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Hütten
90 Jahre Willi-Merkl-Hütte
Meine persönliche Beziehung zu ihr von der ersten Begegnung bis zum Kauf
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von Paul Pöller
Für die Jugend ein ideales Aufenthaltshaus 90 Jahre Willi-Merkl-Hütte, ein Jubiläum, das der Alpen verein Friedberg zu Recht würdigt. Auch für mich persönlich spielt sie eine wichtige Rolle in meinem Bergsteigerleben. Dem Wunsch, darüber zu berichten, komme ich gerne nach.
Ich muss jedoch den Rückblick damit beginnen, dass ich kurz erkläre, warum ich diese so wunderbar gelegene Unterkunft erst spät schätzen gelernt habe. Von dem Ort, wo ich aufgewachsen bin, dem kleinen südlich von Memmingen gelegenen Allgäuer Dorf Herbishofen, bin ich schon als kleiner Bub mit Eltern und Geschwistern in die Berge gefahren, aber fast nur ins Ober- oder Ostallgäu. Dass ich dann doch einmal in den Tannheimern war, daran erinnere ich mich gut, weil es für mich damals eine ganz besondere Tour war. Mit Papa übernachtete ich in einem Zweimannzelt im Wald oberhalb von Pfronten auf dem Weg zur Pfrontener, jetzt Kissinger Hütte. Es war nicht sicher, ob wir an dem provisorischen Grenzübergang die Erlaubnis zum Weiterweg nach Österreich in Richtung Füssener Jöchl bekommen würden. Dass so etwas damals ein Problem war, kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Es ging gut, aber wir steuerten nicht die Willi-Merkl-Hütte an, sondern stellten unser Zelt vor der Tannheimer Hütte auf.
Ab der Zeit, als ich mit Freunden das Klettern an ng, gehörten die Tannheimer Berge zwar zu unserem Lieblingsziel, aber für Tagestouren brauchten wir die Merkl-Hütte nicht, und wenn wir übernachteten, zogen wir bewirtschaftete Unterkünfte wie die Musauer Alm vor, oder vor allem wegen des kurzen Anstiegs die Gimpel-Hütte.
Das änderte sich erst, als ich ab 1960 während des Studiums bei Tante und Onkel in Friedberg wohnte und als früheres Mitglied der Sektion Memmingen zum Alpenverein Friedberg übertrat, wo ich vom damaligen 1. Vorsitzenden, meinem Onkel Beppo Pöller, gefördert und richtig verwöhnt wurde. Ab 1966 war mein Hauptwohnsitz in Friedberg, und 1970 bekam ich eine Stelle am neu gegründeten Gymnasium. Jetzt konnte ich Beppos Wunsch, eine Jugendgruppe zu gründen, noch im selben Jahr erfüllen. Nun erwies sich die Merkl-Hütte als das ideale Ziel für Gruppenfahrten: wegen Terminen einfach beim Hüttenwart anfragen, keine lange Anfahrt, kein allzu langer Anstieg, Übungsmöglichkeit für den Umgang mit dem Seil gleich hinter der Hütte, einfache und anspruchsvolle Gipfel, Klettertraining an der nahen Läuferspitze, später Klettertouren aller Schwierigkeitsgrade – und das alles sozu sagen vor der Haustüre. Ich denke an die gemeinsamen Abende mit Spielen in der Hütte und das Übernachten im Matratzenlager, was für viele Jugendliche etwas ganz Neues war. Wir konnten zusammen mit den älteren Mitgliedern Feste wie Hüttenö nung, Sonnwendfeuer und Hüttenschluss feiern. Das waren wunderbare Gelegenheiten, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern. Auch für ein Tre en 1975 mit der Jugendgruppe und guten Kletterern von SOSAT, unseren neuen Freunden aus Trient, war die Hütte bestens geeignet. Schöne Erinnerungen verbinde ich ebenfalls mit der Zeit, als ich zum Hüttendienst meine Kinder mitnehmen konnte, weil wir dabei mit dem Auto bis zur Hütte fahren konnten. Natürlich gab es auch aufregende Erlebnisse, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte.
