Spektrum Herbst/Winter 2022

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Die Weichen für die Zukunft stellen Aus dem Schulleben Die Zauberflöte –ein Juwel für die Pädagogik Spektrum Die Mitteilungen der Rudolf Steiner Schule Zürich 360 0 um die Schule Heilung durch Begegnung: Paracelsus Zentrum Sonnenberg DD COM Wir freuen uns auf … Adventszeit –Bazarzeit
Im Fokus
Zeichnung: Milva, 9. Klasse

Wie steht es mit Ihren Willenskräften? Schaffen Sie es, Ihre guten Vorsätze umzusetzen – oder wenn nein, warum scheitern Sie daran?

Was ist notwendig, um die Willenskraft gut auszubilden? Diese Frage hat der Pädagoge und Buchautor Valentin Wember bei der Eröffnungsveranstaltung des «Seminar Atelierschule» in seinem Vortrag erörtert und darüber auch einen Beitrag geschrieben, den Sie «Im Fokus» dieser Herbstausgabe finden. Die Impulse, die zur Gründung dieses neuen Seminars geführt haben, und den Aufbau des Seminarprogrammes erläutert Ihnen, geschätzte Leser schaft, ebenfalls in der Rubrik «Im Fokus» der Seminar leiter Jean-Claude Baudet.

In der Rubrik «Innen und Aussen» plädiert Robert Thomas (Präsident ARGE) dafür, das umfassende Werk von Rudolf Steiner mit einem klaren, frischen Blick und «ohne Scheu klappen» zu betrachten und somit dem vorherrschenden Steiner-Bashing zu begegnen.

Unser Musiklehrer Peter Appenzeller hat die Initiative ergriffen und mit grosser Unterstützung seiner FachkollegInnen unserer Schulgemeinschaft ermöglicht, Mozarts «Zauberflöte» aufzuführen. In der Rubrik «Aus dem Schul leben» sprechen wir mit ihm über die pädagogische Kraft, die von dieser Oper ausgeht, und den Nachhall des besonderen Musikprojektes.

Und wie haben die Schülerinnen und Schüler dieses grosse Gemeinschaftsprojekt erlebt? Über ihre Eindrücke während der Proben und der Aufführungen berichten vier Schüler der sechsten Klasse, die im Rahmen ihrer Reportage auch Lehrerinnen und MitschülerInnen aus anderen Klassen inter viewt haben.

Viele bereichernde Artikel zu Themen, die Eltern und die junge Generation bewegen, hat der Kinder- und Jugendarzt Dr. Michael Seefried schon in unserem SPEKTRUM veröffent licht. In dieser Ausgabe stellt er uns in der Rubrik «360° um die Schule» seine Wirkungsstätte – das Paracelsus Zentrum Sonnenberg – vor.

Das Bazarkomitee hat sich in den letzten beiden Jahren enorm engagiert und der Schulgemeinschaft trotz der vielen Ein schränkungen bei Veranstaltungen verschiedene Anlässe (Adventslädeli, Flohmarktfest etc.) ermöglicht – stets liebevoll und sorgsam gestaltete Alternativen. Nun dürfen wir dieses Jahr wieder einen traditionellen Weihnachtsbazar ankündi gen. Wir freuen uns sehr darauf! Die entsprechenden Infor mationen hierzu finden Sie zum Abschluss dieser Ausgabe.

Nun hoffe ich, dass wir für Sie wieder ein interessantes Lese angebot geschaffen haben, und wünsche Ihnen viel Freude!

Herzliche Grüsse Birgit Purainer

Liebe
! Editorial
Leserinnen und Leser
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Inhalt

Spektrum
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Zeichnung: Mathilda, 7. Klasse
Zürich
Rudolf Steiner Schule

06 Das Dilemma mit den digitalen Medien

Der Medienpädagoge Beat Richert beschreibt die Vorzüge der indirekten Medienerziehung und plädiert für gegenseitig bereichernde Gespräche zwischen Lehrpersonen, Eltern und der jungen Generation.

10 Von der Entwicklung der Willenskräfte Wille ist Liebe zur Welt! Basierend auf seinem eindrücklichen Vortrag an unserer Schule erläutert Dr. Valentin Wember die Bedeutung einer tiefen Menschenerkenntnis: Nur wer die Natur des menschlichen Willens erfasst, kann beim Kind die Willenskraft gut ausbilden!

16 Das neue Seminar Atelierschule

Impulse, Weiterbildung und Ausbildung für die anthroposophische Jugendpädagogik –Jean-Claude Baudet stellt das Seminar Atelier schule vor: Welche Impulse haben zur Seminargründung geführt und wie wird das Seminarprogramm ausgestaltet?

18 Die Weichen für die Zukunft unserer Schule stellen Birgit Purainer gibt einen Einblick in den derzeit laufenden Organisationsentwicklungs prozess, mit dem sich unsere Schule für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen wappnen möchte.

Menschen an unserer Schule 20 Wir heissen Stefan Eugster-Stamm herzlich willkommen und verabschieden uns von Andrea Corsi und Maurus Johnson.

Innen und Aussen

22 Bashing Steiner: Der Unterschied zwischen Verstehen und Verstehenwollen

«In der öffentlichen Meinung und der wissen schaftlichen Community hat sich heimlich ein Steiner-Bashing etabliert», konstatiert Robert Thomas. Der Präsident Steiner Schulen Schweiz plädiert dafür, die Scheuklappen der Vergangenheit zugunsten eines klaren, frischen Blickes auf Steiners Werk beiseitezulegen.

Aus dem Schulleben

26 Mozarts Zauberflöte: ein Juwel für die Pädagogik Ein Gespräch mit Peter Appenzeller über die eindrückliche Aufführung der Oper «Die Zauberflöte» als stärkendes Gemein schaftserlebnis der Schule.

33 Das Zauberflöten-Projekt aus Schülersicht Was anfangs «Überwindung kostete», hat sie schlussendlich begeistert und klingt noch lange nach: Valerio Leuenberger, Pirmin Imfeld, Levin Karrer und David Stemmle schildern ihre erlebnisreichen Probewochen.

36 Wir bauen einen Pizzaofen Dank der tatkräftigen Mithilfe von Eltern ist im Rahmen der Bauepoche der letztjährigen dritten Klasse ein wunderbarer Pizzaofen entstanden. Über die Planungs-, Bauund Erfahrungszeit für die Kinder berichten Chantal Seidel und Franziska Wittmann.

40 Merci Genève et à bientôt! Unser Französischlehrer Vincent Häbler hat eine Brieffreundschaft zwischen den Steiner Schulen Genf und Zürich initiiert!

360 o um die Schule 42 Das Paracelsus Zentrum Sonnenberg Seit über 13 Jahren bietet das Ärztezentrum in der Zürcher Sonnenbergstrasse ein komplementärmedizinisches Spektrum unter der Leitlinie «Verstehen auf Herzensebene. Heilen durch Begegnung» an. Ein Porträt von Dr. Angela Kuck und Dr. Michael Seefried.

Wir freuen uns auf … 46 Der Bazar erwartet Sie in diesem Jahr (endlich) wieder mit Schönem aus Naturmaterialien, liebevoll Gebasteltem, einer Fülle von Leckereien sowie Spiel & Spass für die ganze Familie!

I m Fokus
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Impressum

Das Dilemma mit den digitalen Medien

Was ist das Allererste, was der Mensch bei seiner Geburt erlebt, sobald er aus dem Mutterleib auf die Welt kommt? Richtig! Die Nabelschnur wird durchschnitten. Durch diesen physischen Eingriff, den ich bei meinen beiden Kindern eigenhändig machen durfte, machen wir alle den ersten Schritt Richtung Autonomie. Sobald das «Lebenskabel» abgetrennt wird, fangen wir an, selbst zu atmen. So gesehen beginnt das Leben, sobald wir offline gehen. Dem diametral entgegen stehen die penetranten Bemühungen der Tech-Industrie, uns mit der ganzen Welt zu verkabeln, uns Millionen von OnlineFreunden zu bescheren, uns mit einer endlosen Lawine von Unterhaltung zuzuschütten, eine «Gratis»-App für jedes Bedürfnis zu offerieren und wirklich alles rund um uns smart zu machen (wobei sich das Wort «smart» in der Regel auf den Verkäufer des Produktes bezieht). Die Erziehungs-Philosophie von Rudolf Steiner ist ein Weg zur Freiheit und zum selbstständigen Denken, derweil das Geschäftsmodell der digitalen Technologie auf dem Aufbau von Abhängigkeiten basiert. Diesem grundsätzlichen Dilemma stelle ich mich als neuer Medienpädagoge mit viel Herzblut und Motivation.

Im
Fokus
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Rudolf Steiner Schule Zürich

Wir sind nicht gegen digitale Medien – im Gegenteil

Das Wort Medien kommt von Medium und bedeutet Mitte. Medien sind also deutungsneutrale Informationsträger, die mediale Inhalte von A nach B trans portieren, Brücken bauen und zwischen menschliche Kommunikation ermöglichen. Es ist grundsätzlich konstruktiver und auch positiver, für etwas als gegen etwas zu sein. So schlage ich vor, dass wir resolut für einen gesunden und be wussten Umgang mit digitalen Medien sind, anstatt dass wir Handy, Laptop und Gamekonsole als Feindbilder zele brieren. Dies zu machen, brächte uns nicht weiter als die Textilarbeiter in Uster, die sich beim Maschinensturm von 1832 gegen die neuen Webmaschinen aufbäumten und die Fabrik in Flammen legten. Unser erzieherischer Auftrag ist es also, die Gesundheit der Kinder (wie auch unsere eigene) im Umgang mit digitalen Medien zu schützen und zu fördern. Hätten wir «soziale» Plattformen verbannt, wäre das einzige Fenster zur Welt und eine minimale soziale Interaktion für Millionen von Jugendlichen während des Lockdowns weggefallen. Es kann davon ausgegangen werden, dass der häusliche Stress durch Homeoffice und eingeschränkte körperliche Aktivi täten während des Lockdowns durch das virtuelle Aufrechterhalten von sozialen Kontakten zumindest abge schwächt wurde.

Medien sind Werkzeuge

Ob beim Werken mit Holz oder bei Gar tenarbeiten: Handsäge, Stechbeitel oder Sense sollte man vor ihrem Ge brauch verstehen, da es ansonsten nicht nur gefährlich werden, sondern das gewünschte Arbeitsziel auch nicht er reicht werden kann. Während ein Stech beitel immer ein Stechbeitel ist, wird das Handy jedoch je nach Situation zu einem Billett-Automat, einer Bibliothek, einem Diskussionsforum, einer Spiel konsole, einem Einkaufszentrum, einer

Wasserwaage, einem Dolmetscher, einer Musikanlage, einem Taschenrech ner, einer Videokamera und manchmal sogar zu einem Telefon. Auch der Ver gleich mit dem Schweizer Sackmesser ist hier um ein Vielfaches zu kurz ge griffen, denn ein Tablet oder ein Handy ist unendlich vielseitiger und komplexer als das dickste Sackmesser. Dank der Trennung zwischen Hard- und Software kann ein Computer unendlich verschie dene Programme ausführen, der Krea tivität beim Nutzen und Erfinden von neuer Software sind keine Grenzen gesetzt. Es braucht infolgedessen auch ein umfassendes Vorwissen für Jugend liche, bevor sie ein Handy oder einen Laptop mit Internetanschluss bedienen. In der sechsten Klasse haben wir nach den Herbstferien das «Lap-Book»-Pro jekt gestartet. Dabei sezieren wir zu sammen die alten Laptops der Schule, um die verschiedenen Einzelteile zu analysieren und deren Zusammenhän ge zu verstehen. Die Schülerinnen und Schüler werden danach die Einzelteile und deren Funktion beschreiben und in einem «Lap-Book» dokumentieren.

Digitale Kompetenz ist die vierte Kulturtechnik Lesen, Schreiben und Rechnen sind die drei Grundtechniken, auf denen unser Kulturverständnis aufgebaut ist. Die eigentliche Magie dahinter besteht darin, dass gleichzeitig Lesen und Schrei ben gelernt wird. Wir sind also nicht nur «Konsumenten» von Texten und Zahlen, sondern wir werden zugleich zu poten ziellen Schriftstellerinnen, Poeten und Mathematikerinnen erzogen. Genau deshalb gilt es, die «digitale Kompe tenz», die heute allgemein als vierte Kulturtechnik verstanden wird, nicht auf das Nutzen und Anwenden von Applikationen und Plattformen zu be schränken, sondern vielmehr das Pro grammieren wie auch das Herstellen von digitalen Inhalten miteinzubezie hen. Genau wie der Lehrplan 21, der von den Deutschschweizer Kantonen ausgearbeitet wurde, erkennt auch der Lehrplan «Digitale Medien und infor matische Bildung» der Rudolf Steiner Schulen Schweiz den Bedarf und die Wichtigkeit, digitale Geräte nicht nur bedienen, sondern auch verstehen und programmieren zu können.

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Indirekte Medienerziehung

Wo jedoch die Pädagogik von Steiner Schulen von der in öffentlichen Schulen signifikant abweicht, ist die Einführung und Nutzung von elektronischen Medien als pädagogische Unterstützung im Schulalltag. Während Volksschulen Laptops, Tablets und interaktive White Boards immer früher einsetzen, basiert die Waldorf-Pädagogik auf der indirek ten Medienerziehung. Die Aufgabe der indirekten Medienpädagogik ist es, Kinder und Jugendliche anzuregen, all die Fähigkeiten zu üben, die sie im Informationszeitalter notwendig brau chen, die sie aber im direkten Umgang mit Medien nicht erwerben können. Die indirekte Medienpädagogik stellt Übungsfelder bereit, auf denen Schüler Innen konzentrierte Aufmerksamkeit ausbilden und üben können – fern von digitalen Medien. Vor allem sorgt sie dafür, dass junge Menschen lernen, wie man sich Wissen erwirbt; das heisst, wie man aus den vielen einzelnen Informationsfetzen, die Medien liefern, ein sinnvolles Ganzes schafft. Kurz: Die indirekte Medienpädagogik bildet die im Zeitalter der digitalen Techniken vorausgesetzte Selbstkompetenz aus. Die indirekte Medienerziehung kann mit den standfesten und gesunden Wurzeln einer Pflanze verglichen wer den. Erst wenn die Wurzeln stark genug sind, spriesst die Pflanze durch den Boden. Da Kinder schon von klein auf Werbebotschaften ausgesetzt sind, ist es wichtig, ihnen bereits im frühen

Alter entsprechende Kompetenzen zu vermitteln, um Inhalte und Botschaften zu durchschauen. Anstatt ein Tablet zu benutzen, bringen Viertklässler Cerealien-Kartons in die Schule, um die Farben, Bilder und Texte darauf zu analysieren. Wenn sie dann alle Adjektive finden, unterstreichen und mit dem Gegenteil ersetzen, dann haben sie schon viel über Werbung verstanden.

Digitale Medien und informatische Bildung: ein fixer Bestandteil in der Oberstufe Von der sechsten bis zur neunten Klasse ist Medienpädagogik und informatische Bildung seit Juni 2022 fixer Bestandteil des Schuljahres. Prävention vor den Gefahren digitaler Technologien ist ein Hauptthema, das sich über alle vier Jahre erstreckt. Dabei geht es um den Schutz der Privatsphäre, Cybermob bing, Sexting, Umgang mit Bildern, Online-Ethik und ganz allgemein um das kritische Denken und die konstante Selbstreflexion. Während eines Medienprojektes im Juni 2022 hatten die Schülerinnen und Schüler der neun ten Klasse die Aufgabe, eine von ihnen gewählte Thematik zu analysieren, Chancen und Gefahren zu erkennen, das Geschäftsmodell zu beschreiben und dies den anderen Oberstufenklas sen wie auch den Eltern zu präsentieren. Die Themenvielfalt war äusserst beein druckend (Spotify, Kriegsführung im digitalen Zeitalter, Kinderpornografie, Snapchat, Mein Leben vor dem Handy

und jetzt, Framing von Medieninhalten etc.) und die vielen konstruktiven und intergenerationellen Gespräche waren gegenseitig bereichernd.

Gemeinsame Medienerziehung

Selbstverständlich ist Medienerziehung die Aufgabe der Eltern. Dies ist auch der Grund, warum die Medienverein barung der einzelnen Klassen durch eine(n) Medienverantwortliche(n) der Elternschaft organisiert wird. Es ist je doch wichtig, dass wir den Kindern eine ebenso gewichtige Stimme geben und dass wir uns auch ständig fragen, was wir Erwachsene von den Kindern lernen können. Jugendliche sind viel schneller im Lernen und Verstehen, wie eine App genutzt wird oder wie ein Spiel gespielt werden muss. Unser Vorteil liegt im schlauen Hinterfragen, im Durchdenken der Konsequenzen und im Erkennen der Gefahren. Wo die Schnelligkeit der Kinder mit unserer Schlauheit aufeinandertreffen, entste hen konstruktive und gegenseitig be reichernde Gespräche. In diesem Sinne lade ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, herzlich ein, mich zu kontaktieren (brichert@steinerschule-zuerich.ch), falls Sie Zeit und Lust haben, entweder in der Mediengruppe mitzuarbeiten oder vielleicht sogar als Fachperson der digitalen Transformation in der einen oder anderen MedienpädagogikLektion mitzuwirken, um den Kindern einen Einblick in Ihren digitalen Alltag zu geben.

