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Die Welt steht Kopf – Ihre Portfolios auch?

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Früher galten Anleihen als pflegeleichtes Investment. Mittlerweile sind sie zu einer Anlageklasse geworden, die aktiv verwaltet werden will. Sonst fressen unbeachtete Risiken schnell den Ertrag auf. Ein Überblick, welche Faktoren wichtig sind.

Noch weiß keiner, wie die Pandemie, ausgelöst durch das neuartige Coronavirus, in ihrer wirtschaftlichen Dimension einzuordnen sein wird. Fest steht schon jetzt: Die Bundesrepublik verschuldet sich in diesem Jahr noch mehr als in der Finanzkrise, die am 15. September 2008 mit dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers ihren Anfang nahm. Von einem Tag auf den anderen wird aus einem Nettoschuldenabbau eine Nettoverschuldung. Den Autoherstellern wie Volkswagen bricht über Nacht fast der gesamte Weltmarkt weg. Die Europäische Zentralbank sagte im Mai voraus, dass die Wirtschaft der Währungsunion dieses Jahr im schlimmsten Fall um 12% schrumpft.

Weckruf für Anleger

Auf jeden Fall ist die aktuelle Corona-Krise ein Weckruf für Anleger, die Anleihen bislang immer als ein pflegeleichtes Investment mit stetigen, stabilen Erträgen verstanden haben. Vielleicht der letzte in einer langen Reihe. Denn die Zeiten sind schon lange vorbei, als Bundesanleihen einen Zinskupon von 4% oder mehr aufwiesen. Durch das billige Geld, das die Zentralbanken als Folge der globalen Finanzkrise in die Anleihemärkte gepumpt haben und jetzt wieder neu pumpen werden, kommt es zu der Absurdität, dass Anleger noch draufzahlen, um einem Schuldner ihr Geld zu leihen.

Damit wächst das Anlagerisiko von Anleihen. Denn das vergangene Jahrzehnt der Niedrig- oder gar Negativzinsen hat Kursgewinne zum Kaufgrund für relativ risikoarme Staatsanleihen gemacht. Das Argument eines attraktiven Zinskupons greift nur noch bei Staaten und Unternehmen, die ein deutlich höheres Risiko-Rendite-Verhältnis aufweisen. Denn nichts anderes drückt der höhere Spread, also der Zinsunterschied zwischen einer risikobehafteten Anleihe und einer quasi risikolosen Benchmark, aus. Kaufen und liegen lassen bis Laufzeitende funktioniert hier nicht mehr als Anlagestrategie. Statt wegzusehen sollten Anleger die Risiken im Blick haben.

Anleiheportfolio – Aktivität und Flexibilität gefordert

Wenn kaufen, liegen lassen und Zinsen einstreichen also keine Strategie mehr ist, die für die heutige Zeit passt, ist es unerlässlich, Die Wirtschaft der Währungsunion schrumpft dieses Jahr im schlimmsten Fall um 12 %

Europäische Zentralbank im Mai 2020

Bereits 2019: Mahnung des IWF bei Anleihen

Erhöhung der Risiken im öffentlichen und nichtfinanziellen Sektor gegenüber der Finanzkrise

Auch wenn der Internationale Währungsfonds die CoronaKrise in seine 2019 veröffentlichte Grafik noch nicht einbeziehen konnte, gibt sie Anlegern eine gute Orientierung,

welche beiden Sektoren bereits verwundbar in den durch die Pandemie ausgelösten Ausnahmezustand

hineingegangen sind – und zwar auf einem Niveau, das oberhalb der Anfälligkeit zu Zeiten der globalen Finanzkrise liegt: die zehn Länder, die der IWF als systemisch wichtig erachtet, und Kapitalgesellschaften, die weder Banken noch Versicherer sind. Von den Ländern war Italien bereits vor der Corona-Krise das Sorgenkind der Eurozone angesichts seiner Verschuldung und seines Schwergewichts am europäischen Anleihemarkt. Doch nach der Krise könnte der Zustand des Landes sehr kritisch werden, da das Coronavirus dort mit voller Wucht zugeschlagen hat. Wie ernst die Warnung des IWF zu nehmen war, zeigt sich am Verlauf der Diskussionen um Corona-Bonds und der Vehemenz, mit der Italien für eine Vergemeinschaftung europäischer Staatsschulden streitet. Auch die Unternehmen sind deutlich anfälliger geworden, da die durch Corona ausgelöste Vollbremsung ihre Profitabilität aushöhlt und ihre Zahlungsfähigkeit schwächt. Gerade bei Unternehmen, die nicht aus dem Finanzsektor kommen, warnte der IWF vor einer steigenden Unternehmensverschuldung und dem Eingehen finanzieller Risiken in Kombination mit der sinkenden Bonität der Kreditnehmer.

IWF: Anleihen in einigen Bereichen mit größerer Unsicherheit als 2008 Niveau der Anfälligkeit 2018, 2019 und während der Finanzkrise (gestrichelt)

GFSR Oktober 2018

GFSR April 2019

Globale Finanzkrise

Prozentanteil systemisch wichtiger Länder in der Stichprobe (nach BIP) mit großen und mittelgroßen Anfäl- ligkeiten. Die Anzahl der Länder ist in Klammern angegeben.