Die Willi-Merkl-Hütte wird zum Symbol des Friedberger Alpenvereins 1977 feierte unser Verein nicht nur sein 25-jähriges Jubiläum, sondern aus der bisherigen Ortsgruppe des Alpenvereins Augsburg wurde auch eine selbstständige Sektion. Unsere Muttersektion gewährte uns für die Merkl-Hütte einen langjährigen Pachtvertrag. Damit stand fest, dass wir weiterhin die Betreuung übernehmen konnten.
So präsentiert sich heutzutage die 90-jährige Willi-Merkl-Hütte im Winter. Die Aufnahme entstand im April 2019. Foto: Bernhard Stockmaier
Zur Sonnwendfeier im Jahr 1971 war die AV-Jugend auf der Willi-Merkl-Hütte. Foto: Paul Pöller

In den folgenden Jahren wurde die Hütte durch die Ausführung von notwendigen Reparaturen und durch Erneuerungen immer attraktiver. Als ich 1987 zum Vereins vorsitzenden gewählt wurde, war das Thema Hütte für mich „a g’mahte Wiesn“, wie man auf Bayerisch sagt. Bei Xaver Neumeir, der die Hütte 25 Jahre lang betreute, und dann bei Eugen Weiß war sie in den besten Händen. Unseren Verein konnte man sich ohne dieses Bergsteigerheim nicht mehr vorstellen.
Wenn man alle diese Vorzüge bedenkt, ist es verständlich, dass wir dieses Schmuckstück in der großartigen Landschaft der Tannheimer Berge nie verlieren wollten. Es gab zwar keinen konkreten Grund anzunehmen, dass die Sektion Augsburg die Hütte einem anderen Verein überlassen würde, aber ganz ausschließen konnten wir nicht, dass eine solche Situation hätte eintreten können. Die Vorstellung, dass wir dann eine Sektion ohne eigene Hütte wären, ließ uns Friedberger in den folgenden Jahren nicht los. Deshalb reifte allmählich in unserer Vorstandschaft der Wunsch, beim Alpenverein Augsburg anzufragen, ob er bereit wäre, die Hütte an uns zu verkaufen. Dabei muss ich erwähnen, dass es bei uns auch Mitglieder gab, die sich gegen einen Kauf aussprachen. Sie waren der Meinung, dass uns die Merkl-Hütte sicher sei und es nicht sinnvoll sei, viel Geld dafür auszugeben. Doch die Mehrheit der Vorstandschaft kam zu dem Schluss, dass ein möglicher Kauf nicht an den Finanzen scheitern sollte.
Im Jahr 1994 wurde das 25-jährige Jubiläum der Freundschaft zwischen dem SOSAT-Chor und dem Alpenverein Friedberg gefeiert. Zu diesem besonderen Anlass gelang es, die Freunde aus Trient zum ersten Mal zu einem Konzert bei der Willi-Merkl-Hütte einzuladen. Das war ein Ereignis, durch das die Hütte einem großen Publikum bekannt gemacht wurde, weil auch das Bayerische Fernsehen darüber berichtete. Es zeigte erneut eindrucksvoll die Bedeutung der Hütte für unseren Verein. Wir hielten das für einen passenden Anlass, mit dem Alpenverein Augsburg wegen des Kaufs direkten Kontakt aufzunehmen.
Ich rief damals den 1. Vorsitzenden Benno Helf an und trug ihm unser Anliegen vor. Er zeigte Verständnis für unseren

So sah die Willi-Merkl-Hütte und ihre Umgebung zum Zeitpunkt des Kaufs im Jahr 2000 aus. Foto: Sektionsarchiv Wunsch und versprach, dieses Thema in seinen Verein einzubringen und im Auge zu behalten. Allerdings machte er mir klar, dass von unserer Seite viel Geduld nötig sei, da er Widerstand vor allem von älteren Mitgliedern erwarte, die sehr an dieser Hütte hingen, weil sie mit ihrem Namen die Erinnerung an einen bedeutenden Bergsteiger der Sektion wahre. Wir respektierten diese Einstellung und wussten, dass es einige Jahre dauern konnte, bis die Augsburger uns den Kauf ermöglichen würden. Allerdings war es während der folgenden Zeit nicht immer leicht, einige unserer eigenen Mitglieder davon zu überzeugen, dass wir abwarten mussten. Da war ich mit unserem 2. Vorsitzenden Manfred Harteis einer Meinung.