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Von der Entwicklung der Willenskräfte

Text: Dr. Valentin Wember (Pädagoge, Autor und Gründer des Stratosverlages)

Wie entwickelt man die Willenskraft eines Kindes möglichst gut? Die Antwort der Steinerschen Erziehungskunst: Erst Menschenerkenntnis, dann pädagogische Massnahmen. Also: Erst eine möglichst gründliche, umfassende, tiefe Erkenntnis der Natur des menschlichen Willens. Dann ist daraus abzulesen, auf welche Weise man den Willen gut ausbilden kann.

Wie sollte es auch anders sein? Wie will man so etwas wie den Willen der Kinder entwickeln, solange man kein Verständnis vom Wesen und den Gesetzmässigkeiten des Willens hat? Ohne ein richtiges Verständnis der Natur des Willens tappt man im Nebel herum. Deshalb ist erst die Natur des Willens zu verstehen – so gründlich, so umfassend und so tief es geht. Danach kann man daraus die pädagogischen Optionen ableiten. Rudolf Steiner hat genau das gemacht. Er hat die Natur des Willens extrem gründlich untersucht. Er hat erstens die damalige Psychologie und ihre (durchaus gegensätzlichen) Angaben zur Natur des Willens gesichtet. Er hat zweitens eigenständig mit sogenannten «über sinnlichen» Forschungsmethoden die Natur des Willens untersucht. Und drittens hat er erforscht, welche pädagogischen Hilfen und Methoden man daraus gewinnen kann. Viertens hat Rudolf Steiner diese Methoden in seiner eigenen pädagogischen Praxis ausprobiert. Rudolf Steiner wusste, wovon er sprach. Seine Ergebnisse und Erfahrungen hat er 1919 vor den designierten Lehrerinnen und Lehrern der ersten Waldorfschule in Stuttgart in vier Vorträgen dargestellt; eine winzig kleine Auswahl möchte ich Ihnen skizzieren:

Im Fokus
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Schule Zürich
Rudolf Steiner

ERSTENS: ES GIBT VIELE VERSCHIE DENE

ERSCHEINUNGSFORMEN

DES WILLENS, AN DENEN JEDER SELBST STUDIEREN KANN, WAS «WILLE» IST. Wenn eine Katze vom Dach eines Hau ses herunterfällt, dreht sie sich instinktiv so, dass sie auf ihre Füsse fällt. Darin liegt viel körperliche Intelligenz, aber diese Intelligenz wirkt als Kraft. Wille ist in diesem Fall «als Kraft wirk same Intelligenz». Eine weitere Erschei nungsform: Tiere wie beispielsweise Lachse und Zugvögel brechen zu wei ten Wanderungen auf. Ihr Trieb zur Wanderung erwacht und wird in ihnen von Zeit zu Zeit wirksam. Auch das ist Wille – Wille in der Erscheinungsform des Triebes. Und weiter: Wenn eine Katze angespannt vor einem Mause loch sitzt, ist sie ganz Wille und zwar in der Form der Begierde. Auch der Mensch besitzt diese drei Erschei nungsformen des Willens: Instinkt, Trieb und Begierde – und es ist eine besondere Frage, wie durch die Er ziehung Triebe und Begierden so ent wickelt werden, dass sie dem Men schen förderlich und nicht hinderlich werden. Im Unterschied zu den Tieren kann der Mensch aus bewussten Motiven heraus handeln. Hier erscheint der Wille auch als «Intelligenz», aber im Unterschied zum Instinkt handelt es sich beim Motiv, das als Kraft wirk sam wird, um bewusste und nicht um unbewusste Intelligenz. Entscheidend für den Menschen wird sein, in welchem Masse er aus Begierden und in welchem Masse er aus Motiven handelt – und aus welchen Motiven. Auf die drei wei teren Erscheinungsformen, die Rudolf Steiner in diesem Zusammenhang be nennt, gehe ich jetzt nicht ein, sondern wende mich einer anderen zentralen Entdeckung Rudolf Steiners zu:

ZWEITENS: WILLE IST SEINER NATUR NACH VERDICHTETE SYMPATHIE.

Ich erläutere das gerne anhand des Märchens «Frau Holle» aus der Mär chensammlung von Jakob und Wilhelm Grimm. Das berühmte Märchen bietet eine Art mythologisches Bild dafür, dass Willenskraft aus Mitgefühl (und in diesem Sinne aus «Sympathie») entsteht:

«Es war einmal eine Witwe, die hatte zwei Töchter. Die eine war schön und fleissig, die andere hässlich und faul.»

Bekanntlich muss sich die fleissige Tochter im Märchen unter der Knute der bösen Stiefmutter am Brunnen halb zu Tode arbeiten. Eines Tages wird beim Spinnen die Spule blutig. Das Mädchen will das Blut abwaschen, aber dabei entgleitet ihr die Spule und versinkt im Brunnen. Die böse Stief mutter zwingt das Mädchen, die Spule aus dem Brunnen heraufzuholen. Das Mädchen hat Angst, aber «dann nahm sie all ihren Mut zusammen und sprang in den Brunnen, um sich die Spule zu rückzuholen».

«Nachdem sie zunächst besinnungslos den Brunnen herabfiel, erwachte sie plötzlich und fand sich auf einer wunderschönen grünen Wiese wieder, wo die herrlichsten Blumen standen und die Sonne schien. Als sie die Wiese entlang ging, kam sie zu einem grossen Backofen, der voller fertiger Brote war, und die Brote riefen nur: ‹Ach zieh uns raus, zieh uns raus, sonst verbrennen wir. Wir sind schon längst gebacken.› Daraufhin nahm sie einen Brotschieber und holte alle Brote nacheinander he raus. Als sie weiter ging, kam sie auf einmal zu einem Baum, der voller rei fer Äpfel war, und der Baum rief nur: ‹Schüttel mich, schüttel mich, meine Äpfel sind schon alle reif.› Da fing das Mädchen an, den Baum so kräftig zu rütteln und zu schütteln, bis die Äpfel herunterfielen und kein Einziger mehr

oben blieb. Schön ordentlich packte sie alle Äpfel auf einen Haufen und ging weiter.»

Schliesslich kommt das Mädchen zu Frau Holle und darf bei ihr wohnen, muss aber tüchtig die Betten ausschüt teln, «dass die Federn fliegen, denn dann schneit es in der Welt».

Dem Mädchen geht es gut bei der Frau Holle, aber eines Tages hat es doch Heimweh und will zurück nach Hause. «Ich habe den Jammer nach Hause ge kriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben. Ich muss wieder hinauf zu den Meinigen.» Da antwor tete Frau Holle: «Es gefällt mir, dass du wieder nach Hause verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.» Daraufhin nahm sie das Mädchen an die Hand und führte es zu einem gros sen Tor. Gerade als das Tor aufging und das Mädchen darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen herab und alles Gold blieb an der Kleidung des Mädchens kleben. «Das sollst du haben, weil du fleissig gewesen bist», sprach Frau Holle und gab ihr die verlorene Spule wieder zurück. Als sich das Tor verschloss, war das Mädchen wieder in ihre Welt zurückgekehrt und als sie sich ihrem Hof näherte, fing der Hahn an zu krähen und schrie: «Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie!»

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Das Mädchen hört jenseits des Brun nens, wie die Aufgaben zu ihr spre chen, als wären es Personen: Die Brote rufen: «Zieh uns aus dem Ofen.» Und der Baum ruft: «Schüttel mich (und sammle meine Äpfel auf).» Ohne gros sen Aufwand liesse sich das auf zahl lose Situationen des eigenen Lebens übertragen: Die schmutzigen Teller und Töpfe rufen einem nach dem Essen zu «Wasch mich ab»; der Müll im Eimer ruft: «Bring mich raus.» Die Briefe auf dem Schreibtisch und die E-Mails auf dem PC rufen mir zu: «Beantwor te mich.» Die Klassenarbeiten der Schülerinnen und Schüler «Lies uns durch», die Blumen auf der Fenster bank «Bitte giess uns».

Die Personifizierung der Dinge im Märchen zeigt, aus welchem Impuls das Mädchen tatsächlich handelt: Aus Sympathie mit den Dingen. Genauer: Aus Mitgefühl mit den Aufgaben des Lebens. Das Mädchen hat Mitgefühl mit dem Brot und Mitgefühl mit den Äpfeln. Es fühlt, was das Brot braucht, und es fühlt, wonach sich die Äpfel sehnen. Und es würde auch mit den Blumen fühlen, wenn diese Wasser bräuchten.

Die Aussage des Märchens lautet also: Wille und Aktion entstehen aus Mit gefühl (und in diesem Sinne aus «Sympathie»). Wille ist gleichsam ein anderer Aggregatzustand von Sympa thie: Verdichtete oder konzentrierte Sympathie, die durch die Verdichtung zur Aktion wird.

Wille ist sogar im Kern Sympathie oder – pathetisch formuliert – Liebe zur Welt. Allerdings nicht Liebe zur Welt, um sich die Welt anzueignen, sondern um der Welt selbst willen.

«Faulheit entsteht aus zu starker Selbstbezogenheit und zu wenig Sympathie und Mitgefühl mit der Welt.»

Bekanntlich wird im Märchen ja auch noch die faule Tochter von der Stief mutter in den Brunnen geschickt, damit auch sie ein Goldkleid bekommt. Aber das funktioniert nicht. Das faule Mädchen hört auch die Brote und den Baum rufen. Aber sie empfindet keinerlei Sympathie oder Mitgefühl, weder mit dem Brot noch mit den Äpfeln. Sie denkt stattdessen nur an sich selbst. Eine ziemlich massive Botschaft: Faul heit entsteht aus zu starker Selbstbe zogenheit und zu wenig Sympathie und Mitgefühl mit der Welt. Mit einem Satz: Faulheit ist eine Form von zu starker Selbstbezogenheit. Und dann klebt einem das Pech an den Fingern. Ich kann das aus leidvoller Erfahrung bestätigen. Als Student hatte ich eine ausgeprägte Abneigung gegen das Abwaschen des Geschirrs nach dem Essen. Dabei lässt sich der Abwasch nie so schnell machen wie direkt nach dem Essen, aber merkwürdigerweise hatte ich damals nie so wenig Lust zum Abwaschen wie unmittelbar nach dem Essen. Teller, Töpfe und Besteck riefen mir zwar zu «Wasch uns ab, wasch uns ab, wir sind alle ganz schmutzig», aber ich dachte mir wie die Pechmarie im Märchen: «Nein, ich habe Besseres zu tun.» «Ich will jetzt lieber Wittgen stein studieren» oder: «Ich mache erst einen kurzen Mittagsschlaf.» Die Folge war, dass ich oft erst dann den Ab wasch gemacht habe, wenn auch der letzte Teller und das letzte Glas aus

dem Schrank geholt waren und es kein einziges sauberes Geschirr mehr gab. Die schmutzigen Teller und Töpfe türmten sich in meiner kleinen Küche zu ganz eigenen Gebirgsformationen auf; und es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte sie als künstlerische «Instal lation» in der Nachfolge von Joseph Beuys’ «Barraque D’Dull Odde» dekla riert. Eines Nachmittags klingelte es unten an der Tür. Es war ein unerwar teter Kurzbesuch meiner Freundin. Ich geriet in Panik. Wohin jetzt mit dem dreckigen Geschirr? Um Himmels wil len, wenn sie das sieht, heiratet sie mich nie. «Ich komme sofort», rief ich runter, transportierte die gesamte In stallation in mein winziges Badezim mer und versteckte alles hinter dem Duschvorhang.

Am nächsten Morgen musste ich früh in die Uni, war in Eile, wollte nur schnell unter die Dusche und mich fertig machen. Aber da wartete bereits mein Schmutzgeschirr. Materie ist ge duldig. Beim Zurücktragen entglitten mir ein oder zwei Teller. Die Splitter verteilten sich in der Dusche und ver eitelten jede Aussicht, noch duschen und rechtzeitig zur Uni zu kommen. Das Märchen hat Recht: Das Pech klebte mir an den Fingern.

Aus der Entdeckung, dass der Wille seiner «Substanz» nach komprimierte Sympathie ist, leitet Rudolf Steiner

«Wille ist im Kern Sympathie oder –pathetisch formuliert –Liebe zur Welt.»
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Zürich
Rudolf
Steiner Schule

dann eine zentrale pädagogische Methode ab: «Was wird denn daher der eigentliche Impuls für die Willens erziehung sein müssen? Es kann kein anderer sein, als dass wir selber Sym pathie mit dem Zögling entwickeln.» (GA 294,34)

Mit anderen Worten: Gerade gegen über einem willensschwachen Kind soll ich viel Sympathie entwickeln. Das fiel mir als Lehrer zunächst alles andere als leicht. Warum? Seien wir ehrlich: Willensschwache Schüler be kommen von uns Lehrern oder Eltern nicht automatisch viele Sympathie punkte. Im Gegenteil: Wir ärgern uns unwillkürlich über sie. «Schon wieder die Aufgaben nicht gemacht.» «Schon wieder zu spät.» «Schon wieder zu langsam, sodass alle aufgehalten wer den.» «Schon wieder dein Zimmer nicht aufgeräumt.» «Schon wieder typisch X.» Und schon ist die Schublade offen, in die man den X oder die Y steckt.

Bei willensstarken Kindern ist das anders: Man mag sie. Zuweilen sind sie richtige «Willens-Wonneproppen». Sie machen alles. Keine Aufgabe ist ihnen zu viel. Wenn es irgendetwas zu tun gibt, sind sie bereit. Sie erledi gen die Sache sofort. So eine Art «Gold marie» oder «Goldmarius» eben. Oft sind sie «Everybody’s Darling». Und nicht selten müssen sie aufpassen, dass man sie nicht ausnutzt. «Wenn niemand es macht, Goldmarie wird’s schon richten.»

«Gerade das vermeintlich willensschwache Kind braucht viel Sympathie und seelische Wärme.»

Sogenannte willensschwache Kinder hingegen werden für uns Lehrer oder für uns Eltern manchmal zu Nerven sägen. Und unversehens werden wir selbst dazu: Wir meckern rum, wir kritisieren, wir fordern, wir drohen, wir strafen. Wir sind genervt. Und weil wir genervt sind, nerven wir.

Mit anderen Worten: Wir Erwachsenen reagieren oft ziemlich reflexhaft und wenig bewusst und willentlich: Die Sympathiekraft im Willen der willens starken Kinder ruft in uns Erwachse nen reflexhafte Sympathie hervor. Die

fehlende Sympathiekraft bei den wil lensschwachen Kindern macht uns selbst zu antipathischen, unangeneh men Zeitgenossen, die mehr schlecht als recht ihren Ärger unterdrücken oder aber ausleben.

Und nun noch einmal Rudolf Steiners Angabe: «Was wird denn daher der eigentliche Impuls für die Willenser ziehung sein müssen? Es kann kein anderer sein, als dass wir selber Sym pathie mit dem Zögling entwickeln.» (GA 294,34)

Das heisst: Rudolf Steiner empfahl den Lehrern der ersten Waldorfschule, die Sache umzudrehen und die Reflexe zu durchbrechen: Gerade das vermeint lich willensschwache Kind braucht viel Sympathie und seelische Wärme. Mit anderen Worten: Als Erwachsener muss ich mir meiner automatischen, meist unbewussten Antipathie be wusst werden und an ihre Stelle eine bewusste und willentlich hergestellte Sympathie setzen. Also: Alles Motzen (das unausgesprochene und das aus gesprochene) abstellen und dem Kind liebevolle Sympathie entgegenbringen. Das ist – wer will das leugnen – oft alles andere als leicht, aber es wirkt.

Dazu gibt es eine wunderbare Geschich te von einer wunderbaren Lehrerin: Die Dame war schon pensioniert, als das Sozialamt ihr einen 13-jährigen Jungen brachte. Dieser Junge war nicht nur schwierig, er galt als ziemlich hoff nungsloser Fall. Er war polizeibekannt, hatte mehrere Autos abgefackelt, Reifen aufgeschlitzt, Läden ausgeräumt, öffentliches Ärgernis erregt (indem er seine Notdurft ab und zu mitten in der Fussgängerzone verrichtete), er hatte seine Lehrer und Sozialarbeiter über fordert, etliche Einrichtungen durch laufen, zerlegt und wieder verlassen, mit einem Wort: Er war ein ziemlicher «Brocken». Dann kam er zu der pen sionierten Lehrerin – und war nach zwölf Monaten geheilt.

