city - das magazin für urbane gestaltung 3/2013

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Sept 2013 magazin-city.at

Stadt und Erneuerung Wie sanft kann urbane Modernisierung sein?

Kreative Projekte

Die Kreditklemme macht Developer erfinderisch

HeiĂ&#x;er Herbst Die Designszene gibt Vollgas


talk

Immobilienmarkt

Aus dem Inhalt talk

Immobilienentwickler müssen kreativ werden

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planning

Revitalisierung: Zukunft mit Vergangenheit 6 Stadterneuerung einst und heute 7 Die Stadtnomaden kommen 10 architecture WU Campus, Austria Campus 11 Architekturwettbewerbe 12 – 13 design Vienna Design Week, Blickfang 14 – 15 Designer Tom Lloyd im Interview 16 I m p r e s s u m : Herausgeber Bohmann Druck und Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG ­Geschäftsführung Dr.in.Gabriele Ambros, KR Gerhard Milletich Verleger Bohmann Druck und Verlag, GesmbH & Co. KG, A-1110 Wien, ­Leberstraße 122 Verlagsleitung Mag. (FH) Patrick ­Lenhart Chefredaktion und Lektorat Roland Kanfer ­Autorinnen und Autoren ­DI Ilse Huber, DI Barbara Jahn-­ Rösel, Fernando Klar, Heimo Rollett, Mag. Walter Senk Anzeigenleitung Peter Mayer ­(p.mayer@bohmann.at) Assistenz Redaktion und Anzeigen Michaela Kern (city@bohmann.at; Tel. 740 95-556) Vertriebsleitung Angelika Stola (a.stola@­bohmann.at; Tel. 740 95-462) Aboverwaltung abo@bohmann.at; Tel. 740 95-466 Layout & Produktion ­Thomas ­Weber Hersteller Druckerei Berger, Wienerstraße 80, A-3580 Horn. Die Zeitschrift City ist ein unabhängiges Medium für Architektur, Stadtentwicklung, Design und ­ Urbanität. Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Coverfotos: UniCredit, ifa AG schreinerkastler, Kronsteiner/PID

Archiv

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Die Stadt der Zukunft braucht mehr als sanierte Gebäude!

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ie Diskussion um Stadterneuerung artet oft in einen Glaubenskrieg aus. Wie weit darf sie gehen, wie viel Modernität verträgt eine historisch gewachsene Stadt wie Wien – oder noch direkter gefragt: Wie viel neue Architektur braucht sie, um ein lebender Organismus zu bleiben und nicht zu einem mumifizierten, für Touristen aufgeputzten Leichnam zu mutieren? Auf der anderen Seite steht die Sorge um das baukulturelle Erbe der Generationen vor uns, das den europäischen Städten ihre unverwechselbare Identität verliehen und uns unser Selbstverständnis gegeben hat, Teil dieses Erbes zu sein. Wie der Wiener Architekt und Architekturforscher Rudolf Kohoutek analysiert, haben sich die Paradigmen und Prioritäten der Wiener Stadterneuerung als international herausragende Praxis des Umgangs mit historischer Stadtsubstanz seit Beginn der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mehrfach verändert und erweitert. Wien habe sich mit der Stadter-

neuerung ein Spielfeld zwischen Regelungsplanung, gefördertem Wohnbau, sozialen Diensten, kommunalen Baumaßnahmen und lokaler Kulturpolitik eröffnet, meint Kohoutek, der angesichts der zunehmenden Bedeutung Wiens als Immobilienstandort lieber von Stadtumbau und weniger von Stadterneuerung spricht. Tatsächlich findet in den Städten, auch in Wien, ein langsamer Umbau statt. Abgewohnte und leerstehende Wohnhäuser, Geschäftslokale und Bürogebäude werden zu temporären oder anderen innovativen Formen von Hotels recycelt, ausgediente Werkshallen in den Hinterhöfen der Vorstädte mutieren zu Stätten des Kulturbetriebs. Die nach wie vor schleppende Konjunktur wie auch die Finanzierungsunlust seitens der Banken spornen die Immobilienfirmen an, mehr Kreativität zu entwickeln und bei ihren Projekten auch mal um die Ecke zu denken. Stadterneuerung findet nicht von selbst statt, Gebäudesanierungen alleine haben kaum

Auswirkungen auf das Umfeld und damit auf die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt. Kreativität wird aber auch von den Stadtplanern und den Kommunen selbst gefordert. Für sie gibt es mehr als genug zu überlegen: Wie Städte damit umgehen sollen, dass in 40 Jahren drei Viertel der Weltbevölkerung im urbanen Raum leben werden; dass diese Menschen bald eine Lebenserwartung von 100 Jahren erreichen werden; dass sie mobiler werden; und wie alle diese Parameter mit hoher Lebensqualität und Umweltschutz in Einklang gebracht werden können. Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen

Roland Kanfer

Kreativität gefordert Immobilien Das Flächenangebot am Wiener Büromarkt steigt langsamer als zuvor. Aufwendig moder­ nisierte ­Büroflächen sind nicht leicht zu vermarkten, dafür herrscht Mangel an Wohnraum für ältere Menschen. Die Kreditklemme macht Entwickler erfinderisch. I heimo rollett

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Der DC Tower 1 wird mit 43.000 m2 die größte Fertigstellung 2013. WED

ie Wirtschaftsdaten sind öd, es gibt kaum neue Büroprojekte, die Story von Wien als CEE-Headquarter hat ausgedient. Dennoch geht es dem Büromarkt recht gut, behaupten zumindest die Marktteilnehmer. Die Vermietungsleistung dürfte heuer ihren Einschätzungen zufolge jene von 2012 erreichen. Das Flächenangebot am Wiener Büromarkt steigt noch immer, zwar langsamer als zuvor aber immerhin. Die größten Fertigstellungen heuer sind durchaus bekannte Namen: Der DC Tower 1 mit seinen insgesamt 43.000 m2 Fläche sowie die Baustufe 5 des Euro Plazas mit 34.000 m2. Die Hälfte ist an Philips vergeben. Im DC Tower sind laut Michael Zöchling, Geschäftsführer der BAR, noch 15.000 m2 frei. Insgesamt sind nach Berechnungen von CBRE heuer im ersten Halbjahr 69.000m² neue Büroflächen fertig gestellt worden, 80.000m² sollen noch bis zum Jahresende folgen. CBRE-Geschäftsführer Andreas Ridder analysiert, dass aufgrund der prognostizierten Nachfrage und der zu erwartenden Fertigstellungen mit einem Anstieg der Leerstandsrate von aktuell 6,5% auf rund 6,7% per Jahresende zu rechnen sei.

Das Euro Plaza wird heuer um 34.000 m2 erweitert.

Projekte in der Pipeline gibt es dennoch. Standorte wie der neue Hauptbahnhof werden wohl attraktiv genug sein, um neue Mieter zu locken. Große Developments für den Mietermarkt sind hier das Quartier Belvedere Central (ein Gemeinschaftsprojekt der Erste Group Immorent, Strauss & Partner und S IMMO AG) sowie jenes der Signa Gruppe. Wann genau diese fertig gestellt werden, bleibt allerdings abzuwarten und wird auch von den aktuellen Marktentwicklungen beeinflusst werden.

Neumann + Partner

Engpass bei ­Finanzierungen Neben den Marktzyklen und dem ausbleibenden Zuzug an neuen großen Unternehmen hemmt allerdings ein weiterer Aspekt den Neubau: Die Finanzierung. Schon jetzt erhalten aufgrund der restriktiven Risikobestimmungen neue Projektideen nur noch selektiv Kredite und städteplanerisch wünschenswerte Mischnutzungen oder innovative Konzepte fallen durch den Rost. In diesem Umfeld erfreuen sich jene, die über andere Finanzie-

rungswege bzw. über einen guten Eigenkapitalanteil verfügen. Private Equity, Family Offices und dergleichen konnten in den letzten Jahren zuschlagen. Sogar neue Geschäftsmodelle wurden erfunden. 6B47 gründete etwa einen Investmentclub, in dem sich potenzielle Investoren aus dem In- und Ausland bei den von 6B47 vorgeschlagenen Projekten beteiligen können. Nicht nur der Glaubwürdigkeit halber bleibt 6B47 auch immer selbst mit 25 Prozent investiert. Danach wird der erforderliche Fremdkapitalanteil gemeinsam mit renommierten Banken strukturiert, investiert und entwickelt. Und dann an institutionelle Endinvestoren verkauft. Das eingesetzte Kapital wird zurückgeführt, der erwirtschaftete Gewinn wird zwischen Clubinvestoren und 6B47 geteilt.

Umnutzungen Kreativität findet auch in anderen Bereichen der Immobilienentwicklung Anwendung. Etwa, wenn es um die Nachnutzung geht. Immer mehr in die Jahre gekommene Bürogebäude werden als Wohnraum oder als Hotel genutzt. Das trendige Hotel Daniel hat sich z.B. im ehemaligen Motorola-Gebäude beim Belvedere einquartiert. Auch das 25


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Immobilienmarkt

Hours neben dem Justizministerium ist ein Recycling-Projekt aus einem ehemaligen Studentenheim. Aber auch internationale Ketten sind froh, dass Banken und Unternehmen neue moderne Büroflächen gesucht haben und nun die alten als Hotel – in Wien z.B. als Ritz Carlton, Hyatt, Kempinski – genutzt werden können. Oder der Hohe Markt: Wo früher Angestellte der Helvetia-Versicherung ein und aus gingen, residieren heute Millionäre – die Wohnungen im heutigen „Palais Principe“ gehören zu den teuersten Wiens. Ein weiteres aktuelles Beispiel ist das Fifty Four Easy Apartments, das von der erwähnten 6B47-Gruppe umgesetzt wird.

Preisanstieg in ­Zentrumsnähe EHL Immobilien ortet die besten Möglichkeiten bei Büroobjekten aus den Achtzigern und Neunzigern in zentrumsnahen Lagen, also innerhalb des Gürtels oder im 2. und 20. Bezirk. „Hier haben die Wohnungspreise stark zugelegt und umgekehrt sind ältere Büroflächen selbst nach aufwendigen Modernisierungen nicht leicht zu vermarkten. Hier lohnt es sich in vielen Fällen, noch etwas mehr Geld in die

+ + city TALK + + + city TALK + + + city TALK + + + city TALK + + + city Deutschland – der erweiterte österreichische Markt

Passiv-Bürohaus silo, Wien-Liesing: 13.000 m² auf sieben Stockwerken. Erste Group Immorent

Hand zu nehmen, und gleich einen Umbau in Wohnungen durchzuführen“, erklärt Michael Ehlmaier, Geschäftsführender Gesellschafter von EHL Immobilien. Solcherart Umnutzungen bieten einige Vorteile, so verfügen Bürohäuser meist über Tiefgaragen und sie liegen verkehrstechnisch günstig nahe einer U-Bahn. Weiters sind die Räume meist höher als die üblichen 2,50 Meter. Nichts desto trotz: Bei der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung und dem geringen Neubauvolumen an Wohnungen müssen noch viele Büros umgenutzt werden, um den zukünftigen Bedarf zu decken.

Best-Agers-Wohnkonzepte noch selten Apropos Demografie: Bis jetzt hat sich der österreichische Wohnbau noch kaum um die Golden Agers, wie die alten Menschen nun gerne betitelt werden, gekümmert. Umgesetzte Konzepte wie die Human-Base von Raiffeisen evolution sind noch eine Seltenheit. Eher reagieren Bauherren und Investoren noch auf die vermehrten Single-Haushalte. Mit der Campus Lodge entsteht derzeit unweit der neuen WU Wien etwa ein Vorzeigeprojekt von IG Immobilien. Die Wohnungen sind ganz speziell für eine junge Zielgruppe konzipiert, die Größen liegen zwischen 38 m2 und 72 m2. Sie verfügen über zwei bis drei Zimmer pro Einheit. Das Spezielle dabei: IG Immobilien garantiert eine Betriebskostendeckelung auf drei Jahre.

