Atlas Moderner Stahlbau

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Stahl – zwischen Identität und Materialität

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aus sich kreuzenden Stahlelementen (Abb. A 9 und A 10, S. 12) – unter Beweis. Das National Grand Theatre of China von Paul Andreu mit einem Stahltragwerk und der Außenhaut aus Titan ist ein weiteres Beispiel. In Europa soll diese Tendenz ihren Ausdruck zukünftig z. B. in der von Jean Nouvel entworfenen Philharmonie de Paris, im Projekt »Cloud« von Massimiliano Fuksas in Rom, im freitragenden »Musée des Confluences« in Lyon von Coop Himmelb(l)au oder im monumentalen Ring des Science Centre in Hamburg von UNStudio finden. All diese Projekte mit bildhaftem Charakter – bei denen Stahl eine wichtige Rolle spielt – führen zur Abkehr von Louis Henri Sullivans bekannter These »form follows function«. Heute folgt die Form eher der Ambition des Projekts. Abgesehen von der technischen Leistungsfähigkeit des Werkstoffs geht es beim Einsatz von Stahl um Stadtplanung und die Gestaltung einer modernen Stadtlandschaft.

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Der Crystal Palace, dessen Länge von 1851 Fuß auf das Veranstaltungsjahr der ersten Weltausstellung in London verweist, war das erste große Gebäude aus Stahl. Heute dienen Bauwerke mit großen Abmessungen als Orte der Zusammenkunft der modernen Welt, wie z. B. Stadien, Drehkreuze des intermodalen Verkehrs und Handelszentren. Bahnhöfe und Flughäfen erfüllen komplexe Raumprogramme, die das Ende der Monofunktionalität zur Folge haben, zudem sind sie zu Einkaufszentren geworden. Auch bei Kulturstätten ist diese Art des Wandels festzustellen. Architekten greifen bei diesen großmaßstäblichen Bauaufgaben weiterhin auf Stahl zurück. Neben dem konstruktiven Grundgedanken ist dabei vor allem das Streben nach einem hohen Maß an Präzi-

sion ausschlaggebend, das erforderlich ist, um geometrische Vorgaben, die sich aus neuen Qualitätsprüfungen ergeben, zu erfüllen. Die Geometrie ist das allgegenwärtige Element in den Bauten von Dominique Perrault. In Berlin schafft der olympische Komplex seine eigene Geografie durch den riesigen begrünten Betonsockel mit der eingebetteten Schwimm- und Radsporthalle. Bei diesem Entwurf, der interessante räumliche Aspekte aufweist und minimalistische Züge trägt, setzt Perrault Stahl im Sinne eines ganzheitlichen Konzepts ein, in dem zwischen Tragwerk und Außenhaut eine vollständige Kohärenz herrscht. Bereits in seinen ersten Arbeiten (z. B. dem Unisor-Sacilor Konferenzzentrum in Saint Germain en Laye, Paris) nutzte Perrault Stahl für seine Konstruktionen. Seine jüngsten Projekte zeigen, wie sich große Abmessungen durch das Experimentieren mit den konstruktiven

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Großmaßstäbliche Projekte und Schaffung neuer »Territorien«

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