Man schickte natürlich eine Abordnung vom Sozialamt zu der Dame: «Was ha ben Sie mit dem Jungen gemacht?» Sie soll mit einem einzigen Wort geant wortet haben: «Schokoladenkuchen». «Wir verstehen nicht.» «Immer, wenn er wieder etwas ausgefressen hatte,

habe ich ihm einen Schokoladenkuchen gebacken und hingestellt.» «Ist das ein Witz?» «O nein. Ich habe ihm einen Kuchen gebacken und hingestellt. Das hat ihn etwas irritiert, und dann habe ich ihm gesagt: ‚Weisst du, Mikael, was du da gestern in der Stadt gemacht hast, das finde ich gar nicht gut. Ich finde es sogar schlimm. Aber jedes Mal, wenn ich in deine Augen schaue, dann sehe ich darin einen wunder baren Menschen, und den habe ich sehr, sehr lieb. Und deshalb habe ich einen Kuchen für dich gebacken. Du bist ein wunderbarer Mensch. Was du gemacht hast, ist nicht gut. Es ist völlig daneben. Darüber sprechen wir später. Aber jetzt iss erst mal deinen Kuchen.» «Und das hat funktioniert?» «Ja, ganz gut, und im Laufe der Zeit wurde es dann schon besser mit ihm. Sie müssen ja grundsätzlich bei einem Kind unter scheiden zwischen dem, was es an gestellt hat, und dem, was es ist. Iden tifizieren Sie nie ein Kind mit dem, was es gemacht hat. Sie müssen auf seinen Kern und auf seine positiven Kräfte etwas Sonnenlicht werfen. Das ist ein pädagogisches Gesetz. Der Junge hatte übrigens Humor. Nach ein paar Monaten war drei Wochen lang nichts passiert, aber eines Tages hatte er doch wieder etwas angestellt. Er kam nach Hause und es war ihm peinlich. Ich fragte ihn: Mikael, ist etwas pas siert? Seine Antwort: Oma, ich glaub’, du kannst mir wieder einen Kuchen backen.»

Was hat die Dame gemacht? Sie hat das innerste Zentrum des Jungen aktivieren wollen und dazu hat sie willentlich Sympathie aufgebracht. So einfach – und so schwer.

Ich fasse noch einmal zusammen: In der Erziehungskunst Rudolf Steiners lautet die zentrale Devise: Menschen erkenntnis zuerst. Erst möglichst um fassende, gründliche, tiefe Erkenntnis der Natur des Menschen und seiner Entwicklung – dann pädagogische Methoden. Das gilt in gleicher Weise für die Erkenntniskräfte. Wie entwi ckelt man die Erkenntniskräfte so gut wie nur irgend möglich? Rudolf Steiners Antwort: Die Kräfte des Intel lektes müssen erst in einer Art Plazen ta reifen, um sich optimal entwickeln zu können. Was ist gemeint?

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Jeder Landwirt weiss, dass von der Bodenqualität die Qualität der Ernte abhängt. Bodenoptimierung kommt vor Ernteerfolg. Das ist für die Ver standeskräfte nicht viel anders. Sie müssen auf dem richtigen Boden wachsen, um später gute Früchte tra gen zu können. Also: Was ist der rich tige Boden und wie optimiert man ihn? Rudolf Steiner brachte dafür folgendes Bild: Während der Embryonalzeit ist das ungeborene Kind von einer schüt zenden Hülle umgeben. Die Kräfte der Umwelt können dadurch nicht direkt auf das noch ungeborene Kind ein wirken. Wird die schützende Hülle be schädigt, leidet auch das Kind Schaden. Bei den Verstandeskräften sei das – so Steiner – nicht anders. Sie wachsen auch in einer Hülle auf und entwickeln sich in ihr, bevor sie als reine Verstan deskräfte ganz «geboren» werden. Denn wie sich im ungeborenen Kind im Schutz der Mutterhülle die Lebens organe des Kindes entwickeln (das Herz, die Leber, die Nieren, der Magen etc.), so entwickeln sich die Organe des Verstandes (u.a. die Urteilsbildung, die Fähigkeit zum logischen Schliessen, die Fähigkeit der Begriffsbildung) in der Hülle der Gefühle. Die Gefühle sind die Plazenta für den sich entwickeln den Verstand vor seiner Geburt. Das mag wundersam klingen, aber ganz so überraschend ist es dann doch nicht. Alles Verstehen ist immer eine Form von Einfühlen. Einer der grössten Ma thematiker der Geschichte, J.W. Leibniz (1646–1716), ging sogar so weit zu sagen, dass man das erste Hebelgesetz der Mechanik eigentlich aus sich selbst heraus verstehen könne, wenn man sich in das Verhältnis von Lastarm und Kraftarm einfühle. «Verstehen» be deutet dann, sich dasjenige begrifflich bewusst zu machen, was man zuvor gefühlt hat. Deshalb hängt die Kraft des Verstandes ganz entscheidend von der Kraft des Einfühlungsvermögens ab. Die Förderung des Einfühlungs vermögens ist aus diesem Grund eine der wichtigsten Voraussetzungen für die optimale Entwicklung der Verstan deskräfte. Und umgekehrt: Die Ver nachlässigung des Fühlens trocknet die Plazenta der Verstandeskräfte aus.

Die pädagogische Konsequenz: So wie die Geräusche der Umwelt möglichst nicht direkt auf die Organe des un geborenen Kindes wirken sollten, so sollten wir als Erwachsene möglichst nicht direkt den noch ungeborenen Verstand der Kinder adressieren. Das heisst allerdings nicht, dass sich der Intellekt der Schulkinder während der gesamten Unter- und Mittelstufenzeit nicht entwickeln sollte. Im Gegenteil: Er soll sich sehr wohl entwickeln, aber eben so, wie sich die Organe des Kindes im Mutterleib entwickeln: von selbst. Durch ihre eigene Natur – nicht aber von aussen forciert. Und deshalb – so Steiners Empfehlung an die Klassen lehrer – sollte alles Wissen, das man den Kindern vermittelt, grundsätzlich gefühlsgesättigt sein und möglichst stark das Einfühlungsvermögen akti vieren. Es sollte auch so künstlerisch wie nur möglich gestaltet werden.

«Die Vernachlässigung des Fühlens trocknet die Plazenta der Verstandeskräfte aus.»

Es ist also ein entstellendes Vorurteil, wenn behauptet wird, dass die Wal dorfschulen auf Kriegsfuss stünden mit dem Intellekt. Das Gegenteil ist richtig. Die Steinersche Erziehungs kunst will den Intellekt so gut wie nur irgend möglich entwickeln. Sie macht das aber nicht in einem naiven Schnell schussverfahren. Schnellschussver fahren heisst: ohne eine gründliche Untersuchung der Entwicklungsge setzmässigkeiten des Verstandes. Erst Menschenerkenntnis, dann pädagogi sche Massnahmen. Im Hinblick auf die Entwicklung des Intellektes zeige eine gründliche Menschenerkenntnis – so

Rudolf Steiner – , dass es kontrapro duktiv ist, wenn man den Intellekt des Kindes so früh wie möglich direkt trainiert. Die aus Menschenerkenntnis gegebene Devise für die Verstandes entwicklung lautet: «Gebt den Kindern einen möglichst grossen Wissens schatz, der so gefühlsgesättigt wie nur möglich ist. Dann entwickelt sich der Intellekt im Schosse dieses Gefühls wissens auf natürliche und gesunde Weise.» Nebenbei verhindert man da durch, dass man später als Erwachse ner zwar intellektuell viel einsehen kann, aber noch lange nicht entspre chend handelt. Man handelt viel zu oft nicht den Einsichten entsprechend. Der Grund: Zum rationalen Verstehen muss immer auch emotionales Verstehen hinzukommen. Und das ist oft nicht der Fall. Viel zu viel Wissen lässt einen kalt. Hat aber der Verstand von Anfang an seine Wurzeln in der Einfühlung und entwickelt er sich durch Einfüh lung, dann wird diese Kluft kleiner.

Zurück zum Willen: Ein wichtiger Punkt ist der, auf den Johannes Greiner in seinem Impulsbeitrag hingewiesen hat: Der Körper der Kinder bietet oft Hindernisse für den Willen. Wie ist das zu verstehen? Jedes Kind hat einen Körper, den es über die Keimbahn von seinen Eltern und Grosseltern gene tisch vererbt bekommen hat. Aber das Kind ist eine andere Individualität als seine Eltern. Es ist nicht eine Kopie seiner Eltern. Deshalb passt der ver

«Die Gefühle sind die Plazenta für den sich entwickelnden Verstand vor seiner Geburt.»
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Zürich
Rudolf Steiner Schule

erbte Leib nie ganz zur Individualität des Kindes. Er passt mal mehr, mal weniger gut. Jede Individualität ver suche deshalb – so Rudolf Steiners Beobachtung – die vererbten Bedin gungen so zu verändern, dass sie bes ser zur Individualität passen. Das sei en meist nur kleine Veränderungen in den Mikrostrukturen der Organe, aber sie seien durchaus wichtig, denn sie betreffen das funktionale Zusammen spiel der Organe.

Man kann das vergleichen mit dem Vermieten einer möblierten Wohnung. Ich habe eine Zeit lang eine Wohnung möbliert vermietet und war der Auf fassung, dass sie sehr schön eingerich tet war. Aber jeder, wirklich jeder Mieter hat nach kurzer Zeit die Möbel umgestellt und anders arrangiert. Einer der Mieter kam aus Indien. Er schlief lieber auf dem Boden und räum te mein Naturholzbett komplett weg. Mit anderen Worten: Was für mich passte, passte noch lange nicht für die Mieter. Mit dem eigenen Körper – so Rudolf Steiner – verhalte es sich ähn lich. Was von den Eltern stammt, passt noch lange nicht für die Individualität des Kindes. Und so wie der Mieter die Wohnung umräumt, so räumt auch jede Individualität den von den Eltern vererbten Körper um. Das Umräumen einer Wohnung geschieht dabei durch aus nach ästhetischen Gesichtspunk ten. Jeder Mieter schaut beim Umräu men mehr oder weniger mit einem künstlerischen Blick und fragt sich nicht nur, was für ihn zweckmässig ist, sondern auch, welches Arrange ment so aussieht, dass es ihm gefällt. Auch den eigenen Leib – so Rudolf Steiner – gestalte die Individualität für sich um wie ein Künstler. Jede Indivi dualität versuche, sich den vererbten Leib passend zu machen wie ein Maler, der an der einen Stelle seines Bildes vom Rot etwas wegnimmt und an einer anderen Stelle das Licht ein wenig verstärkt. In ähnlicher Weise werde das feine Zusammenspiel der Organe vom überbewussten Ich künstlerisch verändert.

«Die Individualität des Kindes taucht in den ersten Jahren des Lebens so stark in die Sinnes-

wahrnehmungen ein, die sich auf seinen Leib auswirken, dass daraus überbewusst der Impuls wird, die Gestaltung des Leibes selbst vorzunehmen.»

Diese aktive Umgestaltung des Leibes vollziehe sich, so Rudolf Steiner, ver stärkt ab der Schulreife. Vor der Schul reife werde das Kind durch die Sinnes wahrnehmungen passiv geprägt. Die Welt vibriert im Kind nach und arbei tet auf diese Weise am Leib. Nach der Schulreife will dann die Individualität selbst aktiv werden und die Gestaltung des Leibes nicht mehr nur der Welt überlassen, sondern selbst in die Hand nehmen. In diesem Schritt von der passiven Hingabe zur aktiven Gestal tung liegt übrigens eine Grundgesetz mässigkeit: Auf Hingabe folgt Gestal tungswille. Auf das Beobachten folgt unwillkürlich der Impuls des Selbermachen-Wollens. Ein Bildhauer sieht die Gestalten der Menschen (oder der Tiere) und taucht dabei dermassen tief in die Formen und ihre Kräfte ein, dass er sie selbst gestalten will. Darin be steht gerade die Begabung zum Bild hauer: In die Formkräfte der Welt so stark einzutauchen, dass daraus der Impuls zum Gestalten hervorbricht. Die Individualität des Kindes taucht in den ersten Jahren des Lebens so stark in die Sinneswahrnehmungen ein, die sich auf seinen Leib auswirken, dass daraus überbewusst der Impuls wird, die Gestaltung des Leibes selbst vor zunehmen – wie ein Künstler. Aber dazu – so Rudolf Steiner – brauche die Individualität die richtige seelischgeistige Ernährung. Sie brauche als Ernährung das Künstlerische, denn sie will als Künstler am vererbten Leib arbeiten. So wie das kleine Kind als Säugling in der Muttermilch alle Nähr stoffe erhält, die es benötigt, so brau che die Individualität des Kindes von der Schulreife an eine «seelisch-geis tige Milch», die alles enthält. Das Kind will den «bereits von den Eltern möb lierten» Leib umgestalten, und sein stiller Ruf an die Lehrerin oder den Lehrer klingt so: «Bitte gib mir alles, was du mir geben willst, in der Form der Kunst. Lass uns von Künstler zu Künstler sprechen. Ich brauche das für meine wichtigste Arbeit: die Umge staltung meines Leibes, damit der ver

erbte Leib besser für mich passt. Gib mir bitte solche seelisch-geistige Ernährung, durch die ich als gestal tender Künstler gestärkt werde. Tust du das nicht, so ist meine seelisch-geis tige Ernährung ungeeignet für meine Hauptaufgabe und ich kann dann diese Aufgabe nicht so bewältigen, wie ich es eigentlich will, und das schwächt dann meinen Willen.»

«Der Leib verhält sich zur Individualität wie ein Instrument zum Musiker.»

Das aber heisst: Kunst ist nicht etwa bloss eine nette Zugabe zur Pädagogik, gleichsam der Nachtisch zum Haupt gericht, sondern das entscheidende seelisch-geistige Nahrungsmittel in der Grundschulzeit schlechthin. Dem Künstlerischen in der Schule ein Aschenputtel-Dasein zubilligen, das kann man nur, wenn man von der Be deutung der Kunst für die Entwicklung der Individualität nichts weiss. Die Kunst soll dem Kind helfen, seinen Leib sich selbst passend zu machen, damit das Kind als Erwachsener seine eige ne Mission nicht nur finden, sondern auch umsetzen kann. Denn ein Mensch, der in seinem Leib kein passendes Instrument für seine Ziele hat, der hat es schwerer, seine Ziele zu verwirk lichen. In einem Vergleich gesprochen: Der Leib verhält sich zur Individualität wie ein Instrument zum Musiker. Wenn eine Geigerin eine eher kleine Hand hat und wenn die Mensur des Griff brettes ihrer Geige auch nur ein wenig zu gross ist, wird sich die Künstlerin dadurch immer eingeschränkt fühlen. Das Instrument mag noch so gut sein, es passt nicht perfekt zu ihrer Hand. Beim Instrument des Leibes ist es da nicht viel anders: Passen die Organverhältnisse nicht in der Weise zusam men, wie man sie braucht, kann auch die Individualität aus eigener Willens kraft nur eingeschränkt das entfalten, was sie in sich trägt.

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Impulse, Weiterbildung, Ausbildung für anthroposophische Jugendpädagogik

Text: Jean-Claude Baudet (Oberstufenlehrer und Mitglied der Seminarleitung)

Am 22./23. November 2022 ist mit einer Tagung zum Thema «Jugendpädagogik und Willensbildung» das «Seminar Atelierschule – Impulse, Weiterbildung, Ausbildung für anthroposophische Jugendpädagogik» eröffnet worden. Mit dieser Veranstaltung ist auch gleich manifest geworden, welches Ziel das Seminar für das aktuelle Schuljahr vorlegt: Die Organisation von Weiterbildungsveranstaltungen für die Zürcher Steiner Schulen und weitere Interessierte. Der eigentliche Seminarbetrieb startet im August 2023 – doch davon später. Zuerst soll es in diesem Text darum gehen, welche Impulse zur Gründung geführt haben und wie dieses Seminar gestaltet sein soll.

Im Verlauf meiner rund 30-jährigen pädagogischen Tätigkeit habe ich viel fältige Formate der Weiterbildung erleben dürfen: Vorträge von erziehungs wissenschaftlichen Koryphäen, Work shops, Impulse von KollegInnen und andere Veranstaltungen. Jedes Mal habe ich mir anschliessend überlegt, was diese Weiterbildungen bei mir be wirkt haben: Waren sie nachhaltig? Wenn ja, warum? Wenn nicht, was hat gefehlt bzw. was ist verfehlt worden? Und zunehmend habe ich das Gefühl und mit der Zeit die Gewissheit ent wickelt, dass bei den meisten Weiter bildungen meine Bedürfnisse und Fragen

nicht wahrgenommen oder gar gestillt werden. Oft habe ich mich in meiner pädagogischen Tätigkeit zwar bestätigt gefühlt, aber keine weiterführenden Ideen und Gedanken mitzunehmen ver mocht. Zudem habe ich mit zunehmender Berufserfahrung oft die Seite gewechselt, bin zum Mentor, zum pädagogischen Begleiter jüngerer oder neuer LehrerInnen geworden – und auch da hat sich mir diese Frage je länger, je drängender ge stellt: Erfülle ich die Bedürfnisse, höre ich die Fragestellungen meiner KollegInnen? All diese Bedenken und Wahrnehmungen sind schliesslich in der Frage kulminiert: Wie soll, wie muss Weiter

Das neue
Atelierschule:
Seminar
Im Fokus
BG Atelierschule 16 Rudolf Steiner Schule Zürich

bildung gestaltet werden, damit sie bei den Teilnehmenden (aber eben auch bei den Dozierenden, den Begleiten den!) Impulse zur Veränderung, zur Ent wicklung ihres pädagogischen Handelns führen?