Zahlreiche heimische ImmobilienUnternehmen sind schon längst in Märkten außerhalb Österreichs aktiv. Neben den risikoreicheren CEEMärkten entdeckten die Österreicher aber als stabilen Ausgleich auch Deutschland – und zwar lange bevor der Investmentboom, der derzeit dort herrscht, ausbrach. Die Immofinanz hat derzeit etwa 57 Standing Investments in Deutschland. Großes Thema ist derzeit der mögliche Börsengang der Immofinanz-Tochter BUWOG, die sich massiv in Deutschland engagiert. Experten schätzen aber, dass es derzeit nicht das richtige Umfeld für einen solchen IPO ist. Einer der größten Developer in Deutschland kommt aus Österreich – und heißt CA Immo. Mit dem Kauf der deutschen Vivico im Jahre 2007 wurden zahlreiche Flächenreserven ergattert, großteils innerstädtisch. Diese werden nun nach und nach entwickelt. Erst im August wurde auf so einem Grundstück – neben dem Berliner Hauptbahnhof und unweit des Kanzleramtes – der Grundstein für das John F. Kennedy Haus gelegt. Vorverwertung des Office-Gebäudes: 42 Prozent.

Die Strategie der S Immo beruht darauf, Immobilienzyklen zu nutzen. Wohnobjekte, die derzeit vor allem in Berlin, Hamburg und Wien noch eine Boomphase erleben, werden lukrativ verkauft. Ernst Vejdovszky, Vorstandsvorsitzender der S Immo: „Opportunitäten wie zum Beispiel am Berliner Büromarkt möchten wir ergreifen, um mit unserem lokalen Expertenteam Potenziale zu nutzen und damit den Wert unseres Portfolios auch in Zukunft weiter zu steigern. Mit dem Kauf des Büroobjekts Sonnenallee, das aus einem architektonisch ansprechenden und vollständig renovierten Altbau sowie einem Mitte der 1990er-Jahre neu zugebauten Teil mit insgesamt rund 11.000 m² vermietbarer Fläche besteht, haben wir einen ersten Schritt in diese Richtung getan.“ Extremstes Beispiel für die Deutschland-Orientierung ist die Conwert: Früher auf Altbausanierung spezialisiert gab es nach dem Verkauf der Conwert von Gründer Günther Kerbler einen radikalen StrategieSchwenk. Objekte in Österreich wurden abgestoßen, die Konzentration liegt ganz auf deutschen Investments.

Trend: Betriebskosten-Garantie

Innovativ entwickeln: Fixe Betriebskosten in der Campus Lodge

IG Immobilien

Auch bei Büroimmobilien ist dieser Trend bereits zu beobachten. Unternehmen erhalten betriebswirtschaftliche Planungssicherheit, indem der Vermieter ihnen entweder eine All-inclusive-Miete verspricht oder die Betriebskosten garantiert. Das Silo, ein Projekt der Erste Group Immorent, ist Österreichs erstes Bürohaus, das gedeckelte Betriebskosten auf zehn Jahre verspricht. Ein Gedanke,

Einige Developer wie die S Immo verkaufen in Deutschland Wohnungen und ­investieren in Büros. S IMMO

der dem Aufzugshersteller KONE gefallen dürfte. Er belegt schon fix ein Drittel der Fläche plus – ebenfalls kreativ – das denkmalgeschützte Silo neben dem modernen Bürohaus. Es wird als Testschacht für Aufzüge genutzt werden. ❙

Der Baumeister als Universalist Baukompetenz Zur Erlangung einer Berechtigung für das Baumeistergewerbe ist zusätzlich zur Baumeisterprüfung eine mehrjährige Praxiserfahrung nachzuweisen. I bezahlte Anzeige Der Baumeister als Planer und Konstrukteur hat eine jahrhundertelange Tradition und leistet einen sichtbaren Beitrag zur heimischen Baukultur, welcher weit über die professionelle Ausführung und Sanierung von Bauten hinausgeht. Zu den wichtigsten Kompetenzen der Baumeister gehören: • die Planung vom Entwurf weg bis zur Erstellung des Einreichplans • die Berechnung z.B. vom zukünftigen Energieaufwand

• die Projektleitung als Schnittstelle zwischen Auftraggeber und den weiteren Zulieferern • Die Vertretung vor Behörden • Sachverständigentätigkeiten wie z. B. die Erstellung von Gutachten und/oder auch die Beweissicherung. • Als Generalunternehmer, der den gesamten Bauprozess abdeckt, bietet der Baumeister Komplettlösungen aus einer Hand an. Je früher der Kunde den Baumeister in die Konzipierung eines Bauprojektes einbezieht, desto besser.

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planning

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer Effekte der Stadterneuerung Die Stadt erneuert sich nicht von selbst – sie braucht Initiativen – und zwar von mehreren Seiten. Gebäudesanierung hilft zwar dem Objekt, aber eine Stadtentwicklung oder Aufwertung des Grätzels findet dadurch noch nicht statt. I walter senk

Daniel Jelitzka (GF JPImmobilien) Clemens Bednar

Bürohaus Neutor 1010: Neue Gebäude können die Umgebung neu beleben Christina Haeusler

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enn man innerstädtische Projekte refurbished, dann hängen die Auswirkungen auf die Umgebung von der Größe des Objektes ab“, erklärt Daniel Jelitzka, Geschäftsführer von JPImmobilien: „Je größer das Projekt, desto größer der Nutzen und der Impact auf die Umgebung.“ Eine Solitäraktion nütze in so einem Fall allerdings wenig, ein öffentlicher Nutzen müsse auch gegeben sein, so Jelitzka. Bei seinem Paradebeispiel in der Heumühlgasse, Ecke Schönbrunnerstraße wurde der sanierte Innenhof öffentlich zugänglich gemacht und innerhalb kürzester Zeit siedelten sich in den Erdgeschoßflächen Start UpBüros an. Als diese voll waren, zog sich die Nachfrage über das Objekt hinaus in angrenzende Häuser. Jelitzka: „Du kannst das größte Projekt machen, aber sobald es abgeschottet ist, wird es

> Je größer das ­Projekt, desto größer der Nutzen und der Impact auf die ­Umgebung. < ein unbelebter Monolith in der Landschaft. Eine Stadt muss erlebbar sein. Die Menschen wollen an etwas Neuem partizipieren.“ Beim Etablissement Gschwandner im 17.Bezirk (siehe S. 6) wurde ähnlich vorgegangen und hier werden mittlerweile auch in den umliegenden Häusern Developer aktiver. „Auch die Preise ziehen rundherum stärker an“, so Jelitzka. „Das ist eine Aufwertung für die gesamte Gegend.“

Stadtgarten sorgt für ­Neuvermietungen Ähnliches erreichte die UBM bei ihrem Projekt Live-Work-Stay im Münchner Stadtteil Sendling, einem Stadtbezirk, der mit Mietshäusern und wohnungsgenossen-

Heumühlgasse: Der sanierte Innenhof wurde zum Anziehungspunkt für Start Ups. JPI

schaftlichen Bauten dicht besiedelt und durch eine Funktionsmischung von Wohnen und Arbeiten geprägt ist. Der neue Komplex umfasst ein Hotel, Wohnungen, Büros und Handelsflächen. Der eingeplante neu hinzugekommene Stadtgarten hat sehr rasch zu Neuvermietungen geführt. Sogar die Freizeitqualität wird durch die multifunktionale Nutzung verbessert. Man kann davon ausgehen, dass zumindest im nahen Umfeld die Mieten durch das hinzugekommene Grün angezogen haben. Heribert Smolé, Vorstandsmitglied der UBM: „Was städteplanerisch wichtig ist, es wird nicht nur das einzelne Projekt angeschaut, sondern man spricht von Quartieren.“

Verstärkung durch ­Infrastrukturinvestitionen Bei großen freien Flächen, die als Gesamtheit entwickelt werden, kommen auch noch andere Aspekte zum Tragen, wie die Projekte Viertel Zwei oder Eurogate in Wien beweisen. Eurogate ist ein Paradebeispiel dafür, dass Immobilienentwicklungen in die Umgebung ausstrahlen. Auf dem 20 Hektar großen Areal wird in einer ersten Phase die größte Passivwohnhausanlage Europas mit über 2000 Miet- und Eigentumswohnungen, gefördert und frei finanziert, entstehen. In weiterer Folge sollen auf den Aspanggründen auch Büroimmobilien und weitere Wohnungen errichtet werden. Die positive Ausstrahlung auf das angrenzende Gebiet wurde freilich durch flankierende Infrastrukturinvestitionen der Stadt Wien verstärkt – etwa durch Neugestaltung angrenzender Straßenzüge und der Errichtung einer Haltestelle für die Schnellbahnlinien 7 und 70. Später soll einmal auch die U-Bahnlinie 2 bis zu den Aspanggründen verlängert werden. Auch der lange Planungszeitraum – der Masterplan von Sir Norman Foster datiert um die Jahrtausendwende – hat paradoxerweise die Entwicklung begünstigt. Alle Stakeholder hatten genug Zeit, sich auf die kommenden Veränderungen einzustellen.

Neubelebung durch ­Gebäude

Der Münchner Stadtteil Sendling erlebt mit dem gemischten Projekt Live-WorkStay eine Aufwertung. UBM

Viertel Zwei: Moderne Architektur mit Teich im 2. Bezirk

Kronsteiner/PID

Die Gegend zwischen Aspanggründen und äußerem Rennweg verfügt über eine durchwegs gründerzeitliche Bausubstanz, hat


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Immobilienmarkt

Heribert Smolé, CFO von UBM Realitätenentwicklung AG

UBM

> Städteplanerisch wird nicht nur das ­einzelne Projekt ­angeschaut, sondern man spricht von ­Quartieren. < allerdings in den letzten 20 Jahren kontinuierlich verloren. Zum Landstraßer Gürtel hin haben nicht nur zahlreiche Geschäfte gesperrt, auch der für seine Tanzveranstaltungen weit über die Grenzen des 3. Wiener Gemeindebezirks bekannte Gasthof Pribitzer wurde geschlossen. Seit Bezug der ersten neuen Wohnungen kann man eine Umkehr erkennen. Durch die bessere Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist das Gebiet zweifellos für junges urbanes Publikum attraktiver geworden. Diese Gruppe weist gemeinsam mit den neuen Bewohnern eine höhere Kaufkraft auf

als die bisherige Wohnbevölkerung. Das lockt Einzelhandel an und verbessert die Nahversorgung. Die demoskopische Verjüngung sorgt seit langem auch wieder für Zuzug von Gastronomie. Aber auch in den ganz alten Teilen von Wien, die bereits entwickelt sind, finden sich immer wieder Möglichkeiten, durch Gebäude die Umgebung neu zu beleben, wie beim Projekt Neutor 1010 der S IMMO AG. Friedrich Wachernig, Vorstand der S Immo AG: „Für die Gegend, die als Bürostandort etwas ruhig geworden war, ist Neutor 1010 – vor allem dank Benes Flagshipstore – sicher eine Aufwertung.“ Schon im Vorfeld hatten umfangreiche archäologische Arbeiten und viel Anrainerkommunikation starke Auswirkungen auf das Umfeld.

