. Sie haben das Gefühl, als ob sie es in ihrem genetischen Code hätten. Wenn man von einer fremden Kultur lernen will, warum nicht? Jeder soll nach Tuwa kommen und so viel nehmen, wie er will, das ganze Land kann er sowieso nicht auf dem Rücken nach Hause tragen. Du kannst einen Eindruck von dieser Musik bekommen, Inspiration, einige Elemente davon, das ist alles, tiefer kannst du nicht eindringen, es sei denn, du bleibst dein ganzes Leben dort.“ Leseprobe: Dietrich Rauschtenberger Redaktionelle Bearbeitung: Heiner Bontrup

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Gebrochene Utopie Beethovens Fidelio in Hagen

linke Seite: Maria Klier (Marzelline), Harriet Kracht (Alte Leonore), Rainer Zaun (Rocco) unten: Keija Xiong (Jaquino), Harriet Kracht (Alte Leonore), Maria Klier (Marzelline)

Schon die ersten Takte der Ouverture machen deutlich, wie Florian Ludwig seine Hagener Musiker vorbereitet hat: Da hört man keinen sinfonischen Breitwandwohlklang, sondern pointiert vorwärts treibende Musik, markant, bläserbetont, oft schrill, den revolutionären Ansichten Beethovens entsprechend. Das Orchester scheint davon so angetan, dass es die Sänger manchmal lustvoll übertönt, und im Finale schlägt der Dirigent ein so rasantes Tempo an, dass der sonst sichere Chor nur mit Mühe mitkommt. Dass er hier aber insgesamt den richtigen Ton getroffen hat, zeigte der Beifall für ihn und sein Orchester am Schluss. Das hätte mit dem Verlauf des Stückes parallel gehen können: Frau (Leonore) schmuggelt sich, als Mann (Fidelio) verkleidet, in das Gefängnis ein, in dem ihr Mann (Florestan) sitzt. Sie rettet ihn und vernichtet den bösartigen reaktionären Gouverneur (Pizarro), der ihn ungerechtfertigt dorthin gebracht hat. Revolutionäre Tat und Gattenliebe verbinden sich. Beethovens Utopie: So könnte die Welt besser werden, und etwas davon

soll der Zuschauer auch mit sich nach Hause nehmen und weitertragen. Diese Hoffnung wird in der interessanten und nachdenklich machenden Hagener Inszenierung in Frage gestellt. Resignation ist dabei nicht gemeint, aber deutlich wird, dass Verbesserung der Welt nicht so einfach geht. Für diese Desillusionierung sorgt einmal die neue Textfassung von Jenny Erpenbeck, 2007 geschrieben und zum ersten Mal in Deutschland in Szene gesetzt (was wieder einmal zeigt, dass das theaterhagen keineswegs auf gefällige Unterhaltung setzt, sondern ein ambitioniertes und tiefgehendes Programm bietet). Das Regieteam um Gregor Horres setzt dies in Verbindung mit der Musik sorgfältig um, verstärkt es aber noch mit zusätzlichen deutlichen Akzenten. Erpenbeck führt eine neue Person ein: die alt gewordene Leonore, die nach der Ouverture erscheint und ständig auf der Bühne präsent ist. Gleich zu Beginn behauptet sie, die Befreiung ihres Gatten sei ein „Makel“ gewesen, warum, erfahren wir nicht genau, sie beschränkt

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sich auf Andeutungen. Offensichtlich scheint ihre Befreiungstat die Liebe nicht beflügelt zu haben, was sich auch schon in der Wiedererkennungsszene zeigt, als die beiden ganz oft weit voneinander entfernt agieren. Dieses Phänomen, dass Liebe, Wunsch nach persönlichem Glück und Revolution nicht zusammenpassen und äußerst störanfällig sind, hat Erpenbeck in ihrem Roman „Aller Tage Abend“ am Beispiel einer anderen Frau ausführlicher und differenzierter ausgeführt. Diese Befreiung war aber trotzdem das beherrschende Ereignis in Leonores Leben. Das wird einerseits gezeigt durch ihr mehrfaches Eingreifen in die jeweilige Situation, obwohl sie von den anderen Personen nicht wahrgenommen wird, zum anderen dadurch, dass sie öfters komplette Dialogtexte der anderen Personen übernimmt – offensichtlich hat sie noch jedes Wort, jede Einzelheit glasklar im Gedächtnis. Einmal zerreißt sie ein Plakat, das „Freiheit“ mit „Meer“ gleichsetzt – etwas tiefer muss man wohl schon graben.

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Und am Schluss ist es die alte Leonore, die Pizarro ersticht, was diesen aber gar nicht beeindruckt. Die Regie stellt diesen Pizarro als mafiösen Bürokraten dar. Die vielen Akten herumtragenden Buchhalter sollen den Eindruck erwecken, dass alles bis ins Kleinste geregelt ist, und unter diesem Deckmantel kann er, von Leibwächtern mit schwarzen Hüten und Sonnenbrillen umgeben, tun und lassen, was er will. In den 70er Jahren hat der Vater des jetzigen Regisseurs, Kurt Horres, sich bleibende Anerkennung erworben, indem er in seiner Wuppertaler Inszenierung den Schluss von der Oper abkoppelte und den triumphalen Schlusschor in Abendkleid und Anzug wie ein Oratorium singen ließ. Sein Sohn setzt in Hagen andere Akzente: Zwar werden ein Dutzend Lampen heruntergelassen, als würde das Gefängnis sich in einen Festsaal verwandeln, doch dann erscheint der rettende Minister Don Fernando überraschenderweise in blütenweißem Anzug, umarmt seinen wieder erkannten Freund Flore-

stan zwar, aber nur kurz und förmlich, und wischt sich danach sofort die Fusseln vom Anzug. Die Truppe, die er mitgebracht hat, macht nicht den Eindruck, dass es besser und gerechter zugehen wird. Es sind die Vertreter des Ancien Régime in Ballkleidern und steifen Perücken, also genau der Gesellschaftsschicht, die man mit der Französischen Revolution glaubte überwunden zu haben. Willkür und Ungerechtigkeit herrschen also weiter, man hat die Wahl zwischen Mafia und Reaktion. Kein Wunder, dass Don Pizarro sein Messer von Don Fernando zurückbekommt, immer noch von seinen Leibwächtern geschützt, und ihm dafür ins Sakko hilft. Die Schurken bleiben ungeschoren. Wohl deshalb zieht die alte Leonore Florestans Gefängnisumhang an und ersticht Pizarro, offenbar ihr Wunsch, wie es hätte sei sollen. So war es aber wohl nicht, denn Pizarro bleibt stehen und kann weiter frech ins Publikum grinsen. Keija Xiong (Jaquino), Harriet Kracht (Alte Leonore), Maria Klier (Marzelline)


Aktuelle Parallelen? Gucken Sie um sich, was hier und auf der Welt passiert. Den schönen Ballkostümen entgegengesetzt sind die Kostüme der im Gefängnis arbeitenden Personen, häßliche Arbeitsklamotten, Leonore mit einem unförmig machenden Overall. Auch im Bühnenbild – grau in grau – wurde das Alltagselend konsequent nachvollzogen (verantwortlich für beides Jan Bammes). Das große Waldbild im „Sozialraum“ des Gefängnisses sollte wohl auch eine unerreichbare Utopie darstellen. Nur zwei Gäste haben die Hagener für diese Produktion engagiert: Sabine Hogrefe als Leonore und Richard Furmann als Florestan, beide sehr sicher in Ausdruck und Stimmführung. Die anderen, auch sehr anspruchsvollen Rollen schaffen die Hagener mit dem kompetenten eigenen Ensemble. Besonders mit Beifall bedacht wurde der offensichtliche Hagener Publikumsliebling Rainer Zaun als Kerkermeister Rocco, aber ebenso gut spielten und sangen Kenneth Mattice als Don Fernando, Rolf A. Scheider als diabolischer Don Pizarro, Maria Klier als

Marzelline und Kejia Xiong als Pförtner Jaquino, der vor Gewalt gegenüber Marzelline nicht zurückschreckt, wenn diese zu Fidelio wechseln will. Nicht zu vergessen Harriet Kracht in der Sprechrolle der alten Leonore, die die utopischen Momente der Oper immer wieder dämpfte. Ein Problem zeigte sich aber doch: Trotz spürbar großer Bemühungen war der Text öfters nicht zu verstehen, wobei das den männlichen Sängern eher gelang. Das den Sängern anzulasten, deren Texte ich in anderen Produktionen gut verstanden habe, wäre jetzt unfair. Offenbar ist Textverständlichkeit bei Beethoven wegen oft eher instrumental geführter Stimmen schwieriger zu erreichen. Lösung wäre hier, den Text auf einem Band über der Bühne mitlaufen zu lassen, wie es bei Richard Strauss, Wagner und fremdsprachigen Opern schon lange üblich ist. Das wäre ein gutes Entgegenkommen gegenüber dem Publikum, denn wenn ein Großteil der Aufmerksamkeit auf das Verstehen des

Textes gerichtet ist, kann man weniger auf die Feinheiten der Musik und der Inszenierung achten. Und in dieser Hinsicht hat diese Inszenierung viel zu bieten. Fritz Gerwinn Fotos: Klaus Lefebvre

PS: Das Stück wird in der nächsten Spielzeit wiederaufgenommen.

Rolf A. Scheider (Pizarro), Rainer Zaun (Rocco)

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NOCH KEIN FAZIT

gedanken zu papier gebracht erfahrungswerte eines lebens voll von freude kummer erfolgen niederlagen genutzten und vertanen chancen gedanken zu papier gebracht vielleicht anregungen denkanstösse für andere noch kein fazit von abgeklärtheit weit entfernt unablässig rinnt lebensstrom schliesst gleiche irrtümer gleiche fehler auch in zukunft nicht aus ich suche weiter ...

Foto: Elisabeth Heinemann Gedicht: Pia-Monika Nittke (aus „Zwischentöne“, erschienen 2009 im Dr. Ziethen Verlag)

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Johannes-Passion Aufführung im Wuppertaler Opernhaus Premiere: 22. 5. 2015 Musikalische Leitung Jörg Halubek Regie/Licht Philipp Harnoncourt Bühne/Kostüme Wilfried Buchholz Chorleitung Jens Bingert Sopran Laura Demjan Alt Lucie Ceralová Tenor/Evangelist Emilio Pons Tenor Johannes Grau Bass Falko Hönisch Bass/Pilatus Peter Paul Bass Jan Szurgot

links: Lucie Ceralová, Johannes Grau, Laura Demjan unten:

Peter Paul, Johannes Grau, Lucie Ceralová, Laura Demjan, Opernchor der Wuppertaler Bühnen. Im Graben: Sinfonieorchester Wuppertal, Jörg Halubek

Bachs Johannes-Passion konnte man mit Spannung erwarten, ist eine szenische Fassung von Oratorien oder Passionen doch noch verhältnismäßig neu. Wie geht ein Regisseur das an, und was kann der Zuschauer erwarten? Einhelliger, minutenlanger Beifall zeigte, dass sich das Ergebnis sehen lassen kann – nein, sehen lassen konnte, denn wenn die ersten Kritiken erscheinen, ist die Aufführungsserie schon vorbei, vier Aufführungen an vier aufeinander folgenden Tagen um Pfingsten, eine Folge des in dieser und auch der nächsten Saison herrschenden Stagione-Prinzips. Immerhin ist eine Wiederaufnahme in der nächsten Saison angekündigt, allerdings auch nur für drei Aufführungen. Bleibt also nur zu erzählen, wie das Regieteam es geschafft hat, das Stück in die Gegenwart zu holen. Erst gehen die Musiker durch den Zuschauerraum und nehmen im hochgefahrenen Graben Platz. Dann kommen, ebenso durch die Seitentür, Asylanten, mit Sack und Pack, auf der Flucht, und lassen sich auf der Bühne nieder. Das sind keine gecasteten Statisten, die Asylanten spielen, sondern echte Asylanten, die z. T. erst wenige Wochen in Deutschland sind und hoffen, hier bleiben zu dürfen. Ihre Mitarbeit hat die Inszenierung entscheidend geprägt. Zu ihnen gehören durch ihre ähnliche Kleidung offenbar auch einige der Solisten – die Altistin trägt zwar noch ein golddurchwirktes Jäckchen, aber ihre Strümpfe sind zerrissen. Der Chor zeigt durch Kopftuch und Wollmütze , wo die Geschichte spielt, im Nahen Osten, und die

Trümmerbilder im Hintergrund machen deutlich, dass die Welt dort aus den Fugen ist, wie heute. Auch die mauerartige Wand, die am Ende des ersten Teils ein Hauszelt zerstört und als unüberwindbare Grenze immer wieder mit Steinen beworfen wird, zeigt die Gegenwart im Opernhaus (Bühne und Kostüme Wilfried Buchholz). Die Idee des Regisseurs Philipp Harnoncourt war es, dass eine Art von Gemeinde die Leidensgeschichte ihres Idols nachspielt und damit nacherlebt. Durch die vorwiegend muslimische Kleidung und die aktualisierende Art der Darstellung der Geschichte kommt in keinem Moment eine christlich-fromme, sakrale Stimmung auf, Fragen werden aber genug aufgeworfen. Christus als auf die Bühne gebrachte

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Person, sonst an einen Basssänger gebunden, kommt gar nicht vor. Wechselnde Chorsänger übernehmen singend kurzzeitig seine Rolle, oft hinter einem Vorhang oder in der Menge verborgen; an einigen Stellen greifen aber die Asylanten ein: seine Worte werden nicht gesungen, sondern gesprochen – ein nachvollziehbarer aktualisierender Eingriff in die musikalische Faktur, der im zweiten Teil auch für andere Personen wie Maria und Johannes gilt. Auch werden die vorgegebenen Rollen als Evangelist oder Solist aufgebrochen. So übernimmt der Solotenor gelegentlich die Stimme des Evangelisten; der übernimmt seinerseits bei der Geißelung Teile der Arie des Solotenors: da beide Personen in gegenteiliger Weise handeln, wird hier ein geteiltes Bewußtsein deutlich. Auch der Chor singt nicht immer in voller Besetzung, manchmal agiert nur ein Teil davon singend, manchmal reduziert sich das Klangbild auf vier Solisten, und dies oft in einem einzigen Chorsatz oder Choral. Dass dies sinngebend eingesetzt ist, zeigt sich besonders deutlich am Schluss: Während der Chorsatz „Ruhe wohl“ vom gesamten Chor, der sich links vorn auf der

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Bühne direkt neben dem Orchester platziert hat, oratorienmäßig gesungen wird, erklingt der Schlusschoral „Ach, Herr, lass dein lieb Engelein“ auf der hinteren Bühne nur von vier Solisten gesungen. Die haben sich zu den Asylanten gesellt, die immerhin schon ein Zelt aufgebaut und Wäsche aufgehängt haben, und auch ein Musiker ist mit seiner Theorbe dazugekommen. Nur mit vier Stimmen und nur einem Instrument hört das Stück auf, dünn, nicht mächtig, aber wohlklingend. Ein Hoffnungsstrahl? Die Johannes-Passion enthält aber auch Szenen, die geradezu nach der Darstellung auf der Bühne verlangen, so schon im ersten Teil die Szene, in der Petrus dreimal lügt. Im zweiten Teil sind das die Szenen der Geißelung und der Krönung mit der Dornenkrone. Hier kann Philipp Harnoncourt seine tief gehende Idee besonders gut entfalten. Bei der Geißelung steht nicht die einzelne Person Jesus im Mittelpunkt, sondern vier Asylanten sind an Stangen gefesselt und werden von maskierten Kriegsknechten geschlagen. Dass dabei Blut fließt, wird deutlich gemacht, indem bei jedem Schlag rote Farbe von hinten gegen eine durchsichtige Plastikwand gekippt

wird. Einer der Schläger ist der Tenorsolist, der, schockiert von dem, was er tun zu müssen glaubt, kurzzeitig aus seiner Rolle ausbricht, jedoch dann in sie zurückkehrt. Der Tenor teilt sich hier, wie oben gesagt, seine Arie mit dem Evangelisten, die szenische Deutung verschränkt sich mit der musikalischen. Und die vier Dornenkronen sind Turbane, die den vier Männern aufgesetzt werden. Dazu müssen sie Schilder tragen, auf denen z. B. „Scheinasylant“ oder „Islamist“ steht, und werden so an den Pranger gestellt. An diesen Stellen wird klar: Hier wird keine historisch weit entfernte ungeheuerliche Geschichte erzählt, sondern gezeigt, dass dies auch heute nicht nur passieren kann, sondern tatsächlich täglich und tausendfach passiert. Alle der mitspielenden Asylanten haben solche Dinge erlebt und können von ihren Leiden erzählen. Die Verschränkung der alten mit der neuen Geschichte wird auch immer wieder durch szenische Mittel erhellt, z. B. dadurch dass das Feuer, an dem sich die Peter Paul, Opernchor der Wuppertaler Bühnen, Statisterie, im Graben: Sinfonieorchester Wuppertal, Ektoras Tartanis, Jörg Halubek


Soldaten wärmen, gleichzeitig der wacklige mobile Herd der Asylanten ist. Der Gerichtsszene mit Pilatus hat schon Bach viel Raum gegeben. In der Inszenierung Harnoncourts wird sie zu einem Höhepunkt. Pilatus erscheint als aalglatter, hier aber überforderter Manager im Business-Anzug, der Chor hat hier seinen großen Auftritt, indem er die aggressiven Forderungen der Juden brillant vorträgt, dabei aber auch zeigt, wie sich eine Volksmenge immer mehr in blutrünstige Forderungen hineinsteigert. Immerhin gelingt es zum Schluss der Szene einem einzelnen Menschen, sich aus dieser Meute zu lösen und ihr Verhalten aus anderer Sicht in einer Arie zu kommentieren. Wie der Regisseur im Programmheft anmerkt, enthält diese Szene selbst aber auch schon Verfremdungseffekte, indem der Chor aus der Darstellung der Volksmeute ausbricht und das Geschehen in einem Choral ganz anders beleuchtet. Dies wurde eindrucksvoll inszeniert und vom Chor (Leitung Jens Bingert) hervorragend umgesetzt. Auch die szenische Umsetzung des Sinngehalts etlicher Arien wurde deutlich. So verstrickte sich die Altistin bei „Von den Stricken

meiner Sünden“ auch tatsächlich, und bei der Arie „Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten“ wurde deren Exterritorialität gezeigt, indem einer der Asylanten offenbar verliebt seiner Partnerin, der Sopranistin, nachfolgt. Und ein dramaturgischer Kontrapunkt ist noch bemerkenswert: Als berichtet wird, dass man um Jesu Rock losen und ihn nicht teilen will, geschieht genau dies. Der Rock wird regelrecht zerfetzt. Wie in der Parsifal-Inszenierung gibt es auch hier ein Abendmahl, an dem der Chor als die Gruppe, die die Passion nachspielt, aber auch die Asylanten teilnehmen. Und am Schluss wird die Bühne bestimmt durch Projektionen von jüdischen und muslimischen Friedhöfen. Dass das Orchester nicht nur begleitet, sondern in das Geschehen einbezogen wird und eine der Szene gleichwertige Rolle spielt, wurde schon angedeutet. Dies zeigt sich auch dadurch, dass die Instrumentalsolisten (z. T. Gäste) bei ihren Soli aufstanden und die Gesangssolisten sich in ihre unmittelbare Nähe begaben. Jörg Halubek hatte das Orchester hervorragend instruiert und auch die Solisten überzeugend in seine Interpretation einbezogen. Auch diese, einige davon noch am

Anfang ihrer Karriere, ließen keine Wünsche offen: Laura Demjan, Lucie Cerolová, Johannes Grau, Falko Hönisch, Peter Paul, Jan Szurgot. Besonders intensiv und dynamisch abwechslungsreich gestaltete Emilio Pons den Part des Evangelisten. Zu Bachs Zeiten stand im Mittelpunkt einer Passionsaufführung die Predigt. Darauf ging das Regieteam ein, indem es nach dem Ende des ersten Teils interessante Leute zu Wort kommen ließ. In der Premiere war das Roland Stolte, einer der Initiatoren und Vorstandmitglied des Trägervereins des geplanten Berliner House of One, einem gemeinsam gebauten Haus für die drei monotheistischen Religionen, Muslime, Juden und Christen. Zweifellos war es interessant, etwas über dieses Haus, seine Entstehung und spirituellen Hintergründe zu erfahren – ich finde aber fast, dass diese Inszenierung ihr Ziel auch ohne diese „Predigt“ erreicht hätte. Fritz Gerwinn Fotos: Uwe Stratmann

Statist, Peter Paul, Johannes Grau

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Grit und Wil Sensen Da wird Erinnerung lebendig: Grit und Wil Sensen, das Künstler-Ehepaar in Wuppertal.

Seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gehört der Maler, Zeichner, Radierer und Plastiker Wil Sensen zur Kunstszene dieser Stadt, später wurden Name und Werk auch weit über die Grenzen Wuppertals hinaus deutschlandweit und international bekannt. Dann zogen Grit und Wil Sensen nach Frankreich, ins Medoc, nach Dignac, in die Nähe von Bordeaux. Nun sind sie nach 29 Jahren wieder zurück gekehrt, nicht nach Wuppertal, aber ins Bergische, nach Radevormwald, wo sie zusammen mit Sohn Folko und dessen Familie ein hundert Jahre altes Haus bewohnen. Wil Sensen, 1935 in Wuppertal geboren, studierte an der damaligen Werkkunstschule in Wuppertal, wurde am selbigen Institut 1958 Dozent und 1974 , als die Werkkunstschule in die Bergische Universität integriert wurde, zum Professor für Freie Grafik ernannt. Schön früh wurde Sensen mit Stipendien (Kulturkreis im

Bundesverband der Deutschen Industrie) geehrt und gefördert. Neben seiner Lehrtätigkeit gab es regelmäßig Sensen-Ausstellungen in Wuppertaler Galerien und im Von-der-Heydt-Museum, Arbeiten an Gebäuden, Straßen, auf Plätzen sind heute noch zu sehen. Viele Studienreisen führten Wil Sensen zusammen mit seiner Frau Grit vor allem nach Südostasien bis hin nach Australien, wo er zeitweise als Gastprofessor lehrte. Als die Sensens Wuppertal verließen, erwartete sie ein geräumiges Haus in Frankreich mit einem 7000 Quadratmeter großen Garten. Ein Paradies für das Künstler-Paar. Grit Sensen ist ausgebildete Gold – und Silberschmiedin. Auch sie studierte an der Wuppertaler Werkkunstschule. In ihren ersten Ausstellungen Anfang der sechziger Jahre zeigte sie avantgardistischen Schmuck. Ihre Leidenschaft des Sammelns vor allem in der Natur und auf den vielen Reisen fand Niederschlag

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in Objektkästen und großen Wächterfiguren. Dann begann auch Grit Sensen zu zeichnen und zu malen. Ihr Thema fand sie im Garten und auf französischen Märkten: Gemüse, Fisch, Brot, Essbares - Grit Sensen ist auch eine hervorragende Köchin -, das sich auf den Leinwänden zu übergroßen Gebilden verwandelt. Den Kontakt zu Deutschland und Wuppertal haben beide Künstler nie ganz verloren. Sie waren regelmäßig an Gruppenausstellungen beteiligt und wurden zu Einzelausstellungen eingeladen. In Wuppertal waren ihre Arbeiten immer zu sehen auf den höchst interessanten Ausstellungen auf der Hardt, die der Wuppertaler Oswald-Gibiec-Oberhoff mit viel Fantasie und Engagement arrangiert hat, ob in einem Treibhaus oder im Botanischen Garten. Zuletzt ragten unter dem Thema „Mikado“ bemalte und behauende Kunst-Stäbe vieler Wuppertaler Künstler (und von Grit und Wil Sensen) hoch in den Himmel. Wil Sensen ist nach eigenen Worten „Landschaftsmaler“. Aber er ist kein Realist, sondern steht bis heute in der Tradition seiner Generation: des Informel, des Tachismus. Landschaft heißt: Strukturen, Rhythmus, Farbe, Stimmung, Klang, Licht einer bestimmten Landschaft, das Blühen und Vergehen auf ihren Weiten oder Höhen mit dem Zeichenstift, der Tusche, der Radierung (Sensen ist ein Meister dieser Technik) einzufangen, für alle Sinne, auch „für Räume des Unbewussten“ (Sabine Fehlemann) zu öffnen. Nieder zu „schreiben“ aus dem Gestus der Hand, Schraffuren, Punkte, Linien im Wechselspiel von Sehen, Fühlen und Zeichnen. So sind ganze Serien entstanden, viele Skizzenbücher und über die Jahrzehnte unzählige Blätter und Tafelbilder. Wil Sensen ist in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Die Technik der Radierung wird er deshalb nicht mehr ausüben. Das ist zu mühsam und aufwendig. Aber er wird weiter „zeichnen, sehen, denken, vergleichen, erinnern, minimieren, selektieren – zeichnen, zeichnen, zeichnen“. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der Auseinandersetzung des Künstler-Paares mit der neuen Landschaft in der alten Heimat. Anne Linsel

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Malerei als Poesie Joan Miró-Ausstellung im K20 am Grabbeplatz, Düsseldorf bis zum 27. September 2015 Mit seinen scheinbar heiter-naiven Motiven ist der spanische Maler Joan Miró (1893-1983) weltweit bekannt. Tanzende Sterne und fantasievolle Symbole aller Art bevölkern seine Bilder. Zu einer Neuentdeckung des populären Künstlers lädt die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf ein: Miró. Malerei als Poesie ist der Titel einer umfangreichen Ausstellung, die zum ersten Mal das enge Wechselspiel zwischen der Kunst des Spaniers und der avantgardistischen Literatur seiner Generation verdeutlicht. links: Cercle rouge, étoile (Roter Kreis, Stern), 1965, Öl/Acryl auf Leinwand, 116 x 89 cm, Privatsammlung, als Dauerleihgabe in der Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca, © Successió Miró / VG Bild-Kunst 2015, Foto: Joan Ramon Bonet unten: Paul Éluard und Joan Miró, À toute épreuve (Allem widerstehend), Genf: Gérald Cramer, 1958, Holzschnitte, 33,5 x 26 cm, Privatsammlung, Für Joan Miró: © Successió Miró / VG Bild-Kunst 2015, Foto Gabriel Ramon, © Kunstsammlung NRW

Die rund 110 Gemälde, Zeichnungen und Malerbücher aus allen Schaffensphasen Mirós sind vom 13. Juni bis zum 27. September 2015 im K20 am Grabbeplatz zu sehen. Die mit dem Bucerius Kunst Forum erarbeitete Ausstellung ist gegenüber der Hamburger Präsentation für Düsseldorf wesentlich erweitert worden. Mit vier wichtigen, in der Ausstellung gezeigten Werken des Künstlers besitzt die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen selbst die bedeutendste Miró-Kollektion in Deutschland. Miró. Malerei als Poesie knüpft an eine Reihe von Ausstellungen wie Alexander Calder – „Avantgarde in Bewegung“ oder Kandinsky, Malewitsch, Mondrian „Der weiße Abgrund Unendlichkeit“ an, mit der die NRWLandesgalerie einen neuen Blickwinkel auf scheinbar so vertraute Künstler der Klassischen Moderne bietet. Die Leihgaben der Ausstellung stammen aus international angesehenen Sammlungen wie der Fundació Joan Miró in Barcelona, der Fundació Pilar y Joan Miró auf Mallorca, dem Museum of Modern Art (MoMA) New York, dem Philadelphia Museum of Art und der Tate in London. Ein besonderes Kapitel widmet die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen dem Thema der Malerbücher Mirós und

der Bibliothek des manischen Lesers. Dank umfangreicher Leselisten des Spaniers („tout Freud“, „alles von Freud“) kann sich der Ausstellungsbesucher in der teilweise rekonstruierten Bibliothek Mirós selbst in die Lieblings-Lektüre des Künstlers vertiefen. Seine Malerbücher, von denen seit den späten 20er Jahren insgesamt 250 Stück in engem Austausch mit den Autoren und in kleiner bibliophiler Auflage entstanden, sind der intensivste Ausdruck der Beschäftigung Mirós mit der Literatur. Unter anderem sind als Höhepunkte der Buch-Kunst des 20. Jahrhunderts Parler seul (1948/50) zu Texten von Tristan Tzara sowie À toute épreuve (1958) zu Paul Éluard zu sehen, in denen sich Text und Bild ideal und gleichberechtigt ergänzen. Als 27-Jähriger verließ Miró 1920 seine Heimatstadt Barcelona und ging nach Paris, suchte dort die Nähe seines Idols Picasso und geriet rasch in den Strudel von Dadaismus und Surrealismus: Bedeutende Literaten wie Tristan Tzara, Max Jacob, Pierre Reverdy, Paul Éluard oder André Breton zählten bald zu seinen engen Freunden. Ernest Hemingway erstand – mit geliehenem Geld – als früher Bewunderer 1925 ein Gemälde Mirós. Doch schon in seinem Frühwerk „Nord-

