Korrespondenzblatt Canisianum Sommersemester 2013

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wurde; und dieß umso mehr, als die traurigen Zeitereignisse zu einer innigen Vereinigung im Gebete und zu erhöhter, gemeinsamer Bekämpfung der Grundursache dieser göttlichen Strafgerichte mit ernstem Rufe auffordern. Das unterzeichnete, mit der Ausführung dieses Beschlusses beauftragte provisorische Comité beehrt sich daher, Euer Hochwürden als ehemaliges Mitglied des Conviktes, hievon mit der achtungsvollen Bitte in Kenntniß zu setzen, ein Gutachten über den beiliegenden Entwurf oder eine etwa beabsichtigte BeitrittsErklärung binnen Monatsfrist portofrei hieher bekannt geben zu wollen, wofür das Comité im Namen der Versammlung im vorhinein den wärmsten Dank ausspricht. Innsbruck, am 26.Mai 1866. Constantin Mattner, Priester der Diözese Breslau als Präsident. Bernhard Hermes, Priester der Diözese Trier, als Sekretär. Jaroslav Graf von Saurma Jeltsch, Subdiakon der Diözese Breslau, als Kassier. Gustav Zenker, Pr. der Erzdiözese Prag. P.Bonifaz Radimersky, O.S.B. P. Gilbert Langhammer, S.O.Praem. P. Leo Schneedorfer, S.O.Cist. Raphael Schenk, Diakon der Diözese Trient. Bernhard Graf von Galen, Subdiakon der Diözese Münster. Bernhard Graf zu Stolberg-Stolberg, Akolyth der Diözese Breslau. Amatus Räss, Akolyth der Diözese Straßburg. Johann Nautermod, Akolyth der Diözese Sitten. Johann Czaja, Akolyth der Diözese Zips. Fr. Emerich Neuber, S.O.C., Profeßkleriker, Akolyth.“31 Der so angeregte Verein und sein Organ wurden Wirklichkeit und haben sich bis heute gehalten. Das „Korrespondenzblatt“ bildete nicht nur das Vorbild für ähnliche 8

Initiativen an anderen Orten, es wurde durch seine Nachrichten und Mitteilungen zu einer wichtigen Quelle der Information, zumal im Zuge der Unterdrückung des „Canisianums“ 1938 durch die Nazis ein Großteil der früheren Korrespondenz aus Sicherheitsgründen vernichtet werden musste. Wichtiger jedoch bleibt die Motivation, gegen die auflösenden nationalistischen und liberalistischen Kräfte bewusst eine Verbindung über geistige und materielle Grenzen hinweg zu fördern und zwar so, dass Unterschiede in Herkunft und Denken nicht eingeebnet, sondern in der größeren Einheit gerade möglich bleiben und gewahrt werden sollten. Natürlich hatte dieses Sich-Stellen gegen einen mächtigen Zeitgeist damals wenig Chancen auf gesellschaftlicher Ebene, blieb aber ein lebendiges und wirksames Signal. Von außen wurde das als Ultramontanismus kritisiert und abgelehnt. Politische Kräfte wandten sich unter der Fahne des Liberalismus gegen die Innsbrucker PriesterAusbildung. Sie suchten schon während des Ersten Vatikanischen Konzils durch Entzug der Mittel den Einsatz von Jesuiten in Innsbruck zu beenden. Damals schrieb Fürstbischof Vinzenz Gasser am 8. März 1870 von Rom aus nach Innsbruck: „Man täusche sich nicht, die theologische Fakultät der Gesellschaft Jesu abnehmen, heißt soviel, als sie und mit ihr auch die Universität vernichten … Die theol. Fakultät in Innsbruck ist die einzige in Österreich, die vom Ausland besucht wird … ich habe – besonders aus Liebe zu Innsbruck – an der Errichtung der theol. Fakultät und an der Vervollständigung der dortigen Universität einen maßgebenden Einfluss ausgeübt“32. Konsequenterweise versteht sich schließlich der Versuch der gewaltsamen Unterdrückung nach dem Anschluss Österreichs im Sommer 1938 als Maßnahme einer Macht, die hier einen Gegner auszuschalten suchte. Doch war das nicht der erste Ansatz in dieser Richtung; das ganze halbe Jahrhundert von Fakultät und Konvikt seit der Gründung war immer wieder von Initia-