des vorigen Jahrhunderts noch als Zentrum der Künstler und „Unangepassten“ bekannt, hat es sich seit Anfang der neunziger Jahre zu einer gefragten gutbürgerlichen Wohngegend entwickelt. „Man muss den sozialen Aspekt viel stärker beachten“, erklärt Rudolf Zabrana. Der Architekt und stellvertretende Bezirksvorsteher des 3. Wiener Gemeindebezirks feiert nächstes Jahr sein 50-jähriges Berufsjubiläum und hat die Stadtentwicklung über Jahrzehnte beobachtet: „Eine Kahlschlagsanierung oder der Abbruch eines Hauses hat natürlich zur Folge, dass die Mietverträge erlöschen und die Bewohner auf

Wanderschaft geschickt werden – für sie geht die Verbindung mit dem Grätzel verloren und dieses verliert immer mehr seine Identität. Die Stadtteilbindung ist einer der großen Vorteile, die Wien immer noch hat und dadurch entwickeln sich ja immer neue hippe Grätzel.“ In den sechziger und siebziger Jahren war der zweite Bezirk um die Praterstraße übel beleumundet und heute ist daraus eine ausgezeichnete Wohngegend geworden. „Ein Wandel innerhalb eines Bezirkes, der die Stadt beeinflusst, dauert so 30 bis 40 Jahre. Es sind ein bis zwei Generationen, die so einen Wandel tragen“, so Zabrana. ❙

DI Rudolf Zabrana (stv. BV 3. Bezirk) beigestellt

> Die Stadtteilbindung ist einer der großen Vorteile, die Wien ­immer noch hat. <

Stadtteilbindung Dass Stadtentwicklung auch in die falsche Richtung gehen kann, zeigt das Beispiel Prenzlauer Berg in Berlin. Es gibt wohl kaum einen Stadtteil in der deutschen Hauptstadt, der sich in den vergangenen 30 Jahren so sehr verändert hat. Schätzungen zufolge wurde das Viertel in den vergangenen 20 Jahren fast vollständig umgekrempelt. Knapp 80 Prozent der Einwohner des Stadtteils wechselten in dieser Zeit. War das Viertel in den achtziger Jahren

Eurogate Wien: Positive Ausstrahlung auf das angrenzende Gebiet

Stadt Wien

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planning Stadterneuerung

Zukunft mit Vergangenheit Wiederbelebung In Wien wird – meist nach langem Hin und Her – alten, zerstörten oder in Vergessenheit geratenen Kulturinstitutionen gerne neues Leben eingehaucht. Auf die unterschiedlichsten Arten. Die Wiener Vorstadt erlebt dadurch eine befreiende Renaissance. I barbara jahn

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er Wiener Zukunftsforscher Andreas Reiter, Gründer des ZTB Zukunftsbüro in Wien, plädiert für die Peripherie: „Nachdem wir unsere Städte in den letzten Jahren Viertel um Viertel geliftet und den öffentlichen Raum mit Grünzonen, adretten Stadtmöbeln und Waterscapes zur Public Lounge umfunktioniert haben, nachdem Romantiker jeden zweiten Laternenpfosten mit ihrem bunten

Die „Sofie“ Neu ...

ifa AG schreinerkastler

Foto: Larry R.Williams

+ + city PEOPLE + + + city PEOPLE + + + city PEOPLE + + + city PEOPLE + Nicht Restaurierung, sondern Wiederbelebung Drei Fragen an Erich Bernard von BWM Architekten.

City: Man entdeckt die ehemalige „Vorstadt“ wieder. Was macht das Gschwandner so besonders? Bernard: Das Besondere beim Gschwandner ist, dass sich dort ein Stück Wiener Alltagskultur aus der Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten hat. Im Gegensatz zu den Sofiensälen übrigens, die ja seit 1850 mit dem dritten Bezirk eingemeindet und deutlich bürgerlicher waren, lag das Gschwandner im erst 1892 eingemeindeten Vorort Hernals, der so wie Neulerchenfeld nicht nur für seine ausgelassenen Wirtshaus- und Heurigenkultur, sondern auch für seine revolutionären Agitationen im Jahre 1848 bekannt geworden war. Das Gschwandner in Hernals war immer eine Gegenwelt zur Hochkultur des damals von Großbürgertum und Aristokratie dominierten innerstädtischen Wien. Und in den Sälen haben sich alle Spuren der wechselvollen Geschichte von Umbauten und Erweiterungen, von unterschiedlichen Nutzungen bewahrt – genau das macht den Reiz des Gschwandner aus. Und mit der Wiederentdeckung von Neulerchenfeld und Hernals wird nicht irgendeine „Vorstadt“ wiederentdeckt, sondern genau jenes Wiener Milieu aufgespürt, das mit der klassischen Wiener Innenstadt zu einem untrennbaren Gegensatzpaar verbunden ist – bis heute.

City: Wie wird das „Gschwandner Neu“ aussehen? Bernard: Wir haben unsere Vorgangsweise beim Umbau „Rucksack-Prinzip“ genannt. Vorne bleiben die Gschwandner Säle erhalten wie sie sind und hofseitig planen wir mit boxenartigen Baukörpern den Zubau der fehlenden Gastronomie und Nebenräume – sowohl unterirdisch als auch oberirdisch. Der Hof selbst soll ein Teil eines öffentlichen Durchganges werden, der Neulerchenfeld und seinen Yppenplatz durch das GschwandnerEnsemble mit der Hernalser Hauptstrasse verbindet. City: Inwieweit soll man solche architektonischen Kleinode denn restaurieren und wiederbeleben? Wie ist da Ihr Ansatz? Bernard: Beim Gestaltungskonzept für die Wiederbelebung des Gschwandner ist es uns wichtig, die Spuren die die Säle an sich tragen, als einzigartige Dokumente einer vergangen Geschichte zu bewahren, und zwar nicht selektiv sondern ganz generell. Alle Imperfektionen zu beseitigen wäre, als ob man die Geschichte ausradiere. In diesem Sinne müssen auch in Zukunft neue Spuren dazukommen dürfen, die Geschichte soll einfach fortgeschrieben werden und nicht bloß die bestehenden wie unter einem Glassturz konserviert werden. Keine Rekonstruktion, keine Restaurierung im klassischen Sinn, sondern eben eine Wiederbelebung.

Strickwerk verzierten (Urban Knitting) und gut erzogene Familienväter Gemüsebeete auf einstigen Autoabstellplätzen hochzogen (Urban Gardening), wenden wir uns nun – aus strategischen Gründen – den Hinterhöfen zu. Denn dort, in den postindustriellen Fabrikhallen und zugigen Werkstätten an der Peripherie wird an der Zukunft gebastelt. In

Der Große Saal des Gschwandner

Friedrichshain und Hernals, in East London wie in Istanbul-Cihangir. Innovation kommt nicht aus den Chefetagen in der City, sondern meist von den Rändern, von dort wo die bunte Phantasie auf graue Mauern trifft und das Provokante auf das Provisorische.“

Ziel: Unsterblich Konkret meint er damit unter anderem „Das Gschwandner“ in der Hernalser Geblergasse. Dem his-

ifa AG schreinerkastler

Alte Mauern, neuer Inhalt Gerade im Wiederauferstehen sind auch die legendären Sofiensäle, die 2001 einem verheerenden Brand zum Opfer fielen. Was damit geschehen sollte, blieb lange im Raum stehen, bis die Soravia Group-Tochter IFA die Brandruine schließlich kaufte und zehn Jahre nach dem Brand mit dem Bau von 88 Wohnungen rund um den denkmalgeschützten Saal und zwei Restaurants begann, die nun 2013 fertiggestellt

... und als Brandruine

torischen Grand Etablissement, um die Jahrhundertwende eines der bekanntesten Vergnügungsetablissements der Wiener Vorstadt, steht eine große, neue Zukunft bevor. Konnte sich einst niemand vorstellen, dass das Gschwandner eines Tags in Vergessenheit geraten könnte – selbst gebürtige Hernalser wissen teilweise nichts von seiner Existenz – so liegt es nun in den Händen der neuen Eigentümer, den Dornröschenschlaf endgültig zu beenden. Nach dem Umbau, geplant und sorgfältig gestaltet von BWM Architekten, soll das Gschwandner im Herbst 2014 wieder das sein, was es immer schon war: Ein Ort der Begegnung. Umrahmt werden die Veranstaltungen von einem eigenen traditionellen Wiener Wirtshaus sowie einer Greißlerei. Familienarchiv Ulrike Stadler / Carl Anders Nilsson

thomas ledl

werden sollen. Das Herzstück – der Saal – sowie das Treppenhaus und ein Teil der originalen Fassade werden detailgetreu rekonstruiert und sollen der Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Das einstige Dampfbad im russischen Stil wurde von Eduard van der Nüll und August Sicardsburg erweitert und ausgebaut. Zu neuen architektonischen Ehren kam es, nachdem eine Kammerfrau von Erzherzogin Sofie, nach der das Bad benannt wurde, dort geheilt worden war. Es wurden Logen und Galerien eingezogen, und das Bad erhielt eine Zweitfunktion als Ball- und Konzertsaal, mit unvergleichlicher Akustik - unter anderem für Johann Strauß, zahlreiche Tonträgeraufnahmen mit den Wiener Philharmonikern wie auch zuletzt für die unvergesslichen Clubbings. Um die Erinnerung daran nicht verblassen zu lassen, greift man tief in die Tasche: Das 46-MillionenProjekt beinhaltet 70.000 Lagen Blattgold und 2.500 Bauteilkopien nach alten Plänen. In Zukunft wird es nun auch rund um den gläsern überdachten Saal noch weitere „Logenplätze“ – nämlich jene der Wohnungen geben. Ob die Architektur der einstigen Pracht gerecht wird, bleibt bis zum Abschluss der Arbeiten erst einmal dahingestellt, jedoch war es so etwas wie die letzte Chance der „Sofie“, doch nicht ganz der Verwesung und schließlich dem Abriss ausgeliefert zu sein. ❙


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Stadterneuerung

Sanft erneuert Reparatur einer Stadt Stadterneuerung ist in Wien schon so selbstverständlich geworden wie der ­U-Bahnverkehr. Ohne die wieder instandgesetzten Barock-, Jugendstil- und vor allem Gründerzeit-Häuser wäre Wien nicht Wien. I ilse huber

Solche Fassaden waren auch im ersten Bezirk keine ­Seltenheit. Ilse Huber

Die Erneuerung von Stadtvierteln (im Bild: Spittelberg, Wien-Neubau) stellt heute niemand mehr in Frage

D

ie Mittvierziger werden sich vielleicht noch an Transparente erinnern, die an den Hausfassaden entlang von Bahnlinien und öffentlichen Schnellverbindungen der größeren Städte Westeuropas hingen: „Dieses Haus ist besetzt“. In den siebziger und achtziger Jahren gab es an jeder Ecke in Amsterdam, Berlin und natürlich auch in Wien heruntergekommene, abgewohnte Gebäude. Fassaden, denen der Putz abging, kaputte Fenster, löchrige Dächer. Man gab die Häuser immer mehr dem Verfall preis und entledigte sich der alteingesessenen Mieter in der Hoffnung, das Grundstück lukrativ verkaufen zu können. Abriss statt Instandsetzung war die Devise. Platz schaffen für den motorisierten Individualverkehr!