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Süd“ (1917) hatte Miró seine Nähe zur Literatur dokumentiert: Das Bild zeigt nicht nur einen Goethe-Band, sondern auch die Titelseite der von Reverdy und Guillaume Apollinaire gegründete Literatur-Zeitschrift Nord-Sud. „Die Dichter arbeiteten an einer Befreiung von Syntax, Klang und Sinn. Der Angriff auf den Rationalismus war ihre Provo-

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kation“, beschreiben die beiden Ausstellungskuratorinnen Marion Ackermann (Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen) und Ortrud Westheider (Bucerius Kunst Forum) das literarische Klima der Zeit: „Stärker als der Kontakt zu anderen Malern in Paris beeinflusste ihn dieser Austausch mit den Dichtern. Aus ihren Ideen schöpfte er die Inspiration für sein

Personnages rythmiques (Rythmische Figuren), 1934, Öl auf Leinwand, 193 x 171 cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, © Successió Miró / VG Bild-Kunst 2015

Foto: Walter Klein


malerisches Vorgehen, das ihm 1923 zum künstlerischen Durchbruch verhalf.“ Miró, dessen bildnerische Strategie nun eine beständige Grenzüberschreitung von Malerei und Poesie wird, integriert schriftartige Chiffren, einzelne Buchstaben oder Wortfragmente in seine Malereien. In der für dieses Thema exemplarischen Serie von „Bild-Gedichten“ („Peinture-poème“)

gehen Bilder und Wörter vieldeutige Verbindungen ein wie etwa in dem Gemälde „Bild-Gedicht.Sterne im Geschlecht von Schnecken“ (1925). Miró verstand sich nun als ein „Malerdichter“, der keinen Unterschied mehr zwischen den Kunstgattungen machte. Umgekehrt regten die Werke des Spaniers auch die Literaten des Surrealismus wie André Breton an, die

Le Cheval, la pipe et la fleur rouge (Das Pferd, die Pfeife und die rote Blume), 1920, Öl auf Leinwand, 82,5 x 75 cm, Philadelphia Museum of Art, Philadelphia, Geschenk von Herrn und Frau C. Earle Miller 1986, © Successió Miró / VG Bild-Kunst 2015 Foto: Foto: Philadelphia Museum of Art

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Installationsansicht, K20 Grabbeplatz, 漏 Successi贸 Mir贸 / VG Bild-Kunst 2015, Foto: 漏 Achim Kukulies

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ebenso wie der Maler ihre Anregungen aus den Tiefen des Unterbewussten bezogen. „Miró ist wahrscheinlich der Surrealistischste von uns allen“, urteilte 1928 Breton als Wortführer der surrealistischen Literatur. Unter dem Eindruck des Spanischen Bürgerkrieges verdunkelten sich die Farben des überzeugten Katalanen und entschiedenen Gegners der Franco-Diktatur; zerrissene Gestalten kehrten in Mirós bedrohliche Bildwelt zurück („Der Flug des Vogels über die Ebene III“/1939). Den im französischen Exil der 1940er Jahre entstandenen und an Sternkarten angelehnten Bildserien der Constellations stellte Breton in einer späteren Buchausgaben seine Verse zur Seite. Extreme Querformate kennzeichnen Werke der 1940er bis 60er Jahre wie „Gemälde-Objekt“ von 1953, deren Zeichenfolgen als nicht zu entziffernde Schriften erscheinen. Spuren des Abstrakten

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Expressionismus wie auch der asiatischen Kalligraphie lassen sich in späteren Werken entdecken, die von einem aggressiven Malduktus geprägt sind, und damit die Aufbruchsstimmung und den Protest der 70er Jahre widerspiegeln. Schon in seinen Chiffrenbildern wie „Stille“ von 1968, in denen er sich erneut mit dem Thema der Leere beschäftigt, erscheinen die einzelnen Buchstaben in Stempelästhetik, scheinbar von den Spruchbändern damaliger Demonstrationen entlehnt. Im Spätwerk tauchen wieder die Motive von Sternen, Mond und Wolken auf: Trotz aller Harmonie von Horizont und Himmelskörper – in den knappen, melancholischen „Gemälden“ (um 1973) wird die Skepsis Mirós gegenüber der Moderne deutlich. Eine Ausstellung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, und des Bucerius Kunst Forums, Hamburg.

Katalog zur Ausstellung: Miró. Malerei als Poesie. Hg. vom Bucerius Kunst Forum und der Kunstsammlung NRW, 224 S., 218 Abb., gebunden, Hirmer Verlag, ISBN: 978-3-941773-30-1, 29,90 Euro Öffentliche Führungen: Donnerstags, 16.30 – 17.30 Uhr, Sonn- und feiertags, 15.00 – 16.00 Uhr. Da die Teilnehmerzahl pro Führung begrenzt ist, wird um vorherige Anmeldung beim Besucherservice gebeten. Vollständiges Begleitprogramm: www.kunstsammlung.de

Frauen und Vögel in der Nacht, 1945, Öl auf Leinwand, 114,5 x 146,5 cm, Kunstsammlung NRW, Düsseldorf, © Successió Miró / VG Bild-Kunst 2015 Foto: Walter Klein


Romeo & Julia „Eins sind mein einzig Lieben und mein Hassen.“ (Julia) Eine Wuppertaler Neuinszenierung

Team Romeo & Julia

Im September 2015 realisiert Robert Sturm, ehemaliger künstlerischer Assistent von Pina Bausch, gemeinsam mit dem Bildhauer Tony Cragg, den Musikern Wolfgang Schmidtke, Matthias Burkert und Werner Dickel, dem Tänzer Jean Laurent Sasportes sowie Schauspielern aus Wuppertal, Bochum und Köln eine Neuinszenierung von William Shakespeares „Romeo und Julia“ - in der imposanten Halle V der Wuppertaler Firma Riedel Communications. Eine spartenübergreifende Kooperation von Künstlern, Kulturinstitutionen und zahlreichen Unterstützern aus Wuppertal und der Region – für Wuppertal und die Region! Shakespeares‘ jugendliche Helden sind ein Liebespaar, deren Geschichte seit über vier Jahrhunderten die Menschen in ihren Bann schlägt. „Romeo und Julia“ bleibt aktuell in seiner Thematik, dem tragisch scheiternden Versuch, sich über Vorurteile und soziale Schranken hinwegzusetzen. Ganz gleich, ob sich diese auf Familien, auf Nationalität, Rasse, Religion oder politische Gesinnungen beziehen.

Die Wuppertaler Inszenierung in der neuen Übersetzung von Frank-Patrick Steckel ist eine Annäherung mit den ureigenen Mitteln des Theaters, in unmittelbarem Erleben von Sprache, Musik, Bewegung, von Raum und Zeit. „Romeo & Julia ist ein besonders relevantes Stück für die heutige Zeit. Es ist reine Psychologie – wie Menschen zu Freunden und Feinden werden, wie sie Liebe und Hass ausleben und wie sehr das alles auf einer irrationalen Basis stattfindet.“ Tony Cragg (Raum) „In Wuppertal meiner Heimatstadt zu spielen ist ein sehr eigenartiges Gefühl. Auf der einen Seite ein Gefühl des Glücks, einer bestimmten Art der Nähe, einer gewissen Verbindlichkeit zu dem Raum und zu seinen Menschen, auf der anderen Seite das Gefühl, Untiefen zu betreten, die Stadt nochmal neu zu durchdringen, ihre Eigenheiten zu entdecken und zu spüren. Jedoch hat mein Aufwachsen hier, wohl eine Idylle auf Wuppertals schönsten Höhenzügen, mir die Essenz der Stadt

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Bernhard Glose

Tony Cragg (c) SHEERP

vorenthalten und mir keinen wirklichen Zugang ermöglicht. Nach beruflichem schauspielerischen Wandeln, immer weit genug von der Heimatstadt entfernt, führt es mich nun mitten hinein in einen Teil des Herzens Wuppertals, zu Menschen die diese Stadt künstlerisch schon lange begleiten und geprägt haben. Es ist ein Ankommen in dieser Stadt, die mit ihrer

Ingeborg Wolff (c)Antje Zeis-Loi

Jean Sasportes

Zerrissenheit, Bitterkeit und Schönheit selbst erinnert an ein Drama aus Shakespeares Feder. Hier künstlerisch wirksam sein zu dürfen, verbindet mich auf eine neue Art und Weise mit dieser Stadt, die mich beglückt und inspiriert.“ Bernhard Glose („Romeo“)

„Seit mehreren Jahren weiß ich von Robert Sturms Wunsch, bei einem Theaterstück wieder Regie zu führen und er fragte mich nun, ob ich mitarbeiten wolle. Jetzt ist es soweit, ganz real. Welch eine Freude! Seit ich nun nicht mehr festes Mitglied im Ensemble des Tanztheaters bin (nur Gast für die Repertoirestücke), arbeite ich häufig an Theatern in Berlin und in Düsseldorf. Nun freue ich mich sehr, dass ich mit „Romeo und Juliette“ endlich mal wieder Zuhause spielen darf.“ Jean Sasportes (Bewegung)

„Wieder die Amme … noch einmal die Amme … wie schön …wie aufregend; nach 1979 in er Inszenierung von Horst Siede … nach 2001 unter der Regie von Johannes Claus und jetzt, 2015, noch einmal auf die Suche zu gehen mit Robert Sturm und einem Ensemble, das sich nur für diese Produktion zusammengefunden hat: freie Szene mischt sich mit Stadttheater …Musiker, Tänzer und Schauspieler erarbeiten gemeinsam an einem ungewöhnlichen, wunderbaren Spielort …in einem ungewöhnlichen Bühnenbild einen Klassiker, der nie aufgehört hat, zu berühren … das ist es, was mich nicht aufhören lässt, das Theater zulieben und immer wieder neue Wege zu gehen.“ Ingeborg Wolff („Amme“)

Ruth Eising RIEDEL Communications, Halle V, Uellendahler Str. 353, 42109 Wuppertal Termine: 11. (Premiere)| 12.| 13.| 16.| 17.| 19.| 24.| 26.| 27. September 2015, jeweils 19.30 Uhr Ticket-Hotline: 0202/5637666, CityCenter Schloßbleiche Online-Buchung: www.kulturkarte-wuppertal.de

Kultur, Information und Unterhaltung im Internet Täglich neu – mit großem Archiv Literatur – Musik – Bühne – Film – Feuilleton – Museen – Comic – Fotografie – Reise

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Schwärende Wunden Raik Knorscheidt inszeniert die Gesellschaftskomödie „Der Vorname“ im Wuppertaler TiC-Theater Komödie von Alexandre de la Patellière und Matthieu Delaporte Deutsch von Georg Holzer Inszenierung: Raik Knorscheidt Bühne: Iljas Enkaschew Kostüme: Mariola Kopczynski Besetzung: Pierre: Alexander Bangen Vincent: Robert Flanze Claude: Leon Gleser Elisabeth: Jacqueline Vollmer Anna: Elisabeth Wahle

von links: Robert Flanze, Leon Gleser, Alexander Bangen Foto © Martin Mazur

Hahnenkämpfe Es braucht mitunter nur einen geringen Anlaß, um aus Freundschaften Hahnenkämpfe werden zu lassen, nur einen kleinen Anstoß, um versteckten Gefühlen und unangenehmen Tatsachen Raum zu geben, nur das Ende eines Fadens, um den ganzen Pullover aufzuribbeln. Die höchst geistreiche zeitgenössische französische Komödie „Der Vorname“, ein virtuoser verbaler Schlagabtausch, öffnet mit dem Fallenlassen von Masken, dem Bekennen von Abneigungen, dem Aussprechen unterdrückter Wahrheiten die Druckventile aufgestauter Emotionen. Es kommt dabei gar nicht so genau darauf an, was hier wen an wem stört, es kommt darauf an, daß alle mal die schützende Schicht der Wohlanständigkeit durchbrechen und sich um die Ohren hauen, was sie längst einmal gesagt haben wollten/sollten. Eine Lawine von Emotionen Fünf durchaus erwachsene, gebildete Menschen, allesamt Intellektuelle, der Literaturprofessor Pierre und seine Frau Elisabeth, Lehrerin, deren Bruder, der Immobilienmakler Vincent und dessen Gattin Anna, Geschäfts-

frau, sowie der Orchestermusiker Claude (Posaunist) treffen sich zu einem gemütlichen Abendessen bei Pierre und Elisabeth. Die Männer sind alte Schulfreunde. Man wird wie stets über Gott und die Welt reden, Späße machen, gut essen und viel Wein trinken. Alles steht unter dem Vorzeichen der Harmonie, nicht zuletzt, weil Anna im fünften Monat schwanger ist und jetzt feststeht, daß es ein Junge wird. Wie er heißen soll? „Adolphe“ verkündet Vincent (dem Robert Flanze eine gelungen grenzwertige Oberflächlichkeit gibt) dem linksintellektuellen Pierre (Alexander Bangen in souveräner intellektueller Abgehobenheit) – und löst damit (notabene: ein Scherz, so „geschmackvoll“ wie andere seiner derben Späße) eine Lawine aus, die auch die hinzukommenden Claude und Elisabeth mitreißt. Wie kann man seinen Sohn „Adolf“ nach dem „Führer“ nennen!? Zwar bemühen sich Claude und Elisabeth die Wogen zu glätten, aber einmal losgetreten, brechen Wunden auf und Konflikte sich Bahn. Leon Gleser, fliegen als stillem, sanftem, Konflikte zu vermeiden trachtendem Künstler die Herzen zu und Jacqueline Vollmer gibt der unter Karriereverzicht leidenden, in ihren Leistungen unterschätzte

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Hausfrau, Mutter und Lehrerin schmerzlich glaubhafte Züge, Zwar wird nach Annas Eintreffen der „Adolphe“Scherz bald aufgelöst, doch sind mittlerweile im Streitgespräch so viele Hemmungen gefallen, ist die Stimmung über Kreuz so explosiv geworden, sind so viele Peinlichkeiten aufgedeckt und so viele Kränkungen ausgesprochen worden, daß die gegenseitigen Schmähungen wie Dominosteine fallen. Als dann Claude auch noch eine delikate Affäre im engsten Kreis zuzugeben genötigt wird, brechen alle Dämme: es kommt zu bösen Worten, Beleidigungen und sogar zu körperlicher Gewalt. Elisabeth Wahle glänzt im Stimmungs-Wechsel von besorgt schützend, impulsiv zornfunkelnd bis entschlossen handelnd, eine Anna, die ihrem Vincent moralisch in seiner Unzulänglichkeit überlegen ist. Hervorragend besetzt Raik Knorscheidt hat dieses an rasch wechselnden Fronten Schlag auf Schlag geführte Wortgefecht auf den Punkt besetzt und mit so viel Verve inszeniert, hält den Handlungsfaden so straff, daß in den zweimal 45 Minuten nicht für den Moment eines Lidschlags die Aufmerksamkeit

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des Publikums absinken kann. Man klebt an den Lippen und Bewegungen seiner fünf Personen im Raum, folgt dem blitzschnellen Schlagabtausch und kann sich an den wunderbaren Dialogen schier besoffen hören. Alexander Bangen, den man vor nicht allzu langer Zeit in „Spiels noch einmal, Sam“ schon einmal als leicht zerstreuten, doch eloquenten Intellektuellen ebenso brillant erleben konnte (übrigens ebenfalls mit Robert Flanze als Dialogpartner), ist seine Rolle des Pierre mit geistreicher Argumentation und plötzlichen Ausbrüchen förmlich auf den Leib geschrieben. Robert Flanze, zuletzt als Hamlet im direkten Zusammenprall mit Bangen als Claudius, strahlt die mit Humor überspielte aggressive dynamische Körperlichkeit Vincents aus. Leon Gleser schließlich, das „stille Wasser“, ist in der freundlichen Zurückhaltung Meister.

Ausspeien quersitzender Gedanken und Gefühle durchaus auch reinigende Wirkung haben können, fällt im Theater der Vorhang über einer versöhnlichen Szene. Man kann noch hoffen. Eine vorzügliche Regiearbeit mit einem hochmotivierten Ensemble, das sich nichts schenkt, dafür dem Publikum einen brillanten Abend intelligentester Unterhaltung. Noch eins – ein Appell ans Publikum: überschätzen Sie nicht Ihre Kinder, nehmen Sie die unter 14 Jahren nicht mit in die Vorstellung, auch wenn „Komödie“ auf dem Etikett steht. Die Kleinen werden vom Stück nichts haben (wie in der Premiere erlebt), weil sie es nicht verstehen können. Für ein aufgeschlossenes Publikum allerdings eine Sternstunde, der wir unsere Auszeichnung geben: den Musenkuß. Frank Becker

Eine Sternstunde Das Stück und seine straffe Umsetzung verfügen über ein hohes Maß an humorvoller Intellektualität, über echte Dramatik und reichlich Konfliktstoff. Die schnelle Pointe und das Lachen, das im Halse stecken bleibt, gehen Hand in Hand. Weil aber solche heftigen Ausbrüche und bis an die Grenze gehende Auseinandersetzungen, das

Weitere Informationen: www.tic-theater.de

von links: Elisabeth Wahle, Robert Flanze, Leon Gleser, Alexander Bangen, Jacqueline Vollmer Foto © Martin Mazur


Sunays Comingout als Mensch oder: Der Neue West-Östliche Divan Das Theater Anderwelten präsentiert ein Multi-Media Stück von Heiner Bontrup und Melanie Mägdefrau im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Orientexpress“

Still aus dem Videobühnenbild „Ground Zero“

Es gilt als eines der schwierigsten Werke Goethes: die Gedichtsammlung „West-oestlicher Divan“. Goethe selbst ahnte schon, dass seine Zeitgenossen Probleme haben würden, einen Zugang zu diesem durch die persische Lyrik inspirierten Gedichten zu finden. Zu wenig klassisch, zu wenig deutsch, so mussten die Zeitgenossen dieses Werk empfinden. Daher ist der „Divan“ das einzige seiner Werke, dem Goethe eine sehr umfangreiche Einleitung zum „besseren Verständnis“ voran gestellt hat. Der wahre literarische Rang dieses einzigartigen Werkes wurde indes erst etwa 100 Jahre nach dem Erscheinen der Gedichtsammlung entdeckt. Hugo von Hofmannsthal gehörte zu den ersten Dichtern, die die gewaltige Bedeutung des „Divans“ verstanden; er schreibt: Goethes Jünglingsgedichte fliegen uns durch die Seele wie Musik, in »Hermann und Dorothea«, im »Meister« ist das Dasein wie in festen, von innen erhellten Bildern vor uns hingehalten, so ist auch der »Faust« eine Bilderfolge, freilich eine magische; hier aber, im »West-östlichen

Divan«, sind wir, wie nirgends, mitten in den Bereich des Lebenden gestellt.“ Tatsächlich hatte Goethe, der selbst viel zum Entstehen einer deutschen Nationalliteratur beigetragen hatte, mit diesen Gedichten für die Deutschen das Tor zur Weltliteratur weit aufgestoßen. Denn beseelt ist das Werk von der Idee eines transkulturellen Dialogs zwischen Okzident und Orient. Eine Vision, die vor dem Hintergrund des aktuellen weltpolitischen Geschehens aktueller, vielleicht aber auch wirklichkeitsfremder kaum erscheinen könnte. Wohlfeil zitieren Politiker gerne Goethe: „Das Land, das seine Fremden nicht schützt, ist dem Untergang geweiht.“ Tatsächlich findet sich dieser Satz im „Divan“, indes zitiert Goethe hier den persischen Botschafter Mirza Abul Hassan Khan am russischen Hofe in St. Petersburg, der vor allem die Schönheit der Stadt, die Gastfreundschaft und die Schönheit der Frauen lobt: »Ich bin durch die ganze Welt gereist, bin lange mit vielen Personen umgegangen, jeder Winkel gewährte mir einigen Nutzen, jeder Halm eine Ähre,

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Chrystel Guiellebeaud

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und doch habe ich keinen Ort gesehen, dieser Stadt vergleichbar noch ihren schönen Huris. Der Segen Gottes ruhe immer auf ihr.“ Wie aber holt das Theater Anderwelten die Gedichte Goethes in die Gegenwart. Was hat Goethe uns mit seinem „Divan“ in der nach 9/11 verrückt gewordenen Welt noch zu sagen? Das Autorenduo Heiner Bontrup und Melanie Mägdefrau des Theaters Anderwelten verwickeln die 26 Jahre junge Iranerin Sunay in einen fiktiven Dialog mit Goethe: Sunay hat Germanistik studiert und ist jetzt arbeitslos. Sie lebt sehr zurückgezogen in einer kleinen Dachmansarde und hält sich mit Gelegenheitsjobs soeben über Wasser. Da sie bewusst auf Fernsehen und Internet verzichtet, dient ihr als wichtigste Informationsquelle ein altes Röhrenradio, das sie auf dem Trödel gekauft hat. In diesem Hohlspiegel fängt sie Nachrichten ein und sie erlebt schmerzhaft, dass mitten durch diese Welt ein Riss geht: Orient und Okzident bilden eigentlich die beiden Hälften e i n e r Welt. Aber politisch scheint diese eine Welt auseinanderzubrechen. In ihrem Bücherschrank findet Sunay Goethes „West-östlichen Divan“. Unvermittelt werden Goethes Gedichte und seine Utopie eines gleichberechtigten poetischen Dialogs zwischen Okzident und Orient für sie zum Fluchtpunkt ihrer Sehnsüchte nach einem schönen und

sinnerfüllten Leben. In ihren fiktiven Briefen an Goethe beginnt sie mit dem großen Genius der Weimarer Klassik einen zeitüberspannenden kritischen Dialog, hinterfragt das Frauenbild Goethes und klärt den Genius der Weimarer Klassik über die aktuelle Weltlage auf. Und Goethe antwortet ihr aus der Tiefe der Vergangenheit raunend - mit seinen Gedichten und seinen Gedanken aus der Einleitung zum West-östlichen Divan. Während dieses multimedialen Stücks werden die Stimmungen der Briefe Sunays, die Gedichte Goethes und die Musikwelten, durch die sich Sunay vermittels ihres alten Röhrenradios hindurchhört, in Tanz transformiert. Dabei spannt sich der musikalische Bogen von orientalischer Musik über die deutsche Klassik bis hin zum HipHop. Die magischen Bildund Videosequenzen des Filmemachers Frank N entführen den Zuschauer in die Innenwelt des Bewusstseins Sunays und nehmen ihn zugleich mit auf eine Reise, die ihn vom Iran über Deutschland nach New York entführt, mitten in das Herz des Big Apple. Dort versteht Sunays, dass sie tatsächlich ist, was ihr Name sagt: ein Geschenk des Mondes. Und sie entdeckt, dass das Leben grenzenlos sein kann, wenn… Doch das Geheimnis ihres Comingout als Mensch soll hier (noch) nicht verraten werden. Heiner Bontrup

Heiner Bontrup

Tanz Chrystel Guillebeaud (Sunay) Schauspiel Olaf Reitz Sprecherin Claudia Gahrke Soundtrack Charles Petersohn Live-Musik: Michael Hablitzel (Cello) Videobühenbild: Frank N Text und Regie: Heiner Bontrup & Melanie Mägdefrau

Theater am Engelsgarten Mittwoch, 19. August 2015, 19.30 Uhr Eine Veranstaltung im Rahmen der Kulturreihe „Orientexpress“

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Bernard Schultze Ausstellung zum 100. Geburtstag im Museum Ludwig in Köln bis zum 22. November 2015

Bernard Schultze akg-images/Brigitte Hellgoth

links: Kopffüßler verstrickt in Abenteuer, 1987 Öl auf Leinwand, 200 x 140 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2015 Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln

Bernard Schultze hat während seines langen Lebens ein überaus reiches Werk geschaffen. Das vorliegende Œuvreverzeichnis umfasst mehr als 3200 Gemälde und Skulpturen, hierunter auch einige Bronzen sowie Installationen und ein Bühnenbild. Darüber hinaus existieren von seiner Hand eine Vielfalt von Zeichnungen, Aquarellen und Druckgrafiken, ebenso theoretische Schriften, Künstlerbücher und Gedichte. Sie alle geben Zeugnis einer geradezu unerschöpflichen Kreativität. Als ein führender Protagonist der gestischabstrakten Malerei gehört Bernard Schultze zu den bedeutenden Künstlern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als er – angeregt durch die lyrische Abstraktion in Frankreich – 1952 in Frankfurt gemeinsam mit K.O. Götz, Otto Greis und Heinz Kreutz die Künstlergrupe QUADRIGA begründet, ist dies die Geburtsstunde des Informel in Deutschland. Waren seine Bilder in den ersten Nachkriegsjahren noch stark von Expressionismus und Surrealismus beeinflusst, so bildet ab Beginn der 1950er-Jahre Bretons Postulat schöpferischen Arbeitens unter dem Diktat des Unbewussten den Leitfaden seines Schaffens. Schon bald beginnt er, seine Bilder mit plastischen Einklebungen wie Sand, Stroh, Bindfäden, Rinde und Hölzern in die dritte Dimension zu erweitern. In der Folge entwickelt Schultze eine ureigene und doch vielfach kunstgeschichtlich vernetzte Bildsprache, die den Schöpfer der „Migofs“, jener fantastisch-wuchernden, vage gestalthaften Farbgebilde, als singuläre Figur in der Welt der Malerei etabliert. Seit Beginn der 1960er-Jahre erobern diese Formfindungen immer häufiger den Raum, werden zu eigenständigen dreidimensionalen Objekten. Auch vollzieht sich in dieser Dekade eine zeitweise Hinwendung zur Abbildhaftigkeit; Versatzstücke von Alltagsrealität wie Collageelemente aus Zeitschriften oder Schaufensterpuppen bevölkern nunmehr die Werke, werden in der Dialektik von Verführung und Verwesung zu oszillierenden Zerrbildern einer in seinen Augen oberflächlichen, konsumorientierten Popkultur. Mit der Rückkehr zur Leinwand entstehen seit den 1970er-Jahren delikatonige Grisaillen und zunehmend großformatiger wie auch farbenprächtiger werdende Gemälde. Die konkreten Gestaltgebungen ziehen sich schließlich vollkommen zurück zugunsten reiner und dennoch nicht selten spürbar assoziativer Malerei. In der steten Aufzeichnung malerischer

Reaktionsketten erschafft Bernard Schultze in den letzten Jahrzehnten seines Lebens auf häufig monumentalen Leinwänden ein fulminantes Spätwerk. Die leidenschaftliche Auseinandersetzung mit der Malerei beschäftigt den Künstler bis zuletzt täglich aufs Neue; er stirbt am 14. April 2005, nur wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag. Bernard Schultzes Schaffen in seiner kreativen Fülle mit einem umfassenden Werkkatalog zu dokumentieren, war nicht nur das Vermächtnis des Künstlers, sondern auch ein wichtiges Anliegen für das Museum Ludwig, das in Köln über einen Teil des künstlerischen Nachlasses verfügt. Ohne die Unterstützung seitens vieler beteiligter Personen und Institutionen wäre dieses Projekt nicht zu realisieren gewesen. Wir danken den Mitarbeitern des Museum Ludwig, dem Rheinischen Bildarchiv sowie der Kunst- und Museumsbibliothek Köln für die vielfältige Unterstützung. Hinsichtlich der komplexen Datenverarbeitung war Tobias Nagel stets eine wertvolle Hilfe. Nina Beyer sei für ihre umfangreiche organisatorische Arbeit und redaktionelle Assistenz gedankt. Dank auch an Ines Dickmann für das sorgfältige Lektorat. Tino Graß hat das dreibändige Werk bewährt professionell und einfühlsam gestaltet. Für ihren substanziellen Textbeitrag danken wir Christa Lichtenstern. Besonderer Dank gilt Doris Schultze-Berger, die am gesamten Werdegang dieser Publikation aktiv Anteil genommen hat, sowie Konrad Adenauer für die stets wohlwollende Begleitung des Projekts. Mit dem vorliegenden Œuvreverzeichnis wird dem Benutzer eine hoffentlich inspirierende und hilfreiche Quelle bei der Beschäftigung mit einem wunderbar reichen Werk an die Hand gegeben. Stephan Diederich und Barbara Herrmann aus dem Vorwort zum Werkkatalog

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linke Seite: Mich bedrängend, 1991 Öl auf Leinwand, 220 x 520 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2015 Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln unten: Bevor die Dinge ihr Antlitz bekamen, 1994 Öl/Pastellkreide auf Leinwand, 200 x 260 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2015 Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln

Bernard Schultze (1915-2005) war ein führender Protagonist der gestisch-abstrakten Malerei in Europa. Als er 1952 mit Karl Otto Götz und anderen die Künstlergruppe Quadriga gründete, war dies die Geburtsstunde des Informel in Deutschland. Schon früh bildete Bretons Postulat eines schöpferischen Arbeitens unter dem Diktat des Unbewussten den Leitfaden für Schultzes Schaffen. In der Folge entwickelte er eine ureigene, zugleich vielfach kunstgeschichtlich vernetzte Bildsprache, die ihn als singuläre Persönlichkeit in Malerei und Zeichnung etablierte. Dazu trug auch die Schöpfung seiner Migofs bei, jener phantastisch wuchernden, vage gestalthaften Farbgebilde, die zuweilen seine abstrakt-expressiven, dabei in hohem Maße assoziativen Werke bevölkern. In der beständigen Aufzeichnung malerischer Reaktionsketten schuf er bis zu seinem Tod im April 2005 auf häufig monumentalen Leinwänden ein fulminantes Spätwerk. Das Museum Ludwig, das über einen Teil des künstlerischen Nachlasses von Bernard

Schultze verfügt, widmet dem am 31. Mai 1915 geborenen Künstler eine Hommage zum einhundertsten Geburtstag. In drei Räumen werden Werke aus dem eigenen Sammlungsbestand präsentiert. Neben einer Reihe früher Zeichnungen und Bilder sind vor allem Arbeiten aus den beiden letzten Schaffensdekaden zu sehen. Darüber hinaus erscheint zu diesem Anlass das Werkverzeichnis der Gemälde und Skulpturen von Bernard Schultze im Hirmer Verlag. Seit 1968 bis zu seinem Tod 2005 hat Bernard Schultze in Köln gelebt und gearbeitet. Über Jahrzehnte war er – gemeinsam mit seiner 1999 verstorbenen Ehefrau, der Künstlerin Ursula – eine feste Größe im kulturellen Leben der Stadt. In zahlreichen nationalen wie internationalen Ausstellungen und Sammlungen waren und sind seine Werke mit den ihnen eigenen, zuweilen sehr überraschenden Formfindungen vertreten. 1994 richtete das Museum Ludwig in der Josef-Haubrich-Kunsthalle in Köln die Ausstel-

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Insektenhaft, 1952 Öltempera auf Hartfaser, 72 x 94 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2015 Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln

lung „Bernard Schultze – Das große Format“ aus, die von der beeindruckenden Kraft im Spätwerk des Künstlers zeugte. In einer weiteren Station dieser Ausstellung wurden die Gemälde im Museum der Schönen Künste in Budapest präsentiert. Dort traten sie in einen lebendigen und spannungsvollen Dialog mit großformatigen Werken der Barockmeister. Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum wurden seine Werke Mitte der achtziger Jahre in einer Sonderausstellung gemeinsam mit mittelalterlichen Altären und Tafelbildern gezeigt. Das Museum Kunstpalast in Düsseldorf zeigt vom 19. April bis 30. August 2015 „Bernard Schultze (1915 – 2005) Werke aus der Sammlung Kemp“. Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck präsentiert die Ausstellung „Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind Bernard Schultze zum 100. Geburtstag“ vom 19. Juni 2015 bis 1. Mai 2016.