Diese Frage stellt sich – aus meiner Sicht, die auch 20 Jahre Erfahrung an der staatlichen Schule miteinschliesst –an einer Rudolf Steiner Schule und da insbesondere an der Oberstufe noch dringlicher. Geht es hier doch gemäss unserer Pädagogik darum, im Kind, im Jugendlichen das Zukünftige, den persön lichen Willensimpuls für das begonnene Erdenleben erkennen und sogar – da dies oft noch sehr verborgen ist – erlösen zu können: Ein Anspruch an die PädagogInnen, der nicht genug hoch einge schätzt werden kann. Allerdings bedarf es dazu einer besonderen Haltung der Lehrerin bzw. des Lehrers als unermüd lich suchender und sich selbst entwi ckeln wollender Mensch. Die Grundlage hierzu ist ein Begriff, der heute nicht ganz unbelastet ist: Die Selbsterziehung (die heute oft mit Selbstverwirklichung verwechselt wird). Also eine persönliche, täglich stattfindende Auseinanderset zung mit den eigenen Motiven und mit der Evaluation des (nicht nur pädago gischen!) Auftretens, Handelns und Wirkens. Das Werkzeug dafür ist die Phänomenologie, also das eigentliche Verfahren zur unvoreingenommenen wissenschaftlichen Erforschung von Phänomenen, Abläufen, Handlungen und Erfahrungen. Konkret geht es um die permanente Erwägung der Frage: Welche Reaktion habe ich auf welchen Reiz gezeigt und warum?

Wie also wollen Menschen, die an sich selbst tägliche Entwicklungsarbeit leis ten, für ihre pädagogischen Aufgaben mit Kindern und Jugendlichen geschult, gebildet werden? Tragen sie nicht auch unerlöste Fragen in sich herum, die ge hört, wahrgenommen und impulsiert werden wollen? Und wie begleite ich solche KollegInnen, damit sie in ihrem pädagogischen Wirkungskreis ihr Instrumentarium zu erweitern vermögen – nicht nur gedanklich, sondern direkt und konkret in ihrem Tun und Handeln? Und zwar schon am nächsten Tag? Was höre ich doch oft nach interessanten Referaten und Workshops: War ja toll, aber warum unterrichte ich morgen schon wieder so wie gestern und heute?

Und vergessen wir bei dieser Frage nicht diejenigen KollegInnen, die noch allzu fest mit den täglichen Lebensauf gaben beschäftigt sind und sich die Selbsterziehung noch nicht zum tägli chen Brot machen konnten: Wie impul siere ich diese, damit sie schon morgen beginnen, auf kleinem Feuer ihre per sönliche tägliche Entwicklungsarbeit zu starten?

Diese Erfahrungen und Überlegungen sowie die Wahrnehmung, dass an den Rudolf Steiner Schulen (zu denen auch die Atelierschule gehört) die persönliche pädagogische Weiterbildung des Kol legiums auf sehr kleinem Feuer kocht, hat mich darüber nachdenken lassen, ob es auf dem Platz Zürich nicht einer anthroposophischen pädagogischen Weiterbildungsinstitution bedarf, die genau die erwähnten Fragestellungen aufgreift: Nicht belehrt, nicht referiert soll werden (ausser es würde ausdrück lich von Teilnehmenden gewünscht),

– Aufbau des Seminars im Schuljahr 22/23 (Entwicklungsjahr) und Organisation von Weiterbildungsveranstaltungen für die Steiner Schulen und weitere Interessierte

– Start des ersten ordentlichen, eineinhalb Jahre dauernden Ausbildungsganges im August 2023 mit einem Pilotjahrgang

– Dreijährige Versuchsphase des Seminars bis Ende Schuljahr 24/25 mit Defizitgarantie der beiden Schulvereine

– Administration und Verwaltung des Seminars werden bei der Atelierschule angesiedelt, ebenso die Website des Seminars (siehe unter atelierschule.ch). Daselbst wird ab Dezember 2022 auch die Ausschreibung für den ersten Ausbildungsgang aufgeschaltet sein.

– Die Seminarleitung besteht aus

• Henrik Löning (Hauptverantwortlicher, Atelierschule)

• Cornelius Bohlen (Atelierschule) und

• Jean-Claude Baudet (Rudolf Steiner Schule Zürich). In der Begleitgruppe, die als regelmässiges Echo-Organ der Seminarleitung waltet, sitzen Mitglieder der beiden Kollegien sowie ein Vorstandsmitglied des Schulvereins Atelierschule.

sondern es sollen die in den Pädago gInnen schlummernden Fragen, The men und Anregungen erlöst und ins Handeln überführt werden können. Also streckte ich vor gut einem Jahr meine Fühler nach den anderen Zürcher Steiner Schulen aus und stiess dabei bei der Atelierschule auf offene Türen: Da wurden in der Schulleitung dieselben Gedanken bewegt, und die Gründung eines eigenen Seminars erwies sich im mer deutlicher als eine Notwendigkeit für das Fortbestehen der anthroposo phischen Grundlage der Atelierschule. So fanden wir zusammen und machten uns in einer Arbeitsgruppe auf den Weg, gemeinsam mit den Vorständen der beiden Schulvereine sowie weiteren in teressierten KollegInnen. Schon bald zeigte sich ein klares Konzept für das Seminar:

Die Frage nach dem Namen des Semi nars kostete uns einige Stunden des Erwägens, des Verwerfens und der Einigung. Zuletzt blieben wir beim Namen «Seminar Atelierschule» stehen: Der Begriff Atelierschule ist schweizweit in der Steinerschul-Szene scharf umrissen, und es ist bekannt, wofür er steht. Ande re Vorschläge waren entweder zu wenig stimmig, zu umständlich oder zu gross spurig. Dass unsere Schule nicht im Seminarnamen aufscheint, mag da und dort Verstimmung hervorrufen. Doch ist nicht zu übersehen, dass Verwaltung und Verein der Atelierschule das orga nisatorische Gerüst für das Seminar stellen und letztendlich den Erstimpuls zur Seminargründung gegeben haben.

Mit unserem Seminar, das zukünftige Lehrpersonen der Sekundarstufen 1 und 2 für die Waldorf-Pädagogik ausbilden, aktiven Steiner Schul-Lehrpersonen eine persönliche Weiterbildung ermög lichen und weiteren Interessierten eine berufsbezogene Vertiefung in die Jugend pädagogik bieten will, gehen wir eine grosse Verpflichtung ein. Das Seminar Atelierschule soll nicht einfach eine wei tere Institution sein, die Inhalte vermittelt, sondern eben auch in der Erfüllung seines Zwecks wegweisend, suchend, sich entwickelnd, Fragen aufgreifend, erlösend sein. In diesem Sinne freut sich der Schreibende ungemein, sollten aus dem Kreis der LeserInnen dieses SPEKTRUM Ideen, Hinweise oder Fragen auf ihre Erlösung warten – melden Sie sich bei mir unter: jcbaudet@steiner schule-zuerich.ch

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Die Weichen für die Zukunft unserer Schule stellen

Einblick in den Organisationsentwicklungsprozess

Text: Birgit Purainer (Mitglied der Schulleitung)

«In Zeiten, in denen Niedergangskräfte dominieren, kommt es auf den ganzen Menschen an, auf den Entschluss, nicht mit dem Strom oder gegen den Strom zu schwimmen, sondern Neuland zu schaffen, in sich selbst und in seinem Wirkungskreis.»

Rudolf Steiner

Im Fokus
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Wie sichern wir die Zukunftsfähigkeit der Schule und was macht uns als Steiner Schule aus? Fragen, die wir im Kollegium in den Konferenzen und Klausurtagungen stetig diskutieren und bewegen, sind jene nach den Werten, Inhalten und Zielen, die wir verfolgen, ebenso, wie wir die Zusammenarbeit untereinander, mit den Eltern und mit den naheste henden Gremien gestalten möchten. Zusätzlich beschäftigen wir uns seit dem vergangenen Schuljahr intensiv mit den Strukturen und der Organisa tionsform unserer Schule und haben festgestellt, dass für viele Kollegiums mitglieder, die als selbstständig Erwer bende auch Mitglieder der Einfachen Gesellschaft sind, sowie auch für die angestellten KollegInnen weitreichende Fragen aufgetreten sind, zum Beispiel: Ist die Einfache Gesellschaft ein Konstrukt, das alle Beteiligten mittragen können und wollen, oder ist es eher eine Organisationsform, die uns schwächt und im Engagement hemmt? Trägt sie eventuell sogar zu einer Spaltung im Gesamtkollegium bei? Wie stellt sich das Verhältnis der Zusammenarbeit mit dem Vorstand dar? Sind hier die Struktu ren, Verantwortlichkeiten und Haftungs fragen geklärt?

Die erste Waldorfschule wurde 1919 auf Initiative des Fabrikanten Emil Molt in Stuttgart gegründet; er beauftragte Rudolf Steiner, ein pädagogisches Kon zept für diese Schule zu entwickeln. Entgegen manch anderen Vorstellungen hatte die erste Waldorfschule in den Anfangsjahren keine Selbstverwaltung im eigentlichen Sinn. Der Rahmen und die Kompetenz der «kollegialen Füh rung» wurden vom offiziellen Leiter der Schule, Rudolf Steiner, vorgegeben. Gewisse Aufgaben wie die Personal führung, Planung des Schulalltages und die Organisation lagen klar in den Hän den von Rudolf Steiner. Somit kann die Führung der ersten Waldorfschule nicht als klassische Selbstverwaltung gesehen werden. Jedoch betonte Rudolf Steiner, dass die Lehrpersonen in die Führung und Organisation der Waldorfschule zwingend eingebunden sein müssen:

«Das wird nur zu erreichen sein, wenn jeder seine volle Persönlichkeit einsetzt. [...] Deshalb werden wir die Schule nicht regierungsgemäß, sondern verwaltungs gemäß einrichten und sie republikanisch verwalten. In einer wirklichen Leh rer-Republik werden wir nicht hinter uns haben Ruhekissen, Verordnungen, die vom Rektorat kommen, sondern wir müssen hineintragen dasjenige, [...] was jedem von uns die volle Verantwortung gibt für das, was wir zu tun haben. Je der muss selbst voll verantwortlich sein.» (Rudolf Steiner: Allgemeine Menschen kunde als Grundlage der Pädagogik. Dornach 1991, GA 293, S. 14.)

Die Steiner Schulen wollen und sollen als Schulen mit bestimmten, an der Anthroposophie orientierten Grundsätzen ver standen werden. Die obengenannte Aussage Rudolf Steiners hat für uns Bestand und will weitergelebt werden. Wir haben den Anspruch, die Schule durch eine innerlich getragene und ge stärkte Selbstverwaltung zu führen, in der sich die Mitglieder aktiv beteiligen, gestalten und mitwirken können. Das bedeutet aber auch, dass die Selbst verwaltung entwicklungs- und hand lungsfähig bleiben muss und den einzelnen Mitgliedern auch den rechtlichen Schutz für ihre Handlungen bieten muss. Ob die Organisationsform der Einfachen Gesellschaft dies leisten kann, ist stark von uns in Frage gestellt. Für diese Fragen müssen wir zukunftsorientierte Lösun gen entwickeln. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, als gesamtes Kolle gium, gemeinsam mit dem Vorstand, eine Entwicklungsarbeit im Rahmen eines Organisationsentwicklungspro zesses zu beginnen. Für die professio nelle Begleitung dieses Prozesses haben wir die Organisationsberatung Trigon (www.trigon.at) beauftragt.

Die Klausurtagung vor Beginn dieses Schuljahres haben wir für den Einstieg in die Arbeit am Organisationsentwick lungsprozess, geleitet durch Harald Jäckel (Trigon), genutzt und die VertreterInnen des Elternrates und die Vor standsmitglieder dazu eingeladen.

In einer sehr inspirierenden und zu kunftsgewandten Atmosphäre haben wir eine erste Diagnose der Schulsituation als Ausgangspunkt für die geplante Schulentwicklung anhand verschiedener Fragen erstellt.

Nach einer intensiven Gruppenarbeit und Vorstellung der Ergebnisse wurde eine Verdichtung der Ergebnisse vor genommen und somit Themen und Ziele für die Schulentwicklung heraus kristallisiert. Es haben sich Themen gruppen gebildet, die inhaltlich im Rahmen von Prozessgruppen an diesen Themen arbeiten werden.

Es wurden sechs Projektgruppen prio risiert, und zu jedem Projekt haben Men schen Projektverantwortung übernom men. Die Themen der Projektgruppen beinhalten verschiedene Bereiche – von der Identitätsbildung, der Professiona lisierung bis hin zur Findung einer neu en Rechtsform. Es ergaben sich auch weitere wichtige Ziele der Schulent wicklung der RSSZ, die in der Priorisie rung, aber nicht im Fokus stehen und später aufgegriffen werden sollen.

Für die Arbeit der Projektgruppen haben wir die Konferenz umgestaltet und ein festes Traktandum «Projektgruppen arbeit» eingeführt, so dass diese Arbeit innerhalb der Konferenzzeit stattfinden kann. Auch der Vorstand hat eine Arbeit mit dem Organisationsberater Harald Jäckel gestartet. Ebenfalls ist uns die Einbindung der Elternschaft in den Pro zess wichtig und in einem nächsten Schritt geplant.

Dieser Prozess fordert uns viel ab – Vieles ist in Bewegung, Vieles wird in Frage gestellt. Was wir jetzt schon erkennen können, ist, dass sich das Kollegium durch die gemeinsame Arbeit an diesen wich tigen Themen besser wahrnimmt, mehr in den Austausch kommt und sich neue Formen der Zusammenarbeit bilden. Über die weitere Entwicklung dieses Prozesses werden wir Sie kontinuierlich informieren.

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Menschen an unserer Schule

Herzlich willkommen, lieber Stefan Eugster Stamm!

Mein Name ist Stefan Eugster Stamm. Ich bin in einem kleinen Dorf an der Aare nahe bei Lenzburg aufgewachsen. Bis zur Steiner Schule Schafisheim lag nur ein Dorf dazwischen. Meine Eltern diskutierten einen Übertritt, da ich mich vor allem für all das interessierte, was ausserhalb des Schulfensters passierte. Es kam aber nicht zum Schulwechsel, sodass sich die Berührung mit dem An throposophischen später ereignete.

Nach einer KV-Lehre suchte ich in einem Behindertenheim als Hilfsbetreuer neue Horizonte. Ich erklärte dem Personal chef im Bewerbungsgespräch, dass ich Fotograf werde, davor aber von der Erfahrung in der Arbeit mit Menschen lernen wolle. Lachend gab er mir meinen ersten Arbeitsvertrag. Diese Aufgabe empfand ich sinnstiftend. Nach zwei Jahren wechselte ich ins Studium an der Höheren Fachschule für Soziale Arbeit in Basel. Aus- und Weiterbildun gen in Coaching, Change- und Projekt management und u.a. auch eine Ver fahrensschulung in «Wege zur Qualität», dem anthroposophischen Qualitäts verfahren, folgten.

Mit meiner Frau Barbara lebe ich seit 30 Jahren in Basel. Unsere Kinder be suchten die Rudolf Steiner Schule Jakobsberg. Uns überzeugten die Pädagogik, die tragenden Rituale sowie die Zusammenarbeit zwischen Lehr kräften und Eltern. Gerne engagierte ich mich im Elternrat und anschliessend im Vorstand. Kurz darauf lebten wir als Familie ein Jahr in Australien; dort be suchten unsere Kinder die örtliche High School. Beide sind unterdessen erfolg reich im Berufsleben angekommen.

2004 übernahm ich die Geschäftsfüh rung einer kleinen Organisation im so zialpsychiatrischen Bereich mit zwölf Mitarbeitern. Zuvor baute ich ein spezi fisches Angebot für Jungerwachsene innerhalb der Organisation auf. Der Betrieb reflektierte seit 2000 ihre Tätig keit nach «Wege zur Qualität». Dieser Einfluss sowie meine Motivation waren verantwortlich, dass sich dieses Unter nehmen sukzessive zu einer selbstfüh renden Organisation entwickelte und gleichzeitig auf über 120 Mitarbeitende anwuchs. 2016 transferierte ich den

Gesamtbetrieb radikal in eine «teal organization», einem Modell nach Frederic Laloux.

Ende 2021 trat ich bewusst als Ge schäftsführer zurück und war somit bereit für eine Veränderung. Die Be gegnung mit der Rudolf Steiner Schule Zürich fühlte sich von Beginn richtig an! Ich freue mich ausserordentlich, ein Teil dieser Schule zu werden und meine viel seitigen unternehmerischen und per sönlichen Erfahrungen im Sinne der Aufgabe einzubringen.

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Maurus und Andrea!