100%

80%

60%

40%

20%

0%

Banken (8)

Quelle: Berechnung des IWF-Stabes, IWF, Jahresbericht 2019

Private Haushalte (15) Staat (10)

Sonstige Finanzinstitute (4)

Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (13) Versicherungsunternehmen (4)

auch im Anleiheportfolio von privaten Anlegern für aktive und flexible Elemente zu sorgen. Das ist auch mit passiven Anlagen in ETFs möglich. Die immer breitere Auswahl an Indizes macht eine flexible und genauere Anpassung an sich verändernde Markt- und Zinsumfelder möglich. Dazu muss allerdings auf Portfolioebene eine kontinuierliche aktive Verwaltung des Anleiheteils sichergestellt sein. Wer als Berater für Anlegerkunden die heute erforderliche Flexibilität bei der Anlage in Anleihen umsetzen will, ohne selbst ständig den Markt im Auge behalten und jede Zinsbewegung in ihrer Auswirkung einschätzen zu müssen, sollte sich um Fondsprodukte kümmern, die Anleihen innerhalb weit gefasster Grenzen, also auch global, aktiv managen.

Anleiherisiken –und was sie heute für Anleger bedeuten

Es besteht ein Zinsänderungsrisiko.

Generell verhalten sich bei Anleihen Zins und Kurs invers zueinander. Fällt der Marktzins einer Anleihe bei Neuemissionen, steigt der Kurs der bereits im Umlauf befindlichen höher verzinsten – und umgekehrt. Der Marktzins verringert sich, wenn während der Laufzeit zum Beispiel die Notenbank den Leitzins senkt, um der Konjunktur auf die Sprünge zu helfen. Von einer Startposition aus, in der Markt- und Leitzins wie heute sehr niedrig oder null sind, ist das Zinsänderungsrisiko auf lange Sicht kaum zu überschätzen. Schon das spricht gegen das „Liegenlassen“ als Anleihestrategie. Das Zinsänderungsrisiko während der Laufzeit einer Anleihe wird von Kapitalmarktkennern mit der Größe der Duration („mittlere Kapitalbindungsdauer“) gemessen. Grob gesagt, wer sein Kapital länger in einer Anleihe bindet, ist anfälliger für die auf lange Sicht wahrscheinlicheren Zinsänderungen. Profiinvestoren können dieses Risiko mithilfe komplexer, finanzmathematischer Modelle genau berechnen und bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen.

Die Zahlungsfähigkeit eines Schuldners, also die Bonität, beeinflusst den Anlei

hekurs. Zweifeln Anleger daran, dass sie ihr geliehenes Kapital zurückbekommen, verkaufen sie die Anleihe vor der Zeit. Bei Unternehmens- und Bankanleihen kommt noch die Rangfolge der Gläubiger ins Spiel, die sich in Risikoklassen widerspiegelt und im Fall einer Insolvenz darüber entscheidet, welcher Anleger wann sein Geld zurückerhält und wie er für die Schulden des Emittenten – Staat oder Unternehmen – haftet. Hier sind Nachrang- oder Hybridanleihen am riskantesten, denn die Eigner dieser Papiere haften bei Zahlungsunfähigkeit direkt nach den Aktionären für die ausstehenden Forderungen des Emittenten. Vorrangige Anleihen werden dagegen erst sehr spät in Anspruch genommen. Der Zinskupon, also die an den Anleger gezahlte Risikoprämie für dessen geliehenes Geld, steigt mit zunehmendem Risiko. Dabei ist die Bonität keine statische Größe. Gerade eine globale wirtschaftliche Krise oder ein Nachlassen der Wirtschaftsleistung, wie sie in der Folge der Corona-Pandemie unvermeidlich sind, können bei Unternehmen neue Risiken aufdecken und die Zahlungsfähigkeit beeinträchtigen.

Die Liquidität einer Anleihe ist ein wichtiger – und oft von Anlegern unter

schätzter – Risikofaktor. Je mehr Anleihen eines Typs in einem bestimmten Zeitfenster am Markt gehandelt werden, desto effizienter sind auch der Handel und die Preisfindung. Die von den Börsen veröffentlichten Handelsumsätze sowie die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis einer Anleihe (Geld- und Briefkurs) geben Aufschluss darüber. Bei illiquiden Papieren ist diese Preisspanne eher hoch. Gibt es beispielsweise auf der Gegenseite eines Verkäufers keinen Marktteilnehmer, so wird eine Order verspätet, gar nicht oder zu einem für den Anleger deutlich schlechteren Preis ausgeführt. Das vermindert in der Konsequenz die Nettorendite.

Anleger sollten das Wechselkursrisiko

beachten. Auf der Suche nach wenigstens etwas ertragreicheren Anleihen mussten die Grenzen der Eurozone bereits in den vergangenen Jahren oft überschritten werden. Wer beispielsweise in US-Anleihen oder solche aus Schwellenländern investiert, trägt aber zum Euro ein Wechselkursrisiko, das gerade in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen in einer Krise nicht zu unter- und vor allem schwer einzuschätzen ist.

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