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Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln www.museum-ludwig.de, Tel. 0221-221 26165 Öffnungszeiten: Di – So (inkl. Feiertage): 10 – 18 Uhr, jeden 1. Do im Monat: 10 – 22 Uhr, montags geschlossen Eintritt: Gültig für die ständige Sammlung und alle Ausstellungen bis 5. 7. 2015: 14,00, reduziert: 9,00, Familien: 28,00 , Gruppen (ab 20 Personen): 10,00 Euro


Stadthallen-Jubiläum Sogar Cindy aus Marzahn ist (noch) Kultur und das Lob von Simon Rattle Die Sache mit Sir Simon Rattle gehört mittlerweile schon zum Marketing-Standardprogramm der Historischen Stadthalle Wuppertal. Der Noch-Chefdirigent (seit 2002) der Berliner Philharmoniker hat sich am 6. November 2012 in einem Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ euphorisch über die Qualität des großen Saales auf dem Johannisberg geäußert.

Foto: Olaf Joachimsmeier

Es passierte, als es um die nach Ansicht Rattles lausige Akustik in Münchens Konzertsaal Gasteig ging: „Wuppertal hat akustisch einen der besten Konzertsäle in der Welt. Sie ist wie der Musikverein in Wien. Die Münchner sollten nach Wuppertal schauen und traurig sein, dass sie das nicht selbst haben.“ Aus dem Saal im Wiener Musikverein wird alljährlich weltweit das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker übertragen. Aber der graugewordene Lockenkopf aus Liverpool war nicht der einzige Große, der sich über diese Halle wunderte. Als der ebenso schwierige, anspruchsvolle und bekannt launische Burgschauspieler Klaus-Maria Brandauer anlässlich einer eher enttäuschenden Lesung vor zehn Jahren zur Tonprobe die Bühne betrat, kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Lesung wurde deshalb allerdings nicht besser. Schnell verschwand er von der Bühne und aus der Halle. Eigentlich gibt es niemanden, der diese Halle nicht überwältigend gut findet. Vom Wahlkongress des Verbandes Deutscher Sportjournalisten im Jahre 2007 schwärmt heute noch jeder der Teilnehmer dieser wahrhaft verwöhn-

ten und oftmals strengen und ungerechten Berufsgruppe. Über 500 Veranstaltungen sind in der Saison 2015/2016 in der Historischen Stadthalle auf dem Johannisberg geplant. Das InterpretenVerzeichnis des auf Top-Niveau gestalteten Jahresmagazins umfasst vom Tenor Eduardo Aladrén bis zum Züricher Kammerorchester 197 Namen von Solisten und Gruppen. Die kommende Saison ist etwas Besonderes, denn die Wiedereröffnung der Stadthalle fand vor 20 Jahren statt und Oberbürgermeister Peter Jung stellte fest: „Es war eine weise Entscheidung, dafür 85 Millionen DM aufzuwenden. Jede Mark ist gut investiert.“ Längst ist die „Stradivari unter den Konzertsälen“ in der kunterbunten VeranstalterSzene etabliert, auch wenn der AufsichtsratsVorsitzende Rainer Spieker bei der Vorstellung des Jubiläumsprogramms nicht verschwieg: „Vor sechs oder sieben Jahren gab es schwere Zeiten. Jetzt aber steht die Stadthalle auf gesunden Füßen.“ StadthallenVizechef Herbert Heck berichtete von einem mittlerweile um ca. 100.000 Euro gekürzten Zuschuss von noch 785.000 Euro, aber

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auch von schwarzen Zahlen des Jahres 2014 von 208.000 Euro. Ähnliches wird von der kommenden Saison erhofft. Wobei trotz aller Euphorie und erkennbarer Begeisterung der Geschäftsführerin Silke Asbeck die Realität nicht ausgeblendet wurde: die Wuppertaler Stadthalle ist umzingelt von hochkarätiger Konkurrenz in Düsseldorf, Essen und Köln und zu Dumpingpreisen ist das Schmuckstück dieser Stadt auch nicht (mehr) zu haben. Asbeck: „Dafür bieten wir praktisch ein Rundum-Sorglos-Paket.“ Immer auf der Basis der Vermietung, ohne risikoreiche Eigenveranstaltungen. Flexibilität ist trotzdem angesagt, vor allem die Anfragen von Filmund Fernsehteams kommen oftmals „aus der Hüfte geschossen.“ Wuppertals „gute Stube“ wird aber nicht nur den finanzkräftigen Bildungsbürgern mit dem Gespür für das Besondere und verwöhnten Event-Genießern vorbehalten. Dank des Engagements der Kulturloge des Gemeinsamen Hilfswerks des Lions Clubs werden seit drei Jahren jeweils 20 Karten für viele Veranstaltungen auch an bedürftige Bürger verteilt.

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Der Kulturbeauftragte Michael Huby: „Es kommt sehr viel Dankbarkeit zurück.“ Zum breiten Spektrum des Angebots zählt auch die Einladung für Schulklassen zu den Auftritten der sogenannten Startkünstler, begleitet von der Bayer-Musikreferentin Carolin Sturm. Neue Startkünstlerin ist die ausdrucksstark, unbeschwert und mit flinken Fingern beeindruckende Pianistin Tamar Beraia (15. 9., 20 Uhr). Besonders stolz verkündete Hallenchefin Asbeck den Auftritt der in Wichlinghausen aufgewachsenen und in Beyenburg wohnenden Fernsehschauspielerin Ann-Kathrin Kramer. Sie wird das Jubiläums-Galakonzert am 29. Oktober moderieren. Bedient wird in der „20 – 20 Saison“ das nahezu komplette Genre mit Musical, Show, Comedy, Pop, Rock und Klassik. Auch mit vielen Hochkarätern der Vergnügungs-Branche wie Götz Alsmann, Justus Frantz, die Kastelruther Spatzen, Urban Priol, Max Raabe, Hagen Rether, Wilfried Schmickler und dem allerorten gefeierten Puppen-Virtuosen Sascha Grammel. Am 8. November wird die Europa-Gruppe der aus New York stammen-

den „Chippendales“ selbst für verwöhnte Augen beiden Geschlechts noch eine Steigerung bieten und zu den 25 Prozent der zum Bereich „Kultur“ zählenden Veranstaltungen wird in der Stadthallen-Wertung „Cindy aus Marzahn“ mit ihrem Auftritt am 27. Mai 2016 gezählt. Das wird Cindy wahrlich erfreuen. Klaus Göntzsche

Foyer in der Stadthalle beim Musiksommer 27. August 2014


... mit Felix Mendelssohn So lautet das Motto für die neue Saison der Konzertreihe „Saitenspiel“ in der Historischen Stadthalle Wuppertal.

Felix Mendelssohn Bartholdy Aquarell von James Warren Childe 1830 Damit stellen die sonntäglichen Kammerkonzerte erstmals einen Komponisten programmatisch in den Mittelpunkt. Dem Initiator und Mäzen der Reihe, Detlef Muthmann, ist die Beschäftigung mit Felix Mendelssohn Bartholdy ein besonderes Anliegen, denn das Andenken an den genialen Musiker erlebte im Verlaufe des 19. und 20. Jahrhunderts eine sehr wechselvolle Geschichte.

Faszination: Musiker und Manager Felix Mendelssohn Bartholdy ist eine der faszinierendsten Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Als Sprössling einer reichen jüdischen Bankiers- und Intellektuellenfamilie erhielt er die bestmögliche Ausbildung und durfte – gemeinsam mit seiner Schwester Fanny, ebenfalls Komponistin – bereits als Zwölfjähriger seine Streichersinfonien und kleinere theatralische Arbeiten bei den Sonntagskonzerten im Berliner Salon seiner Eltern aufführen und leiten. Das gefeierte Wunderkind wurde von niemand Geringerem als Johann Wolfgang von Goethe gefördert – vielen Zeitgenossen erschien er als „Götterliebling“, sogar als „zweiter Mozart“. Der reife Mendelssohn wurde zu seinen Lebzeiten von vielen Kollegen (wie zum Beispiel Robert Schumann) hoch verehrt. Als Komponist, glänzender Pianist und Dirigent wurde er in Deutschland und ganz Europa (insbesondere auch in London) gefeiert. Aber Mendelssohns Bedeutung für die Musikgeschichte geht weit über das künstlerische Genie hinaus: Genau genommen verdanken wir ihm das moderne Konzertleben, wie wir es heute kennen. Seine Wiederaufführung der Bach’schen Matthäuspassion mit der Berliner SingAkademie im März 1829 setzte nicht nur eine Bach-Renaissance in Gang, die unsere heutige Wertschätzung für diesen „alten Meister“ erst möglich macht, sondern überzeugte das damalige Publikum davon, dass es überhaupt lohnenswert sei, sich mit historischem Repertoire (und nicht nur den

neuesten romantischen Moden) zu beschäftigen. Als Musikdirektor in Düsseldorf, Leipzig und Berlin organisierte er ein bürgerliches Konzertleben, in dem die Werke der Komponisten im Mittelpunkt stehen sollten – und nicht das gesellschaftliche Ereignis. So setzte Mendelssohn zum Beispiel eine heutige Gepflogenheit wie den Verzicht auf Applaus zwischen den Sätzen eines Stückes durch: Die Musik selbst, nicht der Interpret sollte die volle Aufmerksamkeit erhalten. Aber die vielleicht bedeutsamste kulturpolitische Tat Mendelssohns sollte die Gründung des ersten deutschen Konservatoriums in Leipzig 1843 sein. Die Ausbildung professioneller Musiker hob die bürgerliche Musikpflege in Deutschland, die seit den 1820er Jahren zunächst durch die Vermischung von Profis und Laien in den zahlreichen Musikvereinen gekennzeichnet war, auf ein neues, bisher ungekanntes professionelles Niveau. Posthum: Verfemung Die Nachwelt dankte jedoch alle Verdienste Mendelssohns um die „deutsche Kunst“ nur wenig: Nach seinem frühen Tod im Jahr 1847 wurde er zur Zielscheibe antisemitischer Angriffe, zunächst durch Richard Wagner (in der Schrift „Das Judentum und die Musik“ von 1850), in letzter brutaler Konsequenz durch die Nationalsozialisten, die seine Werke verboten. So verdankt sich zum Beispiel die Entdeckung und WiederMendelssohn Kammerorchester Leipzig Foto: Matthias Gruner

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oben: Auryn Quartett, Foto: Manfred Esser Mitte: Goldmund Quartett unten: Uriel Quartett belebung des zu Lebzeiten des Komponisten nie veröffentlichten Schumann’schen Violinkonzerts im Jahr 1937 allein durch den Umstand, dass die nationalsozialistische Kulturpolitik einen „Ersatz“ für Mendelssohns populäres e-Moll-Konzert benötigte. Auch in Wuppertal schloss man sich dieser kulturellen Zerstörungswut an: Bereits im Frühjahr 1934 wurde der Name Mendelssohns (wie auch die Namen Offenbachs und Meyerbeers) vom Sims der Historischen Stadthalle entfernt. Lange standen Werturteile letztendlich antisemitischen Ursprungs einer gründlichen wissenschaftlichen Aufarbeitung und angemessenen Wertschätzung von Mendelssohns künstlerischem und kulturpolitischem Schaffen im Wege. Musiker und Publikum entschieden sich jedoch schon früh „pro“ Mendelssohn – nach 1945 kehrten seine großen Orchester- und Chorwerke, die Lieblingsstücke aus Klavier- und Kammermusik umgehend wieder ins Repertoire zurück. Saitenspiel: Mendelssohn – und mehr Dennoch gibt es noch vieles in seinem Œuvre zu entdecken. So stehen besonders Werke des jungen Mendelssohn im Zentrum der fünf Konzerte von „Saitenspiel“: Die beiden Streichersinfonien Nr. 1 und Nr. 7 (gespielt im Konzert am 29. 11. 2015) komponierte er als Zwölfjähriger. Nur vier Jahre später entstanden das hochvirtuose dritte Klavierquartett h-Moll (Konzert am 31. 1. 2016), ein brillanter Erfolg auf Mendelssohns Konzertreise nach Paris, und das geniale Oktett für acht Streicher, das als eines der mitreißendsten Kammermusikstücke überhaupt gilt (Konzert am 25. 10. 2015). Bei so viel jugendlichem Genie erscheint das Streichquartett a-Moll op. 13 (Eröffnungskonzert am 27. 9. 2015) schon als Reifewerk – immerhin war Mendelssohn bei dessen Komposition bereits 18 Jahre alt und ein etablierter Komponist. Einen besonderen Akzent setzen das hochkarätig besetzte Uriel Quartett um den Wuppertaler Bratscher Werner Dickel (Professor an der Musikhochschule und Kurator der Musik auf dem Cronenberg) und die junge

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Klenke Quartett, Foto: Marco Borggraefe Sopranistin Dorothea Brand (ehemaliges Ensemblemitglied des Wuppertaler Opernhauses) mit Aribert Reimanns einfühlsamen Bearbeitungen von Liedern Mendelssohns für Gesang und Streichquartett – ein Blick auf die „Nachtschatten“ im Œuvre des scheinbar so heiteren Genies (Konzert am 10. 4. 2015). Mendelssohns Musik spiegelt sich dabei in allen Konzerten in Werken seiner Vorläufer, Zeitgenossen und Nachfolger: von Mozarts außergewöhnlichem Klarinettenquintett über berühmte Quartette von Haydn („Kaiserquartett“) und Beethoven (op. 127) bis zu romantischen Zeitgenossen wie Karl Goldmark, Niels Gade oder Gaetano Donizetti.

Der jugendliche Elan Mendelssohns, den man in den „Saitenspiel“-Konzerten bewundern kann, eignet sich vielleicht besonders gut für die speziellen Angebote an die junge und die ältere Generation: Wie bereits in der letzten Saison gibt es zu allen Konzerten am darauf folgenden Montag zwei Schulkonzerte für Grundschulkinder der 3. und 4. Klassen. Für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen wird unter dem Motto „Auf Flügeln der Musik“ (in Anlehnung an Mendelssohns berühmte Heine-Vertonung „Auf Flügeln des Gesanges“) ein begleiteter Konzertbesuch zu besonderen Konditionen angeboten.

Konzerttermine: 27. 9. 2015 Goldmund Quartett Pablo Barragán, Klarinette 25. 10. 2015 Auryn Quartett Klenke Quartett 29. 11. 2015 Mendelssohn Kammerorchester Leipzig Peter Bruns, Leitung und Violoncello 31. 1. 2016 Rivinius Klavierquartett 10. 4. 2016 Uriel Quartett Dorothea Brandt, Sopran

Elisabeth von Leliwa Detailinformationen: www.saitenspiele.eu

SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN in WUPPERTAL LYNN CHADWICK 18. 7. – 18. 10. 2015 skulpturenpark-waldfrieden.de

Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal · 0202 47898120

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SubCulture Marc und Steven Kaplan bringen klassische Musik nach Downtown Manhattan

links: Instrumente im Nirvana: Das gestaltete Gitter vor der Treppe zum SubCulture unten: Größtmögliche Intimität bei der Aufführung: Das Ariel Quartet spielt Streichquartette von Beethoven © SubCulture

Ein Zyklus der Streichquartette Beethovens mit dem Ariel Quartet ist für Manhattan an sich nicht ungewöhnlich. Was Freundinnen und Freunden von Kammermusik an den Programmankündigungen für die acht Abende zwischen September 2014 und Mai 2015 allerdings merkwürdig vorkommen musste, war zum einen die Uhrzeit der einzelnen Konzerte, vorwiegend Mitternacht, und der Ort der Veranstaltungen, das SubCulture in der 45 Bleecker Street. Jedes Kind weiß: Klassische Musik findet uptown statt, etwa im Lincoln Center, in dem sowohl die Metropolitan Opera, als auch die New York Philharmonic ihr Zuhause haben, in den drei Konzertsälen der Carnegie Hall oder auf den Bühnen von Konservatorien wie Jiulliard School of Music, Manhattan School of Music und Mannes School of Music. Südlich der 57th Street hörte man Musik des Barock, der Klassik oder Romantik live aufgeführt gelegentlich mal in Kirchen, aber doch bitteschön nicht auf der Bleecker Street. Auf dieser zentralen Achse des Greenwich Village Nightclub District nuschelte schon 1965 Robert Allen Zimmerman eine wichtige Frage des Lebens

ins Mikrophon und gab vier Verse später die naheliegende Antwort: „Like a rolling stone“. Mit dem „Heiligen Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit, in der lydischen Tonart“, diesem wunderbaren molto adagio aus Beethovens 15. Streichquartett, lockte auf der Bleecker Street für Generationen keiner mehr einen Hund hinter dem Ofen hervor. Das hat sich geändert. Am 12. Mai 2015 standen auf dem Programm des Clubs „SubCulture“ die Beethoven Streichquartette op. 18, Nr. 6 in B-Dur und op. 132 in a-Moll, aufgeführt durch das israelisch-deutsche Ariel Quartet, wie gesagt, kurz nach Mitternacht. Entsprechend jung war das Publikum im nahezu ausverkauften „Haus“. Das Konzert bildete den Abschluss einer Reihe, für die Marc und Steven Kaplan das Quartett auch wegen seines in Programmheften oft „jugendlich“ oder „überschäumend“ genannten Elans verpflichtet hatten. Marc und Steven Kaplan sind Musikliebhaber. Ihnen ist die von der Gesellschaft für musikalische Aufführungsund mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) immer noch penibel vorgenommene Unterscheidung zwischen E-Musik

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oben: Die beiden Clubgründer: Marc und Steven Kaplan © SubCulture Mitte: Mehr Club als Konzertsaal: Der ökonomisch unerlässliche Tresen unten: SubCulture Gesamtansicht: Die Bühne lässt sich bei Bedarf auch in die Mitte des Raumes verlegen, was dann eine noch intimere Atmosphäre erzeugt und U-Musik ziemlich schnuppe. Sie wollen stattdessen jedweder Musik eine Bühne geben, die eine Erfahrung künstlerischer Transzendenz zumindest in Aussicht stellt. Dies erfordert allerdings neben der Liebe zur Musik noch einigen unternehmerischen Geist, viel Geduld und letztlich eine Schanklizenz, denn wie überall sonst auf der Bleecker Street und in den allermeisten Kneipen und Clubs der Stadt wird auch die Live-Musik im SubCulture über den Verkauf alkoholischer Getränke querfinanziert. Der Reihe nach: Mitte 2012 waren Marc und Steven nach längerer Suche auf beiden Seiten des East River auf der Bleecker Street endlich fündig geworden. Ein Jahr verging, bis aus einem Keller mit hohen, gewölbten Decken ein Konzertsaal geworden war, in dem nun 150 Zuhörer und ein langgestreckter Tresen Platz finden. Akustisch war der Keller bereits vor dem Umbau ein Glücksgriff. Naturbelassene oder blau gestrichene Ziegelwände, zahlreiche Memorabilien aus dem nahliegenden Gewerbegebiet auf der Bowery und die notwendige Technik unter der Decke konnten der Akustik nur wenig anhaben, doch so ist auch optisch ein Eindruck entstanden, der so gar nicht an die Architektur anderer Konzertsäle erinnert. Vor allem nicht, wenn ein Teil der Sitze herumgedreht wird, die Bühne dann in die Mitte des Saales wandert und so Konzerte von großer Intimität möglich werden. Ein Streichquartett ist auf diese Weise inmitten eines kleinen Publikums aufführbar, was für Künstler und Zuhörer gleichermaßen sehr reizvoll sein kann. Kompromisslos einen Raum für außergewöhnliche Musikerlebnisse zu schaffen, war von Beginn an das erklärte Ziel der Kaplan-Brüder. Darf man der Webseite Glauben schenken, ist dies offensichtlich gelungen: „Immersed in color. Cradled in sound. Built for musical nirvana.” Seit der Eröffnung des Betriebs im Mai 2013 hat es pro Jahr über 200 Konzerte bei hoher programmatischer Spannbreite, wenn nicht gar Eklektizismus gegeben. Marc und Steven

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oben: Esa-Pekka Salonen Eines der vielen Highlights: Esa-Pekka Salonen mit Cellistin Sumire Kudo nach einer Aufführung im SubCulture in 2013 © Hiroyuki Ito / The New York Times Mitte: Kammermusik in Clubatmosphäre: Das Piano-Duo Anderson & Roe und zwei Steinway B unten: Große Worte für einen Konzertsaal mit 150 Plätzen: Marc und Steven Kaplan wären aber schon zufrieden, wenn sie Kunst-Musik auf der Bleecker Street dauerhaft etablieren könnten Kaplan sind vielseitig interessiert und stets neugierig darauf, wie etwa Donald Fagen (Steely Dan), Tori Amos oder John Williams im SubCultur klingen würden, oder mit welchen Überraschungen ein „Composer in Residence” wie Gregg Kallor aufwarten könnte. Um SubCulture auf Dauer zu etablieren, bedarf es angesichts der Quadratmeterpreise für Gewerbeflächen in Manhattan allerdings noch eines soliden „Business Plans“, denn wohlhabend oder gar reich sind nach eigenem Bekunden weder Marc noch Steven. Die eher uptown gelegenen Wiesen des „Fundraising für Kunst-Musik“ gelten zudem als überweidet, weshalb die Kaplans von dem für Hoch-Kultur naheliegenden Gedanken Abstand nahmen, sich als gemeinnützige Einrichtung eintragen zu lassen und mit dem Einsammeln von Spenden die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen. Die wesentlichen betriebswirtschaftlichen Kennziffern – Verkauf von 150 Eintrittskarten pro Abend plus Tresen Einnahmen gegenüber Miete, Personal und Energie – erscheinen in einem eher ungünstigen Licht. Wirklich hilfreich ist da auf der technischen Seite die schnelle Wandlungsfähigkeit des Raumes, etwa die Sitze, die bei Bedarf zur Seite geräumt werden können, dann nämlich, wenn SubCulture für Events vermietet wird. Dies wiederum ist umso einträglicher, je größer die Aura des Ortes ist, und an der Ausstrahlung von SubCulture wurde bereits erfolgreich gearbeitet. Nennen wir da zum Beispiel Komponisten der Flughöhe eines Esa-Pekka Salonen und John Adams oder den Pianisten Yefim Bronfman. Unter den Abenden im SubCulture sind bereits einige solcher Highlights gewesen, bei denen bereits weit im Vorfeld die telefonische Auskunft

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Standing Ovations zum Ende des Konzerts: Barockmusik begeistert auch auf der Bleecker Street

der Kasse lautete: „Restlos ausverkauft!“ Als ebenso hilfreich hat sich zudem eine Zusammenarbeit mit dem „92nd Street Y“ erwiesen, einer etablierten Kultureinrichtung in der Upper East Side. Vom „92nd Street Y“ hatte man etwa eine Serie mit Klavierabenden übernommen, die der mittlerweile in England zum Ritter geschlagene András Schiff zwar nicht selber spielte, aber immerhin kuratierte. Sir András bekommt in der Carnegie Hall regelmäßig mehrere zehntausend Dollar pro Auftritt, die Gäste der von ihm zusammengestellten Serie bekamen im SubCulture so etwas wie eine Wundertüte: Bestimmt wird es etwas mit András Schiff zu tun haben, vielleicht wird er sogar selber unter den Gästen anwesend sein und ganz vielleicht setzt er sich dann auch an den Flügel. Er hat es nicht getan und wenn er dagewesen sein sollte, dann inkognito im stets ausverkauften Haus. Gerade nicht inkognito war hingegen das Klavierduo Greg Anderson und Elizabeth Joy Roe, das im Februar seine neueste CD „The Art of Bach” einem begeisterten Publikum vorstellte und unter anderem zeigte, dass Glenn Gould mit seiner extremen Zurückgenommenheit und den Ellenbogen stets unterhalb der Tasten nicht der einzig denkbare Zugang zur Klaviermusik Bachs sein muss. Eine weitere Einsicht bot sich spätestens bei den Standing Ovations: Während sich das downtown-Publikum in Kleidung und Habitus deutlich von

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Konzertgängern uptown unterscheidet, ist der Dress Code auf der Bühne des SubCulture noch weitgehend „klassisch” geblieben. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildete das Ariel Quartet, das die Streichquartette Beethovens in normaler Straßenkleidung und in der Raummitte sitzend aufführte. Der Veranstalter sah sich gar zu folgendem Eintrag in das Programm veranlasst: „Due to the intimate nature of the performance, no children under the age of eight are allowed to attend.” Anfang Juli 2015 machte eine Meldung die Runde durch die Lokalpresse in New York: Der Konzertbetrieb im SubCulture müsse weitgehend eingestellt werden, damit man sich in den kommenden Monaten um eine inzwischen dringlich gewordene Nachjustierung des Geschäftsmodells kümmern könne. „Die Kaplans äußern sich mittlerweile ein wenig enttäuscht über den bislang ausgebliebenen Erfolg. Nur mit den vergleichsweise wenigen eingefleischten Fans sei das bisherige Programm auf Dauer nicht überlebensfähig.“.