Maurus Johnson hat im August 2016 die erste Klasse unserer Schule als Klassenlehrer übernommen und sie mit grossem Engagement und Verbunden heit bis zum Ende der sechsten Klasse und somit bis zum Übertritt in unsere Oberstufe begleitet. Sein Weg führte nun weg von unserer Schule hin zu neuen beruflichen Herausforderungen.

Andrea Corsi hat im August 2020 als Epochen- und Fachlehrer für die natur wissenschaftlichen Fächer begonnen. Nach kurzer Zeit hat er zusätzlich die Klassenführung einer Oberstufenklasse übernommen. Mit Abschluss des ver gangenen Schuljahres durfte Andrea Corsi seinen frühzeitigen Ruhestand antreten.

Wir danken Maurus Johnson und Andrea Corsi herzlich für den Einsatz, den sie für unsere Schule geleistet haben, und wünschen ihnen alles Gute für die Zukunft!

Der Zürcher Faustbecher aus Sterling Silber 925, von Hand gehämmert in unserer eigenen Werkstatt mit einem ziselierten Symbol im Boden: www.spitzbarth.com Spitzbarth Juwelier | Neumarkt 8 | 8001 Zürich | 044 340 00 08

Sonne Entstehung Mond Hoffnung Feuer Energie Spirale Leben

Auf Wiedersehen,
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Innen und Aussen

Bashing Steiner

Der Unterschied zwischen Verstehen und Verstehen wollen

Das Gesamtwerk von Steiners Schriften und Vorträgen (6000 Vorträge) umfasst etwa 350 Bände; 625 Hefte, 7044 No tizblätter – und mehr als 2500 Briefe sind noch in Bearbeitung. Was den künstleri schen Korpus – Malerei und Architektur –betrifft, so haben verschiedene inter nationale Dokumentationen von Kassel bis Venedig und Tokio die Herausforde rung Steiners bereits angenommen. Viele anthroposophische Publikationen haben seine Vorträge und Initiativen interpretiert, und viele andere Publika tionen haben versucht, eine intellek tuelle Täuschung, einen philosophischen und politischen Dilettantismus nach zuweisen. Es stellt sich heraus, dass nicht der Mensch Rudolf Steiner prob lematisch ist, sondern dass sein Werk und seine Aussagen, seine Absichten und seine Projekte den Rationalismus und eine positivistische Wissenschaft weiterhin irritieren. Unermüdlich hat Steiner auf das Potenzial eines leib freien Denkens aufmerksam gemacht.

Von der akademischen Welt jahrzehn telang ignoriert, hat sich in der wissen schaftlichen Community und der öffent lichen Meinung heimlich ein SteinerBashing etabliert.

Wenn es darum geht, wirklich etwas zu wissen und zu verstehen, gibt es einige grundlegende Kriterien, die berücksich tigt werden müssen: eine vorurteilsfreie Herangehensweise an das Thema, eine dem Forschungsgegenstand angemes sene Untersuchungsmethode, eine Kontextualisierung des behandelten Themas, eine Definition des Forschungs motivs und eine Transparenz der Quel len und der bereits veröffentlichten Studien zu diesem Thema. Dies ge schieht derzeit mit der systematischen kritischen Untersuchung von 36 schrift lichen Werken Steiners.

Text: Robert Thomas (Präsident Steiner Schulen Schweiz)
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Rudolf Steiner Schule Zürich

«Ob Steiner mit seinen Warnungen und Vorhersagen Recht behalten wird oder nicht, kann vor dem Forum der Wissen schaft, die nur das Bestehende und Vergangene ins Auge zu fassen vermag, selbstverständlich nicht entschieden werden. Der Flug der Minerva beginnt, wie schon Hegel wusste, immer erst in der Dämmerung, wenn ‹eine Gestalt des Lebens alt geworden› ist, und erst eine Wissenschaft der Zukunft wird darüber richten können. Sollte er richtig gelegen haben, so dürfte seinem Lebenswerk für die von ihm anvisierte Wissenschaft des sich entwickelnden

Geistes eine ähnliche kulturgeschicht liche Bedeutung zukommen wie dem Werk eines Aristoteles in der Geschichte der Philosophie oder dem eines Darwin in der Naturwissenschaft. Aber auch wenn Steiner sich grundlegend geirrt haben sollte, wird seine Vision als einer einzigartigen geistigen und kulturellen Leistung und kühnem und umfassen dem Entwurf einer besseren Welt ein Platz in der Geschichte der grossen Gedankenleistungen gesichert sein. Gleichgültig aber, ob Steiner Zukunfts vision sich als prophetische Vorhersage oder als Fehleinschätzung erweisen

wird: Die akademische Wissenschaft der Gegenwart hat sich heute, nach einem guten Jahrhundert der nur zögerlichen Auseinandersetzung, der ‹Herausforderung Steiner› in einer ihr angemessenen Weise anzunehmen.

Indem im Jahr 2025 der einhundertste Todestag dieses ausserordentlichen Denkers und Kulturschöpfers heran rückt, ist sie aufgefordert, sich dem Steinerschen Werk endlich mit ihren besten Kräften zu stellen und ihm auf Augenhöhen zu begegnen.»

So schliesst Christian Clement die Ein leitung des Bandes, der den frühen Schriften Steiners gewidmet ist. Es ist interessant, festzustellen, dass diese wissenschaftliche Publikation, deren Methodik Polemik und Dilettantismus einer populistischen und ideologischen Schrift ausschliesst, praktisch 100 Jahre nach Steiners Tod erscheint.

In einem der Bände, der einer herme neutischen Studie des Denkens Steiners in seiner Beziehung zu Goethes Werk (Grossherzogin-Sophie-Ausgabe in Wei mar und Kürschner-Ausgabe) gewidmet ist, kontextualisiert Christian Clement die Entstehung des schriftlichen Werkes Rudolf Steiners und seine Prämissen; bisher sind acht Bände (zehn Bücher) erschienen (Philosophische Schriften; Intellektuelle Biographie; Schriften zur Geschichte der Philosophie; Schriften zur Mystik, zu den antiken Mysterien, zur Religionsgeschichte; Anthropologi sche Schriften; Schriften zu einer epis temologischen Erkenntnis; Kosmologi sche Schriften) und acht weitere sind beim renommierten Verlag frommannholzboog in Vorbereitung. Der gegen wärtige Wissenschaftler und Leser ist sich dieses erklärenden Ansatzes noch nicht bewusst, der es ihm ermöglicht, seinen wissenschaftstheoretischen An satz und seine grundlegende Frage nach dem Konzept der Materie besser zu verstehen. Es ist wohl überraschend, dass diese Steinersche Untersuchung mit der von Merleau-Ponty (Philosophie der Wahrnehmung), Michel Foucault

(Die

Das 19. Jahrhundert begann mit dem Erbe Kants und endete mit dem von Darwin und Haeckel, das 20. Jahrhun dert begann mit Einstein und endete mit Solschenizyn. Erkenntnis ist nicht mehr eine Frage abstrakter Überlegun gen über das Mögliche, sondern ist eminent mit den Forschungen der grundlegenden Physik (dem Quanten modell beispielsweise) und der sozialen Frage verbunden. Steiners Erkundungen untersuchen die Grundlagen des Erkennt nisprozesses in ihrer unmittelbaren Be ziehung zur Freiheit und Verantwortung des Menschen.

Der Ausdruck «Nur was fruchtbar ist, ist wahr» wird Steiners Mentor Goethe zugeschrieben, und tatsächlich sind es die Praxis eines Projekts in der greif baren Wirklichkeit und seine mittel- und langfristigen Folgen, die seinen ethi schen, sozialen und wissenschaftlichen Wert beweisen.

Bisher erschienen viele aus dem Zu sammenhang gerissenen Zitate, die bei einem so gesprächigen Autor leicht zu finden sind, falsche Behauptungen, zweifelhafte Interpretationen, die oft kolportiert und nicht überprüft werden, und angepasste Empörung für einen Ethnologen unserer westlichen Kultur als eine Form von intellektuellem Mob

bing, denn was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Ob Steiner Recht hat oder nicht, ist nicht die Frage, aber das, wovon er spricht, ist wesentlich in die sem Jahrhundert der existenziellen Herausforderungen, die einen gewissen Höhepunkt zu erreichen scheinen: Eine radikale Zerstörung des materiellen und organischen Substrats des Planeten innerhalb weniger Jahrzehnte ist ein zigartig in dem evolutionären Prozess, den wir kennen.

Das noch junge Konzept des Anthro pozäns legt den Finger auf die indivi duelle Verantwortung des Phänomens Mensch (T. de Chardin: le phénomène humain). Jedes Jahr verschwinden mehr als 26 000 Tier- und Pflanzenarten von der Erdoberfläche. 15 bis 37 Prozent der weltweiten Biodiversität werden bis 2050 allein durch die globale Erwär mung verloren gehen (15 000 Tierarten überleben, die Hälfte der Meeresarten ist verschwunden, 3 Milliarden Vögel gibt es nicht mehr, 75 Prozent weniger Insekten in Europa könnten täglich in den Schlagzeilen stehen). Gibt es eine Art des Denkens und Handelns, die realitätsfremd und veraltet geworden ist? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war dieser Trend noch nicht klar erkennbar. Es gab einige Stimmen, die in die Zu kunft blickten, darunter auch Steiner.

Anarchist, Mystiker, Individualist, Staatsfeind, Antisemit oder Jude, je nach Opportunismus des Augenblickes, Nonkonformist, Okkultist, Internatio

Hermeneutik des Subjekts), Gilles Deleuze und auf einer anderen Ebene auch mit der eines Heinrich Pestalozzi übereinstimmt.
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nalist sind die wenigen Bezeichnungen, die man rund um Steiners Werdegang findet. Einige Bewunderer, ausserhalb der anthroposophischen Szene, sind hauptsächlich Künstler (Kandinsky, Mondrian, Bruno Walter, Selma Läger lof, Kafka, Stefan Zweig, Saul Bellow, Joseph Beuys). Es ist bezeichnend, dass es zunächst solche Sensibilitäten waren, die bei Steiner einen Ansatz wahrnah men, der ihrem eigenen nahekommt, einen Ansatz, der die spirituelle Welt anschauung erweitert und eine Stag nation des menschlichen Wissens und Handelns verhindert. Es ist in der Tat Steiners philosophischer Grundkampf, Methoden des künstlerischen Ansatzes in die wissenschaftliche Forschung ein zuführen, damit diese nicht nur auf die mathematische Interpretation reduziert wird. Es gibt kein Entweder-Oder, son dern sowohl das Eine wie auch das An dere. «Nur die Kunst wird die Welt ret ten », «Die Zukunft wird spirituell sein oder nicht», Dostojewski und André Malraux haben sich wahrscheinlich nicht die nachhaltige Relevanz ihrer Aussagen vorgestellt, die Steiner in konkrete Projekte umsetzte.

Die von einer politisch und finanziell mächtigen Agrarindustrie marginali sierte biodynamische Landwirtschaft hat jedoch durch systematische Lang zeitforschung bewiesen, dass biodyna misch bewirtschaftete Böden mehr Humus enthalten, eine höhere biologi sche Aktivität aufweisen, artenreicher

sind und weniger Treibhausgase produ zieren. In biologisch bewirtschafteten Böden ist die Masse der Mikroorganis men um etwa 30 Prozent und in bio dynamisch bewirtschafteten Böden um etwa 60 Prozent höher als in konven tionell bewirtschafteten Parzellen. Die se Art der Landwirtschaft vitalisiert die Böden, kultiviert die Agrargesundheit und entwickelt seit 100 Jahren eine qualitativ hochwertige biologische Landwirtschaft.

Die anthroposophische Medizin erwei tert die therapeutischen Instrumente, die in erster Linie das Immunsystem und die Lebensqualität des Patienten in Form einer Salutogenese stimulieren, und ihre soziale Akzeptanz wird von der Mehrheit der verschiedenen europäischen Bevölkerungen weitgehend befürwortet. Diese Medizin verfügt auch über eine anerkannte klinische Erfahrung mit langfristigen chronischen Erkrankungen und dem sparsamen Einsatz von Antibiotika. Sie bietet nicht nur eine Therapie, die die der Schul medizin ergänzt, sondern auch eine Arzneimittellehre zur Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten.

Die Waldorf-Pädagogik, die in mehr als 50 Ländern mit über 2000 Kindergärten und 1200 Schulen (davon 30 in der Schweiz) praktiziert wird, zeigt ihre Anpassungsfähigkeit an verschiedene Bildungssysteme mit einem einzigartigen pädagogischen Profil; sie wird

Spekt Spektrum um Unterstützen Siedas

entweder toleriert oder marginalisiert. Sie orientiert sich in erster Linie am Alter der SchülerInnen, vermittelt einen vielfältigen Unterricht in den Bereichen Wissenschaft, Kunst und Handwerk und stellt das einzelne Kind und den einzel nen Jugendlichen in den Mittelpunkt ihrer pädagogischen Methode. Seine ganzheitliche und spirituelle Sicht des Menschen schafft ein verlässliches schu lisches und soziales Umfeld, das den grundlegenden Erwartungen der Eltern entspricht (Quelle: Barz, H. (Hrsg), 2019: Bildung und Schule). Die schulischen Erfolge müssen nicht mehr aufgezählt werden. Bei der Hundertjahrfeier dieser Pädagogik im Jahr 2019 in Berlin wurden die Vorteile der Vergangenheit dieser Praxis gut dokumentiert.

Die Frage, die sich aus den oben ge nannten Begriffen ergibt, ist die nach dem intellektuellen und praktischen Austausch zwischen verschiedenen Denk- und Bewertungssystemen, die beide einen klaren, neuen und frischen Blick erfordern; die Scheuklappen der Vergangenheit stehen nicht mehr auf der Tagesordnung der heutigen Debat ten; der Dialog zwischen tauben Ohren von gestern kann sich in eine Form des Dialoges verwandeln, die eine gemein same Basis schafft, die es ermöglicht, besser verstehen zu wollen: Die Gene rationen der Zukunft werden uns dafür dankbar sein.

Das Spektrum sind die Mitteilungen der Rudolf Steiner Schule Zürich; es wird weiterhin kostenlos an alle InteressentInnen und Organisationen verteilt.

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Wo sich auch ehemalige Steiner Schüler wohlfühlen.

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Vielen herzlichen Dank für Ihren aktiven Beitrag, Freiräume zu schaffen – für eine Schule der Zukunft!

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MozartseinZauberflöte: Juwel für die Pädagogik

Interview: Birgit Purainer und Stefanie Wolff-Heinze

Schon lange trug Peter Appenzeller, Musikpädagoge an unserer Schule und Mitbegründer der Freien Musikschule Zürich, die Idee im Herzen, die berühmte Oper «Die Zauberflöte» von Wolfgang Amadeus Mozart mit der gesamten Schulgemeinschaft aufzuführen: «Gemeinsam zu singen, tut einfach jeder Schule gut!»

Nach intensiven Probemonaten war es dann Ende September soweit: In der Kirche Oberstrass erklangen die wundervollen Stimmen der ersten bis neunten Klasse – begleitet vom Elternchor, dem LehrerInnenKollegium und Instrumentalisten. Ein Gespräch über die Zeitlosigkeit einer über 230-jährigen Oper, Mysterienmusik sowie Höhen und Tiefen während der Proben.

Birgit Purainer (BP): Lieber Peter, warum ist deine Wahl ausgerech net auf die Zauberflöte gefallen? Weil sich die Zauberflöte in der Musik literatur als Stück anbietet, das für alle Altersstufen – angefangen von den willensstarken Erstklässlern bis hinauf zur neunten Klasse, die für solche Themen nicht leicht zu moti vieren ist – passend ist. In dieser Musik – das haben viele Waldorf pädagogen erkannt – liegen grossar tige Schätze, die durch den Text an geregt wurden. Aber in erster Linie ist die Zauberflöte Mysterienmusik!

Stefanie Wolff-Heinze (SWH): Kann man mit dem Märchenhaften auch ältere Schülerinnen und Schüler ansprechen?

Ja, selbstverständlich (lacht). Sogar die eher kritischen Schülerinnen und Schüler der siebten bis neunten Klasse gehen irgendwann mal mit. Man muss einfach gemeinsam gewisse Schich ten abbauen, bis man dann dort ist, wo es sie erfasst. Die Jungs werden eher vom inhaltsstarken Rhythmus mitgerissen und die Mädchen gehen mehr dem Gefühl nach, können in den Arien schwelgen und merken: «Das ist ja etwas, was ich auch kön nen möchte: die Königin der Nacht in ihrer Höhe singen.» Da sagt natürlich

jeder Gesangslehrer: «Könnt ihr mal grad vergessen.» Und wir Schullehrer sagen: «Nein, das vergessen wir sicher nicht! Weil es ja quasi aus dem Stand gelingt, wenn es in der Gruppe läuft und alle diese hohen Töne miteinander erreichen wollen. Sie können das – es ist einfach nur die Frage, wie man ihnen das vermittelt.

BP: Wie hast du die Aufführung für die unterschiedlichen Alters stufen aufgebaut? Welches Bild hast du entwickelt?

