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Branchenfokus
„FINTECHS BESETZEN EINE GANZ EIGENE NISCHE“
Unternehmen der Financial Technology etablieren sich als alternative Finanzierer immer stärker. Dennoch existieren manchmal noch Vorbehalte gegen die technologieaffine Branche. Dabei bieten Fintechs KMU vor allem praxistaugliche, schnelle Lösungen, die sich in der aktuell bewegten Zeit bewährt haben. Das weiß auch Carolin Offergeld, Firmenkundenbetreuerin bei creditshelf. Sie erzählt im Interview aus erster Hand, wie ein Fintech arbeitet, wie es Vertrauen schafft und wieso sich die Zusammenarbeit für Kunden und Partner lohnt.
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Wie arbeitet ein Fintech eigentlich ohne Banklizenz? Offergeld: Der Begriff „Fintech“ umfasst eine ganze Reihe unterschiedlicher Modelle und Finanzdienstleistungen – nicht alle davon erfordern eine Banklizenz, um Kunden Lösungen anbieten zu können. So ist es auch bei uns: Wir kümmern uns um Kreditanfragen, Risikoprüfung, die gesamte Betreuung der Kunden und das Arrangieren der Kredite – im Prinzip also um die ganze Wertschöpfungskette. Nur bei speziellen regulatorischen Vorgaben kommt eine Bank ins Spiel. Hier setzen wir auf eine lange bewährte und direkt in unser System integrierte Partnerschaft. Das Fremdkapital, beispielsweise für unsere KMUKunden, stammt aber stets von professionellen, institutionellen Investoren wie Pensionskassen, Fondsgesellschaften oder Versicherungen. Auch wenn wir selbst keine Banklizenz besitzen, sind wir übrigens alles andere als unreguliert: Wir werden von der Industrie- und Handelskammer, der Börse, dem Finanzamt, dem Kapitalmarkt und natürlich von unseren Investoren regelmäßig kritisch geprüft.
Gibt es dennoch Vorurteile gegenüber Ihrem jungen Geschäftsmodell? Offergeld: Ja, manchmal gibt es die Vorstellung, dass bei uns alles unpersönlich, rein digital und anonym abläuft, nur weil wir das „Tech“ im Namen haben. Zudem gibt es die Auffassung, unsere Branche wäre so etwas wie ein Bankersatz – wer bei der Hausbank keinen Kredit mehr bekommt, der geht eben zum Fintech. Dabei prüfen wir sehr genau und geben nur bei knapp zehn Prozent der Anfragen grünes Licht. Manche Unternehmen machen sich auch Sorgen um ihre sensiblen Daten, haben Bedenken, diese auf eine Onlineplattform hochzuladen. Doch wir sehen solche Ressentiments nach und nach verschwinden. Das ist ähnlich wie beim Onlinebanking, wo sich anfangs auch manche dagegen versperrt hatten und es mittlerweile Standard ist.
Wie begegnen Sie solchen Vorbehalten bei Ihrer täglichen Arbeit? Offergeld: Die zentralen Themen für uns sind, Vertrauen aufzubauen und transparent zu sein. Das beginnt schon in unserem täglichen Umgang mit den Unternehmerinnen und Unternehmern: Jeder Kunde hat bei creditshelf seinen eigenen Betreuer, mit dem er ständig in Kontakt steht und der ihn den gesamten Kreditprozess über begleitet. Anonymität sieht, denke ich, anders aus. Für Transparenz sorgt daneben, dass alle Informationen zu unserer Struktur und unseren Abläufen jederzeit online abrufbar sind. Ein wichtiges Aushängeschild für unsere Glaubwürdigkeit sind auch unsere Investoren. Sie drehen unseren gesamten
Prozess einmal auf links und checken alles bis ins Detail – der Europäische Investitionsfonds beispielsweise würde sich sicher nicht engagieren, wenn er nicht von unserer Integrität überzeugt wäre. Zudem spielt für uns als Fintech natürlich auch das Thema Datensicherheit eine entscheidende Rolle – hier sind wir up to date und absolut zuverlässig.
Wichtig für die Vertrauensbildung bei den Unternehmen sind sicher auch die Partnerschaften zu Banken und Beratungsunternehmen? Offergeld: Das ist richtig, denn diese Partner arbeiten oft bereits seit Jahrzehnten mit ihren KMU-Kunden zusammen. Wenn wir hier als Lösungsvorschlag auf den Tisch kommen, genießen wir von Anfang an großes Vertrauen. Gleichzeitig profitieren auch unsere Partner von diesen Kooperationen. So können beispielsweise die Banken ihre Kundenbeziehungen weiter pflegen, selbst wenn sie aktuell keine eigene Antwort auf die Herausforderung des Kunden haben. Die Banken haben zugleich ein geringeres Risiko, wenn die Kreditforderung auf einer anderen Bilanz liegt. Außerdem erhalten sie eine Provision für die Vermittlung ihres Kunden. Es sind ganz pragmatische Gründe, weshalb Banken mit Fintechs wie creditshelf kooperieren: Entweder kann eine Anfrage nicht bedient werden – etwa aufgrund interner Limite, wie sie kleinere Regionalbanken haben. Oder aber, das Kreditinstitut möchte das entsprechende Engagement nicht eingehen. Das kann passieren, wenn die Kosten zu hoch sind oder der Prüfprozess inhouse zu lang dauern würde.
Und die Kunden, was haben sie von einer Bearbeitung ihrer Anfrage durch ein Fintech? Offergeld: Das geht bereits beim Prüf- und Analyseprozess los: In einer Bank kann sich dieser – etwa wenn es einen Betreuerwechsel gab – teils über mehrere Monate hinziehen. Durch die straffen und digitalen Prozesse im Fintech geht das schneller. Wir können beispielsweise nach 48 Stunden eine erste Aussage zu einer Anfrage machen. Bestehen gute Aussichten auf einen Kredit, legen wir zwei bis drei Wochen später ein verbindliches Angebot nach. Diese rasche Auskunftsfähigkeit hat sich für Mittelständler gerade in letzter Zeit bewährt: Wenn Rohstoffpreise immer weiter in die Höhe schießen, haben Unternehmen keinen monatelangen Vorlauf – sie benötigen schnelle Aussagen zu Kreditanfragen, um ihre Einkäufe auch kurzfristig planen zu können. Hinzu kommt, dass Unternehmen bei uns in der Regel keine dinglichen Sicherheiten benötigen. Wurde etwa der Maschinenpark bereits verpfändet, haben sie beim Fintech dennoch Chancen auf einen Kredit.
Wo sehen Sie sich im Vergleich zu Banken? Offergeld: Unser Angebot ist immer ein Baustein im Finanzierungsmix eines Unternehmens. Wir sind kein Ersatz für Kreditinstitute oder gar „die besseren Banken“. Das wollen wir gar nicht sein. Ich würde eher sagen, wir besetzen eine ganz eigene Nische. Und in dieser Nische bieten wir Unternehmenskunden und Partnern passende Lösungen an.