Handel
»Bundesweit werden rund 16.000 Geschäfte aufgeben« bib-Interview mit dem neuen Handelsverbandschef Roland Fitterer
E
Foto: © Stephan Pawellek
s war mehr als eine Amtsübergabe, es war das Ende einer Ära, als im November 2021 Roland Fitterer die Nachfolge von Philipp Frese an der Spitze des Handelsverbands Südbaden antrat, hatten doch Vater Hermann Frese 27 Jahre und Sohn Philipp Frese 16 Jahre lang als Präsidenten diesen Verband geführt. Fitterer hat sein Amt in schweren Zeiten übernommen: Corona, Ukraine-Krieg, Verödung der Innenstädte, Zunahme des Online-Handels. Darüber sprach der neue Präsident des Handelsverbands Südbaden mit bib-Autor Stefan Pawellek.
Es ist eine gewisse Trägheit entstanden, man hat sich mit anderen Einkaufsmöglichkeiten arrangiert. Diese Trägheit ist längst noch nicht beseitigt. Man muss Menschen, Touristen, Kunden mit Veranstaltungen in die Innenstädte locken – da brauchen wir nicht Störfeuer durch Demonstrationen, denn gerade der Samstag ist der Haupteinkaufstag. bib: Besteht die Gefahr, dass es aufgrund der UkraineKrise zu Preiserhöhungen kommt? Fitterer: Die Getreideversorgung, wo viele Angst haben, ist sicher, wir importieren weltweit, nicht nur aus Russland und der Ukraine. Verknappungen sind aber möglich, ebenso Verteuerungen. Ursache ist vor allem die Logistik: Die üblibib: Erst Corona, nun der Ukraine-Krieg. Wie stark ist chen Wege sind unterbrochen, neue müssen gefunden werden, die meist länger sind. Damit erhöht sich die der Handel gebeutelt? Fitterer: Moment, Corona ist noch immer nicht überstan- Transportdauer und der Energieverbrauch. Die erhöhten den. Lockdown und Anti-Corona-Vorschriften haben den Kosten werden dann auf die Kunden abgewälzt. Hinzu Handel stark getroffen, kaum jemand kam noch in die In- kommt, dass Fahrer fehlen – und die beispielsweise nach der Ukraine fahren, kehren nicht zunenstädte. Die Lockerungen, wir rück, weil sie ihr Land verteidigen hoffen besonders auf jene Mitte wollen oder müssen. Problematisch März, sollten die Innenstädte wieder ist auch Asien, von dort beziehen beleben, mehr Menschen in die Städwird vieles, beispielsweise Stoffe für te locken, das Ladensterben stoppen. die Modeindustrie, Fertigprodukte, bib: Werden Betriebe aufgeben? Halbleiter und vieles mehr. Wir Fitterer: Nicht wenigen Händlern müssen lernen, wieder mehr auf reist alles während der Pandemie gionale Produkte und Produktionen über den Kopf gewachsen. Lockzu setzen. Ein längerfristiges Probdown, rote Zahlen, die Altersverlem ist die Energie, da haben wir viel sorgung gefährdet. Nun werden ausgelagert, die eigene Produktion Nachfolger gesucht, nur gibt es abgehängt: Das fällt uns nun auf die kaum welche. Es fehlen Fachkräfte, Roland Fitterer: Füße. Energie wird teurer, was zu eiund viele scheuen sich, ein Ge- „Mode, das wäre was.“ ner allgemeinen Verteuerung führt. schäft zu übernehmen, von dem sie bib: Zurück nach Baden: Auf Freinicht wissen, ob es und wann es schwarze Zahlen schreibt. Laut einer Studie des Handels- burgs Kajo wird mit Kaiser-Mode eine sehr attraktive Fläverbandes Deutschland (HDE) werden bundesweit um che frei. Für welche Nutzung plädiert der HV? Fitterer: Nun, es sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. die 16.000 Geschäfte aus allen Branchen aufgeben. Aber das Erdgeschoss, eventuell zusammen mit dem Unterbib: Welche sind am stärksten betroffen? Fitterer: Die Modebranche ist stark betroffen, egal ob Bou- geschoss, muss an ein Handelsunternehmen gehen. Da flatique oder großes Modehaus: Die Menschen flanieren nicht. niert man, da lockt ein gut gestaltetes Angebot. Es muss ein Gleiches gilt für die Schuhbranche, hier ist es geradezu dra- Frequenzbringer sein. Typische Frequenzbringer sind Lematisch. Im Elektronikbereich ist es schwierig, da gab es Ab- bensmittel- und Drogeriegeschäfte – die werden da nicht wanderungen in den Online-Handel. Impfpass, Maske, hingehen. Mode, das wäre etwas. In den Obergeschossen Kontrollen in und durch die Läden, das schreckt Kunden ab. könnte man sich ein Ärztehaus vorstellen oder auch Büroflä-
03.2022 16 | chilli | business im Breisgau | 11.2021