Das ist eine ganz wesentliche Frage, denn man muss schon erkennen: Es geht nicht alles für alle Klassen! In punkto Bild halten wir uns eher an

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den Papageno und seine Szenerien, weil das für die jüngeren Kinder sehr gut passt. Aber es fasst auch bei den Älteren: Denn der Papageno ist einer seits liebenswürdig, aber halt doch auch ein bisschen der Hanswurst, der alles darf und kein Prinz sein will. Sarastros Tempel ist für die älteren Klassen verständlicher. Ein wichtiger Schlüsselmoment ist die Einwei hungs-Szene: Wer ist eigentlich so weise, dass er bzw. sie an der Ein weihungs-Szene teilnehmen kann? Eigentlich sind es doch die Kleinen, denn sie sind unsere Weisesten. Nur jetzt nicht gerade mit dieser «Mozart schen» Musik, die da zur Einweihung erklingt. Aber die Kleinen – so war meine Überlegung – müssten doch in dieser Szene etwas beitragen dür fen. Darum habe ich ihnen ein Feuer lied, ein Wasserlied und auch ein Tierlied geschrieben, damit sie immer wieder etwas zu tun haben.

BP: Und wie sieht es in den anderen Altersstufen aus?

Das ist wirklich sehr individuell – da bin ich zum Beispiel dankbar um die se dreistimmigen Terzette, bei denen man die Kinder sinnvoll ins Mehr stimmige führen kann. Wenn man heute ein Terzett schreiben will, soll te man sich einfach an Mozart orien

tieren. Die dritten bis sechsten Klassen haben zusammen diese Terzette ge sungen, die drei engelhaften Knaben zugedacht sind. Diese Altersstufe er lebt eine Welt zwischen Himmel und Erde besonders. Die Tempelweisheit von Sarastro liessen wir die jungen Männer der siebten bis neunten Klasse singen. Taminos suchender Weg zum Tempel hin wurde durch die tenoralen Buben der sechsten Klasse ein drücklich wahr. Und ich bin beson ders dankbar, dass für den Chor der Priester und die beiden Schlusschöre auch Erwachsene mitwirkten.

SWH: Die Zauberflöte wurde 1791 uraufgeführt. Ist sie eigentlich noch zeitgemäss?

Sie ist zeitlos, denn auch bei den heu tigen Kindern merkt man: Wenn sie die Lieder singen, dann kommt von ihnen ein Echo: Die Melodien treffen bei ihnen auf. Diese Mysterien-Musik überdauert so viel. Man wird sie in vielen, vielen hundert Jahren noch singen. Denn wir brauchen diese Musik: Weil sie Kräfte in sich birgt, die frei werden durch das Singen. Das sind Kräfte, die zwischen den Tönen liegen, die in dem Aufbau einer Har monie liegen, in der fragenden Ver schiebung der Harmonien und wie der bejahenden Verschiebung der

Harmonien. Das sind musikalisch ganz tief geführte Prozesse, die Mozart uns da einfach so hinschreibt. Mozart hatte ein Leben hinter sich, voller Sinfonien und Opern. Er durfte bei der Zauberflöte innerlich quasi wieder Kind werden und mit dieser Reife ein Werk schreiben und so bestücken, dass eigentlich das Höchste durch diese Szenen hin durchtönt. Das wird immer zeitge mäss bleiben. Mozart wurde beim Komponieren weder thematisch noch zeitlich gehemmt; er musste keine Oper für einen König und dessen Krönung schreiben, sondern konnte fürs Volkstheater sein Herz öffnen und einfach schreiben.

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Rudolf

BP: Wie hast du die Zauberflöte bei den Kleinen und in der Oberstufe eingeführt?

Eigentlich ganz einfach: Die Klassen lehrpersonen in den unteren Klassen haben den SchülerInnen in Ruhe und mit viel Zeit alles erzählt und Bilder bücher dazu benutzt. Ich habe mög lichst wenig gesagt: Den Kleinen erzählte ich ein bisschen von der Geschichte und den Grossen nicht einmal das. Die Allermeisten kennen die Geschichte schon. Ich sang und spielte und versuchte, meine Freude altersgemäss weiterzugeben. Die einen verstehen schnell und die an deren sind halt ein bisschen abwä gend und verstehen es aber dann auch. In diesem Prozess bin ich nur der Vermittler, die Musik trifft auf diese Kinder-Seelen. Und diese Seelen sind ja so bereit! So vieles ist verschüt tet; aber das, was verschüttet ist, zer stiebt im Nu, wenn man die Kinder in diese Musik eintauchen lässt.

SWH: Was war für dich das Besondere an dieser Aufführung?

Eigentlich haben wir diese Oper zu einer Sing-Schule gemacht: Wir ha ben uns quasi miteinander durch gesungen – von den kleinsten Kindern bis zu den Eltern. Alle haben dazu beigetragen und konnten an dieser Musik mit ihren individuellen Fähig keiten teilhaben. Es war aus meiner Sicht wichtig, dass sich die Schule wieder einmal in so einer edlen At mosphäre erlebt hat, die natürlich genährt ist durch diese wunderbaren Persönlichkeiten, die alle in uns leben. Wir haben einen Prinzen, wir haben Papageno, wir haben die Königin der Nacht, wir haben den Sarastro in uns. Das Besondere war der wunderbare chorische Klang im geeigneten Kir chenraum, das grosse, innerlich mit erlebende Publikum und das überall spürbare Zusammenwirken.

BP: Um so eine grosse Aufführung auf die Bühne zu bekommen, braucht es so viel Organisation und Engagement. Du hast auch sehr viele weitere Menschen an der Schule mit ins Boot geholt. Hattest du manchmal die Befürchtung, das Projekt könnte scheitern? Nein, die hatte ich nicht – und darf ich auch niemals haben. Das ist mein Beruf, sonst hätte ich den schon lange an den Nagel hängen müssen. Man hat selbstverständlich Momente, in denen man zweifelt: Aber ich bin überall an der Schule auf so viel Verständnis und Unterstützung gestossen, dass für mich klar war: Es kann nicht scheitern. Es wird einfach ein biss chen besser oder weniger gut; das ist immer offen.

Mit ins Boot geholt habe ich meine KollegInnen, die an der Schule für die Musik verantwortlich sind: Amalia Montero, Isabel Oertig und Primoz Urbanc. Zu viert haben wir sozusa gen Hand in Hand diese Vorbereitung und Konzertführung geschafft. Hier nennen möchte ich auch Susannah Haberfeld, die uns als Sängerin viel –bis in die Regie hinein – geholfen hat, sowie KollegInnen der Freien Musikschule, weitere mit der Schule verbundene Musiker und die Pianistin Silva Christof, die uns begleitet hat. Alle Liebestaten aus dem Kollegium waren teilweise unschätzbar!

BP: Was mich von Anfang an fas ziniert hat, war der Gedanke, dass wir gemeinsam an etwas arbeiten. Jeder war willkommen – egal, mit welchen Fähigkeiten und mit wel chem Können. Das verbindende Element des Singens war unglaub lich. Dieses Mitschwingen beim anderen, dieses Mithören, dieses Wahrnehmen – das ist einfach faszinierend an der Musik. Und du hast mit allen Beteiligten deine unglaubliche Begeisterung geteilt Es wird mir nie langweilig werden, mit der Zauberflöte weiterzugehen. Es ist für mich so einfach, das trägt die Musik in sich. Und natürlich hat uns auch der Stoff geholfen, dass wir die Oper altersgemäss einteilen und den älteren Schülern die grösseren Auf gaben geben konnten, die dann mehr mit diesem Inneren zu tun haben.

SWH: Wie lange dauerten die Vorbe reitungs- und die Probezeit?

Wir hatten uns eigentlich das ganze Schuljahr vorgenommen und haben in der Hälfte des letzten Schuljahres angefangen. Dann haben wir die Pro benzeit über die Sommerferien hinweg gezogen. Weil somit die neunte Klasse wegbrach, mussten wir die neue Neunte sich einfinden lassen. Am Ende der Vorbereitungszeit folgte die Projektwoche, eine sehr intensive Zeit.

Die fünfte und sechste Klasse sind vor allem den Papageno-Weg gegangen. Die Sechste war unglaublich motiviert, und es war einfach richtig, dieser Klas se die Hauptrollen zu geben. Es können durch diese Musik auch Samen gesetzt werden, die erst später einmal aufge hen. Solche Impulse können – wie Steiner in anderen Zusammenhängen sagte – zu einem «Lebenserfrischungs quell» werden, auch wenn man schon vierzig Lebensjahre hinter sich hat.

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SWH: Was ist der Papageno-Weg?

Den Papageno-Weg geht man oft mit einer fünften und sechsten Klasse als Klassenprojekt. Da singen wir alle Melodien, die vor allem den Papageno betreffen, und den Schlusspunkt bil det dann das Duett mit der Papagena.

BP: Ich sehe in der Zauberflöte die Hoffnung und auch die Verzweif lung in der Geschichte. Ich sehe auch dieses Dranbleiben an etwas, was man möchte. Oder auch eben beim Papageno, der ja eigentlich daran verzweifelt, dass er es einfach nicht schafft, seinen Mund zu halten. Und eigentlich erkennt er erst viel zu spät, was er sucht. Aber er be kommt es dann doch noch. Es gibt zudem die Überzeugung, dass es Menschen und Umstände gibt, Dinge, die mir helfen. Das finde ich sehr tröstend; man kann die Zauberflöte in dem Sinne gefühls mässig aufnehmen .

Das von Immanuel Schikaneder ge staltete Märchen orientiert sich ja an der alten ägyptischen Zeit mit den Tempelweisheiten und den Göttern.

Da sind diese Prozesse zwischen Gut und Böse deutlich herausgearbeitet. Auch Wege, wie man sich geistig ent wickeln kann, werden dargestellt. Mozart und Schikaneder waren beide Freimaurer, die damals noch solch hohe Ziele verfolgten. Ich frage zu weilen die Schüler: «Bist Du standhaft? – Bist Du verschwiegen?» Auch der Zeitpunkt unserer Aufführungen ge hört hier dazu: Es ist Michaelizeit! Michaelische Kraft können wir für ein mutiges Vorhaben immer gebrauchen.

SWH: Waren die Schülerinnen und Schüler manchmal auch selbstkri tisch und mit sich selbst unzufrie den? Haben sie gemerkt, wenn sie an ihre Grenzen kamen?

Sie sagen es nicht, aber sie merken es schon. Und sie sind zugleich sehr selbstkritisch und denken manchmal auch, sie könnten es nie erlernen. Und es gibt auch solche, die man während der Probezeit niemals hört und die erst kurz vor der Aufführung voll einsteigen.

SWH: Da muss man ja als Musik lehrerIn ausgesprochen gute Ner ven haben, dass man bis zu diesem Moment warten kann.

Ja, wir brauchen gute Nerven! Vor allem in der aufbauenden Chorarbeit mit dem Oberstufenchor. Da gibt es unvermeidlich Zusammenstösse, die sich aber auch wieder auflösen lassen. Nirgends erlebt man die Wir kungen der durchschlafenen Nacht so deutlich wie in einer eben erlebten Projektwoche. Die musikalischen Fortschritte und die Harmonisierung im sozialen Zusammensein von Tag zu Tag sind offensichtlich!

BP: Lieber Peter, es ist mir ganz wichtig, dir nochmals von Herzen zu danken, dass du dieses Engage ment für unsere Schulgemein schaft aufgebracht hast und wir dieses Projekt mit dir umsetzen durften.

Ich danke euch. Es war mir eine grosse Freude!

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Rudolf Steiner Schule Zürich

Wir wollen Euch erzählen, wie wir die Proben und die Aufführungen der Zauberflöte erlebt haben:

Nach den Frühlingsferien hat uns unser Musiklehrer Herr Appenzeller informiert, dass wir die Zauberflöte von W.A. Mozart aufführen würden. Zuerst hat er gemeint, dass unsere Klasse die Schlange sein wird und dass wir die Verstärkungen der Stimmen überneh men. Nach den Sommerferien hat er uns Bescheid gegeben, dass wir bei der Zauberflöte hauptsächlich die Spiel rollen übernehmen werden.

Das Zauberflöten-Projekt aus unserer Sicht

Vier Schüler der 6.

berichten

Es ist eine Geschichte über einen Prinzen namens Tamino. Er wurde von drei Damen vor einem Ungeheuer gerettet und bekam von ihnen den Auftrag, die Prinzessin Tamina zu retten. Als Gehilfe bekam er Papageno an seine Seite und die sagenumwobene Zauberflöte zur Hilfe. Es passiert dann so einiges, und zum Schluss kann er die Prinzessin ret ten. Es ist eine sehr schöne Geschichte.

Wir konnten uns das eigentlich gar nicht vorstellen, dass die Proben und die Aufführungen mit allen Klassen funk tionieren würden. Am Anfang hat es für uns auch etwas Überwindung gekostet mitzumachen, da wir noch nicht genau wussten, was der Inhalt der Zauber flöte ist und was unsere genaue Auf gabe dabei sein wird.

Als wir aber die Rollen bekommen haben, waren wir sehr erstaunt, dass es immer Doppelbesetzungen gab. Da viele immer noch nicht genau wussten, was die Ge schichte der Zauberflöte ist, waren alle sehr zurückhaltend bei der Rollenver gabe. Als wir aber besser Bescheid wuss ten, waren wir mit Begeisterung dabei.

Wir vier spielten die Hauptrollen Tamino und Papageno in Doppelbesetzung. Am Anfang haben wir uns nicht so ganz darüber gefreut, aber am Ende waren wir sehr stolz darauf.

In der Handarbeit haben wir mit Frau Tzikas die Kostüme zusammengestellt und auch noch angepasst. Frau Tzikas hat sich sehr bemüht, und die Kostüme sind dann ja auch sehr toll geworden und haben uns gut gefallen

Aus
dem Schulleben
Klasse Text: Valerio Leuenberger, Pirmin Imfeld , Levin Karrer, David Stemmle
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In den Proben war es oft schwierig und anstrengend, aber auch sehr lustig. Wir durften selbst Ideen einbringen. Frau Wohlgemuth hat mit uns geprobt und die Texte eingeübt. Sie hat uns sehr geholfen. Auch Herr Appenzeller hat uns immer gesagt, was wir beim Spie len noch besser machen könnten, und er hatte ständig neue Ideen.

Es war gut, dass Frau Kollewjin Teile vom Text gesprochen hat, da wir sonst noch mehr hätten spielen müssen und die Aufführung dann sehr lange gewor den wäre. Es war von der Musik perfekt organisiert mit zwei Klavieren und dem tollen Orchester. Die Musik war dann auch sehr schön.

Bei den Aufführungen waren wir gar nicht aufgeregt, da wir von der Musik umgeben waren und das hat uns Sicher heit gegeben. Ausserdem hatten wir auch gut geprobt und wussten, was wir spielen mussten. Als der Chor zu singen begann «Zu Hilfe, zu Hilfe …», war das sehr beeindruckend, weil es sehr kräftig war und alle mitgesungen haben. Das war eines der Lieder, die alle sehr gut konnten. In der ersten Aufführung haben die Besucher immer wieder zwischen durch geklatscht. Das war etwas leben diger als in der zweiten Aufführung; das hat uns gefallen. Zu beiden Aufführungen sind sehr viele Menschen gekommen. Es waren sehr tolle Aufführungen und wir finden, es ist uns gut gelungen.

Jonas und Sophia 3. Klasse

Was gefällt euch an der Schule?

Uns gefällt alles an der Schule.

Was müsste die Schule ändern, um deine Traumschule zu werden?

Gar nichts! Es ist alles gut, wie es ist. Macht es euch Spass, bei der Zauberflöte mitzusingen? Ja!

Was singt eure Klasse bei der Zauberflöte?

Die Kinder von Papagena und Papageno.

Das Zauberflöte-Projekt war eine inte ressante Erfahrung für uns. Das wird schon noch lange im Kopf bei uns bleiben. Auch die Lieder klingen noch bei uns nach. Wir singen sie immer noch manchmal: «Pa-Pa-Pa …»

Wir wollten auch von den anderen Kindern und von Lehrpersonen erfahren, wie sie die Zauberflöte erlebt haben; wir haben sie auch gefragt, wie ihnen die Schule gefällt.

Frau Dietschi, Klassenlehrerin 3. Klasse

Wie lange arbeiten Sie schon hier?

Fünf Jahre – ich bin im dritten Jahr Klassenlehrerin und vorher habe ich eine Spielgruppe geleitet.

Wollten Sie schon immer Lehre rin werden?

Nein – es hat sich immer geändert, was ich werden wollte. Ich wollte auch Psychologin für Kinder werden. Zuerst habe ich dann eine Ausbil dung als Hebamme begonnen, aber dann entschieden, Lehrerin zu werden. Ich habe die Lehre abge brochen und Lehramt studiert. Es wurde mein Traumberuf, und ich habe es nie bereut.

Was könnte sich in der Schule ändern?