Doch einigen Stadtbewohnern gefiel das gar nicht und sie eigneten sich diesen Raum an. In Wien haben solche Plätze Namen: Aegidigasse, Gassergasse, Spittelberg und natürlich die Arena. Die hunderttägige Besetzung des Auslandsschlachthofes in St.Marx führte zwar trotzdem zu dessen Abriss, aber der benachbarte Inlandsschlachthof war die Alternative zum einst geforderten Kulturzentrum Arena, das auch heute Veranstaltungsort ist. Aus den Trümmern des Protests entstand dennoch ein neuer Geist, der in weitestem Sinn mit dem Begriff der sanften Stadterneuerung verwandt ist.

Wahrzeichen einer ­Zeitenwende Im vierten Wiener Gemeindebezirk, gleich hinter dem Nasch-

Schaub-Walzer-PID

markt, versteckt sich ein Häuserblock, der ein Meilenstein der jüngeren Stadtgeschichte ist. Planquadrat ist sein Name und eigentlich ist sein Hof der Hauptdarsteller. Dass sich heute zwischen den Häuserfronten ein Park befindet, ist den Akteuren der Jahre 1974 bis 1976 zu verdanken. Zuvor plante die Stadtregierung die Mühlgasse für den PkwVerkehr breiter zu machen und die besonders ramponierten Substandardhäuser abzureißen. Die beiden Filmemacher Helmut Voitl und Elisabeth Guggenberger dokumentierten für den ORF, wie die Bewohner als Betroffene einer möglichen Absiedlung zu Gestaltern ihres direkten Wohnumfeldes wurden. Die 5000 Quadratmeter große Fläche war in 34 kleine Höfe zergliedert, die wiederum mit Mauern und Zäunen voneinander abgeriegelt waren. Architekturstudenten der TU Wien entwickelten ein Planquadratspiel: Was könnte an dem Ort alles entstehen, wenn man die alten Häuser sanierte statt sie der Spitzhacke zu opfern? Die Kosten wurden durchkalkuliert und man kam zu dem Schluss, dass es billiger war, zu sanieren als neu zu bauen.

Soziale Verantwortung

Der Blick in den herbstlichen Park des Planquadrates im 4. Bezirk, den einzig ­öffentlichen Garten in Wien, der selbstverwaltet wird. Wikimedia

Es gründete sich der Gartenhofverein, der bis heute das Planquadrat selbst verwaltet und das ist damit das einzige derartige Beispiel eines öffentlichen Parks in Wien. Einer der Geschäftsführer ist Michel Mellauner, Landschaftsplaner und mit partizipativen Prozessen gut vertraut: „Der Park ist für alle offen, aber wir wollen möglichst wenig Ver-

Die legendäre Arenabesetzung ging in die ­Geschichte ein. Heinz Riedler / Sammlung Wien Museum

bote.“ Die Idee zur sozialen Verantwortung ist nach wie vor zentral und lässt sich nicht durch herkömmliche „Hausordnungstafeln“ ersetzen. Die Grenze zwischen öffentlich und privat ist dennoch oft dünn, schildert Obfrau Katharina Novy: „Die meisten, die das Planquadrat aufsuchen, sind keine Anrainer, sondern Bewohner aus den umliegenden Bezirken. Irgendwann kam die Diskussion auf, dass man nur mit einem Schlüssel in den Park dürfen sollte, aber das widerspricht unserem Grundgedanken.“ Denn das hieße Privatisierung und Einschränkung der öffentlich gemeinschaftlichen

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Stadterneuerung

Heute sind die Dachgeschoße rund um den Planquadratgarten Goldes wert. Vor vierzig Jahren wollte man die Häuser noch abreißen. Ilse Huber

Nutzung. Während der Freiraum für alle zugänglich bleibt, wurden die angrenzenden Wohnhäuser an Private verkauft. Für Mietobjekte in der Größe von 50 bis 125 Quadratmeter zahlt man in Wieden zwischen 14,66 und 14,88 Euro pro Quadratmeter. Und für Eigentumsobjekte der gleichen Größe zwischen 4200 und 5700 Euro pro Quadratmeter. Das ist für Wien das Spitzenfeld.

Behutsame Stadterneuerung, hohe Werte In West-Berlin fand zwei Jahre vor dem Fall der Mauer die Internationale Bauaustellung (IBA’87) statt. Als geteilte Stadt rückte Berlin-Kreuzberg in den Mittelpunkt der sogenannten behutsamen Stadterneuerung. Die Zone wurde von Journalisten als innerlich und äußerlich zerstört tituliert und es galt, die „kaputte Stadt zu retten“. Das bezog sich nicht nur auf die bauliche Verwahrlosung, sondern auch auf den sozialen Zusammenhalt ganzer Quartiere. Ein Vierteljahrhundert später überprüfte die TU Berlin die Stadterneuerung. Im Katalog zur Ausstellung Revision IBA87 schreiben die Autoren, dass die innerstädtischen Gebäude und Stadträume einem großen Veränderungsdruck ausgeliefert seien. Der zeige sich darin, dass immer mehr Miet- in Eigentumsverhält-

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In Berlin erreichen sanierte Wohnviertel wie Prenzlauer Berg oder Kreuzberg (kl. Bild) Spitzenmieten

nisse umgewandelt werden. Waren es im Jahr 2011 noch 4800 derartige Immobilientransfers, so verdoppelte sich deren Zahl 2012 beinahe. Fazit: die Preise steigen. Medien weisen Berlin als boomendes Pflaster aus, wo jährlich Menschen in der Dimension einer Kleinstadt zuziehen. Alle brauchen Wohnraum und da sind die behutsam erneuerten Stadtteile besonders begehrt. Kreuzberg, Prenzlauer Berg, Grunewald und Berlin-Mitte haben ein maximales Mietpreisniveau zwischen 14 und 17 Euro pro Quadratmeter im Altbaubestand. Während sich die Eigentümer freuen, zittern die Mieter, denn sie können schneller auf der Straße landen als ihnen bewusst ist. Deswegen wurde auch heuer eine neue Verordnung erlassen, die Alt-Mieter zehn Jahre vor Rauswurf schützt. Zwar wird die Stadtregierung auch in den nächsten 15 Jahren rund 200 Millionen Euro für Stadtteilsanierungen in die Hand nehmen, wie aber dem Höhenflug der Wohnungspreise ein Ende gesetzt werden könnte, ist offen.

Häuser Substandard. Heute sind es nur mehr zwischen 17 und 25 Prozent. Stadt bedeutet einfach Veränderung.“

Wohnbauförderung hat Auswirkungen Wie die steigenden Erwartungshaltungen aller in einem ökonomisch leistbaren Rahmen gehalten werden können, regulieren unter anderem die Förderungsrichtlinien. Ihre Vorgaben wirken sich direkt auf die Investitionen und auf die Inhalte des sozialen Wohnbaues aus. Dass es in den vier Jahrzehnten der Stadterneuerung in Wien einige Paradigmenwechsel gegeben hat, ist nur „logisch“, sagt Kurt Smetana und nennt als Beispiel das WohnhausSanierungsgesetz 1989, das bereits in der 11. Auflage vorliegt. So macht die thermisch-energetische Sanierung von Wohnhäusern (Thewosan) neben der Sockelsanierung – eine sanfte, bewohnerorientierte Stadterneuerung – den zweiten wichtigen Schwerpunkt der Initiative aus. Neue Erkenntnisse schlagen sich unmittelbar auf die Bautätigkei-

iStockphotos

ten nieder. Barbara Neubauer, Präsidentin des Bundesdenkmalamtes in Wien, nennt ein Beispiel: „Bei einem Dachausbau, der vor vierzig Jahren erfolgt ist, waren die tragenden Holzbalken mit Gipskartonplatten verschalt – damals Stand der Technik. Heute entdeckte man, dass das Holz innen völlig wegmorschte und nur mehr die Hülle die Konstruktion hielt.“ Wenn dort das Schwellen und Trocknen des Holzes nicht möglich ist, kommen böse Überraschungen mitunter gar nicht zutage, weil sie unter Verkleidungen versteckt bleiben. Deswegen hat das Denkmalamt eine Richtlinie zur Energieeffizienz am Baudenkmal herausgegeben, die sich mit Maßnahmen an der Bauwerkshülle und an der Gebäudetechnik auseinandersetzt. „Dieses Vorgehen ist wohl weniger plakativ als einfach zu dämmen, aber unser Tun führt mit einigem Mehraufwand zu guten Ergebnissen“, sagt Neubauer. Wie sich Klimaschutz mit Wohnbehaglichkeit bei behutsamer Renovierung treffen kann, zeigt der Wiener Stadterneuerungspreis jedes Jahr. ❙

Nicht vergleichbar „Wien ist in dieser Hinsicht nicht mit Berlin vergleichbar“, sagt Architekt Kurt Smetana, der in Wien die Stadterneuerung seit Jahrzehnten mit Projekten und Impulsen begleitet. Gegenwärtig erstellt das Büro Kaitna/Smetana gemeinsam mit dem Stadtsoziologen Jens Dangschat von der Technischen Universität Wien eine Studie über Gentrifizierung, also Verdrängungsphänomene der angestammten Bewohnerschaft in Ottakring: Findet sie statt und woran lässt sie sich messen, welche Parameter sind ausschlaggebend dafür, dass sich Stadtviertel in ihrer Sozialstruktur verändern? Smetana: „In den siebziger Jahren waren mehr als 70 Prozent der

Der Yppenplatz im 16. Bezirk wandelte sich vom Marktgebiet zum IN-Treffpunkt. Tilmann Frommelt


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Stadterneuerung

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enn man offenen Auges durch die Wiener Stadt marschiert, fällt auf, dass die grauen Fassaden, von denen der Verputz abplättert und die Kastenfenster vor sich hinverwittern, selten geworden sind. „Schuld“ daran ist die Stadterneuerung. Ihr ist es anzulasten, dass ehemalige Substandardimmobilien in frischem Glanz erstrahlen. Vor vierzig Jahren konzentrierte man sich auf das Abreißen, später erst auf das Renovieren. Gründerzeit-, Biedermeier- und Jugendstilhäuser bekamen nicht nur einen neuen Anstrich, sondern erhielten auch moderne Leitungen, Heizungen und mitunter neue Aussichten dank Balkon und Dachterrasse. Dass diese Leistungen durch einen Preis öffentlich hervorgehoben gehören, dachte sich die Landesinnung Bau schon 1985 und lobte damals den ersten Wiener Stadterneuerungspreis aus. Beteiligen dürfen sich seitdem Projekte, „die in Wien tatsächlich ausgeführt wurden und im Wesentlichen der Erhaltung der Bausubstanz und der Verbesserung

Der zweite Glanz der Wohnverhältnisse dienen“. Der alljährlich verliehene Preis wurde heuer zum 28. Mal vergeben und brachte einen Rekord an Einreichungen. Ausgezeichnet wird niemals nur eine Person allein, sondern das gesamte Team bestehend aus Bauherr, Planer und bauausführendem Unternehmen. Die Gruppe darf sich nicht nur über eine gute Nachrede freuen, sondern erhält insgesamt 11.000 Euro: 2000 Euro der Bauherr, 3000 Euro die Planer und 6000 Euro die Baufirma.