Innerhalb der Musikerszene sei ein mittlerweile überwältigender Anklang des Konzepts von SubCulture zu beobachten und es gäbe wohl auf Jahre hinaus eine Fülle hochinteressanter Projekte, doch müsse man erst einmal eine ausreichende Anzahl sogenannter „Cash Cows” für den weiteren, selbst einen eingeschränkten Betrieb des musikalischen Nirvana auf der Weide haben. Wenn sich allerdings keine einträgliche Verwendung für die Räumlichkeiten während des Tages finden lasse, so müsse wohl dauerhaft dem Kommerz an den Abenden der Vorrang

vor der Kunst überlassen werden. Das wohl wichtigste Alleinstellungsmerkmal des SubCulture als einem Club mit klassischer Musik wäre deutlich blasser geworden. Es bliebe dann der mittlerweile auch seitens traditioneller Akteure vorgetragene Versuch übrig, den Genuss von E-Musik aus den überalterten Nischen zu holen und einem deutlich jüngeren Publikum nahezubringen. Die New York Philharmonic versuchen es in diesem Jahr etwa mit einer Reihe unter dem programmatischen Titel „Contact!” im National Sawdust, einer neuen Konzerthalle im hippen Brooklyner Bezirk Williamsburg. Oder an der Westküste, wo die San Francisco Symphony innerhalb der Davies Symphony Hall seit Kurzem die SoundBox betreibt und dort neben zeitgenössischer E-Musik „craft cocktails and small bites” anbietet. Doch hatte SubCulture einen von den traditionellen Akteuren wohl nicht zu erreichenden Charme, nämlich ein wirklich bunt gewürfeltes Publikum, oder in den Worten von Gershon Gerchikov vom Ariel Quartet: „Da saßen in unseren Konzerten direkt um uns herum Beethoven-verrückte Kenner neben Leuten, die sonst nie Streichquartette hören würden und nur wegen der Coolness des Clubs dort waren. So eine Mischung würden wir uns eigentlich immer wünschen.” Stefan Altevogt alle Fotos bis auf die mit © beschrifteten KH Krauskopf


Trombeck Weit mehr als der Schlüssel-Roman des Freejazz: Dietrichs Rauschtenbergers Geschichte des Schlagzeugers

„Heute kannst du überall lesen, der Freejazz wäre in New York erfunden worden. Von Cecil Taylor, Albert Ayler, Eric Dolphy, Bill Dixon, Billy Higgins, John Coltrane und wie die Brüder alle hießen. Kannst du vergessen. Am besten vergisst du alles, was du sonst noch gehört hast. Die Wahrheit ist nämlich die: Den FreeJazz habe ich erfunden. Und zwar in Wuppertal.“

Das behauptet der Ich-Erzähler Paul Trombeck in Dietrich Rauschtenberges jüngstem Roman „Trombeck“ und gibt damit gleich den Ton vor, den diese Freejazz-Saga von der ersten bis zur letzten Seite durchstimmt: voller Chuzpe, Witz und Humor, Leichtigkeit und Selbstironie lässt Rauschtenberger „seinen“ Paul Trombeck dessen Lebensgeschichte und mit ihr die des Free Jazz Wuppertaler Prägung erzählen. Das ist ein Kunststück, denn die Geschichten, die Rauschtenberger erzählt, sind zum Teil alles andere als lustig: wie etwa der Verlust einer Jugendliebe, das Aufarbeiten der eigenen Lebensgeschichte und ihrer Traumata in einer langjährigen Psychotherapie oder das langsame Versacken eines Musikers in der Bedeutungslosigkeit. Gerade diese Spannung zwischen dem pikaresken Ton des Schelmenromans und dem Abgesang auf eine Musik und ihre Zeit, ist es, was den Roman künstlerisch wertvoll und vor allem ungemein lesenswert macht. Mit „Trombeck“ hat Rauschtenberger weit mehr als den Roman einer MinderheitenMusik geschrieben. „Trombeck“ ist vor allem ein Zeit-Roman. So lässt der Erzähler ein Zeitpanorama entstehen, in dem sich der

Wandel in den soziokulturellen Milieus der Bundesrepublik von den Wirtschaftswunder-Jahren über die Kulturrevolution der 68er-Bewegung bis hin zur Spaßkultur der 80er Jahre im Spiegel der Musikgeschichte darstellt. Zuviel Stoff für einen Roman, der doch scheinbar vor allem den Lesern eine Musik näher bringen will, die ohnehin nur eine sehr begrenzte Anzahl von Menschen hören will? Nein, denn gerade durch die bewusste Konzentration und Fokussierung auf ein zugleich reales und fiktives Wuppertal und auf Menschen, die es so nicht gegeben hat, aber doch hätte geben können, gelingt Rauschtenberger ein welthaltiger Roman. Um es gleich vorweg zu sagen: Natürlich regt der Roman zum Rästelraten an: Wer könnte hinter dieser und jener Figur stecken? Dass der Posaunist Notenbast unverkennbar Züge des Saxophonisten Peter Brötzmanns trägt – seine künstlerische Radikalität und Kompromisslosigkeit, seine menschliche Bräsigkeit – ist unverkennbar. Und dennoch sind Notenbast ebenso wie Trombeck, der in mehr als nur manchem an seinen Erfinder Rauschtenberger erinnert, eigenständige

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Figuren, mehr als nur Sendboten ihrer Zeit, sondern – wie es sich für gute Literatur gehört – Menschen aus Fleisch und Blut, die ihren ganz eigenen und übrigens stets glaubwürdigen Charakter haben. Mit wenigen Strichen gelingt es dem Autor diese Figuren zu zeichnen und für den Leser lebendig werden zu lassen. Und durch und hinter diesen Figuren werden die Zeiten lebendig, die Rauschtenberger in seinem Roman schildert. Etwa das Wuppertal in den späten 1950er, frühen 1960er Jahren. Vor dem geistigen Auge des Lesers tauchen die Eisdielen mit ihrem unterkühlten Interieur auf, wo die Pennäler sich zu heimlichen Rendezvous verabreden, die Tanz-Cafés, in denen die Bands live spielen. Und plötzlich schimmert etwas auf von der Märklin-Seligkeit jener Zeit, die auf ihre Art ja auch real war und die von vielen heute noch verklärt wird. Teenie Trombeck hingegen träumt sich weg in andere Welten. Er lauscht am Dampfradio mit magischem Auge dem US-amerikanischen Sender AFN und wird vom Jazz-Virus infiziert. Fortan ist der Jazz d e r Fluchtpunkt in seinem – wie ihm scheint – durch und durch miefigen und spießigen Wuppertal.

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Weit jenseits der Idealisierung jener Jahre schildert Rauschtenberger, wie bitter das Leben damals sein konnte, wenn man wie Trombeck dem Milieu der Arbeiterschicht entstammte. Unerreichbar erscheint der Wunsch ein eigenes Schlagzeug zu besitzen. Später wird sich Trombeck hoch verschulden, um sein erstes Schlagzeug in quälend langen Raten abzustottern. Der Vater von Hanne, Trombecks erster großer Liebe, besitzt einen Musikalienhandel, der den jungen jazzvernarrten Trombeck anzieht wie Honig die Bienen. Fasziniert ist Trombeck nicht nur von der schönen Trommel im Schaufenster, sondern auch von Tochter Hanne und ihrer erotischen Aura. Rauschtenberger gelingt hier ein kleines Kunststück; denn kaum etwas gilt als schwieriger als die Darstellung von Sexualität im Roman. Gänzlich unsentimental und weit entfernt, der Versuchung zu erliegen, eine Jugendliebe zu verklären und zu romantisieren, schildert Rauschtenberger ganz real die letztlich erfolgreichen Versuche des Pennälers Paul Trombeck, seine Hanne rumzukriegen, ohne dabei jemals schlüpfrig zu werden. Hannes Mutter wird es gelingen, die beiden

frisch Verliebten auseinanderzubringen, denn Trombecks sozialer Status ist für sie unakzeptabel. Die Tragik dieser gescheiterten Liebesbeziehung besteht darin, dass Trombeck dieses Trauma seiner Jugend letztlich nie überwindet. In solchen Geschichten wird möglicherweise mehr Sozialkritik deutlich als in jedem historischen oder soziologischen Diskurs. Tatsächlich sind die Jugendjahre Trombecks sehr wichtig für das Verständnis des Romans; denn die Abkehr des Trommlers von seiner eigenen Familie, die sich immer noch nicht von der Nazi-Zeit und ihren Lebenslügen lösen kann, und die Hinwendung zum (Free-)Jazz bedeutet zugleich den radikalen Bruch mit allen musikalischen Traditionen. Sie mündet in dem Resümee, das Trombeck – nicht ganz frei von Pathos – am Ende des Romans zieht: „Wir haben den Freejazz erfunden. Mit viel Getöse. Aber wir haben nur das getan, was jeder Musiker tun sollte, die Musik neu erfinden. Für sich selbst. Einmal im Leben.“ Der Roman schildert mithin die Entstehung des Freejazz aus dem Geiste des Protestes gegen den musikalischen, politischen und


kulturellen Mainstream der Wirtschaftswunderzeit. Ganz im Sinne des magischen Realismus und durchaus anknüpfend an die Erzähltechnik eines Günter Grass oder John Irving schildert Rauschtenberger, wie Trombeck und Posaunist Notenbast, mit ihrer Musik das Dach des Vereinsheims des Deutschen Turnvereins bei einer Feier zum Einsturz bringen – wie weiland die Mauern von Jericho. Jede Zeit bringt ihre eigene Menschen hervor. Und so werden in Rauschtenbergers Roman die Zeitstimmungen durch die Schilderungen von Menschen lebendig. Stehen Hannes und Paul Trombecks Eltern exemplarisch für die Nachkriegszeit, so ist der Chef des Musikgeschäfts „Action“ Lutz Lehmgruber ein Repräsentant der 1970er Jahre: schmierig, im Lauf der Jahre finanziell und körperlich immer fetter werdend, weiß er mit viel Sachkenntnis und schlechten Witzen seine Kunden von den Musikinstrumenten abhängig zu machen wie Junkies vom Dope. Sie verschulden sich bei ihm wie Trombeck. Wie eine satte und selbstzufriedene Spinne hockt er in seinem Laden, auf immer neue Opfer wartend. Doch sein Geschäft platzt wie eine Blase, als in den 1980er Jahren Musikgeschäfte nach dem Mac Donalds-Prinzip Billiginstrumente auf den Markt werfen. Zu den großartig gezeichneten Nebenfiguren gehört auch Sepp Hausner, der Psychologe, zu dem sich Paul Trombeck in Therapie begibt, weil er mit seinem musikalischen Übervater Notenbast nicht fertig wird. Sepp Hausner,

ein fetter Buddha mit Villa in WuppertalCronenberg und Zen-Garten, der dem Tross der Freejazz-Musiker hinterher reist, gibt die durchaus kluge psychoanalytische Begleitmusik zu diesem Zeitroman. Was wäre die Musik ohne ihre Impresarios? Rauschtenberger beschreibt den widerlich korrupten und manipulierenden Galeristen und Musikmanager Egon Staal, der seine Frau Astrid als billige Arbeitskraft genauso ausbeutet und manipuliert wie Musiker wie Paul Trombeck, die in der Hierarchie des Jazz eher auf einer unteren Stufe angesiedelt sind. Geschickt und vor allem zu seinen eigenen Gunsten dirigiert er das „riesige Subventionsgetriebe“, mit dem Staat und Stiftungen den Jazz am Leben erhalten. Dölfi Kampschulte kann als Saxophonist Bebop-Skalen auswendig rauf und runterspielen, geriert sich als Jazzpolizist, der bestimmt, was Jazz ist, und was nicht, und dessen Musik doch immer – im Unterschied zu Rauschtenbergers Roman - so seltsam uninspiriert bleibt. Die wohl berührendste Figur des Romans ist der überaus sensible Eckard von Altena, der dem sozialen Erwartungsdruck seiner Eltern – der Vater ist erfolgreicher und wohlhabender Rechtsanwalt – nicht gerecht werden kann und daher in die Welt der Drogen und des Freejazz flieht. Da er eine verstümmelte Hand hat, ist gezwungen, das einzige Instrument zu spielen, das man mit nur einer Hand spielen kann: die Trompete. Mit „Trombeck“ ist Dietrich Rauschtenberger weit mehr gelungen als ein Roman, der

das soziokulturelle Milieu des Freejazz mit seinen Musikern, Managern, Fans und Groupies aus der Innensicht eines Protagonisten dieser Musik schildert. „Trombeck“ verzückt mit seinem pikaresken, leichten Ton, lässt uns bei der Lektüre laut lachen und zugleich über die abgrundtiefe Traurigkeit dieser Welt staunen. Was will man mehr? Heiner Bontrup

Joachim Körber Verlag Edition Phantasia; Februar 2015 466 Seiten, 12,9 x 4 x 20,5 cm VK 26. – Euro, ISBN 978-3-937897-55-4

KNIPEX Quality – Made in Germany

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Botanischer Garten 125 Jahre Botanischer Garten Wuppertal-Elberfeld

links: Krokuswiese vor dem Elisenturm Foto: Manfred Brusten unten: Elisenturm und Villa Eller Ansichtskarte: Sammlung Wolfgang Nicke

Kunst und Botanik Was macht Botanik in Die Beste Zeit? Das ist doch Naturwissenschaft, wo bleibt da die Kultur! Allerdings, Gewächse, ihre Vielfalt der Farben und Formen bieten ästhetischen Genuss und regen Künstler an. Sind die Pflanzen selbst noch keine Kunst, so mag doch der Garten als Kunstwerk in diesem Forum von Interesse sein. Freilich ist er eine etwas andere Kunst als es die klassische Baukunst oder gar die Malerei sind. Der Garten ist veränderlich, jahreszeitlich, wachsend, vergehend, und das erwarten wir von einem Kunstwerk eher nicht. Auch andere Fragen bleiben, wie die danach, worin denn die Kunst eines Gartens besteht? Ist es der papierene Plan, die initiale Pflanzung, die dauerhafte Pflege? Und wer ist hier in der Rolle des Künstlers: der Gartenarchitekt, der Gärtner oder gar der Betrachter? Ohne Antworten geben zu wollen, halten wir fest, dass ein Botanischer Garten Wissenschaft und Gartenkunst verbindet. Der Zusammenhang mit der Entstehung der Naturwissenschaften seit der Renaissance ist deutlich. Kein Wunder also, dass der

älteste botanische Garten der Welt, 1544 in Padua angelegt, Arzneipflanzen kultivierte. In Deutschland folgten Leipzig 1580, Jena 1586 und Heidelberg 1593. Der erste deutsche botanische Garten im engeren Sinne entstand 1669 in Kiel. Der 1890 begonnene Botanische Garten Wuppertal ist also ein vergleichsweise junges Pflänzchen, wenn auch Berlin den seinen, nach Vorläufern 1563 und 1679, erst 1895 bekam. Parkanlage Hardt In Elberfeld hatte die Anlage der botanischen Pflanzung keine Anbindung an eine Universität. Sie wurde als Sondergarten einer Parkanlage zugesellt, die damals bereits eine Erfolgsgeschichte hinter sich hatte. Die Hardt war 1807 als bürgerschaftliche Initiative begonnen worden und kann als der vielleicht früheste Bürgerpark in Deutschland betrachtet werden. Stephan Anton Diemel stellte im Stadtrat den Antrag, eine Promenade auf einer städtischen Fläche anlegen zu dürfen. Das felsige Gelände außerhalb der Stadt war eine Allmende gewesen, die längst entwaldet als Steinbruch, Richtstätte und Ziegenweide

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oben: Encyclia-Orchidee, Foto: M. Brusten Mitte: Banane, Indien, Foto: M. Brüsten unten: Flora Köln, Parterre mit Teppichbeet Foto: Antonia Dinnebier diente. Diemel stellte Baumpflanzungen und Holzertrag in Aussicht und versprach, das nötige Geld eigenständig zu sammeln. Die Stadtväter willigten ein, ohne zu ahnen, dass die Idee des Bürgerparks im Tal der Wupper wahrhaft nachhaltig wirken sollte. Diemels Interesse kann zweifach verortet werden, war er doch als Arzt mit den Wohltaten von Bewegung und frischer Luft nicht weniger vertraut, als mit aufklärerischem Gedankengut. Im öffentlichen Raum der Parkanlage sollte sich die bürgerliche Gesellschaft entfalteten. Sehen und Gesehen werden gehörte dazu ebenso wie die Distanz zur Arbeitswelt, die sich aus der Distanz zur schönen Aussicht verklärte. Nicht dass die problematischen Folgen der Industrialisierung übersehen worden wären, aber der Blick auf das eigene Werk und die Quelle wirtschaftlichen Erfolgs gehörte zu den Kernpunkten des Promenadenbesuchs. 15 Jahre vor dem Botanischen Garten war eine namhafte Erweiterung der Parkanlage durch den Gartenkünstler Heinrich Siesmayer vorgenommen worden, der bis heute weitere Vergrößerungen folgten. Flora Köln An Botanik hatten sie alle nicht gedacht. Sehr wohl aber an Flora, doch auch die hing der Idee des Gesellschaftsgartens an und kam nicht aus der wissenschaftlichen Ecke. 1862 gründete sich in Köln eine Aktiengesellschaft, vertreten durch den Bankier Oppenheim. Man engagierte den großen Gartenkünstler Peter Josef Lenné aus Berlin und ließ sich einen exquisiten Garten mit Anlagen in verschiedenen historischen Stilen, Glaspalast und Palmensammlung bauen. Pracht, Exotik und Sensationen bietet er – sehr gut restauriert - bis heute. Eines der Veranstaltungsformate bildeten die Internationalen Gartenbau-Ausstellungen, die 1865, 1875, 1888 erfolgreich stattfanden. Sicher besuchte auch die Barmer und Elberfelder Oberschicht den spektakulären Park und seine Ausstellungen. - Der Botanische Garten eröffnete übrigens erst 1914 neben dem Flora-Gelände.

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oben: Alpenveilchen Mitte: Kugelkaktus unten: Venusfliegenfalle Fotos: Manfred Brusten Gartenkultur in Wuppertal Wie inspirierend der Blick über den Tellerrand des Tales war, mag folgender Zusammenhang erschließen: Die Flora eröffnete am 14. August 1864, der Barmer Verschönerungsverein gründete sich am 8. Dezember 1864. Auch dieser machte sich auf, bürgerschaftlich Geld zu sammeln und engagierte für den ersten Plan gleich den renommiertesten Gartenkünstler im Rheinland, Josef Clemens Weyhe, ein Neffe Lennés. Vier Jahre später schritten Bürger des Städtchens Ronsdorf ähnlich ambitioniert zur Tat. Der Ronsdorfer Verschönerungsverein ist noch heute Eigentümer der Ronsdorfer Anlagen. 1870 schließlich gründete sich der Elberfelder Verschönerungsverein und überflügelte die anderen Erfolge innerhalb weniger Jahre mit vier großen Parkanlagen. Doch damit nicht genug, 1879 kam es in Elberfeld zur Gründung einer Aktiengesellschaft, die 1881 den Zoologischen Garten eröffnete. Gleichsam ein Pendant zur Flora war er als exklusiver Gesellschaftsgarten konzipiert. Der Plan stammte von Heinrich Siesmayer, dessen gartenkünstlerisches Können durch den Palmengarten in Frankfurt von 1871 berühmt geworden war. Er entwarf den Zoo vor allem als Parkanlage mit Gastronomiegebäude, die Tiere waren zunächst Beiwerk. Das Ergebnis der grünen Aktivitäten ist beeindruckend: Emil Rittershaus besingt den „Kranz der grünen Berge“. Während Berlin in der Statistik 1910 weit abgeschlagen ist, liegt Barmen im guten Durchschnitt, Elberfeld aber toppt sie alle. Wenn die Zeitschrift „Hörzu“ heute Wuppertal gar als die „grünste Stadt Deutschlands“ ermittelt, schlägt das Erbe des 19. Jh. noch immer positiv zu Buche. Eisenbahngesellschaft Hier geht es aber nicht nur um Flächensuperlative, auch die Gartenkultur ist im Tal der Wupper um 1900 auf hohem Stand. Das zeigt sich etwa bei der Bergisch-Märkischen Eisenbahn, die ebenfalls die Dienste von Josef Clemens Weyhe in Anspruch nahm. Er lieferte 1864-1866 große Mengen

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oben: Elisenturm Mitte: Heilkräuter- und Gewürzgarten unten: Sukkulentenhaus Fotos: Manfred Brusten von Bäumen, die zu den teuersten seiner Baumschule gehörten. Nach ihrer Verstaatlichung stellt die Königliche Eisenbahndirektion Elberfeld einen eigenen Obergärtner ein, H. Rottenheuser. Man hatte ihn bei der „Flora“ abgeworben, wo 1896-1898 Gartendirektor war und mit „blumistischer Ausstattung“ von sich reden gemacht hatte. Die Flora war zu diesem Zeitpunkt in die rote Zahlen geraten, die alten Konzepte verbraucht. Ein Stilwechsel deutete sich an, neue Themen taten Not. Stadtgärtner Elberfeld Neben den Altmeistern der Gartenkunst und den dynamischen Verschönerungsvereinen etablierte sich die städtische Gartenverwaltung. In Barmen übernahm der Verschönerungsverein noch bis in die 30er Jahre hinein auch gärtnerische und planerische Dienstleistungen für die Stadt. Elberfeld dagegen richtete in den 1880er Jahren die Stelle eines eigenen Stadtgärtners ein. Fritz Rhode und ein gewisser Klose jäteten nicht die Beete, sondern arbeiteten als Planer konzeptionell und entwerferisch. 1895 wurde Theodor Ruprecht eingestellt. Er entwirft 1900 einen Gesamtplan für die Hardt, der Erweiterungen vorsieht, und er zeigt den Botanischen Garten. Er war 1890 auf dem Gelände des Armenhausgartens angelegt worden und umfasste 4.600 m². Seine Aufgabe war vor allem pädagogisch formuliert und richtete sich an Schulen. Der 1893 begonnenen Stadtgärtnerei kam die Aufgabe zu, den Botanischen Garten zu betreiben und für die Anzucht geeigneter Pflanzen und Blumen als Anschauungsmaterial für Schulen zu sorgen. Der Plan zeigt eine symmetrische Anlage mit dichtem Wegenetz, jedoch auch Schmuckbeete mit Springbrunnen im hinteren Teil. Botanischer Garten am Elisenturm Nach 18 Jahren zog der Botanische Garten um. Jetzt stand der Garten Eller zur Verfügung. Engelbert Eller hatte das Gelände mit Windmühle Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem Landsitz mit Aussichtsturm umbauen lassen. Nachdem seine Witwe Julie erneut geheiratet hatte, fügte

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oben: Moorbeet Mitte: Arznei-Engelwurz unten: Aloe Fotos: Manfred Brusten ihr zweiter Mann Rudolf Vogdt u.a. die wertvolle Orangerie hinzu. Der Gebäudekomplex mit dem Elisenturm ist bis heute erhalten, wenn auch die Kriegsschäden der Villa noch immer auf Beseitigung warten. Witwe Vogdt-Eller starb 1905 kinderlos und hinterließ das Anwesen dem von ihr gegründeten Rotkreuzkrankenhaus unterhalb des Gartens. Die Stadt pachtete das 1,5 ha große Gelände und verlegte den Botanischen Garten zum Elisenturm. Auf dem prächtig besonnten Gelände mit der wunderbaren Aussicht konnten sich die Pflanzungen richtig entfalten. 1927 erwarb die Stadt schließlich das Grundstück. Ein Teil ist verpachtet, könnte den Botanischen Garten jedoch einmal zur Hardtstraße öffnen. Nachdem der Betrieb der benachbarten Stadtgärtnerei eingestellt wurde, ermöglichte das Städtebauförderungsprogramm Regional 2006 einen wichtigen neuen Impuls. Das im Herzen der Parkanlage Hardt gelegene Gärtnereigelände hatte das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Parkteile gleichsam blockiert. Nun gelang es, Mauern und Zäune niederzureißen und der Parkanlage mit dem „Elisenplatz“ eine neue Mitte zu geben. Mit dem Bau der Glashäuser erhielt der Botanische Garten neue Möglichkeiten, die er für Schaugewächshäuser, Ausstellungen und Vorträge nutzt. Heute umfasst der Botanische Garten Wuppertal 2,5 ha und ist mit 4.000 Pflanzenarten eine kleine, aber feine Einrichtung in wunderbarer Lage. Ein Wunder ist es allerdings auch, dass er sich trotz aller städtischen Sparzwänge erhalten hat. Dazu trägt seit 1993 in verdienstvoller Weise der Verein der Freunde und Förderer des Botanischen Gartens Wuppertal e.V. bei. Nicht nur die Mitglieder wissen den Garten mit seinen prächtigen Sammlungen und Solitären zu schätzen, 2013 fand das „Gartendenkmal Hardt/Botanischer Garten“ Aufnahme ins Europäische Gartennetzwerk (EGHN) und darf sich somit zu den schönsten Gärten Europas zählen. Antonia Dinnebier

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Nate McBride Ein „normaler“ Architekt in New York

links: Kein Stararchitekt: Nate McBride mit Bauzeichnung. Im Hintergrund der Besprechungstisch und an der Wand eine Arbeit von Rita McBride unten: Bauen für die Kunst: Die Installation einer Arbeit von Andy Goldsworthy Copyright: Nate McBride Associates

New York ist in vielerlei Hinsicht eine große Stadt: In den Gelben Seiten von New York City sind leicht über 3.000 Architekten gelistet, 2014 belief sich die Bausumme aller in der Stadt realisierten bzw. in Realisation befindlichen Bauprojekte auf $38 Mrd. und die Zahl aktiver Baubewilligungen pendelte um die 100.000. New York ist zudem international äußerst attraktiv. Eine kleine zweistellige Anzahl sogenannter „Starchitects” betreibt Büros in Manhattan, selbst wenn sie mal keine aktuellen Bauprojekte in den fünf Stadtteilen von New York City zu betreuen haben. Was den Calatravas, Pianos, Meiers, Libeskinds oder Gehrys dieser Welt dadurch an Miet-Mehrkosten für die Geschäftsräume entsteht, machen sie leicht durch ein riesiges Überangebot an sehr talentiertem Architektennachwuchs wett, der bereit ist, für einen Hungerlohn gerne auch 80 Stunden die Woche zu schuften, nur um dem Lebenslauf einen international bekannten Markennamen hinzufügen zu können. Soweit zum Höhenkamm, der

immer dann Medienbeachtung findet, wenn der jüngste Bau von Herzog & de Meuron, Zaha Hadid, Norman Foster oder Rem Koolhaas seiner Bestimmung übergeben wird. Die weit überwiegende Mehrheit New Yorker Architekten hört allerdings auf Namen wie Swanke Hayden & Connell, Leong Leong oder Di Guiseppe Architects. Sie sind selbst der Fachwelt weitgehend unbekannt, bewältigen den Löwenanteil der Neu- und Umbauprojekte der Stadt, reichen Bauanträge für die zahllosen Büroetagen und Bettenburgen ein, schlagen sich mit Handwerkern und Baufirmen herum, sorgen sich um die bestmögliche Einhaltung von Finanz- und Terminplanung und halten bei der Übergabe an den Bauherrn ein Sektglas in der Hand. Und sie gestalten. Das ist angesichts oft gesichtsloser Gebrauchsarchitektur nicht durchgehend evident oder drängt sich einem gar als gelungen auf. Dennoch, auch unterhalb des international wahrgenommenen Höhenkamms der Branche gibt es gute und sehr gute Architekten in New York.