Ich würde mir wünschen, dass hier auf dem Stockwerk der dritten bis sechsten Klasse die Schülerinnen und Schüler mehr zu einer Gemein schaft werden. Dass ihr mehr auf euch schaut. Dass eine gute Stimmung hier im Stockwerk ent steht und auch mehr auf Ordnung geachtet wird.

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Frau Gujicic, Klassenlehrerin

6. Klasse

Wie lange arbeiten Sie schon hier?

Ich bin im achten Jahr Lehrerin an der Schule.

Wollten Sie schon immer Lehrerin werden?

Als Kind wollte ich Tierärztin wer den, in der Mittelstufe dann aber Lehrerin. Ich hatte nur eine gute Lehrerin und sonst nur schlechte –und deshalb wollte ich es besser machen und wurde Lehrerin.

Wie hat Ihnen die ZauberflöteAufführung gefallen?

Ich fand die Aufführungen sehr gut. Ihr habt es phänomenal gemacht. Die Proben waren für alle anstrengend. Die Schule hatte da sehr grosse Ziele und ihr habt sie erreicht.

Leano und Mila,

4. Klasse

Was gefällt dir an der Schule?

Leano: Den Pausenplatz und das Klettergerüst finde ich cool.

Mila: Dass es so viele Möglichkeiten gibt: Man kann zum PingPongTisch, zum Klettergerüst, zum Basketballplatz oder Fussballplatz gehen.

Was müsste die Schule ändern, um deine Traumschule zu wer den?

Leano: Es wäre toll, wenn es eine Rutsche vom Klassenzimmer zum Pausenplatz gäbe.

Mila: Ja genau! Oder eine Brücke zwischen dem Klassen- und dem Handarbeitszimmer, so dass man ohne Treppe hin- und herlaufen kann.

Macht es euch Spass, bei der Zauberflöte mitzusingen?

Leano: Ja, sehr!

Mila: Mega!

Was singt eure Klasse bei der Zauberflöte?

Leano und Mila: Wir sind als Klasse die Schlange, die Tamino verfolgt.

Leano: Ich bin einer der drei Knaben.

Mila: Ich bin eine der Sklavinnen von Zarastro.

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Zeichnung: Pirmin, 6. Klasse

Wir bauen einen Pizzaofen aus Lehm und Holz

Bericht zur Bauepoche der letztjährigen dritten Klasse

In der dritten Klasse haben die Kinder – wenn sich ein Bauprojekt findet und Eltern bereit sind, die Planung, Organisation und Verantwortung zu übernehmen –die Möglichkeit, im Unterricht etwas zu bauen. Wir hatten das Glück, dass eine Kindergärtnerin unserer Schule, Jasmine Milazzo, für den Garten an der Plattenstrasse von Kindergarten, Spielgruppe und Hort den Bau eines Pizzaofens vorgeschlagen hat. Die Schuleltern Dani Kovacs und Franziska Wittmann haben das Projekt mit viel Freude und grossem Erfahrungsschatz ergriffen.

Die Hausbauepoche ist für die Kinder sehr wichtig, weil sie durch diese Erfah rung ihrer Umgebung gegenüber auf wachen und sich mit ihr verbinden. Das Schöne beim Pizzaofen ist, dass er gleich zwei grundlegende Lebensthemen des Menschseins beinhaltet – das Bedürfnis nach Behausung und Ernährung.

Im eigenen Tun sollen die Kinder ver schiedene Arbeitsprozesse selbsttätig erleben und im Anschluss daran das Erfahrene gedanklich aufarbeiten. In der Beschäftigung mit der Arbeit anderer Menschen können die Kinder zum einen Achtung für das in der Welt Geschaffene und für die Menschen, die es schaffen, entwickeln. Zum anderen kann die Erfassung von Zusammenhängen innere Sicherheit und Stärke schenken. Dies war deutlich spürbar an der Freude, mit der die Kinder beim Bau des Pizzaofens und beim Vorbereiten der Pizzas dabei waren. Gleichzeitig erfahren die Kinder Sicherheit, wenn sie erleben, dass die sie umgebende Welt von einem Sinn durchzogen ist.

Aus
dem Schulleben
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Schule Zürich
Rudolf Steiner

Begonnen hat es mit einer gedanklichen Annäherung an die Idee und den Ort. An einer Feuerstelle kommen Menschen zusammen, ein Ofen ist ein gesell schaftliches Zentrum in seiner Umge bung – die hier ein Garten ist: die Topo graphie abfallend zum Schulhof hin, mit Trockenmauern gestützt, bepflanzt mit Büschen und Bäumen in verschie dener Grösse, auf vier Seiten von Schulund Wohngebäuden umgeben.

Zunächst musste ein Bauplatz gefun den werden: Wir stellten uns den Ofen freistehend und doch eingebettet in die Gartenlandschaft vor, mit gutem Ab stand zu den Nachbarn und ohne die liebsten Spielflächen der Kinder zu nut zen. Das Mäuerlein, das sich horizontal durch die Mitte des Gartens zieht, schien sich anzubieten – ein Schwellen raum zwischen oberem und unterem Garten. Die Mauer bringt schon eine gewisse Höhe mit sich, und es lässt sich gut darauf weiterbauen. Wir entschie den uns für einen Ort auf der Mauer zwischen Kindergarten und Schulge bäuden, rechts und links ein Baum, einige Schritte neben der Treppe, die vertikal durch den Garten läuft.

Wie funktioniert ein Lehmofen? Wie gross soll der Ofen werden? Und wie soll er aussehen? Welche Materialien brauchen wir, wie viel und von wo? Es gibt Kurse, Literatur und Tutorials, um

Lehmöfen zu bauen. Es ergab sich, dass Eltern die Leitung des Bauvorhabens übernahmen und für den Lehmbau das Wissen befreundeter Handwerker hin zugeholt wurde.

Die ersten Überlegungen der Eltern und Lehrperson fanden im Winter statt, das Bauen im Mai: Zunächst begannen die Eltern mit dem Fundament; dazu wur den zwei schmale Streifen aus dem Erdreich ausgehoben und mit Beton gegossen. Regenwasser kann zwischen den Fundamenten hindurch weiterhin den Hang hinunter ablaufen. Den frei gelegten Wurzeln wollten wir Raum und Schutz geben und umwickelten sie mit Seidenpapier – zum Wohl für den Baum, aber auch als Schutz vor Bewegungen für den Ofen. Nur einige Zentimeter Schalung haben wir über die Erde ge zogen, um den Holzbau aus der Feuch tigkeit zu heben – mit Beton wollten wir sparsam umgehen, Lehm und Holz sollten die wesentlichen Materialien des kleinen Baus bleiben. Einige Tage spä ter war das Fundament getrocknet, und damit waren ebene Flächen bereit, auf denen die Kinder aufbauen konnten.

Fortan arbeitete jeden Morgen eine Gruppe aus der Klasse auf der Bau stelle, unterstützt von den Eltern und dem Bauteam. Nach Balkenlagen in Eiche und einer Steinplatte wurden Schamottsteine für den Ofenboden

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zugehauen und mit Lehm vermörtelt.

Der Bau der Ofenkuppel benötigte ein Lehrgerüst; dazu konnten wir Sand aus dem Sandkasten verwenden und später wieder zurückbringen. Die Kinder form ten Kugeln in der Grösse von Brotlaiben aus Lehmmörtel – Lehm, Sand und Wasser in richtigem Verhältnis – und legten sie Schicht für Schicht reihum den Sandhügel. Schliesslich wurde mit Lehm verputzt und die Ofenöffnung geformt. Nach einigen Tagen zum Trocknen konnten wir den Sand mit Schaufeln und Besen herausholen. Den besonderen Moment der fertigen Kuppel feierten wir mit einem ersten kleinen Feuer – Kräuter und gute Wünsche zogen als Ritual durch den Ofen.

Mit den Kindern hatten wir im Unter richt als Erstes Wünsche für den Lehm ofen und die Menschen, die ihn in Zukunft benutzen werden, gesammelt. Beim ersten Einfeuern durften die Kinder ihre Wünsche ins Feuer legen, damit sie in Erfüllung gehen sollen.

Ein Lehmofen braucht Schutz vor Regen. Parallel zum Lehmbau fanden Vorbe reitungen für das Dach statt – ein stei les Giebeldach, das Wasser schnell ab laufen lässt, aus einer Konstruktion in Fichte und Schindeln in Lärche. Für das Dach haben die Kinder Balken zugesägt und zu stabilen Dreiecken verbunden, über der Lehmkuppel aufgestellt und Bretter darauf verschraubt. Am Richt fest – das Dach aufgestellt, aber noch nicht gedeckt – schmückte ein Kranz den Giebel; dieser war gebunden aus wenigen Ästen, die wir ohnehin vom Baum nebenan schneiden mussten. Um das Dach schlussendlich wetter dicht zu schliessen, nagelten die Kinder reihenweise Holzschindeln entlang einer jeweils zuvor gespannten Schnur.

Ende Juni war es soweit: Der Lehmofen war fertig gebaut, einige Wochen in der Sommersonne und vom Wind getrock net, Schritt für Schritt eingefeuert. Nun gab er zum ersten Mal mit seiner gan zen Masse Hitze ab – für Focaccia und Pizza am Einweihungsfest.

Bis der Lehmofen fertig war, ist Zeit vergangen – Planungszeit wie Bauzeit. Für die Kinder war es eine Erfahrungszeit – einen Bau wachsen zu sehen, ein Arbeiten mit verschiedenen Materialien und Werkzeugen, ein Erleben von Wider ständen und Gelingen, mit Geduld, draussen, in der Morgensonne oder im Regen. Dass die Bauepoche von immer grösserem Feuer begleitet – um den Ofen Schritt für Schritt an die Hitze zu gewöhnen – und die Epoche mit einem gemeinsamen Pizzaessen abgeschlos sen wurde, brachte für die Klasse schö ne Gemeinschaftsmomente mit sich. Dass der Lehmofen nun im Verlauf des Schuljahres Verwendung an Festen und Klassenanlässen findet, freut uns sehr.

Bauprojekt der Schülerinnen und Schüler der dritten Klasse 2021 / 2022 mit ihren Eltern.

Klassenlehrerin: Chantal Seidel Team: Dani Kovacs (Schulvater und Schreiner), Donald Niebaum (Lehmbau), Franziska Wittmann (Schulmutter und Architektin)

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Anthroposophische

Aus dem Schulleben

Merci Genève et à bientôt!

Mit grosser Freude und Begeis terung haben die aktuellen SchülerInnen der sechsten Klasse vor einem Jahr ihren ersten Brief für ihre damals noch völlig unbekannten Brieffreunde aus der jetzigen siebten Klasse der Rudolf Steiner Schule Genf geschrie ben. Zusammen wurde dis kutiert, wie man sich vor stellen kann, der Brief auf Deutsch gefasst und viele wunderschöne Zeichnun gen mitgeschickt.

Wenige Wochen später sind die Antworten an der Plat tenstrasse eingetroffen. Was für eine Aufregung! Aber auch eine gewisse Irritation, da die Briefe in Französisch verfasst waren. Und was für ein Ärger für die Schüler Innen, dass ich nicht bereit war, alles ins Deutsche zu überset zen. Es musste auf die Wörterbücher und die Hilfe anderer SchülerInnen zurückgegriffen werden.

Die Freude an den Briefen ist nach ein paar Briefwechseln geblieben; kürzlich wurden an einem Freitag die Briefe verschickt und am Montag wurde ich gefragt, ob ich die Antworten schon erhalten habe. Auch die Herausforderung beim Lesen ist noch da. Teilweise auch wegen der ungewohnten Schriften oder der ab und zu strapazierten französi schen Rechtschreibung. Vielleicht wurde dem einen oder anderen Kind klar, wa rum diese Rechtschreibung doch wichtig ist?

Brief aus Genf

an einem noch zu definierenden Zeit zösisch gelesen.

Text: Vincent Häbler (Französischlehrer)
Über die Brieffreundschaft zwischen den Steiner Schulen Zürich und Genf
«Ich finde es toll, dass wir mit den Kindern aus der RSS in Genf schreiben können. Es macht Spass, dass man mit einer Person in einem anderen Kanton schreiben darf.»
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Vielen Dank, Herr Haebler, dass Sie diesen Austausch ins Leben gerufen haben!

Raphaël war begeistert, dass der Junge aus Zürich auch schnelle Autos mag. Claras Korrespondentin hat auch Katzen wie sie, und Léanne fand das mitgeschickte Foto klasse. Raoul hört dieselbe Musik wie sein Brieffreund und, ach, die beigelegten selbstgemalten Bilder waren ja so schön.

Die damaligen Sechstklässler der Rudolf-Steiner-Schule aus Confignon/Genf hatten – sicherlich pandemiebedingt – gerade ihre Brieffreunde aus Australien verloren und waren etwas enttäuscht darüber. Nun freuten sie sich über eine neue Möglichkeit, sich auszutauschen. Sie sollten zunächst etwas in Französisch schreiben. Das verunsicherte alle zunächst ein wenig: Französisch in der Deutschstunde? Ausserdem hatten die Schülerinnen und Schüler aus Zürich ein Foto mitgeschickt. Sie würden also auch eines ihrem Brief beilegen müssen, sich zeigen müssen! Das war ein grosses Problem für viele. Doch es ging dann schliesslich ganz einfach, die damaligen Fünftklässler aus Zürich hatten es doch auch geschafft. Grosse Freude auch darüber, dass die ersten Briefe so viel Anklang fanden in Zürich! Beim zweiten Briefwechsel ging es dann zweisprachig weiter. Etwas doppelt gemoppelt fanden einige Schüler – ausser Karl, der gerade von einem mehrmonatigen Russland-Aufenthalt zurückgekommen war und nun seine neuen Russischkenntnisse in seinem Briefwechsel mit dem ukrainischen Schüler anwenden durfte.

«Manchmal ist es schwierig, die Schrift zu lesen», sagte Thomas, dessen eigene Schrift oft nicht ganz leicht zu entziffern ist. Doch die Bemerkung ist berechtigt, denn das Schriftbild der Deutschschweizer variiert ein wenig von dem der Westschweizer.

Das Über-sich-selbst-schreiben auf Deutsch beherrschen nun alle Schüler gut; auch diejenigen, denen das Erlernen einer Fremdsprache nicht leichtfällt. Endlich gibt es einen praktischen und vernünftigen Grund, «Ich heisse Léa» und «Ich bin 12 Jahre alt» zu schreiben. Diese Sätze ins Deutschheft zu schreiben, schien ihr immer völlig überflüssig, weiss sie doch, wie sie heisst und wie alt sie ist. Die Briefwechsel geben dem Deutschunterricht somit einen praktischen Sinn. Wir brauchen oft zwei Wochen, bis alle Briefe vollständig sind, aber es ist keine verlorene Zeit. Alle Schüler – begabt oder nicht – schreiben und malen engagiert und mit Begeisterung, und jeder findet seinen individuellen Schwerpunkt. Mal sind es die Fotos oder das selbstgemalte Bild, die schöne Schrift oder eine wichtige Information, ein wichtiger Satz, in dem der Schüler sein Interesse für eine bestimmte Sache ausdrücken möchte.

Nun freuen wir uns auf die nächsten Briefe aus Zürich!

«Ich finde es eine tolle Idee, mit der Steiner Schule in Genf Briefe zu schreiben. Ich hatte noch nie eine Brieffreundin. Besonders froh macht mich, dass wir auf Deutsch schreiben können.»

«Ich freue mich jedesmal, wenn wir im Französisch unterricht die Briefe bekommen oder schreiben. Das Übersetzen ist mit der Zeit auch nicht mehr so schwierig.»

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360° um die Schule

Das Paracelsus Zentrum Sonnenberg

Verstehen auf der Herzensebene. Heilen durch Begegnung

Das Paracelsus Zentrum Sonnenberg wurde im Sommer 2009 von einer Frauenärztin aus dem Paracelsus Spital Richterswil und Michael Seefried, der dafür aus Deutschland nach Zürich zog, gegründet. Ziel war, das medizinische und therapeutische Angebot des Paracelsus Spital Richterswil um ein komplementärmedizinisches ambulantes Angebot mit Schwerpunkt Anthroposophische Medizin in der Stadt Zürich zu erweitern.

Dass wir die Räumlichkeiten in der Sonnenbergstrasse 55 beziehen konn ten, verdanken wir dem Ehepaar Hannes und Doris Wirth. Herr Wirth hatte in diesen Räumlichkeiten eine Firma für Körperwaagen betrieben, die er altershalber verkaufte. In diesen Räumlichkeiten konnten sich jahrelang Schülerinnen und Schüler der Rudolf Steiner Schule Zürich auf die Matur vorbereiten. Zudem war auch das Büro des damaligen Trägervereins des Paracelsus Spital Richterswil in den Räumlichkeiten untergebracht.

Das Ehepaar Wirth hat massgeblich an der Gründung des Paracelsus Spital mitgewirkt. Aufgrund dieser engen Verbundenheit zum Spital und zur Anthroposophie vermachten sie einen Teil ihres Anwesens in der Sonnenberg strasse 55 der Edith-Maryon-Stiftung in Basel – verbunden mit der Auflage, die Räumlichkeiten an anthroposophi sche Einrichtungen zu vermieten. Daher konnten sich in den folgenden Jahren neben dem Paracelsus Zentrum auch zwei Kindergärten der Rudolf Steiner Schule dort ansiedeln.