Stadterneuerungspreis Was dabei herauskommt, wenn Bau­herren, ­Architekten und Bau­ unternehmen an ­einem Strang ziehen. Heuer war die ­Anzahl der Projekt­einreichungen so hoch wie der Preis Jahre zählt: 28. I ilse huber

And the winner is ... „Heuer war die Entscheidung sehr knapp“, resümiert Landesinnungsmeister Rainer Pawlick, „vier Projekte belegten die ersten drei Plätze, hinzu kam noch ein Sonderpreis.“ Auf dem ersten Platz landete das Haus Grundsteingasse 32 in Wien Ottakring. Es wurde von Architekt Wolf Klerings planerisch neu konzipiert, die Baufirma Pittel und Brausewetter sanierte von Grund auf die Substanz, welche vom Bauherren, der Privatstiftung zur Unterstützung und Bildung von Arbeit-

Ein Sonderpreis ging an die Wiener Werkbundsiedlung, wo vier Architekturdenkmäler restauriert wurden (im Bild: Haus Rietveld). Wiener Wohnen / Jennifer Fetz

Vertriebsstart in Kürze:

Wiener Stadterneuerungspreis 2013

In den Seitenflügeln des siegreichen Sanierungsobjekts Grundsteingasse 32 in Ottakring blieb das markante Erschließungssystem über die Brücken erhalten. PUBA / Sonja Stepanek

nehmerinnen (PUBA), in Auftrag gegeben wurde. 2,5 Millionen Euro waren notwendig, um aus Wohnungen der Kategorie D (weder WC noch Wasserentnahmemöglichkeit innerhalb der Wohnung) jene der Kategorie A zu machen. Das bedeutete nicht nur den Einbau von Fernwärme und Aufzug, sondern auch einen Dachgeschoßzubau, teilweise mit Terrasse, sowie einen Fahrradund Kinderwagenabstellplatz. Auf all diese Maßnahmen einigte sich die Wohngruppe, gemeinsam mit dem Architekten. Michael Gehbauer von PUBA streicht nicht nur das Bauobjekt hervor, sondern auch das Prozedere: „Es war klar, dass dieses Haus Potenzial für ein soziales Projekt hat. Gemeinsam mit der Wohngruppe haben wir entschieden, die Planung vorzunehmen.“ Aus einer baufälligen, feuchten Bude wurde ein prämiertes Gebäude, dem die alten Strukturen wie Pawlatschengang oder Brücken über den Hof erhalten geblieben sind.

Kein Mangel an ­Sanierungsobjekten Prämierte Sanierungserfolge können die Häuser in der Weidmanngasse27+29-31 in Wien Hernals als Zweiter sowie in der Zirkusgasse 47 in Wien 2 und in der Siebenbrunnengasse 47 in Wien 5 ex aequo als Dritte vorweisen. Ein Sonderpreis ging an die Wiener Werkbundsiedlung. Sie befindet sich in Wien Hietzing und wurde anlässlich einer Ausstellung 1932 errichtet. Von den anfänglich 70 Gebäuden blieben kriegsbedingt nur 48 im Besitz der Stadt Wien und von denen wurden wiederum vier Häuser – jeweils drei von Gerrit Rietveld und eines von Josef Hoffmann – nach Plänen der Architekten Praschl-Goodarzi restauriert. Diese dienen als Musterlösung für zukünftige Projekte. Die Gefahr, dass sich der Stadterneuerungspreis einmal selbst überholt, dürfte in naher Zukunft nicht gegeben sein: An Sanierungsobjekten mangelt es nicht. ❙

1. Platz 1160 , Grundsteingasse 32 Bauherr: PUBA, Privatstiftung zur ­Unterstützung und Bildung von ­ArbeitnehmerInnen Planer: Architekt Wolf Klerings Bauausführender: Pittel und Brausewetter GmbH 2. Platz 1170, Weidmanngasse 27/29-31 Bauherr: MEG Weidmanngasse 27 Ilse und Thomas Kefer / Weidmanngasse 29-31 Planer: Fritz Brandstätter Bauplanungs- und Management GmbH Bauausführender: G. + M.Maier ­Bauunternehmung GmbH 3.Plätze ex aequo 1020, Zirkusgasse 47 Bauherr: WBG Wohnen und Bauen GmbH Wien Planer: Silberpfeil Architekten ZT- GmbH Bauausführender: Porr AG 1050, Siebenbrunnengasse 37 Bauherr: J.E. Loidold GmbH Planer: RRP Architekten ZT- GmbH Bauausführender: Zingl Bau GmbH, Felix Novotny BauGmbH Sonderpreis 1130, Werkbundsiedlung Wien Bauherr: WISEG Wiener Substanz­ erhaltungsGmbH und CoKG Planer: Praschl Goodarzi ZT-GmbH Bauausführender: Wilhelm Sedlak GmbH

1220 Wien, Seestadt Aspern, Bauplatz D9 Wohneinheiten: ca. 170 geplante Fertigstellung: Mitte 2015

1220 Wien, Pfalzgasse 37-39/ Podhagskygasse Wohneinheiten: 78 geplante Fertigstellung: Herbst 2014

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Urbane Nomaden

Es wird eng Stadtentwicklung Ist es ein Horrorszenario oder die Möglichkeit, den Sprung in die Zukunft zu schaffen? Die Städte der Welt stehen vor ihrer bisher größten Herausforderung. Auch Wien gehört dazu. I barbara jahn

D

ie Städte boomen. Aber die Städte brummen auch. Vor zweihundert Jahren lebten gerade einmal drei Prozent der Weltbevölkerung im städtischen Gebiet. 2050 werden es dreiviertel der Menschheit sein, so prognostizieren es die Experten. Wie schwarze Löcher saugen urbane Strukturen alles auf, was sich in ihre Nähe begibt. Die Folge: Der Platz wird knapp, Städte stehen an der Kippe ihrer Aufnahmefähigkeit und an der Klippe zum Kollaps. Und der soziale Friede muss umso mehr gepflegt werden. Mit warnendem Beispiel

Suche nach Lösungen Die fieberhafte Suche nach Optimierung, Abfederung und Kalkulierbarkeit hat schon längst begonnen. Und es ist wirklich vieles, das bedacht werden muss. Zum Beispiel, dass Menschen, die jetzt auf die Welt kommen, bereits eine Lebenserwartung von 100 Jahren haben. Wie kann man die Bedürfnisse aller Generationen befriedigen, wenn es gleichzeitig heißt „Zusammenrücken“? Wie kann man die gesunde Ökologie einer Stadt aufrechterhalten? Und wie kann man Lebensraum schaffen, der kompakt, aber trotzdem lebenswert und liebenswert ist?

fen. Im Gegenteil – es sollte viel mehr davon geben, um die ökologische Balance zu halten. Auf kleineren Maßstab umgelegt heißt das: Vorbei mit ausladenden Wohn- und Badelandschaften, dafür intelligente Multifunktion, die nicht minder chic und stylish sein wird. Gerade im Wohnbau gibt es hervorragende Beispiele aus den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, wo der Platz in den Städten ebenfalls Mangelware war und immer mehr Menschen – übrigens aus denselben Gründen wie heute – in die Städte drängten. Kompakte Grundrisse könnten eine Möglichkeit sein, mit sehr stark personalisierten Möbeleinheiten, deren Stärke es sein wird, sich den verschiedensten Funktionen zu widmen. Multifunktionalität steht also ab sofort an der Tagesordnung, insbesondere für Designer.

Allgegenwärtige Mobilität

Die Zukunft der Mobilität: Einerseits wird der Anteil an strombetriebenen Fahrzeugen stark zunehmen, andererseits wird neben dem Car-Sharing auch die Zahl kleinere „Ein-MannFahrzeuge“ steigen.

Segway P.U.M.A.

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Erreichbare Ziele

Zweirad-Studien smart ebike und smart escooter (mit smart fortwo electric drive) Daimler AG

schreitet Asien voran, wo sich in den nächsten Dekaden mehr als eine Milliarde Menschen aufmachen werden, die ohnehin schon maßlos überfüllten wie auch verschmutzten Städte zu bevölkern. Eine Entwicklung, die auch wir in Europa und in Wien sehr ernst verfolgen sollten, denn auch uns wird eine Ausdehnung großen Ausmaßes vorausgesagt.

Für Stadtentwickler und Architekten ist es nicht einfach, da die richtigen planerischen Schritte zu setzen. Einerseits gibt es tendenziell immer weniger Kinder und immer mehr Singles, was mehr, dafür aber auch kleinere Wohnungen erfordert. Die Frage ist, was letztendlich mehr Platz kostet. Niemand kann heute sagen, wie die Umzugsrochade im Laufe des Lebens von immer älter werdenden Menschen aussehen wird. Wird die erforderte Flexibilität im Job auch in Zukunft im privaten Leben fast zwingend? Entwurzelung kann wohl nicht das Rezept sein. Fakt ist, dass wir uns alle mit weniger Platz bescheiden werden müssen. Mit weit reichenden Konsequenzen, die selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Art der Architektur bis hin zum Möbeldesign haben werden. Es gilt, städtischen Raum so gut es geht zu optimieren, Baulücken wie dahinvegetierende Autoverkaufsflächen zu schließen, sich aber gleichzeitig nicht am wertvollen Grün der Stadt zu vergrei-

Wenn also zuhause nur noch wenig Platz zur Verfügung bleibt, wird sich das Leben verstärkt nach draußen verlagern, kombiniert mit einem ganz starken Unabhängigkeitsdrang, der allerdings nur durch verstärkte Mobilität gestillt werden kann. Für den Preis, dass sich im öffentlichen Raum noch mehr Menschen ansammeln werden, bastelt man auch hier eifrig an Lösungen, um dem Wunsch nach örtlicher Freiheit, sprich Flexibilität, insbesondere der jüngeren Generation gerecht zu werden. Ob sich die CitybikeIdee noch stärker durchsetzen wird, ist fraglich. Außer sie sattelt um. Denn die Konzepte gehen in Richtung Elektromobilität, die durchaus mit Fahrrädern kompatibel ist und auch langsam wirk-

Modell einer SMART-Wohnung

lich Spaß macht, da die Akkus immer potenter werden und größere Reichweiten versprechen. Die Idee des Car-Sharings entwickelt sich auch kontinuierlich in Richtung Emissionsfreiheit und versteht sich daher bestens mit dem Ökogedanken, der in jeder Hinsicht unterstützt werden sollte. Selbstverständlich deckt sich das Mobilitätsmodell völlig kongruent mit dem Wunsch von Wohlstandsverwöhnten nach wenig Verpflichtung und mit den absolut auf den jeweiligen Moment abgestimmten Bedürfnissen, die möglichst kompromisslos und unmittelbar befriedigt werden sollen. Ein eigenes Fahrrad für den täglichen Gebrauch bei steigenden Diebstahlszahlen interessiert zunehmend niemanden, also wird eines geliehen. Und auch bei den Autos freuen sich die Verleiher über den großen Zulauf, die mit leistbaren Tarifen zu einem nach Freiheit riechendem Instant-Fahrvergnügen verhelfen und den Gedanken an ein eigenes Fahrzeug relativieren, wenn nicht sogar langsam verdrängen werden. ❙

kube design pop table Cristiano Esposto

Der Platz in den Städten wird für den Einzelnen weniger – das ruft nicht nur eine neue Generation des Wohnbaus, sondern auch des ­Möbeldesigns auf den Plan.

