Landschaftsarchitektur gestern und heute

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wir diese gestalten, zu ebnen. Es ist nicht als ein nostalgisches Werk gedacht, das rührselig auf Artefakte der Vergangenheit zurückschaut, vielmehr sollen die Beispiele vergangener Zeiten ein stärkeres Gefühl der Kontinuität und der Zielsetzung schaffen, indem sie den Blick mehr auf die Wichtigkeit und Bedeutung von kulturellen Eigenheiten und Identitäten lenken als auf systemati­ sches Denken. Außerdem bietet es wertvolle Einblicke in das Zusammenspiel zwischen der Poetik des Raumes und dem kreati­ ven Schaffen. Die Auswirkungen des gegenwärtigen Klimawandels und der demografischen Entwicklung haben uns unzweifelhaft an die Schwelle eines neuen Zeitalters gebracht, das manche Wissen­ schaftler »Anthropozän« nennen. Man erwartet von Landschafts­ architekten nun verantwortungsvolle Gestaltungen und dass sie ihrer Rolle als »Präparatoren«, die die Umweltzerstörung abpuf­ fern, gerecht werden. Dennoch sollten wir die dominant morali­ sche Haltung hinter Ökologie und Nachhaltigkeit infrage stellen und diese Sicht auf die Natur kritisch entmystifizieren bzw. stets an neue Bedürfnisse anpassen. Der Oerliker Park in Zürich (2001), konzipiert von den Landschaftsarchitekten Zulauf, Seippel und Schweingruber, wurde auf einem stark belasteten Gelände gebaut und hat gute Aussich­ ten, die Umwelt durch die sanierende Wirkung der Bäume in drei Jahrzehnten zu heilen [0.8].6 Somit wird die Natur auf ernsthaft verschmutztem Land wiederhergestellt. Dasselbe könnte man über die stillgelegten Eisenbahnanlagen des Schöneberger Südge­ ländes in Berlin sagen [0.6].7 Jedoch liegt in dieser konzeptionel­

len Umkehrung, die die Gestaltung in den Hintergrund rückt, ein gewisser Widerspruch, da Landschaften schon immer das Ergebnis starker formaler Eingriffe in die Natur waren und nicht lediglich ökologische Modalitäten. Landschaftsarchitektur muss weiterhin ein kulturelles Leuchtfeuer bleiben, trotz der gegen­ wärtigen moralischen Gebote der »Biopolitik«, die der Natur der Landschaftsgestaltung widersprechen.8 Aber selbst als ­designierte »Präparatoren« entspricht es doch genau unserer Fähigkeit, eine starke poetische Antwort auf menschliche Bedürf­ nisse und ­Glaubensgrundsätze kultivieren zu können, die uns dabei helfen wird, bessere Ausdrucksformen der Natur zu finden. Der Mauerpark in Berlin (1994) ist der direkte Ausdruck einer ­solchen ­gesellschaftlichen Verbindung. Sein Erfolg basiert nicht so sehr auf komplexen ästhetischen Konstrukten, sondern auf den Möglichkeiten der Versammlungsfreiheit durch informelle soziale Organisation. [0.9].9 Nur durch ein kritisches Verständnis der typologischen Geschichte einer Landschaft, kann die Land­ schaftsarchitektur als eine bedeutende Kraft unsere zukünftige Umwelt definieren. Ziel ist es, die »Intelligenz« der Natur zu ent­ schlüsseln, die seit Jahrtausenden besteht und unsere kollektive Wertschätzung von Landschaften tief beeinflusst. Menschen möchten immer auch einen klar symbolischen Ausdruck der Natur sehen. Möge dieses Buch ein Appell für eine Rückkehr zu den Grundsätzen und Werten einer sinnerfüllten, ausgewogenen Landschaftskultur sein, die unzählige Generationen genährt und bereichert hat.

EI N LEIT U N G

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