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Lust auf REGIO | 06.2022
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Ein Superlativ, der sich sehen lassen kann: Die Hohkönigsburg ist die meistbesuchte Burg im Elsass. Die heutige Anlage entstand in einem Zeitraum von 900 Jahren hauptsächlich in drei Phasen. Architekturhistoriker Thomas Biller erzählt von ihrer komplexen Baugeschichte. Text: Dorothea Wenninger
Titelthema
Auf einer steil über dem Örtchen Kintzheim nahe Sélestat aufragenden bewaldeten Felsnase thront die eindrucksvolle Haut-Kœnigsbourg – so ihr ins Französische übertragener Name. In wunderschöner Aussichtslage und pittoresk anzuschauen vertritt sie scheinbar perfekt das Bild einer mittelalterlichen Festung. Aber trügt dieses Bild nicht? Sind beispielsweise die Dächer nicht zu gut erhalten? Bei genauerem Hinsehen wirken die Gebäude doch wesentlich jünger. Einer der profiliertesten Burgenforscher Deutschlands, der Baugeschichtler Thomas Biller, gibt bei einem Rundgang Auskunft. Er kennt die Hohkönigsburg in- und auswendig und hat lange an ihrer Baugeschichte geforscht. Auf dem Weg ins Innere der Burg macht er an den Außenmauern des Hochschlosses auf die dicken Buckelquader im unteren Teil sowie eine
romanische Arkatur aufmerksam: Das sind Reste aus der ersten Bauphase im 12. Jahrhundert.
Im Herzen der Festung Das Hochschloss ist das Zentrum der Hohkönigsburg. Es ist im Spätmittelalter um 1479 entstanden. Dabei wurden die Außenmauern einer älteren Burg verwendet. Der Bau ist viergeschossig und umschließt einen sehr engen Hof. Die außergewöhnlich kompakte und hohe Bauweise ist dadurch bedingt, dass der Untergrund, ein schmaler Felsgrat, nur wenig Platz bietet. Auffallend in dem Gebäude ist die Lage des Schlafraums des Hausherrn, Graf Oswald von Thierstein: Er befand sich über der Küche. Offenbar legte der Graf – ein Mann höheren Alters – mehr Wert auf einen warmen Raum als auf einen
herrschaftlichen Ausblick. Der Baustil des unbekannten Architekten lässt – entgegen dem spätgotischen Zeitgeist – erstaunlich wenig Prunkvolles, dafür umso mehr Sinn für das Praktische erkennen. Einmalig ist auch das schwere Gewölbe auf der oberen Etage des Hochschlosses: Es musste das Gebäude vor Artillerieangriffen schützen, denn für dicke Außenmauern war kein Platz. Im Festsaal im zweiten Obergeschoss ist dies noch an den sich nach oben sehr massiv verdickenden Strebepfeilern abzulesen. Darauf weist Thomas Biller ausdrücklich hin: Diese Befestigungsfunktion eines Dachgewölbes ist sonst von keiner Burg bekannt. Damit das Hochschloss nicht von Westen aus beschossen werden konnte, dem einzigen Zugang von Land, wurde das große Bollwerk – der westliche Abschluss der Burganlage