Christian Jobst


architecture I

Der freitragende Stahlträger des Bibliothekszentrums misst 80 Meter Länge

Zaha-Hadid-Architects

ie Auszeichnung „best architects Award“ wird jährlich an realisierte Bauten im deutschsprachigen Raum verliehen, die sich durch herausragende architektonische Qualität hervorheben. Ziel ist ein inhaltlicher Diskurs mit der Öffentlichkeit und die Stärkung der Baukultur. Die Auszeichnung in Gold in der ­Kategorie Öffentliche Bauten erhielten die Vorarlberger Architekten cukrowicz nachbaur für ihr heuer fertig gestelltes Vorarlberg Museum in Bregenz. Die Architekten integrieren den denkmalgeschützten Gebäudebestand in

die Gesamtlösung. Das bestehende Gebäude wird um zwei Geschoße erhöht, anschließend ist ein fünfgeschoßiger Neubau geplant. Eine ringförmige Erschließung verbindet die drei Bereiche, die sich um das innen liegende Atrium gruppieren. Die Jury lobte die klare und kompakte Gebäudefigur, die die Architekten aus Gebäudebestand, Aufstockung und Neubau bilden. Angelehnt an den Bestand mit Lochfenstern und grober Oberflächenstruktur erhält der Neubau ein Fassadenrelief. ❙

Das Vorarlberg Museum von cukrowicz nachbaur

Adolf Bereuter

n wenigen Tagen geht die neue Wirtschaftsuniversität auf dem WU Campus an der Südpolstraße in Wien-Leopoldstadt in Betrieb. Auf 90.000m² ist ein architektonisch äußerst anspruchsvolles und optisches Highlight entstanden. Markenzeichen des neuen Campus ist das Bibliotheks- und Lernzentrum mit der Hauptbibliothek und einer großen Aula, entworfen von Zaha Hadid. Ein Teil des Baus erscheint wie eine liegende Acht. Ein Projekt mit

höchsten technischen Herausforderungen: Die Stahlkonstruktion besteht aus einem Canyonträger, der freitragend über 80 Meter lang in der Höhe von 12 Metern schwebt und auf dem die gesamte Hauptstahldachkonstruktion ruht. Dieser allein wiegt 350 Tonnen und wurde in acht Einzelelementen geliefert und vor Ort zu einer komplexen Konstruktion zusammengebaut. Errichtet wurde die Stahlkonstruktion von der österreichischen Unger Steel Group. ❙

Schaufläche am Praterstern

Gold für Vorarlberg Museum

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WU Campus: 80 Meter freitragend

Das Siegerprojekt von Soyka / Silber / Soyka definiert gemeinsam mit der BA-Zentrale in der Lassalestraße die Eingangs­ situation zum Nordbahnhofgelände. UniCredit

A

ls „Tor zum Nordbahnhof“ wird der zukünftige Austria Campus, der sich zwischen Nordbahnstraße, Praterstern und Walcherstraße auf 200.000 Quadratmetern erstrecken wird, bezeichnet. Nach der Durchführung eines städtebaulichen Wettbewerbs im Jahr 2011, den der Architekt Boris Podrecca gewonnen hatte, wurde nun ein gesonderter Realisierungswettbewerb für das Kopfbauwerk entschieden. Nach den Plänen des Architekturbüros Soyka / Silber / Soyka soll ein zehngeschoßiges Gebäude entstehen. Das wesentliche Element der Sockelzone ist die Torfunktion und Durchlässigkeit zum angrenzenden Campus.

Die der Walcherstraße zugewandte Seite ist durch eine Arkade wind- und wettergeschützt, die den Bahntrassen zugewandte Seite erweitert sich nischenartig zu kleinen Plätzen. Die Eingangslobby wird für die Allgemeinheit zu einer Erweiterung des öffentli-

chen Raums und einer offenen „inneren Straße“. Im Süden nutzt das neue Gebäude die gesamte verfügbare Bauplatzbreite und erzielt so eine markante Schaufläche in der Blickrichtung vom Praterstern. ❙

Die Eingangslobby als Erweiterung des öffentlichen Raums.

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architecture

Wettbewerbe

Da geht die Post ab Die weiteren Platzierungen des Wettbewerbes: • 2. Rang Holodeck Architects • 3. Rang Pichler & Traupmann ­Architekten mit Hoppe Architekten.

Weitere Beiträge der 2. Stufe: • Heidl Architekten mit PAUAT • Chalabi Architekten/Bollinger Grohmann Schneider/ZFG • FOAM Serge Bukor + Xaver Marschalek • Superblock • Huss Hawlik Architekten

In der ersten Stufe ­ausgeschieden wurden: Atelier Thomas Pucher, KSP Jürgen Engel Architekten, Mascha & ­See­thaler, Zeytinoglu, Treusch ­Archi­tecture, pendlarchitects, ATP, ­Architektur Maurer & Partner, Zaha Hadid Architects, Soyka Silber Soyka Architekten, hke Hochholdinger Knauer Engl Architekten, Delta ­Ziviltechniker mit SWAP Architekten, Neumann + Steiner, Architekten ­Manfred Waldhör/ Michael ­Rauscher/ Werner Bauböck, ­Querkraft Architekten.

Wettbewerb Die Österreichische Post AG bekommt eine neue Unternehmenszentrale am Wiener Rochusmarkt. I fernando klar

G

eplanter Baubeginn am Rochusmarkt im dritten Wiener Gemeindebezirk ist nächstes Jahr, bis 2017 soll das Objekt bezugsfertig sein. Neben der Funktion als Zentrale der Post soll das Gebäude auch eine Shopping Mall als Erweiterung des Rochusmarktes und der Landstraßer Hauptstraße beinhalten. Aus einem EU-weit ausgeschriebenen zweistufigen Realisierungswettbewerb, an dem in der ersten Stufe 23 Architekturbüros teilgenommen hatten, ging das Projekt von Schenker Salvi Weber Architekten mit feld72 architekten einstimmig als Sieger hervor. Der Siegentwurf weist eine Zwei-Hofstruktur auf, die beiden Innenhöfe sind oberhalb des ersten Stocks überdacht. Der Baukörper nimmt mit seiner städtebaulichen Stellung und plastischen Ausformulierung seine Aufgabe als Institution im öffentlichen Stadtraum wahr. Trotz flexibler Organisation im Inneren wirkt der Baukörper über die Rasterfassade, die die Jury überzeugte, nach außen einheitlich. Das gestaffelte Volumen fügt sich stimmig

D

und proportional in die Situation ein. Die unterschiedlichen Säulenquerschnitte erzeugen eine subtile und poetische Qualität. Ein Teil des bisherigen Gebäudes – das Objekt in der Rasumofskygasse 29 – muss nicht Blick vom Rochusmarkt auf die neue Postzentrale Miss3 nur wegen der denkmalgeschützten Art-Deco-Fassade aus den 1920er-Jahren, sondern auch auf Grund der technischen Einbauten im unteren Teil des Hauses erhalten bleiben. Es wird im Zuge der Bauarbeiten saniert und zukünftig ebenfalls moderne Büroflächen bieten. Der geplante Neubau ergänzt den denkmalpflegerisch erhaltenswerten Bau. Als äußerst positiv in funktionaler Hinsicht beurteilte die Jury den Hauptzugang sowie die innere Erschließung der Büroflächen in Form eines zentralen schlanken Atriums. An der Schnittstelle zwischen Alt und Neu ermöglicht dieser Raum Begegnung und Kommunikation. Eine Verbindungsachse zwischen Rochusmarkt, Plaza und GreteEngineering für sich entscheiden. Am Rande Jost-Park dient der Durchgängigeines Jahrzehnte alten Pinienwaldes sitzt die keit und Durchlässigkeit des Geneue Schule pavillonartig im Areal. Der Ein- bäudes für Fußgänger auf selber gang orientiert sich sowohl zur Stadt als auch Ebene mit den umliegenden öfLängs- und Querschnitt durch das Postgebäude Schenker Salvi Weber, feld72 zum Krankenhaus. Über einen mit Pinien be- fentlichen Freiflächen. ❙ schatteten Schulvorplatz betritt man das Gebäude. Das längsausgerichtete Foyer erstreckt sich über das gesamte Erdgeschoß und bietet Einblicke in das Museums-Depot und durch die einsichtige Bibliothek bis in das Atrium. Das Atrium zieht sich m Ballhausplatz, vor den Augen Spannung von Singularität und Gedurch alle Geschoße, der Bundesregierung, wird demmeinschaft. Auf der obersten der drei im Erdgeschoß holt es nächst ein Denkmal für die Deserteure Stufen steht in verzinkten Stahlbuchstaden Grünraum in das und Verfolgten der NS-Militärjustiz ben die von oben lesbare Inschrift „all Gebäude herein. Die ­stehen. Den von KÖR Kunst im öffentalone“ – Ausdruck der existenziellen SiJury überzeugte das lichen Raum Wien international ausgetuation des Einzelnen gegenüber gesellProjekt durch eine schaftlichen Ordnungs- und Machtverschöne, elegante und lobten, geladenen Gestaltungswettbewerb hat der deutsche Künstler Olaf hältnissen. Nicolais Skulptur setzt damit sehr zeitlose ArchitekNicolai mit seinem Projekt „X“ gewonan einem zentralen Ort der Republik tur. Der Baubeginn ist nen. Das Denkmal ist eine blaue Beein überzeugendes kritisches künstlerifür 2014 geplant. ❙ kub architekten tonskulptur in Form eines liegenden, sches Zeichen der Zivilcourage, das zumehrstufigen X. Durch die Stufung wird gleich universal lesbar ist. Die Jury unInhalte und Themen: die Distanz zwischen Betrachter und ter dem Vorsitz des Architekten Martin • die Heilkraft des Wassers aus biophysikalischer, Objekt, die ein Sockel sonst herstellt, Kohlbauer war von der Stärke, Kraft medizinischer und naturheilkundlicher Sicht aufgehoben. Das X soll symbolisieren, und dem intellektuellen Überbau des • die Ausnahmeflüssigkeit Wasser und sein Anomalien aus quantenphysikalischer Sicht erklärbar gemacht dass der Einzelne nicht isoliert ist, er Projektes überzeugt. Die Realisierung • Wassertropfenbilder unterschiedlichster Wässer, konstituiert sich in einer dialektischen soll noch heuer begonnen werden. ❙ Wasser als Gedächtnis und Informationsspeicher

Zeitlose Architektur

ie Neuerrichtung des gesamten Wilhelminenspitals soll 2024 abgeschlossen sein. Den Realisierungswettbewerb für das in der ersten Phase geplante Büro- und Betriebsgebäude hatten im Vorjahr der Architekt Markus Perntaler und Lorenz Consult gewonnen. Den nachfolgenden Wettbewerb für eine Krankenpflegeschule auf dem Areal des Wilhelminenspitals konnten heuer Karl und Bremhorst Architekten aus Wien gemeinsam mit Woschitz

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Das Modell der Krankenpflegeschule des WSP

Kongress der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin

Die Heilkraft des Wassers Wien, 8.-9. November 2013

Wasser ist ein den Menschen seit jeher faszinierendes Element. Die Bedeutung des Wassers für den Menschen reicht von lebensnotwendig über wohltuend und heilend bis hin zu lebensbedrohend. VertreterInnen von mitunter sehr unterschiedlichen Denkansätzen sind hier eingeladen Ihre Meinungen zum Thema Wasser und seiner Bedeutung für die Gesundheit des Menschen zu äußern.

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Geplantes Denkmal für Deserteure und Verfolgte der NS-Militärjustiz.

Modell: Olaf Nicolai


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Wettbewerbe

Bildungshügel in der grünen Stadt fasch&fuchs Architekten aus Wien sind die ­Gewinner des Realisierungswettbewerbs für ein ­Schulgebäude in der Seestadt Aspern.

I

m Teilgebiet 2 des Bildungsquartiers wird eine AHS mit 28 Klassen und eine berufsbildende Schule mit 13 Klassen errichtet. Ziel der Ausschreibung war ein

kompaktes Gebäude. Das Siegerprojekt ist, von der Vorstellung der grünen Stadt ausgehend, als flache, Grünlandschaft konzipiert. Es entsteht ein begehbarer

Querschnitt durch das Schulgebäude.