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tiven entsprechender Kräfte gekennzeichnet, die freilich bei der Existenz der Fakultät im Rahmen der staatlich agierenden Innsbrucker Universität ansetzten. So erinnert das Correspondenzblatt 1896 an einen Exkurs von Prof Dr. Sueß vom 30.November dieses Jahres gegen die Innsbrucker Theologische Fakultät, die im Wiener Abgeordnetenhaus Anlass gab, über die ungleiche Vergütung der Innsbrucker Theologie-Professoren zu sprechen. Schon 1874 hatte sich Prof. Dr. Sueß über den Priesterverein und das Correspondenzblatt ausgelassen33. Mitten im Kulturkampf erklärte er in der Debatte des Abgeordnetenhauses des Reichsrats in Wien am 24. März 1874 als Spezialberichterstatter für Fragen des Budgets : „In diesem Jahre z.B. studiren in Innsbruck 209 Hörer; unter diesen sind 77 Inländer und 132 Ausländer….es ist ganz klar…, dass sie eben den Zweck erreichen will … nämlich die Ausbreitung eines Netzes von Ordensverwandten über alle Länder deutscher Zunge. Um nun diesen ausgetretenen Zöglingen, diesem Netze einen vollen Zusammenhang zu geben, wurde an dieser Facultät eine zweite Einrichtung getroffen, nämlich es wurde ein Verein gegründet unter dem Namen ‚Herz-Jesu-Verein’, welcher alle Abiturienten dieser Anstalt unter einander verknüpft. Das ist der zweite Schritt, um die Maschen des Netzes zu festigen, und ein dritter Schritt wurde durch die Herausgabe einer Sammelschrift gemacht, welche für alle einzelnen Abiturienten, die durch sämmtliche Diöcesen deutscher Zunge verbreitet waren, herausgegeben wurde, und deren Blätter, wie es hier steht, unter der gehörigen Vorsicht zu versenden sind“34. Das sollte eine Verschwörungstheorie untermauern, die der Berichterstatter in dem „nicht friedlichen, [sondern in dem] geradezu kriegerischen Zweck dieses Institutes deutlich“ gemacht zu haben glaubt. Als Beweis zitiert er päpstliche Äußerungen. „So zahlreich diese Breven sind, es ist keines darunter, welches nicht auf den kriegerischen Charakter dieses Institutes

hinwiese“35. Die Sichtweisen kontrastierten so stark, dass sich für die Angegriffenen ein Druck ergab, bei dem es nicht verwunderlich ist, wenn sich nach und nach die Perspektive einengte, und es scheint, als seien in dieser Entwicklung die genuin katholischen Dimensionen selbst ein wenig in den Hintergrund geraten. Der Behauptungswille verstärkte sich so, nahm aber gelegentlich Züge an, die heute etwas befremden können. Erwähnt seien aus dieser Entwicklung zwei bezeichnende Momente, nämlich zunächst die Auseinandersetzungen in den kulturkämpferischen Angriffen um 1870 und dann die Wahrmundaffäre von 1907/08. Zum ersten Moment kann man sich auf die gedruckten Reden im Reichsrat berufen, die nicht in aller Breite referiert werden müssen. Als Ergebnis ist der Ausschluss der Theologischen Fakultät von den Wahlen zum Rektor der Universität für 65 Jahre festzuhalten sowie eine Absprache mit der Ordensleitung über ein verändertes Vorgehen bei der Bestellung der Professoren sowie deren rechtliche Stellung und schließlich die Zuordnung von zwei Professoren von außen, die nicht dem Orden angehörten. Es kann nicht wundern, wenn beim Auftauchen dieser Schwierigkeiten der Gedanke an die Gründung einer Katholischen Universität nach Löwener Vorbild wieder wach wurde36. Zum zweiten Moment ist auf das Engagement von P. M. Hofmann zu verweisen, der sich in einer Protest-Versammlung im Stadtsaal zu Innsbruck am 10. Jänner 1907 mit einer Rede gegen die Bestrebungen des Vereins „Freie Schule“ wandte37. Es ging um die recht verstandene Freiheit für das wissenschaftliche und gesellschaftliche Leben, wie sie in der Erziehung der Kinder eingeübt werden muss. Doch eine argumentative Auseinander­ setzung, wie sie akademischen Standards entsprochen hätte, scheiterte an Vorurteilen. Das hinderte freilich nicht eine intensive Prüfung der Frage innerhalb von Fakultät und Canisianum, die indes ein differenzierteres und 9


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