Nach langer Geduld erfüllt sich im Jahr 2000 der Wunsch zum Kauf Wir blieben in den folgenden Jahren in vertrauensvollem Kontakt mit unseren Bergfreunden von der Sektion Augsburg, Manfred als Hüttenreferent vor allem mit Schatzmeister Günter Schwarz und ich mit Benno Helf. Von beiden bekamen wir bei Gesprächen am Telefon und bei persönlichen Begegnungen immer wieder die feste Zusage, dass niemand außer unserer Sektion die Hütte bekommen sollte. Für uns gab es nach wie vor keinen Grund, daran zu zweifeln. Deshalb vermieden wir es, den Alpenverein Augsburg unter Druck zu setzen.
Zu Beginn des Jahres 1999 waren die Vorstandschaften beider Sektionen der Meinung, dass die Zeit für eine endgültige Entscheidung gekommen wäre. In meinem Tagebuch steht am 20. Januar der Eintrag: „Nachm. Telefonat mit Helf wg. Willi-Merkl-Hütte – sieht gut aus.“ Von da an ging es konkret um den Kaufpreis. Am 22. Februar teilte mir Manfred mit, dass er Günter Schwarz unser Angebot erö net hatte und von ihm den Preisvorschlag der Sektion Augsburg erhalten habe. Am Tag danach vereinbarte ich mit Benno Helf, dass diese Beträge die Grundlage einer gemeinsamen Besprechung sein sollten. Von unserer Vorstandschaft erhielten wir bei zwei Sitzungen die Zustimmung.
Am 17. März trafen wir uns mit Benno Helf und Günter Schwarz in der Geschäftsstelle der Sektion Augsburg. Dass ich bei den vorherigen Besprechungen und vor allem jetzt bei dem entscheidenden Tre en Manfred Harteis als absolut verlässlichen und hervorragenden Fachmann für Finanzen zur Seite hatte, war für mich sehr beruhigend. Bei dem Gespräch kamen nochmal die Argumente von beiden Seiten auf den Tisch. Entscheidend war, dass wir uns nicht als Gegner betrachteten, sondern als begeisterte Bergsteiger und Mitglieder des Deutschen Alpenvereins, die natürlich die Interessen ihrer Sektion so gut wie möglich, aber in freundschaftlicher Atmosphäre vertraten. So einigten wir uns auf einen für beide Seiten vertretbaren Preis. In noch einem Punkt, auf den die Augsburger besonderen Wert legten, waren wir uns einig: Der Name Willi-Merkl-Hütte sollte erhalten bleiben.
Die Vorstandschaften der beiden Sektionen erklärten sich einverstanden, dass die Hütte in den Besitz des Alpenvereins Friedberg übergehen sollte. Noch wichtiger aber war, dass


Links: Beim Kauf des Grundstück-Umgri s waren im Notariat in Reutte anwesend (v.l.n.r.): Notar Dr. Saxl, Füssens Bürgermeister Dr. Wengert, Benno Helf (1. Vorsitzender der Sektion Augsburg), Paul Pöller (1. Vorsitzender der Sektion Friedberg), Christine Dietz (Schatzmeisterin der Sektion Friedberg), Dieter Benning (Sektion Augsburg). Foto: Sektionsarchiv I Rechts: Reichlich Weihwasser kam auch direkt vom Himmel bei der Messe, die im Rahmen der Kau eier vor der Hütte abgehalten wurde. Foto: Paul Pöller
im April dieses Jahres die Hauptversammlung der Sektion Augsburg den Verkauf der Hütte beschloss. Für die Klärung der nun anstehenden Regelungen sollte die Sektion Augsburg federführend sein. Bei einer weiteren Besprechung am 21. Juni in der Augsburger Geschäftsstelle, bei der Manfred und ich zusammen mit Benno Helf, Günter Schwarz und Justitiar Maier teilnahmen, wurden Themen wie Wegegebühr, Wasser, Abwasser, Energieversorgung, Umgri und das weitere Verfah ren angesprochen. Als Wichtigstes wurde der Kaufpreis festgesetzt.
