concerti - Das Berliner Musikleben Januar 2011

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dem warm. „Britische und skandinavische Chöre haben die Reinheit, aber nicht immer diese intensive Wärme. Südeuropäische und amerikanische Chöre singen mit Wärme, erreichen aber nicht immer die Klarheit. Die Mischung aus beidem macht den Rundfunkchor Berlin unverwechselbar.“ Das hat inzwischen auch manche Fachjury erkannt. „Das wichtigste Gütesiegel war unser erster Grammy 2008 für das BrahmsRequiem mit den Berliner Philharmonikern“, meint Sören von Billerbeck, der im Bass singt. „Der hatte eine enorme Strahlkraft in der Öffentlichkeit.“ Inzwischen hat der Chor einen weiteren Grammy und mehrere EchoPreise erhalten. Ein guter Chorklang ist ohne sorgfältigen Umgang mit der Sprache nicht zu haben. Bei einer Probe zu Janáˇceks Glagolitischer Messe ist deshalb neben Halsey und dem Korrepetitor auch eine Sprachberaterin zugegen. Sie erklärt den Sängern die Aussprache des Tschechischen, wo im Mundraum die Vokale gebildet werden und wie die Satzmelodie verläuft. „In jeder Probe eines fremdsprachigen Stücks ist ein Sprachcoach dabei“, erzählt Judith Engel. „Wir hatten auch schon eine Schottin und einen Australier da. Das

britische Englisch übernimmt Simon Halsey selbst.“ Halsey ist nicht nur in künstlerischer Hinsicht ein Glücksfall für den Rundfunkchor. „Ich schätze Simons offene Art, seine Kritikfähigkeit und die Ehrlichkeit, mit eigenen und fremden Fehlern umzugehen“, meint Sören von Billerbeck. Der Dirigent ist ebenso umgänglich wie begeisterungsfähig, was entscheidend zur harmonischen Atmosphäre unter den Sängern und Mitarbeitern beiträgt. Zudem ist das koboldhafte Mischmasch aus Deutsch und Englisch, mit dem der Brite sich hierzulande verständigt, von unschlagbarem Charme. Für die regelmäßigen Auftritte mit den Berliner Philharmonikern oder den roc-Partnern RSB und DSO studiert Halsey mit den Sängern lediglich den Chorpart ein. Dann übergibt er an den Orchesterdirigenten, der die Aufführung leitet. „Da ist Simon frei von jeder Eitelkeit“, meint Judith Engel. „Das Einstudieren des Chors sieht er als seine Kernaufgabe, und das macht er richtig gerne. Im Idealfall gibt es eine Arbeitsteilung: Der Einstudierer arbeitet an technischer Genauigkeit und Wohlklang; den Feinschliff nimmt dann der Orchesterdirigent vor.“ 29


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