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Zu letzteren dürfte Nate McBride zählen, seit 1983 Principal der Firma McBride & Associates Architects. Die Firma hat zurzeit fünf Festangestellte und noch einmal so viele auf Projekten befristete Mitarbeiter. McBride & Associates spielt also nicht in die Liga von Unternehmen, die einzelne Projekte im Umfang dreistelliger Millionenbeträge abwickeln, doch ist das Büro immerhin groß genug, auch Vorhaben für institutionelle Bauherren durchführen zu können. So beauftragte etwa die auf der Upper East Side von Manhattan angesiedelte Rockefeller University das Büro über die vergangenen Jahre hinweg immer wieder mit einzelnen Baumaßnahmen, darunter der Umbau des Hauses für den Universitätspräsidenten und Nobelpreisträger David Baltimore. Das Projekt ist dem Barcelona-Pavillon Mies van der Rohes nicht unähnlich geworden, eine Nähe, die Nate McBride sicherlich nicht abstreiten würde, denn auch sein gestalterisches Credo lautet: „Form follows function (f.f.f.).“ Zudem ist Architektur für Nate McBride idealerweise angewandte Kunst, vielleicht eine Spätfolge seiner Kindheit in Iowa als

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Sohn von Eltern, die – statt gemeinsam zu musizieren – lieber gemeinsam malten und ihre beiden Kinder Rita und Nate schon sehr früh mit Kunstmuseen vertraut machten. Aus Rita ist eine renommierte Bildhauerin und Installationskünstlerin geworden und Nate ist in seinem beruflichen Alltag als Architekt am allerliebsten Kunst-affin. Nate McBride ist in Chelsea, also auf der Westseite Manhattans zwischen 14th Street und 34th Street, in den vergangenen Jahren ein mitgestaltender Teil dessen gewesen, was man allgemein als Strukturwandel bezeichnet. Chelseas Strukturwandel vollzog sich grob gesprochen so: Vor 25 Jahren waren die Kunstgalerien der Stadt entweder in der Upper East Side oder in Soho, also South of Houston Street. In Chelsea wurden dagegen Kotflügel ausgebeult, Karosserien lackiert, Yellow Cabs betankt, deren Fahrer gefüttert, Druckereien betrieben, Kekse gebacken, Handelsgüter und Plunder eingelagert. Chelsea war ein buntgeschecktes Gewerbegebiet mit niedrigen Quadratmeterpreisen und die

mittlerweile völlig überlaufene High Line lag noch schlafend da wie Dornröschen. Anfang der 1990‘er Jahre begannen Boutiquen, Galerien aus Soho zu verdrängen, denn mit Mode lassen sich deutlich höhere Flächenrenditen erzielen als mit Kunst. Anfang der 1990‘er Jahre gab es Gewerbefläche in Chelsea gelegentlich noch für unter $10 pro Squarefoot und Jahr, was sich je nach Wechselkurs auf vielleicht 9 Euro pro Quadratmeter und Monat umrechnet. Galerien zahlen da deutlich mehr, Boutiquen noch viel mehr. Heute findet sich in Chelsea keine Gewerbeflächen unter $100 pro Squarefoot und Jahr und der Markt scheint der Preisspirale noch weitere Drehungen in Richtung Höher zu erlauben. Wie die aus Soho eingewanderten Galerien die allermeisten anderen Gewerbe aus Chelsea verdrängt haben, so laufen die Galerien nach nun 25 Jahren selbst wieder Gefahr, verdrängt zu werden.

Eine "Scheune" für die Kunst: Die Sammlung von Sherry und Joel Mallin in Connecticut


Doch zurück zu Nate McBride. Seine Firma zeichnete verantwortlich für den Bau der Galerie Alexander Bonin in Chelsea, dessen Herausforderung in dem eher länglichen Grundriss des Gebäudes aus dem frühen 19. Jahrhundert lag. Bei Innenmaßen von 5,5 Metern Breite mal 30 Metern Tiefe auf drei Stockwerken lässt sich eine gewisse räumliche Großzügigkeit nur mit ein paar Tricks erzeugen, etwa durch ein optisch verbindendes Treppenhaus mit Oberlicht, durch teils semi-transparente Wände und durch eine Durchmischung von Büround Ausstellungsflächen. Die gefundenen Lösungen überzeugen ebenso ästhetisch wie funktionell, was Nates Telefon bald wieder mit anderen Aufträgen aus dem Kunst- und Galeriegeschäft klingeln ließ. Die Verwandlung eines ehemaligen Umspannwerks zu einem Wohn- und Arbeitshaus für den irisch-amerikanischen Künstler Sean Scully und den Bau eines Studios für die amerikanische Landschaftsmalerin Silvia Plimack Mangold wären da ebenso zu nennen wie der Umbau der Galerie Lelong und die Gestaltung von Ausstellungen für Petah Coyne und Andy Goldsworthy.

Die bislang umfangreichste Aufgabe folgte einem Anruf von Sherry und Joel Mallin. Sie wollten für ihre umfangreiche Kunstsammlung gleich neben dem Wohnhaus in Connecticut ein für Funktionsbauten in ländlicher Umgebung ortsübliches Gebäude errichtet haben, also im Stil einer Scheune, jedoch mit allen Finessen eines Kunstmuseums. Nate liebt derartige Herausforderungen, seien sie im umzubauenden Bestand begründet, in einem begrenzten Finanzrahmen, in einer gestalterischen Anpassung an bereits vorhandene Formen- oder Materialsprache oder was sonst noch architektonische Kopfzerbrechen bereiten könnte. Er nennt es in Anlehnung an das f.f.f. des Bauhaus sein eigenes c.c.c., ausgeschrieben: „constraints cause creativity”. Diese Art von Kreativität umfasst in der Regel keine riesigen Bausummen und ist entsprechend auch nicht der Tummelplatz für „Starchitects“. Immerhin machen aber die kunst-affinen und somit interessantesten Aufgaben mittlerweile 20% des Gesamtumsatzes von McBride & Associates Architects aus. Die anderen

80% sind der Gattung „residential, single family” zuzuordnen, sind oft Folgeaufträge bereits erledigter Projekte und somit die kontinuierliche Pflege eines gewachsenen Kundenstamms. Das ging allerdings nicht von heute auf morgen. Das erste Mal einen sogenannten „Service Job”, also Büroetage, Bettenburg oder Ladenlokal, abzulehnen, konnte sich Nate erst vor wenigen Jahren im Alter von 55 Jahren leisten. Wenn also nicht direkt mit der Kunst, dann arbeitet Nate vorzugsweise mit kunstverständigen Bauherren, die eine große Sorgfalt bei Auswahl und Kombination von Materialien zu schätzen wissen, denen das Prinzip funktionaler Gestaltung einleuchtet und die keine Baumarkt-Preise als Vergleich zitieren. Solche Bauherren kommen sehr gerne in die Büros von McBride & Associates in der 28th Street zwischen 5th und 6th Avenue. Hier kann man sich über die President’s House, Rockefeller University: ein ganz besonderer Durchblick. Copyright by Nate McBride & Associates Architects

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Pläne beugen, notfalls einen Computer zur Visualisierung bemühen. Hier kann Nate mit seinem stets freundlichen und offenen Gesicht gestalterischen Ideen erläutern und über Material- und Farbschemata diskutieren. Vor allem kann er zuhören. Die auf diese Weise erzielten Ergebnisse sind entsprechend belastbar, denn wer sich als Bauherr etwa für die Verwendung gehämmerter Türknaufe in seiner Wohnung entscheidet und bereit ist, dafür auch hunderte von Dollar pro Stück auszugeben, der sollte schon den angestrebten ästhetischen Gesamteindruck von ganzem Herzen mittragen wollen. Aber – und dies wird Nate McBride nicht müde zu betonen – teuer heißt nicht notwendigerweise gut. Ein zu großer Verfügungsrahmen, materiell wie auch im Hinblick auf den eigenen Ruf, können bei der Suche nach einer ästhetisch ansprechenden Lösung für die jeweils gegebene architektonische Herausforderung schon mal hinderlich sein. Siehe einige der „Starchitects“, von denen Nate das Trio Libeskind, Hadid und Gehry für zum Teil deutlich überschätzt hält. Wenn schon „Starchitect“, dann doch bitte Renzo Piano. Stefan Altevogt Fotos: Karl-Heinz Krauskopf

oben: Kobaltblau, ansonsten weitgehend unauffällig: Das Wohn- und Arbeitshaus von Sean Scully unten: Hinter der blauen Mauer: Innenansicht des Studios von Sean Scully in Chelsea

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Rhodos Abseits der Reiseführer

Angelika Zöllner Der Pope von dem winzigen Ort Kritinía sitzt in seinen landesüblichen Dunkelgewändern unter einem ausladend gemütlichen Dorfbaum. Vor ihm steht ein kleines Tässchen mit Espresso, der ‚Café Ellinikó‘. Daneben ein hohes Glas Wasser. Er nickt uns zu. Kafeneíon-Idylle mit drei Menschen. Zwei davon sind wir. Er berichtet uns, dass auch er einmal in Deutschland war. In Frankfurt, in Offenbach... „keine Fabrikarbeit wie die anderen in den Sixties.“ Das deutsche Kirchenleben blieb ihm... fremd’, ergänzt er nach einer Pause. Loyal zieht sein Lächeln eine feine Spur im Gesicht. Er weist auf die mächtige Blätterkrone des Dorfbaums, die mit ihrem Grün die ‚Plateía’ - immer der wichtigste Platz im Dorf - überschattet. Augen und Haut werden vor der heißen Sonne geschützt. Erst heute Vormittag wurden am Stamm die langen Äste gestutzt.

Stolz ist der Pope auf sein uraltes Inselkirchlein, sagt er und streicht sich den dunklen, mit Graufäden gemischten Bart. Nein, nicht die breite Dorfkirche hier am Platz. Gleich hinten, um die Straßenecke herum. Da endet das Dorf. Ob wir sie ansehen möchten, die kleine Ehrwürdige? Oder schon entdeckt hätten? Fast 1000 Jahre alt, nickt er bedächtig und nimmt einen Schluck Wasser. Ein Mountainbiker kommt in voller Sportkluft und grellen Farben die Steilhänge herauf geradelt. Er lässt sich prustend auf einem Stuhl nieder, bestellt ebenfalls einen ‚Elliniko’ und das hohe Glas Wasser dazu. Wasser, das man hier im Dorf ungeprüft trinken kann. Er behält die Handschuhe an und balanciert mit ihnen seinen Espresso. Handschuhe im Frühsommer, warum auch immer, noch dazu in einem südlichen Land. Da winkt der Pope schon zum Abschied. „Jassas, mangare-essen“, sagt er dreisprachig und international. Erinnert damit an die Zeit, in der er als rhodischer Schuljunge unter italienischer Besatzung deren Sprache erlernen musste (Rhodos - italienisch besetzt von 1912 bis 1947). Er will jetzt nach seinen Tomaten sehen, die auf dem heimischem Herd schmoren, sie umrühren, etwas „alati“ (Salz), vielleicht noch ein wenig „ladi“(Öl) beigeben, lächelt er. Kurz darauf sitzt er überraschenderweise schon wieder hier. „Eíkosi leptá“, noch etwa 20 Minuten brauchen die Tomaten, lacht er uns zwinkernd und mit verschmitztem Augenschlag zu. Kritinía. Noch (denn im kommenden Jahr wird es anders) das vergessene Dorf. Wie es eigentlich nur aus zwei Hauptstraßen besteht. Ein kleiner, verwitterter Mann nähert sich. Wettergebräunte Lächelrunzeln sind freundlich in sein Gesicht gezeichnet. Die Tür der frisch geweißten Minikirche steht geöffnet. Unregelmäßig gezogene Mauerwände und Steine. Rechts und links wachsen Zypressen hoch, grün und dicht. Der Alte freut sich, dass wir hierher finden. Innen glimmen zwei Kerzenlichter vor den sorgsam gemalten, reichlich verblichenen Fresken und erleuchten das Schweigen. Wir zünden eine der dünnen, gelben Wachskerzen an. „Pos lejetai“, wie heißt die Kirche, erfrage ich. „Giovanni“ antwortet er italienisch, und eine Helle überfliegt erneut sein Gesicht. Auch

er hatte Italienisch als Pflichtfach, geht uns auf. Bei den Jungen scheint diese Ära fast vergessen.Englisch hat er in seiner Kinderzeit nicht gelernt. Mit ein paar Brocken Neu-Hellenischem verständigen wir uns ganz leidlich. Er deutet mit der abgearbeiteten Hand auf einige feuchte Fresken an den Wänden. Wo kommt das Wasser nur her? Der Alte funkelt beinahe in seiner aufrechten Würde und trotz der schmalen, nicht hohen Gestalt. Als wir nach draußen treten, zeichnet er ‚chília’ in den Boden. 1000 Jahre. Er nickt friedfertig und wohlwollend. Stolz umgibt ihn, wie ein sichtbares Reich – er weiß um seine Aufgabe, eine solche Kirche zu versehen. Er umgibt sie mit Wärme, einem fast ritterlich schützenden Mantel. Sein Gesicht strahlt von etwas Stillem, fast glücklich. Hier in Rhodos schreiben die Jungen nicht mehr „Giovanni“, sondern „St. John“ auf die Tafeln. Agíos Joánnis, der über alles geliebte Heilige der Griechen. St. John, der englische Verständigungsnamen der Johanniter aus Jerusalem, der Ordensritter, die über 200 Jahre Rhodos belebten. Und dann nach Malta flohen. Mit 1000 Jahren feiert die kleine Kirche im nächsten Monat ihr Jubiläum. Leise, unauffällig, nicht einmal im hochgelobtesten aller Reiseführer erwähnt. Dabei könnte sie, die kleine Weiße mit den heute rot gestrichenen Dachziegeln die älteste Kirche der Insel darstellen. Sie ist nicht abgeschlossen. Wir dürfen alleine hineingehen, uns aufhalten, sogar fotografieren, und ich denke unwillkürlich an das offizielle, museale Foto-Verbot im Palast der Johanniter in Rhodosstadt. An den Eintrittspreis und die umheräugenden Gesichter der Wächter. Leicht, fast wortlos übersetzt sich dem Alten unsere Anteilnahme. Und wir wissen nicht, wie zu danken. Kritinía hält die Tür auf für wenige Fremde, die in das abgelegene Dorf noch finden. Früher soll es eine ansehnliche Stadt gewesen sein, begründet von Althaimenes, einem Enkel des Minos, erzählen die Sagenmünder. Hier soll er gelandet sein, der Held – nach tagelanger Schiffsreise von der Insel Kreta. Eine vergessene Route, für die fast nur noch der Alte seine Spuren zieht. Angelika Zöllner

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Schönheit, Eleganz, Botschaft Das Bundesjugendballett mit einer Tanz-Gala in Remscheid

Faszination der Jugend Acht junge Tänzerinnen und Tänzer zwischen 19 und 22 Jahren und aus acht Nationen bilden in dieser Spielzeit das Ensemble des von John Neumeier geleiteten Bundesjugendballetts. Mit vier Choreographien trat die Truppe am vergangenen Mittwoch im Remscheider Teo Otto Theater an – und verzauberte das Publikum im leider nur schwach besetzten Saal vom ersten Schritt und Ton an mit tänzerischer Grazie, der Faszination jugendlicher Schönheit, natürlicher Eleganz und aufblitzendem Humor – schließlich mit hoher reifer Dramatik. Maša Kolars „Französische Chansons“ eröffnete den tänzerischen Reigen in heiterer Stimmung, zeigte durchaus von Pina Bausch beeinflusste Elemente zeitgenössischen Tanztheaters, verbunden mit populärer Musik bekannter Komponisten und stellte das Ensemble in gelöster, wenn auch virtuoser Performance vor. Augenzwinkernd wird Cole Porters „Let´s Do It (Let´s Fall in Love)“ als Synonym

Choreographie: Maša Kolar, Pascal Schmidt, John Neumeier, Natalia Horecna Künstlerischer Leiter: Kevin Haigen Mit: Giaorgia Giani, Nicolas Gläsmann, Maria del Mar Hernández, Yehor Hordiyenko, Minju Kang, Pascal Schmidt, Teresa Silva Dias, Hélias Tur-Dorvault Am Keyboard: Aike Errenst Musik: Aike Errenst, Cole Porter, Georges Krier, Vincent Scotto, Ludwig van Beethoven, Max Richter, Georges Crumb, Kronos Quartett, Arvo Pärt

The Swirl of Snow Remains Foto © Silvano Ballone

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für das ewige Spiel der Liebe ein- und umgesetzt. Pascal Schmidt, selbst Ensemblemitglied und erst 22 Jahre alt, hat zur Musik von Aike Errenst, die an den Keyboards begleitete, eine unerhört mitnehmende, rhythmisch gegliederte wuchtige Choreographie entwickelt. Ein faszinierendes Spiel auch mit Licht und Schatten. Ludwig van Beethovens Streichquartett in B-Dur op. 130 diente John Neumeier zu einer zwar bereits 2012 konzipierten, aber als „Work in Progress“ sich fortentwickelnden Choreographie, die den Irrtum aufgreift, dass tatsächlich Kommunikation und Interaktion stattfinden. Gesten, Körpersprache, Blicke führen die Tänzer zueinander, aneinander vorbei und voneinander weg. Neumeiers klassisch geprägte Handschrift war unverkennbar – das stärkste, mit einer wichtigen Botschaft ausgestattete Stück des ersten Teils dieses kostbaren Abends.


The Swirl of Snow Remains Dem erschütternden seelischen Tribut derer, welche die Tragödien des Krieges miterleben mussten, der schmerzlichen Erinnerung von Opfern und Überlebenden gehörte nach einer angemessenen Pause der zweite, noch packendere Teil des Abends. Natalia Horecna hat den Verlust des Himmels, die sich ankündigende Apokalypse zu Musik von Max Richter, dem Kronos Quartet und Arvo Pärt für ihr Stück „The Swirl of Snow Remains“ in starke, fast Bruegelsche Szenen übersetzt. Vier „schwarze Engel“, von der Verwüstung des Krieges gezeichnet (Minju Kang, Nicolas Gläsmann, Hélias Tur-Dorvault, Pascal Schmidt), verlieren mit ihren Flügeln ihre letzte Unschuld, werden in die Hölle gestürzt. Nun Verkörperung des Bösen im Aufeinanderprallen der geschundenen Körper, rauben sie in kraftvollen dramatischen Bildern der in weißer Unschuld das düstere Bild durchflatternden, Hoffnung tragenden Seele (Giorgia Giani) auch ihre himmlischen Flügel. Giani verkörpert das angstvolle

flügellose Zucken beinahe zu Tränen rührend. Das Leichentuch wirbelnden Schnees scheint alles zu verhüllen. Neue Hoffnung kommt dennoch auf, als ein erst mutloses Kind (Yehor Hordiyenko) der Seele ihre Flügel wiedergibt, der verzweifelt klagenden Mutter (Maria del Mar Hernández) Trost spendet. Die Botschaft kam an. Ein bewegendes Erlebnis für das atemlose Publikum, das die Tänzer begeistert feierte. Solch rare Tanzabende wie diesen findet man dank der seit Helga Müller-Serre in vielen Jahren bewährten hervorragenden Auswahl seiner Intendanz, jetzt unter Christian Henkelmann, in weiterer Umgebung nur im Remscheider Teo Otto Theater. Frank Becker Weitere Informationen: www.bundesjugendballett.de Veranstaltungskalender des Teo Otto Theaters: www.teo-otto-theater.de

The Swirl of Snow Remains Foto © Silvano Ballone

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Unforgettable Das Wuppertaler Uni-Konzert unter Christoph Spengler war das Kulturereignis zum Saisonschluß.

Wer geglaubt hätte, daß die am Mittwoch auch noch abends herrschenden 30° Celsius die Musikgemeinde vom Besuch des Konzerts zum Semesterende abgehalten hätte, sah sich erfreulich getäuscht. Bis auf den letzten „Armesünderplatz“ am Rand war das helle Schiff der Elberfelder Christuskirche besetzt. Uni-Orchester, BarockEnsemble, Uni Chor und Ferienchor traten in großer Besetzung zu ihrem genreübergreifenden Konzert mit Musik aus Barock, Romantik, Musical, Film und Easy Listening an. Eine gelungene Mischung, bei der Klassik, Swing und Crooning perfekt harmonierten. Den Auftakt machte sommerlich leicht ein Auszug von drei Sätzen aus Georg Philipp Telemanns spätbarocker „Musique de table“ (1733) mit dem Barock-Ensemble des Uni-Orchesters. Vier Violinen, zwei Violen, Fagott, Cello und zwei Blockflöten sowie Christoph Spengler am Klavier schufen elegant den Zauber höfischer Tafelmusik. Karen Wimmel (Sopran) und Anna Pollmann (Alt) zeigten, daß Blockflöten

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durchaus in der Lage sind, den Platz der eigentlich in der Komposition vorgesehenen Querflöte einzunehmen. Der Finalsatz „Allegro ma non troppo“ aus Antonín Dvořáks 8. Sinfonie, der „Englischen“, setzt zart an, um schließlich gewaltig zu enden. Das groß besetzte UniOrchester, das nach seinem letzten großen Konzert nur vier Wochen Probenzeit hatte, begeisterte das Publikum mit einer hinreißenden Interpretation, wie auch bei den übrigen Programmpunkten angefeuert von Christoph Spengler, dessen Dirigat heitere Energie verströmte. Das galt auch und besonders für Monty Normans/John Barys „Themes from 007“, die das Orchester + Rhythmusgruppe von lyrisch (For Your Eyes Only) bis wuchtig (Live And Let Die) umsetzte. Der etwa 60 Köpfe umfassende Uni-Chor bot ein Medley aus dem Filmmusical „Grease“ und gemeinsam mit dem Orchester drei Balladen, bei denen Lara Kocherscheid sympathisch als Solistin in Stevie Wonders „Don’t You Worry ‘Bout A Thing“


hervortrat. Für weich swingende Intermezzi sorgte der Ferienchor: die Standards „All Of Me“, das in der Tat seit Nat King Cole unvergeßliche „Unforgettable“ von Irving Gordon und Harry Warrens „At Last“ schufen geschlossenen Auges mal die Illusion des Ray Conniff Chors, mal der Anita Kerr Singers. Das waren Perlen mit der Besonderheit, daß viele der Sänger und Sängerinnen zwischen den Gesangsauftritten zu ihren Instumenten eilten, um z. B. an Cello, Flöte oder Oboe zu brillieren. Zwei Zugaben mußten den bestens aufgelegten Ensembles aus Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitern der Universität Wuppertal gar nicht erst abgetrotzt werden, die kamen nach dem brausenden Applaus freiwillig – und nach 80 Minuten (keine Pause!) strömten glückliche Zuhörer und zufriedene Musiker hinaus in die Sommernacht. Eine kleine Bilderstrecke soll Ihnen Impressionen des Abends vermitteln. Frank Becker Fotos: Frank Becker

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Vergöttert Zeichnungen der Bonner Künstlerin Ruth Tauchert im Akademischen Kunstmuseum Bonn

Bogenschütze vom Aphaia-Tempel in Ägina Foto © Rainer K. Wick

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Abgußsammlungen genießen keinen guten Ruf. Ihr bleicher Gips – Goethe nannte ihn „kreidenhaft und tot“ – wirkt auf nicht wenige Zeitgenossen abschreckend. Gleichwohl ist die Gipssammlung für die Archäologie zu Lehr- und Studienzwecken bis heute unentbehrlich. Denn sie vereint Kunstwerke, die im Original nicht verfügbar sind und macht als „Musée Imaginaire“ (André Malraux) dennoch große geschichtliche Entwicklungen anschaulich nachvollziehbar. Gipsabgüsse, die insbesondere in der Zeit des Klassizismus hoch geschätzt wurden, ermöglichen dem Fachmann wie dem Laien Einsichten, die andere Reproduktionsmedien wie Zeichnung, Stich und Foto nicht zu vermitteln vermögen. In der akademischen Künstlerausbildung gehörten vor allem im 19. Jh., aber auch noch im frühen 20. Jh., Studien nach Gipsabgüssen zum – vielfach verhaßten – Pflichtpensum eines jeden Kunststudenten, galt doch eine für ideal gehaltene Antike als Bezugs-

punkt und Maßstab allen künstlerischen Tuns. Erst mit dem Siegeszug dessen, was inzwischen längst als „Klassische Moderne“ etabliert ist, verschwand das Zeichnen nach Abgüssen antiker Plastiken aus dem Kanon des Lehrbetriebs der Akademien, verschwanden auch die Gipse selbst in den Depots oder wurden sogar vernichtet. Um so erstaunlicher, wenn sich in den Jahren 2014 und 2015 eine Künstlerin der mittleren Generation monatelang produktiv mit den Gipsen einer der umfangreichsten Abgußsammlungen Deutschlands auseinandersetzt. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung zeigt nun die Zeichnerin Ruth Tauchert am Ort ihres Schaffens, nämlich im Bonner Akademischen Kunstmuseum, der Antikensammlung des Archäologischen Instituts, gelegen am Hofgarten gegenüber dem Universitätshauptgebäude, dem einstigen kurfürstlichen Schloß. An der anthroposophischen Alanus-Hochschule in Alfter bei Bonn zur Bildhauerin ausge-


bildet, ist das grundsätzliche Interesse der 1963 in Köln geborenen Künstlerin auch an griechischen und römischen Erscheinungsformen plastischen Gestaltens nicht sonderlich überraschend. Eher überrascht, wie sie sich den als kanonisch geltenden antiken Statuen nähert und wie sie mit ihnen umgeht: „Auch nach Monaten täglicher Arbeit betrete ich das Akademische Kunstmuseum immer noch mit einer gewissen Ehrfurcht. [...] Mit den Göttern per Du, begrüße ich sie inzwischen wie alte, lieb gewordene Freunde. Fast täglich verliebe ich mich in eine andere Skulptur, befasse mich eine Zeit lang mit ihr [...], bringe sie in eine neue, mir eigene Ordnung, um dann im scheinbar unerschöpflichen Fundus des Museums Neues zu entdecken. [Es] sind [...] Menschen, in Gips gegossen und unbeweglich. [...] Es sind Statuen, statisch wie der Name schon beinhaltet, also muss ich mich bewegen, ständig eine

oben: Amor und Psyche, Foto © Rainer K. Wick rechts oben: Plutosknabe, Foto © Jutta Schubert rechts Mitte:Philosoph II, Foto © Jutta Schubert rechts unten: Athlet, Foto © Jutta Schubert

neue Perspektive suchend, tanze ich beinahe um die Skulpturen herum, versetze sie in unsere Zeit, gebe ihnen Gesichter, bringe sie in Bewegung.“ (Katalog) Hier mischen sich der Respekt vor der auratischen Ausstrahlung des Antikenmuseums, die Zuneigung zu den präsentierten Exponaten und das Bedürfnis, die erstarrte, zur statischen Form geronnene und in Gips gegossene Bewegung der Figuren zu verlebendigen. Dem entspricht in Taucherts Zeichnungen ein spontaner, gestisch-skripturaler Duktus, eine im positiven Sinne nervige Handschrift. Mit größtem Tempo zeichnet die Künstlerin, deren bevorzugtes Sujet Menschen in raschen Bewegungen sind – tanzend, musizierend, reitend, fechtend,

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auf der Bühne agierend –, mehrere Ansichten einer und derselben Gipsfigur auf das Blatt, manchmal nebeneinander, manchmal sich überlagernd und durchdringend. Dasselbe gilt für jene Blätter, die verschiedene Figuren auf der Fläche vereinen, sodaß oft eine dichtes, gelegentlich schwer entzifferbares Liniengeflecht entsteht. Hier emanzipiert sich die Linie vom Zwang zur exakten Wiedergabe des Wahrgenommenen, sie beginnt, autonom zu werden. Paul Klee sprach von der aktiven Linie, „die sich frei ergeht“ und gleichsam einen „Spaziergang um seiner selbst willen“ macht. Neben der befreiten Linie zeigen ein freier Umgang mit den Proportionen und Freiheiten im Physiognomischen, daß die Differenz zu jenen peniblen, trockenen Studienblättern nach Gipsabgüssen, die an den Kunstakademien früherer Zeiten Standard waren, nicht größer sein könnte. Die zum Teil großformatigen Zeichnungen bleiben, wie sie vor Ort entstanden sind, nachträgliche Korrekturen finden nicht statt. Ähnlich wie bei Oskar Kokoschka, der sich seit den 1950er