Text: Dr. med. Michael J. Seefried und Dr. med. Angela Kuck Obere Reihe: Angela Kuck, Michael J. Seefried. Untere Reihe v.l.n.r.: Helene Stadler, Regina Scotoni-Morris, Katharina Fehr
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Schule Zürich
Rudolf Steiner

Begegnung als Heilungsimpuls

Die Ärztinnen und Ärzte des Paracelsus Zentrum Sonnenberg hatten und haben den Anspruch, am «Sonnenberg» eine Begegnungsstätte zu schaffen, an der Patientinnen und Patienten in ihren Anliegen und mit ihrer Biographie ge sehen werden. Angedacht war eine «Familienpraxis» mit den Schwerpunk ten der Hausarztmedizin und der be sonderen Betreuung von Frauen, Kin dern und Familien.

Eine enge Verbundenheit pflegen wir in diesem Ansinnen auch mit Thomas Bur, der zeitgleich mit der Gründung unse res Zentrums seine Praxis für Rhythmi sche Massage neben uns eröffnete. Seit einigen Jahren hat sich seine Partnerin Jiyon Song als Craniosacraltherapeutin dazu gesellt.

Neben dem ärztlichen Angebot bieten wir auch Heileurythmie und Malthera pie an, derzeit leider nur Maltherapie. Schon sehr früh nach Gründung des Paracelsus Zentrum Sonnenberg wurde das «Mittwoch-Gespräch» ins Leben gerufen: ein monatlicher Treff zu The men aller Art, der jeweils von unter schiedlichen Dozentinnen und Dozenten

– meist vom Sonnenberg oder aus Richterswil – gestaltet wurde. Diese Abende waren sehr beliebt. Es waren mehr Begegnungen und Austausch, im Rahmen derer viele Fragen gestellt werden konnten und ausreichend Raum für Diskussionen vorhanden war, als Vorträge im eigentlichen Sinne. Diese «Mittwoch-Gespräche» waren fester Bestandteil unseres Alltages, bis sie aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr möglich waren.

Ab 2012 hat sich Michael Seefried im familiensystemischen Bereich weiter gebildet; seit 2016 bietet er Aufstel lungsabende sowie individuelle syste mische Beratungen an. Es gibt eine feste Gruppe an Stellvertreterinnen und Stellvertretern, die ihn in dieser wunder baren Arbeit unterstützen.

Da Michael Seefried als Kinderarzt und Allgemeinmediziner tätig ist, erlebt er immer wieder Familien, denen es nicht gut geht. Oftmals sind die Gründe da für nicht ersichtlich. Hier bietet sich eine systemische Beratung wie z.B. eine Familienaufstellung an, um Licht in das Dunkel zu bekommen. Wir wissen, dass ein Familienmitglied Teil seines

Familiensystems darstellt, in dem eine gewisse Bindung, Ordnung, ja eine Art Familiengewissen herrschen. Durch eine Aufstellung lässt sich die Dynamik des Systems «Familie» erfassen und Zusammenhänge verstehen. Stellver treter sind Personen, die in dieses Feld gestellt werden und eine gewisse Auf gabe haben, z.B. Vater oder Mutter der Klientin bzw. des Klienten zu sein.

Es ist sehr interessant, dass die Stell vertreter im Feld unmittelbar Wahr nehmungen haben, die sie zuvor nicht hatten und die dem Feld der Familie, um die es geht, zuzuordnen ist (siehe auch www.paracelsus-zentrum.ch/ Fragen-Antworten Familiensystemik).

Bedingt durch Corona hat sich der All tag in unserem Zentrum sehr verändert. Neben der Routine haben komplexe Fragestellungen und Krisensituationen zugenommen, ebenso der Anteil an Fragen und Beratungen per Telefon oder Mail. Das bedeutet, dass auch der Be darf nach einer systemischen Beglei tung sehr gewachsen ist; diese kann individuell oder als Familienaufstellung stattfinden.

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Das Jahr 2020 – eine besondere Herausforderung

2020 war ein wichtiges und trauriges Jahr für das Paracelsus Zentrum Son nenberg. Das Paracelsus Spital in Rich terswil musste zum 1.12.20 seine Pforten definitiv schliessen. Da das Spital und unser Zentrum als AG miteinander ver bunden waren, mussten wir rasch eine Lösung entwickeln, um nicht direkt von der Schliessung des Spitals betroffen zu sein. So haben wir, Angela Kuck – ehe malige Chefärztin der Frauenklinik des Paracelsus Spital und seit 2018 bei uns –und Michael Seefried, eine einfache Gesellschaft gegründet und uns zum 30.11.20 aus der nsn medical AG, die das Paracelsus Spital 2013 übernommen hatte, loslösen können.

Bemerkenswert ist, dass die Suche nach geeigneten Ärztinnen und Ärzten sowie MPAs in den letzten drei Jahren viel schwieriger geworden ist als die Jahre zuvor. Dies berichten auch alle Kolle ginnen und Kollegen, die nichts mit Komplementärmedizin zu tun haben.

Das sind die äusseren Bedingungen. Gleichzeitig hat die Nachfrage nach einer anderen Medizin als die aus schliesslich konventionelle Medizin sehr stark zugenommen. Dies ist durch die enormen Umwälzungen seit dem Jahr 2020 sehr beschleunigt worden (siehe hierzu den Artikel «Ist die Welt im Chaos?» von Michael Seefried auf der Homepage des Paracelsus Zentrum Sonnenberg).

Die Menschen haben eine stärkere Sehnsucht, gesehen zu werden in ihren Anliegen als das vor 10 bis 15 Jahren noch der Fall war. Sie wollen auf einer Ebene angesprochen werden, die wir als Herzensebene verstehen. Nur wenn wir einander wirklich begegnen können, fördern wir das Gelingen eines Heilungs prozesses. Wie sich zeigt, gilt das Glei che für Lernprozesse bei Kindern und Jugendlichen. Dies ist natürlich in jedem medizinischen Bereich möglich. Ten denziell öffnen die Bereiche der Kom plementärmedizin jedoch eher solche «Herzenstüren». Diese sind wichtiger denn je, wie dies Michael Seefried in seinem Buch «Kommt ein Kind zum Arzt. Dem Leben mit Zuversicht be gegnen» darzustellen versucht (siehe

vor allem das Kapitel «Begegnung als Heilungsimpuls»; die 2. Auflage des Buches ist in Arbeit).

Ein weiterer grosser Schwerpunkt ist die Frauenheilkunde und Hebammen sprechstunde. Wir sind sehr froh, dass dieser wichtige Bereich so intensiv bei uns vertreten ist. Drei Ärztinnen – Frau Dr. Kuck, Frau Dr. Brouver und Frau Dr. Loy – sowie die Hebamme Frau Schlegel widmen sich ausschliesslich oder zum Teil den Frauen. Frau Dr. Kara verlässt zum Jahresende das Zentrum nach vier Jahren wegen ihrem entfernten Wohnort.

Die Frauenheilkunde ist geprägt von einer ganzheitlichen Begleitung der Frau in ihrer individuellen biographischen Situation. Besonders während einer Schwangerschaft wollen wir die wer dende Mutter und das sich entwickeln de Kind begleiten mit allen notwendigen und sinnvollen technischen Untersu chungen, aber so wenig wie möglich das feine, sich entwickelnde Miteinan der von Kind und Mutter stören. Die werdende Mutter unterstützen, even tuelle Beschwerden lindern, wobei uns mit den anthroposophischen Heilmit teln und Medikamenten ein reicher Schatz zur Verfügung steht, und Risiken erkennen, ohne ständig in Angst und Sorge zu verfallen, prägen unser Tun. «In Erwartung sein dürfen» und «in gu ter Hoffnung» durch die Schwanger schaft zu gehen, ist das Ziel der Schwangerschaftsvorsorge und Ge burtsvorbereitung. Technisch hochwer tige Ultraschallgeräte stehen uns dafür im Paracelsus Zentrum zur Verfügung. Wir arbeiten mit einem Netz von Spe zialisten zusammen für besondere Fra gestellungen. Alle Möglichkeiten der Pränataldiagnostik stehen uns zur Ver fügung, werden diskutiert und indivi duell, für die jeweilige Familie stimmig eingesetzt.

Parallel zur ärztlichen Sprechstunde sind alternierend Vorsorgetermine mit der Hebamme vorgesehen, in der auch die praktischen Dinge während der Schwangerschaft, kommenden Geburt und dem Leben mit einem Neugebo renen thematisiert und vorbereitet werden können. Besonders die Möglich keit zum Stillen liegt uns am Herzen,

zwei Stillberaterinnen sind im Team und bieten Beratung in schwierigen Situa tionen an.

Als «Familienzentrum» ist uns das neue Leben mit dem Neugeborenen beson ders wichtig. Wie können wir den noch nicht sprechenden Säugling verstehen? Wie können wir in ein gutes Miteinander kommen, ohne zu stören, und die ge sunde Entwicklung fördern? Was be nötigt ein Neugeborenes wirklich, und wo sind die werdenden Eltern nur Objekt der Verkaufswerbung? Wie pflegen und wickeln wir das Neugeborene heutzu tage sinnvoll? Ein Wochenendkurs zur Geburtsvorbereitung und zum Leben mit dem Neugeborenen durch eine aus gebildete Kleinkindpädagogin nach Emmi Pickler bereichert das Angebot am Paracelsus-Zentrum.

In der Gynäkologie stehen wir neben den selbstverständlichen Vorsorgeun tersuchungen für besondere Fragestel lungen zur Verfügung: Begleitung in den Wechseljahren, Zweitmeinungen bei Fragen zu einer Operation, reiche Erfahrungen in der begleitenden Mistel behandlung und Krebstherapie. Hier können wir die umfassenden Erfahrungen über viele Jahre der Behandlungen im Paracelsus Spital in Richterswil weiter geben. Zudem bieten wir die chirurgi sche Sprechstunde mit Dr. Cortez an, der viele Jahre im Paracelsus Spital ge arbeitet hat. Kleine Eingriffe in lokaler Betäubung wie auch Vorbesprechungen vor grösseren Operationen und Nach kontrollen werden bei uns durchgeführt. Frau Dr. Loy als erfahrene komplemen tärmedizinische Ärztin arbeitet im Be reich der Allgemeinmedizin und Frauen heilkunde – und unterstützt so auch die beiden Frauenärztinnen. Im therapeu tischen Bereich ist die Psychologin Frau Stephanie Zimmermann tätig sowie Frau Bernadette Gollmer in der Mal- und Gestaltungstherapie.

Am Empfang und im Hintergrund sind unsere «Feen», die medizinischen Praxis assistentinnen oder MPAs, die in be wundernswerter Weise arbeiten, was sie können. Denn seit Corona ist die Anzahl an Anfragen, kurzen Beratungen und Mails sehr deutlich angestiegen.

Schule Zürich 44
Rudolf Steiner

Team:

Dr. med. Michael Seefried, Kinderarzt und Allgemeinmediziner

Frau Dr. med. Angela Kuck, Frauenärztin, ehemalige Chefärztin des Paracelsus Spital Richterswil, seit 2018 bei uns

Frau Dr. med. Masha Brouver, Frauenärztin und Assistenzärztin am Ende ihrer Ausbildung zur Fachärztin

Dr. med. Gerado Cortez, Facharzt für Chirurgie

Frau Dr. med. Monika Loy, Komplementär- und Frauenmedizin

Frau Stephanie Zimmermann, M. Sc. Psychologin

Frau Dr. med. Anna Schneider, Innere Medizin und Kindersprechstunde (derzeit in Mutterschaft)

Frau Bernadett Gollmer, Mal- und Gestaltungstherapie

Frau Maya Schlegel, Hebammensprechstunde

MPA (Arzthelferinnen):

Frau Regina Scotoni-Morris (Leitung)

Frau Ursina Sattler

Frau Helen Stadler

Frau Tanja Zehnder

Frau Yvonne Bonorand (derzeit in Mutterschaft)

www.paracelsus-zentrum.ch: Auf unserer Website publizieren wir immer wieder Artikel zu aktuellen Themen. Haben Sie Ideen, Fragen oder Anliegen? Schreiben Sie uns! Wir beantworten jede Mail.

Termine: telefonisch, per Mail oder über die Homepage online.

In unserem ganzheitlichen Familienzentrum suchen wir Unterstützung in der Frauenmedizin. Neben der konventionellen Medizin kann die Komplementärmedizin integriert werden. Wir suchen für Teilzeit von 20-80 Prozent und bieten die Möglichkeit, selbstständig über eigene ZSR Nr. oder angestellt zu arbeiten.

Wir freuen uns auf die Bereicherung unseres Teams!

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Für alle Bazar Frühaufsteher Bücher Stube GESCHENK-GUTSCHEINE SIND AB SOFORT IM SCHULSEKRETARIAT ERHÄLTLICH. WERTVOLLE RARITÄTEN BESONDERE WEIHNACHTSGESCHENKE MISTELZWEIGE SONNTAGSZÖPFE INSTRUMENTE 99 JAHRE FÜR KINDER BIS BASTELN SPIELEN, VERZIEREN FASZINIERENDE MINERALIEN Märchenhafte Stände traumhafte Advents&Dekorations Kränze BEZAUBERNDE KLÄNGE & ZMORGENBUFFET IM KAFISTÜBLI: SA 08.30 UHR SO 09.00 UHR Samstag 10.00 –18.00 UHR SONNTAG 10.30 17.00 Uhr Plattenstrasse 37, 8032 ZÜRICH NOV. Sonntag 27. November 11.30 und 13.30 Uhr Sonntag 27. November 13.00 , 14.00 Uhr «FRAU HOLLE» JEWEILS 25 PLÄTZE JEWEILS 50 PLÄTZE SAMSTAG 26 . NOVEMBER 11.00, 13.00, 14.30 Uhr SAMSTAG 26 . NOVEMBER 14.00, 15.00, 16.00 Uhr WARME KÜCHE: SAMSTAG 11.30 17.00 UHR SONNTAG 11.30 15.00 UHR ANTIQUARIAT BÜCHER ab 3 Jahren ab 4 Jahren « Die Drei Orangen » EINTRITTSKARTEN IM ZIMMER RECHTS NEBEN HAUPTEINGANG ERHÄLTLICH Italienisches MÄRCHEN AUFGEFÜHRT VON BRAIDA LEEMANN, JASMINE MILAZZO, ANDREA SPIRIG TISCHPUPPEN-THEATER CHRISTBAUMSCHMUCK ∫ Märchen der Gebrüder Grimm Guetzliträume KERZENZIEHEN & & FÜR KINDER (0 BIS 5 JAHRE) UND IHRE ELTERN, GOTTI UND GÖTTIS UND GROSSELTERN, ... Konzert BABY EINE MUSIKALISCHE REISE INS LAND ZUM LICHT DES AND MODERATION, GESANG & MUSIK VON SAMSTAG um 14.00 Uhr Sonntag um 13.00 Uhr Susannah Haberfeld FRIENDS St. Nikolaus, KINDERSCHMÖKERN IN DER VANESSA HERFURTH & ANKE ZIMMERMANN AUFGEFÜHRT VON Erzählerin Anastasia Gazepis

Redaktion

Birgit Purainer (verantwortlich)

Stefanie Wolff-Heinze

Weitere Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe Jean-Claude Baudet

Stefan Eugster Stamm Vincent Häbler Pirmin Imfeld

Levin Karrer Dr. Angela Kuck Valerio Leuenberger

Beat Richert

Dr. Michael J. Seefried

Chantal Seidel

David Stemmle

Robert Thomas Dr. Valentin Wember Franziska Wittmann

Konzeption und Lektorat

Stefanie Wolff-Heinze

Fotokreation

Werner Eschmann

Trix Niederau

Birgit Purainer

Zeichnungen 6, 7. & 9. Klasse, Atelierschule

Kreation und Produktion

DD COM AG Seefeldstrasse 301 CH-8008 Zürich www.ddcom.ch

Design: Daniel Müri Maximilian von Baussnern Druckvorstufe Werner Kim & Andreas Laub

SPEKTRUM wird mit grosszügiger Unterstützung der Prowema GmbH produziert.

Telefon 043 268 20 40 info@steinerschule-zuerich.ch www.steinerschule-zuerich.ch Inserate Carmen Silbermann ebk@steinerschule-zuerich.ch
Druck Prowema GmbH CH-8418 Schlatt ZH © November 2022 Die Verantwortung für die einzelnen Beiträge und die Rechte daran liegen bei den jeweiligen Autorinnen und Autoren.
RUDOLF STEINER SCHULE ZÜRICH Plattenstrasse 37 8032 ZÜRICH DD COM ZUM WEITERGEBEN, AUFHÄNGEN, Entdecken & VORLESEN. 27. 26 . NOV. NOV. A3

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Die Mitteilungen der Rudolf Steiner Schule Zürich Frühling/ Sommer Nächste Ausgabe:

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Spielwaren
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