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Über die Relevanz des Praktischen – Studentische Entwurfs- und Bau projekte in Afrika The Relevance of Practical Things – Student Design and Construction Projects in Africa Stefan Krötsch
www.detail.de Seit 2007 werden am Lehrstuhl für Entwerfen und Holzbau von Prof. Hermann Kaufmann an der TU München in jährlichem Rhythmus studentische Entwurfs- und Bauprojekte in Afrika geplant und realisiert. Im Gegensatz zur üblichen Aufgabenstellung bearbeiten die beteiligten Architekturstudenten keine theoretischen Projekte, sondern erstellen Entwürfe für konkrete Bauaufgaben und wirken darüber hinaus an der Errichtung der entworfenen Gebäude mit. Das Konzept, in der Architekturlehre theoretische Aufgaben mit praktischer Tätigkeit zu kombinieren, hat zwar eine lange Tradition, nimmt im Lehrbetrieb aber eine Außenseiterrolle ein und wird an den wenigsten Hochschulen und Universitäten in Europa regelmäßig angeboten. In einer Zeit, in der die Arbeitsabläufe im Bauwesen immer abstrakter und komplexer werden, bietet jedoch gerade die Verknüpfung von Studentenentwürfen und einfachen, aber echten Bauaufgaben die Möglichkeit, Architekturstudenten die grundlegenden Zusammenhänge von Entwurf und Umsetzung von Architektur erfahrbar und reflektierbar zu machen. Viel entscheidender aber ist, dass dabei die Gestaltung von Architektur, die in der Lehre allzu oft allein im Vordergrund steht, unmittelbar in gegenseitige Abhängigkeit zu konstruktiven Gesetzmäßigkeiten und ökonomischen und organisatorischen Notwendigkeiten gestellt ist. Hermann Kaufmann begründet dieses Ausbildungskonzept mit folgenden Worten: »Für eine Generation, für die die Dimen sion des Realen durch das Vordringen des Virtuellen in alle Lebensbereiche immer mehr verdrängt wird, halte ich die Durchführung studentischer Bauprojekte als entscheidend für das fundamentale Verständnis von Architektur. Bauwerke bestehen aus Materie, aus Mate rial, dieses hat seine eigenen Gesetzte und Regeln, die sehr stark die Form beeinflussen und somit die Architektur eines Gebäudes. Dieser Zusammenhang ist essentiell, es gab ihn immer und es wird ihn immer geben. Deshalb suchen wir nach Möglichkeiten, den Studenten die reale Umsetzung ihrer Gedanken zu ermöglichen.«
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Bauen in Afrika Alle studentischen Bauprojekte der TU München in Afrika dienen einem gemeinnützigen Zweck. Seit 2007 sind auf diese Weise zwei Kindergärten, eine Schule und ein Lehrerhaus in Südafrika, eine Handwerksschule in Kenia, ein Buschkrankenhaus in Kamerun und ein Prototyp-Schulhaus in Sambia entstanden. Die Aula einer Schule in Tansania befindet sich momentan im Bau. Im Gegensatz zu den stark regulierten Ländern Europas sind in vielen afrikanischen Ländern die Anforderungen an Baukonstruktion und vor allem an die Anlagentechnik von Gebäuden wesentlich geringer, sodass die eigenhändige Erstellung von Gebäuden, die über temporäre Bauten und Pavillons hinausgehen, auch im Rahmen der Lehre möglich ist. Gleichzeitig fehlt es im Bereich von Bildung und Sozialem vielerorts am Nötigsten, jedes Engagement ist höchst willkommen. Die Studierenden lernen vor dem Hintergrund einer durch Mangel geprägten Umgebung trotz geringer Mittel gute Architektur zu entwickeln. So sind sie gezwungen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und auf alles Überflüssige zu verzichten. Außerdem erleben die Studierenden Bekanntschaften und Freundschaften, Einblicke in fremde Kulturen und Lebensumstände, die nur durch die intensive Zusammenarbeit mit afrikanischen Arbeitern und Studenten auf der Baustelle möglich werden. Dazu sind gerade Eindrücke aus Afrika für deutsche Studenten besonders wertvoll, denn der Kontext könnte kontrastreicher kaum sein. Viele Studierende nehmen die inten siven Erfahrungen zum Anlass, die eigenen Ansprüche zu überdenken und aus einer globalen Perspektive zu reflektieren. Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei den am Projekt beteiligten afrikanischen Partnern, bei Bauherren, Nutzern, afrikanischen Studierenden, lokalen Arbeitern und in der Nachbarschaft beobachten. Die persönliche Zusammenarbeit ermöglicht das Verständnis für die architektonische Haltung eines Entwurfs, der zunächst vielleicht als zu uneuropäisch und damit als enttäuschend empfunden wird, denn die Projektion westlicher
Standards prägt oftmals die Erwartungen. Während die Projekte einerseits auf das Know-how lokaler Arbeiter angewiesen sind, ergibt sich andererseits für jene die Möglichkeit, alternative Bautechniken zu erlernen und sich damit neue Möglichkeiten zu erschließen. Die Identifizierung der lokalen Gemeinde mit den Bauten entsteht wesentlich durch die überschaubare Größe, durch persönliche Einbindung in den Bauprozess und durch die gemeinnützige Funktion der Gebäude. Die Begeisterung und der Arbeitseinsatz der Studierenden wird dabei als Ausdruck der Wertschätzung wahrgenommen. So ergibt sich die Akzeptanz im lokalen Umfeld, die für den nachhaltigen Betrieb der Einrichtungen unerlässlich ist. Design – Build – Redesign Die Planungsphase ist meist über zwei Semester organisiert. Im Wintersemester erarbeiten etwa 20 Architekturstudenten in Zweiergruppen ihre Entwürfe. Sukzessive wird die Anzahl der verschiedenen Lösungen reduziert und die Gruppengröße entsprechend erhöht, bis am Ende des Semesters einer der Entwürfe zur Ausarbeitung ausgewählt wird. In mehreren Auswahlschritten werden die besten Ideen aller Entwürfe in die weitere Bearbeitung integriert. Im Sommersemester erarbeitet eine verkleinerte Kerngruppe von sechs bis acht Studierenden Werk- und Detailpläne, Kostenberechnung und Terminplan. Im Rahmen von mehrtägigen Praxis-Workshops bleibt die gesamte Gruppe in den Entwurfsprozess eingebunden und bereitet sich auf die Baustelle vor. Gleichzeitig wird das Bauen von Konstruktionen als notwendiger Schritt in den Planungsprozess integriert. Diese Testphase wird vom Baugeschehen in die Planungsphase vorverlagert, um Architekturentwurf, Baukonstruktion, Bauprozess und Lerneffekt zu verbessern. In den vorlesungsfreien Sommermonaten erfolgt die Bauausführung. Die Studierenden reisen nach Afrika und bauen ihren Entwurf zusammen mit lokalen Handwerkern und teilweise zusammen mit afrikanischen Studierenden. Dafür steht meist nur der kurze