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Jahren immer wieder in Gemälden, expressiven Farbstiftzeichnungen und Druckgrafiken mit dem antiken Erbe Griechenlands auseinandergesetzt hat, stellt sich auch bei Ruth Tauchert die künstlerische Antikenrezeption als entschiedene Antikentransformation dar, die zeichnerisch als höchst subjektiver Aneignungs- und Umdeutungsprozeß erscheint. Zur Verlebendigung des „kreidehaften“ Gipses tragen sparsame Kolorierungen bei, die an die spätestens seit dem 19. Jahrhundert, seit Hittorff und Semper, bekannte, aber vielfach verdrängte Polychromie antiker Skulpturen erinnert, die in letzter Zeit von Vinzenz Brinkmann im Rahmen seines spektakulären Projekts „Bunte Götter“ eingehend erforscht worden ist. Der besondere Reiz der Bonner Ausstellung ergibt sich aus den geschickt inszenierten Korrespondenzen zwischen den Zeichnungen von Ruth Tauchert und den jeweiligen Gipsabgüssen des Akademischen Kunstmuseums. Archäologie und zeitgenössische Kunst treten hier in einen spannenden und spannungsvollen Dialog, der auch für archäologische

Laien attraktiv sein dürfte und dem Museum ein breitere Akzeptanz in der Öffentlichkeit bescheren sollte. Rainer K. Wick Vergöttert. Zeichnungen von Ruth Tauchert Akademisches Kunstmuseum – Antikensammlung der Universität Bonn Am Hofgarten 21, 53113 Bonn www.antikensammlung.uni-bonn.de akmuseum@uni-bonn.de bis 14. 8.; dienstags bis freitags 15 – 17 Uhr, sonntags 11 – 18 Uhr ; an Feiertagen geschlossen. – Katalog 10 Euro

links: Sog. Ephebe Westmacott rechts: Schaber (Apoxyomenos) des Lysipp Fotos: Rainer K. Wick


Matthias Dohmen Stellvertretender Bezirksbürgermeister in Wuppertal und langjähriger Landesvorsitzender der Deutsch-Finnischen Gesellschaft sind Stationen auf dem Lebensweg eines Menschen, der, politisch und humanistisch engagiert, seine Überzeugungen lebt. Dann mit 67 Jahren mit „magna cum laude“ über ein zeithistorisches Thema promoviert hat, bei dem die Sichtweise von Historikern in Ost und West auf die politischen Ereignisse während des Kalten Krieges kritisch untersucht und hinterfragt wird. Wer tut so etwas noch im fortgeschrittenen Alter und vor allem weshalb? Matthias Dohmen, geb. 1947 in Düren (Rhld.), sozialrechtlich Rentner, Journalist mit dem Schwerpunkt: Reportagen, Porträts sowie jüdischen Themen war, ist und bleibt engagiert. „Ich möchte gerne noch 30 Jahre leben und aktiv sein. Es gibt so vieles, was mich interessiert.“

Matthias Dohmen

In die Wiege gelegt wurde ihm sein Werdegang nicht. Geboren als Sohn eines Arbeiters, gehörte er zum ersten Jahrgang seiner Generation, bei dem kein Schulgeld mehr für den Besuch eines Gymnasiums bezahlt werden musste. Die Bildungspolitik setzte damals erstmals auf Ressourcen an Intelligenz und Fähigkeiten im vierten Stand, die den Begabteren unter ihnen eine akademische Bildung ermöglichen sollte. Als Matthias Dohmen 14 Jahre alt war, starben beide Eltern kurz nacheinander. Er bekam einen amtlich bestellten Vormund, einen Amtsrichter, der verfügte, dass der Junge fortan in einem katholischen Internat in Bad Münstereifel erzogen werden sollte. Er selbst wäre gerne bei einer Schwester seiner Mutter geblieben. Von ihrer Seite wäre dies auch möglich gewesen, aber Kinder wurden damals nicht nach ihren Wünschen gefragt und die Tante beugte sich der Autorität. Dennoch wurde sie Mutterersatz. Täglich schrieb er ihr Briefe, die von ihr ebenfalls täglich beantwortet wurden. Im Internat wurde er deshalb nicht nur von Mitschülern gehänselt. Seine Erinnerungen an die Internatszeit sind nicht die besten. „Ich wurde von meinen Eltern katholisch erzogen und glaubte an die Gerechtigkeit der Kirche. Dort machte ich die Erfahrung, dass einige gleicher als gleich waren. Es waren die Söhne wohlhabender Eltern, von denen Spenden flossen, weshalb bei ihnen vieles durchging, was mir nicht erlaubt war.“ Bald nach dem Abitur mit 18 Jahren trat er

aus der Kirche aus, den Glauben an deren Gerechtigkeit hatte er verloren. Gerne hätte er in Berlin studiert, das in den sechziger Jahren, mitten in der Zeit des Kalten Krieges, Zentrum studentischer politischer Aktivitäten und Proteste gegen den Vietnamkrieg und faschistische und inhumane Strukturen war. Federführend war der SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) mit Rudi Dutschke als „Kopf“ der Bewegung. Unter dessen Leitung fand 1967 in West-Berlin ein großer Vietnamkongress statt, der mit einer großen Demonstration seinen Abschluss fand. Soviel zum Background, den der Vormund von Matthias Dohmen für sein Mündel als Studienort ungeeignet fand. Da man zu dieser Zeit erst mit 21 Jahren volljährig wurde, musste sich der frisch gebackene Student fügen. Er wählte statt dessen Bonn, den damaligen Regierungssitz. Doch auch hier waren unzensierte Bilder mit den Kriegsgräueln und dem Leiden der Bevölkerung in Vietnam durch die Presse gegangen und erregten die Gemüter vor allem der studentischen Jugend. Matthias Dohmen, der mit 18 Jahren in die SPD eingetreten war, stellte Fragen. Worauf er immer wieder zu hören bekam, er sei wohl „Kommunist“, wenn er sagte „Vietnam ist Völkermord“. „Ich fand dann, dass meine Vorstellungen damals tatsächlich mit denen der DKP am meisten übereinstimmten, verließ die SPD und habe mich konsequenterweise der DKP angeschlossen.“ Er organisierte Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und die NPD und studierte nebenbei Geschichte, Politik und Philosophie mit dem Abschluss als Magister Artium. In den achtziger Jahren war er aktiv in der Friedensbewegung, deren Symbol die weiße Taube auf blauem Grund war und die sich damals gegen

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den Nato-Doppelbeschluss richtete. Nach dem Studium arbeitete Matthias Dohmen als Redakteur der UZ in Düsseldorf, ab 1990 als freier Journalist u. a. beim WDR und der Deutschen Welle. In der Redaktion der UZ lernte er seine Ehefrau, eine spätere Lehrerin, kennen, die er 1976 heiratete. Mit ihr ist er jetzt 39 Jahre verheiratet und hat er einen 38-jährigen Sohn. Die Erfahrung, wie sehr Propaganda und Realität auseinanderklaffen, machte er 1974 in Moskau. Er war für ein Jahr auf einer politischen Fortbildung in Moskau an einer internationalen Schule. „Es war desillusionierend. Moskau war sehr heruntergekommen. Draußen waren minus 40 Grad und wir gingen nach dem Unterricht in ein Café. Ein Betrunkener lag zwischen den Stühlen und kein Mensch kümmerte sich um ihn. Alle machten einen Bogen um ihn. Es kam da eine große Menschenverachtung zum Ausdruck. Da war keinerlei Solidarität, wie im Kommunismus gepredigt. Es heißt, dass die erste

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Enttäuschung immer die Schlimmste ist. Genau wie in der Liebe.“ Er zitiert Willy Brandt, der einmal gesagt hat: „Kommunismus ist organisierte Verantwortungslosigkeit.“ 1989 trat er aus der DKP aus, als diese nach dem Fall der Berliner Mauer in „Agonie“ versank und Matthias Dohmen sich nicht mehr mit deren Politik identifizieren konnte. Das politische Engagement blieb, was dann zu einem Wiedereintritt Anfang der neunziger Jahre in die SPD führte. Im Zuge dessen wurde er Ortvereinsvorsitzender, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Mitglied des Rates der Stadt Wuppertal. Und war über 10 Jahre ehrenamtlich als Landesvorsitzender der Deutsch-Finnischen Gesellschaft tätig. „Als Vorsitzender und Chef ging es mir um einen demokratischen Führungsstil, es geht darum zu moderieren. Menschen und ihre Interessen sind sehr verschieden. Es ist wichtig, ein Gespür zu haben, wo der gemeinsame Nenner ist. Man muss wissen, wann man die Dinge schleifen lassen kann und wann

man Gas geben muss. Oft wurde hart diskutiert, aber die Unterschiedlichkeit war letztlich immer ein Gewinn.“ „Leben und leben lassen“ waren immer sein Lebensmotto. Dazu gehören auch Humor und Lachen, ebenso wie Ernsthaftigkeit und Auseinandersetzungsfähigkeit, Wertschätzung und Respekt. 2005 trat er als stellvertretender Bürgermeister zurück. Es gab Differenzen mit der Parteiführung vor Ort. „Bevor ich mich verbiege, trete ich zurück.“ Die nun freie Zeit nutzte er zum Schreiben seiner Dissertation. „Das wollte ich schon immer machen und es reizte mich, dieses geschichtliche Thema auch unter dem Aspekt des Zeitgeistes wissenschaftlich zu bearbeiten.“ Seit 2014 ist Matthias Dohmen Schöffe. Weiterhin gesellschaftlich engagiert, wie er es sein Leben lang war. Und Vietnam-Demo, Ende der 60er Jahre, Matthias Dohmen am Mikrofon (2.v.links)


natürlich bleibt er seinem Medium, dem Schreiben für Printmedien, Fernsehen und Hörfunk treu. Seine Portraits über die „bessere Hälfte“ erscheinen demnächst in Buchform. Hier berichtet er über das Leben von Frauen, deren Männer in der Öffentlichkeit Wuppertals stehen. Im Frühjahr 2015 erfüllte er sich einen langgehegten Wunsch: das Land zu bereisen, für dessen Befreiung von Krieg und Besatzung er in seiner Jugend demonstriert und eingetreten war. Vietnam. Dort seien die Erinnerungen an das Kriegsgeschehen noch sehr gegenwärtig. Er besuchte in Saigon das große Kriegsmuseum mit Militärgerätschaften und großen Fotos der amerikanischen Angriffe auf das Land. So auch ein Foto, das damals um die Welt ging: ein kleines Mädchen, das nackt über die Straße läuft, um dem Giftgas zu entkommen. Ebenso auch Bilder von den großen Vietnamdemonstrationen in Washington und Berlin. Auf dem Mekong Delta war er mit verschiedenen Booten und Schiffen unterwegs.

Und immer wieder beeindruckten ihn die zahllosen Pagoden und Tempel, die überall zu finden waren. Der Buddhismus ist die beherrschende Religion. Der Reiseleiter berichtete, dass der Glaube in diesem Land eine große Rolle spiele, ebenso auch der mystische Glaube. So werde für alles ein Horoskop eingeholt, zum Beispiel wann ein Haus am günstigsten gebaut wird und bis wann es fertig sein muss. Ebenfalls beeindruckend sei das Verhalten der Vietnamesen im Straßenverkehr gewesen: „Auffallend war, dass die Vietnamesen nicht mit hohem Tempo fahren und auch nicht aggressiv reagieren, wenn ein anderer ihnen die Vorfahrt nimmt. Grundsätzlich achtet keiner auf Ampeln. Die Verkehrsteilnehmer regeln das untereinander. Es ist Anarchie nach dem Motto: Wir achten auf den anderen, so dass auch der Schwächere sicher und geschützt ist.“ In zwei bis drei Jahren wollen er und seine Ehefrau dieses Land noch einmal besuchen. „Ich habe noch so viel vor. Am Liebsten werde ich 100 Jahre alt,

um mir all meine Träume erfüllen zu können.“ Bislang war es ein Leben mit Bruchstellen, aber immer eines: Matthias Dohmen blieb sich selbst und seinen humanitären Idealen treu. Iris Rau

Matthias Dohmen und Herrmann Schulz in der Buchhandlung Oelemann

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Bauerntrampel

Karl Otto Mühl

Tante Annas braves Gesicht fließt zusammen mit den schroffen Felshängen und den sich sanft dahinwiegenden Wiesen der Fränkischen Schweiz bei Nürnberg, Schwemmklöß, Metzelsuppe und Walberla, Schützenhaus, bei Stein, Wiesenchampignons in der Pfanne geschmort, einer streitsüchtigen Familie mit 13 Kindern aus den Ehen von Witwer und Witwe, aus der sie und mein Vater stammten; Tucherbier und Weihenstephan, einem MiniApartment, einem Balkon von 2,1 qm und einem Einkommen auf Sozialhilfe-Niveau, und dies alles unter dem Blick aus Tante Annas runden Kinderaugen, aus denen dreiste Neugier, ängstliche Erwartung und ständige Verteidigungsbereitschaft sprechen.

ausbreitet? Die Stimmen ihrer Brüder sind hörbar, die sie immer wieder „blöde Kuh“ und „dumme Gans“ nennen, oder sie heißen sie den „Bauerntrampel mit dem Gashirn“. Sie kann nur eins tun, einfachste Arbeiten bei Siemens Schuckert verrichten und am Wochenende als Küchenhilfe im Schützenhaus arbeiten, um zu überleben.

Rückblickend scheinen die Verachteten genau so wichtig für unser Leben gewesen sein wie die Eifrigen, die besser für sich selbst sorgten. Tante Anna war immer da. An ihrer Hand spazierte ich durch die Nürnberger Altstadt; sie saß vor mir im Boot, wenn ich, damals Dreizehn, sie über den Dutzendteich paddeln durfte; sie stand hingerissen am Ufer, wenn ich auf dem Rücken meines Vaters hockte, der mit mir im grünlichen Ludwigs-Donau-MainKanal schwamm; sie pflegte meine Mutter, als sie krank war; brachte mich zu Doktor Bär, unserem jüdischen Hausarzt, wenn mir etwas fehlte.

Wichtig war ihr verständlicherweise die Beziehung zu ihrem Hausarzt. Die Gespräche mit ihm gaben ihrem Leben bei jedem Besuch Klarheit und Richtung. „Wir bauen nicht auf, sondern ab, Fräulein Lautner“ antwortete er oft auf ihre Fragen. Diese Auskunft aber schien ihr Trost zu geben. Und „Fräulein“ wollte sie ihr Leben lang genannt werden. Sie bestand darauf und es klang jeweils, als ob sie ein unverzichtbares Recht verteidigen müsse.

Die Großfamilie löste sich in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg auf. Einige Brüder blieben bei der MAN; aber die Hälfte der Brüder und Schwestern floh aus der Armut nach Amerika. Da vermehrten sie sich fleißig, und nach wenigen Jahrzehnten gab es über fünfzig Lautners im Raum von Santa Monica und San Francisco. An sie dachte ich, als ich zwanzig Jahre später als Kriegsgefangener in San Francisco zusammen mit über Tausenden anderer Kriegsgefangener von Bord ging. Das Leben treibt seltsame Dinge mit uns. Wozu Annas Geschichte erzählen, wenn ihr Leben so in einem Fokus zusammenfließt und sich gleichzeitig

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In dieser winzigen Welt hat sie sich eingerichtet. Irgendwo ist ihr auch ein Mann begegnet, aber es muss ganz kurz gewesen sein, denn er wurde niemals sichtbar. Anna selbst hat von ihm immer nur als von dem „Herrn Ingenieur“ gesprochen, nicht aber davon, wie die Begegnung war und was sie und ihre Beendigung für sie bedeuteten.

Gab es Freuden für sie? Ja, doch: Die heiße Metzelsuppe, die sie sich sonnabends in der Gastwirtschaft holte; die Flasche Bier, die sie genüsslich leerte; die tuckernde Reise in die Hersbrucker Schweiz, wo sie bei den Bauern und Metzgern Wurst einkaufte, die sie dann, heimgekommen, wieder mit kleinem Aufschlag an die Nachbarn weiterverkaufte; die Begegnungen mit Geschwistern, Neffen und Nichten. Da gab es dann auch immer wieder Demütigungen für sie. Sie galt als dumm, aber eigentlich konnte sie doch alles, was für ihr Leben notwendig war. Da war sie schon über Siebzig, als ein großer Tag für sie kam. Ihr Neffe, nämlich ich, verdiente eine Zeitlang gutes Geld, und da kam er auf den Gedanken, einmal eine gute Tat zu tun.


Schließlich gab es ja auch eine Bringschuld aus der Kindheit für ihn. Er kündigte seinen Besuch an, fuhr mit dem Nachtzug zu ihr nach Nürnberg, nahm an der Tankstelle in Bahnhofsnähe den vorbestellten Mietwagen in Empfang und holte damit seine Tante Anna an ihrer winzigen SIEMENSSCHUCKERT-Wohnung ab. Er kutschierte sie zur Fränkischen Schweiz. Sie saß glücklich neben ihm, das ovale Gesicht mit den runden Augen, dem platt anliegenden, dunkelbraunen Haar, dem kleinen Püppchenmund, und sie konnte sich nicht satt sehen an der schönen Welt um sie. Neben ihr lenkte der Neffe im noblen, blauen Jackett. Das war nicht der einzige Höhepunkt. Der nächste war der Schweinebraten mit „Klöß“ in einer Gartenwirtschaft, den sie unter Ausrufen der Begeisterung verzehrte, immer stolz dabei auf diesen wunderbaren Tag, von dem sie aller Welt noch lange berichten würde. Was sie übrigließ, wurde eingepackt und mitgenommen. Sie steckte das in Servietten Eingepackte in ihre Handtasche. Hoffentlich sind keine Fettflecken entstanden. Dann fuhren wir gemächlich zurück. Das herbstliche Sonnenlicht wärmte uns. Während der Fahrt fielen mir plötzlich weiße Punkte auf einer großen Wiese auf. Sie wuchsen sehr dicht am Waldrand. Ich hielt am Straßenrand. Es konnten ja Pilze sein. Und das waren sie auch. Ich holte einen Beutel aus meinem Gepäck, und dann rannten wir beide auf den Waldrand zu und entdeckten eine Überfülle von Wiesenchampignons, mehr als mir je begegnet sind. Was nur hineinging, stopften wir in den Beutel, und diesen Beutel ließ Tante Anna nun nicht mehr aus den Augen, während wir weiterfuhren. „Das war ein schöner Tag“, sagte sie stillzufrieden.

„Warte ab, Tante Anna“, sagte ich. „Er ist noch nicht ganz vorbei.“ Anna blickte jetzt aufmerksamer um sich. Plötzlich schrie sie auf: „Doa sin ja so viel Leit! Des ist ja Schlaifhausen! Wos is doa denn los?“ Die Leute seien auf dem Weg zum Walberla, dem Berg also, sagte ich, da seien ja täglich Besucher, und wir müssten jetzt fast einen Kilometer laufen. Walberl heißt auch das größte, historische Fest in Franken. Das hatte aber bereits Anfang Mai stattgefunden, jetzt hatten wir schon Frühherbst. Zum Fest aber kamen immer Tausende.

„Bestimmt bald, Tante Anna“, tröste ich sie. Ihr Wunsch wurde erfüllt. Eines Morgens wachte sie nicht mehr auf. Sie hatte es begrüßt, dass es einen Ausgang aus dem Gefängnis des Lebens gibt. Karl Otto Mühl

Und dann saßen Tante Anna und ich am Berghang im Gras unter fröhlichen Leuten; zwischen Papierservietten, Proviantbeuteln und Trachtenkleidern. Es war heiter wie im Himmel, wo ja auch alle zusammenkommen und sich lieb haben, und es stört überhaupt nicht, dass es so viele von unserer Sorte gibt. „Jetzt müssat moa sterm könna“, meinte Tante Anna. Mehr könne ja gar nicht mehr kommen. Immer schon wollte sie einmal zum Walberla. Ich fuhr Anna heim und nahm den Nachtzug zurück. Bereits am nächsten Tag erreichten mich ihre Anrufe, denen noch mehrere folgten. Jedes Mal wurde ich darüber unterrichtet, was sie diesmal zusammen mit unseren Pilzen zubereitet hatte. So kann einen Menschen am Ende seines Lebens doch noch das Glück erreichen, dachte ich. Bloß, dachte ich, es reicht nicht. Es reicht nie, weder mit Pilzen noch mit Haus auf Sylt. Die Leute wollen mehr. Das aber, was sie am meisten ersehnte, hat ihr sicher die Erfüllung gebracht, die sanfte Erfüllung des Einschlafens. Nach ein paar Jahren bekam sie immer öfter Herzbeschwerden und klagte über Unwohlsein. „Wann sterb i denn endlich“, sagte sie oft am Telefon, „wann derf i denn endlich sterm?“.

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Der Geburtstag Das Telefon klingelt, es wird abgenommen

Warum soll denn jemand kommen?

Grünberg!

Weil Hans-Gerd Geburtstag hat!

Hallo Hans-Gerd, hier ist Ulla. Wer?

Gisela lacht laut: Wieso soll denn jemand kommen, wenn Hans-Gerd Geburtstag hat?

Ulla! kennst du mich nicht mehr? Ich wollte dir zum Geburtstag gratulieren!

Wie geht es denn eurem Sohn und den Enkelkindern?

Ja.

Gut, denen geht es gut!

Alles Gute für dich! Wir sehen uns ja gar nicht mehr. Gehst du nicht mehr zu Akzenta einkaufen?

Seid ihr denn noch mal da gewesen bei ihnen in Spanien? Da fahren wir doch immer hin!

Dorothea Müller

lebt und arbeitet in Wuppertal. Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller (VS), Arbeitsgebiete: Lyrik, Prosa, Theaterszenen, Texte für Kinder und mit Kindern (Kinderschreibwerkstatt, Buchprojekt: „Ich und du“, interkulturelles Kinderbuch, 2003). Buchveröffentlichungen: „Netz über dem Abgrund“, „Als der Supermarkt noch Tante Emma hieß“. Weitere Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften, Anthologien, Rundfunk (WDR).

Was? Ich versteh dich nicht. Ich geb dir mal Gisela. (Im Hintergrund: Gisela, nimm du mal den Hörer!) Wer ist denn da?

Das schafft ihr noch? Sicher schaffen wir das! Ja, dann wünsche ich euch noch einen schönen Tag. Genießt die Sonne!

Ulla. Die scheint heute! Welche Ulla? Macht´s gut! Weiß ich nicht! Gisela meldet sich: Grünberg! Hallo Gisela, hier ist Ulla! Gisela lacht. Ich wollte Hans-Gerd zum Geburtstag gratulieren! Der hat am zehnten. Ja, der zehnte ist heute. Da hat Hans-Gerd Geburtstag. Gisela ruft: Hans-Gerd, du hast heute Geburtstag! Es ist der zehnte! Ein unverständliches Murmeln ist zu hören.

Gisela legt seufzend das Telefon auf dem Tisch ab. Sind die durch den Wind! Die wussten nicht mal, dass Hans-Gerd heute Geburtstag hat! Total neben der Spur! Wenn ich an früher denke... Giselas Mann ist zum Kühlschrank geschlurft und verstaut das schnurlose Telefon im Gemüsefach. Die sind nicht neben der Spur. Die verhalten sich nur so, weil sie ihre Ruhe haben wollen. Nur ihre Ruhe wollen die haben... Gisela schaut ihren Mann erstaunt und mit fragenden Augen an und schweigt... Dorothea Müller

Was hat er gesagt? Der glaubt nicht, dass er heute Geburtstag hat, das kommt ihm komisch vor. Erwartet ihr denn Gäste heute?

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Das letzte Kapitel Zum Schlussball war Walburga nicht mehr gekommen. Kurz zuvor hatte sie eine Veranstaltung der Zeltmission besucht und war bekehrt worden. Danach verboten sich Vergnügungen und Tanz. Trude starrte in das flackernde Licht der Kerzen, das vor ihren Augen zu verschwimmen begann. Wie die Erinnerungen, die auftauchten, ihre Konturen verloren und im Nichts versanken. Auch die Worte hatten ihre Bedeutung verloren, waren nutzlos und überflüssig geworden. Zacharias war mit Stummheit gestraft worden. Weil er nicht geglaubt hatte. Friedrich hatte mit Schweigen gestraft. Sie aber hatte ihre Worte gesammelt wie einen kostbaren Schatz. Hatte ihn tief in sich begraben, nachdem Silben und Sätze im Schweigen erstickt waren. Wann hatte es begonnen? War es Agnes gewesen, die ihr, wie es schien, die Anzahl der Worte zugeteilt hatte? Deren eigene Rede und Ton von Selbstzweifeln verschont blieb, und doch kein Fundament bot, den Gegebenheiten Stand zu halten. Auch für Ariadne war die Geschichte schlecht ausgegangen, denn Theseus hatte sie am Ende verlassen. Ihre Gedanken sprangen ziellos hin und her. Ariadne, Agnes, der Schlussball, zu dem Walburga nicht mehr gekommen war. Bekehrt von der Zeltmission. Noch lange nach Walburgas Tod hatte es immer wieder Momente gegeben, in denen Trude schmerzlich bewusst wurde, dass Walburga nicht mehr lebte. War sie doch ihre stumme Gesprächspartnerin geworden, der sie alles erzählte. Auch das, worüber man niemals sprechen durfte. Walburga hörte zu, ruhig und verständnisvoll.

Friedrich war Diakon gewesen. Sozial engagiert, auch wenn die praktizierende Nächstenliebe um sie einen großen Bogen gemacht hatte. Seine Reden hatten vor allem ihn selbst getröstet. Vor allem wusste er, dass Schweigen Gold, und damit Macht war. Nur einzelne Worte der Trauerrede waren zu ihr gedrungen. Worte, die keinen Sinn ergaben. Ein Meer aus Stimmen und unverständlichen Lauten. Orgelmusik, deren Ton wie eine gewaltige Welle anschwoll und sie wie im Schwindel mitzureißen drohte. Der Leib Christi am Kreuz. Passion. Schweigen. Die Liebe höret nimmer auf. Nur Walburga hatte verstanden. Auch das, wovon man niemals sprechen durfte. Staub zu Staub, und Asche zu Asche. Der Pfarrer hatte ihren Arm gehalten. Grauweiß der Himmel und Atem, der wie Nebel in der Luft hing. Die Brüder und Schwestern hatten Trauerkleidung angelegt. Bruder und Schwester, so sprach man sich an in der Gemeinde.

die abgefallenen Blätter rote Spuren auf den Weg gestreut. Blutrot. Christi Blut und Gerechtigkeit. Herr, schenk mir Glauben. Walburga hatte nicht mehr tanzen wollen nach ihrer Bekehrung. Die alte Kastanie vor dem Haus trug keine Frucht mehr. Braungelbe Blätter, die taumelnd zu Boden fielen. Hinter der abgelösten Borke zartgrüne Triebe. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch die Sehnsucht war nie vergangen, sie war nur mit den Jahren stiller geworden. Einer trage des anderen Last. Sie wusste, dass dies niemals möglich war. Noch immer hielt der Pfarrer ihren Arm. Der Sarg hatte sich ein wenig verkantet. Schwarz glänzende Erdklumpen polterten auf das stumpfe Holz. Friedrich war tot. Es war vorbei. Dorothea Müller

Der Duft von Magnolien war herüber geweht. Damals. Als noch alles möglich schien. Bruder Jakob, schläfst du schon? Die Glocken hatten geläutet. Nun trug sie seinen Namen. Bruder und Schwester Jakob. Nur eine silbergerahmte Fotografie wies sie als Mann und Frau aus. Arm in Arm. In guten und in bösen Tagen. Doch die Tage waren leer und die Nächte unerfüllt geblieben. Bruder, Schwester - bis dass der Tod euch scheidet. Herr, erbarme dich unser. Jahr um Jahr hatten die Geranien ihre Blüten entfaltet, und im Herbst hatten

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Paragraphenreiter Kann ich mit meiner Kurspflege als Künstler auch noch Steuern sparen?

Finanzgerichtsurteile sind etwas Herrliches! Im besten Fall lernt man daraus nicht nur, wie ein bestimmter Sachverhalt steuerlich zu bewerten ist, sondern wie die Welt funktioniert, weil einen die Finanzrichter an ihrer durchaus anspruchsvollen Lektüre teilhaben lassen. Zumindest ein Richter des Finanzgerichts München las beispielsweise im Jahr 2010 „eine der wichtigsten neuen wirtschaftssoziologischen Analysen des Kunstmarktes, die von dem Kölner Soziologieprofessor und Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Prof. Dr. Jens Beckert vorgelegt wurde …: Kunst und Preise. Reputation als Mechanismus der Reduktion von Unsicherheit auf dem Kunstmarkt.“ Sie muss ihn stark beeindruckt haben, nutzte er doch das Urteil mit dem Aktenzeichen 13-K-4288/07, um ihren Inhalt der Allgemeinheit nahe zu bringen.

