Atlas Moderner Stahlbau

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Materialität

Farbigkeit eine gestalterisch interessante Alternative vor allem für frei bewitterte Fassaden (siehe Legierungsbildung von wetterfesten Stählen, S. 69). Das Rohmaterial bildet im eingebauten Zustand eine fest haftende Rostschicht aus, die als Sperrschicht gegen weitere Korrosion fungiert und das Material langfristig witterungsbeständig macht (Abb. B 2.2). Zum Schutz angrenzender Bauteile gegen Verfärbungen sollte die ausgebildete Rostschicht mit einem transparenten Schutzlack versehen werden. Eine kostengünstige Alternative mit industriellem Charakter stellt das Verzinken der Oberfläche dar. Zink ist ein sehr witterungsbeständiges Metall. Gebräuchliche Verfahren sind das Feuerverzinken oder das galvanische Verzinken (siehe Metallische Bandbeschichtungen, S. 74f. und Feuerverzinken von Bauteilen, S. 83f.). Beim Feuerverzinken entsteht eine Schutzschicht mit der typischen stark kristallinen Optik (Abb. B 3.42, S. 83), bei der galvanischen Verzinkung ist die kristalline Struktur wesentlich feiner. Auch mit Säuren oder Laugen lässt sich Stahl korrosionsbeständig behandeln. Bei Verfahren wie dem Brünieren oder Beizen reagiert das Material chemisch und bildet eine korrosionsbeständige, leicht changierende schwarzbraune Patina an der Oberfläche. Die ursprüngliche Materialstruktur wird nicht abgedeckt, sondern behält ihre lebendige, natürlich wirkende Optik und sollte für einen dauerhaften Korrosionsschutz zusätzlich geölt oder gewachst werden (Abb. B 2.5). Stahloberflächen lassen sich – dem jeweiligen Einsatzzweck entsprechend – durch mechanische Verfahren auf vielfältige Weise optisch veredeln. Eine solche Veredelung beeinflusst neben dem Reflexionsgrad des Metalls auch seine Anfälligkeit für Verschmutzung und damit den Pflegebedarf sowie die Instandhaltungskosten. Spezielle optische oder haptische Strukturierungen sind durch abtragende Verfahren wie Schleifen, Bürsten, Strahlen oder Ätzen möglich. Bei geschliffenen Oberflächen hängt das Schleifbild von der verwendeten Korngröße und der Bewegungsrichtung ab. Durch zunehmend feinere Schleifmittel wird die Oberfläche poliert, und es entsteht eine homogene, hochglänzende Fläche. Mithilfe spezieller Textilien und Polituren lässt sich Edelstahl sogar spiegelnd polieren, sodass die Oberfläche ihre Umgebung reflektiert (Abb. B 2.1). Das Material kann in durch Vandalismus gefährdeten Bereichen als splitterfreier Ersatz für Spiegelglas Verwendung finden. Für eine fein mattierte, sehr edel anmutende Oberfläche eignet sich das Strahlen, bei dem ein Strahlmittel mit Druckluft auf die Oberfläche geblasen wird und die oberste Materialschicht gleichmäßig abträgt. Als Strahlmittel kommen verschiedene Materialien wie z. B. Edelstahloder Aluminiumgranulat, Keramik- oder Glasperlen zum Einsatz, die jeweils unterschiedliche Effekte erzielen. Auch chemisches Ätzen

trägt eine dünne Schicht des Materials ab und lässt eine mattierte Oberfläche entstehen. Durch partielles Abdecken ist es möglich, selektiv zu strahlen oder im Siebdruckverfahren partiell zu ätzen und so Bildmotive oder Grafiken auf die Oberflächen zu übertragen. Eine kaum reflektierende Oberfläche, die unempfindlich gegen sichtbare Kratzer, Flecken und Fingerabdrücke ist, entsteht durch sogenanntes Dessinieren. Hierbei strukturieren Musterwalzen ein Blech einseitig mit einer feinen Struktur. Durch Walzen von beiden Seiten wird die Struktur durchgeprägt, was zugleich versteifend wirkt und eine Reduzierung der eingesetzten Materialstärke ermöglicht. Zur farbigen Gestaltung von Metalloberflächen stehen verschiedene Verfahren wie das Nasslackieren oder das Pulverbeschichten zur Auswahl (Abb. B 2.3). Lackierungen sind mit verschiedenen Glanzgraden von stumpf bis hochglänzend möglich, ihre Aufbringung geschieht meist im Spritzverfahren. Beim Pulverbeschichten werden winzige farbige Kunststoffpartikel durch elektrostatische Aufladung mit der Stahloberfläche dauerhaft verbunden (siehe Pulverbeschichtungen, S. 85). Mittels Druckverfahren wie dem Digitaltransferdruck lassen sich individuelle Motive und Grafiken auf Stahl übertragen. Bedruckte Fassadentafeln sind derzeit in einer Länge von bis zu 6 m realisierbar. Eine intensive Farbigkeit kombiniert mit sehr guter mechanischer Resistenz entsteht durch Emaillierung (siehe Emaillierung, S. 85). Dabei wird das Metall mit einem glasartigen Überzug versehen, der sich bei hohen Temperaturen dauerhaft in die Oberfläche einbrennt. Eine Emaillierung ist extrem kratzfest, beständig gegenüber Säuren und Laugen und wirkt elektrisch isolierend. Die elektrolytische Färbung, die bei Edelstahl möglich ist, nutzt die Chromoxidoberflächenschicht des Materials zur Farbgebung. Dabei treten an dieser farblosen Schicht Interferenzeffekte auf, die je nach Dicke der Passivschicht als unterschiedliche Farbtöne wahrgenommen werden. Der große Vorteil hierbei ist die Beständigkeit der Färbung, die unter UV-Einfluss nicht ausbleichen kann, da sie keine Farbstoffe oder Pigmente enthält. Auch eine nachträgliche Umformung des Materials ist möglich, ohne dass die Farboberfläche dadurch beeinträchtigt wird. Der ursprüngliche Edelstahlcharakter und die Struktur der Oberfläche bleiben bei diesem Verfahren erhalten – von spiegelnd bis mattiert. Auf Edelstahl lassen sich durch die Beschichtung mit Titannitrid zudem golden getönte Oberflächen von hoher mechanischer Abriebfestigkeit herstellen.

B 2.2

B 2.3

B 2.4

Transparenz Stahl steht im Allgemeinen für Festigkeit und Präzision. Eine faszinierende neue Ambivalenz bekommt das Material durch semitransparente Oberflächen, die als Gewebe, Lochblech oder B 2.5

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