Schnitt: fasch_fuchs

„Bildungshügel“, ein klarer Baukörper, der zum Maria-TrappPlatz einen Abschluss bildet und sich in seinem Erscheinungsbild als öffentlicher Bau präsentiert. Das Volumen des Baukörpers löst sich zu den Freiräumen hin durch die Höhenzonierung auf. Von jeder Blickrichtung bietet der Baukörper durch kleine Einschnitte abwechslungsreiche Fassaden. Das Projekt überzeugte die Jury durch die vielfältigen Freiraumbezüge und die leichte Zugänglichkeit der vorgelagerten Freibereiche und die genutzten

Thomas Zinterl mit ZT Arquitectos aus Lissabon einen Kindergarten, eine Ganztagsvolksschule sowie eine Sonderschule. ❙

Der Bildungscampus Aspern bekommt einen begehbaren Bildungshügel. fotograf: karl mayr, copyright: fasch&fuchs.architekten

Die besten Familienhäuser

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Mädchenturm von Marte.Marte: Spannungsreicher Dialog aus Material und Form HÄUSER / Anne Gabriel-Jürgens

Dachflächen und Terrassen in allen Bereichen. Im Teilgebiet 1 des Bildungscampus Aspern errichtet Architekt

ieger des „Häuser Awards 2013“ als bestes Familienhaus Europas ist ein Projekt der Vorarlberger Architekten Marte.Marte in Dafins, Vorarlberg. Bereits vor 14 Jahren sorgten sie mit ihrem kantig-kühnen Beton-Wohnhaus für Furore. Weil der Bau für Stefan Martes Großfamilie zu klein wurde, schuf das Duo jetzt mit einer turmartigen Erweiterung grandiose Abhilfe: An das liegende Sichtbetonvolumen des Haupthauses schließt ein schlanker, freistehender, an die wehrhaften Landmarken Vorarlbergs erinnernder Turm an, der sogenannte „Mädchenturm“. Die gestapelten Zimmer der Töchter sind auf drei Seiten mit Cortenstahl-Platten verschlossen und öffnen sich über geschoßhohe Fenster hin zum Elternhaus. Im spannungsreichen Dialog aus Material und Form konnte rund

190 Quadratmeter zusätzlicher Wohnraum nen mit Kindern“ dokumentiert die 20 besfür die sieben Familienmitglieder geschaften Familiendomizile des HÄUSER fen werden. Durch einen separaten EinAWARDS 2013. Autorin: Sandra Hofmeisgang kann der Anbau später sogar als eiter. Das Buch erscheint zum Preis von genständiger Baukörper genutzt werden. 49,99 Euro bei DVA, München. ❙ Platz zwei belegt ein Hofhaus bei München. Das Haus der Architektenfamilie Kern, die das Domizil selbst geplant haben, vereint Arbeiten und Wohnen an einem Ort und bietet großzügigen Raum. Der L-förmige Baukörper umrahmt zusammen mit dem gegenüberliegenden Bauernhof der Großeltern einen geschützten Innenhof. Das Buch zum Wettbewerb Alter und neuer Bauernhof umrahmen den geschützten Innenhof. HÄUSER / Basti Arlt „Häuser für Familien - Woh-

Das Einfamilienhaus – eine wunderbares Experiment Z um dritten Mal lobte der Callwey Verlag in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architektur Museum den Wettbewerb „Häuser des Jahres – die besten Einfamilienhäuser“ aus. Die überzeugend besetzte Jury erkor im Februar 2013 aus 220 Einreichungen 50 Projekte und benannte aus diesen einen Preisträger, fünf Auszeichnungen sowie drei Anerkennungen. Dabei wurde Wert auf Nachhaltigkeit, innovativen Einsatz von Materialien, kreativen Umgang mit der baulichen Situation und auf kon-

sequente Ausführung gelegt. Das Buch zum Wettbewerb präsentiert diese 50 besten Häuser – mit zahlreichen Fotos, Lage- und Architektenplänen und aussagekräftigen Projektbeschreibungen aus der Feder von Wolfgang Bachmann, Herausgeber des Architektur-Magazins Baumeister. Und Hubertus Adam, Direktor des Schweizer Architekturmuseums und Jury-Mitglied, steuert „Einfamilienhäuser – ein ambivalentes Problem“ als Einleitung bei. Den mit 10.000 Euro dotierten ersten Preis gewann das Schwei-

zer Architektenteam HHF Architekten aus Basel mit seinem Haus über der Landschaft in Nuglar. Das Besondere dabei ist die radikale Zonierung des von außen zunächst simpel wirkenden, zweigeschossigen Giebeldachhauses in oberen Schlafbereich, mittleren Wohnbereich und den im Keller liegenden „Funktions“-Bereich. Auszeichnungen erhielten: Wespi de Meuron Romeo Architekten, Caviano, für das Haus über dem See in Ranzo; Buchner Bründler Architekten, Basel, für das Haus in Gelterkinden;

­ikolaus Bienefeld Architekt, N Swisttal, für ein Dorfhaus in Kirchheim; Jan Rösler Architekten, Berlin, für einen Scheunenumbau in Druxberge; Pascal Flammer, Zürich, für ein Haus auf einer Jura-Wiese. Anerkennungen gingen an: Buchner Bründler Architekten, Basel, für das Haus in Reinach; Kurt Hauenstein, atelier-f ag, Fläsch, für eine Neue Wohnung in altem Weingut in Fläsch; Meck Architekten, München, für die „Heustadlsuite“ in Bruck an der Großglockner-Straße. ❙

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Am 4. Oktober veranstaltet die IG Architektur wieder ihr Wohn- und Baucafé. In den Räumen der IG besteht für alle, die an Architektur interessiert sind, die Möglichkeit, in gemütlicher Atmosphäre mit Architekturschaffenden zu reden. Moderatorinnen der dritten Veranstaltung in dieser Reihe sind Heide Schicht und Astghik Der Sakarian vom Architekturbüro Beluga & Toechter. Das Wohn- und Baucafé findet vierteljährlich statt und soll die Möglichkeit zu einem unverbindlichen Erstkontakt bieten, um verschiedene Architekturbüros und ihre Arbeitsweise kennenzulernen.

Ohne Hemmschwelle mit Architekten plaudern. IG Architektur Wann: 4. Oktober 2013, 16.30 – 18.30 Wo: In den Räumen der IG Architektur Gumpendorferstraße 63B, 1060 Wien Unkostenbeitrag: 20,- Euro, limitierte Teilnehmerzahl Anmeldung: redaktion@ig-architektur.at Infos: www.ig-architektur.at


design Auseinandersetzung mit Design

Vienna Design Week Die siebte ­Auflage bespielt dieses Jahr neben der Inneren Stadt den vierten Wiener Gemeindebezirk Wieden – inklusive Festivalzentrale und Popup-Café. I barbara jahn

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s ist – man muss es ganz klar sagen – eine Frage der Leidenschaft, wenn man sich an ein Projekt wie die Vienna Design Week heran wagt, deren Dimension, die sie heute hat, zu Beginn im Herbst 2006 noch nicht annähernd abzusehen war. Die Herzen der drei Initiatoren Lilli Hollein, Tulga Beyerle und Thomas Geisler schlagen eindeutig für das mannigfaltige Phänomen der Formgebung, und das spürt man in jeder einzelnen Facette, die dieses Wiener Designfestival wachsen und gedeihen lässt. Nachdem sich nun zwei der drei „Elternteile“ aus dem Operativen zurückgezogen haben beziehungsweise mit Ende des Jahres zurückziehen werden, liegt ab dem kommendem Jahr die Zukunft der Veranstaltung in den Händen von Lilli Hollein.

Passionswege Diesmal noch mit tatkräftiger Unterstützung von Tulga Beyerle werden die Passionswege wieder das Zentrum der Vienna Design Week bilden. Jenes Format, das die Wiege des Festivals darstellt, hat sich seit 2006 in seinen Grundzügen nicht verändert. Zehn internationale und österreichische Designer treffen auf Wiener Traditionsunternehmen, um sich ganz der Experimentierfreude hinzugeben vor dem Hintergrund, dass sich beide Seiten neu und frisch (wieder-)entdecken lassen können.

IDRV (Institute of Design Research Vienna)

Imperial Breakfast

Design Julia Landsiedl

Unkonventionelle Formen

Das VDW-Opening 2012

Nick Albert / Kollektiv Fischka

www.puehringer.com

Nominiert für den Staatspreis Design 2013

VIENNA DESIGN WEEK 27. Sep. - 06. Okt. 2013 das möbel | das geschäft

MAK Wien 18. - 20. Okt. 2013 Blickfang am Stand 009

Foto: Robert Maybach

...“Lentia ist weniger ein Stuhl, der dem exzentrischen Lebensstil frönt, eher ein Produkt, das sich der Leichtigkeit des Seins verschreibt“, sagen die Designer MARCH GUT.

So zeigt beispielsweise die schwedische Designerin Hilda Hellström eine Installation als poetische Übersetzung der Bedeutung des Kamins, dessen Rolle sich in Zeiten der Zentralheizung gewandelt hat, wobei das archaisch wirkende, abstrakte Schaustück Materie und Keramik verflüssigt und auf die archaisch-mesmerisierende Wirkung zentraler Wärmequellen auf den Menschen zielt. Der junge österreichische Designer Sebastian Zachl wiederum analysiert die skulpturalen Qualitäten der Lampenschirm-Skelette der Firma Donauer, die seit über 40 Jahren Lampenschirme gestaltet, erzeugt und restauriert sowie alles von seriellen Fertigung von Lampenschirmen bis hin zur individuellen Lichtlösung anbieten kann. Die Skelette, aber auch die Möglichkeiten neuer Leuchtmittel waren Inspiration zu einer experimentellen Lampenserie, bei der akkubetriebene LEDs zum Einsatz kommen, die, im Wohnraum eher verpönt, bei diesem Versuch neues Potenzial entfalten. Der britische Designer Oscar Wanless suchte in den Archiven der Emailwarenproduktion von Riess Email, deren Wurzeln bis 1550 zurückgehen, nach unkonventionellen Formen, mit denen er an der Metalldrückmaschine zu experimentieren begann. Heraus kamen unterschiedliche und an sich „falsche“ Positiv- und Negativformen, die schließlich in Objekten und Gefäßen resultieren,

chmara.rosinke bei wäscheflott chmara.rosinke

die sich ganz von der Geometrie des Riess-Topfs entfernen und formal freiere, nahezu textile Qualitäten als Rüschen und Volants in Metall entfalten.