Susanne Schäfer, Steuerberaterin Geschäftsführerin der Rinke Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft

Kurz zusammengefasst las er daraus folgendes: Auf dem Kunstmarkt treffen Angebot und Nachfrage zusammen. Aus diesem Zusammentreffen bilden sich Preise. Diese hängen nicht mehr von den Herstellungskosten oder anderen objektivierbaren Funktionen des Kunstwerkes ab. Darum werden sie regelmäßig mit dessen künstlerischem Wert gleichgesetzt. Wie groß musste da das Entsetzen eines Malers sein, der in den Jahren 1990 bis 1997 feststellte, dass mehrere seiner Bilder, die er in Vorjahren zu durchaus attraktiven Preisen verkauft hatte, nun auf Auktionen nur noch rund 60% der ursprünglichen Preise zu erzielen drohten? Riesig! Weil er aber wusste, was Kurspflege bedeutet („Käufe oder Verkäufe von Marktteilnehmern mit dem Ziel, den Preis eines auf dem Markt gehandelten Wirtschaftsgutes zu stabilisieren oder innerhalb einer bestimmten Bandbreite zu halten.“), beauftragte er kurzerhand mehrere befreundete Galeristen, die fraglichen Bilder auf seine Kosten, allerdings selbstverständlich ohne Nennung seines Namens, zu mindestens 100% der ursprünglichen Preise zurückzukaufen.

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Und weil er darüber hinaus eben diese Kosten umgehend steuermindernd geltend machen, das Finanzamt sie aber nicht anerkennen wollte, traf er neun Jahre später auf unseren belesenen Finanzrichter. Der hatte vollstes Verständnis dafür, dass der Künstler ob des Preisverfalls seiner Bilder „um seine künstlerische Reputation fürchtete“ und diese zurück erwarb, „um sein künstlerisches Ansehen in der Öffentlichkeit durch eine konstante Preisqualität zu wahren.“ Insbesondere den Einwand des Finanzamtes, es gebe aber schon zu denken, dass es bis zum Jahr 2010 nicht gelungen sei, auch nur eines der seit 1990 zurück gekauften Bilder wieder zu veräußern, ließ er nicht gelten, schließlich „müsse sensibel nach einem würdigen Käufer zu einem angemessenen Preis gesucht werden“ und das könne schon mal dauern – bei einem derart vortrefflichen Künstler gerne auch 20 Jahre. Und überhaupt: „Eine „Kontamination“ durch die profane Welt des Kommerzes würde Zweifel an den künstlerischen Urteilen aufkommen lassen, auf denen die Stabilität des Kunstmarktes letztendlich beruht.“


Alles stirbt. Auch die Freunde sterben Karl Otto Mühl – „Totenwache“ - Abschiede „Gestern fuhr ich Fische fangen, Heut bin ich zum Wein gegangen, - Morgen bin ich tot." (Werner Bergengruen)

Umschlagzeichnung: Karl Otto Mühl – Totenwache

Grabschrift eines Mannes Alles stirbt. Auch die Freunde sterben. Sorget nicht um mein Grab. Erde bedeck' es. Wind beleck' es. Sonne beschein es. Regen bewein es. Treulos sind Menschentränen, Menschenarme und Menschenküsse. Doch eure Herbe und Süße, ihr vier unsterblichen Freunde, dringet zu mir hinab. Rudolf G. Binding

Langjährige Literatur-Leser werden einige der Erzählungen aus Karl Otto Mühls jüngstem und zugleich vielleicht bewegendstem Buch kennen. Es sind Abschiede, klug und behutsam in leise Worte gefaßt, unbestechlich nüchtern im Urteil oft, zugleich aber auch zart. Karl Otto Mühl benötigt keine plakativen Formulierungen, keine schreienden Überschriften. Mit der Gabe eines phänomenalen Gedächtnisses beschenkt, das sich Schulter an Schulter mit der Weisheit eines langen, erfahrungsreichen Lebens in seiner brillanten realistischen Prosa niederschlägt, nimmt der Autor seine Leser Erzählung um Erzählung mit auf eine Reise, die keine Wiederkehr kennt. Daß diese, seine und unsere Lebensreise, zwangsläufig mit dem Tod endet, wissen wir zwar, doch wir schlagen vor dem Unausweichlichen furchtsam die Augen nieder: „Nicht ich! – Nicht schon jetzt!“. Daß jeder der 21 Geschichten vom Sterben ein tatsächliches Schicksal zu Grunde liegt, eine wahre, oft schmerzliche und traurige persönliche Erfahrung, macht die Sammlung, die unter dem Titel „Totenwache“ als Buch nun im Brockmeyer Verlag erschienen ist, besonders wertvoll. Mühl gibt den Toten einen letzten Auftritt, zeigt, daß sie weder umsonst gelebt noch vergessen gestorben sind. Seine Texte tun das, was der Titel sagt: sie halten jenen eine ehrenvolle Totenwache – stellvertretend für alle, die einmal gelebt haben und nun nicht mehr sind. Karl Otto Mühl (92) faßt seit Jahren, mittlerweile mit einer gewissen Heiterkeit, das Ende ins Auge, nennt es beim Namen und hat die bürgerliche Attitüde schon lange abgelegt, Freund Hein als Feind zu sehen. „Und dann bin ich bei meinem Dauerthema, dem Sterben. Ich schriebe zu viel darüber, hat jemand gesagt, aber ich kenne seinen Maßstab nicht. Bei mir ist das so, daß ich mich an den Gedanken gewöhnen möchte, aber ich weiß nicht, ob das möglich ist. Ich mache mir klar, daß ich einfach an eine Grenze kommen werde, wo mein Bewußtsein schwindet, jedoch, den Augenblick des Grenzübergangs erlebe ich wahrscheinlich nicht, ebenso wenig, wie ich die Sekunde des Einschlafens erlebe. Ich fantasiere weiter, stelle mir vor, daß dies ein Augenblick des Absprungs ins Unendliche sein wird. Mehr liefert mir meine Fantasie nicht.“

Dem Leser von „Totenwache“ aber liefert Karl Otto Mühl dennoch mehr. Er ebnet Gedanken einen Weg, nimmt sogar ein wenig die Furcht, versöhnt mit dem Undenkbaren, Unausweichlichen, schenkt letztenendes die Hoffnung auf ein Erinnern der Nachwelt, dessen Ausbleiben wir vielleicht noch mehr fürchten als den Tod selbst - und sei es auch nur eines einzigen Freundes. Er zeichnet damit sein philanthropisches Menschenbild. Und er macht Mut: Zum Schluß Die unsterblichen Akteure kommen noch einmal auf die Bühne, eingehakt nebeneinander, mit fröhlichen Gesichtern, wie Ärzte, die einem Privatpatienten die völlige Heilung bestätigen können. Sie schauen dich an und hören deine Frage: Warum seid ihr überhaupt gekommen? Warum wart Ihr da, bei mir? Du hast uns gerufen, sagen sie. Du wolltest wissen, wer du bist. Und? Das haben wir dir gesagt. – Und ob du so sein darfst, wolltest du wissen. Ach ja?, sage ich erstaunt. Und weiter? Von uns aus ist alles in Ordnung. Aber wir haben die Frage weitergegeben. Frank Becker Karl Otto Mühl – „Totenwache“ - Abschiede © 2015 Brockmeyer Verlag, 104 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-81960981-7, 9,90 Euro Weitere Informationen: www.brockmeyer-online.

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Neue Kunstbücher Monsterbücher

vorgestellt von Thomas Hirsch Eine Tendenz der heutigen (Kunst-) Buchproduktion ist der Hang zum großen Format, zum Hardcover-Einband (mitunter als Leinenbuch, aber nicht mehr so häufig mit Schutzumschlag), überhaupt zur exquisiten Verarbeitung und zum stärkeren Umfang. Bücher mit 400 bis 500 Seiten sind längst keine Seltenheit mehr – sie sind zusätzliche Lasten für die Paketboten und vielleicht für die Handhabung zuhause. Die Gigantomanie macht bei Überblickswerken etwa zu Epochen oder einzelnen Medien, die eine Vielzahl von Künstlern vorstellen, immerhin doch Sinn. Sinnvoll ist es vielleicht auch bei resümierenden Monographien einzelner Weltkünstler, vielleicht in Verbindung mit Werkverzeichnissen. Und da könnte es ein Identitätsmerkmal eines Verlages oder einer Verlags-Reihe sein: als Ausdruck für die wissenschaftliche, sorgfältige Erarbeitung mit der Liebe zum Detail, und dazu gehört die ganzseitige Abbildung der Ausschnitte von Kunstwerken. Dieses Stilmittel kennzeichnet seit einiger Zeit den Londoner Phaidon Verlag, der überhaupt ein Händchen für ansprechende Reihen hat, bei denen die Künstler das Niveau der Aufmachung wie auch der Grafik halten. Das lässt sich nun auch zu der Monographie zu Frans Hals sagen. Tatsächlich ist dies kein „reiner“ Bildband oder Ausstellungskatalog, sondern eine umfassende, sehr ausgiebig bebilderte Abhandlung von Seymour Slive (1920-2014), der zu den profunden Kennern der niederländischen Malern gezählt wird. Hier nun war sein Job, einen verständlichen Überblick zu Frans Hals zu schreiben, bei dem Werk und Biographie miteinander verflochten sind. Slive hat seinen Text 1970 bis 1974 geschrieben; er liegt jetzt in erweiterter und überarbeiteter Form vor. Indem sich Slive im Grunde von Bild zu Bild hangelt, kann man dem englischen Text gut folgen. Vor allem gelingt es Slive, Frans Hals und sein Werk in seiner Zeit zu verankern – was deshalb wichtig ist, weil Hals als Porträtist vom Bürgertum in Haarlem mit Aufträgen betraut wurde. Es ging für ihn darum, gesellschaftliche Stellungen noch herauszuarbeiten. Geboren 1582 oder 1583 in Antwerpen und 1666 in Haarlem gestorben, zählt Frans Hals zu den Protagonisten des Goldenen Zeitalters der niederländischen Malerei. Wie produktiv er war, belegen die vielen Porträts im Phaidon-Buch. Sie zeigen auch, dass er den Realismus in seine Bildnisse bringt, indem er Licht und Schatten und die Textur der Stoffe

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durch einen lockeren Farbauftrag mit minimalen Unschärfen „hervorzaubert“ - und dass er zu recht zu den Vorläufern des Impressionismus gerechnet wird. Eine umfassende Darstellung zu Frans Hals kann gar nicht verkehrt sein. Schade, dass der Verkaufspreis des Buches etwas hoch ist, und wenn an der Gestaltung etwas irritiert, dann sind das die vielen kleinen Abbildungen, die dekorativ zwischen den Text gestreut sind. Da war Phaidon schon viel besser. Trotzdem tut es gut, Frans Hals wieder zu entdecken.

Trägern und Gittern die Ideen des Amerikaners David Smith (und auch von Calder) auf oft poetische Weise fortgesetzt; dazu trug noch die Setzung von Farbe bei. Auch wenn er es später beim Materialton belässt, seine Skulpturen bleiben additiv, mithin wie Collagen, sie müssen umgangen werden und sehen von jeder Seite anders aus. Vor allem hat Anthony Caro noch den Boden – auf andere Weise als die Minimal Artisten in Amerika – und später den Tisch (in seinen „table pieces“) einbezogen. Caros größter Verdienst ist vielleicht, ein neues physisches Verhältnis zwischen Betrachter und Skulptur entwickelt zu haben. Für Jemanden, der sich für moderne Skulptur oder für Stahlplastik interessiert, dürfte das Buch in seiner anschaulichen Intensität unverzichtbar sein. Für Fans von Caro ist es sowieso ein „Must“.

Seymour Slive, Frans Hals, engl., 400 S. mit 400 farb. Abb., geb. mit Schutzumschlag, 29 x 25 cm, Phaidon, 100,- Euro Stärker ist der Phaidon Verlag bei seiner Monographie zu Anthony Caro. Aber ist Anthony Caro, der 1924 geboren wurde und 2013 in London verstorben ist, so berühmt, dass ihm ein dickleibiger Bildband angemessen ist? Die Frage stellt sich anders. Auch wenn Caro hierzulande bereits wieder in Vergessenheit gerät, so ist er doch ein Pionier der modernen Skulptur, und es gibt etliche umfassende Kataloge und Bücher mitsamt eines vielbändiges Werkverzeichnis. Was also soll ein neues Buch? Die Intention des Buches liegt darin, Caro mit eigenen theoretischen und praktischen Texten, flankiert von seinem Werk seit den 1950er-Jahren, vorzustellen. Es zeigt Atelier- und Ausstellungsansichten und stellt die Hauptwerke, teils mit verschiedenen Ansichten vor, reproduziert dazu etwa auch Kontaktbögen. Es führt mitten in das Denken und den Blick von Anthony Caro ein. Und es zeigt, wie revolutionär er war und wie leichthin er doch Kunst gemacht hat. Zu seiner Konzeption hat er um 1960 gefunden. Er hat mit konstruktiv abstrakten Stahlplastiken aus industriellen T-

Caro by Anthony Caro, engl., 460 S. mit 500 farb., 200 s/w-Abb., geb., Hardcover, 29 x 21,5 cm, Phaidon, 79,95 Euro Dieser Ansatz, gleichsam aus der Nähe und mit überraschenden Einstellungen eine Persönlichkeit zu ehren und ihr in der Rückschau etwas näher zu kommen, mag auch der Plan eines dann doch etwas anderen Buches gewesen sein. „Das Meer / The Sea / La Mer / De Zee“ würdigt die Lebensleistung des Ausstellungsmachers und Museumsleiters Jan Hoet, der zu den freundlichen, umtriebigen „Extremisten“ des Kunstbetriebes gehörte und Leiter der documenta IX 1992 war. Eigentlich war „Das Meer“ ein Ausstellungsprojekt in Oostende, das Jan Hoet mit entwickelt hat. Aber während der Vorbereitungen ist er verstorben. Die Auswahl der Künstler, die Arbeiten zum Thema „Meer“ oder „See“ beigesteuert haben, trägt deut-


lich seine Handschrift. Mit dabei sind seine Favoriten – allen voran die Belgier Broodthaers, Panamarenko und Luc Tuymans. Einbezogen sind auch Künstler vergangener Jahrhunderte – als das sind die „üblichen“ Horizonterweiterungen und Überraschungen von Jan Hoet, die natürlich auch hier glücken. Und doch: Nach einer starken Einleitungssequenz mit Werkabbildungen und dann persönlichen Fotos von Hoet oder „seinen“ Künstlern ist der weitere Ablauf äußerst konservativ. Nur die Themen der Texte tragen seine Ideen weiter. Aber der Bildteil ist zu sehr Aneinanderreihung. Für diejenigen, die Jan Hoet gekannt haben, mag es als sein wohl letztes Ausstellungsprojekt eine besondere Bedeutung haben. Aber es gibt gewiss wichtigere, eindringlichere Publikationen zur Darstellung oder Thematisierung des Meeres in der Kunst.

VALIE EXPORT, Sonja Ivekovic, Ulrike Rosenbach, Cindy Sherman in der Sammlung und im Buch vertreten. Dabei sind aber auch Künstlerinnen, die man nicht in diesem Kontext verortet hat und folglich neu wahrnimmt, und auch solche, die man hier zum ersten Mal entdeckt. Das gelingt, weil die Darstellung des Buches sehr klar ist, wie ein Lexikon, dazu jeweils mit einem einleitenden Text. „Feministische Avantgarde“ stellt, erschienen bei Prestel, diese „aufrührerischen“ Künstlerinnen in dieser Gesamtheit erstmals einander gegenüber. Gabriele Schor (Hg.), Feministische Avantgarde, Kunst der 1970er-Jahre aus der Sammlung Verbund, 512 S. mit 200 farb-, 500 s/w-Abb., geb., Leinen mit Schutzumschlag, 28 x 23,5 cm, Prestel, 59,- Euro Manuel Herz (Hg.), African Modernism – The Architecture of Independence, engl., 640 S. mit 750 farb., 50 s/w-Abb., Hardcover, 32 x 23,5 cm, Park Books, 68, -Euro

Das Meer – Hommage à Jan Hoet, dt., engl., 320 S. mit 297 Abb., geb., Leinen, 30 x 23,8 cm, Hatje Cantz, 49,80 Euro Strikter im Vorgehen ist das Buch „Feministische Avantgarde“, das aus Werken der Wiener SAMMLUNG VERBUND zusammengestellt wurde. Im Rahmen einer Ausstellungstournee wurden die Werke von 33 Künstlerinnen der Geburtsjahre 1933 bis 1958 aus allen künstlerischen Medien – überwiegend natürlich Fotografie und Aktionskunst – aus der ganzen Welt ausgewählt, die mit ihrer Kunst gegen Phänomene der Gesellschaft und die Rollenzuweisung der Frau durch den Mann protestierten. Vorrangiges Sujet ist der weibliche, meist nackte Körper. In diesem aktionistischen Aufbegehren wurden viele der Künstlerinnen allmählich wieder vergessen bzw. konzentrierte sich die Rezeption auf einige wenige Protagonistinnen. Natürlich sind auch

Und das umfangreichste Buch zum Schluss: „African Modernism“ stellt anhand exemplarischer Bauten in fünf afrikanischen Ländern die dortige fortschrittliche Architektur vor und liefert damit zugleich Hinweise auf die Bevölkerungsdichte und den Städtebau und die Lösungsversuche spezifischer urbaner Fragestellungen. Überwiegend von Ivan Baan fotografiert, vermittelt das Buch einen pulsierenden Kosmos mit wirklich spannende Bauten, gesehen aus der Ferne, aber auch ganz von Nahem, also im Detail, begleitet von skizzenhaften Stadtplänen. Das ist sehr speziell, aber doch für das Verständnis der heutigen Welt absolut wichtig – zugespitzt formuliert: Was die Bürgerporträts des 16. Jahrhunderts herausarbeiteten, zeigen heute derartige Bauten respektive, in der Möglichkeit der Zusammenstellung, die Bücher über sie.

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Geschichtsbücher, Buchgeschichten Vorgestellt von Matthias Dohmen

Bergisches Land kompakt In dem neben den „Sehepunkten“ bedeutendsten historiographisch-wissenschaftlichen Rezensionsdienst hsozkult heißt es über das hier anzuzeigende Buch lapidar: „Das Bergische Land besitzt nunmehr eine moderne Geschichte, die nach innen sicher der Selbstvergewisserung dient und die nach außen die weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Region als lohnend erschein lässt.“ Viel mehr könne eine landesgeschichtliche Überblicksdarstellung „kaum erreichen“ (hsozkult.geschichte. hu-berlin.de/index.asp?id=24073&view=pdf& pn=rezensionen&type=rezbuecher). Es handelt sich um den insgesamt dritten Anlauf des Bergischen Geschichtsvereins, die eigene Region umfassend zu vermessen. In Überblicksdarstellungen (etwa Das Bergische Land im Mittelalter), Beiträgen zu speziellen Fragen wie der Agrargeschichte und Kurzdarstellungen über Personen und Institutionen umkreisen die insgesamt 17 Autoren die Frage, was denn typisch bergisch sei – die Arbeiterbewegung offensichtlich nicht, wenn man sich die Inhaltsangabe des zweiten Bandes anschaut, der noch 2015 erscheinen soll. Gleichwohl und alles in allem eine Veröffentlichung, die in keiner anspruchsvollen privaten oder öffentlichen Bibliothek fehlen sollte. Stefan Gorißen/Horst Sassin/Kurt Wesoly (Hrsg.), Geschichte des Bergischen Landes. Bd. 1: Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 , Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2014 (= Bergische Forschungen, 31), 767 S., 29,00 Euro

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Das Fest vor dem Freitod Die bekannteste Inszenierung stammt vom römischen Satiriker Petronius Arbiter, der seine Freunde zum Bankett lädt und, während er sich, in der Badewanne liegend, von einem Arzt die Pulsadern aufschneiden lässt, die letzten bösen Verse auf den verhassten Diktator Nero schreibt. Heinrich von Kleist, Paul Celan, Jack London, Stefan Zweig, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, aber auch Lena Christ, Brigitte Schwaiger, Virginia Woolf und – gleich der erste große Beitrag – Karoline von Günderode und noch einige mehr: Die Theodor-Wolff- und Egon-Erwin-KischPreisträgerin Birgit Lahann ist mal in Andeutungen und mal in der gebotenen Breite dem Schicksal derjenigen nachgegangen, für die es an irgendeinem Punkt ihres Lebens so weit war wie bei dem Dichter des „Michael Kohlhaas“: „die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war“ (zit. S. 12). Ergreifend sind die Geschichten von Primo Levi, Paul Cassirer und der schönen Karoline, zu deren Freunden und Bewunderern nacheinander Clemens Brentano, Carl von Savigny, Achim von Arnim und der unselige Professor Georg Friedrich Creuzer gehörten. Auf abenteuerliche Weise sind ihre Liebesbriefe der Nachwelt erhalten geblieben. Birgit Lahann, Am Todespunkt. 18 berühmte Dichter und Maler, die sich das Leben nahmen, Bonn: J. H. W. Dietz 2014, 248 S., 22,00 Euro

Hört mich denn keiner Was für eine Sprache! Im Winter 1918, als die politische Landschaft Deutschlands in Gärung begriffen, rief Armin T. Wegner vor dem „Politischen Rat geistiger Arbeiter“ („Arbeiter der Hand und der Stirn vereinigt euch!“) zur „Mobilisierung der Menschheit“ auf, damit sie nie wieder jenen verhängnisvollen 2. August 1914 erlebe. In einer eindringlichen Diktion, wie wir sie später bei Wolfgang Borchert erleben, hält er es für das Gebot der Stunde, „den Geist von der Knechtschaft des Kapitals zu befreien“ (S. 22). Auf dem ersten und einzigen Kongress des Politischen Rats trug er den „Aufruf zur Gründung eines Bundes der Kriegsdienstgegner“ vor, dessen Geschäftsführer er wurde. Er glaube, „dass spätere Geschlechter einst mit Grauen auf unsere Tage zurückblicken werden, wo sich die Völker in blutigen Kriegen zerfleischten, unsere Frauen sich mit Fellen und Federn wie dem Skalp eines Indianers schmückten und die Menschen sich von gerösteten Tierleichen nährten“ (S. 94). Mit am bekanntesten indes wurde er mit seinem „Schrei vom Ararat“, einem Appell an die „Regierungen der sieghaften Völker“, der den vergeblich vorgebrachten Wunsch zum Inhalt hat, dass die Armenier in ihr Recht gesetzt werden und „die Werte der Welt nicht auf der Waage des Krämers gewogen werden“ (S. 124). Armin T. Wegner, Rufe in die Welt. Manifeste und Offene Briefe. Göttingen: Wallstein 2015, 246 S., 24,90 Euro


Allgäu Sixties Peter M. Roese schildert in Allgäu Sixties, was man als Rekrut im Fliegerhorst Kaufbeuren so alles erleben kann. Rossner hat sich als Freiwilliger gemeldet und erlebt mit den anderen Wehrpflichtigen in den 60er Jahren die verrücktesten Sachen. Es ist die Zeit des Mini-Rocks, der Pille und Twiggy, von TV-Serien wie „Bonanza“ und „Mit Schirm, Charme und Melone“, des legendären BeatClubs und der Apollo-Missionen, aber auch von Benno Ohnesorg, Alexander Dubcek und Rudi Dutschke, dem Mord an John F. Kennedy, des Vietnamkrieges und des legendären Woodstock-Festivals.

Peter M. Roese – Allgäu Sixties Lindemanns Bibliothek, 2011, Paperback, 320 Seiten, ISBN 978-3-88190-630-2 Preis: 14,80 Euro.

Rossner erlebt den Alltag in der Kaserne und nimmt an einem Manöver, auch Kriegsspiel genannt, teil. Mit anderen Vaterlandsverteidigern verbringt er die Freizeit im Freibad, wobei das Anbandeln mit dem schönen Geschlecht oberste Priorität hat. In ihrer Sturm- und Drangzeit symbolisiert zartrosa Spitzenwäsche mit Strumpfhalter die Sünde persönlich. Und es ist jeglicher Widerstand zwecklos, wenn ein Mädchen fragt, ob sie noch mit in ihre Wohnung kommen. Oftmals ist aber nur Knutschen und Fummeln drin, wird ihnen doch nahegelegt, dass man jungfräulich in die Ehe gehen soll. Rossner diskutiert mit seinen Freunden über die sich häufenden Starfighter-Abstürze und erlebt eine abenteuerliche Fahrt in einem Munga, der mit einem Kraftstoffgemisch Benzin/Öl von 15:1 fährt. Er wird zum Wachdienst herangezogen, kann beim Bund seinen Führerschein machen, man wählt ihn zum Vertrauensmann und er spielt in einer Band beim Schulabschlussball. Als sich seine Wehrdienstzeit dem Ende neigt, hält er noch eine revolutionäre Rede. Er verlobt sich, macht eine Orientreise, ist Mitbegründer einer Tankstelle und nimmt schließlich einen Job in Nigeria an.

Intelligenzquotient wird so umschrieben, dass er zwischen Zimmertemperatur und dem Herzschlag einer Gebirgsschnecke liegt. Man erfährt, dass ein Schreibstubenhengst Gefolgsleute hat und eigentlich ein A… kriecher ist. Und es wird im Zusammenhang mit dem Kuppeleiparagraphen die Frage aufgeworfen, ob nicht der Förster angeklagt werden müsste, wenn sich ein Pärchen im Wald vergnügt. Bei allem gibt Roese aber auch viel Hintergrundwissen mit, über die Orte im Allgäu und ihre Sehenswürdigkeiten, ihre Seen und Märchenschlösser. Man erfährt etwas über erste urkundliche Erwähnungen der Städte und wird mit auf eine geschichtliche Exkursion genommen. Es tauchen Begriffe wie das Handelshaus Fugger und Deserteure von Ost nach West auf. Eine Belohnung auf den Ur-Allgäuer wird ausgesetzt und natürlich erfährt man auch etwas über die verschiedenen Dialekte. Und obwohl in Allgäu Sixties alles in coole Sprüche gepackt ist, versteht es Peter M. Roese, auch so ernste Themen wie Krieg oder einen Atombombenabwurf mit in seine Anekdoten zu binden. Der Autor hat selbst beim Fliegerhorst Kaufbeuren gedient und hat in die fiktive Erzählung durchaus autobiographische Passagen eingebaut, wobei er sich das Recht der künstlerischen Freiheit vorbehalten hat. Ein wahrhaftes Lesevergnügen! Michael Petrikowski

Allgäu Sixties von Peter M. Roese erzeugt augenblicklich gute Laune! Gleich auf den ersten Seiten werden uns die Beatles und Rolling Stones in Erinnerung gerufen. Immer wieder „hören“ wir Musiktitel, die eigentlich schon eine Verfilmung des Stoffes rechtfertigen würden. Der Leser wird ebenso mit dem Gebrauch eines Plumpsklos, wie auch mit interessanten Wortschöpfungen konfrontiert: Aus einer Kuhherde wird ein Milchbombengeschwader. Und ein niedriger

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„FineArts“ im Schloss Lembeck am 29. und 30. August 2015 von 10 – 18 Uhr, Mit 160 hochkarätigen Künstlern, Kunsthandwerkern und Designern

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Zahlreiche Besucher strömten schon in den letzten sieben Jahren zu diesem außergewöhnlichen Event ins Schloss Lembeck nach Dorsten. Immer am letzten Augustwochenende kommen 160 Künstler, Kunsthandwerker und Designer zu „FineArts“, die in dieser Qualitätsdichte und -breite nur an ganz wenigen Orten in Europa zu sehen sind. Hier trägt jedes Stück seine persönliche Handschrift: bezaubernde Skulpturen aus Keramik, Eisen, Holz und Stahl, von höchster Stelle ausgezeichnetes SchmuckDesign sowie einzigartige Werke der bildenden Künste erwarten Sie. Lassen Sie sich verzaubern von diesem ungeheuren Puls der Kreativität der handverlesen ausgewählten Aussteller, die die Entstehung Ihrer Arbeiten teilweise vorführen und gehen Sie auf Entdeckungsreise zu Ihren Lieblingsstücken. Harmonisch eingebettet in die faszinierende Parklandschaft eines der schönsten barocken Wasserschlösser Deutschlands. Mit einem besonderen kulinarischen Angebot wie den leckeren Elsässer Flammkuchen, Kaffee- und Kuchenspezialitäten, frisch gebackenem Brot aus einer histori-

schen Bäckerei wie auch Bergischer Käse und herrliche Lembecker Leckereien. Neben fantastischen programmtechnischen Highlights (vom Vogelflüsterer über Walking Acts bis hin zu Drachenbaukursen) werden regelmäßige Schlossführungen angeboten. Weitere Infos unter: www.Schloss-Lembeck.net


Kulturnotizen Ausstellungen in Köln Bis 31. März 2016 Shona-Kunst im Kölner Zoo Tierische Skulpturen: Unter dem Motto „Shona-Art im Kölner Zoo“ präsentiert der Kölner Zoo in Zusammenarbeit mit dem Galeristen Bastian Müller-Mühlinghaus eine einzigartige Ausstellung mit Unikaten aus Zimbabwe. Die Bildhauerei „Shona-Art“ in Zimbabwe, benannt nach der größten Bevölkerungsgruppe des Landes, den Shona, ist die derzeit renommierteste Form zeitgenössischer Kunst aus Afrika und wurde vom amerikanischen Nachrichtenmagazin Newsweek als wichtigste Kunstmanifestation Afrikas der letzten Jahrzehnte geadelt.