Nachdem wir in Vorstandschaft und Beirat über all dies diskutiert hatten, beriefen wir für den 23. September eine außerordentliche Vollversammlung unserer Sektion ein. Es wurde nochmal heftig debattiert, ob der Kauf sinnvoll sei. Die Abstimmung ergab 77 Ja- und 13 Nein-Stimmen. Damit war der Kauf endgültig von unserer Seite beschlossen. Es folgte eine weitere Besprechung am 22. November in der Augsburger Geschäftsstelle über einige Details. Sie verlief o ensichtlich wieder in bestem Einvernehmen, weil in meinem Tagebuch steht: „nach ¾ 9 allgemeines Ratschen“.
Im Jahr 2000 lag es nun an der Sektion Augsburg, weitere Schritte zu unternehmen. Es gab noch einige Absprachen, und schließlich wurde zur Unterzeichnung des Kaufvertrags für den 7. November ein Termin bei Notar Dr. Saxl in Reutte festgesetzt. Es ging dort zunächst um die Besprechung der Verträge zwischen der Stadt Füssen und den Sektionen Augsburg und Friedberg. Zur Erklärung: Der Grund, auf dem die Merkl-Hütte gebaut wurde, gehörte der Stadt Füssen und war durch den Bau der Hütte in den Besitz der Sektion Augsburg übergegangen. Da die Hütte von nun an uns gehören sollte, musste unsere Sektion als neue Grundbesitzerin eingetragen werden.
Entscheidend war für uns, dass die Vorsitzenden der bei den Sektionen die Unterschrift unter den Kaufvertrag setzten. Dass die Willi-Merkl-Hütte nun dem Alpenverein Friedberg gehörte, war für uns eine Riesenerleichterung. Dieses für unseren Verein so wichtige Ereignis feier ten wir am Abend mit unseren Kameraden von der Vorstandschaft auf unserer Geschäftsstelle mit einem Glas Sekt.
Ganz war damit das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Am 18. Januar 2001 musste ich mit unserer Schatzmeisterin Christl Dietz nochmal zu Notar Dr. Saxl nach Reutte. Anwesend waren neben Benno Helf und Herrn Benning als Vertreter der Sektion Augsburg auch Dr. Wengert, 1. Bürgermeister der Stadt Füssen, und der Leiter des dortigen Liegenschaftsamtes, Herr Meßthaler. Es erfolgte die Unterzeichnung der Verträge mit der Stadt Füssen zu den Nutzungsrechten und zum Kauf des Grundstücks von ca. 330 qm im Umgri der Hütte.
Manfred begleitete mich noch am 17. September zu Notar Nawratil in Friedberg zur Beglaubigung meiner Unterschrift unter dem Kaufvertrag, womit die Formalitäten abgeschlossen waren. Die Willi-Merkl-Hütte ist „jetzt ein Stück Friedberg mitten in Tirol“, schrieb Manfred dazu in der Festschrift von 2002 zu „50 Jahre Alpenverein Friedberg.“
Nasse Einweihungsfeier Einem Fest auf der Willi-Merkl-Hütte zur Würdigung des für unseren Verein so wichtigen Ereignisses stand nun nichts mehr im Weg. Das Sonnwendfeuer am Samstag, 22. September, sollte den Auftakt bilden. Der Regen machte uns allerdings einen Strich durch die Rechnung. Das bedauerten vor allem die Teilnehmer einer Abordnung unserer Freunde von SOSAT Trient unter Leitung von Präsident Nino Baratto und Ehrenpräsident Silvio Detassis, die sich auch sehr darauf gefreut hatten.
Trotz des gar nicht freundlichen Wetters konnte ich am Sonntag neben zahlreichen Vereinsmitgliedern eine Reihe weiterer Gäste begrüßen: Landrat Dr. Körner, Bürgermeister Albert Kling, Herrn Meßthaler als Vertreter der Stadt Füssen, Herrn Wex als Interessenvertreter der Agrargemeinschaft Musau und Abordnungen der Sektionen Mering und Geltendorf. Die Sektion Augsburg ließ sich leider entschuldigen. Bei reichlich Weihwasser vom Himmel weihte Pallottinerpater Ludwig Baron aus Friedberg im Rahmen einer Bergmesse unsere erste eigene Hütte feierlich ein.