Industriedesign, ­Architektur und Technik Abgesehen von diesen Designpositionen bietet die Vienna Design Week aber auch weitere Programmpunkte in der Auseinandersetzung mit Design. So zum Beispiel die Konfrontation mit der Future Urban Mobility, die der Frage nachgeht, wie sich Mobilität in Zusammenhang mit der Veränderung von Lebensgewohnheiten und damit der Fortbewegungsmittel entwickeln wird. Mit

Installation von Aldo Giannotti 2012

IDRV

einem Workshop und einem Vortragsabend wird das Thema aus unterschiedlichsten Designperspektiven beleuchtet – von Industriedesign, Informationsdesign und Architektur bis hin zu Technik und Entwicklung – und genauer hinterfragen, wie Designer auf diesen Wandlungsprozess Einfluss nehmen können. Der Workshop wird in Kooperation mit aspern – Die Seestadt Wiens und Audi Urban Future Lab stattfinden. ­ ­Designstudenten aus unterschiedlichen Studienrichtungen erarbeiten interdisziplinäre Konzepte und Szenarien und präsentieren diese dann am Themenabend. Geplant ist auch eine Vortragsreihe mit Vertretern der Designindustrie. Den Abschluss bildet die Vorführung des Films „Urbanized“ von Gerit Hustwit, eine Dokumentation, die sich der Gestaltung von Städten und dem Urban Design widmet. Die Festivalzentrale in der ehemaligen Schule in der Argentinierstraße 11 lädt zum Verweilen und Entspannen ein. Insbesondere das Pop Up Café und das von den Urbanauts gestaltete Pop Up Hotelzimmer in einer der alten Schulklassen bieten Orte der Ruhe mitten im bunten Designtreiben. ❙

Gianmaria Gava


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Events

Heißer Herbst Brennpunkt Wien Es wäre zu schade, im Herbst nicht in Wien zu sein. Denn die Stadt gibt sich in der ­goldenen ­Jahreszeit dem Designrausch hin. Hier ein k­ leiner Appetizer. I barbara jahn

Auf der blickfang kann man Design direkt bei den Designern kaufen

W

ien hat sich im letzten Jahrzehnt als hervorragendes Pflaster für Designveranstaltungen entwickelt. Nicht nur, dass sich immer mehr namhafte internationale Hersteller an renommierten Wiener Adressen wohl fühlen und hier ihre Klientel erobern wollen – bislang war ja Österreich als viel

Guardalaroba

pühringer

Eine Dekade Erfolg Während Paris mit der Maison et Objet den Auftakt nach der Verschnaufpause im Sommer macht, so hat sich der Herbst – vor allem wenn er golden ist – in Wien als guter Zeitpunkt für Messen herausgestellt. Im September noch ein wenig hektisch, hat sich im Oktober bereits alles eingependelt und zum Ausführen des neuen Herbst/Winter-Outfits wählt Herr und Frau Wienerin die zahlreichen Events, die Wien in diesem Monat zu bieten hat. Eines davon ist die blickfang Wien, die dieses Jahr bereits zum zehnten Mal in

schweißtes Aluminium, das pulverbeschichtet auch im Außenbereich tauglich ist. ❙

Thomas Poganitsch: Vogel

Ausstellung Sébastien de Ganay - Carton Series 27.09.–12.10.2013 (Vernissage 28.09. 16:00) rauminhalt – 20th century rare furniture 1040 Wien, Schleifmühlgasse 13 Öffnungszeiten: Di.–Fr. 12.00 bis 19.00 Uhr, Sa. 10.00 bis 15.00 Uhr rauminhalt.com

poganitsch

als Messe des Handgefertigten, Lokalen, Individuellen im Gegensatz zur industriellen Serienproduktion empfinde ich als Antwort auf die aktuellen Entwicklungen in der Designbranche. Die blickfang ist eine Plattform, auf der Kreative unterschiedlichster Disziplinen mit ihren Ideen hervortreten können.“

Noch herbstlicher knopfhaken

shigeki yamamoto

den Hallen des Museums für Angewandte Kunst stattfinden wird. Hier kann man Design beim Designer kaufen, sich beraten lassen und mit Gestaltung auf Tuchfühlung gehen. Darin liegt wohl auch das Geheimnis des Erfolgs der Veranstaltung, die jährlich in sechs Städten auf Tour geht. „Diesen Erlebniswert schätzen unsere Gäste besonders“, weiß blickfangProjektleiterin Tina Haslinger. „Es macht einen Unterschied, ob ich ein anonymes Produkt erstehe oder mich persönlich mit dem Entwerfer dazu austauschen kann.“

Internationales Flair

Recyclingkunst von Ganay Sébastien de Ganay

Termine Vienna Design Week 27. September bis 6. Oktober 2013 blickfang Wien 18. bis 20. Oktober 2013 Museum für Angewandte Kunst www.blickfang.com stilwerk Wohnherbst 2013 09. bis 13. Oktober 2013 stilwerk Wien www.stilwerk.at Wohndesign Pure Vienna 14. bis 17. November 2013 Hofburg Wien www.wohndesign-vienna.at

zu kleiner Markt ungerechterweise vernachlässigt – so ist auch das immer stärker werdende Interesse eines kaufkräftigen und designorientierten Publikums zu spüren, was sich unter anderem in den Besucherzahlen der erfolgreichen Herbstveranstaltungen ausdrückt.

Sébastien de Ganay – Carton Series

Im Rahmen der Vienna Design Week stellt die Design-Galerie „rauminhalt“ die gleichermaßen skulpturalen wie funktionellen Möbel von Sébastien de Ganay vor. Die Möbel sind nicht nur „lustig“. De Ganay liefert eine eigenartige Imitation einer Recyclingkunst, formuliert unterschwellig einen ironischen Kommentar zur Hochstilisierung des Trends. Er treibt ein doppelbödiges Spiel mit Begrifflichkeiten wie Minimal oder Pop Art, Materialfetischismus, Purismus und Illusionismus. Bei den Möbeln von Sébastien de Ganay handelt es sich um gebogenes und ge-

dasmoebel

für Kunst und Design. Derzeit entwickelt Sebastian Wrong eine neue Marke für den dänischen Produzenten hay. Der Kurator berät alle sechs „blickfang“-Ausgaben, neben der Wiener Messe auch jene in Stuttgart, Basel, Zürich, Hamburg und Kopenhagen. In einer Welt der vereinheitlichten Marken Objekte anzubieten, die eine starke, unverkennbare Handschrift tragen, findet der Kurator faszinierend: „Die blickfang

Kuratiert wird die blickfang heuer vom britischen Designer und „Red Dot Award“-Preisträger Sebastian Wrong, der selbst Leuchten, Möbel und Wohnaccessoires entwirft. Zu seinen Arbeiten zählt unter anderem die Leuchte „Spun“ für den italienischen Hersteller Flos, die heute bereits Kultstatus erreicht hat. 2011 eröffnete er mit The Wrong Shop seinen eigenen Online-Vertrieb

Schon gute zehn Tage, bevor die blickfang ihre Pforten öffnet, und quasi am selben Tag, an dem die Vienna Design Week zu Ende geht, gibt sich das Wiener stilwerk ein designiges Stell-Dich-Ein mit dem Besten, was der Hotspot für Einrichtung, Design und Lifestyle zu bieten hat. Im Bauch und rund um die Architektur von Jean Nouvel werden zahlreiche Premium-Marken Neuheiten und Trends präsentieren. Damit wird das stilwerk einmal mehr zum Treffpunkt für Designinteressierte. Aber war da nicht noch etwas? Ja, allerdings hat die Wohndesign, die sich nun Wohndesign Pure Vienna nennt, ihren Stammplatz im Design-Oktober verlassen und präsentiert sich 2013 mit gestrafften Konzept erst Mitte November. Mit neuem Ausstellungskonzept, Format und Datum wird die Messe gemeinsam mit der Art & Antique Hofburg Vienna ihre Besucher in der Hofburg willkommen heißen. Mit diesen Infos im Gepäck empfiehlt sich gutes Schuhwerk für den Design-Marathon im Herbst – für inspirierende Momente. ❙


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design

Interview

Der Sauerstoff einer Stadt PearsonLloyd gehören aufgrund ihrer unkonventionellen Denkansätze zu den am meisten gefragten Designern der Gegenwart. Für den ­Büromöbelhersteller Bene entwarfen sie die Möbelserie PARCS, ein Konzept für urbane Strukturen im Office. city wollte wissen, ob die beiden im großen Maßstab ähnlich denken. Ein Interview mit Tom Lloyd. I barbara jahn

Luke Pearson (links) und Tom Lloyd gründeten 1997 ihr Londoner ­Designstudio. Bene

City: Vor ein paar Jahren haben Sie Parcs entwickelt. Nachdem Sie stadtähnliche Szenarien für das Büro entwickelt haben, verraten Sie uns doch, wie Sie das Wesen der echten Stadt in PARCS gepackt haben. Lloyd: Unserer Meinung nach gibt es klare Parallelen zwischen der Stadt und einem Arbeitsplatz. Als wir Parcs entwickelten, versuchten wir einen neuen Typus eines öffentlichen Raumes im Büro einzuführen - gleichermaßen informell und optimistisch - wo spontane und ungeplante Meetings oder Interaktionen stattfinden können, wo die Menschen einfach leichter atmen können. Diese Worte können sowohl einen Park in der Stadt beschreiben wie auch unser Programm Parcs. City: Das Programm kombiniert kompakte Arbeitsplätze mit großen Freizonen. Könnte dieses Konzept eine Zukunftsperspektive für das Verhältnis zwischen privatem und öffentlichem Raum sein? Lloyd: Ja, auf jeden Fall. Wir sind fasziniert vom Potenzial eines öffentlichen Platzes, wenn unterschiedliche Stimmungen und Wahrnehmungen zur gleichen Zeit ausgelöst werden. Wenn wir durch die Stadt gehen, haben wir alle ein privates wie auch ein öffentliches Erlebnis. Ich denke, die Zukunft sollte auf jeden Fall kompakte Lebensräume gepaart mit großzügigen öffentlichen und gemeinsam benutzten Plätzen beinhalten … und viel, viel weniger Autos.

City: Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, richtige Stadtmöbel zu entwerfen? Lloyd: In der Tat haben wir seit der Gründung unseres Studios immer wieder Möbel für den öffentlichen Raum entworfen. Gestartet haben wir mit einem Projekt in Westminster mitten in London, und wir haben urbane Einrichtung und WegweiserSysteme für die Städte Sheffield und Bath gestaltet. An unserem jüngsten Projekt für Bath arbeiten wir seit 2009. Die Ergebnisse wurden dieses Jahr gerade eben erst aufgestellt. City: Welche Richtung wird die Stadtentwicklung nehmen? Lloyd: Weniger strukturiert, aber interessanter, mit mehr Varianten für ­Arbeiten und Wohnen, mit weniger Autos und mehr Fußgängern. In den letzten 20 oder 30 Jahren gab es im Westen eine Strömung weg von den Stadtzentren, in der Auffassung, es würde sich um dreckige und gefährliche Orte handeln. Tatsächlich aber halten die Städte Kunst, Politik und Business am L­eben, und die Menschen

Das von PearsonLloyd konzipierte Programm Parcs ... haben realisiert, dass sie doch lieber näher an dieser Energie leben möchten als in der Vorstadt. Das hat zu einem Wiederaufstieg des Lebens direkt in der Stadt geführt, einhergehend mit einer Verbrechensreduktion und mit verbesserter Sauberkeit. Städte sind deshalb bessere Ort zum Leben als jemals zuvor.

... kombiniert kompakte Arbeitsplätze mit großen Freizonen.

Bene

City: Städte wachsen offensichtlich und ständig. Raum wird daher knapp für das einzelne Individuum. Was ist Ihr „Rezept“ als Designer bei der Betrachtung dieser Situation im Hinblick auf Wohnraum? Lloyd: Es ist wichtig, dass wir die öffentlichen Plätze in den Städten beschützen und Aktivitäten unterstützen, die sie besetzen. Öffentliche Räume sind der Sauerstoff einer Stadt und ohne diesen würden sie schwächer werden. Eine starke „Public Policy“ aufrecht zu erhalten ist von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, das Erbe des öffentlichen Raumes zu beschützen. Und: Es ist in Ordnung in kleineren Einheiten zu leben, wenn wir nahe an energiegeladenen öffentlichen Orten dran sind. ❙

Internationale Designmesse

18.—— 19.—— 20. DESIGN OKT. 2013 SHOPPING MAK WIEN EVENT

WWW.BLICKFANG.COM

WHERE DESIGN GETS PERSONAL

bene


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