Zimbabwische Plastiken wurden bereits weltweit in Sammlungen und Museen wie dem Museum of Modern Art in New York oder dem Musée Rodin in Paris ausgestellt.

Zusätzlich wird Danh Võ in der Ausstellung neue eigene Arbeiten mit ausgewählten Werken des US-amerikanischen Fotografen Peter Hujar in Dialog setzen. 19. Sept. 2015 bis 28. Februar 2016 Museum für Angewandte Kunst Köln Die Sammlung des MAKK“ „LOOK! Modedesigner von A bis Z Die umfangreiche Sammlung historischer und zeitgenössischer Mode des Museums für Angewandte Kunst Köln (MAKK) gehört zu den bedeutenden Sammlungen dieser Art in Deutschland. Die Sonderausstellung „LOOK! Modedesigner von A bis Z“ präsentiert eine Auswahl der wichtigsten Neuerwerbungen aus den Bereichen Prêt-à-porter und Accessoires der letzten Jahre. Der zeitliche Bogen spannt sich von den 1960er Jahren bis in die unmittelbare Gegenwart mit Entwürfen von A wie Alexander McQueen bis Z wie Zadig & Voltaire.

Termin: Noch bis 31. März 2016 Tickets: 17,50 Euro, ermäßigt: 12 Euro, Kinder: 8,50 Euro Ort: Kölner Zoo 1. August – 25. Oktober 2015 Museum Ludwig Danh Võ Ydob eht ni mraw si ti Im Zentrum der von Danh Võ speziell für das Museum Ludwig konzipierten, ersten musealen Einzelausstellung in Deutschland steht sein wohl bekanntestes Langzeitprojekt We The People, der getreue Nachbau der Freiheitsstatue von New York im Maßstab 1:1. Während die meisten Einzelteile dieses über 150 Fragmente umfassenden Skulpturprojektes auf der ganzen Welt verstreut in öffentlichen und privaten Sammlungen beheimatet sind, wird das Museum Ludwig den bisher größten zusammengesetzten Teil des raumgreifenden Kupferkorpus präsentieren.

Hann Trier (1915 – 1999) hat in seiner Art des gestischen Malens ein eigenes und einzigartiges Oeuvre geschaffen, das eine Sonderstellung in der Kunst des 20. Jahrhunderts einnimmt – jener Richtung, die als deutsches Informel bezeichnet wird. Im Medium des Aquarells wie überhaupt in den zahlreichen Arbeiten auf Papier wird seine dynamische Bildgestaltung, unter anderem durch beidhändiges, simultanes Malen mit zwei Pinseln, besonders deutlich.

18. September bis 29. November 2015 Käthe-Kollwitz-Museum Hann Trier – Ich tanze mit den Pinseln Aquarelle und Zeichnungen Ende der 1940er Jahre entwickelte sich eine Richtung in der deutschen Kunst, die den Malvorgang an sich thematisierte. Die Geste des Malens selbst, die Bewegung der Pinsel und ein freier Umgang mit Form und Farbe wurden zum Gegenstand einer neuen, abstrakten Bildkomposition.

Anlässlich seines 100. Geburtstags präsentiert das Käthe Kollwitz Museum Köln in Zusammenarbeit mit der Kunststiftung Hann Trier in Bonn eine Ausstellung mit etwa 70 ausgewählten Aquarellen und Zeichnungen der 50er und 60er Jahre, die einen hervorragenden Einblick in das Werk des Künstlers geben, der von sich selbst sagte: „Ich tanze mit den Pinseln.“ 21. August 2015 bis 8. November 2015 Kölnisches Stadtmuseum Amor und Psyche – die Lust am Schönen an der Wand Vom 21. August bis zum 8. November wird der KUBUS des Kölnischen Stadtmuseums zur Bühne für ein Liebesdrama: Im Zentrum der Ausstellung steht ein Ensemble wertvoller Papiertapeten mit Szenen aus dem antiken Mythos von Amor und Psyche. Die monumentalen Darstellungen im Empire-Stil schmückten im 19. Jahrhundert ein Haus am Maria-Ablass-Platz. Es gehörte der Familie Ciolina-Zanoli, bekannt für die Produktion von Kölnisch Wasser. Damals gehörten großformatige Panoramatapeten in Europa zur gehobenen Wohnkultur. Der zwölfteilige Tapetensatz „Amor und Psyche“ wurde 1816 in Paris bei Dufour et Cie aufgelegt – als Druck auf Papier mit hohem künstlerischen Anspruch. In der Ausstellung wird ein kürzlich restauriertes Teilstück gemeinsam mit einer noch unrestaurierten Schlüsselszene der Geschichte gezeigt.

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Kulturnotizen

Programm August/September 2015 August 2015 Sa 22. 8. 2015, 19:30 Uhr /// Opernhaus // Die Bürgschaft // nach Friedrich Schiller // 8. inklusive Theaterarbeit

Foto Uwe Schinkel

Die Produktion „Die Bürgschaft“ ist die 8. gemeinsame Arbeit an den Wuppertaler Bühnen. Zum ersten Mal findet sie als Kooperation der Glanzstoff - Schauspielschule und Akademie der inklusiven Künste e.V. mit dem Verein Mit-Menschen-Wuppertal e.V. Verein für Menschen mit Behinderung und den Wuppertaler Bühnen statt. Sa 29. 8. 2015, 14:00 Uhr - 18:00 Uhr // Engelsgarten /// Theaterfest Die Wuppertaler Bühnen laden große und kleine InteressentInnen zu einem großen Theaterfest zwischen Opernhaus und Theater am Engelsgarten ein Sa 29. 8. 2015, 19:30 Uhr / Opernhaus /// »Willkommen zum Fest« /// Musikalischer Saisonauftakt der Oper Wuppertal // Mit Werken von Georges Bizet, Giuseppe Verdi und Richard Wagner

Diese Neuinszenierung ist eine Annäherung mit den ureigenen Mitteln des Theaters, im unmittelbaren Erleben von Sprache, Musik, Bewegung, von Raum und Zeit. Initiiert von Regisseur Robert Sturm, ehemaliger künstlerischer Assistent von Pina Bausch, arbeiten für die Neuinszenierung von William Shakespeares „Romeo und Julia“ Künstler zusammen, die alle eng mit Wuppertal verbunden sind. Weitere Aufführungen: 12. / 13. / 16. / 17. / 19. /24. / 26. / 27. September, jeweils 19:30 Uhr Fr 18. 9. 2015, 19:30 Uhr / Opernhaus / Neue Stücke 2015 // Dreiteiliger Abend mit Stücken von: Tim Etchells, Cecilia Bengolea und François Chaignaud, Theo Clinkard /// Weitere Vorstellungen: 19. 9., 19:30 Uhr, 20. 9., 18:00 Uhr, 22., 23. und 24. 9., jeweils 19:30 Uhr So 20. 9. 2015 18:00 Uhr / Theater am Engelsgarten // Engels & Friends // Premiere // Schauspiel mit Musik von Michael Wallner // weitere Vorstellungen: 20. 9., 18:00 Uhr, 26. 9., 19:30 Uhr, 27. 9., 16:00 Uhr Sa 19. 9. 2015, 19:30 Uhr // Theater am Engelsgarten /// Sunays Coming Out als Mensch oder: Der Neue WestOestliche Divan /// Ein Multi-Media Stück von Heiner Bontrup und Melanie Mägdefrau Im Rahmen des Interkultur-Festivals ORIENTEXPRESS vom Caritas Verband Wuppertal/Solingen e. V. in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro der Stadt Wuppertal Mi 23. 9. 2015, 19:30 Uhr / Theater am Engelsgarten /// Nightradio /// Visitenkarte: Stefan Walz

September 2015 Di 1. 9. 2015, 15:00 Uhr / Opernhaus / Führung durch das Opernhaus /// Foto: Sebastian Eichhorn

Wie sieht’s wohl hinter den Kulissen aus? Fr 11. 9. 2015, 19:30 Uhr / RIEDEL Communikations / Premiere /// Romeo und Julia // William Shakespeare //

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Die Visitenkarten sind ganz persönliche Werkstattabende der Mitglieder des Schauspielensembles der Wuppertaler Bühnen. Das Format der Visitenkarten wurde speziell für das neue Theater am Engelsgarten geschaffen: Szenen, Stücke, selbst kreierte musikalische Abende, am Klavier, mit Gesang, mit Freude. Fr 25. 9. 2015, 19:30 Uhr // Theater am Engelsgarten // Neu in der Reihe //

Das kunstseidene Mädchen // von Irmgard Keun Visitenkarte: Tinka Fürst Weiterer Termin am 9. 10. 2015 um 19:30 Uhr, im Theater am Engelgarten Mi 30. 9. 2015, 16:00 Uhr // Kronleuchterfoyer Opernhaus // Club Theater Silber // Ein regelmäßiger Treffpunkt für theaterbegeisterte Senioren Mi 30. 9. 2015, 19:30 Uhr / Theater am Engelsgarten / Wiederaufnahme-Premiere // Mondlicht und Magnolien // Komödie von Ron Hutchinson, Deutsch von Katharina Abt und Daniel Karasek

Sa 5. 9. 2015 20:00 Uhr / Historische Stadthalle /// Saisoneröffnung /// Ein fulminanter Saisonauftakt erwartet die Besucher des ersten Konzerts in der Spielzeit 2015/16: Weit über 150 Mitwirkende widmen sich auf der Bühne einer der bedeutendsten Persönlichkeiten unserer gesamten Musikgeschichte: Ludwig van Beethoven // Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21, Sinfonie Nr. 9 dMoll op. 125, »Ode an die Freude« Sa 12. 9. 2015, 12:00 Uhr / CityKirche Elberfeld // Ohrenöffner - Musik im Gespräch // Revolution in zwölf Tönen: Die Geheimnisse in Schönbergs Musik So 13. 9. 2015, 11:00 Uhr / Historische Stadthalle // 1. Familienkonzert // »Der Feuervogel« // Igor Strawinsky So 13. 9. 2015, 18:00 Uhr / Historische Stadthalle /// 1. Orgel-Akzent /// »Bariton und Orgel« // Thomas Laske, Bariton, Iris Rieg, Orgel So 20. 9. 2015, 11:00 Uhr / Historische Stadthalle /// 1. Sinfoniekonzert // Sofja Gülbadamova, Klavier, Sinfonieorchester Wuppertal // Frédéric Chopin Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll op. 11, Robert Schumann Ouvertüre »Hermann und Dorothea« op. 136, Alban Berg Drei Orchesterstücke op. 6 // Weitere Vorstellung: 21. 9. 2015, 20:00 Uhr / Historische Stadthalle


SCHLOSS LEMBECK TalTonTheater Spielplan September 2015 September Freitag, 11. 9., 20:00 Uhr Der weiße Knopf „LongJohn“ MeinWeg als Mann ist ein langer Weg Playback-Theater mit Artistik,Tanz und viel Spaß. Western-Parodie mit Lach-Garantie! Es gibt keine Zielgruppe für LONGJOHN, denn Männer lieben nun mal Cowboys – und Frauen lieben Männer. Vier Darsteller geben eineinhalb Stunden alles. Sie schwingen Lassos, tanzen Ballett, jonglieren mit Äpfeln, liefern sich Schlägereien, gehen durch knarzende Salontüren und reiten auf nicht vorhandenen Pferden, von Livemusik begleitet in den Sonnenuntergang. Samstag, 12. 9., 20:00 Uhr Rosen für Ruth – „Wenn ich Richard Tauber wär” Sein Leben, seine Erfolge, seine Liebschaften! Ein frisches, spritziges, musikalisches Singspiel mit Tiefgang. Samstag, 26. 9., 20:00 Uhr „Internet Romanze“ Premiere – Für die moderne Liebe ist man nie zu alt! TalTonTHEATER Wiesenstraße 118, 42105 Wuppertal, www.taltontheater.de Preise: VK Typ A: 17,-/15,- VK Typ B: 15,-/12,- AK Typ A: 18,50-/15,- AK Typ B: 16,50-/12,- /// kontakt@taltontheater.de Kartentelefon: 0211 27 4000 /// online

Führungen: 11:00 / 13:00 / 15:00 Uhr Ziel des Tags des offenen Denkmals ist es, die Öffentlichkeit für die Bedeutung des kulturellen Erbes zu sensibilisieren und Interesse für die Belange der Denkmalpflege zu wecken. Freitag, 25. September 2015, 20.00 Uhr Int. Tango-Festival Wuppertal 2015 La Yunta – Tango vom Rio de la Plata Zum dritten Mal präsentiert der BüBa am Vorabend des großen Ball Tango Argentino in der historischen Stadthalle ein Tango-Konzert im Bahnhof Vohwinkel: LA YUNTA La Yunta bildete sich 2004 in Montevideo. Mayra Hernández: Piano, Gabriel Rodríguez: Kontrabass, Sergio Astengo: Bandoneón. Alben: Potrillo (2010) Ni a Placé (2014) www.youtube.com/watch?v=tXizS1RVqVw Projekt BürgerBahnhof - Initiative des Bürgerverein Vohwinkel e.V. Bahnstraße 16 / D-42327 Wuppertal 0202 - 89 79 89 53 www.buergerbahnhof.com / www.face

Sonntag, 13. September 2015 Tag des offenen Denkmals Führungen durch den Bahnhof Möchten Sie erfahren, was engagierte Bürger zur Rettung eines alten Bahnhofs alles auf die Beine stellen? Haben Sie schon von der „Eisenbahnerstadt“ Vohwinkel gehört? Sind Sie mutig genug den lange verlassenen 100m langen Posttunnel unter den Gleisen zu betreten ?

KUNSTMARKT

Open Air-Konzerte im Skulpturenpark im August 2015 Samstag, 15. August 2015, 19:00 Uhr Mor Karbasi & Band >Sephardic Diva< Sonntag, 16. August 2015, 20:00 Uhr Hildegard lernt fliegen >Unpolished brains<

29. und 30.8.

Der BürgerBahnhof meldet sich zurück aus der Sommerpause: BürgerBahnhof Vohwinkel Kulturfahrplan September 2015

Fine Arts

Den Schweizern, und das verbindet sie mit manchen Wuppertalern, wird seit jeher eine Neigung zur Skurrilität nachgesagt. Sonntag, 23. August 2015, 20:00 Uhr Günter Baby Sommer feat. Savina Yannatou >Songs for Kommeno< Eintrittspreise inkl. Parkbesuch 25/19/16 Euro

Dorsten www.Schloss-Lembeck.net

160 A u s s t e l l e r

Hirschstr. 12, 42285 W´tal, 0202 47898120 www.skulpturenpark-waldfrieden.de

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Kulturnotizen „Die Beste Zeit“ hat bereits in zwei Ausgaben der Jahre 2013 und 2014 über das Projekt Gargonza Arts berichtet. In diesem Jahr waren erneut vier junge Künstlerinnen und Künstler in der Toskana für das interdisziplinäre Kunststipendium zu Gast und haben in einem Künstlerhaus in Gargonza zusammen gelebt und gearbeitet. Im August zeigen sie ihre Arbeiten im Kunstverein Leverkusen. Es sei nur soviel gesagt, dass die Vernissage am 23. August um 17 Uhr vielseitig sein wird: Von toten und lebendigen Tieren über die Verlängerung eines Klaviers bis hin zum Entwurf eines Friedhofs und großformatigen Zeichnungen, präsentiert jeder der vier jungen Künstler Arbeiten aus der Zeit in Italien und darüber hinaus. Vernissage: Samstag, 23. 8.15 ab 18.00 Uhr Finissage: Sonntag, 30. 8.15 um 12.00 Uhr täglich geöffnet: (Di-So): 11.00 - 17.00 UhrKunstverein Leverkusen, Schloss Morsbroich

Lilian Peter studierte Philosophie und Musikwissenschaft, Altgriechisch und Literatur. Derzeit promoviert sie mit einer Arbeit über Maurice Blanchot und die (Un)Möglichkeit des Schreibens.. Sie ist als freiberufliche Autorin und Übersetzerin tätig und hat einen Lehrauftrag in Philosophie. www.lilian-peter.com Das Projekt Gargonza Arts Award ist ein interdisziplinäres Stipendienprogramm für besonders begabte junge KünstlerInnen der Disziplinen Komposition, Bildende Kunst, Architektur und Literatur. Mit Gargonza Arts soll begabten jungen Künstlern auf verschiedenen Wegen anregender Freiraum für ihre Arbeit ermöglicht werden. Der Verein InterArtes e.V. ist Trägerverein des Projektes, das als Artist in Residence Project angelegt ist und den KünstlerInnen drei Monate inspirativer Ruhe in der Toskana ermöglicht.

rinke.eu

Emre Sihan Kaleli, studierte Komposition am staatlichen Konservatorium Uzbekistanund Amsterdam, aktuell freier Komponist in Wien. www.soundcloud.com/emresihan

Tobias Nink, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und wurde 2013 Meisterschüler bei Prof. Anthony Cragg. Lebt und arbeitet in Düsseldorf und Duisburg. www.tobiasnink.de

RINKE TREUHAND GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft · Steuerberatungsgesellschaft · Wall 39 · 42103 Wuppertal · 0202 2496-0

„nicht nur so, sondern auch so.“

René Kersting, studierte Architektur an der Peter Behrens School of Architecture in Düsseldorf und studiert zur Zeit Baukunst an der Kunstakademie Düsseldorf. www.renekersting.de

KULTUR FÖRDERN STANDORT STÄRKEN

Gargonza Arts

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Zu Gast im Heine Kunst-Kiosk

Konzerte im

Sabine Bohn, Malerei

„mit dem Hund gekommen“ Gehweg – Gefährten -

„In meinen jüngsten Arbeiten platzierte ich menschliche Figuren auf monochrom grauen Hintergrund, Straßen oder Häuserwände können gemeint sein, es gibt keine visuellen Ablenkungen – der Mensch in isolierten Situationen mit lebendigen Partnern, die oft nur der wartende Hund sind.“ © Sabine Bohn 2015

Hot dogs, Foto S. Bohn K1600_Bankog, Öl, 160 x 140 cm, 2014 Die Ausstellung wird am Samstag, 15. August 17.00 Uhr mit einer Klangperformance „Hundegebell“ eröffnet. Per Flyer werden benachbarte Hundebesitzer Innen mit ihren Gefährten zum Besuch der Ausstellung eingeladen. Die Ausstellung endet am 27. 9. 2015. Öffnungszeiten nach telefonischer Verabredung: 0152 21770444 oder: 0202/475098 – 0171 319 63 93 – 02191/73162 Kontakt: sabine bohn www.sabine-bohn-

kunst.de <http://www.bohnapart.de/> Wir freuen uns auf Ihren Besuch im hundefreundlichen Wichlinghausen. Barbara Held und Boris Meißner

Eröffnungskonzert der Dozenten der „Internationalen Meisterkurse“ (Professoren der Wuppertaler Musikhochschule) am Sonntag, dem 9. August 2015, 18 Uhr, Großer Saal der Historischen Stadthalle. Abschlusskonzert ausgewählter Kursteilnehmer am Sonntag, dem 16. August 2015, 11 Uhr, Großer Saal der Historischen Stadthalle. Preisträgerkonzert des „Internationalen Orgelwettbewerbs“ am Sonntag, dem 9. August 2015, 18 Uhr, Großer Saal der Historischen Stadthalle am Sonntag, dem 30. August 2015, 11 Uhr, Großer Saal der Historischen Stadthalle. Konzert der Jugendkulturpreisträger am Sonntag, dem 30. 8. 2015, 17 Uhr, Mendelssohn Saal der Hist. Stadthalle. Der Eintritt zu allen Konzerten ist frei. GEDOK Wuppertal Veranstaltungen Di 7. Juli 2015, 16:00 Uhr, Weisses Haus, Westfalenweg 211, 42111 Wuppertal Sommerfest für Förderer und Künstlerinnen Um Anmeldung wird gebeten unter Telefon 0202/754270 Kuchenspenden – wie immer – sehr erwünscht und herzlich willkommen! Do 10. September 2015, 20:00 Uhr, Café Hutmacher/UTOPIASTADT, Mirker Str. 42, 42105 Wuppertal, „Zugeständnisse“ – Ein Abend mit unterschiedlichen Textformen und Musik – Es kann zu Verspätungen kommen – in alle Richtungen! Das Zug-Team Anne-Catherine Studer, Silvia Munzón López und Paradise wird Sie über mögliche Anschlussmöglichkeiten informieren. Wo Ankommen

nicht möglich ist stellt sich die Frage: „Is it me for a moment?“ Gesonderte Einladung folgt. Eintritt: 8,00 Euro (Vorverkauf / Abendkasse) Eine gemeinsame Veranstaltung der GEDOK Wuppertal e. V. und des Katholischen Bildungswerks Wuppertal/Solingen/ Remscheid in Kooperation mit UTOPIASTADT E.V. und freundlicher Unterstützung der Stadtsparkasse Wuppertal 12. bis 17. September 2015 – Gemeinschaftsausstellung des BBK Bezirksverband Bergisch Land e. V. und der GEDOK Wuppertal e. V. in der Schwarzbach-Galerie, Schwarzbach 144, 42277 Wuppertal „da zwischen“ Vernissage: Samstag, 12. September 2015, 18.00 Uhr Begrüßung: Monika Heigermoser, Leiterin des Kulturbüros der Stadt Wuppertal Einführung: Dr. Jutta Höfel. Gesonderte Einladung folgt. Mit freundlicher Unterstützung der Stadtsparkasse Wuppertal und des Kulturbüros Vorankündigung für Oktober 2015: Sonntag, 25. Oktober 2015, 18:00 Uhr, CityKirche Elberfeld, Kirchplatz „Schattentango“ Ein musikalisch-literarischer Abend Das sehr vielseitige „DUO ACIANO“ Freya Deiting (Violine) und Sandra Wilhelms (Gitarre) wird uns in die Welt des argentinischen Tango Nuevo mit seinem Begründer Astor Piazzolla und seinen musikalischen Erben entführen! Die Literatin Lavinia Korte liest dazu Lyrik und Kurzprosa. – Eintritt: 12,00 / erm. 10,00 Euro (nur Abendkasse) In Kooperation mit der CityKirche und freundlicher Unterstützung der Stadtsparkasse Wuppertal

GEDOK Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V., Gruppe Wuppertal www.gedok-wuppertal.de

ertal live 24 h Wupp er 2015 . Septemb 18. und 19

Freitag, 18.9.2015, 18 Uhr Führung mit der Freifrau „Das adelige Haus Lüntenbeck um 1700“ Samstag, 19.9.2015, 12 Uhr Kinderführung „Fiffi Rosa und der Lüntenschreck“ Schloss Lüntenbeck, 42327 Wuppertal

Weitere Infos: www.schloss-luentenbeck.de

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Kulturnotizen Vorschau 23. Oktober 2015 bis Januar 2016

Apollo in meinem Atelier Heinz Mack – ungezeigte Werke Das beherrschende Thema der künstlerischen Arbeit von Heinz Mack ist die Gestaltung der Lichtenergie in Spiegelung und Bewegung. Der Pionier der Licht- und Kinetik-Kunst ist international vor allem durch architektonische und skulpturale Werke im öffentlichen Raum bekannt. Das MKM widmet ihm ab Oktober eine mit Filmdokumenten begleitete gattungsübergreifende Werkschau, in der Skulpturen, Leinwände, kinetische Objekte und Utopie-Modelle aus verschiedenen Schaffensphasen des Künstlers gezeigt werden, die museal bisher noch nicht ausgestellt waren. Heinz Mack wird zudem einen ganzen Ausstellungsraum künstlerisch ausgestalten, der von den Besuchern betreten und durchwandert werden kann.

Der Philosoph, Bildhauer und Maler Heinz Mack ist ein vielseitiger Künstler, dessen Lichtkunstwerke und monumentale Skulpturen weltbekannt sind. Zusammen mit Otto Piene gründete er 1957 die europaweite Künstlerbewegung ZERO, der 1961 auch Günther Uecker beitrat. Mit innovativen, auch elektronischen Techniken schufen die jungen Künstler moderne dynamische Werke, die mit den traditionellen Vorstellungen von Kunst brachen. Bezüge zur ZERO-Zeit finden sich in Macks neueren kinetischen Arbeiten, die in der MKM-Ausstellung präsentiert werden.

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Innenhafen Duisburg Philosophenweg 55, 47051 Duisburg Telefon Empfang 0203 / 30 19 48 -11 office@museum-kueppersmuehle.de

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Aktuelle Termine Spielzeit 2015/2016 Vorstellungsbeginn in Wuppertal: Opernhaus Wuppertal, Kurt-Drees-Straße 4, 42283 Wuppertal – 19.30 Uhr, an Sonn- und Feiertagen um 18.00 Uhr Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 18., 19., 20., 22., 23., 24. September 2015 Neue Stücke 2015 Wuppertal, Opernhaus, Dauer: N.N. Vorverkaufsbeginn: 10. Juni 2015

Die große Familie, 1997, 6-teilig © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

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Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 5., 6., 7., 8. November 2015 TWO CIGARETTES IN THE DARK Wuppertal, Opernhaus Dauer: 3h inkl. Pause Vorverkaufsbeginn: 10. September 2015 Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 19., 20., 21., 22. November 2015 NELKEN Wuppertal, Opernhaus Dauer: 1h 50 keine Pause Vorverkaufsbeginn: 24. September 2015

ohne Titel, Chromatische Konstellation, 2007 © VG Bild-Kunst, Bonn 2015, Foto: H. Mack

Großes Licht-Prisma, 1983 © VG Bild-Kunst, Bonn 2015, Foto: Heinz Mack

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 23., 24. Oktober 2015 „…COMO EL MUSGUITO EN LA PIEDRA, AY SI, SI, SI…“ („...wie das Moos auf dem Stein ...“) St. Pölten, Festspielhaus Dauer: 2h 35 inkl. Pause

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 8., 9., 10., 11. Oktober 2015 DER FENSTERPUTZER Wuppertal, Opernhaus Dauer: 2h 55 inkl. Pause Vorverkaufsbeginn: 13. August 2015

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 2., 3., 4., 5. Dezember 2015 MASURCA FOGO Luxemburg, Les Théâtres de la Ville de Luxembourg – Dauer: 2h 30 inkl. Pause Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 10., 11., 12., 13. Dezember 2015 MASURCA FOGO Antwerpen, deSingel - International Arts Campus – Dauer: 2h 30 inkl. Pause Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 18., 19., 20. Dezember 2015 VOLLMOND Monaco, Grimaldi Forum Dauer: 2h 20 inkl. Pause Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 28., 29., 30., 31. Januar 2016 CAFÉ MÜLLER / DAS FRÜHLINGSOPFER Wuppertal, Opernhaus Dauer: 1h 45 inkl. Pause Vorverkaufsbeginn: 3. Dezember 2015 Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 11., 12., 13., 14. Februar 2016 „…COMO EL MUSGUITO EN LA PIEDRA, AY SI, SI, SI…“ („...wie das Moos auf dem Stein ...“) London, Sadler´s Wells Dauer: 2h 35 inkl. Pause Tanztheater Wuppertal Pina Bausch 25., 26., 27., 28. Februar 2016 AUF DEM GEBIRGE HAT MAN EIN GESCHREI GEHÖRT Wuppertal, Opernhaus Dauer: 2h 20 inkl. Pause Vorverkaufsbeginn: 3. Dezember 2015


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